DIE ANFANGE DES PERSONENVERKEHRS PER EISENBAHN IN PREUßEN 1835-1860 Vorgelegt von Peter Paul Dahms M. A. geb. in Berlin von der Fakultät I - Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie - Dr. phil. - genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel Berichter: Prof. Dr. Marcus Popplow Berichter: PD Dr. Günther Luxbacher Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 14. Juli 2015 Berlin 2015 D 83 Danksagung Die Recherchen und die Bearbeitung dieser Arbeit, bis zur ihrer Fertigstellung, haben sich über insgesamt drei Jahre hingezogen und sie hatten einen wesentlichen Einfluss auf unsere Lebensumstände und unser Familienleben. Ich möchte mich deshalb bei meiner Ehefrau Renate Dahms herzlichst dafür bedanken, dass sie mich bei meiner Arbeit interessiert und verständnisvoll begleitet und aktiv unterstützt hat, indem sie bei der Korrekturlesung behilflich war und mit sachlichen Hinweisen und Anregungen zur Überwindung gedanklicher Tiefpunkte beitrug. Ihr soll deshalb diese Arbeit gewidmet sein. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.................................................................................................................................... 7 1.1 1.2 Klärung der Begriffe und des Untersuchungsgebietes ..................................................... 12 1.3 Forschungsstand und Literatur ........................................................................................ 14 1.4 2 Problemstellung ................................................................................................................. 7 Struktur der Arbeit ........................................................................................................... 24 Ursprünge des Personenverkehrs ............................................................................................ 31 2.1 2.2 England ............................................................................................................................. 36 2.3 Amerika ............................................................................................................................ 42 2.4 Belgien und Frankreich ..................................................................................................... 43 2.5 3 Exkurs: Die Personenpost ................................................................................................. 31 Deutschland...................................................................................................................... 47 Personenverkehr ...................................................................................................................... 55 3.1 Statistik ............................................................................................................................. 55 3.1.1 Exkurs: Personenpost in Preußen ............................................................................ 57 3.1.2 Eisenbahnverkehr in Deutschland ............................................................................ 60 3.1.3 Personenverkehr in Deutschland ............................................................................. 64 3.2 Personenverkehr in Preußen............................................................................................ 67 3.2.1 Die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn .......................................................... 72 3.2.2 Die Magdeburg-Leipziger Eisenbahn........................................................................ 74 3.2.3 Die Berlin-Anhaltische Eisenbahn ............................................................................ 76 3.2.4 Die Berlin-Stettiner Eisenbahn ................................................................................. 77 3.2.5 Die Rhein-Weser Eisenbahn ..................................................................................... 78 3.2.6 Die Rheinische Eisenbahn......................................................................................... 83 3.2.7 Die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn ............................................................. 85 3.2.8 Die Oberschlesische Eisenbahn ................................................................................ 87 3.2.9 Die Ostbahn .............................................................................................................. 89 3.2.10 ‚Junction’ und ‚Commuter’ ....................................................................................... 95 3.3 Abbau der Beschränkungen an staatlichen Grenzen ....................................................... 99 3.3.1 Persönliche Identifikation....................................................................................... 101 3.3.2 Restriktionen und Zollregelungen .......................................................................... 103 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr .......................................................................... 104 3.4.1 3.4.2 Anlehnung an die Posttarife ................................................................................... 113 3.4.3 Anpassung an den Bedarf ....................................................................................... 115 3.4.4 4 Exkurs: Die Posttarife ............................................................................................. 111 Die Reisenden als Gruppe ...................................................................................... 116 Die Personenwagen ................................................................................................................ 119 4.1 Allgemeine Grundlagen .................................................................................................. 119 4.2 Exkurs: Die Wagen der Eilpost........................................................................................ 125 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV ..................................................................................... 128 4.3.1 Wagen der I. Klasse ................................................................................................ 134 4.3.2 Wagen der II. Klasse ............................................................................................... 135 4.3.3 Wagen der III. Klasse .............................................................................................. 136 4.3.4 Wagen der IV. Klasse .............................................................................................. 137 4.4 4.5 Klima, Komfort und sanitäre Einrichtungen ................................................................... 140 4.6 5 Die Entwicklung bis zum Ende der 1850er Jahre............................................................ 138 Sicherheit der Reisenden................................................................................................ 146 Die Reisenden ......................................................................................................................... 153 5.1 Vorüberlegungen ............................................................................................................ 153 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise ....................................................................................... 156 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck ........................................................... 167 5.3.1 Reisende ................................................................................................................. 169 5.3.2 Reisefrequenz ......................................................................................................... 172 5.3.3 Reisezweck ............................................................................................................. 173 5.4 Verhalten der Reisenden während der Fahrt ................................................................. 176 5.5 Verhältnis des Betriebspersonals zum Reisenden ......................................................... 179 5.6 Kommunikation im Eisenbahnabteil .............................................................................. 182 5.7 6 Kommunikation innerhalb der Züge .............................................................................. 183 Zusammenfassung.................................................................................................................. 187 6.1 Ergebnisse der Untersuchung. ....................................................................................... 187 6.2 Entwicklung der Eisenbahn bis in die 1880er Jahre. ...................................................... 192 6.3 Wandel in der Funktion der Reise .................................................................................. 195 6.4 Politische Veränderungen durch Reiseerfahrungen ...................................................... 196 6.5 Langfristige Folgen für Politik und Gesellschaft ............................................................. 197 A Anhang – Tabellen und Pläne ................................................................................................. 201 B Anhang - Verzeichnisse .......................................................................................................... 205 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................ 205 Tabellenverzeichnis .................................................................................................................... 205 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................... 206 C Literatur- und Quellenverzeichnis .......................................................................................... 207 Quellen ....................................................................................................................................... 207 Literatur ...................................................................................................................................... 209 1 Einleitung 1.1 Problemstellung Untersuchungen über die Eisenbahn, besonders über die frühen Jahre, wurden und werden zu einem großen Teil von Nicht-Historikern für eine breite Öffentlichkeit und für Leser mit einem besonderen Interesse an technischen Artefakten verfasst. Sie behandeln damit auch überwiegend Beschreibungen von Betriebsmitteln der Eisenbahn, die sich durch auffällige Eigenschaften oder eine besondere Historie auszeichnen.1 Dazu gehören z. B. Dampflokomotiven, Eisenbahnhochbauten und die Betriebsmittel des Fahrbetriebs sowie die technischen Hilfseinrichtungen. Ein beliebter Untersuchungsbereich sind auch die Eisenbahnstrecken, die sich durch eine besondere landschaftliche Umgebung oder durch eine besondere technische Herausforderung beim Bau und im Betrieb auszeichnen.2 Eisenbahnwaggons für den Personenverkehr und Wagen für den Güterverkehr werden im Zusammenhang mit der Beschreibung kompletter Zugzusammenstellungen dokumentiert.3 Aus diesen Überlegungen und mit diesen Motiven entstand eine umfangreiche Literatur, die sich durch einen eindrucksvollen Detailreichtum und kompletten Beständen von Elementen in einer großen Vielfalt unterschiedlichster Medien darstellt. Die meisten dieser Arbeiten entsprechen jedoch nicht dem Standard und den Erwartungen, die an eine wissenschaftliche Forschungsarbeit gestellt werden müssen. Anders sieht es im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aus. Hier überwiegt bei den Arbeiten, die z. B. als Monografien aus Forschungsvorhaben hervorgegangen sind, die 1 2 3 Z. B.: Hartung, K. und Preuß, E. (1996). Chronik Deutsche Eisenbahnen. 1835 - 1995, 1. Auflage, Stuttgart: transpress; Dostal, M. (2004); Das große Handbuch der Eisenbahn. Alles, was Sie schon immer über die Eisenbahn wissen wollten!, München: GeraMond-Verl.; Knaurs Geschichte der Dampfeisenbahn im Bild (1983). München. Z.B.: Weber, J. (1838): Der Dampfwagenreisende auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn; Preuss, Reiner; Preuss, Erich (1996): Schmalspurbahnen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.; Glaser, Hermann (2009): Kulturgeschichte der Deutschen Eisenbahn; Bose, Hugo v. (1854): Eisenbahn-ReiseHandbuch für Europa; Dirnböck, Jacob Franz (1845): Erlebnisse und Abenteuer des Hans Michel aus Obersteier auf seiner ersten Eisenbahnfahrt. Mahr, Johannes (1985): Von der »Eisenbahn in der Landschaft; Mathieur, Jean Paul (1842): Malerische Beschreibung der Eisenbahn zwischen Köln und Aachen; Ghega, Carl Ritter von; Czerny, Ludwig (1854): Malerischer Atlas der Eisenbahn über den Semmering; Dinhobl, Günter (2003): Die Semmeringerbahn. Der Bau der ersten Hochgebirgseisenbahn der Welt; Moreau, P.; Rotré, A. (1831): Wissenschaftliche Beschreibung und malerische Ansichten von der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester. Z.B : Geise, John (1960): What Is a Railway?; Hartmann, Karl (1837;1840): Praktisches Handbuch über die Anlage von Eisenbahnen; Heusinger von Waldegg, Edmund (Hg.) (1869): Handbuch für specielle Eisenbahn-Technik; Lechatelier (1853): Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen Eisenbahnen bis zum Jahre 1851; Lecount, Peter (1839): Practical Treatise on Railways. explaining their constrution and management. 8 1 Einleitung akribische Zusammenstellung von Tabellen mit numerischen Daten, die mit den Methoden der quantitativen historischen Sozialforschung aus den historischen Quellen erarbeitet wurden.4 Bei der Darstellung dieser Datensammlungen in Diagrammen zeigt sich die Entwicklung dieses speziellen Verkehrsmittels, der „Eisenbahn“, als ein revolutionärer Prozess. Bei einer Darstellung der Eisenbahn im Verlauf der gesamten Verkehrsentwicklung zu Lande ergibt sich jedoch zuerst einmal hauptsächlich ein Wechsel im Verkehrsmittel und dadurch ein wesentlich flacherer Verlauf der Kurven, deren Entwicklung erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stark ansteigt. Dieser Eindruck entsteht hauptsächlich dadurch, dass in diesen Fällen nicht der Verkehr - hier soll im Weiteren für diese Untersuchung nur der Personenverkehr betrachtet werden - in seiner gesamten historischen Entwicklung, sondern nur der Personenverkehr mit Dampfbetrieb berücksichtigt wird. Die eingeführten, traditionellen Verkehrsmittel, die Eilpost, die Personenpost, die privaten Fuhrbetriebe und der Verkehr zu Fuß behielten jedoch für den Fernverkehr und noch stärker für den Nachbarschafts- und Kurzstreckenbereich lange Zeit unverzichtbar ihre alte Bedeutung.5 Sie dienten dabei besonders auch als Verknüpfung und Zuführung des Verkehrs zum stetig wachsenden Eisenbahnnetz. Aus der in Jahrhunderten gewachsenen Reise- und Verkehrstechnik entwickelte sich als Ergänzung, als Ersatz und als Weiterentwicklung, organisatorisch und technisch, die Eisenbahntechnik. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und stetig zunehmend seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts stieg das allgemeine Interesse am Reisen.6 Reisen sollten der Erkenntnisgewinnung oder der Erweiterung des geistigen, wirtschaftlichen und auch des technischen Horizonts dienen. Das berührte aber überwiegend oder ausschließlich die Menschen, die sich diesen Luxus leisten wollten und es auch finanziell und zeitlich ermöglichen konnten. Anderseits wurde die Erhöhung der Mobilität durch grundlegende gesellschaftliche Umwälzungen auch bei den Menschen relevant, die vorher nicht an einen Ortswechsel, 4 5 6 Z. B.: Die preussische Eisenbahnpolitik des Jahres 1848 (1880); Anonymus (1845): Vergleichung der Eisenbahnen hinsichtlich ihrer Einnahmen, Ausgaben und ihres Gewinns; Donaghy, Thomas J. (1966 (Published 1970)): The Liverpool & Manchester Railway as an Investment; Fremdling, Rainer (1975): Eisenbahnen und deutsches Wirtschaftswachstum, 1840-1879. Ein Beitrag zur Entwicklungstheorie und zur Theorie der Infrastruktur; Kunz, Andreas (2010): IEG-MAPS. ISSN 1614-6352; Lesser, Ludwig (1844): Zur Geschichte der Berliner Börse und des Eisenbahnaktien-Handels. Berlin; List, Friedrich (1838): Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung; Lohauss, Ludwig (1884): Der Personenverkehr auf den preussischen Eisenbahnen in den Jahren 1856 bis 1880. Zur Geschichte der deutschen Land- und Wasserstrassen. I. Die Land-Verkehrswege in Deutschland (1861); Beyrer, Klaus (1985a): Die Postkutschenreise; Herrmann, Klaus (1977): Die Personenbeförderung bei Post- und Eisenbahn in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Simson, Robert (1844): Preussens Eisenbahn- und Post-Reform; Lohauss, Ludwig (1884): Der Personenverkehr auf den preussischen Eisenbahnen in den Jahren 1856 bis 1880; Markow, Alexis (1889): Das Wachstum der Bevölkerung und die Entwickelung der Aus- und Einwanderungen, Ab- und Zuzüge.; Maurer, Michael (1999): Neue Impulse der Reiseforschung; Gerhold, Dorian (1993): Packhorses and wheeled vehicles in England, 1550-1800. 1.1 Problemstellung 9 über ihren engeren Lebensbereich hinaus gedacht hatten. Diese Mobilität konnte auf verschiedene Weise realisiert werden. Für die Überwindung weiter Strecken in Europa, über Ländergrenzen hinaus, diente seit dem Mittelalter die wohlorganisierte Post.7 Wer dafür nicht die Mittel zur Verfügung hatte, der benutzte seine Füße, die ihn nicht so weit, aber wesentlich billiger beförderten. Hier zeigt es sich schon im Ansatz, dass das Reisen wesentlich von den finanziellen Mitteln abhing, die man für diese Dienstleistung einsetzen konnte. Es interessiert in dieser Untersuchung deshalb auch der Reisende der ersten Kategorie als der neu hinzugekommene Benutzer und Nutznießer der neu entstehenden Verkehrstechnik. Das impliziert seinen Ursprung aus der technisch, organisatorischen Erbschaft des Systems der Post und endet mit der Etablierung einer überlegenden Ausbildung der Landverkehrstechnik. Dabei ist zu beachten, dass die etablierten Systeme noch über viele Jahrzehnte parallel, in ihrer bestehenden Funktion und als Zubringer sowie als lokale Systeme neben der Eisenbahn weiter bestanden. Der sich entwickelnde Verkehr besteht zu einem Teil aus der Technik und zum anderen aus den Reisenden (und der Güter), die das System erst als ein Verkehrssystem definieren.8 Auskünfte über die Reisenden in ihrer Individualität, in ihren Bestrebungen, in ihren Plänen und in deren Verwirklichung geben uns die Methoden der Kultur- und der Sozialwissenschaften. Die Anzahl der Reisenden, die Benutzung der verschiedenen Klassen der Personenwaggons und die Einnahmen aus den Tickets zeigen die Ergebnisse der Wirtschaftsforschung der statistischen Aufzeichnungen und Auswertungen.9 Aus diesen quantitativen Werten lassen sich wiederum aussagekräftige Diagramme erstellen, die in ihrem grafischen Verlauf die Verkehrsentwicklung visualisieren und damit eine revolutionäre Steigerung nachvollziehbar machen. Dieser Eindruck würde etwas gemildert, wenn man auch hier die Kurven nicht bei der ersten Eisenbahn beginnen lässt, sondern die 7 8 9 Hartmann, Karl (1868): Entwicklungsgeschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. mit besonderer Beziehung auf Deutschland. Z.B.: Beaumont, Matthew (Hg.) (2007): The railway and modernity. Time, space, and the machine ensemble; Brilli, Attilio; Kopetzki, Annette (2012): Als Reisen eine Kunst war; Dinhobl, Günter (Hg.) (2004): Eisenbahn / Kultur - Railway / Culture; Dinhobl, Günter (2009): Bahnbrechend zum "Culturpflug unserer Zeit"; Giedion, Sigfried; Moos, Stanislaus von (1982): Die Herrschaft der Mechanisierung; Neubert, Christoph; Schabacher, Gabriele (Hg.) (2013); Verkehrsgeschichte und Kulturwissenschaft. Analysen an der Schnittstelle von Technik, Kultur und Medien; Helmedach, Andreas (2002): Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor; Ward, James (1847): Railways for the many and not for the few, or how to make them profitable to all. Z. B.: Einfluß der Eisenbahnen auf die Kosten des Reisens (1851); Crelle, August Leopold (1840): Über die Fahrpreise auf Eisenbahnen; Direction (1842): Jahresbericht der Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn; Egidy, M. von (1842): Darstellung der gewerblichen und statistischen Verhältnisse; Fremdling, Rainer (1985): Industrialisierung und Eisenbahn; Ohler, Norbert; Schäfer, Hermann (1980): Quantitative Methoden für Historiker; Wyszomirski, Floud, Roderick; Irsigler, Franz (1980): Einführung in quantitative Methoden für Historiker; Curt (1957): Die Entwicklung des Deutschen EisenbahnGütertarifs; Federspiel, Ruth; Fremdling, Rainer (1995): Statistik der Eisenbahnen in Deutschland 1835 – 1989; Michaelis, Julius J. (1861b): Zusammenstellung der Längen, Anlagekosten und Transportmittel der im Königreich Preussen). 10 1 Einleitung Verkehrsentwicklung der Jahrzehnte davor fortführt. Dies sind die Ergebnisse, die sich aus der quantitativen Analyse der Anzahl der Reisenden und der Einnahmen durch den Personenverkehr ergeben. Was in diesem Bild jedoch fehlt und bei allen Untersuchungen über den Personenverkehr nur als unspezifische Bemerkungen, ohne Nachweis einer adäquaten Quelle erfolgt, ist die gesellschaftliche Zusammensetzung der Reisenden, die sich an erster Stelle wahrscheinlich aus den ehemaligen - oder immer noch parallel zu Eisenbahn - Benutzern der Personenpost rekrutieren.10 Was aber nicht bedacht und deshalb wenig oder nicht dokumentiert ist, ist die Darstellung der Gruppe der Eisenbahnreisenden, die erstmals ein Verkehrssystem zum Reisen und nicht mehr ihre eigenen Füße zur alleinigen Fortbewegung benutzen, um ihre Mobilität zu erweitern. Das ist erst möglich, seitdem die Eisenbahn durch ihre niedrigeren Tarife und ihre Schnelligkeit dieser Gruppe das Reisen mit diesem Verkehrsmittel erst ermöglichte. Diese Arbeit befasst sich aus diesen Gründen nicht an erster Stelle mit den Artefakten sondern mit den Menschen, den Reisenden, die die Dienstleistung des Personentransport nachfragen und in Anspruch nehmen. Es wird die Frage gestellt, wie wird der Personenverkehr per Eisenbahn genutzt und wie wird die Entwicklung dieser Technik und deren Organisation durch den Nutzer beeinflusst, wie kann sie überhaupt durch ihn beeinflusst werden. Welchen Restriktionen unterliegt der Mensch als Reisender dabei und welche Vorteile zieht er als deren Nutzer. Der Einfluss auf die Weiterentwicklung der Betriebsmittel und der Organisation resultiert aus den Verschränkungen von Akzeptanz und Nutzerverhalten und den technischen Möglichkeiten. Diese Untersuchung liegt damit in der aktuellen Entwicklung, die die Historiografie der Verkehrsgeschichte in den letzten Jahren genommen hat.11 Diese Vorgehensweise geht von der Vorstellung aus, dass die Technik nicht als deterministisch gesehen wird, sondern dass der Mensch als Nutzer ( und auch als Investor) durchaus einen regelnden Einfluss auf die technische und organisatorische Entwicklung nehmen kann.12 Dieser Ansatz als Social Construction of Technology (SCOT) benannt, verstand sich als Konzept, das die Vorstellung des technischen Determinismus in Frage stellte und stattdessen den Einfluss sozialer Faktoren auf die Technikentwicklung betonte. SCOT ging es darum, die soziale Gestaltbarkeit der Technik herauszuarbeiten.13 Informationen wie sie hier erforderlich sind, lassen sich aus jeder Art von Reisebeschreibungen jedoch nicht im erforderlichen Umfang ermitteln, um eine Generalisierung zu begründen. Es ist dazu auch 10 11 12 13 U. A:. König, Wolfgang (2000) S. 269f. : Geschichte der Konsumgesellschaft. Heßler, Martina (2012b) S 1-3. Heßler, Martina (2012b) S 6-8. Heßler, Martina (2012b), „Determinismus gegen Social Construction of Technology“ S 6-8 1.1 Problemstellung 11 anzumerken, dass natürlich auch der weitaus größte Teil der Reisenden mit der Postkutsche keine schriftlichen Zeugnisse über ihre Reiseerlebnisse hinterlassen hatte. Um also die Reisenden mit den ersten Eisenbahnen in ihrer Individualität oder ihrer Gruppend. h. ihrer Standes(oder Klassen-)zugehörigkeit und mit ihren Reiseaktivitäten annähernd zu erfassen, helfen uns eventuell die Sozial- und die Kulturwissenschaften mit ihren interdisziplinären Theorien und ihrem Methodenangebot weiter. Diese Fragen sollen in dieser Untersuchung als Forschungsansatz verfolgt und beantwortet werden.14 Das folgende Zitat ist zwar etwas polemisch formuliert und auch in dieser Strenge bei einer aufmerksameren Lektüre der Monografie nicht haltbar,15 es trifft jedoch gut das Thema, zu dem für diese Arbeit geforscht werden soll. »Besser als bei der Telegraphie ist der Forschungsstand bei den Eisenbahnen.16 Wir wissen viel über den Stellenwert der Eisenbahn für die deutsche Industrialisierung17 und die sich zugunsten des neuen Verkehrsmittels entwickelnde Haltung von Staat und Militär.18 Das größte Defizit jedoch betrifft die mit der Eisenbahn verbundene dramatische Zunahme der Mobilität und deren soziokulturelle Verarbeitung. Wolfgang Schivelbuschs als Klassiker der Kulturgeschichte geltende „Geschichte der Eisenbahnreise“ (1977) demonstriert hierbei unfreiwillig die Grenzen des Genres.19 Wenn Fragen wie Wer reiste? Wohin? Und zu welchem Zweck? Ausgeklammert werden, dann steht dies nicht etwa für einen panoramatischen Blick, sondern für Scheuklappen, welche die Sicht behindern.«20 In dieser Untersuchung sollen deshalb zur Weiterführung des aktuellen Forschungsstandes folgende Forschungsfragen beantwortet werden:  Wie groß war die Anzahl der Reisenden insgesamt bei der Eisenbahn in Deutschland und wie war sie speziell im Teilbereich Preußen? 14 15 16 17 18 19 20 Pirie, Gordon (2014): Tracking railway histories. Schivelbusch, Wolfgang (1995) vgl. z. B.: S. 64 f. und das Kapitel 5. „Das Abteil“, S. 67 f. Schivelbusch bezieht sich in seinen Beschreibungen überwiegend auf die „bürgerlichen Schichten“ und er erwähnt die „unteren Schichten“ nur am Rande. Weiterhin sind seine Quellen fast ausschließlich englisch/amerikanische Arbeiten d. h. aus einem anderen Kulturkreis. Roth, Ralf (2005): Das Jahrhundert der Eisenbahn. Die Herrschaft über Raum und Zeit. Fremdling, Rainer (1975): Eisenbahnen und deutsches Wirtschaftswachstum, 1840-1879. Ziegler, Dieter (1996): Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung; Mitchell, Allan (1992): The great train race. Schivelbusch, Wolfgang (1995): Geschichte der Eisenbahnreise. König, Wolfgang (2007) S. 293: Die technikhistorische Forschung in Deutschland von 1800 bis zur Gegenwart, König zitiert hier: Roth, Ralf (2005), Fremdling, Rainer (1975), Ziegler, Dieter (1996): und Schivelbusch, Wolfgang (1977, 1995). 12 1 Einleitung  Mit welcher Reisefrequenz über welche Streckenlänge wurde die Eisenbahn benutzt,? Wie entwickelte sich besonders der Personenverkehr in den frühen Jahren der Eisenbahn?  Wie wurde die Ausstattung der Personenwagen als Ganzes und deren einzelne Abteile – d. h. der verschiedenen Klassen -, als Grundlage für die Attraktivität der Eisenbahn gegenüber alternativen Verkehrssystemen, wie z. B. die Eilpost, realisiert?  Wie wurde die Höhe des Personentarifs in den verschiedenen Klassen dem realen Verkehrsvolumen im Verhältnis zum Nutzungswert gestaltet und welche Unterschiede betrafen dabei den Komfort?  Welche Rückschlüsse konnten bei der Tarifentwicklung aus dem Benutzungsverhalten der Reisenden auf deren Gruppenzugehörigkeit für die Analyse der Mikroebene gezogen werden? 1.2 Klärung der Begriffe und des Untersuchungsgebietes Zur Abgrenzung des Untersuchungsbereiches werden die Begriffe definiert und die sachlichen, räumlichen und zeitlichen Grenzen festgelegt. SACHLICH: Der Reisende kann nicht generell als Individuum identifiziert werden, d. h. auf der Mikroebene als einzelner Benutzer des Personenverkehrs. Als statistische Größe gesehen ist er ohne Individualität und nur ein Teil von aggregierten Gruppen. Seine Reiseabsichten wie seine positiven und negativen Erfahrungen auf der Reise sollen als Gruppenverhalten aus den Quellen herausgearbeitet werden und damit Faktoren für die Bewertung der Attraktivität gegenüber den alternativen Angeboten der konkurrierenden Verkehrsunternehmen liefern. Ein weiterer Faktor für die Akzeptanz sind die konstruktive Ausführung und die klimatische, hygienische Ausstattung der Personenwagen. Weiterhin sind die Betriebsabläufe wie die Pünktlichkeit nach festen Fahrplänen und die Sicherheit innerhalb und außerhalb der Züge ein wesentlicher Entscheidungsfaktor für die Wahl der Eisenbahn. Es ist z. B. zu fragen, ob für den Reisenden, der von der Personenpost zur Personeneisenbahn wechselte, die Kommunikation mit seinem Gegenüber, d. h. dem Mitreisenden wichtig war und ob das auch so blieb. Die Eisenbahngesellschaften hatten durch die Gestaltung der Tarife und die Schaffung einzelner Klassen die Möglichkeit, die Akzeptanz und die Attraktivität ihres Angebots zu steuern. Der Reisende konnte die Entwicklung beeinflussen, indem er seine persönliche Wahl in diesem Angebot traf. 1.2 Klärung der Begriffe und des Untersuchungsgebietes 13 Zur Abgrenzung gegenüber dem Güterverkehr soll hier der Personenverkehr verstanden werden, als die räumliche Bewegung von Personen unterschiedlicher örtlicher Herkunft mit unterschiedlichen Absichten (Motiven) und Zielen, freiwillig, fremd- oder umständebestimmt mit eigener Kraft, zu Fuß, mit Handkarren, Fahrrad o. ä., oder mit Hilfe von zu diesem Zweck eingerichteten, planmäßig, bedarfsgesteuert oder spontan verkehrenden Transportmitteln, administrativer, öffentlicher oder privater Organisation. Damit ist der Personenverkehr per Eisenbahn, ein regelmäßiger Verkehr nach öffentlich bekannt gegebenen Fahrplänen und Beförderungstarifen, zu festgelegten Zielorten, mit festgelegten Betriebsfrequenzen, mit Hilfe von Zusammenstellungen dampfgetriebener Zugmaschinen mit antriebslosen Wagen, geeignet für den Transport von Personen und deren Gepäck (oder von dafür geeigneten Gütern), in verschiedenen Bauarten und unterschiedlichen Komfortklassen, auf mit Stahlschienen in fester Spurbreite armierten Kunststraßen. ZEITLICH: Untersucht wird der Zeitraum von 1835 bis 1860 ("politisch: Vormärz und gesellschaftlich, kulturell: Biedermeier"). Das Jahr 1835 wurde gewählt wegen der Inbetriebnahme der ersten Eisenbahn mit Dampfkraft in Deutschland und 1860, hierbei weniger präzise zu bestimmen, als die allgemeine Wahrnehmung einer relativ stabilen Etablierung der Eisenbahn als Verkehrsmittel, nach den Jahren der weitgehenden Klärung der grundlegenden technischen, wirtschaftlichen und politischen Fragen. In der Mitte dieses Zeitbereiches liegen die Ereignisse der Revolution von 1848/49 und damit auch politische Entwicklungen, die die Etablierung der Verkehrssysteme maßgeblich beeinflussten. Zum Ende des Zeitraumes dieser Untersuchung steht das Jahr 1857, in dem es wegen einer wirtschaftlichen Rezession zu einer temporären Verzögerung der Entwicklung kam. Bei der Betrachtung der technischen Entwicklung der Betriebsmittel der Eisenbahn, hier besonders der Personenwagen mit ihren verschiedenen Teilaggregaten zur Gestaltung des Komforts des Reisenden, ist es notwendig, dass auch von Fall zu Fall über das Jahr 1860 hinausgegangen werden muss, um einzelne Entwicklungsstufen besonders zu kennzeichnen. RÄUMLICH: Bearbeitet werden, um den Untersuchungsbereich räumlich einzugrenzen, primär die preußischen Eisenbahnen, mit Exkursen zu den anderen Staaten des Deutschen Zollvereins bzw. dem Deutschen Bund und dem Norddeutschen Bund. Preußen war ein selbstständiger Staat im Norddeutschen Bund, angeschlossen an den Deutschen Zollverein. Die Staatsform war eine absolute Monarchie mit einem Ständestaat und einer weit- 14 1 Einleitung reichenden Zentralverwaltung, mit einem streng reglementierten und reglementierenden Beamtenapparat. Preußen bestand bis 1868 aus zwei Landesteilen im Norden Deutschlands, die durch dazwischenliegende unabhängige Staaten, dem Kgr. Hannover und dem Hzg. Braunschweig räumlich getrennt waren. Der westliche Landesteil erstreckte sich vom Reg.bz. Minden im Wesergebiet nach Westen bis zum Reg.bz. Aachen/Trier. Der östliche Landesteil reichte vom Reg.bz. Magdeburg über den Reg.bz. Brandenburg mit Berlin bis zum Reg.bz. Königsberg/Gumbinnen in Ostpreußen und von der Ostsee im Norden den Reg.bz. Stralsund/Danzig/Königsberg bis nach Schlesien im Süden, dem Reg.bz. Oppeln. Zur Analyse der Ursprünge des Personenverkehrs per Eisenbahn werden die Verhältnisse in England, Amerika, Belgien und Frankreich kritisch untersucht und die Ergebnisse den Entwicklungen im Untersuchungsgebiet vergleichend gegenüber, bzw. voran gestellt. 1.3 Forschungsstand und Literatur Die Forschungsfragen dieser Untersuchung wurden primär als Technikgeschichte jedoch interdisziplinär unter Zuhilfenahme technischer, historischer und sozialer Aspekte des Untersuchungsraumes bearbeitet. Den aktuellen Forschungsstand der Technikgeschichte fasst Heymann in seiner Sammelrezension, einem Review-Essay, zusammen.21 Die darin ausgewertete Literatur wurde auf relevante Untersuchungen und auf Sekundärliteratur über das Thema dieser Arbeit durchgesehen. Heymann stellt bei der Beantwortung der Frage, welche Themen in der aktuellen Technikgeschichte aktuell bearbeitet werden fest, dass sie eindeutig im 19. und im 20. Jahrhundert liegen, weiterhin wird heute Technikgeschichte fast ausschließlich nicht mehr von Technikern, sondern von Historikern betrieben. Heßler sagt dazu, dass es für das Schreiben von Technikgeschichte, »nicht technischer Kenntnisse bedarf«.22 Für die Beantwortung der Forschungsfragen dieser Arbeit ist es deshalb notwendig, einen weitgehend interdisziplinären Ansatz zu verfolgen, weil hier u. a. Fragen der technischen Betriebsmittel und des ökonomischen Fortschritts gestellt werden. Eisenbahnliteratur ist bis heute zu einem großen Teil auch eine Liebhaberliteratur von Eisenbahnfreunden, die für den populären Bereich schreiben und sich dann überwiegend mit technischen Artefakten, den Betriebsmitteln wie Lokomotiven und Streckenverläufen befassen. Diese Arbeit wird zu großen Teilen die Statistik und die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Literatur neben den technischen Entwicklungen untersuchen. Es 21 22 Vgl. Heymann, Matthias (2013).. Vgl. Heßler, Martina (2012), S. 11. 1.3 Forschungsstand und Literatur 15 wird angestrebt, durch die intensive Auswertung von zeitgenössischer Literatur aus den Jahren bis etwa 1860 überwiegend in Preußen, die Stimmung und die Beweggründe genau der Menschen zu erfassen, die den hier untersuchten Personenverkehr in dieser Zeit und in diesem begrenzten geografischen Raum als Reisende nutzten. Die Untersuchung soll die verschiedenen Aspekte des Personenverkehrs der frühen Jahre der Eisenbahn im Ergebnis, so detailliert, wie es für eine Beurteilung erforderlich ist, darstellen. Bisher ist dieser Ansatz noch nicht in diesem Umfang und mit dieser Relevanz bearbeitet worden. Dazu z. B. das folgende Zitat. »Die Revolution, die im Bereich des Transportwesens in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts stattgefunden hat, erfaßte den Gütertransport ebenso wie den Personentransport. Während aber die der Entwicklung des Güterverkehrs insbesondere im Hinblick seiner Bedeutung für die Entwicklung der Volkswirtschaft gewidmeten Studien kaum mehr übersehbar sind, ist das, was sich vor ca. 150 Jahren im Bereich des Personentransports abspielte, von der Wissenschaft wahrlich stiefmütterlich behandelt worden.«23 Diesem Zitat aus dem Jahre 1977 ist nach meinen Untersuchungen bis heute nichts hinzuzufügen. Der Ursprung der spurgeführten Wagen zum Transport von Abraum und Erz liegt in den Gruben Nordeuropas. Seit dem Mittelalter wurde diese Art des Transports in mehreren Beschreibungen erwähnt24. Zu größerer Tragfähigkeit weiter entwickelt wurde diese Wagentechnik mit dem Beginn der Industrialisierung in England.25 Sie wurde etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts von den englischen Kohlengruben übernommen.26 Von den auf Holzlatten geführten Wagen wurden sie zu Eisenbahnen weiterentwickelt. Sie wurden mit gusseisernen Rädern versehen und liefen auf ebenfalls gusseisernen Laufschienen. Aus den Wagen, die ursprünglich in den Gruben und bis vor die Gruben von Hand bewegt wurden, entstanden Eisenbahnen, die von der Grube bis zum nächsten Kanalanschluss führten und von Menschenkraft auf Pferdeantrieb umgestellt wurden.27 Anfang des 19. Jahrhunderts stieg der Bedarf an Transportkapazität, mit der Verbreitung der Industrialisierung, stark an. Die Kapazität und die Reichweite der Eisenbahnen mussten abermals erweitert werden. Sie trat nun in Konkurrenz zu dem bis dahin dominierenden Transportverkehr auf den Kanälen und den kanalisierten Flüssen und wurde von den Kohle- und Erzgruben zu den nächsten 23 24 25 26 27 Vgl.Herrmann, Klaus (1977), S.3. Vgl. Dougherty, Carolyn (2005-2012),Sp. 155, Abb. 1: Eisenbahn; Agricola, Georg/ Schiffner, Carl (1980), S. 126, 301. Lecount, Peter (1839). Lewis, M. J. T. (1970). Vgl. Popplow, Marcus (2008), S. 80 ff. 16 1 Einleitung Seehäfen erweitert.28 Dadurch entfielen die aufwendigen Umladungen der Güter. Mit dieser Entwicklung begann auch die Geburtsstunde des Personenverkehrs per Eisenbahn, dessen Entstehung und Entwicklung in dieser Untersuchung verfolgt werden soll. Es war anfangs noch nicht erkennbar, dass der Personenverkehr der dominierende Faktor für die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs werden würde, vorrangig für die wirtschaftlichen Überlegungen war der Güterverkehr.29 Hier unterscheidet sich schon die Entwicklung von England und dem übrigen Europa, in Deutschland begann der Eisenbahnverkehr mit dem Personentransport.30 Die ersten Investoren in die Eisenbahn konnten sich nicht vorstellen, dass die gut und preisgünstig funktionierende Personenpost auf guten englischen Straßen, den turnpikes, Konkurrenz machen könnte. Sie sollten eines Besseren belehrt werden. Den größten Entwicklungssprung machte die Eisenbahn mit der Einführung der mobilen Dampfmaschinen, die den Pferdeantrieb ersetzten.31 Dampfmaschinen waren zu dieser Zeit schon in vielen industriell geführten Manufakturen Englands und punktuell auch auf dem Kontinent im Einsatz. Jedoch erst die Weiterentwicklung zur Hochdruckdampfmaschine machte sie mobil und damit als Transportarbeitsmaschine einsetzbar. Mit dieser Verbesserung des Antriebs erreichte die Eisenbahn eine Geschwindigkeit, dem der etablierte Landtransport auf parallelen Wegen Nichts entgegensetzen konnte und ihn später vollends verdrängen würde. Die Geschichte des Personenverkehrs per Eisenbahn begann im Jahr 1830 mit der Eröffnung der ersten, primär für den Personenverkehr gebauten Eisenbahnstrecke in England von Liverpool nach Manchester.32 Zuvor konnten schon auf mehreren englischen Eisenbahnstrecken, die für den Güterverkehr gebaut worden waren und in Betrieb genommen wurden, Erfahrungen in der Technik und im Betrieb dieses Verkehrssystem gesammelt werden. Die Entwicklung setzte sich fort, über Nordamerika, Frankreich und Belgien, bis sie den deutschen Sprachraum erreichte.33 Mit den ersten Nachrichten von der neuen Verkehrstechnik für den Transport von Gütern und Personen, die über Reiseberichte in Deutschland bekannt wurden, intensivierte sich das Interesse aus technischer und ökonomischer Sicht und veranlasste verschiedene gesellschaftliche Gruppen, ihre Informationen durch direkte Ansicht zu vertiefen. Den Ökonomen interessierte in erster 28 29 30 31 32 33 Kirby, Maurice W. (2002); Guy, Andy; Rees, Jim (Hg.) (2001); Evans, Francis T. (1981). Dougherty, Carolyn (2005-2012); Jackman, William T. (1962). Hagen, Rudolf (1885). Simmons, Jack (1956). Donaghy, Thomas J. (1966 (Published 1970)); Frahm, Johann (1911): Hierzu auch: Kirby, Maurice W. (2002): Moreau, P.; Rotré, A. (1831): Albert, L. P. (1836). 1.3 Forschungsstand und Literatur 17 Linie der wirtschaftliche Erfolg der neu gegründeten Eisenbahngesellschaften, während dem Techniker an Informationen und Entwicklungen über die Konstruktion und die Produktion der Betriebsmittel dieser Verkehrstechnik gelegen war. Da die Engländer sehr darauf bedacht waren, ihre Produktionserfahrungen geheim zu halten, hatten die Reisen und die Reiseberichte deutscher Ingenieure und Kameralisten oft den Anschein von Industriespionage. Der Ökonom war an dem berichteten wirtschaftlichen Erfolg der Investition in Eisenbahnen interessiert, die von ungeahnten Dividenden in Aktienanlagen kündeten. Die Nachrichten fielen auf fruchtbaren Boden und innerhalb kurzer Zeit erschienen in Amerika, Belgien und Frankreich viele Denkschriften über Eisenbahnplanungen und wurden mit großer Propaganda durch Zeitschriften und Nachrichtenblätter verbreitet. Innerhalb kurzer Zeit waren die ersten Projekte komplett gezeichnet. Man schritt nun zur Durchführung der Planungen und begann mit dem Bau der ersten Strecken auf dem Kontinent. Die Beschreibungen und die Pläne in den Denkschriften und in den Berichten waren oft durch überzogene Erwartungen und unausgegorene technische und geografische Planungen gekennzeichnet. Das Thema „Eisenbahn“ überschwemmte und faszinierte einen großen Teil des mehr oder weniger vermögenden Bürgertums und erfasste auch weitere Kreise der Bevölkerung bis in den Arbeiterstand. Als sich die Projekte dem Realisierungszustand näherten, stellten sich viele der Pläne als undurchführbar oder unfinanzierbar dar und wurden beendet, während aber einige in Angriff genommen und erfolgreich durchgeführt wurden.34 Die Euphorie der Eisenbahn erreichte im Laufe der 1820er Jahre auch Deutschland und Preußen und es kam seit der Mitte der 1830er Jahre zu den ersten Projektdurchführungen. Über Eisenbahnprojekte in der Form von Denkschriften und Propagandaschriften liegen für den deutschen Bereich und für diese Untersuchung von Interesse für Preußen einige wichtige Dokumente im Original als Monografie, Zeitschriftenartikel und in den Archiven der Eisenbahngesellschaften vor. Über die real durchgeführten Projekte, die die Grundlage der Gründung und Weiterentwicklung der Gesellschaften waren, finden sich weitere Dokumente in den Archiven dieser Gesellschaften und deren Nachfolger. Der Personenverkehr profitierte in den Anfangsjahren der Eisenbahn in besonderem Maße. Um das 34 Leuchs, Erhard Friedrich (1836): Sammlung der von 1776 bis 1836 in Betreff der Eisenbahnen und Schienenwege. in Amerika, England, Frankreich und Deutschland gemachten Verbesserungen; Anonymus (1835): Ueber die Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika; von der Leyen (1917g): Vereinigte Staaten von Amerika. Eisenbahnen; Gordon, Sarah (1996): Passage to Union. How the railroads transformed American life, 1829 – 1929; Baader, Joseph (1822): v. Baader über englische Eisenbahnen; Hahn, F. (1896): Das grossbritannische Eisenbahnnetz; Hibbert, Christopher (1987): The English; Barton, Susan (2005): Working-class organisations and popular tourism, 1840 – 1970; Dobson, Edward (1843): The Railways of Belgium from 1834-1842; Railways at home and abroad (Rezensionen). Lit: Baron Von Reden: "Die Eisenbahnen Deutschlands Statistisch gesehen u.w. (1846 18 1 Einleitung Interesse an der Eisenbahn zu erwecken und die Strecken in kurzer Zeit zur Rentabilität und den versprochenen hohen Renditen zu führen, war der Güterverkehr keine gute Grundlage. Da die ersten Strecken meist nur Anfang und Ende aber keinen Anschluss an eine weiterführende Linie hatten, war ein Güterumschlag auf ein anderes Verkehrsmittel notwendig. Dadurch wurde die Zeitersparnis des Eisenbahntransports wieder aufgehoben und war deshalb auch wirtschaftlich noch nicht attraktiv. Ein Reisender konnte jedoch ohne große Probleme mit seinem Gepäck für eine längere Reise verschiedene Verkehrsmittel nutzen und für die Verkürzung einer längeren Reise ein Teilstück auf der Eisenbahn zurücklegen. Aus diesem Grunde war in den Anfangsjahren der Personenverkehr dominierend.35 Der öffentliche Personenverkehr nach festen Zeit- und Streckenplänen hatte in der Fahrpost der Postdienste, zur Zeit der Einführung der Eisenbahn mit Dampfantrieb, schon eine lange Tradition hinter sich und noch einige Zeit, parallel zum Eisenbahnbetrieb, vor sich. Da die Einführung und die weitere Entwicklung der Eisenbahn von den Erfahrungen der Fahrpost ausgingen, diese anfangs weiterführte und dann jedoch in zunehmendem Maße verbesserte und sie in einer revolutionären Steigerung von Verkehrsnachfrage und Verkehrsleistung weiterentwickelte, trägt diese Präeisenbahnzeit in ihrer Literatur einen wesentlichen Teil zum Verständnis der Entwicklung des Personenverkehrs bei. Zum Thema der Fahrpost sowie der Postkutschenreise in der Präeisenbahnzeit liegen einige grundlegende Arbeiten vor und wurden für diese Untersuchung ausgewertet.36 Quantitative Grundlagen über die Größe, die Entwicklung der Eisenbahn und hier besonders des Personenverkehrs finden sich in statistischen Sammelbänden, die die Archive der Eisenbahngesellschaften und zeitgenössische Sammelwerke sowie spezielle Eisenbahnzeitschriften ausgewertet und zu periodisch organisierten Tabellen aggregiert haben. In diesen Werken erscheinen Lücken für einzelne Jahre und Jahresfolgen, in denen, aus wirtschaftlichen oder auch wegen ungünstiger politischer Umstände, keine Zahlen 35 36 Sombart, Werner (1987): Der moderne Kapitalismus; Leclerc, Herbert (1989): Post- und Personenbeförderung in Preußen zur Zeit des Deutschen Bundes; Dretzky (1917): Personenverkehr. In: Victor Röll (Hg.): List, Friedrich (1835): Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem; Jehle, Manfred (1985): Eiserne Kunststraßen. Zur Vor- und Frühgeschichte der Eisenbahn; Heidemann, F.W (1819): Handbuch der Post-Geographie der Königl. Preußischen Staaten; Herrmann, Klaus (1977): Die Personenbeförderung bei Post- und Eisenbahn in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts; Klee, Wolfgang (1982): Preußische Eisenbahngeschichte. Beyrer, K. (1985): Die Postkutschenreise; Beyrer, Klaus (1985): Das Reisesystem der Postkutsche. Verkehr im 18. und 19. Jahrhundert; Helmedach, A. (2002): Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor; Leclerc, H. (1989): Post- und Personenbeförderung in Preußen zur Zeit des Deutschen Bundes; Stephan, H. v. (1859): Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprunge bis auf die Gegenwart; Voigt, F. (1965/1973): Verkehr (2 Bände); Behringer, Wolfgang (1994). Lotz, Wolfgang (Hg.) (1989): Deutsche Postgeschichte. Essays und Bilder; Glaser, Hermann; Werner, Thomas (1990): Die Post in ihrer Zeit. 1.3 Forschungsstand und Literatur 19 erfasst oder auffindbar waren.37 Ebenso liegen für den Bereich Preußens zu den Anfangsjahren und darüber hinaus quantitative Zusammenstellungen der Eisenbahnentwicklung, der Entwicklung der lokalen Eisenbahngesellschaften und des Personenverkehrs auf diesen Strecken Zahlen in Tabellen aggregiert vor.38 Die Tarifentwicklung ist in zweierlei Hinsicht für die Forschungsfragen dieser Untersuchung von Bedeutung. Erstens lässt sich darin die zunehmende Differenziertheit der Beurteilung des Kundenkreises seitens der Eisenbahngesellschaften erkennen und zweitens lässt sich der dann real entwickelnde Kreis der Eisenbahnreisenden ermitteln. Aus der Anpassung von Klasseneinteilung und Ausgestaltung der Preisstufen können Rückschlüsse auf die Reisenden als soziale Gruppen und einzelne Personen gezogen werden. Obwohl der Personenverkehr in vielen frühen Denkschriften und Projektentwicklungen schon eine hohe Bedeutung zugemessen wurde, erfolgte die Berechnung der Kosten und der daraus resultierenden erforderlichen Fahrpreise auf der Basis des Gewichts für den Gütertransportaufwand für den Reisenden und sein Handgepäck und nicht nach quantitativen Kriterien. Untersuchungen, die direkt und speziell auf den Reisenden und den Personentransport bezogen wurden, sind nicht erstellt, bzw. nicht veröffentlicht worden. Mit dem zunehmenden Gebrauch der Eisenbahn durch den Reisenden verschoben sich die Erwartungen und die Bewertungen der Reisenden in Bezug auf die Wahl des Verkehrsmittels hin zur Eisenbahn und darin auch zu einer mehr pragmatischen Wahl des Eisenbahntarifs und damit auch der Komfortklasse. Die Wahl wurde mehr nach Nützlichkeit anstatt nach sozialer Zugehörigkeit getroffen und schuf damit eine völlig neue soziale Mischung sowie eine Konzentration auf bevorzugte Tarifklassen.39 Mit der Erweiterung der Streckennetze der Eisenbahnen ergab sich auch die Notwendigkeit, auf längeren Reisen die Landesgrenzen zu überschreiten. Für Preußen ergab sich das im Besonderen durch die Zweiteilung seines Staatsgebietes durch u. a. das 37 38 39 Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas (1995 [2010]): Statistik der Eisenbahnen in Deutschland 1835 - 1989. GESIS Köln; Beil, J. A. (1843): Stand und Ergebnisse der Eisenbahnen am Schlusse des Jahres 1842. Frankfurt am Mai. Fleck, G. (1895): Die ersten Eisenbahnen von Berlin nach dem Westen der Monarchie. Ihre Begründung und ihre Entwicklung bis zum Jahre 1854; Ottmann, Karl (1964): Berlin und seine Eisenbahnen; Schwabe, Hermann (1895): Geschichtlicher Rückblick auf die ersten 50 Jahre des Preussischen Eisenbahnwesens; Fleck, G. (1896): Studien zur Geschichte des preussischen Eisenbahnwesens; Fleck, G. (1899a): Die preußischen Eisenbahnen im Jahre 1848. Crelle, August Leopold (1840): Über die Fahrpreise auf Eisenbahnen; Renaud (1917): Personentarife. In: Victor Röll (Hg.); Fülles, Theo (1935): Die Eisenbahn-Personentariftheorien; Ulrich, Franz (1886): Das Eisenbahntarifwesen; Hertzka, Theodor (1885): Das Personen-Porto. Ein Vorschlag zur Durchführung eines billigen Einheitstarifes; Hansemann, David (1835): Abhandlung über die muthmaßliche Frequenz für die von Cöln bis zur belgischen Grenze; Ritzau, Hans Joachim: Das Kursbuch- und Fahrplanwesen der deutschen Eisenbahnen; Königlich preussischer Minister der öffentlichen Arbeiten (Reprint 1882): Berlin und seine Eisenbahnen 1846 – 1896. 20 1 Einleitung Kgr. Hannover und das Hzg. Braunschweig, zwischen dem Rheinland und dem Osten des Staates nach Berlin und weiter bis nach Ostpreußen. Dafür mussten überstaatliche Vereinbarungen getroffen und Regelungen entwickelt werden. Diese Regelungen betrafen nicht nur den technischen Ablauf des Eisenbahnbetriebes, sondern erzeugten auch besondere Erschwernisse und Anforderungen für den Reisenden. Es mussten Passpapiere beantragt, vorgewiesen und laufend aktualisiert werden. Untersuchungen darüber sind in geringer Zahl erschienen, und da sie auch den Komfort einer Eisenbahnreise beeinflussten, werden für diese Untersuchung ausgewertet. Passkontrollen gab es natürlich schon immer in dieser Form, jedoch mussten für den Eisenbahnverkehr, der in wesentlich kürzerer Zeit als eine Reise mit der Personenpost erfolgte, die Abläufe der Passkontrolle vereinfacht und beschleunigt werden, um dessen Vorteile nicht aufzuzehren.40 Die Betriebsmittel der Eisenbahn umfassen neben der Strecke und deren Signal- und Sicherungseinrichtungen die Zugmaschinen in der Konstruktion einer Lokomotive. Sie benötigen zur Durchführung des Transportverkehrs Eisenbahnwagen für verschiedene Einsatzzwecke und Transportleistungen. In dieser Untersuchung wird nach technischhistorischen Methoden die Entwicklung der speziell für den Transport von Personen und deren Handgepäck konstruierten und weiter entwickelten Personenwagen betrachtet. Weil für diese Untersuchung alle Aspekte des Personenverkehrs, betrachtet werden sollen, wird auch die Literatur, die für den Eisenbahningenieur geschrieben wurde, einbezogen, um die wesentlichen Merkmale für den Personentransport und deren Entwicklung zu untersuchen.41 Die Konstruktion der Personenwagen für den Eisenbahnbetrieb erscheint als eine direkte Fortsetzung der Entwicklung der Wagen, die mit Pferdeantrieb für die Personenpost und auch den privaten Personenverkehr im Gebrauch waren.42 Anfangs wurden sie auch auf der Eisenbahn mit Pferdekraft betrieben.43 Mit der Ausdehnung des Eisenbahnverkehrs ergaben sich viele neue Aufgaben und Erfordernisse, denen von 40 41 42 43 Claes, Thomas (2010): Passkontrolle!; Lloyd, Martin (2003): The passport. The history of man's most travelled document; N.N. (1845): Paßkarten für Eisenbahn-Reisende; Torpey, John (2000): The invention of the passport. Heusinger von Waldegg, Edmund (Hg.) (1870): Atlas zu dem Handbuch für specielle EisenbahnTechnik. Zweiter Band. Der Eisenbahn Wagenbau; Lecount, Peter (1839): Practical Treatise on Railways; Matschoß, Conrad (1918): Die Entwicklung der Waggonfabrik Jos. Rathgeber; N.N. (1917): Personenwagen. I. Geschichtliches. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens; Rossberg, Ralf Roman (Hg.) (1988): Deutsche Eisenbahnfahrzeuge von 1838 bis Heute; Lecount, Peter (1839): Practical Treatise on Railways. explaining their constrution and management. Ginzrot, Johann Christian (1979): Die Wagen und Fahrwerke ... der Kutschen-Bau neuester Zeiten; Beyrer, Klaus (1985): Die Postkutschenreise; N.N. (1917): Personenwagen. I. Geschichtliches; Enderes, Bruno (1926): Die "Holz- und Eisenbahn" Budweis-Linz; Lecount, Peter (1839): Practical Treatise on Railways; Poppe, Johann Heinrich Moritz von (1828): Die Fuhrwerke, ihre verschiedenen Arten, ihr Bau nach den besten Grundsätzen und neuesten Erfindungen. Turvey, Ralph (2005): Horse traction in Victorian London, S. 42f. 1.3 Forschungsstand und Literatur 21 technischer Seite Folge geleistet werden musste. Daraus entstanden neue Konstruktionen, die sich an die besonderen Bedingungen der Eisenbahn und den Wünschen der Reisenden anpassen mussten. Die Entwicklungen wurden in teilweise sehr umfangreichen und detaillierten technischen Handbüchern und Konstruktionsbeschreibungen zusammengefasst und den Ingenieuren zur Verfügung gestellt.44 Mit der wachsenden Erfahrung des Eisenbahnpersonals im Betrieb der Betriebsmittel ergaben sich weitere Forderungen an die Betriebssicherheit, den Betrieb und die Lebensdauer von Fahrzeugen und deren Komponenten. Der Reisende stellte seinerseits Forderungen und erwartete ein Entgegenkommen auf den Gebieten des Komforts und der Hygiene, andererseits waren auch die Eisenbahngesellschaften bestrebt ihre Fahrzeuge attraktiver zu machen, um weitere Personenkreise für ihr Verkehrsangebot zu gewinnen.45 Mit wachsender Geschwindigkeit der Züge und Verdichtung des Verkehrs über alle Jahreszeiten46 wurde die Sicherheit der Züge und in den Zügen zu einem wichtigen Thema und erforderte steigende Beachtung in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit. Mit der Verbreitung der Eisenbahn als Verkehrsmittel und der Verdrängung der alternativen klassischen Fortbewegungsmethoden erfuhr die Eisenbahn zunehmend auch Bedeutung für den Fachschriftsteller und Publikationsorgane. Für die einzelnen Themen liegen meist grundlegende Monografien aus zeitgenössischer Hand vor, ebenso können Zeitschriften und Zeitungen aus dieser Zeit ausgewertet werden. Im Kapitel über die Reisenden wird ausführlich auf den Menschen eingegangen werden, der diese Verkehrsmittel nutzt und aus welchen Quellen die Information darüber gezogen werden konnte. Da die innere Organisation der Eisenbahngesellschaften und das Interesse des preußischen Staates an der inneren und der äußeren Organisation der Eisenbahngesellschaften in den Anfangsjahren nicht sehr ausgeprägt und dokumentiert waren, sind die Bestände, der im Anhang B benannten Archive für diese Untersuchung nicht sehr ergiebig. Bis zum Ende der 1840 Jahre, d. h. erst mit der Gründung des Vereins der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen 1846 wurden einheitliche Regelungen entwickelt, um die 44 45 46 Müller, Monika (1985): Zwischen Kunst und Technik. Eisenbahnwagen und ihre Ausstattung; Rossberg, Ralf Roman (Hg.) (1988): Deutsche Eisenbahnfahrzeuge von 1838 bis Heute; Staby (1924): Die geschichtliche Entwicklung der Eisenbahnbremsen. N.N. (1856): Eisenbahn-Betrieb. Erwärmung der Eisenbahnwagen; N.N. (1888): Zur Frage der elektrischen Zugbeleuchtung; N.N. (1909): Eisenbahnhygiene; Wichert (1890): Eisenbahnhygiene in Bezug auf die Reisenden; Weber, Max Maria von (1872): Die Wagenheizung auf Eisenbahnen; Keil, Ernst (1874): Rauchcoupe's in Eisenbahnzügen Keil, Ernst (1874): Folgenschwere Fahrlässigkeit. Blätter und Blüthen. In: Die Gartenlaube; Püschel, Bernhard (1977): Historische Eisenbahn-Katastrophen; Weber, Max Maria von (1854) Die Technik des Eisenbahnbetriebes in Bezug auf die Sicherheit; Weber, Max Maria von (1857): Die Schule des Eisenbahnwesens; Crelle, A. L. (1842): Einiges von noch zu wünschenden und, wie es scheint, möglichen ... ; Puricelli, Hermann (1874): Auch eine Eisenbahnfrage. Blätter und ... ; Ritzau, Hans-Joachim (1985): Das Eisenbahnunglück. Sicherheitsstreben und menschliche Tragik. 22 1 Einleitung statistischen Daten der einzelnen Gesellschaften zu dokumentieren, für Preußen und die übrigen deutschen Staaten insgesamt zu aggregieren und damit vergleichbar zu machen.47 Die Archive der infrage kommenden Eisenbahngesellschaften und der verantwortlichen Ministerien enthalten nur wenige Akten über die ersten Jahre des Personenverkehrs per Eisenbahn und über die Betriebsmittel der Eisenbahnen. Umfangreichere Bestände beginnen erst in der Mitte der 1850 Jahre und werden danach detaillierter oder liegen überhaupt erstmals vor. Da der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit die Jahre von 1835 bis Ende 1860 umfasst, mussten weniger offizielle Quellen, wie die Eisenbahn-Zeitung48 und ihr Nachfolger, die Zeitung des Verein der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen49 ausgewertet werden. Sie erwiesen sich als wesentlich ergiebiger in ihren Informationen über den Personenverkehr, die Eisenbahngesellschaften und deren Betrieb und ihre Betriebsmittel. Weitere Zeitungen und Zeitschriften berichteten über den beginnenden Eisenbahnverkehr und besonders den Personenverkehr aus verschiedenen Interessen und unter verschiedenen Blickpunkten und lieferten ergänzende Informationen. Statistische Daten über den Betrieb der Preußischen Eisenbahnen konnten den Veröffentlichungen des Technischen Eisenbahn-Bureaus des preußischen Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten entnommen werden, die ab 1844/53 bis 1879 erschienen und z. B. im Band von 1861 kumulierte, umfangreiche statistische Daten über die Jahre von 1844 bis 1860 enthalten50. Hierzu enthält diese Arbeit im Anhang A eine Tabelle mit Auszügen, über die einzelnen preußischen Eisenbahngesellschaften mit dem Stand vom 31.12.1860, aus dieser Veröffentlichung. Geografisches Kartenmaterial mit den Streckenentwicklungen der Eisenbahnen liegen aus verschiedenen Quellen und verschiedenen Jahren vor. Meist sind diese Streckenpläne die Grundlage der Projekte in Denkschriften, später in Reiseführern und liegen in neuerer Zeit als historische Karten vor. Zwei als Überblick ausgewählte Karten der Streckenentwicklung in Preußen und das angrenzende Ausland von 1848 und bis zum Jahre 1860, liegen dieser Untersuchung im Anhang A bei.51 47 48 49 50 51 VDEV (1896): Festschrift über die Thätigkeit des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen in den ersten 50 Jahren seines Bestehens. 1846-1896. VDEV (1896): Festschrift über die Thätigkeit des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen in den ersten 50 Jahren seines Bestehens. 1846-1896. ZVdEV, erschienen ab dem Band 1-1861 bis 72-1932 als offizielles Organ des Vereins der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen. Technisches Eisenbahn-Büro des Ministeriums (1844/53 - 1879): Statistische Nachrichten von den preussischen Eisenbahnen. 27 Bände. Andreas Kunz (2010): IEG-MAPS. ISSN 1614-6352. Herausgeber / Editor: Andreas Kunz. LEIBNIZ-INSTITUT FÜR EUROPÄISCHE GESCHICHTE – MAINZ. Online verfügbar unter http://www.iegmaps.uni-mainz.de/, zu-letzt aktualisiert am 30.12.2010, zuletzt geprüft am 27.01.2012. 1.3 Forschungsstand und Literatur 23 In der englischsprachigen Literatur, in Artikeln von Fachzeitschriften, an erster Stelle ist hier das Journal of Transport History zu erwähnen, wird vielfach auf den Personenverkehr eingegangen und spezielle Probleme und Entwicklungen diskutiert.52 Darin werden jedoch die frühen Jahre oft nur gestreift oder übergangen und dann auf aktuellere Themen der etablierten Verkehrsmittel im Allgemeinen und auch der Eisenbahn im Besonderen eingegangen. Daraus ergeben sich wenig Erkenntnisse über die frühen Jahre der Eisenbahn, in denen zuerst Strukturen und Systeme entwickelt werden mussten. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die Entwicklung in England einen anderen Lauf genommen hatte als auf dem Kontinent. In England entstand das System Eisenbahn kontinuierlich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Industrialisierung und der intensiven Kohleförderung in einem, zu Kontinentaleuropa wesentlich dichteren Raum. Die Eisenbahn entstand in den Kohlegruben, wurde als Pferdebahn weiterentwickelt und zum Gütertransport, neben dem umfangreicheren Kanalverkehr, genutzt und erst danach zum Personenverkehrsmittel erweitert. Daraus ergab sich eine andere Akzeptanz und Erfahrung der Reisenden in England. Das Verkehrsmittel hatte nicht diesen Neuigkeitswert, den die erste Eisenbahn in Deutschland darstellte. Hier war sie ausschließlich für den Personenverkehr konzipiert und wurde in eine überwiegend landwirtschaftlich und handwerklich geprägte Gesellschaft eingeführt. Wenn dann in englischen Zeitschriften deutschsprachige Literatur über die Eisenbahn zitiert wird, zeigt sich darin auch eine differenziertere Wahrnehmung. Das ist sichtbar in der Beschreibung der »railway history« in Deutschland und in Österreich als mit »some notable differences from that in Britain and the United States. In the latter countries, transport history is now more or less a respectable branch of academic activity« sichtbar in »a wide framework of economic, social and political reference.« während »an apparently inexhaustible spring of ‚antiquarian‘ writing bubbles up, […] with collections of pictures which look hastily thrown together with inadequate texts.« Darauf »In central Europe the ‚amateur‘ literatur holds the field, and there are as yet few signs of a more coherent and comprehensive approchach. […] Es wird bemängelt, dass »‚amateur‘ and ‚antiquarian‘[…] touching the equipment rather than the essentials of transport« und darin liegt wohl auch der Unterschied 52 in der Vorgehensweise und auch in der Vergleichbarkeit der Cottrell, P. L. (1975): The Beginninngs of the Stockton & Darlington Railway; Donaghy, Thomas J. (1966 (Published 1970)): The Liverpool & Manchester Railway as an Investment.; Gerhold, Dorian (1993): Packhorses and wheeled vehicles in England, 1550-1800; Gijs Mom (2003): What kind of transport history did we get?; Robbins, Michael (1988): Some recent railway history in German. A review article;. 24 1 Einleitung Untersuchungen.53 Vom gleichen Autor erschien eine umfassende „Eisenbahngeschichte“.54 Monografien mit direkten Bezug zu »railway« und »passenger« diskutieren zwar umfassend den Personenverkehr in England, aber die frühen Jahre, wenn sie für diese Untersuchung relevant sind, werden nur kurz in der Einführung gestreift und gehen dann zu Themen über, die sich so in Deutschland (und in Preußen) nicht zeigen oder zeigten. Dazu gehört auch eine anders verlaufende Entwicklung in der Klassen Einteilung der Personenwagen, ihrer Benutzer und der technischen Ausführung.55 Monografien, die sich einer allgemeineren Behandlung der Entwicklung der Verkehrstechnik befassen und in diesem Zusammenhang auch die Eisenbahn als eines von mehreren Verkehrssystemen behandeln, beschreiben die frühen Jahre nur in kurzen Einführungen und dann auch nur in der englischen Sicht.56 In dieser Untersuchung, die sich mit den deutschen Verhältnissen und Entwicklungen befasst, und darin wiederum begrenzt auf Preußen, wird aus den oben genannten Gründen überwiegend auf deutschsprachige, zeitgenössische Quellen zurückgegriffen und auch bei Berücksichtigung von Sekundärliteratur vorzugsweise auf deren Quellen verwiesen und diese, soweit sie erreichbar sind, verwendet. 1.4 Struktur der Arbeit Die vorliegende Arbeit ist in sechs Kapitel strukturiert. Nach der Einleitung in das Forschungsprojekt folgen vier Kapitel, in denen die Kernaussagen der Untersuchung herausgearbeitet werden. Abschließend wird in einer Zusammenfassung das Ergebnis bewertet und die weitere Entwicklung des Verkehrssystems Eisenbahn in den Folgejahren diskutiert. In den ersten drei Kernkapiteln (Kapitel 2., 3. und 4.) wird ausgehend von den Ursprüngen der Eisenbahn als Verkehrssystem den Anfängen in den europäischen Staaten und Amerika nachgegangen. Danach wird die für den Personenverkehr per Eisenbahn im Untersuchungsgebiet quantitative und organisatorische Basis in ihrer zeitlichen Entwicklung des materiellen Verkehrsangebots beschrieben, statistisch ausgewertet und visualisiert. Auf dieser Basis wird im vierten Hauptkapitel (Kapitel 5), die Bearbeitung der leitenden Forschungsfragen und ihre Beantwortung vorgenommen. Aus den ausgewählten Quellen werden die Inhalte, die auf die Kernbegriffe der Forschungsfragen hinweisen, herausgearbeitet. Wenn es die ermittelten Inhalte aufgrund ihrer Relevanz und ihrer Anzahl 53 54 55 56 Vgl. Robbins, Michael (1988): Some recent railway history in German. Vgl. Robbins, Michael (1998): The railway age. Vgl. Smith, David (1988): The railway and its passengers. A social history. Vgl. Filarski, Ruud; Mom, G.P.A. (2011): Shaping transport policy. Two centuries of struggle between the public and private sector ; a comparative perspective. 1.4 Struktur der Arbeit 25 zulassen, werden sie mit der qualitativen/quantitativen Inhaltsanalyse bearbeitet. Dazu werden ergänzend und zur Präzisierung der Ergebnisse weitere Literaturquellen und weitere geeignete Informationsquellen, soweit sie den Kriterien entsprechen, hinzugezogen und mit den Aussagen der Analyse zu Antworten auf die Forschungsfrage aggregiert. Im ersten Teil (Kapitel 2 Ursprünge des Personenverkehrs) wird den Ursprüngen des Personenverkehrs seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nachgegangen. In dieser Zeit dominierten die Posten den Personen- und den Nachrichtenverkehr. Das dichte Netz der Posten überzog den größten Teil Europas, und der Verkehr lief nach sehr detaillierten Fahrplänen ab. Auf der Basis entwickelter Verkehrsstrukturen wurde anfangs in England und danach mit zunehmender Geschwindigkeit in Amerika, in Belgien und Frankreich, Russland und Deutschland ein Verkehrsnetz, in Mitteleuropa vorzugsweise zwischen den Stationen der alten Postwege, mit Eisenbahnen aufgebaut. Die Untersuchung selektiert aus den ausgewählten Quellen, die Aussagen, die über die Initiierung, den zeitlichen Ablauf und die Akzeptanz der installierten Verkehrssysteme detaillierte Auskunft geben können und fasst diese Informationen zu einer aussagekräftigen Beschreibung über den definierten geografisch-politischen Bereich und den zeitlichen Rahmen zusammen. Der anschließende zweite Teil (Kapitel 3 Personenverkehr) befasst sich mit den quantitativen Daten, der Statistik der Eisenbahnen seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts als Gesamtverkehr und darin im Besonderen mit der Entwicklung und dem Bestand des Personenverkehrs in Deutschland als Ganzes und in Preußen im Besonderen. Die Ergebnisse sind quantitativer Art und bewegen sich in der Makro- und der Mesoebene des Verkehrs. Es werden zeitgenössische tabellarische Zusammenstellungen verwendet, die kritisch unter Zuhilfenahme ebenfalls zeitgenössischer Veröffentlichungen erweitert und validiert wurden. Die organisatorisch-materielle Basis des Personenverkehrs per Eisenbahn ist die Eisenbahnstrecke. Sie wurde von den Eisenbahngesellschaften, die zu diesem Zweck gegründet wurden, finanziert und unterhalten. Die Geschichte ihrer Gründung und ihrer Weiterentwicklung ist wesentlich für die Möglichkeiten, die das Verkehrssystem Eisenbahn dem Reisenden bieten konnte. Sie zeigt auch, wie sich die einzelnen lokalen Gründungen zu einem einheitlichen landesweiten Eisenbahnnetz entwickeln konnten. Es folgt die Geschichte der einzelnen Eisenbahngesellschaften in Preußen, ihre Gründung und ihre Entwicklung, durch den Zusammenschluss und der Kooperation einzelner Gesellschaften zur Bildung größerer Streckennetze und zur Lückenschließung in den sich entwickelnden Netzen. Die Planungen bei der Gründung und 26 der 1 Einleitung Kapitalsammlung sowie die erwarteten Ergebnisse in finanzieller und verkehrstechnischer Hinsicht könnten bei einer Vertiefung der Untersuchung den späteren tatsächlichen Ergebnissen vergleichend gegenübergestellt werden, wenn die überlieferten Daten dies zulassen würden. Die Probleme, die sich ergaben, bei der Überschreitung von Staats- und Landesgrenzen werden aus der Sicht der Reisenden untersucht und die dabei erforderlichen Passpapiere und die staatlichen Eingriffe auf die Bewegungsfreiheit beschrieben. Die Eisenbahngesellschaften hatten bei der Inbetriebnahme des Verkehrs keine Erfahrung oder Vorstellungen über die zu erwarteten Reisenden. Die Tarifgestaltung orientierten sie deshalb an den Erfahrungen, die sich bei der Personenpost im Laufe ihres jahrhundertelangen Betriebes gesammelt hatten. Diese Vorannahmen mussten dann mit dem sich entwickelnden Verkehr verglichen und korrigiert werden. Es bildete sich erst mit wachsendem Verkehr eine Basis für eine realistische Bewertung und Tarifierung. In der Folge waren sie auch die Grundlage für die Ausgestaltung der Personenwagentechnik mit ihrer Klasseneinteilung. Der dritte Teil (Kapitel 4. Die Personenwagen) behandelt die besonderen technischen Betriebsmittel zur Durchführung des Personenverkehrs bei der Eisenbahn. Es ist deshalb funktionell technisch-historisch orientiert. Die für dieses Kapitel ausgewählten Quellen sind technischer Art und aus der Literatur für Ingenieure und technische Planer entnommen. Es handelt sich um Konstruktions- und Planungsschriften, in denen die Entwicklung der Betriebsmittel und der deren aktueller Zustand dargestellt werden. Das wesentlichste Betriebsmittel ist hier der Personenwagen, mit dem der Reisende direkt in Berührung kommt und aus dessen Ausführung sich die Attraktivität der Eisenbahn und der vorhandene Komfort ergibt. Auch in diesem Fall lehnte sich die Eisenbahn für ihren Personenverkehr an das Vorbild der Personenpost an und ließ die ersten Personenwagen nach dem Muster der Postwagen von den gleichen Handwerkern bauen, die auch schon die Postwagen gebaut hatten. Angepasst an den Schienenbetrieb wurden nur die Gestelle und die Achsen mit ihren Rädern. Die einfachste Art der Übernahme des Straßenverkehrs durch die Eisenbahn war auf den ersten Strecken ein einfaches Fahrgestell, auf dem die Kutschen verzurrt wurden und am Zielort wieder mit Pferden bespannt wurden. Die Entwicklung von diesen ersten Anfängen zu den speziellen Konstruktionen der Personenwagen mit ihrer Klasseneinteilung und den sich langsam entwickelnden Apparaten und Einrichtungen für den Komfort und die Sicherheit der Reisenden beschreibt dieses Kapitel. Die Darstellung der weiteren Entwicklung in den Folgejahren macht es 1.4 Struktur der Arbeit 27 erforderlich, in einigen Aussagen über den Zeitrahmen der Untersuchung, Ende 1860, hinauszugehen. Der vierte Teil (Kapitel 5. Die Reisenden) ist der Teil der Untersuchung, in der die Forschungsfragen der Arbeit beantworten werden sollen, die sich auf den Reisenden als Personenverkehrsnutzer beziehen. Hier wird eine Herausarbeitung des Reisenden als Individuum oder als Teil einer strukturierten Gruppe angestrebt. Er war das Ziel, das Reiseverhalten der Eisenbahnbenutzer auf der Mikroebene zu beschreiben. Dieser Teil ist damit das Kernkapitel dieser Untersuchung. Mit den Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse sollte die Kulturgeschichte des Reisens mit der Eisenbahn erforscht werden. Es wurden dafür Romane, Biografien, Reiseberichte, Briefeditionen, Zeitungen, Zeitschriften und weitere zeitgenössische Literaturerzeugnisse aus der Zeit der Anfangsjahre der Eisenbahn ausgewertet. Die Ziel dabei war, ein Schema von Prädikaten zu entwickeln, wiederkehrende Begriffe zu identifizieren und qualitativ und quantitativ die Bedeutung und die Aussage der gefundenen Begriffe zu analysieren und zu bewerten. Aus den Ergebnissen sollten die kulturwissenschaftlich, sozialgeschichtlich und wirtschaftsgeschichtlich relevanten Informationen zu begründeten Aussagen verdichtet werden.57 Die anfangs gewählten Methoden sind jedoch stark abhängig vom Umfang und von der Struktur sowie den normierbaren Inhalten der Untersuchungsquellen. Nachdem ein verwertbarer Bestand der zu untersuchenden Quellen vorlag, konnte über die Methoden endgültig entschieden und die Daten und Informationen zur Beantwortung der Fragestellungen in ihrer Struktur angepasst werden. Es zeigte sich jedoch im Laufe des Fortganges der Untersuchung, dass weder im Umfang, noch in der Struktur eine ausreichende Menge an Informationen, hinreichend für eine Generalisierung erreicht worden war. Aus diesem Grunde wurde zur traditionellen, konservativen Quellenanalyse übergegangen. Um die daraus gezogenen Erkenntnisse zu vertiefen und zu erweitern wurden weitere Quellen ausgewertet. Zur Ergänzung und zum Ermitteln der Relevanz für die Entscheidung der Wahl des Verkehrsmittels durch den Reisenden wurden die Technik und die Ausstattung der Personenwagen hinzugezogen. Die quantitativen Größen des Personenverkehrs wurden der vorhandenen Statistikliteratur entnommen. Verwendbare Aussagen zur Beantwortung der Fragen finden sich auch in den Untersuchungen der Eisenbahngesellschaften zur Tarifanpassung nach einiger Zeit des planmäßigen Betriebes 57 Kuckartz, Udo (2012): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung; Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse; Atteslander, Peter; Cromm, Jürgen (2006): Methoden der empirischen Sozialforschung; Burzan, Nicole (2005): Quantitative Methoden der Kulturwissenschaften; Früh, Werner (2011): Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis. 28 1 Einleitung der Strecken mit Personenverkehr. Für die erste Festlegung der Personentarife und der Annahme der einzelnen Klassen durch die Reisenden wurden von den Eisenbahngesellschaften die Erfahrungen und die Tariftabellen der Eilposten zugrunde gelegt. Es zeigte sich dabei jedoch, dass die Anzahl und die Zusammensetzung der Reisenden auf der Eisenbahn nicht mehr dieser ersten Annahme entsprachen. Die Gesellschaften mussten, oder konnten nach einiger Zeit die Tarife an die reale Nachfrage anpassen. Zu diesem Zweck mussten Untersuchungen angestellt werden, die die folgenden Annahmen bestätigten und festigten. Es wurde festgestellt, dass die zuvor mit der Eilpost gereisten Leute auf die Eisenbahn umstiegen, weil die Strecken überwiegend auch von den Eilposten befahren wurden, jedoch die Eisenbahn eine wesentlich höhere Geschwindigkeit ermöglichte. Die Waggons, die Coaches, entsprachen auch weitgehend dem inneren Komfort der Eilpost, aber sie liefen wesentlich stoßfreier als die Posten auf den Chausseen. Nicht erwartet worden war die starke Zunahme der Reisenden, die sich aus den zuvor zu Fuß reisenden oder mit Pferdefuhrwerken reisenden rekrutierten. Für diese Fahrgäste wurden zuerst einmal sehr einfache Wagen konzipiert. Für diese neue Gruppierung der Reisenden mussten Analysen, über die anfangs verkauften Billetts, gemacht werden, um danach realistische Prognosen für Tarife und Klassen zu gewinnen. In jedem dieser genannten Kapitel wird eine eingehende Analyse der zum einzelnen Thema vorhandenen Literatur, überwiegend zeitgenössischer Monografien und Aufsätze und soweit vorhanden auch moderner Veröffentlichungen vorgenommen. Um den Zusammenhang und die Ursprünge des Personenverkehrs per Eisenbahn aus dem Verkehrssystem der Eilpost (oder Schnellpost) aufzuzeigen, sind besondere Exkurse den einzelnen Kapiteln vorangestellt. Die Untersuchung soll belegen, dass die Endpunkte der Strecken der Eisenbahnverbindungen weitgehend den eingeführten und seit Langem planmäßig befahrenen Strecken der Eilpost entsprachen. Dafür waren Auslastung, Frequenzen, Tarife und Wagentechniken bekannt und konnten als erste Annäherung zu dem zu erwarteten Verkehrsbedarf zugrunde gelegt werden. In dieser Sicht ist die Einführung der Eisenbahn für den Personenverkehr eher eine Evolution als eine Revolution. Dass sich der Personenverkehr in einem nicht vorhergesehenen Maße entwickelte und weitere Kreise der Bevölkerung als vorhergeplant ansprach, brachte dem Personenverkehr erst seine revolutionäre Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten. Aus den gefundenen und verwendeten Quellen zu dieser Arbeit wurden entsprechend der Bedeutung für die Beantwortung der Forschungsfragen entsprechende Auswahlen 1.4 Struktur der Arbeit 29 getroffen, sodass für die Hauptartikel wesentlich mehr einzelne Aussagen berücksichtigt und bewertet wurden, als für die mehr erläuternden und einführenden Kapitel. Das Ziel war nicht die Bearbeitung aller, für die Geschichte und den Betrieb des Eisenbahnverkehrs im Allgemeinen relevanten Abläufe und Entwicklungen zu beschreiben, sondern die vertiefte Untersuchung des Teilgebiet Personenverkehr in einem begrenzten geografischen, politischen Gebiet innerhalb einer genau definierten Zeitspanne. Deshalb kann diese Arbeit für die gesamte Problematik der Eisenbahn als Verkehrssystem und auch der Entstehung und der Einführung einer Touristik nur den Charakter einer Einführung haben. Zum Tourismus und zur Tourismusgeschichte liegen mit neuerem Datum verschiedene Überblicksdarstellung und Einführungen sowie auch Arbeiten vor, die den Tourismus als Kulturwissenschaft und –geschichte behandeln.58 In dieser Arbeit soll dieses Thema jedoch nicht weiterverfolgt werden, da es den Umfang dieser Untersuchung sprengen würde und zur Untersuchungszeit noch kein relevantes Thema war. 58 Z.B. Hachtmann, Rüdiger (2007): Tourismus-Geschichte.; Hachtmann, Rüdiger (2010): Tourimus und Tourismusgeschichte. Version: 1.0 (Docupedia-Zeitgeschichte, 22); Maurer, Michael (1999): Neue Impulse der Reiseforschung: Brilli, Attilio; Kopetzki, Annette (2012): Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus: Die "Grand Tour"; Gyr, Ueli (2010): Geschichte des Tourismus. Strukturen auf dem Weg zur Moderne. In: EGO. Online verfügbar unter http://iegego.eu/de/threads/europa-unterwegs/tourismus/ueli-gyr-geschichte-des-tourismus, zuletzt geprüft am 07.10.2014. 2 Ursprünge des Personenverkehrs Die Entwicklung der Eisenbahn59 begann in England, in den schon seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzten Eisenbahnen in den heimischen Kohlegruben. Was eine Eisenbahn bzw. eine „railway“ ist, wird folgendermaßen definiert: »[...] the modern railway may be regarded as a combination of four main factors, namely, (a) specialised track; (b) accomodation for public traffic; (c) conveyance of ssengers; and (d) mechanical traction.«60 Daraus ergibt sich die Frage, wann die erste reguläre Eisenbahn in Betrieb ging: »[...] all the main futures were in use in 1812, but seperately and not in conbination [...]It was not unrtil thr formal opening of the Liverpool & Manchester Railway on September 15, 1830 , that the modern conception of the railway, as a public service on rail by mechanical traction, was realized.«61 In diesem Kapitel wird die Entwicklung in den europäischen Staaten und in Amerika, mit besonderem Schwerpunkt auf den Personenverkehr, nachvollzogen. Verglichen werden die Konstruktionen und die allgemeinen Techniken der Personenwagen und die Frage, ob eine Klasseneinteilung bei allen Eisenbahnen eingeführt wurde und wie erfolgreich sich die Bahnen im Verhältnis zu den eingeführten Verkehrssystemen, wie z. B. der Eilpost und dem Kanalverkehr durchgesetzt hatten. 2.1 Exkurs: Die Personenpost Die Eisenbahn traf bei ihrer Einführung auf ein wohlorganisiertes Postsystem, dass im Laufe seiner Jahrhunderte dauernden Entwicklung einen hohen Stand der Organisation und Flächenabdeckung erreicht hatte.62 Der forcierte Ausbau der Chausseen in Preußen tat ein Übriges, um den Komfort und die Zuverlässigkeit, vorerst jedoch nur auf den Hauptstrecken und den Fernstrecken, zu verbessern. Trotzdem zum Ende der 1830er Jahre die Eisenbahn das beherrschende Thema bei Finanzinvestoren und beim potenziell Reisenden 59 60 61 62 Geise, John (1960): What Is a Railway? Lee, Charles Edward (1944): Early railways in Surrey. S. 3. Lee, Charles Edward (1954): The First Passenger Railway. S. 3-4. Popplow, Marcus (2008), S.97ff.; Beyrer, Klaus (1985a), S.78-85; Beyrer, Klaus (1985). 32 2 Ursprünge des Personenverkehrs war, erreichte der Chausseebau in Preußen in diesen Jahren seinen Höhepunkt und erreichte in den 1840er Jahren einen Anteil von 10 % am preußischen Staatshaushalt.63 Mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung des Preußischen Postwesens vom 18. Juni 1821 wurden die folgenden Einrichtungen für den Personenverkehr angeboten:64 Als ordinäre fahrende Posten wurden diejenigen Posten genannt, die jedes Jahr an bestimmten Tagen und Stunden, d. h. nach festen Fahrplänen Reisende beförderten. Der Transport erfolgt in bedeckten Wagen verschiedener technischer Ausführung, bei denen der Wagenkasten direkt, ohne eine besondere Federungseinrichtung, auf den Achsen liegt. Sie wurden zwei- bis vierspännig betrieben und benutzten stets den selben Weg, die Poststraße. Die Fahrtzeit zwischen den Stationen wurde für Tag- und für Nachtfahrt vorgeschrieben. Für die frischen Pferde sorgte jeweils die angefahrene Poststation. Der Aufseher und Verantwortliche für den Betriebsablauf war der Schirrmeister. Er wurde auch als Conducteur oder Schaffner benannt. Er hatte sich auch die Klagen der Reisenden an anzuhören, die ihren Unmut über harte Sitzbänke, beschränkte Sitzplätze, Wagenstöße und gräuliche Wege in anzüglichen Urteilen auszudrücken pflegten. Schnellposten und Eilwagen wurden zuerst ab 1. April 1819 zwischen Berlin und Magdeburg und ab 1. Juli 1820 zwischen Koblenz und Trier angeboten. Die Kutschen wurden unter dem Namen Personenwagen eingeführt und waren eine Nachahmung der in England schon gebräuchlichen Mail coaches, die dort als Briefpost- und Personenwagen eingesetzt wurden. Die Verbesserung der Konstruktion bestand in der Aufhängung des Wagenkastens auf Druckfedern. Anfangs wurde zweispännig gefahren und später auf dreispännig erweitert. Die Hauptstrecken wurden dann vierspännig für drei bis max. zwölf Personen eingerichtet und erreichten die Reisegeschwindigkeit der reitenden Post. Wenn mehr Reisende die gleiche Strecke fahren wollten, dann wurden besondere viersitzige Wagen, sogenannte Beichaisen angehängt. Die Personenwagen oder mail-coaches bestanden aus einem leicht gebauten Kutschkasten, der auf Druckfedern montiert war und zwei- bis dreispännig gefahren wurde. Ursprünglich gebaut für den Transport von Briefen, Gelder und kleineren Paketen konnten mit ihnen auch sechs Personen mit freier Zielwahl befördert werden. 63 64 Müller, Uwe (2010), S. 55. Simson, Robert (1844): 2.1 Exkurs: Die Personenpost 33 Weitere eingesetzte Personenwagen waren Diligencen, schwere Kutschen auf Druckfedern montiert, einige auch mit Riemenaufhängung. Sie wurden zwei- bis vierspännig gefahren und waren für sechs bis acht Personen eingerichtet. Weiterhin wurden Journalieren eingesetzt, das waren elegante Kutschen, die zwischen zwei Städten mit großen Postämtern verkehrten. Sie wurden gleichzeitig auch als Schnellposten eingesetzt und hatten sechs Sitzplätze auf zwei gegenüberliegenden Bänken. Gefahren wurde zwei- und auch dreispännig. Diese Journalieren verkehrten in der Regel täglich. Zwischen Berlin und Potsdam wurde am Tage sechsmal hin- und zurückgefahren. Für den Verkehr zwischen kleineren Städten über wenige Meilen wurden Kariol-Posten eingesetzt. Sie wurden als Ergänzung zu den reitenden oder fahrenden Posten genutzt und waren leichte Kariol- oder Kaleschwagen, die ein- oder auch zweispännig gefahren wurden, jedoch nicht für Reisende geeignet waren.65 Von Berlin gingen wöchentlich, an Wochen- und an Sonntagen, 112 Schnellposten oder Eilwagen und Diligencen als Brief- und Personenposten ab. Dazu kamen 37 reitende, eigentliche Briefposten ohne Personen und 61 fahrende oder ordinäre Personen- und Paketposten. Sie waren oft begleitet von drei, vier oder sechs dreispännigen Beiwagen. Alle waren mit Personen und mit Fracht beladen. Die gleiche Anzahl von 210 Posten waren ankommende Fahrten. Daraus ergibt sich ein Postverkehr von und in die Hauptstadt von 420 Fahrten pro Woche. Die Ziele dieser Fahrten waren 30 nach und von Sachsen, Bayern und Süddeutschland auf vier Kurs-Strecken, 16 von und nach Ost-Preußen , WestPreußen und Russland auf drei Kurs-Strecken, 33 von und nach den Rheinprovinzen, Holland, Frankreich, Spanien, Portugal und England auf vier Kurs-Strecken, 14 von und nach Hamburg, Lübeck, Holstein, Dänemark und Hamburg mit den Dampfschiffen und Paketbooten nach England, 8 von und nach Schlesien, Österreich, Mähren, Böhmen, Ungarn, der Türkei, Italien auf drei Kurs-Strecken, 8 von und nach Posen, Polen und SüdRussland, sowie 4 von und nach Nordeuropa, Schweden und Norwegen, auch mit dem Lübecker Dampfboot nach St. Petersburg.66 Heinrich v. Stephan bemerkte dazu: Mit den Schnellposten wurde von der Preußischen Postverwaltung ein Postbeförderungsmittel geschaffen, »welches für die damalige Zeit (1821) das war, was für uns (1856) die . Eisenbahn ist« . In der Folge der Einrichtung der Schnellposten wurden auch die Verbesserungen des Postwagenbaues begonnen. In Jahr 1827 bestanden schon 114 65 66 Vgl. Matthias, Wilhelm Heinrich (1832): Über Posten und Post-Regale mit Hinsicht auf Volksgeschichte, Statistik, Archäologie und Erdkunde. Berlin: Selbstverl. S.249-252. Vgl. Matthias, Wilhelm Heinrich (1832): Über Posten und Post-Regale mit Hinsicht auf Volksgeschichte, Statistik, Archäologie und Erdkunde. Berlin: Selbstverl. S.266-267. 34 2 Ursprünge des Personenverkehrs Schnellposten in Preußen, im Jahr 1837 mit dem Beginn des Baues der ersten Eisenbahnen schon 182 Schnellposten mit insgesamt 707.228 preußischen Meilen. Danach mussten die meisten der Schnellposten den entstehenden Eisenbahnen weichen. Mit der Vereinigung des Brief-, Personen- und Gütertransports im Jahr 1838 wurden die Personenposten in Leben gerufen. Diese hatten nun die Aufgabe, den allgemeinen Posttransport durchzuführen und verkehrten noch viele Jahre auf den Hauptstrecken neben den Schnellposten, die sich weiterhin durch ihre höhere Geschwindigkeit auszeichneten. Schnellposten benötigten für eine Pr. Meile auf chaussierter Straße 35 Minuten, während die Personenpost auf gleicher Straße 40 Minuten benötigte. Auf nicht chaussierter Straße erhöhte sich die Dauer um jeweils 10 Minuten.67 Die Anzahl aller Posten betrug damit im Jahr 1821:793 und stieg bis zum Jahr 1831:1065. Mit dem Beginn des Eisenbahnverkehrs stieg sie weiter und erreichte 1841:1643.68 Um die Einhaltung der Fahrpläne zu kontrollieren und auch zu dokumentieren wurde an den Haupt-Strecken die Verwendung einer sogenannten Cours-Uhr vorgeschrieben.69 Nach dieser Uhr wurden an jeder Poststation die Ankunfts- und die Abfahrtszeit der Posten in Stundenzetteln dokumentiert. Dieser Vorgang unterlag der Verantwortung des Schirrmeisters (Conducteur) oder des Postillions selbst. Die Uhren waren in kleinen Kästchen verwahrt, bei denen das Zifferblatt von außen sichtbar war. Transportiert wurden die Uhren in einer Ledertasche, die der verantwortliche Postillion oder Schirrmeister mit einem Riemen befestigt auf der Reise am Körper trug. Ergänzt wurde das Verfahren durch große Schlaguhren, die in jeder Provinz-Hauptstadt am Posthaus, für jedermann sichtbar, abends beleuchtet, befestigt waren. In den Amtsstuben sämtlicher Postanstalten wurden Büreau-Uhren, die nach den Cours-Uhren unter Berücksichtigung der jeweiligen geografischen Ortslage70 korrigiert wurden, installiert.71 Die Schlaguhren dienten der Referenz für die Cours-Uhren und bei Beschwerden von Reisenden wegen Verspätungen der Posten und sollten die „richtige Zeit“ zeigen.72 67 68 69 70 71 72 Stephan, Heinrich von (1859): Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprunge bis auf die Gegenwart. Nach amtlichen Quellen. Berlin: Decker. S.791. Stephan, Heinrich von (1859): Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprunge bis auf die Gegenwart. Nach amtlichen Quellen. Berlin: Decker. S.789-790. Vgl. Dohrn-van Rossum, Gerhard (1995), S. 316ff., weitere Quellen zur „öffentlichen Uhr“. Zur Geographischen Zeit und dem Weg zur Einheitlichen Bahnzeit siehe auch Kapitel 5. Stephan, Heinrich von (1859): Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprunge bis auf die Gegenwart. Nach amtlichen Quellen. Berlin: Decker. S.791. Vgl. Matthias, Wilhelm Heinrich (1832): Über Posten und Post-Regale mit Hinsicht auf Volksgeschichte, Statistik, Archäologie und Erdkunde. Berlin: Selbstverl. S.279-280. 2.1 Exkurs: Die Personenpost 35 Wesentlich für die Verbesserung der Zuverlässigkeit, dem Komfort und die Geschwindigkeit der verschiedenen Posten und besonders der Personenposten, war der systematische Ausbau der Chausseen in Preußen nach dem „Chausseeplan für die Königlich Preußischen Staaten vom 10. April 1817“. Der Chausseebau betraf die Verbesserung der Wege und auch der Brücken und der Fähreinrichtungen über die Flüsse des Landes. Aber auch die polizeiliche Sicherung der Chausseen und Landstraßen wurde dabei geregelt. Die Beseitigung wetterbedingte Erschwernisse und Hindernisse, wie Schnee und Geröll wurden geregelt und verantwortlichen Personen zur Aufgabe gemacht. Die genauere Vermessung der Entfernungen zwischen den Poststationen und die Aufteilung von Strecken in leicht bedienbare Teilstrecken wurden geregelt und führten zu einer Verbesserung der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Post-Kurse. Die Zahl der mit Posten gereisten Personen erreichte in den Anfangsjahren der Eisenbahn um 1841 schon insgesamt 2.078.439 und stieg danach zusammen mit dem Eisenbahnverkehr weiterhin an.73 Die Tatsache ist jedoch, dass die Eisenbahn ein festetabliertes, in seiner Ausführung im Aus- und Aufbau begriffenes Verkehrssystem ergänzen und verdrängen musste. »Die B l ü t e z e i t d e r F a h r p o s t fällt schon in die hochkapitalistische Epoche: in die beiden letzten Jahrzehnte vor der Erfindung der Eisenbahn, auf die alle Kräfte mit Macht hindrängten. In den 1820er und 1830er Jahren erreichte der gesamte Wagenverkehr auf den Landstraßen (Privatfuhrwerke, Extraposten, Ordinariposten, Lastwagen) eine Ausdehnung, von der wir uns kaum noch eine rechte Vorstellung machen können. Auf einigermaßen belebten Straßen muß es hergegangen sein wie heute etwa an Renntagen vor den Toren einer großen Stadt.«74 Der offensichtliche Vorteil bei der Einführung der Eisenbahn war der Geschwindigkeitsfaktor: »Eine Steigerung der Geschwindigkeit eines Transportmittels von 5000 km in der Stunde auf 30000 km in der Stunde würde unter den heutigen Bedingungen keine so großen volkswirtschaftlichen Folgen auslösen, als die Erhöhung der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 5 km in der Stunde auf 30 km in der Stunde beim Übergang von den Zeiten des Pferdefuhrwerks auf den Straßen zur Eisenbahn es vermocht hat.«75 73 74 75 Vgl. Stephan, Heinrich von (1859): Geschichte der Preußischen Post von ihrem Ursprunge bis auf die Gegenwart. Nach amtlichen Quellen. Berlin: Decker. S.791; Sieferle, Rolf Peter (Hg.) (2008), S. 31.; Roth, Ralf (2009), S. 34-42. Sombart, Werner (1987), S. 263. Voigt, Fritz (1953), S. 203. 36 2 Ursprünge des Personenverkehrs 2.2 England In England wurden seit dem Beginn der Industrialisierung verstärkte Anstrengungen unternommen, um dem wachsenden Gewerbe ein leistungsfähiges Transport- und Verkehrssystem zur Seite zu stellen. Die Landstraßen wurden in bestmöglichen Zustand gehalten und die Schifffahrtswege durch neu gegrabene und befestigte Kanäle erweitert. Jedoch zeigte sich nach einigen Jahren, dass beide nicht mehr dem wachsenden Gewerbeverkehr und der Belastung gewachsen waren und es mussten neue Wege gefunden werden, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen.76 Man konnte bei diesem Vorhaben auf eine alte, schon im Mittelalter in Deutschland gefundene Verbesserung der Wege zurückgreifen. Man übernahm das in deutschen Bergwerken für die Stollen- und Streckenförderung eingesetzte Verfahren der befestigten und geführten Laufwege, das sogenannte Hundegestänge. Der wesentliche Vorteil dieser Technik ergab sich aus der Armierung der Laufwege durch aufgelegte Hartholz- und später Eisenleisten. Joseph von Baader schreit dazu in seinen Bericht über die englischen Eisenbahnen: »Den Engländern gebührt indessen die Ehre, dieselbe zuerst aus den Finsternissen der Bergwerke an das Tageslicht gefördert, und davon eine ausgedehntere Anwendung im Großen zur Erleichterung des schweren Fuhrwerkes auf dem platten Lande gemacht zu haben, indem sie zu Anfang und gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts mehrere hölzerne Rollwagen, ganz nach dem Modelle unserer alten Hundegestänge, auf beträchtliche Strecken in verschiedenen Provinzen, vorzüglich in der Nähe von Newcastle Newcastle upon Tyne in Northumberland, zum Behufe des Transportes der Steinkohlen von den Gruben zu dem nächsten Kanal oder Seehafen anlegten.« 77 Die als Riegelbahnen oder Schienen bezeichneten Wege waren über 40 Jahre im Gebrauch. Von Baader sah sie, seinem Bericht zufolge, noch um 1790 im Gebrauch. Es zeigte sich jedoch, dass sich diese hölzernen Bahnen im intensiven Gebrauch und durch den Einfluss der Witterung sehr stark abnutzten. Aus diesen Grund wurden die Bahnen im Laufe der 1770er Jahre auf die Verwendung von Gusseisen und auf gusseiserne Räder umgestellt und erfüllten damit die an sie gestellten Anforderungen so gut, dass sich der Bau von Eisenbahnen stark ausdehnte. Ein weiterer Grund für den Wechsel von Holz auf Eisen war auch die starke Verteuerung des in England raren Holzes und dem gleichzeitigen Sinken der Preise für gutes Gusseisen. Seit dieser Zeit wurden die Eisenbahnen, mit dem Einsatz auch auf längeren Strecken zu einem ernsthaften Konkurrenten für die in England 76 77 Bagwell, Philip S.; Bagwell, Philip (2002); Bagwell, Philip Sidney (1988): Cottrell, P. L. (1975): Donaghy, Thomas J. (1966 (Published 1970)): Evans, Francis T. (1981): Ferneyhough, Frank (1975): Gerhold, Dorian (1993): Turvey, Ralph (2005): Simmons, Jack (Hg.) (1997); Lee, Charles E. (1943). Baader, Joseph (1822): v. Baader über englische Eisenbahnen. In Polytechnisches Journal 7 (1), pp. 1–52, hier S. 3. 2.2 England 37 verbreiteten Kanäle. Weitere technische Verbesserungen betreffend die Form und des Materials von Rad und Schiene zusammen mit einer Optimierung von Streckenverlauf und Logistik für die Betriebsmittel und die Zugpferde machten die Eisenbahn zu einem leistungsfähigen Verkehrssystem für den Transport von Gütern und Rohstoffen. Von Baader belegt in seinem Bericht die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen in dem Zustand, den er bei seinen Reisen in den Jahren 1815 und 1816 vorgefunden hatte, und wies aber besonders darauf hin, welch ein gewaltiges Potenzial in dieser Einrichtung für die weitere Entwicklung und die Einführung auf dem europäischen Festland steckte.78 Ähnliche Informationsreisen wurden seit dieser Zeit von einer Anzahl Kameralisten und Ingenieuren aus den europäischen Staaten im eigenen Interesse und mit eigener Finanzierung aber auch in staatlichen Auftrag unternommen. Die Reisen wurden wie bei von Baaders Bericht in Journalen und in Berichten, die öffentlich erreichbar waren, veröffentlicht und erregten große Aufmerksamkeit bei den Investoren und Kaufleuten, ebenso wie in der Politik. Sie sollten in den folgenden Jahren in Amerika, Frankreich, Belgien und in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen. Die Zeit und das Ereignis, die für diese Untersuchung von Bedeutung sind, sind der Zeitpunkt der ersten Eisenbahnfahrt mit Personen und der Einsatz der mobilen Dampfmaschine für den Antrieb dieser Personenzüge. Auch diesmal beginnt die Entwicklung in England und erreicht innerhalb kurzer Zeit den Kontinent. In einem Reisebericht des „Schweizer Handlungsreisenden“ Johann Conrad Fischer aus dem Jahre 1814 durch England79 wird eine „Eisenbahn“ beschrieben, die auch für den beschränkten, kleinen Personenverkehr genutzt wird. Den Hinweis auf diese Bahn erhält er, der sich für die Anknüpfung von Handelsbeziehungen für den Verkauf von Erzeugnissen des Handwerks der Schweiz und dem Erwerb von Erzeugnissen der englischen Eisenindustrie interessiert und deshalb England bereist, von einem Geschäftspartner: »Da ich mich bei Hrn. Lee nach dem Ort in England erkundigte, wo die Dampfmaschinen zum Treiben von Wagen statt der Pferde angewandt wird, gab er mir Leeds an; […]«80 78 79 80 Vgl. Baader, Joseph (1822): v. Baader über englische Eisenbahnen. In Polytechnisches Journal 7 (1), pp. 1–52. Fischer, Johann Konrad (1816). Fischer, Johann Konrad (1816), S.121. 38 2 Ursprünge des Personenverkehrs In seinem weiteren Reiseverlauf, nun mit einer Empfehlung an „den größten Tuchmanufakturisten Englands“, fuhr er weiter nach Leeds. Dort ermöglichte ihm der Sohn dieses Tuchmanufakturisten die Besichtigung der Dampfeisenbahn. »(Wo ich) […] die durch Dampfmaschinen gezogenen, Wagen für Kohlentransporte auf einer Strecke von beinahe drei englischen Meilen noch in 'Thätigkeit antraf und sah.[…]«81 Er beschreibt die Konstruktion82 und den Betrieb dieses Transportmittels und fährt fort: »Das Fortschreiten der Maschine ist so, daß ein Mann im starken Schritt kaum folgen kann. Da ich diesem Fuhrwerke noch fast zwei englische Meilen entgegengegangen war, ehe ich ihm begegnete, so hieß mich der Mann , der es leitete, auf den Wagen der Maschine, der an den Seiten mit Bänken versehen ist, aufsteigen; und schlug mir zu Gefallen einen Trott an , indem er durch stärkere Dampfproduktion die Geschwindigkeit der Kolben bis auf achtzig Hube in der Minute vermehrte. […] Uebrigens machte es mir Freude, auf diesem Triumphwagen des menschlichen Geistes (so möchte ich dies Fuhrwerk nennen) meinen Einzug in Leeds zu halten; denn zu einem solchen Behuf sind die Elemente, wohl noch nicht oft und mit so konzentrirter Kraft in einen so kleinen Raum gebannt worden, da dieselbe in einem Augenblicke dreiundzwanzig Wagen, jeder mit sechszig Zentner Steinkohlen beladen, dann die ganz eisernen Wagen selbst, deren jeder zehn Zentner schwer ist, auf zuweilen etwas ansteigender Bahn, und zwar mit gleicher Geschwindigkeit fortschafft.«83 Dieser frühe Bericht zeigt die Einstellung eines Zeitgenossen zu dieser neuen Verkehrstechnik oder einfach nur dieser Möglichkeit der schnellen Fortbewegung, die sich im weiteren Verlauf der Entwicklung nicht nur in England, sondern auch in den Festlandeuropäischen Ländern und in Amerika wiederholte und auch damit zum großen Erfolg der Eisenbahn und besonders des Personenverkehrs mit der Dampfmaschinen getriebenen Eisenbahn führte. Die erste Eisenbahn mit Pferdeantrieb, die »in Großbritannien zu allgemeinem Gebrauche errichtet, wurde d. h. zu gänzlicher Beseitigung jeder anderen Straße und für jede andere Art von Wagen brauchbar«84 in Betrieb genommen wurde, war die SurreyEisenbahn. Sie diente dem Transport von schweren Lasten mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,5 km/h. Sie blieb jedoch weitgehend unbeachtet, weil sie einer Gegend errichtet wurde, in der für sie wenig Verwendung bestand. Die zweite dieser Eisenbahnen, die auch 81 82 83 84 Fischer, Johann Konrad (1816), S.141 Er beschreibt die „Zahnradlokomotive“ von M. Murray und J. Blankinsop von 1812, die in vier Exemplaren bis 1836 Kohlentransporte von Middleton nach Leeds durchführte. Fischer, Johann Konrad (1816), S.141-145. Anonymus (1829): Ueber Eisenbahnen in England und über die Wettfahrten auf der LiverpoolManchester-Eisenbahn. Aus dem Mechanics' Magazine … (im Auszuge). In Polytechnisches Journal 34, pp. 356–390. Hier S. 356. 2.2 England 39 über Großbritannien hinaus bekannt wurde und als die erste ihrer Art wahrgenommen wurde, war die Stockton-Darlington Eisenbahn. »Die Dampflokomotive für die Strecke Stockton-Darlington wurde zunächst nur für den Transport von Kohlen und Gütern verwendet, da die Betriebsleitung glaubte, daß die Reisenden sich nicht einer, qualmenden Feuermaschine" anvertrauen wollten. Für den Personenverkehr wurde ein Pferd angeschafft, das die auf Eisenbahnräder gestellte Postkutsche täglich einmal zwischen Stockton und Darlington hin- und her zog. Erst 1833 wurde auf dieser Strecke auch der Personenverkehr durch lokomotivbespannte Züge eröffnet«85 Auf dieser Bahn wurde Dampfkraft erstmalig eingesetzt, um Güter und Personen zu transportieren. Sie wurde im September 1825 eröffnet und beförderte mit einer Geschwindigkeit von fünf bis max. acht englische Meilen, das entspricht etwa 8 bis 13 km/h, ihre Lasten. Für die Reisenden standen geschlossene Wagen (inside-passenger) und offene Wagen (outside-passenger) zur Verfügung. Ab dem Tage der Eröffnung steigerte sich die Anzahl der Frachten und der Reisenden in derart konkurrenzloser Weise, sodass nach dem ersten Betriebsjahr der gesamte Verkehr auf der parallel laufenden Landstraße von der Eisenbahn übernommen war. Der Preis der Steinkohle, der vormals auf der Landstraße von Stockton nach Darlington befördert wurde, sank um mehr als ein Drittel und bewies damit die Wirtschaftlichkeit des Eisenbahntransports. Schon vor dem Bekanntwerden der guten Resultate der Stockton-Darlington Eisenbahn wurde die Errichtung einer Eisenbahn von Liverpool nach Manchester vorgeschlagen und ausgearbeitet. Die Pläne trafen auf den starken Widerstand der Kanalbetreiber. Diese Strecke wurde deshalb nicht weitergeführt. Nachdem die Resultate der ersteren Bahn allgemein bekannt wurden, wurde das Projekt wieder in Angriff genommen und das dazu erforderliche Kapital auch innerhalb kürzester Zeit zusammengebracht. Danach verstärkte sich der Widerstand der Kanaleigentümer noch einmal, aber ihre Argumente gegen das Projekt waren nur die alten Vorbehalte, die die Landfuhrleute gegen die damaligen Kanalbaupläne erhoben hatten. Nachdem sie einsahen, dass ihr Widerstand zwecklos war, wechselten sie zum Lager der Eisenbahnbefürworter und beteiligten sich finanziell an dem Projekt. Mit der zusätzlichen Unterstützung durch das Parlament mit einer Akte war das Projekt gesichert und konnte begonnen werden.86 85 86 Voigt, Fritz (1965), S. 501. Vgl. Anonymus (1829): Ueber Eisenbahnen in England und über die Wettfahrten auf der LiverpoolManchester-Eisenbahn. Aus dem Mechanics' Magazine … (im Auszuge). In Polytechnisches Journal 34, pp. 356–390. 40 2 Ursprünge des Personenverkehrs Mit der Eröffnung Eisenbahnstrecke von Liverpool nach Manchester am 15. September 1830 begann das eigentliche Zeitalter der Personeneisenbahn mit Dampfbetrieb. Nachdem erste Teilstrecken errichtet worden waren, wurde auf einem Abschnitt der Bahn bei Rainhill ein Wettbewerb von Lokomotiven-Fabrikanten durchgeführt, aus dem Robert Stephenson mit seiner Rocket als Sieger hervorging. Auf dieser Strecke wurden grundlegende Techniken des Schienenbaus, der Streckenführung, wie Tunnelbau und Streckenbau wie auch der Betriebsmittel wie Güter- und Personenwagen erprobt und entwickelt, die für die späteren Eisenbahn-Projekte zur Grundlage wurden. Ein GeschäftsBericht der Liverpool-Manchester-Eisenbahn von 1833 enthält die positiven Ergebnisse der Eisenbahn im letzten Betriebshalbjahr bis Dezember 1832 und weist besonders, in Antwort auf ihre Kritiker darauf hin, dass der Betrieb nicht ausschließlich auf den Transport von Gütern, sondern für den Transport von Reisenden, Gütern und Kohlen gerichtet war und als solcher sehr vorteilhaft verlief. Andererseits hatten die Reparaturen an der Dampflokomotive beträchtliche Aufwendungen verursacht, aber trotzdem sei dieses Antriebsprinzip das »zweckmäßigste und vorteilhafteste Fuhrwerk auf Eisenbahnen«. Dieser Hinweis bezog sich auf den alternativen Pferdeantrieb.87 In der Folge wurden eine Vielzahl von Berichten über den Betrieb und die positiven Ergebnisse dieser Eisenbahnstrecke in den verschiedensten, technisch und wirtschaftlich orientierten Zeitschriften und Journalen veröffentlicht und trugen zum Interesse an diesem Verkehrssystem weit über Großbritannien hinaus bei. So beschrieb ein Artikel im Polytechnischen Journal die Vorteile der Eisenbahnen und ihres Betriebes zu den von ihr verdrängten alternativen Transportangeboten. »Vor der Errichtung der LiverpoolManchester Eisenbahn liefen zwischen diesen beiden großen Fabrik- und Handelsstädten 22 regelmäßige und 7 unregelmäßige Kutschen oder Eilwagen, welche zusammen genommen täglich ungefähr 688 Personen von einem zum anderen zu schaffen im Stande waren. Auf der Eisenbahn fuhren hingegen in den ersten 18 Monaten ihres Bestehens nicht weniger als 700,000 Personen, sodaß folglich auf jeden Tag die ungefähre Anzahl von 1070 Passagieren kommt! «Und er berichtet weiter, »Die Eisenbahn-Fahrt wurde bisher nicht einen einzigen Tag unterbrochen, und innerhalb von 18 Monaten kam nur ein einziger Unglücksfall vor. «Über die Geschwindigkeit und die Zeitersparnis bei der Reise mit der Eisenbahn lesen wir weiter, »Mit dem Eilwagen brauchte man 4 Stunden, um die 87 Vgl. Anonymus (1833): Einige Notizen über die Liverpool-Manchester-Eisenbahn. Nr. XVII / Miszelle 7. In Polytechnisches Journal 49, p. 71. 2.2 England 41 Fahrt zurükzulegen; auf der Eisenbahn ist sie in 1 ¾ Stunden vollbracht. Alle Kutschen haben daher jetzt ihre Fahrten eingestellt […]. «88 Im Polytechnischen Journal von 1838 wird aus J. R. Porters „The progress of the nation in various social and economical relations, from the beginning of the nineteenth century to the present time.“ zitiert: »Bis zum Anfange des jezigen Jahrhunderts waren alle Eisenbahnen Englands nur zu Privatzweken, und zwar hauptsächlich zum Steinkohlentransporte, bestimmt«, und weiter »Es ist eine merkwürdige Thatsache, daß von allen Bahnen, welche vor der Eröffnung der Bahn zwischen Liverpool und Manchester bestanden, auch nicht eine einzige des Personenverkehrs wegen unternommen wurde.« mit der Begründung, dass »nur als wahrscheinlich angenommen (wurde), daß vielleicht nur die Hälfte der zwischen beiden Städten hin und her wandernden Personen des geringen Fuhrlohnes wegen auf der Eisenbahn fahren dürfte.« Jedoch, »Die Erfahrung lehrte anders, denn die besagte Bahn hat ihre Blüthe hauptsächlich dem Personenverkehr und weit weniger dem Gütertransporte zu verdanken.[…] Seit dieser Erfahrung berechnet man den Eintrag und das finanzielle Gelingen der Bahnen hauptsächlich nach dem wahrscheinlichen Personenverkehre, wobei wohl zu bemerken ist, daß noch in jedem Falle, wo zwischen zwei Orten eine Eisenbahn angelegt wurde, der zwischen diesen Orten bestehende Personenverkehr kurze Zeit nach der Errichtung der Bahn auf das Vierfache stieg.«89 Dieses Zitat und diese Aussage wurden in dieser Länge deshalb übernommen, weil es wesentlichen Einfluss auf alle weiteren Eisenbahnprojekte in Amerika wie auf dem europäischen Kontinent hatte und sich dort auch immer wieder bestätigte. Die Eisenbahn Liverpool-Manchester ist aus diesem Grunde auch als der Beginn des Personenverkehrs per Eisenbahn bezeichnet worden. Viele ihrer Innovationen in technischer und wirtschaftlicher Art waren Ausgangspunkt der danach folgenden Eisenbahnprojekte. 88 89 Anonymus (1832): Ueber die Vortheile der Eisenbahnen. Nr. LXXXVII / Miszelle 4. In Polytechnisches Journal 47, pp. 459–460. hier S.459. Anonymus (1838): Zur Geschichte der Eisenbahnen in England. Miszelle 3. In Polytechnisches Journal 69 (CIV), pp. 463–464. 42 2 Ursprünge des Personenverkehrs 2.3 Amerika Nur drei Jahre nach der Eröffnung der Liverpool-Manchester Eisenbahn in England veröffentlichte der amerikanische Congress im Jahre 1833 eine Liste, der in den Vereinigten Staaten vollendeten und der geplanten Eisenbahnen. Beginnend im Jahr 1830 mit der Strecke von Baltimore nach York in Pennsylvania erfolgte der Aufbau eines Eisenbahnstreckennetzes in Amerika.90 Die Liste enthält die zu dieser Zeit vollendeten 46 Strecken in 13 Bundesstaaten. Allein im Staate Pennsylvania waren 15 in Betrieb und 67 der insgesamt 137 weitere in Planung. Die erste größere Eisenbahn wurde von der Regierung gebaut und in technisch ähnlicher Art wie die Strecke Liverpool-Manchester ausgeführt. Der Streckenverlauf war nicht durchgehend eine Eisenbahnstrecke, sondern eine Kombination von vorhandenen Kanälen und verbindenden Eisenbahnstrecken. Ursprünglich war diese Eisenbahn nur für den Steinkohlentransport gebaut, sie wurde dann jedoch nach kurzer Zeit für den allgemeinen Verkehr, d. h. auch für den Personenverkehr freigegeben. Die amerikanischen Eisenbahnen wurden in ihrer einfachsten Form, wegen der leichten Verfügbarkeit von festen Hölzern, mit Holzlaufleisten ausgeführt, die mit Stahlleisten armiert waren, um den Verschleiß zu mindern. Veranlassung für den Bau einer Strecke war in den meisten Fällen die Notwendigkeit, eine Verkehrsverbindung zwischen einer Steinkohlegrube oder den Eisenerzförderstellen mit dem Standort des Verarbeiters dieser Rohstoffe zu schaffen. Bis zur Einführung der Eisenbahn wurde der Verkehr auf Flüssen und Kanälen durchgeführt, die mit Straßen untereinander verbunden waren. Mit dem Beginn des Eisenbahnbaus wurden diese Straßen durch Eisenbahnstrecken, d. h. durch, mit Holz- oder Eisenschienen verstärkte Kunststraßen, ersetzt. Für leichte Lasten war das Holz, armiert mit Eisen, ausreichend. Für größere Lasten wurden ausschließlich Eisenschienen verlegt. Die Strecken mit leichtem Verkehr wurden mit Kutschen und Pferdekraft betrieben. Mit dem zunehmenden Verkehr, der höheren Belastung und der Verlängerung der Strecke, die dann komplette Städteverbindungen waren, wurde auf den Zwischentransport auf vorhandenen Kanälen verzichtet und die ganze Strecke als Eisenbahn ausgelegt. Mit dieser Verkehrserweiterung wurde auch auf den ausschließlichen Antrieb mit Dampfmaschinen übergegangen. Die Eisenbahnen mit Dampfbetrieb entwickelten dadurch eine Kapazität, die auch für den Personenverkehr attraktiv wurde. Diese 90 Abläufe wurden pragmatisch vorangetrieben und die Änderungen und Angevine Robert G. (2001): Anonymus (1835): Ueber die Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.; Gordon, Sarah (1996): Miner, H. Craig (2010): Zimpel, Charles Franz (1840); Gerstner, Franz Anton Ritter von (1839). 2.4 Belgien und Frankreich 43 Erweiterungen erfolgten nach Bedarf. Es entwickelten sich aus den Einzelbedarfsstrecken die ersten Netze für Güter- und Personenverkehr.91 In den Berichten, die über die ersten Eisenbahnen bekannt wurden, so auch aus den Vereinigten Staaten wurde bei der Bezeichnung Eisenbahn, in erster Linie an eine, mit eisenarmierten Holzschienen oder mit gewalzten Eisenschienen belegte Kunststraße gedacht. Die Überbrückung landschaftlicher Hindernisse, die Überbrückung von Flussläufen und die Überwindung von Höhenunterschieden durch Ingenieurbauwerke wurden ausführlich beschrieben. An zweiter Stelle wurde über die geografische Ausdehnung und den Anlass des Baues berichtet. Als Güter kamen anfangs Grundstoffe wie Erz und Kohle in Betracht. Der Antrieb erfolgte generell durch Pferdegespann. In einer weiteren Stufe erfolgen erst die Prüfung, die Anpassung und die Verwendung von Dampfwagen als Antriebsquelle. Wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt waren, wurde die Eisenbahn für den allgemeinen Verkehr freigegeben, d. h., dass erst dann der regelmäßige Personenverkehr eingeführt wurde, der dann anfangs auch wegen der leichten Last teilweise noch mit Pferdeantrieb durchgeführt wurde. Durch diese Abläufe, die sich pragmatisch durch die aktuellen Umstände ergaben, ist es meist nicht zu ermitteln, wann genau und wo genau der Personenverkehr per Eisenbahn mit Dampfbetrieb einsetzte. Es handelt sich bei diesen Zeit- und Ortsangaben um Annäherungen an die tatsächlichen Daten, die aber andererseits für diese Untersuchung auch von hinreichender Gültigkeit und Genauigkeit sind. 2.4 Belgien und Frankreich Die Planung und der Bau von Eisenbahnen in Belgien92 wurden besonders gefördert durch die durchgehend günstigen Geländeverhältnisse. Dadurch ergaben sich niedrigere Erstellungskosten für den Streckenbau als z. B. in Deutschland. Aufwendige Konstruktionen, die den Großteil der Investitionskosten erforderten, wie Geländeeinschnitte, Tunnel und Brücken konnten auf ein Minimum reduziert werden. Dadurch war 91 92 Vgl. Anonymus (1835) Ueber die Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika; Leuchs, Erhard Friedrich (1836), S. 191-194. Anderson, John (1845): Anonymus (1840): Bemerkungen über die Eisenbahnen Englands, Deutschlands, Rußlands, Belgiens und der Vereinigten Staaten.: Block, Greet de (2011); Dobson, Edward (1843): Hendschel, U. (1844): Plieninger, Th. (1836): Schoeller (1917): Simons (1836): Nachrichten von der Belgischen Eisenbahn; Simons (1835a): Simons (1835b): Weißenbruch (1917). Weißenbruch (1917): Belgische Eisenbahnen. 44 2 Ursprünge des Personenverkehrs es einfacher, Investoren für den Bau zu interessieren und die erforderlichen Kapitalien zu bekommen bzw. den Staat für den Eisenbahnbau zu gewinnen. Frühe Plane für einen Eisenbahnbau wurden schon 1830, nach der Erreichung der Selbstständigkeit Belgiens in Angriff genommen93. Aber erst mit dem Gesetz vom 1. Mai 1834 wurde die Errichtung eines Eisenbahnnetzes definiert, welches auf Staatskosten gebaut werden sollte. Es umfasste innerhalb Belgiens seine wichtigsten Handelsverbindungen zwischen den zwei Seehäfen Antwerpen und Ostende und andererseits die Transferverbindungen von und nach Frankreich und Deutschland. Dieses Netz sollte in einem gemeinsamen Mittelpunkt zusammengeführt werden. Vorgesehen war dafür Mecheln, weil dort der größte Verkehr vermutet wurde und dort wurden auch die zentralen Werkstätten für das gesamte Material der Eisenbahn errichtet. Mit der Entwicklung des Personenverkehrs zeigte sich jedoch, dass Brüssel den größten Anteil am Verkehrsaufkommen erreichen sollte und damit zur Hauptstation wurde und ein größeres Stationsgebäude gebaut werden musste. Alle Stationsgebäude wurden außerhalb der städtischen Grenzen errichtet, um den jeweiligen Lokalsteuern zu entgehen. Eine Ausnahme machten dabei nur die Stationen Ostende, Brügge und Gent. Für die Passagierabfertigung wurden in diesen Stationen besondere Regelungen eingeführt, um einen ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten. Die Fahrbilletts wurden den Fahrgästen aus einem Fenster der Büros herausgegeben. Um ein Gedränge zu vermeiden, wurden sie in schmalen Gängen vorbeigeleitet und in einem parallelen Gang wieder an ihren Ausgangspunkt zurückgeführt.94 Bis 1838 wurden nach diesen Plänen insgesamt 270 km Eisenbahnstrecken gebaut und für den allgemeinen Verkehr, d. h. auch für den Personenverkehr in Betrieb genommen. Die Ausführung der Strecke war jedoch nur auf der Hauptstrecke, zwischen Brüssel und Antwerpen, zweigleisig ausgebaut, was einen dichteren Verkehr ermöglicht, während die übrigen Strecken eingleisig mit eingefügten Ausweichstrecken ausgeführt waren. Die durchschnittliche Geschwindigkeit der Bahnen betrug unter Einrechnung der Haltezeiten 27 km/h und ohne deren Berücksichtigung max. 32 bis zu 40 km/h. Im Jahr 1837 wurden mit den belgischen Eisenbahnen 1.384.577 Passagiere befördert und im Jahr 1838 bereits 2.238.303 (unter Einschluss von 5.600 Soldaten). Nach einem kurzen Rückgang 1839 stieg der Personenverkehr wieder bis zum Jahre 1842 auf 2.724.104.95 Dabei verlängerte sich die Fahrstrecke je Person von 27 km auf 37 km. Bei der Betrachtung des gesamten 93 94 95 Vgl. Block, Greet de (2011): Designing the Nation. The Belgian Railway Project, 1830-1837. In: T&C 52 (1), S. 703–732. Vgl. Anderson, John (1845), S. 357f. Vgl. Anderson, John (1845), S. 365. 2.4 Belgien und Frankreich 45 Reiseverkehr ist es bemerkenswert, dass der Ertrag der normalen Post sich in den ersten Jahren des Eisenbahnbetriebs zwar durch den Verlust der Postbeförderung an die Eisenbahn verringerte, dieser Verlust jedoch weit ausgeglichen wurde, durch die Zubringerleistung zur Eisenbahn und von der Eisenbahn, d. h., der Verkehr erhöhte sich insgesamt bei allen Transportdienstanbietern.96 Die belgischen Eisenbahnen teilten den Personenverkehr in drei Klassen. In den ersten drei Monaten des Jahres 1839 fuhren insgesamt 1.900.940 Passagiere mit der Eisenbahn. Davon benutzten die Erste Klasse 233.266 Personen, die Zweite Klasse 618.296 Personen und die Dritte Klasse 1.049.378 Personen.97 Die Kosten für die einzelnen Klassen wurden mehrmals geändert, um den Ertrag zu verbessern, jedoch hatte z. B. eine Erhöhung im Jahre 1839 zur Folge, dass sich sofort eine Verminderung des Passagieraufkommens einstellte und die Änderungen wieder rückgängig gemacht werden mussten. Die Reisenden hatten offensichtlich gute Alternativen zur Eisenbahn und nutzten sie bei Änderungen in den Kosten auch sofort. Das hatte deshalb in der folgenden Zeit eine Stabilisierung und eine Zuverlässigkeit des Tarifniveaus zur Folge.98 Bei der Planung der ersten Strecke wurde die Vermutung ausgesprochen, dass der Personenverkehr, der Schnelligkeit und der Sicherheit der Fahrt wegen, bedeutend sein würde und sich innerhalb der ersten zehn Betriebsjahre verdreifachen würde. Als Bestätigung wurde die Erhöhung des Verkehrs durch die Schnellposten in den Jahren vor der Eisenbahn gesehen. Fast ein Jahr lang wurde die Zahl der Reisenden in den Zollstellen der Städte gezählt, um genaue Zahlen über die aktuellen Zahlen der Reisenden zu erfassen und für die Planung des zukünftigen Bedarfs hochzurechnen. Um realistische Grundlagen zu bekommen und die Kosten für den Betrieb der Eisenbahn nicht zu hoch anzusetzen, wurden die wahrscheinlichen Zahlen für den Personenverkehr z. B. für die Hauptstrecken, von Antwerpen nach Mecheln von 70.000 auf 98.000 geschätzt und von Mecheln nach Brüssel von 75.000 auf 100.000 erhöht.99 Der französische Eisenbahnbau100 begann schon 1823 mit einer 23 km langen Bahn von St. Étienne nach Andrezieux. Diese Bahn wurde 1828 fertiggestellt und diente noch dem ausschließlichen Transport von Kohle von den Kohlelagern zu den Wasserstraßen und arbeitete mit Pferdebetrieb. In den folgenden Jahren wurde diese Linie durch eine Strecke 96 97 98 99 100 Vgl. Anonymus (1840, S. 337ff. Vgl. Dirksen, H. (1842), S. 182. Vgl. Anderson, John (1845), S. 358f. Vgl. Simons (1835), S. 392. Caron, François (1997): Caron, François (2005a); Caron, François (2005b); Mitchell, Allan (2000): The great train race. Railways and the Franco-German rivalry. 46 2 Ursprünge des Personenverkehrs von St. Étienne nach Lyon mit einer Länge von 58 km und einer Strecke von Andrezieux nach Roanne mit einer Länge von 68 km zu einer Verbindung der Ströme Rhône und Loire ausgebaut.101 Damit waren diese beiden zentralen Flussläufe für den Güter- und Personenverkehr durch die Eisenbahn verbunden. Bis zum Jahre 1832 wurden noch mehrere Eisenbahnen in der Art der Strecke von St. Étienne nach Andrezieux gebaut und in Betrieb genommen. Der Personenverkehr begann im Juli 1832, als die Konzessionärin der Strecke St. Étienne-Lyon ihre Bahn für die Personenbeförderung eröffnete und auf Lokomotivbetrieb umstellte. Eine andere Quelle102 berichtet aus dem Jahre 1836, dass die Strecke St. Étienne nach Lyon, mit einer Länge von 58 km, schon rege als Personenbahn mit Pferden, neben dem Transport von Steinkohle betrieben wurde. Der Betrieb wurde mit sieben Personenwagen in drei verschiedenen Bauarten und mit einem Passagieraufkommen von 500 pro Tag, bei einer Fahrtdauer von drei bis vier Stunden, durchgeführt. Der Betrieb mit Dampfwagen wurde für die nächste Zeit angekündigt. Der Grund für die Änderung sind die Ergebnisse der Manchester-Liverpool Strecke, die höhere Geschwindigkeit und geringere Betriebskosten ausweisen. Der Bericht ist sehr ausführlich auch mit technischen Details versehen, aber das Datum Juli 1832 für den Beginn des Personenverkehrs mit Dampfbetrieb ist besser durch andere Quellen belegt. Der damit eröffnete Personenverkehr per Eisenbahn veranlasste den französischen Staat die Bedingungen und die technischen Vorgaben für den Eisenbahn in einen geregelten Ablauf zu überführen, indem die Konzessionsbedingungen neu gefasst wurden. Der Staat sollte fortan durch seine Ingenieurskorps die Planungen und die Kostenanschläge erarbeiten und einem privaten Unternehmer die Durchführung des Streckenbaus überlassen. Aufgrund dieser Regelungen wurde im Jahr 1835 die 19 km lange Strecke von Paris nach St. Germain und im selben Jahr die Strecke von Alais nach Grand‘ Combe mit 17 km Länge. Im Jahre 1837 erfolgte die Konzession für die Strecken Montpellier-Cette mit schon 27 km Länge und ParisVersailles mit 35 km Länge. Die erste Bahn, die ins Ausland führte und an die deutschen Strecken anschließen sollte, die Strecke Basel-Straßburg wurde 1838 konzessioniert. Damit hatte die Eisenbahneuphorie jedoch schon ihren Höhepunkt erreicht und die erste Krise zeichnete sich ab. Die Konzessionen wurden teilweise zurückgegeben oder der Staat wurde um finanzielle Unterstützung gebeten. Der Staat reagierte, indem er im August 1839 über neu formulierte Bedingungen Erleichterung bei der Finanzierung des Bahnbaus herstellte. Unter diesen Bedingungen erreichte die Länge des französischen Eisenbahnnetzes zum Ende des Jahres 1840 eine Länge von 497 km und bis Ende 1841 101 102 Vgl. Albert, L. P. (1836), S. 7; Leuchs, Erhard Friedrich (1836), S. 213. Vgl. Leuchs, Erhard Friedrich (1836), S. 213f. 2.5 Deutschland 47 von 638 km. Dabei waren zu dieser Zeit schon 880 km an 14 Gesellschaften konzessioniert.103 Der gesamte Personenverkehr erhöhte sich innerhalb unseres Untersuchungszeitraumes bis zum Jahre 1860 auf 56.528.613 Personen. Im „Morgenblatt für gebildete Stände“ vom 2. Juli 1833 berichtet der französische Korrespondent des Blattes von einer Fahrt auf der ersten Dampfeisenbahn für Personenverkehr in Frankreich. In St. Étienne beginnt die Fahrt. St. Étienne ist eine Industriestadt, wie sie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in vielen Ländern Europas prosperieren. Zweimal pro Tag fährt von dort ein Personenzug mit vier und mehr Wagen je nach Nachfrage nach Lyon. Die Wagen bestehen aus drei Abteilen, vorne für sechs Personen in bequemen Lehnsesseln und am Ende noch einmal das gleiche. In der Mitte befinden sich vierundzwanzig Personen in einem Abteil mit einfacherer Ausstattung. Konzessioniert und gebaut wurde die Bahn ursprünglich für den Kohle- und Gütertransport von der St. Étienne nach Lyon an die Rhone zum Weitertransport per Schiff. Die Bahn führt auf ihrem Weg durch einen in den Fels geschlagenen Tunnel, der eigentlich zu den seitlich abgehenden Zugängen zu den Bergbaustollen und führt und dadurch an seine Zweckbestimmung, Kohle aus der Grube zum Verbraucher zu bringen erinnert.104 Diese Bahn zeigt exemplarisch, wie die Eisenbahnen, die seitdem in Europa entstehen, pragmatisch, je nach Nachfrage als Güterbahn oder Personenbahn genutzt wurden. 2.5 Deutschland Die älteste deutsche Eisenbahn erhielt im September 1824 das Privileg von Kaiser Franz I., eine Holz- und Eisenbahn zwischen Mauthausen und Budweis (zwischen Moldau und Donau) zu errichten. Böhmen, reich an Bodenschätzen, hatte keine auszubeutenden Salzvorkommen. Salz musste vom „Salzkammergut“, dem Flussgebiet an der oberen Traun in Ober-Österreich, über Kanale und mit Pferdewagen in erheblicher Menge regelmäßig eingeführt werden. Um die Salzbeförderung schneller und billiger zu machen, wurde die Eisenbahn Budweis-Linz, mit einer späteren Erweiterung nach Gmund, geplant und bis 103 104 Vgl. Schoeller (1917), S. 167ff. Vgl. Die Eisenbahn von St.Etienne nach Lyon (1833): In Morgenblatt für gebildete Stände 27 (Juli), pp. 625–626; 631-632; 634-635. 48 2 Ursprünge des Personenverkehrs zum August 1832 in voller Länge von 128,8 km fertiggestellt. Die Bahn war nicht die erste auf dem europäischen Festland, die Strecke St. Étienne-Andrezieux in Frankreich wurde zwar schon 1827 in Betrieb genommen, aber sie hatte nur eine Länge von 18 km. Die Deutsche Bahn war mit ihrer Spurweite von 1106 mm eine Schmalspurbahn. Sie wurde über 40 Jahre mit Pferdeantrieb betrieben und dann erst auf Lokomotivbetrieb mit Regelspurweite umgebaut. Erst der zweite Abschnitt der Bahn, von Linz nach Gmunden unter der Bauleitung von Mathias Schönerer105, erhielt 1854, weiterhin als Schmalspurbahn ausgeführt, Lokomotivantrieb und war damit auch die erste dampfgetriebene Schmalspurbahn Deutschlands und die zweite auf dem europäischen Festland, nach der Bahn Antwerpen-Gent in Belgien von 1845. Im ersten Jahr ihrer vollen Betriebsaufnahme 1834 wurden auf der Strecke BudweisLinz bereits 2.379 Personen und auf der zweiten Teilstrecke Linz-Gmunden 1837 77.905 Personen befördert. Die Erbauer der ersten Strecke hatten den Fehler begangen, die Bahn nach den Erfordernissen des Salztransports zu planen und den möglichen Personenverkehr nicht zu berücksichtigen. Den gleichen Fehler hatten schon die Erbauer der Strecke Stockton-Darlington in England gemacht, als sie ihre Bahn nach den Bedürfnissen des Steinkohlentransports betrieben und ebenfalls den Personenverkehr als nicht vorrangig betrachteten. Das war aus der damaligen Sicht verständlich, denn es war zu dieser Zeit noch nicht erkennbar, dass der Personenverkehr sich dermaßen schnell entwickelte und den Güterverkehr noch bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts überflügelte. Gerstner begründete das in seiner Schrift über die Eisenbahn zwischen Moldau und Donau folgendermaßen: »[…] Das Recht zur Verführung von R e i s e n d e n ist in dem Allerhöchsten Privilegium zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, jedoch dürfte hierüber kein Zweifel obwalten, denn jenen Personen, die Güter auf der Bahn verführen, muß das gestattet seyn, dieselben zu begleiten, jene welche die Bahn besichtigen wollen, können dieß auch nur bey ihrer Befahrung tun, da neben der Bahn kein zweyter Weg besteht, endlich jene, welche in Geschäften nach Budweis oder Linz reisen, können wohl auch nicht von den Vortheilen, welche die Bahn in diesem Falle durch die Schnelligkeit und Wohlfeilheit der Beförderung darbiethet, ausgeschlossen werden, ich glaube daher annehmen zu können, daß auf unserer Bahn ebenso solche regelmäßige Beförderung von Reisenden Statt finden werde,wie es auf allen neueren englischen Bahnen der Fall ist.[…]«106 105 106 Schönerer, Mathias Ritter von (1807-1881) Eisenbahningenieur – Quelle: ADB. Gerstner, Franz Anton von (1829), S. 23. 2.5 Deutschland 49 … und er beschreibt anschließend den Personenbetrieb, die Ausführung der Personenwagen mit ihren Klasseneinteilungen und die Personentarife der englischen Bahnen. Mit dem Lokomotivbetrieb verhielt es sich ähnlich. Als der erste Bauleiter Franz Anton Gerstner107 der Linz-Budweis Eisenbahn das erste Mal 1824 England besuchte, fand er noch wenig mit Dampflokomotiven betriebene Strecken und wollte sie deshalb für seine Strecke nicht empfehlen, auch die Schienenausführung war noch für den alleinigen Pferdebetrieb ausgeführt. Bei seinem zweiten Besuch in England 1826/27 hatte sich das Bild jedoch grundlegend geändert und der Betrieb mit Dampfbetrieb erschien nun auch in Deutschland nicht nur empfehlenswert, sondern unbedingt notwendig. Zwistigkeiten zwischen den Geldgebern und den Erbauern der Bahn hatten jedoch zur Folge, dass die erste Strecke nicht mehr für den Lokomotivbetrieb geändert werden konnte und viele Jahre weiter mit Pferden betrieben werden musste. Die Eisenbahnstrecke Budweis-Linz war jedoch die erste für den Personenverkehr eingerichtete Eisenbahn in Deutschland und viele technische Grundlagen wurde dort gelegt. Die Konstruktion der Personenwagen und die Klasseneinteilung wurden zur Basis für die weiteren Eisenbahnstrecken in Deutschland. Für den öffentlichen Verkehr standen zwei Bauarten zur Verfügung. Es gab zwei Klassen, die jedoch noch nicht so benannt waren, mit offenen und geschlossenen Wagen. Die überlieferten Abbildungen lassen Einzelheiten nicht erkennen. Es ist jedoch ersichtlich, dass die offenen Wagen keinerlei Schutz vor Kälte und Nässe für die Passagiere boten. Die Personenfahrten fanden anfangs nur zu besonderen Anlässen und zu besonderen Zwecken statt, Da die Eisenbahngesellschaft immer davon ausgegangen war, dass sie zum Personentransport berechtigt sei, wurde sie von Protesten der Kutschenfahrer und der Post überrascht, die die Personenbeförderung auf der Eisenbahn verbieten lassen wollten. Um weiteren Feindseligkeiten zu begegnen, wandte sie sich mit einem Gesuch an den Kaiser, den Personentransport ausdrücklich zu genehmigen. Das geschah in einer Kaiserlichen Entschließung vom Mai 1836 in der auch die Sicherstellung der Postregale geregelt wurde.108 Nachdem der ersten Erfolge der Personeneisenbahn mit Dampfantrieb, der englischen Strecke Liverpool-Manchester, in Deutschland bekannt geworden waren, entstanden unzählige kleinere und größere, lokale und landesweite Initiativen zum Bau von 107 108 Gerstner, Franz Anton Ritter von (1796-1840), Eisenbahningenieur – Quelle: ADB. Vgl. Enderes, Bruno (1926). 50 2 Ursprünge des Personenverkehrs Eisenbahnstrecken.109 Die erste Bahn, die begonnen und zum Betrieb geführt wurde, war die Strecke Nürnberg-Fürth über eine Länge von 5,8 km. Im Mai 1833 wurde die erste Einladung zur Gründung einer Aktiengesellschaft gegeben Im Februar 1834 erhielt die Gesellschaft das Privilegium zum Betrieb der Strecke für den Zeitraum von 30 Jahren. Im Juli 1834 wurde von dem deutschen Ingenieur Denis mit der Vermessung der Strecke und der Erstellung der Pläne und Zeichnungen begonnen. Im Mai 1835 konnte mit den wurde mit den Erdarbeiten begonnen werden. Ab Juli 1835 wurden die Geleise nach dem englischen Vorbild aus Eisen verlegt und im Dezember konnte der erste Dampfwagen, geliefert von Stevenson in Newcastle die Strecke befahren und damit den Betrieb eröffnen.110 Die Strecke diente ausschließlich dem Personenverkehr und hatte den Charakter eines Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Von Nürnberg nach Fürth wurde täglich vormittags dreimal mit Pferden gefahren, nachmittags zweimal bis dreimal mit Dampfwagen und danach noch dreimal mit Pferden. Die Rückfahrt von Fürth nach Nürnberg täglich vormittags viermal mit Pferden, nachmittags zwei bis dreimal mit Dampfwagen und danach dreimal mit Pferden. Diese Angaben waren der offizielle Regelverkehr und zusätzliche Fahrten konnten eingerichtet werden, wenn Bedarf bestand. Späte Fahrten wurden ausschließlich mit Pferden durchgeführt. Die Personenwagen wurden in drei Ausführungen eingesetzt. Es konnten pro Wagen 12 bis 30 Personen aufgenommen werden. Die einfachste Art ist nach oben offen und die bessere Art ist gegen die Einflüsse des Wetters mit Glasfenstern versehen und mit Tuch und Borten geschützt. Wöchentlich wurden schon zur Winterzeit 4 bis 7000 Personen befördert und für die Sommermonate erhoffte man eine wesentliche Steigerung. Insgesamt war die Bahn sehr rentabel und erbrachte eine ansehnliche Dividende.111 Trotz des wirtschaftlichen Erfolges und des regelmäßigen Personenverkehrs auf der Strecke ist diese Bahn wegen ihrer Länge nur als eine lokale Einrichtung zu betrachten, die etwa dem heutigen ÖPNV entsprach. Ein Eisenbahnverkehr mit Dampflokomotive fand auch nur eingeschränkt statt, der überwiegende Verkehr erfolgte mit Pferden. Sie ist jedoch 109 110 111 Jehle, Manfred (1985); Klee, Wolfgang (1982); von der Leyen (1917): List, Friedrich (1841): Mayer, Arthur von (1891): Mitchell, Allan (1992): Mitchell, Allan (2000): Mück, Wolfgang Kurt (1985): Nordmann, Hans (1948): Nordmann, Hans (1950): Reichsverkehrsministerium (Hg.) (1938): Reuße, Heinrich (1844): VDEV (1896). Reuße, Heinrich (1844), S. 24-33. Lips, Alexander (1836), S.14f. 2.5 Deutschland 51 als reine Personeneisenbahn zu sehen, auf der schon die Betriebsbedingungen für diesen Zweck entwickelt und erprobt werden konnten. Die Struktur der Besiedelung Preußens zeigte zu dieser Zeit große Unterschiede und damit auch die vorhandenen Verkehrswege: »Während die staatliche Verwaltung in Frankreich durch den forcierten Straßenbau während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine kleine Verkehrsrevolution auslöste, besaß Preußen beim Tode Friedrichs II. noch keine einzige Chaussee! […] Vor 1815 entstanden sonst nur kurze Verbindungen von der Hauptstadt nach Potsdam, Charlottenburg und Frankfurt an der Oder, auch zwischen Potsdam und Brandenburg. […] Aber in ganz Ost- und Westpreußen, […] keine einzige Chaussee. […] Erst vor diesem Hintergrund wird voll verständlich, welche Möglichkeiten der deutsche Eisenbahnbau seit den 1830er Jahren eröffnete.«112 Die erste Eisenbahn der Kategorie Personenverkehr mit Dampfbetrieb in Preußen war die Strecke Berlin-Potsdam, die am 29. Oktober 1838 in ihrer vollen Länge von 26 km in Betrieb genommen werden konnte. Der erste Plan zu dieser Eisenbahn wurde am 9. April 1833 an das Ministerium des Innern eingereicht. Potsdam-Berlin war nur eine Teilstrecke dieses Projektes, das Berlin, Merseburg, Delitzsch, Wittenberge, Potsdam und Frankfurt/Oder verbinden sollte. Der Transport von Gütern und Menschen war vorgesehen und der Betrieb sollte mit Dampfwagen erfolgen. Am 19. April 1833 beantwortete das Ministerium die Anfrage mit der Erklärung, dass zur Erteilung einer Lizenz zuerst die vollständige Nützlichkeit der Unternehmung bewiesen werden müsste. Der Antragsteller solle einen genauen Plan und eine eingehende Kostenrechnung nachreichen. Im April 1833 wurde von einem anderen Konsortium ein Plan für die Einrichtung einer Personen- und Güterbahn von Potsdam nach Berlin mit detaillierten Kartenunterlagen für die Strecke beim König eingereicht und für eine Dauer von 80 Jahren das ausschließliche Recht zur Beförderung auf dieser Strecke mit Dampfwagen erbeten. Wegen der Bitte, Gelände nach den Vorschriften des Landerwerbs für Chausseen durch den Staat und der unentgeltlichen Überlassung von staatseigenem Gelände wurde das Gesuch abgelehnt. Ein dritter Antragsteller hatte mit seinem Antrag für ein ähnliches Vorhaben am 28. Juni 1833 ebenso wenig Erfolg wie seine Vorgänger. Erst am 27. Januar 1834 hatte der Justizkommissar J. C. Robert, gemeinsam mit dem Bankier L. Arons mit einem Antrag für eine Strecke von Berlin nach Leipzig, die nachträglich im März 1834 in Berlin-Leipzig-Magdeburg-Leipzig geändert wurde, einen gewissen Erfolg. Das Ministerium verlangte von den Antragstellern zur Konzessionserteilung, den Nachweis der vorhandenen finanziellen Mittel für das 112 Wehler, Hans-Ulrich (1987), S. 121. 52 2 Ursprünge des Personenverkehrs Projekt. Nun wandte sich der zuerst abgewiesene Antragsteller Robert am 20. Mai 1834 noch einmal an das Ministerium und erreichte, dass das Projekt nun anders beurteilt wurde und die Planung und die Erstellung der Bauunterlagen in Angriff genommen werden konnte. Am 4. Mai 1835 konnten die gesamten Bauunterlagen und die Kostenberechnungen dem Ministerium vorgelegt werden. Aus den Plänen ging hervor, dass die Passagiere für die Bahn auf der insgesamt 31 1/3 Meilen langen Strecke auf sogenannten „Bahnkutschen“ befördert werden sollten und die Zuführung und die Abführung an den Zielorten durch ortsansässige Fuhrleute oder durch Fuhrleute der Bahn erfolgen sollte. Gewöhnliche Kutschen sollten, auch gemeinsam mit ihren Pferden, auf „Bahnkarren“ befördert werden. Die Bahn wurde nach dem ersten Entwurf eingleisig geplant, jedoch der Bahnkörper für eine spätere Erweiterung auf zwei Gleise errichtet. Der ausschließliche Dampfbetrieb war noch nicht vorgesehen, aber alle Einrichtungen sollten für einen kurzfristigen, späteren Betrieb mit Dampflokomotiven vorbereitet werden. Am 26. Februar 1836 fand die erste Hauptversammlung der gegründeten Aktiengesellschaft statt. Mit der Hauptversammlung vom 23. August 1987 wurden die Satzungen der Gesellschaft genehmigt, am 23. August 1837 wurden die Baupläne und die weiteren Unterlagen zum Bau genehmigt und am 10. August 1837 begannen die Bauarbeiten. Bei Stephenson in Newcastle waren sechs Lokomotiven und einige Transportwagen als Muster bestellt worden. Die Transportwagen, hauptsächlich Personenwagen wurden später bis auf spezielle hochbelastete Maschinenteile, die weiterhin aus England bezogen wurden, im Inland hergestellt. Nach einer Bauzeit von 14 Monaten konnte der Betrieb auf der ganzen Strecke eröffnet werden. Der Betrieb erfolgte aber weiterhin nicht ausschließlich mit Dampfbetrieb und wurde von der Art der Benutzung oft als „Vergnügungsbahn“ bezeichnet.113 Wie die Zeitgenossen das neue Verkehrsmittel „Eisenbahn“ wahrnahmen und welche gesellschaftlichen Umwälzungen es mit sich brachte, beschreibt Willibald Alexis114 1838 anschaulich in einem Beitrag für das „Morgenblatt für gebildete Stände“: »Es ist alles anders gekommen, als ich Ihnen neulich schrieb. Gehen Sie die Leipziger Straße entlang, die zur Eisenbahn führt, man kennt sie nicht wieder; ein Hin- und Rückstrom von Fußgängern, Droschken, Kutschen und andern Fuhren; die festen, massiven Häuser dröhnen unter der fortwährenden Erschütterung, und Bewohner, welche vordem hier eine stille, schöne Straße, mit den Vorzügen von naher Landluft und Grün der Räume und des Feldes 113 114 Vgl. Königlich preussischer Minister der öffentlichen Arbeiten (Reprint 1882), S. 132ff. Alexis, Willibald - eigentlich Georg Wilhelm Heinrich Häring, Schriftsteller und Dichter, (1798 Breslau1871 Arnstadt) - NDB 2.5 Deutschland 53 gesucht, möchten wieder tiefer in die Stadt hinein, um die verlorne Ruhe zu suchen. Wahrscheinlich wird die Industrie künftig die große Leipziger Straße bevölkern und eine Reihe Läden die Erdgeschosse einnehmen. Das sind nur die Erschütterungen und Umwälzungen, veranlaßt durch den Zustrom zur Potsdamer Eisenbahn; das Kochen und Donnern und Rasseln der Lokomotiven, die Dampfwolken und das Kreischen und Pfeifen der sich entladenden Kessel verändern vor dem Thore die Physiognomie der Stadt vollends.[…] Das Hauptmoment dieser Revolution ist die plötzlich zur Erscheinung gediehene Theilnahme an dem Ereigniß. Die Wege und Berge sind von Neugierigen umlagert und die Felder sind schwarz von Menschen, um die abgehenden und ankommenden Wagenzüge zu betrachten. So mißtrauisch man Alles, was die Direktion gerade dieser Bahn unternahm, verfolgte, jezt ist die Sache in's Leben getreten, ihre gedeihliche Wirksamkeit ist augenfällig und handgreiflich, zwei Residenzstädte, zu den zeiten unserer Großväter noch durch eine beschwerliche Tagereise getrennt sind eins geworden, nur durch der leichten Weg von 3/4 Stunden getrennt. Potsdam wandert nach Berlin und Berlin nach Potsdam.[…] Es ist wahrscheinlich, daß die Zahl der bloß Neugierigen künftig durch eine gleiche und größere Anzahl solcher Fahrgäste ersezt wird, welche ein neu erwachtes Bedürfnis sie zu benutzen nöthigt. Aber sey es auch, daß die Zahl sich mindere, selbst daß sie so tief sinke, daß kein Gewinn abfällt, das Bedürfnis ist dann einmal da, und die Eisenbahn auch. Der Sieg dieses Fortschrittes läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Umsonst stehen unsere Grämlichen und Aengstlichen auf den Bergen und Söllern umher und prophezeien und wünschen Unglück, und stoßen in die Lärmtrompete, wenn einmal ein kleines Unglück sich ereignet. […] Die Gegner der Sache werden keinen Vortheil für ihren Widerstand aus dem Zufall ziehen. Von den Einsichtigen zu schweigen, die große Masse ist, fast wider Erwarten, gewonnen. […]«115 Die erste Fernstrecke mit Dampfbetrieb für den Personenverkehr war jedoch in Deutschland die Strecke Leipzig-Dresden, die in mehreren Teilstrecken seit dem 24. April 1837 bis zur Fertigstellung der gesamtem Strecke am 7. April 1839 In Betrieb genommen wurde. 115 Alexis, Willibald (1838). 3 Personenverkehr 3.1 Statistik Über die statistischen Daten des Personenverkehrs stehen Zusammenstellungen in einigen neueren Veröffentlichungen zur Verfügung.116 Diese Daten wurden mit quantitativen Methoden analysiert und durch kritischen Vergleich mit zeitgenössischen Quellen überprüft und gegebenenfalls ergänzt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden für die betrachteten Eisenbahngesellschaften und nach den Beförderungs-Klassen unterteilt in Grafiken visualisiert.117 Die Quellen für alle diese Betriebs- und Leistungsdaten, zugeordnet den einzelnen jeweils in Betrieb befindlichen Eisenbahnstrecken unter der Verwaltung von Eisenbahngesellschaften finden sich in verschiedenen Bibliotheken und Archiven. Auf einzelne Quellen wird in dem jeweiligen Zusammenhang gesondert hingewiesen. Alle diese Zahlen-Materialien unterliegen betreffend der Genauigkeit und der Verfügbarkeit den gleichen Beschränkungen und Vorbehalten, auf die schon von Reden118 in der Einleitung zu seinem Eisenbahn-Jahrbuch von 1846 hingewiesen hat: »Das Material zur Bearbeitung des Inhalts dieser Tafeln, ist eben so mühevoll vollständig herbeizuschaffen, als schwierig nach seinen Bestandtheilen zu zerlegen. Ersteres weil Jahresberichte bei weitem nicht als Quellen ausreichen, letzteres weil die Art der Rechenschaftsablage gar zu verschiedenartig bei den einzelnen Eisenbahnverwaltungen ist. Ein sehr wesentliches Hinderniß für den Eisenbahn-Schriftsteller ferner ist die große Verschiedenheit der Zeit der Jahresabschlüsse; sie umfassen einen Zeitraum von etwa 6 Monaten und wenn man den letzten Bericht empfängt, ist für den ersten bereits die Hälfte des neuen Jahres verflossen. Eben so hindernd ist, daß im Laufe des Kalenderjahres Veränderungen in den Fahrplänen und in den Tarifen geschehen, was füglich an bestimmte Zeitabschnitte geknüpft werden könnte.«119 116 117 118 119 Vgl. Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas (1995 [2010]). Allgemeine zur Statistik in Preußen siehe folgende Monografien: Porter, Theodore M. (2004): Karl Pearson. The scientific life in a statistical age.; Schneider, Michael C. (2013): Wissensproduktion im Staat. Das königlich preußische statistische Bureau 1860-1914.; Boeckh, R. (18XX): Preußen. (… Statistik). In: Carl von Rotteck und Karl Welcker (Hg.); Bienengräber, A.: Statistik des Verkehrs und Verbrauchs im Zollverein für die Jahre 1842-1864. Reden, Freiherr von (1802 - 1857) , Statistiker – Quelle: ADB. Reden, Friedrich Wilhelm von (1846)S. VI. 56 3 Personenverkehr Ähnlich äußerte sich Heinrich Reuße120 in der Einleitung zu seinem Buch über die deutschen Eisenbahnen von 1844, das ebenfalls als zeitgenössisches Buch mit Statistikdaten zum Vergleich verwendet wurde: »Die Wichtigkeit der Angaben der Quellen erkennend, hatte ich zwar anfangs die Absicht, dieselben bei jeder Zahl zu nennen und da, wo meine Angaben von jenen, oft für authentisch gehaltenen abweichen, die Gründe hierfür anzugeben; - indeß häuften sich während der Arbeit diese weitläufigen Nachweisungen dergestalt, daß ich davon abstehen mußte, um die Grenzen dieses Werkchens nicht zu überschreiten. Durch die Prüfung aller dieser Angaben habe ich mir die Arbeit sehr erschwert; aber wenn sich sogar in umfassenderen Werken, z. B. in den sehr ausführlichen Berichten der Wiener Bauzeitung, in den vortrefflichen Werke des Hrn. v. R e d e n, in den schätzenswerthen Nachrichten des Hrn. Rath B e i l ec. Fehler, die nicht vom Setzer, sondern augenscheinlich dem Rechner zur Last fallen, finden, so hielt ich mich verpflichtet, jede Angabe, w o e s m ö g l i c h w a r, einer Prüfung zu unterwerfen. Damit will ich jedoch keineswegs gesagt haben, daß diese Arbeit fehlerfrei sein; […]. «121 Eine ausführliche, differenzierte Quellenanalyse zu den statistischen Daten der deutschen Eisenbahnen findet sich im Buch von Fremdling et. al., deren Quellen auch für die vorliegende Untersuchung weitgehend verwendet wurden und deren Bewertungen hierbei berücksichtigt wurden. Er bemerkt dazu: »Im allgemeinen muß die Quellenlage, was die quantitative Erfassung des Eisenbahnsektors betrifft, als relativ günstig bezeichnet werden. Äußerst problematisch ist allerdings die Erfassung der vierziger Jahre, da lediglich für Preußen ab 1844 zusammenfassende Darstellungen vorliegen (hier zitiert:122). Ab 1850 wird die Lücke bezüglich Deutschlands durch die Statistik des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen (hier zitiert:123) geschlossen, die allerdings vor allem in den ersten Jahrgängen bedeutende Eisenbahnen nicht erfaßt. […] Die Statistiken und anderen verwendeten Quellen basieren auf den Geschäftsberichten, wobei etwa Mitte der vierziger erfolgreiche Bestrebungen begannen, diese nach einheitlichen Grundsätzen zu erstellen (hier zitiert:124).«125 Auch die Eisenbahn-Zeitung in ihrer Nr 3 von 1845 kritisiert die Bearbeitung und die Publikation der Betriebsergebnisse der einzelnen Eisenbahngesellschaften. In einer Zeit der Gründung und des Aufbaus einer Gesellschaft, des Streckenbaus, der Errichtung der Stationsbauten und der Beschaffung der Betriebsmittel könnten noch keine ausführliche Dokumentationen dazu erstellt werden, jedoch sollte danach zu einer vergleichbaren 120 121 122 123 124 125 Reuße, Heinrich, Kurf. Hessischer Bauconducteur. Reuße, Heinrich (1844)S. 3f.; Vgl. ebenfalls Beil, J. A. (1843). Vgl. Schwamkrug, F. W. (1855): Deutsche Eisenbahn-Statistik für das Betriebs-Jahr 1850 (1851). Vgl. Verein deutscher Eisenbahn-Verwaltungen (1896)S. 393ff. Vgl. Fremdling, Rainer (1975)S. 166ff. 3.1 Statistik 57 Erfassung und Dokumentation übergegangen werden. Die Berichte der zu dieser Zeit schon in regelmäßigen Betrieb befindlichen Gesellschaften unterschieden sich jedoch in vielen Punkten fundamental, sodass ein Vergleich fast unmöglich war. Es konnten deshalb auch nur fragmentarische, unvergleichbare Daten publiziert werden. Das sollte sich erst nach 1846 verbessern, als der Verein der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen gegründet wurde und einheitliche Datenerfassungs- und Publikationsrichtlinien vorlegte. Bis diese Regeln jedoch allgemein angewendet wurden, vergingen noch weitere Jahre.126 Um eine Vergleichbarkeit der Leistungen der einzelnen bearbeiteten Eisenbahngesellschaften innerhalb des Untersuchungszeitraums zu erreichen und unter der Maßgabe, dass diese Arbeit als eine technisch-historische und nicht als eine statistisch-wirtschaftliche Arbeit konzipiert ist, wird die Genauigkeit der ermittelbaren Daten berücksichtigt und für die Beantwortung der Forschungsfragen als hinreichend festgestellt. Um die verfügbaren Daten vergleichbar darzustellen, wurde nicht mit Tabellen gearbeitet, die eine Genauigkeit vorspiegeln, die so nicht vorhanden ist, sondern es werden die Daten in grafischen Darstellungen in gleichen Formaten aggregiert und so der Untersuchung zugrunde gelegt. 3.1.1 Exkurs: Personenpost in Preußen Die Eisenbahn konnte nur in einem langwierigen Prozess die Personenpost verdrängen. Mit der Einführung der Eilwagen auf gut ausgebauten Chausseen, was die Verbindung von technischen Neuerungen an den Transportwagen, ebenso wie die Änderung des gesamten Betriebsablaufs bedeutete, wurde in Preußen seit dem frühen 19. Jahrhundert eine wesentliche Steigerung des Personenverkehrs bewirkt.127 »Zielstrebig baute z. B. der preußische Generalpostmeister v. Nagler seit 1823 den Postbetrieb aus. […] Zwischen 1821 und 1837 wurden 182 Schnellpoststrecken geschaffen, deren Voraussetzung der staatliche Chausseebau war. 1838 wurden die Brief-, Paket- und Personenbeförderung zusammengefaßt.«128 Bis zum Jahre 1782 gab es in Preußen keine Chausseen, und auch am Anfang des 19. Jahrhunderts standen nur wenige Kunststraßen zur Verfügung. Noch 1816 gab es davon nur 45 bis 50 Meilen entsprechend 340 bis 380 km. Reisende berichten zu dieser Zeit von besseren Straßen z. B. in Bayern, in Württemberg und anderen außerpreußischen Ländern. In diesen Jahren war es noch normal, dass auch zwischen größeren Städten die 126 127 128 Die deutschen Eisenbahnen im Jahre 1844 (Schluß): Die Eisenbahn-Berichte. (1845). Müller, Uwe (2010), S. 68f. Wehler, Hans-Ulrich (1989), S. 123. 58 3 Personenverkehr Straßen schlecht und zur Winterzeit beinahe grundlos waren. Postwagen, die mit 15 -20 Pferden bespannt waren, kamen oft auch nicht vorwärts. Wege, die in den 1850er Jahren in wenigen Stunden durchfahren wurden, erforderten zu diesen Zeiten eine oder mehrere Tagesreisen. Einen sehr großen Einfluss auf die Verbesserung des Straßenbaus hatte die Eisenbahn. Als sie sich zur Konkurrenz entwickelte und der Verkehr sich allgemein vergrößerte, wurden sie kontinuierlich und in rascher Folge ausgebaut. Sie dienten fortan als Zuführungen zu den Eisenbahnen und wurden damit ein leistungsfähiger Teil des Gesamtverkehrs. Somit profitierten beide Verkehrssysteme von dem Ausbau. In diese Entwicklung griff nun auch der Staat mit gesetzgebenden Maßnahmen ein, um den Ausbau und die Unterhaltung der Straßen in geordnete Bahnen zu lenken und zu fördern. Darin waren ihm nicht nur die Interessen des allgemeinen Verkehrs, sondern auch strategische Überlegungen von Bedeutung. Weiterhin verbesserte sich auch die Qualität des Straßenbaus.129 Das Image des ‚altertümlichen‘, unbequemen‘ Verkehrsmittels legte die Personenpost langsam ab und sie etablierte sich, über den Zeitpunkt der Eröffnung der ersten Eisenbahn hinaus, bis in die 1860er Jahre als ein zuverlässiges, leistungsfähiges und verlässliches Verkehrssystem. Die frühen Eisenbahnen wurden von den Reisenden wie eine Sehenswürdigkeit konsumiert. Man ‚reiste‘ mit der Eilpost. In den ersten Statistiken über die Personenfrequenz wurden die hohen Zahlen als ein Ausdruck der Benutzung aus Neugier oder allgemein zum ‚Plaisir‘ bewertet. Erst später wurde sie von der Zunahme der Eisenbahnverbindungen, der Geschwindigkeit und der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen bedrängt, aber nicht verdrängt. Die Personenpost blieb im ganzen 19. Jahrhundert eine unverzichtbare Institution für die Verbindung von Eisenbahnendpunkten, als Zuführung zu Eisenbahnstrecken und als Ergänzung für den Betrieb auf weniger dicht besiedelten Landesteilen. Im innerstädtischen Bereich wurde sie, ebenso wie die Eisenbahn ergänzt durch den lokalen, öffentlichen Personen-Nahverkehr.130 Einen großen Einfluss auf den Eisenbahnverkehr hatten auch die Forderungen der ‚Post‘ zur Berücksichtigung der Postregale. Der damalige Generalpostmeister von Nagler131 verlangte, dass in den Grundlagen der Eisenbahnkonzessionen vom 14. Februar 1836, die Rechte der Post durch einen Mitbetrieb zu geringeren Kosten als für andere Benutzer zu regeln, die einen billigeren Transport ermöglichte, als die Eisenbahn von den normalen Reisenden erhielt. 129 130 131 Vgl.: Zur Geschichte der deutschen Land- und Wasserstrassen: I. Die Land-Verkehrswege in Deutschland. (1861). Vgl. Beyrer, Klaus (1985a), S.56f. Nagler, Carl Ferdinand Friedrich von (1770-1846), preuß. Generalpostmeister, Politiker - Quelle: NDB. 3.1 Statistik 59 Diese Bevorrechtigungen erwiesen sich aber als nicht tragbar und wurden in den neuen Konzessionsbedingungen vom 11. Juni 1836 fallen gelassen. Eine endgültige, umfassende Regelung erfolgte nach der Reichsgründung mit dem Eisenbahnpostgesetz vom 20. Dezember 1875.132 Heinrich von Stephan133 bemerkt in seiner „Geschichte der Preußischen Post“ von 1859134: »Die Eisenbahnen haben, wie hier im Voraus bemerkt sei, der Post weder hinsichtlich des Verkehrs noch der Einnahme Abbruch gethan. Vielmehr hat das Postwesen, der früher oft gehegten Meinung entgegen, gerade seit der Ausbreitung der Eisenbahnen, welche so mächtige Hebel der commerciellen und industriellen Entwicklung geworden sind, seinen größten Ausschwung genommen, und das Post-Institut hat, indem es den Transport der schwerfälligen Güterfrachten verlor, der die Beweglichkeit der Posten nicht selten beeinträchtigte, seinen eigentlichen Zwecke gerade durch die Eisenbahnen, die seine mächtigsten Verbündeten wurden, bei Weitem wirksamer genügen können. […] Aber auch ganz abgesehen von dem Postbetriebe auf und neben den Eisenbahnen, hat sich nicht minder auf den Landstraßen der Postverkehr bedeutend gehoben und ist keineswegs durch die Eisenbahnen verringert worden.«135 Er belegt seine Ausführungen mit einigen statistischen Daten. Die Fahrleistung der Posten auf den Landstraßen steigerte sich vom Jahre 1839 mit 2.458.583 Preuß. Meilen auf 4.425.677 Preuß. Meilen im Jahre 1857, dazu kamen noch 1.438.916 Preuß. Meilen auf Eisenbahnen. Diese Leistung wurde erbracht, durch 826.623 Postenfahrten im Jahre 1838, 1.132.186 im Jahre 1839 und steigerte sich auf 3.276.150 Postenfahrten im Jahre 1856. Dabei vergrößerte sich die Zahl der Posthaltereien, das sind die Poststationen im Dienste der staatlichen Post, nur von 970 im Jahre 1845 auf 1068 im Jahre 1857. Bei den Posthaltereien ging die Zahl der Wagen von 5492 im Jahre 1840 auf 4396 im Jahre 1857 zurück. Dieser Rückgang trat überwiegend auf den Fernstrecken ein, weil diese von den Eisenbahnen übernommen wurde. Die Zahl der königlichen Postwagen, das heißt bei der staatlichen Post, erhöhte sich dagegen von 1329 im Jahre 1844 auf 2104 im Jahre 1857. Dazu kamen 188 Eisenbahn-Postwagen und 173 Wagen für Bahnhofszubringerfahrten, sowie weiterhin 770 Schlitten. Die Zahl der Postpferde verringerte sich ebenfalls entsprechend. Für diese Untersuchung des Personenverkehr ist von Bedeutung, dass mit den Posten im Jahre 1838 noch 826.623 Personen reisten und im Jahre 1839 schon 132 133 134 135 Vgl. von der Leyen (1917c). S.98f. Stephan, Ernst Heinrich von (1831-1897), Generalpostmeister des Deutschen Reiches – Quelle: NDB Stephan, Heinrich von (1859). Stephan, Heinrich von (1859), S.680f. 60 3 Personenverkehr 1.132.186 Personen und die Anzahl steigerte sich auf 3.276.150 Personen im Jahre 1856. Das heißt, dass sich die Reisetätigkeit insgesamt in diesen Jahren steigerte und die Eisenbahn ebenso, wie die Posten davon profitierten.136 3.1.2 Eisenbahnverkehr in Deutschland Was waren die Antriebe und die Hoffnungen, die die Investoren, die “Kapitalisten“ der ersten privatfinanzierten Eisenbahnen bewegte, ihre Pläne vorzulegen?137 »Einerseits beruhte […] die relative Rückständigkeit des deutschen Wirtschaftslebens vor der Industriellen Revolution zu einem nicht geringen Teil auf den gravierenden Problemen des Verkehrswesens, die zwei Jahrzehnte lang durch die politische Zersplitterung und die Mängel der überkommenen Zollund Abgabenvielfalt verschärft wurden. Andererseits wurde insbesondere in den 30er und 40er Jahren das Verkehrsnetz der Land- und Wasserstraßen mit beträchtlicher Effektivität ausgebaut. […] Die bereits sichtbaren und fürderhin zu erwartenden Ergebnisse der Verkehrsverdichtung waren es, die der ersten Generation der Eisenbahnunternehmer ihre Projekte so attraktiv, so erfolgversprechend erscheinen ließen. […] Es wäre auch irreführend, den Straßen- und Eisenbahnbau seit der Mitte der 30er Jahre in erster Linie als Wettbewerb um das Verkehrsaufkommen zu interpretieren. Vielmehr handelte es sich um komplementäre Vorgänge, die sich bei der Erschließung des Landes durch ein modernes Verkehrs- und Handelssystem wechselseitig stimulierten.«138 Die Entstehung der deutschen Eisenbahnen lässt sich in Perioden einteilen, die in der Art der wirkenden Gewerbeinteressen und in der Art der Finanzierung unterteilt werden können.139 Die erste Periode ist die Zeit von der ersten Eisenbahnplanung bis zum Jahre 1842. In dieser Zeit erfolgten die Planung und die Festlegung der Strecken überwiegend aus lokalem Interesse. Die Finanzierung wurde fast ausschließlich durch private Mittel in Aktiengesellschaften gedeckt. Der Staat hatte dabei noch keinen Anteil und auch kein Interesse, weil zu dieser Zeit der Chausseebau stark gefördert wurde. Er war auch durch 136 137 138 139 Vgl. Stephan, Heinrich von (1859), S.681. Bracht, Klaus (1998): Der Bau der ersten Eisenbahnen in Preußen. Eine Untersuchung der rechtlichen Grundlagen und der bei der Gründung und dem Grunderwerb aufgetretenen Rechtsprobleme.; Brophy, James M. (1998): Capitalism, politics, and railroads in Prussia, 1830 – 1870.; List, Friedrich (1833): Uber ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systemes …; List, Friedrich (1835): Andeutung der Vortheile eines preußischen Eisenbahnsystems und insbesondere einer Eisenbahn zwischen Hamburg, Berlin, Magdeburg und Leipzig.; List, Friedrich (1835): Über Eisenbahnen und das deutsche Eisenbahnsystem.; List, Friedrich (1837): Eisenbahn. In: Karl von Rotteck und Carl Theodor Welcker (Hg.): Staatslexikon.; List, Friedrich (1838): Das deutsche NationalTransport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Wehler, Hans-Ulrich (1989):, S. 123. Ziegler, Dieter (1996): Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung.; Fremdling, Rainer (1975): Eisenbahnen und deutsches Wirtschaftswachstum, 1840-1879; Wagenblass, Horst (1973): Der Eisenbahnbau und das Wachstum der deutschen Eisen- und Maschinenbauindustrie 1835 – 1860; Hölziger, Michael (2001): Vgl. Strategische Bedeutung von Lobbyarbeit im Spiegel der historischen Entwicklung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland. S. 31-42.; 3.1 Statistik 61 fehlende rechtliche Grundlagen nicht in der Lage finanzielle Mittel selbstständig in der erforderlichen Größenordnung zu Verfügung zu stellen. In dieser Zeit begann in Preußen die erweiterte Planung mit der Konzession von 1837 bei der Berlin-Potsdamer Eisenbahn, der Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn, der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn und der Rheinischen Eisenbahn mit der Strecke Köln-Aachen-Herbesthal. Es folgten mit der Konzession von 1839, die Berlin-Anhaltische Eisenbahn, 1840 die Bonn-Kölner Eisenbahn und die Berlin-Stettiner Eisenbahn und 1841 die Berlin-Frankfurter Eisenbahn und die Oberschlesische Eisenbahn. 1841 erhielt die Breslau-Schweidnitzer-Freiburger Eisenbahn und 1842 die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn ihre Konzession. Die Konzession erhalten bedeuteten jedoch nicht, dass der Baubeginn unverzüglich begann, sondern dass die Genehmigung zur Planung und die Grundlage der Gründung einer Aktiengesellschaft zur Kapitalsammlung genehmigt waren. Die anfängliche Begeisterung des Privatkapitals war in den Nachrichten begründet, die aus England über die Liverpool-Manchester Eisenbahn nach Deutschland gelangten und von hohen Gewinnen sprachen, die diese Bahn erwirtschaftete. Nach den ersten Eröffnungen und Inbetriebnahmen der ersten deutschen Eisenbahnen zeigte sich jedoch, dass die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Betrieb bei den meisten Projekten nicht in der gleichen Art und Größenordnung bestanden oder sich durch die Eisenbahn entwickelten. Die Folge davon war, dass die Begeisterung stark nachließ, sich an den Projekten zu beteiligen. Der Staat hatte aber in der Zwischenzeit erkannt, welche Vorteile für die Infrastruktur und die wirtschaftliche Entwicklung in der Eisenbahn lag und änderte seine Meinung. In der Folge unterstützte er durch Übernahme von Aktien und der Schaffung von Zinsgarantien für die Privataktien die weitere Entwicklung. Die Entwicklung des Eisenbahnbaus beschleunigte sich durch diese Schritte wieder, und es wurden neue Eisenbahnprojekte begonnen. Diese Zeit kann als die zweite Periode der Entwicklung bezeichnet werden, in der die einzelnen Projekte mit reiner Privatfinanzierung oder mit Mischfinanzierungen von Privatkapital unter starker Beteiligung des Staates durchgeführt wurden. Die Beteiligung des Staates an einzelnen Projekten begründete sich in dem unterschiedlichen Zielen, die der Staat in die Entwicklung setzte oder wie er davon besondere Vorteile erwartete. Die Projekte waren auch nicht immer völlig neu, sondern es waren dabei auch schon bestehende oder früher begonnenen, für die schon Finanzierungsgrundlagen vorhanden waren. Sie wurden dabei erweitert und erhielten nach Zusammenschlüssen neue Namen. Die Periode umfasste die Jahre 1843 bis 1847 und beinhaltet die Bildung folgender Eisenbahnprojekte. Mit der 62 3 Personenverkehr Konzession im Jahre 1843, die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn, die die BerlinFrankfurter Eisenbahn übernahm und die Köln-Mindener Eisenbahn. Mit der Konzession von 1844 die Bergisch-Märkische, die Thüringische (Halle-Erfurt-Gerstungen), die Niederschlesische Zweigbahngesellschaft (Hansdorf-Glogau) und die WilhelmsbahnGesellschaft (Cosel-Oderberg). Mit der Konzession von 1845 die Prinz-WilhelmsbahnGesellschaft (Steele-Vohwinkel), die die Potsdam-Magdeburger Eisenbahn, die die BerlinPotsdamer Eisenbahn übernahm, die Berlin-Magdeburger Eisenbahn und die BerlinHamburger Eisenbahn. Mit der Konzession von 1846 die Stargard-Posener Eisenbahn, die Neisse-Brieger Eisenbahn, die Münster-Hammer Eisenbahn, die Köln-Minden-Thüringer Verbindungsbahn (Warburg-Lippstadt), die Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn und die Aachen-Mastrichter Eisenbahn als erste Eisenbahn mit Verbindung ins Ausland, nach Belgien. Mit der Konzession von 1847 die Ruhrort-Crefelder-Kreis Gladbacher Eisenbahn und die Magdeburg-Wittenbergische Eisenbahn. Mit diesen neuen Gründungen beginnt der Aufbau eines Verkehrsnetzes mit Eisenbahnen in Deutschland, der sich danach weiter fortsetzte. Andererseits entstehen aus partikularen Interessen auch Parallelverbindungen, die sich gegenseitig Konkurrenz machten. Insgesamt kommt es jedoch zur Erweiterung der Strecken durch Zusammen- und Lückenschlüsse. Es bildeten sich die ersten Fernstrecken, die durch fortschreitende Erweiterungen in den Folgejahren an Bedeutung gewannen. Diese Hauptstrecken werden in den Folgekapiteln dieser Untersuchung in ihrer Entwicklung und Bedeutung für den Personenverkehr in Preußen beschrieben. Die dritte Periode, die den Zeitraum dieser Untersuchung beschließt, ist geprägt vom Anfang des Eisenbahnbaues auf Staatskosten und umfasst die Jahre 1848 bis 1862. Gleichzeitig wird diese Periode auch durch die Amtszeit des Staatsministers von Heydt bestimmt, der erster Handelsminister von Dauer des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, mit der Zuständigkeit für den Eisenbahnbau nach der vorherigen Verantwortung durch das Finanzministerium. Der Staat hatte nun die Möglichkeiten, den Eisenbahnbau auch für besondere Zwecke wie z. B. als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einzusetzen. Die Möglichkeiten und die Verantwortung für den Einsatz finanzieller Mittel dafür hatte der Staat durch die Veränderung seiner Staatsorganisation, die Ausübung der gesetzlichen Gewalt durch den König und die beiden Häuser des Landtages der preußischen Monarchie erlangt. Aus diesen Motiven heraus entstanden als reine Staatsbahnen folgende Eisenbahnstrecken, die Saarbrücker Bahn, die Preußische Ostbahn und 3.1 Statistik 63 die Strecke Lippstadt-Hamm.140 Die Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs über den gesamten Untersuchungszeitraum zeigt die Abbildung 1. Die damit erzielten Einnahmen sind in der Abbildung 2 dargestellt. Abbildung 1: Güter- und Personenverkehr in Deutschland Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Von wesentlichem Einfluss auf die Entwicklung der Eisenbahnnetze waren die Bestrebungen, eine einheitliche Infrastruktur, technische Normen für die Ausführung der Betriebsmittel und Regelungen für den länderübergreifenden Verkehr zu schaffen. Erste Ansätze für die Förderung des einheitlichen Betriebes und Verkehrs waren in den 1840er Jahren auch zwischen den preußischen Eisenbahngesellschaften begonnen worden. Sofort nach der Eröffnung einer neuen Eisenbahnverbindung hatten sich die Gesellschaften mit ihren Nachbargesellschaften in Verbindung gesetzt. Die Vereinbarungen betrafen an erster Stelle die gemeinsame Abrechnung des gemeinschaftlichen Verkehrs. Mit dem weiteren Ausbau des Verkehrsnetzes nahmen diese Interessenvereinigungen größeren Ausmaß an und führten zu sogenannten Eisenbahnverbänden. Im November 1846 trafen sich auf Initiative der Berlin-Stettiner Eisenbahn, zehn Direktorien, preußischer Eisenbahngesellschaften und beschlossen die Gründung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen die sich als die bedeutendste und wirkungsstärkste der Eisenbahnverbände entwickelte. Im Juni 1847 hatte sich der Verein auf insgesamt zwanzig preußische 140 Vgl. Mayer, Arthur von (1891), S. 110ff. und die verwendeten Quellen der folgenden Kapitel zu den einzelnen preußischen Eisenbahngesellschaften. 64 3 Personenverkehr Eisenbahnverwaltungen erweitert und beschloss in einer Generalversammlung die Satzungen für die Gründung eines dauerhaften, ganz Deutschland umfassenden Verbandes mit dem Namen „Verein Deutscher Eisenbahn Verwaltungen VDEV“. Danach traten auch mehrere außerpreußische Eisenbahnverwaltungen diesem Verein bei.141 Die wichtigsten Aufgaben des VDEV waren die Herstellung gemeinsamer Einrichtungen für den Personenund den Güterverkehr, zahlreiche Koordinierungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Eisenbahnen, die besonders auch den Reisenden die Benutzung erschwerten, zu beseitigen, ein einheitliches Tarifwesens zu erarbeiten und durchzusetzen, was dem Verein jedoch nicht gelang und die Vereinbarung einheitlicher technischer Regeln zur Anpassung der Betriebsmittel zueinander. Dabei stellte sich der Umstand, dass bei der Planung und Durchführung der europäischen Eisenbahnen englische Ingenieure maßgeblich beteiligt waren als ein Problem dar. Denn da schon bei den englischen Bahnen keine Einigung darüber herrschte, welche Spurbreite die Bessere sei. Der Ingenieur Georg Stephenson aus Newcastle bevorzugte die Spurweite von 1435 mm und der Ingenieur Isambard Kingdom Brunél von der Great Railway eine breitere Spur. So konnte auch auf dem Kontinent keine Einigung darüber erzielt werden. Als die Frage anstand, ob und wie die europäischen Grenzen mit der Eisenbahn überbrückt werden sollten, zeigte sich die uneinheitliche Spurweite als ein unüberwindliches Problem für den europäischen Reise- und Güterverkehr per Eisenbahn. Die unterschiedlichen Spurbreiten bei den Badischen Eisenbahnen und den übrigen deutschen Eisenbahnen standen einer Vernetzung in Deutschland schon früher entgegen. Hier zeigte sich, dass der VDEV eine Vermittlerrolle übernehmen konnte, die er in den Folgejahren auch erfolgreich wahrnahm.142 Für die Regelung der Tarifvereinbarungen wurden einzelne Tarifverbände zwischen einzelnen Gruppen und Gesellschaften, die die Haupt- und Fernlinien gemeinsam betrieben, gegründet.143 3.1.3 Personenverkehr in Deutschland In den frühen Jahren der Eisenbahn wurden bei der Projektierung und der Propagierung zur Kapitalsammlung einer Strecke die voraussichtlichen Einnahmen auf der Grundlage des erwarteten Gütertransports berechnet und der Kostenrechnung zugrunde gelegt. Es zeigte sich jedoch, nachdem die ersten Strecken in Betrieb gegangen waren, dass die 141 142 143 Vgl. Fleck, G. (1895), S.695; VDEV (1896). Vgl. Schot, Johan et al. (2011), S. 271ff. Vgl. Fleck, G. (1895), S.695f. 3.1 Statistik 65 Haupteinnahme der Personenverkehr erwirtschaftete. Nach der Inbetriebnahme einer Strecke trieb meist nur die Neugierde den Menschen zur Fahrt mit der Eisenbahn. Sie mussten jedoch auch finanziell in der Lage sein, das Billett zu erwerben und die freie Zeit Abbildung 2: Einnahmen aus Güter- und Personenverkehr in Deutschland Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Abbildung 3: Entwicklung des Personenverkehrs in Deutschland Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 66 3 Personenverkehr für die Fahrt zur Verfügung haben.144 Die Eisenbahngesellschaften nahmen jedoch an, dass nach dem Abklingen der Neugierde, der wandernde Handwerksbursche, der in Urlaub gehende Soldat und der Landmann, der seine Vorräte zur Erzielung eines besseren Preises in die Stadt bringt, die Eisenbahn benutzen würden, anstatt zu Fuß diesen Weg zu machen. Deshalb wurde der Preis, den eine Person für die Fahrt bezahlen müsste, an ein festes Verhältnis zum Tarif des Warentransports gebunden, um eine verlässliche Rendite zu errechnen. In den folgenden Jahren betätigte die Statistik bis etwa zum Jahr 1850 einen dominierenden Personenverkehr gegenüber dem Güterverkehr,145 siehe Abbildung 3 und Abbildung 4. Die anfangs in die Kalkulation der Planungen vorgenommene und dann nicht erfolgte Präferenz des Güterverkehrs behinderte in den ersten Jahren des Eisenbahnbetriebes eine sachgerechte Entwicklung eines Gütertarifes für den Warentransport per Eisenbahn und führte zu einer primären Entwicklung der Personentarife. Der oft zitierte Transport zweier Bierfässchen auf der gerade eröffneten Strecke Nürnberg-Fürth ist damit auch nur als eine Anekdote für die Entwicklung des Güterverkehrs zu verstehen. Ein Artikel im AfE führt mit den folgenden Sätzen in die Problematik ein. »Anfänglich dienten die fast ausnahmslos von privaten Aktien-Gesellschaften gebauten und betriebenen Eisenbahnen in Deutschland nur dem Personenverkehr. Ein öffentlicher Güterverkehr und damit ein EisenbahnGüterverkehr kamen erst zustande, als der Personenverkehr längst tariflich geregelt war. Denn der Personenverkehr brachte damals so hohe Dividenden, daß die Aktionäre der Bahn keine Veranlassung sahen, Geld für kostspielige Versuche mit dem Güterverkehr zu bewilligen, deren Erfolg immerhin zweifelhaft erschien.«146 Darin zeigt sich, dass der Personenverkehr in den ersten zweieinhalb Jahrzehnten des Eisenbahnverkehrs in Deutschland und in Preußen, die in dieser Untersuchung betrachtet werden, eine herausragende Rolle spielte und ein geregelter Verkehr mit einer ausgearbeiteten Tarifstruktur sich nur für diese Transportart entwickelte. Ein eingeschränkter Güterverkehr ist im Zusammenhang mit dem Personentransport in der Mitnahme des Personengepäcks bis zu einem im Personentarif geregelten Gewicht und Menge zu sehen. Dieses wurde, wenn es sich in einer Größe bewegte, die den Umfang eines reinen Handgepäcks überschritt, in besonderen Gepäckwagen mitgeführt. Ein Wechsel auf den geregelten Güterverkehr mit der Entwicklung einer Tarifstruktur in 144 145 146 Vgl. Plieninger, Th. (1836): Kurzer Bericht über die Eisenbahn von Brüssel nach Mecheln, nebst allgemeinen Bemerkungen über Eisenbahn-Anlagen überhaupt…, S. 10. Vgl. Plieninger, Th. (1836), S. 12f.. Wyszomirski, Curt (1957), S.322. 3.2 Personenverkehr in Preußen 67 Norddeutschland erfolgte erst ab 1866 als Folge der deutschen Einigungskriege und vollendete sich erst nach der Reichsgründung ab 1877.147 3.2 Personenverkehr in Preußen Die wichtigsten Straßen in Preußen vor der Eröffnung der ersten Eisenbahn mit Dampfbetrieb waren für den Personenverkehr und den personennahen Gewerbeverkehr die folgenden Verbindungen:148  Von Berlin über Frankfurt/Oder nach Breslau mit 43.5 Meilen – 327 km  Von Breslau bis zur Österreichischen Grenze mit 27.0 Meilen – 204 km  Von Berlin nach Stettin 19.0 Meilen – 143 km  Von Berlin nach Halle, mit Abzweig nach Leipzig 23.5 Meilen – 177 km  Von Halle bis zur Hessischen Grenze 20.0 Meilen – 151 km  Von der Hessischen Grenze bis Lippstadt (Rhein-Weser Bahn) 11.0 Meilen - 83 km  Von Berlin über Brandenburg nach Magdeburg 19.0 Meilen – 143 km  Von Brandenburg nach Hamburg bis zur Mecklenburg. Grenze 18.0 Meilen – 136 km  Von Magdeburg über Halle bis zur Sächs. Grenze bei Leipzig 14.0 Meilen – 105 km  Von Minden über Lippstadt bis Elberfeld 27.0 Meilen – 203 km  Von Elberfeld nach Düsseldorf über Köln 7.0 Meilen – 53 km  Von Köln bis zur Belgischen Grenze 11.0 Meilen – 83 km Crelle149 berechnet in seiner Denkschrift die erforderlichen Investitionen in den Eisenbahnbau und die zu erwartenden Dividenden für den Kapitalgeber. Er verwendet dabei für seine Prognosen und Empfehlungen die schon vorliegenden Nachrichten über Einnahmen und Ausgaben bei den gerade in Deutschland eröffneten Strecken. Die Ergebnisse aus dem Personen- und Güterverkehr per Eisenbahn in England, Amerika und Belgien werden dabei ebenfalls einbezogen. 147 148 149 Vgl. Wyszomirski, Curt (1957), S.326f. Vgl. Crelle, August Leopold (1838), S.80f. Crelle, August Leopold (1780-1855), Mathematiker, Bautechniker - Quelle: NDB. 68 3 Personenverkehr Abbildung 4: Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in Preußen Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Er stellt die Frage, was würde es für Folgen für den Warenmarkt und den Geldhandel haben, wenn die oben benannten wichtigsten Straßenverbindungen „so schnell als möglich“ Eisenbahnen erhielten? Zur Frage der Arbeitskräfte bemerkt er: „Der Preußische Staat hat wirklich manches Jahr vielleicht beinahe 100 Meilen Chaussén gebaut, und es ist nie ein Mangel an Arbeitern merkbar gewesen.“ Er schließt daraus, dass der Bau der Eisenbahnen, die insgesamt eine Länge von 240 Meilen oder etwa 1.800 km Länge hätten, „allermindestens 10 Jahre“ dauern würde und berechnet eine Investitionssumme von „höchstens jährlich etwa 4 ½ Millionen Thaler“ für dieses Projekt. Mit dieser Prognose traf Crelle die Ergebnisse der in der Folge begonnenen und eröffneten Eisenbahnstrecken sehr gut. Die aufgezählten wichtigsten Straßenverbindungen wurden in den nächsten Jahren durch Eisenbahnen erschlossen und die Gesamtlänge der Strecken erreichte nach zehn Jahren mit etwa 2000 km die Voraussage. Sie entwickelte sich danach progressiv weiter. Nach weiteren zehn Jahren war eine Länge von etwa 8.000 km erreicht und die Entwicklung ging in der gleichen Geschwindigkeit, mit einer leichten Abschwächung in den späten vierziger Jahren, unverändert progressiv weiter. Für den Zeitraum dieser Untersuchung, die Jahre 1835 bis 1860, werden in diesem Kapitel die wichtigsten Eisenbahnunternehmungen Preußens mit ihrer Gründung, ihrem 3.2 Personenverkehr in Preußen 69 Streckenverlauf und ihren Leistungen im Personenverkehr beschrieben und die Prognosen in den Denkschriften vor ihrer Realisierung und den Ergebnissen nach der Aufnahme des Regelbetriebes untersucht. Die beigefügten grafischen Darstellungen zeigen in gleichem Größenformat, um die Vergleichbarkeit zu verbessern, die Entwicklung der Leistungen im Personenverkehr in den einzelnen Klassen. Die Daten haben durch die schon beschriebenen Probleme und Ungenauigkeiten bei der Aufzeichnung und der Vermittlung der Zahlen für die Statistik in dieser Form und für das Ziel dieser Untersuchung einen bessere Beweiskraft, als Tabellen, die unanschaulich sind und eine Genauigkeit vermitteln, die so nicht ausreichend begründbar ist. Statistische Daten wurden mit der Eröffnung weiterer Strecken und der Verbesserung der Organisation der Betriebsabläufe im steigenden Umfang verfügbar. Anfangs wurden diese Daten von den einzelnen Eisenbahngesellschaften in unterschiedlichen Formen und nach unterschiedlichen Verfahren erfasst und veröffentlicht. Mit der Gründung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen150 im Jahre 1846 wurden nicht nur die technischen Voraussetzungen des Eisenbahnverkehrs vereinheitlicht, um auf den wachsenden Netzen Betriebsmittel verschiedener Herkunft zu betreiben, sondern auch die statistischen Verfahren zur Erfassung der Betriebsergebnisse vereinheitlicht (Abbildung 5). Die daraus hervorgehenden Daten boten sich an, mit mathematischen Verfahren Schlüssel- und Strukturkennwerte zu errechnen und mit diesen Zahlen die wirtschaftlichen Änderungen zu erklären und zu verbessern. Als ein Beispiel soll hierzu der Kennwert der „spezifischen Personenfrequenz“ herausgegriffen werden. Dieser ist „der Quotient aus der Summe der während eines Jahres 151 Jahresbetriebslänge“. gefahrenen Personen-Kilometer und der mittleren Aus dem Vergleich dieses Kennwertes lassen sich Schlüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung der Eisenbahngesellschaften, ebenso wie auf die Folgen politische Ereignisse ziehen. So zeigt sich, dass ein Jahr der Kriegsrüstung, wie z. B. 1859 (wie später auch 1866 und 1870) einen wesentlichen Einfluss auf den Personenverkehr hatte. Der Wert erreichte 1857 in allen Klassen eine Höhe von 164.188 und fiel stetig bis einschließlich 1859 auf 153.064. Dieser Niedergang begann schon 1858. Er war die Folge einer Börsen- und Handelskrise im Jahre 1857, in dem nur 362 km Eisenbahnstrecke neu eröffnet wurden und der Vorboten der folgenden Kriege mit Frankreich-Italien und mit Österreich. Auch 1860 war die Personenfrequenz nicht wesentlich gestiegen, aber danach bis zum Jahre auf einen vorher nie erreichten Wert von 203.373 im Jahre 1865. Diese 150 151 Vgl. VDEV (1896). Vgl. Lohauss, Ludwig (1884), S.1ff. 70 3 Personenverkehr Überlegungen sollen als eine kurze Erklärung für die sichtbaren Unregelmäßigkeiten in den grafischen Darstellungen dienen. Von größerer Bedeutung für diese Untersuchung und die Kurven der Gesamtwerte überlagernd sind die Größen und die Verlaufe der Werte der beförderten Personen und ihre Verteilung auf die einzelnen Wagen- und Tarifklassen. Aus diesen Daten lassen sich bis zu einem gewissen Maße Erkenntnisse über das Gruppenverhalten der Reisenden in den Anfangsjahren des Personenverkehrs per Eisenbahn ziehen. Auf bestimmte Charakteristiken und Einflüsse in der Betrachtung und der Bewertung der dargestellten Klassen soll noch hingewiesen werden. Die vierte Klasse war bis 1856 bei 56 % der Eisenbahnen eingeführt. Bis 1860 hatten noch 41 % keine vierte Klasse und bis zum Jahre 1880 fiel der Prozentsatz bei den preußischen Bahnen auf nur 3 %. Das hatte einen wesentlichen Einfluss auf die anderen Klassen. In den Grafiken ist der Einfluss erkennbar. Die Einführung der vierten Klasse hatte den größten Einfluss auf die dritte Klasse, sie musste viele Fahrgäste auf die vierte Klasse abgeben. Die anderen Klasen waren davon nicht so stark beeinflusst. Es ist ebenfalls noch in Betracht zu ziehen, dass die vierte Klasse auch die kürzesten Verbleibzeiten d. h. Fahrlängen hat. Die längsten Fahrlängen wurden mit der ersten Klasse erreicht. Einen Einfluss der allgemeinen wirtschaftlichen Lage auf die Benutzung der Klassen kann man auch aus den Zahlen erkennen. In Zeiten wirtschaftlichen Rückgang wird die vierte Klasse stärker gewählt, während die dritte Klasse gleichmäßig frequentiert bleibt. Nach einer Zeit der Konsolidierung, die erstmals im Jahre 1860 erreicht wurde, verteilten sich die Zahlen der Reisenden in einem gleichbleibenden Verhältnis auf die einzelnen Klassen. Aus den Daten kann auch auf die Bevölkerungsgruppen geschlossen werden, die vor der Eisenbahnzeit wenig oder gar nicht einen regelmäßigen oder zeitweisen Ortswechsel vornahmen und das überwiegend zu Fuß vollzogen. Mit dem Angebot der geregelten Fahrpläne, günstigen Fahrtarifen und dem Angebot einer dritten und vierten Klasse für mittlere bis kurze Reisestrecken erschloss sich die Eisenbahn auch diesen Gruppen.152 Die preußischen Eisenbahnen können nach ihrem Streckenverlauf und ihrer Funktion innerhalb des preußischen Staates in dem Zeitraum dieser Untersuchung von 1835 bis 1860 in drei Gruppen eingeteilt werden. Die mittlere umfasst die Gruppe der zwischen Berlin und den bis 1866 selbstständigen deutschen Mittelstaaten gelegenen Strecken, die östliche umfasst die Strecken von Berlin nach den östlich gelegenen Teilen Preußens und die westliche umfasst die Strecken innerhalb der westlichen, noch durch die Mittelstaaten 152 Vgl. Lohauss, Ludwig (1884), S.5ff. 3.2 Personenverkehr in Preußen 71 getrennten Teile Preußens in den Provinzen Westfalen und dem Rheinland.153 Die nächsten Kapitel beschreiben als Einführung, die geografische Lage, die Gründung und die Entwicklung der Hauptstrecken dieser Gruppen. Abbildung 5: Die Entwicklung der Einnahmen im Eisenbahnverkehr in Preußen Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Die Auflistung der Eisenbahn-Gesellschaften in Preußen zum Ende des Jahres 1860 zeigt die Tabelle im Anhang: A. Der zu diesem Datum erreichte Ausbau der Strecken und der Eisenbahnanschluss der Städte, im Zusammenhang mit den Strecken in den anderen deutschen und ausländischen Staaten zeigen die Pläne im Anhang: B mit den Eisenbahnen zum Ende des Jahres 1848 und 1860 im Deutschen Zollverein. Die einzelnen EisenbahnGesellschaften hatten sich als Staatsbahn, als Privatbahn unter der Verwaltung des preußischen Staates und als reine Privatbahnen entwickelt. Die Strecken entstanden aus den ursprünglichen Stammbahnen und waren durch Weiterbau der Stammbahn oder durch Hinzufügung von Strecken anderer Gesellschaften erweitert worden. Mit dieser Aufteilung war eine Stabilität erreicht worden, die erst nach 1876, nach der Gründung der Deutschen Reichsbahn komplett durch den Übergang in den Staatsbesitz geändert wurde. Mit dem Jahr 1860 endet der Zeitpunkt dieser Untersuchung. Mit diesem Datum hatten sich die Eisenbahn, die Netzbildung und die Aufmerksamkeit bei den Menschen und dadurch zur Nutzung als Personentransportsystem weitgehend stabilisiert und die Eisenbahn erlebte damit in den folgenden Jahren einen stetigen Aufschwung, der zur allgemeinen Wahrnehmung als einer Verkehrsrevolution führte. 153 Vgl. Fleck, G. (1896), S.27. 72 3 Personenverkehr Die folgenden Seiten fassen die Daten der oftmals problematischen Gründung und die Entwicklung der preußischen Eisenbahngesellschaften in einzelnen Unterkapiteln zusammen, um zu zeigen, dass die Anfänge noch sehr lokal geprägt waren. Die Strecken entwickelten sich aus der Verbindung einzelner Ortschaften oder Städte und wurden erst im Laufe der Jahre zueinander geführt, um eine Netzstruktur zu bilden. Erst die Streckennetze machten die Eisenbahn mit dem Wegfall der anfangs erforderlichen Unterbrechungen und dem Umstieg auf die Personenpost zur Überwindung der Lücken zwischen den Endpunkten der Einzelstrecken zu einem attraktiven Verkehrssystem. Das entwickelte Streckennetz war damit ein wesentlicher Komfortfaktor und deshalb für die Attraktivität des Personenverkehrs gegenüber der Personenpost von immenser Bedeutung. 3.2.1 Die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn Der erste Plan einer Eisenbahn von Naumburg über Halle, Wittenberg, Potsdam nach Berlin und einer Weiterführung über Frankfurt an der Oder bis nach Breslau wurde 1833 bekannt. Aber erst am 4. Mai 1835 wurde ein detaillierter Plan an die Staatsregierung herangetragen. Er war reduziert auf eine Strecke von Potsdam nach Berlin und wurde von dem Rechtsanwalt (Justizkommissar) J. C. Robert dem König vorgelegt. Die technischen Voruntersuchungen waren vom Oberbau Rath Crelle durchgeführt worden. Der König forderte zu diesem Plan ein Gutachten vom Staatsministerium an. In der Bewertung durch das Ministerium wurde darauf hingewiesen, dass dem Plan in der vorliegenden Form kein „kommerzielles Bedürfnis“ entsprach, jedoch für eine Weiterführung nach Westen durchaus ein Bedarf bestehen würde. Daraufhin wurde mit der Kabinettsorder vom 16. Januar 1836 das Enteignungsrecht bewilligt. Es bildete sich auf dieser Grundlage eine Gesellschaft in Berlin, deren Statuten am 23. September 1837 bestätigt wurden.154 Die Arbeiten wurden am 10. August 1837 aufgenommen und schon am 29. Oktober 1838 konnte der Betrieb auf der gesamten Strecke eröffnet werden. In der Folge hatte sich eine neue Gesellschaft gegründet, die die Verlängerung der Eisenbahn von Potsdam bis nach Magdeburg plante. Sie wurde am 21. Juli 1843 genehmigt und schloss mit der BerlinPotsdamer Eisenbahn am 6. November 1843 einen Vertrag, der die Übernahme der BerlinPotsdamer Eisenbahn und die Entschädigung der Aktionäre beschloss. Die endgültige Konzession erhielt die nun Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn genannte Gesellschaft am 22. September 1845.155 Wegen schwieriger Bauverhältnisse bei der Überquerung der 154 155 Vgl. Fleck, G. (1895), S. 11-13. Vgl. Allerhöchste Kabinetts-Order A.K.O. (9/22/1845). 3.2 Personenverkehr in Preußen 73 Havel bei Potsdam und bei Werder erfolgte die Eröffnung bis Magdeburg erst am 7. August 1847. Von diesem Datum an firmierte die Gesellschaft unter ihrem neuen Namen, der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn (Abbildung 6). Die vollständige Eröffnung der Strecke bis zu ihrem Endbahnhof Fürstenwall in Magdeburg machte noch den Bau von drei Elbbrücken erforderlich, die am 19. August 1848 fertiggestellt in Betrieb gingen. Dadurch war, durch die zwischenzeitliche Fertigstellung weiterer Lückenschließungen im nationalen und internationalen Eisenbahnnetz, eine durchgehende Verbindung von Berlin bis Paris geschaffen worden.156 Abbildung 6: Entwicklung des Personenverkehrs der BPM Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Die ersten Pläne für Eisenbahnen, die dem Personenverkehr dienen sollten, stießen bei den staatlichen Behörden auf weitgehende Ablehnung. Sie konnten die Notwendigkeit von Eisenbahnen nicht einsehen, weil große Summen für den Ausbau der Chausseen und der Einführung der Schnellposten ausgegeben worden waren und nicht auf allen Strecken die erhofften Einnahmen erwirtschaftet werden konnten. Man vermutete, dass zusätzliche Eisenbahnen den Ertrag noch weiter schmälern würden. Besonders wurde dieser Aspekt bei der geplanten Strecke Potsdam-Berlin beklagt. Längere Strecken, wie die Verlängerung nach Magdeburg und Leipzig und die Verbindung Cöln-Antwerpen versprachen, nach Ansicht des König mehr Erfolg und wurden deshalb von ihm unterstützt.157 156 157 Vgl. Quaatz (1917b). Vgl. Fleck, G. (1895), S.12, in der Fußnote zitiert, „Brief vom 11. Juni 1835 von C. Rother an Prinz August von Preußen“. 74 3 Personenverkehr Der Personenverkehr auf der Stammstrecke von Berlin nach Potsdam entwickelte sich entgegen der gegenteiligen Befürchtungen jedoch sehr positiv. Anfangs war es wohl in erster Linie der Reiz der Neuheit oder einfach nur die Neugierde, die die Reisenden zu einer Fahrt zwischen den beiden preußischen Residenzen veranlasste. Vielfältige Beziehungen zwischen den beiden Städten bewirkten ein Übriges, um die Strecke von Anfang an erfolgreich für den Personenverkehr zu entwickeln. Mit der Verlängerung der Strecke über Potsdam hinaus nach Magdeburg und darüber hinaus bewirkten eine weiteren Anstieg der Reisenden, bis aus der Eröffnung der Anhaltischen Bahn in den Jahren 18411842 eine Konkurrenz entstand und einen Rückgang zur Folge hatte. Seit 1843 setzte der Güterverkehr vermehrt ein und bewirkte eine Verbesserung des wirtschaftlichen Ergebnisses. Nachdem sich zeigte, dass mit der Erhöhung des Güterverkehrs, die Lokomotiven schwerer und die Züge länger wurden, wurden wesentliche Investitionen in die Erneuerung und den Ausbau der Strecke erforderlich. Nach den ersten erfolgreichen fünf Jahren auf der Stammstrecke Berlin-Potsdam wurden im Jahr auf einen Kilometer Bahnstrecke 560.000 Personenkilometer geleistet, bei einer durchschnittlichen Belegung der Züge von 120 Personen, die auf den preußischen Eisenbahnen für die nächsten zwanzig Jahre nicht mehr erreicht wurden. Am 7. August 1846 übernahm die Berlin-PotsdamerMagdeburger Eisenbahn diese Strecke.158 3.2.2 Die Magdeburg-Leipziger Eisenbahn Die Magdeburg-Köthen-Halle-Leipziger Eisenbahn (Abbildung 7) bekam für die Stammbahn Magdeburg-Leipzig am 13. November 1837 die preußische Konzession. Die gesamte Strecke erstreckte sich jedoch mit Teilstrecken auf sächsischen und anhaltischen Staatsgebiet. Das Teilstück auf sächsischen Gebiet wurde von der Leipzig-Dresdener Eisenbahn gebaut und mit einem Vertrag vom 30. September 1837 verpachtet. Für das Teilstück auf anhaltischem Gebiet wurde von der herzoglichen anhaltischen Regierung am 29. September 1840 die Konzession erteilt. Damit ist die Magdeburg-Leipziger Eisenbahn nicht nur eine der ältesten preußischen Eisenbahnen, sondern auch die Erste weltweit, die die Grenzen verschiedener Staaten überschritt. Für die Entstehung dieser Bahn engagierte sich besonders der Oberbürgermeister von Magdeburg A. W. Francke159 gemeinsam mit dem Chef des preußischen Handelsdepartements C. Rother160. Die dabei ausgearbeiteten 158 159 160 Vgl. Fleck, G. (1895), S.290f. Francke, August-Wilhelm (1785-1851), Oberbürgermeister von Magdeburg – Quelle: ADB. Rother, Christian von (1778-1849), preuß. Bankier, Chef der preuß. Seehandlung – Quelle: ADB. 3.2 Personenverkehr in Preußen 75 Konzessionsbestimmungen wurden zu einer wichtigen Grundlage des preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838.161 Die Begründungen für diese Strecke bezogen sich auf ihre Bedeutung für den Handel zwischen den Städten Magdeburg, Halle und Leipzig, der unter den Unsicherheiten der Flussschifffahrt, wie Wasserstand, Vereisung und Anlandung, zu leiden hatten. Massentransporte wie Steine, Kohle, Holz und Getreide über größere Entfernungen waren nur auf den Flüssen möglich, weil die Chausseen dafür nicht genügend tragfähig waren. Bei den Eisenbahnen in England hatte sich gezeigt, dass diese für den Massentransport sehr gut verwendbar waren. Der Personenverkehr würde bei den Plänen meist nicht besonders hervorgehoben.162 Mit dem Preußischen Eisenbahngesetz, das in angepasster Form von den anderen Staaten in Deutschland übernommen wurde, erfolgten Festlegungen, die auf das Ziel ausgerichtet waren, die einzelnen Streckenabschnitte als ein Teil eines ganz Preußen überspannenden Eisenbahnnetzes und für Durchfahrten in die Nachbarländer zu betrachten. Dazu gehörten u. a. die Festlegung der Spurweite auf 1,435 Meter, die Form und die Position der Wagenpuffer und die Außenmaße für ein feste Tunnel- und Bahnhofs-Profil. Ebenfalls berücksichtigt wurden darin die militärischen Anforderungen für Truppentransporte. Das Bestreben des Staates, möglichst viele Interessen beim Bau der Eisenbahnen zu berücksichtigen zeigte mit dem späteren Ausbau des Netzes als Nachteil. Die Streckenführung führte oft auf Umwegen zu den Zielpunkten und verlängerte damit die Reisedauer auf Fernstrecken. Einflüsse auf den Streckenverlauf hatten auch die Erkenntnisse aus England mit der Begrenzung der Steigung für eine Lokomotiveisenbahn von 1:300 und einem maximalen Krümmungsradius von 800 Meter. Erst mit der Steigerung der Lokomotivleistung konnten in den späteren Jahren diese Werte auf 1:80 (40) und 300 Meter verbessert werden.163 161 162 163 Vgl. von der Leyen (1917b). Vgl. Fleck, G. (1895), S.2f. Vgl. Fleck, G. (1895), S.15f. 76 3 Personenverkehr Abbildung 7: Entwicklung des Personenverkehrs der MLE Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 3.2.3 Die Berlin-Anhaltische Eisenbahn Die Ursprung der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn (Abbildung 8) war die 1836 gegründete Berlin-Sächsische Eisenbahngesellschaft. Diese Bahn plante den Ausbau der Strecke Potsdam bis zu einem passenden Anschlusspunkt an die sächsische Leipzig-Dresden Eisenbahn bei Riesa. Die vorläufige Genehmigung wurde am 11. Juni 1836 erteilt. Da es mit der Berlin-Potsdamer Eisenbahn zu keiner Einigung für den Anschluss der Bahn nach Berlin kam, wurde der geplante Anfangspunkt direkt nach Berlin verlegt. Der Grund dafür war, dass die Berlin-Potsdamer Eisenbahn vorzugsweise nur für den Personenverkehr berechnet war und deshalb für den geplanten Güterverkehr zu schwach ausgelegt war, auch war für den geplanten starken Verkehr ein zweites Gleis sofort erforderlich. Für diese geänderte Strecke erfolgte die vorläufige Genehmigung am 25. Februar 1837. Da der Generalpostmeister von Nagler164, der zu den Bahnprojekten befragt wurde, eine Verbindung über Halle nach Riesa empfahl, wünschte die Staatsregierung einen Anschluss an die Magdeburg-Leipziger Bahn. Daraufhin änderte die Gesellschaft die Linienführung in Berlin-Luckenwalde-Dessau-Köthen. Die Gesellschaft nahm den Namen BerlinAnhaltische Eisenbahn an und der Streckenverlauf wurde am 15. Mai 1839 genehmigt. Die erste Teilstrecke von Köthen nach Dessau wurde 1. September 1840 in Betrieb genommen und der Verkehr auf der ganzen Strecke am 10. September 1841 eröffnet. Die Elbe 164 Nagler, Carl Ferdinand Friedrich von (1770-1846), preuß. Postminister – Quelle: ADB. 3.2 Personenverkehr in Preußen 77 überschritt die Bahn bei Roßlau auf einer schon vorhandenen Brücke, für die an die anhaltische Regierung ein Brückenzoll entrichtet wurde. Im Jahre 1848 wurde die Zweigbahn von Jüterbog über Röderau nach Riesa eröffnet. Für die Anschlussstrecken Riesa-Leipzig und Riesa-Dresden war die Konzession schon 1844 erteilt worden. Der Verkehr konnte mit diesem Anschluss an die sächsischen und die österreichischen Linien eröffnet werden. Im Jahre 1857 erfolgte die Eröffnung der Strecke Dessau-Bitterfeld und 1859 die Strecken Bitterfeld-Halle und damit Bitterfeld-Leipzig und Bitterfeld-Wittenberg. Mit diesen Strecken wurde der Anschluss an die Bahnen nach Thüringen und nach Bayern hergestellt und damit ein wichtiger Teil des mitteleuropäischen Eisenbahnnetzes.165 Abbildung 8: Entwicklung des Personenverkehrs der BAE Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 3.2.4 Die Berlin-Stettiner Eisenbahn Stettin ist der nächstgelegene Ostseehafen Berlins. Mit der Einführung der Dampfschifffahrt, der Verbesserung des Fahrwassers nach Swinemünde und dem Ausbau der Hafenanlagen hatte Stettin an Bedeutung für den Güterverkehr nach Berlin gewonnen. Größeres Interesse für der Ausweitung des Transportvolumen hatte Stettin mehr als Berlin, das über die Flussläufe und verbindende Kanäle gut angebunden war. Durch gesteigerten Getreideexport nach England und Amerika und durch die Verbesserung der Sicherheit im Seeverkehr hatte sich der überseeische Verkehr Stettins stark erweitert. Mit einer Eisenbahn ergab sich die Möglichkeit einer schnelleren und leistungsfähigeren 165 Vgl. Quaatz (1917a). 78 3 Personenverkehr Abwicklung des Verkehrs. Deshalb wurde schon 1835 ein Plan für die Verbindung Berlins mit Stettin per Eisenbahn entwickelt.166 Die Berlin-Stettiner Eisenbahn gehörte zu den ältesten preußischen Eisenbahnen. Die zu gründende Aktiengesellschaft wurde mit der Kabinettsordre vom 12. Oktober 1840 bestätigt und begann 1841 mit dem Bau der Strecke. 1842 wurde die Teilstrecke Berlin-Angermünde eröffnet und der Weiterbau der Bahn bis Stargard beschlossen. Am 16. August 1843 erfolgte die Eröffnung der Stammbahn von Berlin nach Stettin (Abbildung 9). 1846 wurde die Strecke Stettin-Stargard dem Verkehr übergeben. 1859 wurden die Strecken Stargard-Köslin und Beigard-Kolberg eröffnet.167 Abbildung 9: Entwicklung des Personenverkehrs der BSE Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 3.2.5 Die Rhein-Weser Eisenbahn Die Rhein-Weser Eisenbahn hatte als Name eine sehr kurze Lebensdauer aber als Eisenbahnstrecke eine große Bedeutung. Sie erhielt am 21. August 1837 ihre Konzession als eine den Rhein (rechtsseitig) mit der Weser (bei Minden) zu verbindende Eisenbahnstrecke. Durch widrige Umstände, die auf dem mangelnden Interesse und den beschränkten finanziellen Möglichkeiten des preußischen Staates und auf der Uneinigkeit der privaten Finanziers beruhten, wurde die Gesellschaft 1838 wieder aufgelöst. Der Bau der Strecke wurde später von der Cöln-Mindener Eisenbahn (Abbildung 10) übernommen. Die RheinWeser Strecke war von großer Bedeutung für die Entwicklung einer Verkehrsverbindung 166 167 Vgl. Fleck, G. (1896), S.862f. Vgl. Quaatz (1917c). 3.2 Personenverkehr in Preußen 79 mit der Eisenbahn von Königsberg in Ostpreußen, bis an den Rhein. Nach der Rheinüberquerung, die als Erste später durch die Rheinbrücke bei Köln verwirklicht wurde, war die Verbindung auf die linke Seite des Rheins und die dortigen Eisenbahnen, die wiederum die Verbindung nach Belgien und damit an die Seehäfen herstellten, ermöglicht. Im Zeitbereich dieser Untersuchung waren der östliche Teil Preußens und die Rheinprovinzen Preußens durch das Königreich Hannover und das Herzogtum Braunschweig getrennt. Für diesen Lückenschluss mussten Vereinbarungen mit deren Regierungen getroffen werden, um eine Eisenbahnverbindung von Minden an der Weser über Hannover und Braunschweig nach Magdeburg an der Elbe zu errichten. Mit der Ausführung dieser Pläne würde die Eisenbahn von Russland bis an den Ärmelkanal möglich. Deshalb war die RheinWeser Eisenbahn von erheblicher Bedeutung für den nordeuropäischen Verkehr. Die anderen Strecken für diese Verbindung wurden die Rheinische Eisenbahn im Westen und die Berlin-Magdeburger Eisenbahn mit der Königlich Preußischen Ostbahn von Berlin nach Königsberg im Osten Preußens. Mit einer Streckenführung, die teilweise gemeinsam und teilweise parallel zur Strecke der Cöln-Mindener Eisenbahn aufgrund lokaler Interessen gebaut wurde, ist die Bergisch-Märkische Eisenbahn (Abbildung 11) als Alternative in diesen Bereich mit einzubeziehen. Die Cöln-Mindener Eisenbahn war die direkte Nachfolgerin der nach kurzer Aktivität aufgelösten Rhein-Weser Eisenbahn. David Hansemann168 nahm die Idee einer Eisenbahn vom Rhein an die Weser 1840 wieder auf und forderte in Denkschriften169 die Wiederaufnahme des Projektes. Hansemann war zu dieser Zeit in leitender Position bei der Rheinischen Eisenbahn tätig. Schon 1833 hatte sich Friedrich Harkort170 mit diesem Thema befasst und es der Öffentlichkeit vorgestellt.171 In Verhandlungen mit der Staatsregierung trat er dafür ein, dass die Rheinische Eisenbahn die Konzession des Weiterbaues der Bahn bis Minden erhielt. Er wollte anschließend die Strecke über Hannover und Braunschweig bis zum Anschluss an die Magdeburger Bahnen weiterführen. Die Untersuchungen zur Machbarkeit dieses Projektes zogen sich bis in das Jahr 1843 hin und scheiterten dann an hauptsächlich an den Bedenken der Regierung, die Rheinische Eisenbahn rechtsrheinisch weiterzuführen. Am 19. August 1843 wurde von den Aktionären die Weiterführung des Projektes abgelehnt, weil ihnen die finanzielle Unterstützung durch die Regierung nicht ausreichend erschien. Am 23. August wurde eine 168 169 170 171 Hansemann, David Justus Ludwig (1790-1864), Wirtschaftsführer u. Politiker – Quelle: NDB. Hansemann, David (1842). Harkort, Friedrich Wilhelm (1790-1880), Industrieller u. Politiker – Quelle: NDB. Harkort, Friedrich (1833). 80 3 Personenverkehr neue Aktiengesellschaft unter dem Namen Ostrheinische Eisenbahn gegründet, die in ihren, am 18. Dezember 1843 genehmigten Statuten, den Namen Cöln-Mindener Eisenbahn annahm. Der Bau der Bahn konnte nun in Angriff genommen werden und am 20. Dezember 1845 die Strecke Deutz-Düsseldorf eröffnet werden. Die Fertigstellung der gesamten Strecke von Köln bis zur Landesgrenze bei Minden war mit der Inbetriebnahme am 15. Oktober 1847 erreicht. Nach Fertigstellung der festen Rheinbrücke bei Köln wurde die Cöln-Mindener mit der Rheinischen Eisenbahn verbunden und vermittelte damit eine durchgehende Verbindung von Minden nach Belgien und Frankreich. Mit dem Lückenschluss von Minden nach Magdeburg wurde der durchgehende Verkehr nach Berlin und Leipzig möglich. Die Strecke hatte eine grundlegende Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebietes und erwirtschaftete den größten Gewinn auf der Stammstrecke, trotz attraktiven länderübergreifenden Personenverkehrs, weitgehend mit dem Güterverkehr. Die danach gebauten Neben- und Anschlussstrecken hatten nicht diesen Erfolg und mussten die staatliche Zinsgarantie in Anspruch nehmen.172 Abbildung 10: Entwicklung des Personenverkehrs der KME Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Die Bergisch-Märkische Eisenbahn (Abbildung 11) entwickelte sich zum bedeutendsten Eisenbahnunternehmen im Westen Preußens und später auch darüber hinaus. Sie umfasste, ausgehend von ihrer Kernstrecke Elberfeld-Dortmund ein weitverzweigtes Eisenbahnnetz, das die Hauptverkehrsadern des niederrheinisch-westfälischen Industriegebietes durchzog. Bestrebungen zur Verbindung des gewerblich starken Wuppertales und 172 Vgl. von der Leyen (1917a). 3.2 Personenverkehr in Preußen 81 die Kohlefelder der Ruhr mit einer Eisenbahn wurden schon 1826 in Wuppertal und Barmen diskutiert. Es dauerte jedoch noch bis 1836, als eine Aktiengesellschaft in Elberfeld die vorläufige Konzession für den Bau einer Eisenbahn von Elberfeld nach Witten bekam. Die Konzession wurde dann jedoch zugunsten der Rhein-Weser Eisenbahn zurückgezogen, weil sie als ein Teil der größeren Planung vorgesehen war. Als nach dem Scheitern der Rhein-Weser Eisenbahn und einer Neuplanung unter Hansemann, die Strecke Düsseldorf-Duisburg die Verbindung über das Wuppertal ausschloss, konnten die ehemaligen Pläne wieder aufgenommen werden. Am 18./19. Oktober 1843 wurde in Elberfeld die Bergisch-Märkische Eisenbahn gegründet und erhielt am 12. Juli 1844 die endgültige Konzession. Am 9. Oktober 1847 wurde die Teilstrecke Elberfeld-Schwelm für den Personenverkehr eröffnet. Damit waren die finanziellen Mittel der Gesellschaft erschöpft und nur durch die völlige Übernahme durch ein staatliches Darlehen konnte der Bau fortgesetzt werden. Am 29. Dezember 1848 (nach anderer Quelle am 20. Dezember) konnte die ganze Strecke von Elberfeld bis Dortmund für den Güter- und am 9. Dezember 1849 (nach anderer Quelle am 9. März 1849)173 für den Personenverkehr in Betrieb genommen werden. Da die finanziellen Verhältnisse sich dauerhaft nicht verbessern ließen, übernahm der preußische Staat am 23. August 1850 vorläufig den Betrieb der Bahn. 1855 mit der Eröffnung der Strecke Dortmund-Soest wurde die Bahn dauernd in die Verwaltung des Staates übernommen. 1857 wurde die seit 1841 in Betrieb befindliche Düsseldorf-Elberfeld Eisenbahn übernommen. Es folgten 1861 die Strecken Hagen-Siegen und Witten-Duisburg. Bis 1862 war ein geschlossenes System von Bahnen mit den Endpunkten in Duisburg, Düsseldorf, Siegen und Soest unter staatlicher Verwaltung entstanden, das die bedeutenden Gewerbegebiete und die Fördergebiete der Rohstoffe miteinander verband.174 Für den Personenverkehr war dieses Bahnnetz von großer Bedeutung, weil es für viele Orte mit einer dichten Bevölkerung eine leistungsfähige Verkehrsverbindung bot. 173 174 Vgl. Die Königliche Eisenbahn-Direction (1875), S. 13. Vgl. Waldeck (1917). 82 3 Personenverkehr Abbildung 11: Entwicklung des Personenverkehrs der BME Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Bei der Planung einer neuen Eisenbahnverbindung wird in Denkschriften und Konzessionsanträgen meist primär der Güterverkehr in Rechnung gesetzt, um die Amortisation der Investition zu begründen. Auch wenn die Eisenbahn als eine länderverbindende Einrichtung gesehen wird und dem Personenverkehr auf dieser Eisenbahn eine Völker verbindende Funktion zugewiesen wurde, hatten sich Autoren mit einer mehr realistischen Sicht der Gesellschaft mit den lokalen Auswirkungen einer Eisenbahnstrecke beschäftigt. Für den Bereich der Rhein-Weser Eisenbahn beispielsweise war die Bevölkerungsdichte von großer Bedeutung für den zu erwartenden Personenverkehr, dem Reisezweck, der Reisefrequenz und der finanziellen Möglichkeiten der Reisenden und damit der benutzten Klasse. Mit diesem Thema befasst sich eine Schrift des Gymnasialdirektors Bischoff175. Als nicht direkt mit der Planung und der Finanzierung befasster Zeitzeuge erschließen sich hiermit einige grundlegende Fakten, die den Reisenden und nicht nur die Güter betrachten, aus der Sicht eines Benutzers der frühen Eisenbahn. Die Überlegungen, die er dabei anstellte, gelten auch allgemein für die meisten der frühen Eisenbahnen. Er weist darauf hin, dass der lokale Verkehr vor dem allgemeinen, durchgehenden Verkehr betrachtet werden muss. Für das Gebiet der Bergisch-Märkischen Eisenbahn ist zu unterscheiden, ob die ansässige Bevölkerung der, von der Eisenbahn berührten Orte die Frequenz der Benutzung der Bahn bestimmt oder ob der durchreisende Verkehr, zwischen den größeren Städten die Frequenz beeinflusst oder grundsätzlich bestimmt. Er weist besonders darauf hin, dass die Gewerbeorte, beispielsweise um 175 Bischoff, Ludwig (1794-1864), Direktor des Gymnasiums in Wesel u. Musikschriftsteller – Quelle: ADB 3.2 Personenverkehr in Preußen 83 Elberfeld meist eine Fabrikarbeiterbevölkerung haben und diese den Ort nicht verlassen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Die Bevölkerung der größeren Städte, welche Handelsplätze sind, würde durchaus einen größeren Verkehr durch Handelsreisende generieren. So hatte der Reg.bz. Düsseldorf 1840 die dichteste Bevölkerung im preußischen Staat mit einer Bevölkerung von 802.998 Einwohner. Bischoffs Absicht in seiner Schrift war es, Vorschläge für den Streckenverlauf der Eisenbahn von Düsseldorf nach Minden zu machen. Er listet dafür die verschiedenen alternativen Streckenführungen in den einzelnen Kreisen des Reg.bz. auf und beziffert die Anzahl der Einwohner, die von diesen Strecken profitieren würden. Er ermittelt damit, dass bei einer Streckenführung durch das Rheintal nur von Cöln nach Wesel die Orte mit insgesamt 197.316 Einwohnern berührt würden. Für die Anzahl der Reisenden aus diesen Städten stützt er seine Rechnung auf ein Verhältnis von 100 (der Bevölkerung zweier Städte): 350 (Anzahl der Reisenden).176 Das Ergebnis dieser Rechnung wären für Köln und Düsseldorf 368.445 Reisende, zwischen Elberfeld und Barmen 364.486 und zwischen Düsseldorf und Wesel 166.446 Reisende im Jahr. In einer Fußnote bemerkt er, dass diese Rechnung den bis dahin vorliegenden Ergebnissen „sehr nahe kommt“ und benennt einige Zählungen.177 Grundsätzliche Überlegungen dieser Art wurden in der zeitgenössischen und auch der neueren Literatur nur sehr selten dokumentiert, da sie aber von grundlegender Bedeutung für diese Untersuchung sind, wurden sie hier ausführlicher zitiert und es wird später noch darauf zurückgekommen. 3.2.6 Die Rheinische Eisenbahn Die Rheinische Eisenbahn (Abbildung 12) war eine der ältesten Bahnen Preußens. Die erste Strecke verlief auf der linken Rheinseite von Köln über Aachen zur belgischen Grenze. Der Wunsch einer solchen Strecke ging von Belgien aus. Nachdem Belgien 1830 ein selbstständiges Königreich geworden war, wollte man die Wirtschaftsleistung des Staates durch den Ausbau der Verkehrsmittel verbessern und dachte an eine Eisenbahnverbindung der Flüsse Schelde Maas und Rhein. Die Städte Antwerpen, Aachen und Köln sollten zu diesem Zweck miteinander verbunden werden. Erste Untersuchungen zu einer solchen Bahn erstreckten sich auf den belgischen und den angrenzenden preußischen der geplanten Strecke. Auf preußischer Seite fanden diese Bestrebungen freundliche Aufnahme. Auf Betreiben von Ludwig Camphausen178 wurde ein Komitee 176 177 178 Bischoff zitiert hier nach einer Methode von F. X. Hlubeck, Gratz von 1841. Vgl. Bischoff, Ludwig (1841), S. 80-88. Camphausen, Gottfried Ludolf (1803-1890), Wirtschaftsführer u. Staatsmann – Quelle: ADB. 84 3 Personenverkehr gebildet, es erhielt am 5. Dezember 1833 von der preußischen Regierung die Konzession für den preußischen Teil der Strecke Köln-Antwerpen. Nach Beendigung der technischen Vorarbeiten fand am 25. Juli 1835 die erste Generalversammlung statt. Der Verlauf der Strecke sollte von Köln über Eupen zur belgischen Grenze geführt werden. Von Aachen und Düren nach Eupen war eine Zweigbahnen geplant. Diese Pläne stießen in Aachen auf heftigen Widerstand, weil man dort mit einer direkten Verbindung gerechnet hatte. Der Aachener David Hansemann179 war der Führer des Widerstandes gegen diese Streckenführung und er begründete ihn durch Berechnungen der mutmaßlichen Güter- und Personenfrequenz in einer Abhandlung von 1835.180 Die Regierung stimmte schließlich der Forderung zu und genehmigte den Bau der Strecke Köln-Aachen-Herbesthal und die Weiterführung zur belgischen Grenze. In einer neuen Generalversammlung 1837 wurde der Bau in dieser Form beschlossen und das Unternehmen nahm den Namen Rheinische Eisenbahn an. Daraufhin zog sich Camphausen aus dieser Gesellschaft zurück. Am 1. September 1841 wurde die Strecke Köln-Aachen und am 15. Oktober 1843 der letzte Teil bis Herbesthal eröffnet. Die Rheinische Eisenbahn dehnte sich durch den Zukauf anderer Bahnen und Strecken in den folgenden Jahren nach allen Richtungen wesentlich aus und wurde durch die internationalen Verbindungen zu einer der bedeutendsten Bahnen im westlichen Preußen.181 Abbildung 12: Entwicklung des Personenverkehrs der RHE Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 179 Hansemann, David (1790-1864), Wirtschaftsführer u. Politiker – Quelle: ADB. Vgl. Hansemann, David (1835). 181 Vgl. von der Leyen (1917f). 180 3.2 Personenverkehr in Preußen 85 M. von Egidy schreibt in David Hansemanns Bericht über die Weiterführung der Rheinischen Eisenbahn nach Minden, in dem er für die Weiterführung der ehemaligen Rhein-Weser Eisenbahn durch die Rheinische Eisenbahn plädiert, auch über die Personenfrequenz auf den neuen Strecken. Das Verhältnis der tatsächlichen Personenfrequenz zur projektierten Frequenz, in Denkschriften für den Bau von Eisenbahnen, erreichte nach der Inbetriebnahme einer Strecke wesentlich höhere Werte als bei der Planung angenommen. Die Ursache dafür war, dass die Grundlage dieser Schätzungen den Frequenzen und den Einnahmen der Personenpost auf guten Chausseen entnommen wurde und ein geringer Zuschlag für den zu erwartenden Eisenbahnverkehr hinzugefügt wurde. Die Ergebnisse nach der Eröffnung der Eisenbahn zeigten dann ein wesentlich besseres Bild. So verhielt sich das Verhältnis ‚tatsächlich zu geplant‘ z. B. bei der Strecke Liverpool-Manchester wie 400 zu 100 und bei der Strecke Brüssel-Antwerpen von 1500 zu 100. Damit war in den meisten Fällen eine Personenfrequenz im Monat erreicht, wie sie für das ganze Jahr geplant war. Bei der Bahn Düsseldorf-Elberfeld war in der Denkschrift von 1837 eine Frequenz von 60.000 pro Jahr angenommen worden, während sie im ersten Monat des Betriebes schon 54.346 erreichte. Wegen dieser Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfüllung musste nach einem besseren Verfahren gesucht werden, um die Prognosen zu verbessern und für die Kalkulation von Einnahmen zu Ausgaben verwendbar zu gestalten. Man fand in dem Verhältnis zwischen den Personenfrequenzen der schon in Betrieb befindlichen Strecken zu der Anzahl der im Umfeld anwohnenden Bevölkerung ein passenderes Modell. Die Untersuchung von Egidy beschäftigt sich dann mit den verschiedenen Einflüssen, die bei dieser Rechnung mit in Betracht gezogen werden müssen, um die Qualität der vorhergesagten Frequenzen zu verbessern.182 Diese Arbeit geht noch einmal vertieft im Kapitel 3.4 über die ‚Kosten und Tarife‘ auf das Thema ein. 3.2.7 Die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn Die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (Abbildung 13) war als Anschlussbahn an die 1842 eröffnete Berlin-Frankfurter Eisenbahn geplant und sollte Berlin direkt mit Breslau verbinden. Die Gesellschaft erhielt mit der A.K.O. vom 27. November 1843 die Konzession für die Strecke von Frankfurt/Oder bis Breslau. Die Strecke Breslau-Liegnitz wurde jedoch schon vor der Konzessionierung begonnen. Anders bei der Teilstrecke von Frankfurt nach Liegnitz. Sie wurde erst nach der Konzessionierung begonnen, weil hier noch verschiedene Interessen bezüglich der Streckenführung bestanden. Im August 1844 182 Vgl. Egidy, M. von (1842)S. 13(53)ff. 86 3 Personenverkehr erfolgte die Genehmigung der gesamten Baupläne und die Strecke konnte am 18. Oktober 1844 eröffnet werden. Danach sollte die Berlin-Frankfurter Eisenbahn übernommen werden. Am 1. August 1845 erfolgte die Übernahme in die NiederschlesichMärkische Eisenbahn. Diese begann im gleichen Jahr den Ausbau der Strecke bis Bunzlau. Die Eröffnung bis Bunzlau erfolgte Ende 1845 und am 1. September 1846 die ganze Strecke bis Breslau. Mit der Weiterführung der Oberschlesischen Eisenbahn von Breslau bis Slupna im Herbst 1847 war die Verbindung nach Österreich hergestellt. Dort wurde die Krakau-Oberschlesische Eisenbahn erreicht und am 13. Oktober 1847 die direkte Verbindung nach Krakau.183 Die folgende Bautätigkeit überbeanspruchte jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft. Der Staat hatte schon neben der Beteiligung am Aktienkapital auch eine Zinsgarantie übernommen und musste nun erhebliche Summen zuschießen. Deshalb wurde die Bahn 1850 unter Staatsverwaltung gestellt und 1852 ging sie nach einer Verbesserung der Finanz Verhältnisse vollständig in den Besitz des Staates über. Damit war die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn eine der Ersten, die das preußische Staatsbahnsystem begründeten.184 Das Schlesische Eisenbahnverkehrsgebiet unterteilte sich in zwei Teile. Von Berlin nach Breslau bediente die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn den Verkehr. Sie war schon seit 1852 im Staatsbesitz. Den Teil von Breslau bis zur oberschlesischen Grenze bediente die Oberschlesische Eisenbahn. Der preußische Staat strebte anfangs der 1850er Jahre die Übernahme dieser Gesellschaft an, um eine einheitliche Schlesische Staatseisenbahn zu bilden. Diese Pläne kamen aber nicht zur Durchführung, da die privaten Eigentümer der Bahn eigene Pläne für die Erweiterung ihres Streckennetzes verfolgten.185 Bei der Beschaffung der ersten Betriebsmittel für den Eisenbahnbetrieb wurde im Jahre 1844 genauso wie bei der Beschaffung der Lokomotiven verfahren, sodass mehrere Lieferanten für die Lieferung der Güter– und der Personenwagen ausgewählt wurden, die aufgrund ihrer Erfahrung die Sicherheit boten, die Lieferungen innerhalb der vereinbarten Lieferzeit in guter Qualität auszuführen. Später wollte man sich dann nach den Ergebnissen des Praxiseinsatzes entscheiden, die oder den zukünftigen Lieferanten für den weiteren Bedarf auszuwählen. Die ersten Bestellungen gingen an L.Winkens und Komp. in Halle, an die Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Kompagnie, an Weisbach in Berlin und an Zoller und Pflug in Berlin. Es wurden insgesamt 18 Personenwagen kombiniert mit I. und 183 184 185 Vgl. Fleck, G. (1899a), S. 5f. Vgl. Fremdling, Rainer; Federspiel, Ruth; Kunz, Andreas (1995), S. 27. Vgl. Fleck, G. (1904), S. 369. 3.2 Personenverkehr in Preußen 87 II. Klasse, 8 Personenwagen kombiniert mit I. und III. Klasse, 28 Personenwagen III. Klasse, 6 Gepäckwagen und 10 achträdrige Güterwagen bestellt. Die für die Personen- und Güterwagen benötigten Achsen und Räder wurden zum größten Teil vom Fabrikanten Michiels und Komp. in Eschweiler an die Wagenfabrikanten geliefert. Die benötigten Wagen wurden damit zu dieser Zeit komplett in deutschen Werkstätten gefertigt, während man bei den Lokomotiven noch zu gleichen Teilen englische und die neuen deutschen Fabrikanten berücksichtigen wollte. Die dazu erforderlichen Tender wurden schon komplett aus Deutschland geliefert und für die Lokomotiven sollten die Betriebsergebnisse auf den neuen Strecken abgewartet werden, um sich endgültig zu entscheiden. Wegen der kurzen Liefertermine mussten ebenfalls die Bestellungen geteilt werden, weil es ein Lieferant nicht schaffte, große Stückzahlen in kurzer Zeit zu produzieren. 186 Abbildung 13: Entwicklung des Personenverkehrs der NME Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 3.2.8 Die Oberschlesische Eisenbahn Die Oberschlesische Eisenbahn (Abbildung 14) war für die Verbindung Berlins über Breslau nach Polen und Österreich von großer Bedeutung. Ihr Verlauf sollte von Breslau über Ohlau, Brieg und Oppeln weiter durch Oberschlesien bis zur Landesgrenze, zum Anschluss an die österreichische Ferdinands-Nordbahn führen.187 Sie wurde mit der A.K.O. vom 24. März 1841 genehmigt. Sie eröffnete den Betrieb bis zur Landesgrenze bei Slupna im Herbst 1847. Beginnend in Breslau, wo sie an die Niederschlesich-Märkische Eisenbahn, die über Frankfurt nach Berlin führte, anschloss. In Slupna traf sie auf die 186 187 Vgl. Die deutschen Eisenbahnen im Jahre 1844: IV. Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn. (1845). Vgl. Westermann, W. (1846), S. 19. 88 3 Personenverkehr Krakau-Oberschlesische Eisenbahn und hatte damit ab Oktober 1847 die direkte Verbindung nach Krakau. Der Betrieb wurde zu Beginn mit acht Lokomotiven, 57 Personenwagen und 80 Güterwagen aufgenommen. Die Personenwagen waren eingeteilt in eine I., eine II. und eine III. Klasse, bei einer Gesamtbeförderung von 640.735 Personen und 1.913.171 Zentner Güter bis zum Jahre 1860, wobei der Kohlentransport überwog.188 Über die Verbindungen der russisch-polnischen Gebiete und der österreichischen Gebiete bestanden die verschiedenen Interessen der Linienführung über preußische Gebiete. So wie es in Grenzgebieten immer wieder Empfindlichkeiten über die Benutzung der eigenen und der fremden Territorien gab. Damit war die Streckenführung nicht nur von den geografischen Gegebenheiten, sondern auch von politischen Vorstellungen abhängig. Zur Verbindung der Oberschlesischen Eisenbahn, mit der österreichischen Kaiser-Ferdinand Nordbahn wurde, 1844 die Wilhelmsbahn von Gleiwitz nach Preußisch-Oderberg gegründet. Die Oberschlesische Eisenbahn wurde die größte und die ertragreichste der Staatsbahnen die aus den Privatbahnen hervorgegangen waren. Um den sich entwickelnden Konkurrenzsituationen entgegen zu wirken, übernahm die preußische Staatsbahn, mit Überlassungsvertrag vom 25. August 1856 den Betrieb und den weiteren Bau der Eisenbahn. Am 13. Oktober 1856 wurde durch A.K.O. zu diesem Zweck eine Königliche Direktion der Oberschlesischen Eisenbahn mit Sitz in Breslau gegründet, die am 1. Januar 1857 ihre Arbeit aufnahm. Sie übernahm anschließend durch A.K.O. vom 17. August 1857 die Stargard-Posener Eisenbahn aus dem Bestand der Ostbahn und durch A.K.O. vom 20. April 1857 die Wilhelmsbahn Gesellschaft (von Kosel nach Oderberg). Mit diesen Übernahmen wurden an erster Stelle Ziele im Güterverkehr verfolgt. Die weitere Erschließung des oberschlesischen Erz- und Kohlereviers und die Verbindungen zum angrenzenden Ausland wurden damit intensiv gefördert. Die Förderung des Personenverkehrs auf diesen Strecken lag anfangs nicht im Fokus der Pläne.189 Die Pläne zum Ausbau der Verkehrsverhältnisse im Oberschlesischen Revier hatten mit der Fertigstellung von erforderlichen Neben- und Anschlussbahnen bis 1862 einen vorläufigen Endzustand erreicht und damit eine Vervollkommnung des Ausbaus im Revier und in den Grenzgebieten erreicht.190 Die Oberschlesische Eisenbahn ging erst 1886 vollständig in das Eigentum des Preußischen Staates über.191 188 189 190 191 Vgl. Wehde-Textor, O. (1962), S. 309. Vgl. Fleck, G. (1904), S. 369f. Vgl. Fleck, G. (1904), S. 371. Vgl. Oberschlesische Eisenbahn (1917). 3.2 Personenverkehr in Preußen 89 Abbildung 14: Entwicklung des Personenverkehrs der OSE Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). 3.2.9 Die Ostbahn Die Königlich Preußische Ostbahn (Abbildung 15), wie sie genannt wurde, als sie am 7. Dezember 1849 als Staatsbahn gegründet wurde, war die erste vollständig auf Staatskosten gebaute Eisenbahn in Preußen. Als der preußische Staat versuchte, für die wirtschaftliche Entwicklung der preußischen Gebiete östlich der Oder bis Königsberg und darüber hinaus nach Russland einen Privatunternehmer zu finden, der die Bahn bauen wollte, stieß er auf wenig Interesse. Auch mit staatlichen Garantien und Beihilfen konnte kein Unternehmer gewonnen werden. Da die Bahn aber nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung, sondern auch für die Landesverteidigung von großer Bedeutung war, entschloss man sich die Bahn auf Staatskosten zu bauen. Im Jahre 1847 unterbreitete die Regierung dem Landtag eine Vorlage zum Bau der Bahn. Aus politischen Gründen wurde die Vorlage jedoch abgelehnt und die schon begonnenen Arbeiten wurden wieder eingestellt. Erst nach der Einführung der Verfassung konnte mit einem Gesetz von 1849 der Bau der Bahn begonnen werden. Die erste Strecke Kreuz-Bromberg konnte am 27. Juli 1851 eröffnet werden. Erst 1867 war die gesamte Hauptstrecke fertiggestellt und konnte eröffnet werden. Die Bahn entwickelte sich in den Folgejahren durch die Übernahme und die Angliederung verschiedener benachbarter Hauptbahnen und dem Bau von Nebenbahnen als Zuführungen zur Hauptstrecke zu einem umfassenden Eisenbahnnetz von der Ostseite der Oder bis über Königsberg und weiter bis an die russische Grenze.192 Die vereinigten ständische Ausschüsse hatten, bestätigt mit der A.K.O. von 192 Vgl. Quaatz (1917d). 90 3 Personenverkehr 22. November 1842 für den, östlich der Oder liegenden Teil Preußens, einen dringenden Bedarf für den Bau folgender Eisenbahnen, vorzugsweise auf Staatskosten formuliert. a) eine Eisenbahn, die, mit Benutzung einer im Bau begriffenen Eisenbahn von Berlin zur Oder, Berlin mit Königsberg, und durch eine Zweigbahn mit Danzig verbände, auch unter Umständen bis zur russischen Grenze fortgesetzt werden könnte; b) eine Eisenbahn bis zur Verbindung von Posen, einerseits mit der nach Preußen, andererseits mit der nach Schlesien führenden Linie. Für diese Eisenbahnen wurden seit 1843 umfassende Vorarbeiten durchgeführt. Für die Eisenbahn nach a) und einem Abzweig nach Posen hatte der Staat die Kosten übernommen, um bei der geplanten Übernahme des Baus der gesamten Bahn durch einen, nach zu findenden Privatunternehmer eine Verhandlungsgrundlage zu schaffen. Für die Bahn nach b) hatten sich vorbereitende Komitees in Stettin, Posen und Breslau gebildet. Dabei wollte das Stettiner Komitee vorrangig die Fortsetzung der, im Bau befindlichen Verbindung Stettin-Stargard bis Posen bevorzugen. Die Staatsregierung wollte für ihre Verhandlungen erst ihre Vorarbeiten beenden und begann erst 1845 die Gespräche mit den Komitees. 1846 erfolgte die erste Fortsetzung auf dem rechten Oderufer, nach Fertigstellung der Strecke Stettin-Stargard mit der Verlängerung in Richtung Posen. Begründet war die späte Fortsetzung durch schwierige Geländeverhältnisse in der Odermündung. Zu dieser Zeit spielten noch die Seewege und die Binnenwasserstraßen die wichtigste Rolle im Verkehr mit beträchtlichen Massengütermengen von den westlichen preußischen Provinzen in die östlichen Provinzen. Dazu gehörte der Transport von Naturprodukten, Holz und Getreide westwärts bis zur Elbe und von Kolonialwaren (höherwertige Lebensmittel) aus Hamburg und Stettin ostwärts. Das hatte zur Folge, dass durchgehende Kunststraßen (Chausseen) von Berlin nach Königsberg über Küstrin, Landsberg, Dirschau und Elbing bestanden. Durch Abzweigungen waren die Städte Posen und Danzig angebunden. Zusätzlich entstand zwischen Stettin und Danzig eine weitere ostseenahe Chausseeverbindung. So vorteilhaft alle diese Verbindungen bei guter Wetterlage waren, so schwierig wurden die Verhältnisse für die Wasserstraßen der Eisgang im Winter und Niedrigwasser im Sommer. Die Chausseen litten ebenfalls unter ungünstigen Wetterlagen. Um diesen Problemen aus dem Wege zu gehen, musste für die geplante Eisenbahn eine wetterfeste, auf festen Pfeilern begründeten Überbrückung der Weichsel gebaut werden. Dies sollte die wichtigste Baumaßnahme der ganzen Strecke werden. Für die Festlegung des Streckenverlaufs wurden zwei Alternativen in Betracht gezogen, ausgehend von Berlin-Frankfurt/Oder Richtung Posen und ausgehend von Stettin-Stargard Richtung Dirschau mit einer Zweigbahn nach Posen. Dabei war zu bedenken, dass mit beiden 3.2 Personenverkehr in Preußen 91 Streckenverläufen jenseits der Oder völlig neue Handelswege geschaffen wurden, die wegen der geringer Bevölkerungsdichte keinen starken, inneren Personenverkehr erwarten konnten, aber für den Eisenbahnbau größere Schwierigkeiten erwarten ließen. Die Verbindung von Berlin nach Königsberg wäre nur für den Durchgangsverkehr als Fernstrecke von Bedeutung, weil die größeren Orte der Provinzen umfahren wurden. Diese Überlegungen gaben denen, die die Meinung vertraten, die Eisenbahn könnte nur ertragreich sein, wenn sie einen schon vorhandenen Verkehr unterstützten und vorhandene Wasserstraßen bei schlechter Witterung ergänzte, eine willkommene Gelegenheit eine dritte Alternative für die Streckenführung mit dem Anschluss mehrere größerer Orte vorzustellen. Aus dieser Situation heraus entspann sich eine lebhafte Diskussion zwischen den Kommissionen und den Städten über die Bewertung dieser vorgeschlagenen Streckenverläufe für die jeweiligen Interessen. Die widerstrebenden Meinungen veranlassten die Kommission, drei Streckenverläufe zu definieren und nach gemeinsamen Grundlagen zu bewerten. Für die Verbindung zwischen Berlin und Dirschau wurden die folgenden Alternativen erkundet und vermessen:  In der südlichen Richtung war es die Linie Frankfurt a. O.-Meseritz-Posen-BrombergDirschau,  in der nördlichen Richtung die Linie Pommersch Stargard über Falkenburg-Landeck-KonitzPreußisch Stargard-Dirschau,  in der mittleren Richtung die Linie Berlin-Küstrin-Lamdsberg-Driesen-SchneidemühlBromberg-Dirschau. Für die Zweiglinien nach Posen, nach Pommersch Stargard, nach Danzig wurden entsprechen verfahren. Auf dem rechten Weichselufer wurde die Strecke MarienburgElbing-Braunsberg-Königsberg vermessen. Für die drei infrage kommenden Alternativen wurde ein Vergleich der Kosten angestellt. Die Kommission fand ihren Abschluss Ende 1844 und belegte ihre Untersuchung mit einem ausführlichen Bericht vom 2. November 1844. Darin wurden die Kosten für die Eisenbahn von Danzig über Dirschau nach Königsberg mit 7,53 Mill. Thaler festgestellt, zuzüglich der Kosten für BrückenStrom- und Deichbauten von 6,2 Mill. Thalern. Das ergab eine Gesamtsumme von 13,73 Mill. Thaler für eine Streckenlänge von 180 km. Die Gesamtlänge der Eisenbahn zwischen Berlin und Königsberg betrug je nach Streckenverlauf zwischen dem südlichen Verlauf von 658 km, dem nördlichen Verlauf von 601 km und dem mittleren Verlauf von 609 km. Alle angenommenen Vorschläge wurden mit der A.K.O. vom 22. Februar 1845 ihre Genehmigung. Über die endgültige Richtung wurde noch nicht entschieden, innerhalb 92 3 Personenverkehr der Staatsregierung bestand eine Referenz für die nördliche und auch für die mittlere Richtung. Am 8. März 1846 erfolgte die Konzessionierung Mit der A.K.O. vom 8. März 1845 erfolgte die Konzessionierung der Strecke nach erfolgreicher Aktienzeichnung. Darauf erfolgten durch die Kommission umfassende organisatorische Arbeiten für den Beginn des Streckenbaus. In der Zwischenzeit waren die Gespräche über den Anschluss nach Polen und Russland positiv verlaufen und man erwog eine Verbindung der mittleren und der nördlichen Richtung, um die Verbindungen nach Petersburg und nach Warschau zu verbessern.193 Abbildung 15: Entwicklung des Personenverkehrs der POB Datenquelle: Fremdling, Rainer; Kunz, Andreas; Ziegler, Dieter: HISTAT (Hist. Statistik). Die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechterten sich seit Mai 1844 durch verschiedenen Einflüsse derart, dass der preußische Staat keine Möglichkeit mehr sah, private Geldgeber für den Bau der Eisenbahn zu gewinnen. Der Finanzminister Flottwell194 berichtete dem König am 13. Mai 1846, dass es „unter den vorliegenden Verhältnissen nicht an der Zeit sei, mit einer Privatgesellschaft“ über den Bau der Eisenbahn „zu verhandeln“. Weitere Versuche doch noch private Geldgeber zu ermuntern, den Bau durch finanzielle Beteiligung oder Übernahme zu übernehmen schlugen sämtlich fehl. Durch A.K.O. vom 7. November 1846 wurde das Staatsministerium aufgefordert, in Erwägung zu ziehen, die gesamte Eisenbahnstrecke von Berlin nach Königsberg ganz auf Kosten des Staates auszuführen. Die erforderlichen Geldmittel sollten durch eine Staatsanleihe aufgebracht werden, die durch eine Vorlage beim Vereinigten Landtag zu genehmigen sei. Die A.K.O. vom 23. März 1847 verfügte die entsprechende Vorlage. Der vereinigte 193 194 Vgl. Fleck, G. (1898), S.653-669. Flottwell, Heinrich Eduard-von, preußischer Staatsmann (1786-1865) - Quelle: NDB. 3.2 Personenverkehr in Preußen 93 Landtag ließ gleich zum Beginn der Beratungen verlauten, dass er sich nicht als befugt ansah, einer entsprechenden oder sonst irgendeiner Staatsanleihe zuzustimmen. Die Angelegenheit entwickelte sich zu einem Kompetenzstreit zwischen König und Vereinigten Landtag und wirkte sich dadurch bremsend auf den Eisenbahnbau aus, der jedoch trotzdem und in Erwartung einer späteren günstigen Lösung der Finanzfrage, zügig weitergeführt wurde.195 Die politischen Ereignisse von 1848/49 hatten einen einschneidenden Einfluss auf die Eisenbahnen, die zu dieser Zeit in der Planung oder im Aufbau befindlich waren und noch nicht ausfinanziert waren. Die schon fertiggestellten Strecken waren von diesen Vorgängen nicht wesentlich beeinflusst. Seit dem Frühjahr 1848 verbreitete sich wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit eine große Arbeitslosigkeit aus. Die Aktionäre der Eisenbahnen wollten oder konnten die weitere Finanzierung deshalb nicht übernehmen. In dieser Situation traf der preußische Staat die Entscheidung, sich von dem Anfang April einberufenen Vereinigten Landtag eine Ermächtigung geben zu lassen, die erforderlichen Mittel für den Eisenbahnbau auf eigene Verantwortung zu beschaffen. Damit sollten die in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Eisenbahngesellschaften unterstützt werden. Besonders aber sollte die begonnene Ostbahn weitergebaut werden. Damit war auf mehrere Jahre für gewerbliche Unternehmer und für Handarbeiter für Arbeit gesorgt. Mit der A.K.O. vom 14. Juni 1848 wurde bestimmt, dass mit den angefangenen Erdarbeiten für die Ostbahn von Driesen in Richtung auf Bromberg fortgefahren werden sollte. David Hansemann, vorübergehend Finanzminister in Preußen, sah nun die Gelegenheit, auf den vom ihm schon länger vertretenen Gedanken einer Preußischen Staatsbahn hinzuarbeiten. Er verfasste eine Denkschrift zur Vorlage für die Nationalversammlung, betreffend „den Erwerb von Aktiengesellschaften gebauter oder noch im Bau begriffener Eisenbahnen und die Beschaffung der dazu sowie zur Herstellung einiger anderer Eisenbahnen, namentlich der Ostbahn, erforderlichen Mittel“.196 Wären alle diese Vorhaben verwirklicht worden, so wäre der größte Teil der preußischen Eisenbahnen in den Besitz des Staates gelangt. Vorerst beeinflusste es jedoch hauptsächlich nur den Weiterbau der Ostbahn. Mit dem Beginn des Weiterbaus in Richtung Bromberg kam es wieder zum Streit mit und innerhalb der Nationalversammlung, Es ging jetzt um die gewählte Richtung des Weiterbaus, in dem die Abgeordneten und die Staatsregierung unterschiedlicher Meinung waren. Nach zähem Streit wurde jedoch der Weiterbau wie geplant weitergeführt. Zu einer Weiterführung der 195 196 Vgl. Fleck, G. (1898), S.669-679. Vgl. AfE Jahrgang 1880, S.141ff. zitiert in Fleck, G. (1901), S.759. 94 3 Personenverkehr Staatsbahnpläne kam es jedoch nicht, weil in der Folge der politischen Entwicklung die Nationalversammlung im Dezember 1848 aufgelöst wurde und Hansemann als Finanzminister zurücktrat. Die Staatsregierung übernahm danach wieder die Regierungsgewalt und beendete damit den Streit über die Ziele und die Pläne der Eisenbahnen. Die bestehenden Eisenbahnen litten weiterhin an dem Einbruch ihrer Erträge, sodass sie zu dem einzigen Mittel griffen, das ihre Verluste begrenzen könnte, sie erhöhten die Personentarife. Die Entscheidung war begründet in der damaligen Ansicht, dass die Eisenbahngesellschaften ihre Haupteinnahmequellen im Personentransport zu sehen haben.197 Der Nachfolger von Finanzminister Hansemann, August von der Heydt198 Handelsminister seit Dezember 1848, sah als wichtiges Projekt für den Weiterbau auf Staatskosten, die Ostbahn an. Für deren Vollendung waren jedoch noch wesentliche Finanzmittel erforderlich und deshalb holte er unverzüglich die verfassungsmäßige Zustimmung der Kammern ein.199 Die Fertigstellung der Ostbahn bis Danzig und bis Königsberg erfolgte im August 1853. Es verblieb jedoch noch eine Lücke zwischen Dirschau und Marienburg, die mit der Fertigstellung der Brücken über die Weichsel und die Nogat im Jahre 1857 geschlossen wurde. Diese Brückenbauten waren in den 40er Jahren infolge der ungünstigen Zeiten um fast drei Jahre unterbrochen worden und konnten ab 1852 mit der, in der Zwischenzeit gewonnenen technischen Erfahrungen im Eisenbahn- und im Brückenbau, in soliderer Ausführung errichtet werden.200 Im gleichen Jahr wie die Fertigstellung der Brücken konnten auch die Staatsverträge geschlossen werden, die durchgehende Verbindungen zwischen Berlin und St. Petersburg wie auch nach Warschau sicherstellten. Die endgültige Fertigstellung erfolgte dann erst 1862. Für eine direkte Verbindung nach Berlin fehlte jedoch noch die direkte Verbindung von Berlin nach Küstrin. Deshalb musste die Bahn einen Umweg von Küstrin auf der rechten Seite der Oder, über die vorhandene Überbrückung der Oder und auf der linken Seite nach Frankfurt/Oder zur Märkisch-Niederschlesischen Eisenbahn machen, um dann weiter nach Berlin zu fahren. Das war organisatorisch kein Problem, diese Bahn war auch schon in Staatsbesitz. Zeitlich ergab sich jedoch ein Umweg von 30 km. Erst fünf Jahre später, im Jahre 1867 konnte die Ostbahn direkt von Berlin nach Osten fahren und erhielt in Berlin 197 198 199 200 Vgl. Fleck, G. (1901), S.763 Fußnote Heydt, August Freiherr von der (1801-1874), Bankier, Politiker – Quelle: NDB Vgl. Fleck, G. (1901), S. 758-763. Vgl. Fleck, G. (1901), S. 768. 3.2 Personenverkehr in Preußen 95 einen eigenen Bahnhof.201 Mit dieser Strecke wurde der direkte Personen- und Güterverkehr über die Landesgrenzen im Osten Preußens nach Russland und Polen hergestellt. Die Ziele bei der Planung von Eisenbahnstrecken im Osten und Nordosten des Landes bestanden für den preußischen Staat in der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung von Vorpommern, Hinterpommern im Falle von wetterbedingten Ernteausfällen und zeitweise von größerer Dringlichkeit in der Schaffung von Transportmöglichkeiten für Truppenbewegungen im Kriegs- oder militärischen Bedrohungsfall. Die vorhandenen Wasserwege und die Landstraßen hatten für diese Aufgaben in diesen weitläufigen weniger besiedelten Landesteilen nicht oder selten die erforderliche Kapazität. Für den Bau der Eisenbahnen wurde an erster Stelle um private Investoren geworben. Wenn das nicht zum Erfolg führte oder die Forderungen der Investoren nicht annehmbar waren, wurden die Projekte auf Staatskosten ausgeführt.. 3.2.10 ‚Junction’ und ‚Commuter’ In den Anfangsjahren der Eisenbahn in Preußen, ebenso wie in Deutschland und dem Ausland wurden die ersten Eisenbahnstrecken meist nach lokalen Nützlichkeitsüberlegungen geplant, finanziert und gebaut. So entstanden über das Land verteilt Eisenbahnen zur Verbindung einzelner Handelsstädte. Zwischen diesen Bahnen wurde der Verkehr, hauptsächlich noch der Personenverkehr, mit den traditionellen Verkehrsmitteln, die einen beachtlichen Entwicklungsstand erreicht hatten, von der Post und privaten Fuhrunternehmern auf oft gut ausgebauten Chausseen abgewickelt. Für den Güterverkehr war diese Art des Transports mit mehreren Umladungen zwischen dem Verkehrsmittel aufwendig und damit wirtschaftlich nicht attraktiv. Mit dem zunehmenden Bau weiterer Eisenbahnstrecken wurden viele der Lücken geschlossen und es wurden längere, durchgehende Reisen, auch ins Ausland möglich. Diese brachten den Geschwindigkeitsvorteil der Eisenbahn voll zur Wirkung. Diese Lückenschlüsse werden als „Junction“ bezeichnet. Dazu gehörten z. B. die Eisenbahnen des Königreichs Hannover, die gemeinsam mit den Bahnen des Herzogtums Braunschweig die Verbindung zwischen Minden und Magdeburg herstellten und damit die preußischen Rheinlande mit Berlin und den Osten Preußens, wie auch die sächsischen Bahnen verbanden. Der Plan für den Bau einer Hannoverschen Staatsbahn stammte aus den frühen 1830er Jahren und wurde im Zusammenhang mit den braunschweigischen Planungen zum Eisenbahnbau entwickelt. Durch die Personalunion des hannoverschen mit dem englischen Königreich entsprachen die politischen 201 Fleck, G. (1904), S. 364f. 96 3 Personenverkehr Vorstellungen nicht immer denen der umliegenden Staaten. Daraus ergab sich auch die Verzögerung des Beitritts zum Zollverein bis 1854. Nachdem die Ständeversammlung den Bau von Eisenbahnen auf Staatskosten im Juni 1842 bewilligte, wurde der Bau unverzüglich aufgenommen. Am 23. Oktober 1843 konnte die Strecke Hannover-Lehrte dem Verkehr übergeben werden. Bis Ende 1843 wurde sie bis Peine fortgeführt. Bis Dezember 1847 wurde Bau zügig weitergeführt. Die Verbindung von Peine bis zur braunschweigischen Grenze konnte 1844 eröffnet werden. Weitere Strecken folgten, wie die besonders für Preußen wichtige Strecke Hannover-Minden.202 Die braunschweigische Staatsbahn verdankt dem leitenden Finanzbeamten von Amsberg203 die erste Staatseisenbahn Deutschlands. Er betrieb die Planung und den Bau der Eisenbahn voran, weil er den vorteilhaften Platz des Herzogtums Braunschweig im Handelsstraßennetz Mitteldeutschlands erhalten und weiter entwickeln wollte. Die Gefahr der Abschottung gegenüber den Nachbarstaaten bestand deshalb, weil Braunschweig, wie Hannover lange nicht dem Zollverein angehörten. Als erste Bahn wurde die Strecke von Braunschweig über Wolfenbüttel nach Harzburg 1837 genehmigt und mit der ersten Teilstrecke nach Wolfenbüttel am 1. Dezember 1838 eröffnet. Die gesamte Bahn wurde am 31. Oktober 1841 in Betrieb genommen. 1843 wurde die Bahn weitergeführt nach Oschersleben und damit ein Anschluss zur Strecke Magdeburg-Halberstadt geschaffen. Dieser Anschluss bildete die für Preußen wichtige Verbindung in Richtung Minden. Diese wurde am 19. Mai 1844 durch die Strecke Braunschweig-Vechelde vervollständigt. Die Bahn war an das hannoversche Bahnnetz angeschlossen und die Verbindung nach Minden geschlossen.204 Für die Realisierung der Eisenbahnstrecken über das Territorium des Kgr. Hannover und des Hzg. Braunschweig wurde ein Staatsvertrag vom 10. April 1841 mit der preußischen Regierung geschlossen. Er beinhaltete das gegenseitige „Verpflichtung“, eine durchgehende Eisenbahnverbindung „von Magdeburg über Aschersleben nach Braunschweig, Hannover und Minden zu gestatten“.205 Für die Verbindung von Hannover nach Minden über Wunstorf, Haste und Bückeburg musste mit der Regierung von Hannover, der Regierung von Kurhessen und von Schaumburg-Lippe am 4. Dezember 1845 ein weiterer Staatsvertrag geschlossen werden, der die Verpflichtung enthielt, für die Vollendung der Verbindung mit der Köln-Mindener Eisenbahn „spätestens bis zum Ablauf des Jahres 1847 202 203 204 205 Vgl. Fremdling, Rainer; Federspiel, Ruth; Kunz, Andreas (1995), S. 37. Amsberg, August Philipp von (1788-1871), Schöpfer der ersten deutschen Staats-Eisenbahn – Quelle: NDB. Vgl. Fremdling, Rainer; Federspiel, Ruth; Kunz, Andreas (1995), S. 35. Vgl. Westermann, W. (1846), S.310ff. 3.2 Personenverkehr in Preußen 97 zu sorgen“.206 Zur Ergänzung wurde mit gleichem Datum, für den Betrieb der gesamtem Strecke nach der Eröffnung, zwischen der hannoverschen und der preußischen Regierung ein zweiseitiger Staatsvertrag geschlossen, der die Verwaltung, den Betrieb und die Eigentumsverhältnisse auf die Hannoversche Staatsbahn und die Köln-Mindener Eisenbahn regelte.207 Die durchgehende Verbindung von Berlin nach dem Westen Preußens bis an die belgische Grenze hatte nach der Eröffnung des westlichen Teils, der Rheinischen Eisenbahn (1843) und des mittleren Teils, der Strecke Berlin-Hannover (1844) beim Inkrafttretens des Fahrplanes vom 1. Mai 1847 noch eine Lücke zwischen Hamm und Hannover. Diese wurde von der Cöln-Mindener Eisenbahngesellschaft und der hannoverschen Staatsbahn im Herbst 1847 geschlossen. Damit erst war die gesamte Strecke durchgehend befahrbar.208 Es blieben jedoch immer noch kleinere Lücken. Wenn die Verbindung vom Südosten Preußens, von Oberschlesien mit Anschluss nach Österreich, betrachtet wird, verblieb im Schienenverkehr eine Lücke im Stadtgebiet um Berlin und der Rhein bei Köln. Die Rheinüberquerung für die Eisenbahn auf einer Eisenbahnbrücke, die die Bahn vom Rheinhochwasser unabhängig machte, wurde Der „Gemeinderath von Cöln“ erbat mit einer Immediateingabe vom 24. Juni 1847 um die Erstellung einer solchen Brücke, die für den Eisenbahnverkehr geeignet war, auf Staatskosten. Er verwies in seiner Eingabe auf die Eisenbahnbrücke für die preußische Ostbahn, die über die Weichsel bei Dirschau auch auf Staatskosten errichtet werden sollte. Die Staatsregierung lehnte den Bau ab, war aber bereit, die Stadt Cöln durch technische Hilfe zu unterstützen, wenn sie den Bau selbst durchführte. Durch die politischen Ereignisse des Jahres 1848 kam das Vorhaben, wie so viele andere Eisenbahnpläne zum Stillstand. Einen ähnlichen Verlauf nahm das Projekt einer Ringbahn, die die andere Verkehrslücke in der Fernstrecke im Stadtgebiet um Berlin überbrücken sollte, siehe dazu unten.209 Die Eisenbahnbrücke wurde von der Cöln-Mindener Eisenbahn 1855 begonnen und 1859 für den Verkehr freigegeben. Eine Eisenbahn nach dem Westen Preußens südlich des Harzes verlaufend, wurde 1854 mit der Thüringischen Eisenbahn von Halle über Merseburg, Weimar, Erfurt, Eisenach, nach Gerstungen zum weiteren Anschluss an die Minden-Kölner Eisenbahn eröffnet und bildete eine Alternative zur nördlichen Verbindung über Braunschweig und Hannover. Die nördliche Verbindung durchfuhr eine weitgehend ebene Strecke während die südliche hohe 206 207 208 209 Vgl. Westermann, W. (1846), S.315ff. Vgl. Westermann, W. (1846), S.320ff. Vgl. Fleck, G. (1899b), S.11. Vgl. Fleck, G. (1899b), S.20. 98 3 Personenverkehr Ansprüche an den Streckenbau stellte, der durch zahlreiche Brückenbauten, Flussüberquerungen und tiefe Einschnitte gelöst werden musste. Für die Durchquerung der Staaten Kurhessen, Sachsen-Weimar und Sachsen-Coburg-Gotha hatte Preußen am 20. Dezember 1841 einen Staatsvertrag geschlossen. Im Frühjahr 1842 wurde von den thüringischen Staaten ein Enteignungsgesetz erlassen und es wurden Aktiengesellschaften zur Beschaffung des Kapitals gegründet. Damit konnten die Vorarbeiten für die Strecke beginnen. Im Herbst 1844 wurden die notwendigen Konzessionen der beteiligten Regierungen erteilt und die Statuten der „Thüringischen Eisenbahngesellschaft“ bestätigt.210 Am 24. Juni 1847 wurde die Strecke bis Eisenach eröffnet und am 25. September 1849 wurde Gerstungen als Endpunkt erreicht, wo die Hessische Anschlussbahn nach Kassel begann. Eine andere Verbindungsbahn in diesem Sinne war die erste Berliner Ringbahn, eröffnet am 12. Mai 1851, die die vier Kopfbahnhöfe der einmündenden Fernbahnen an der Berliner Peripherie untereinander verband, um in diesem Fall, die Güter von einer Bahn zu einer anderen Bahn zu transportieren, um sie weiter zu befördern. Die Bahn bestand anfangs aus einer 9 km langen eingleisigen Bahn, die auf Straßenniveau, ähnlich einer heutigen Straßenbahn verlegt war. Die Idee zu dieser Bahn wurde schon 1844 entwickelt, aber langwierige Planungen und Widerstände führten erst 1851 zum Bau dieser Bahn auf Staatskosten. Weiterer Ausbau und Korrekturen in der Führung der Strecke in den Folgejahren ermöglichten erst am 1. Januar 1872 zur Aufnahme des Personenverkehrs auf einer stark erweiterten Strecke.211 Eine weitere Art der Netzbildung bzw. der Zuführung von Verkehr zu den Hauptstrecken der Bahnen sind die „Commuter“, das sind Zubringer, die Personen und Güter von Orten, die entweder starke Wohngebiete sind oder von Orten, die ein starkes Güteraufkommen aus Gewerbebetrieb haben an den Eisenbahnverkehr anzubinden. In den ersten Tagen des Eisenbahnbaus wurden von den Eisenbahngesellschaften auf eigene Kosten aber auch unter Beteiligung des Staates Zubringerstraßen und Chausseen gebaut, die den Güterund den Personenverkehr, von neben den Strecken liegenden Orten, zu den Eisenbahnhaltepunkten mit Kutschen und Fuhrwerken betrieben. Das sollte auch vermeiden, zu oft von einer geraden Strecke zwischen zwei Endpunkten abzuweichen um in der Nähe liegende oder bedeutendere Wirtschaftsorte direkt an eine Strecke anzubinden und damit 210 211 Vgl. Fleck, G. (1895), S.39. Vgl. Suadicani (1917); Vgl. Fleck, G. (1899b), S.20f. 3.3 Abbau der Beschränkungen an staatlichen Grenzen 99 die Streckenführung wesentlich zu verteuern. Hierzu kamen bei weiterem Ausbau der Netze, die Lokal-, Zweig-, Anschluss- und Verbindungsbahnen, die teilweise als Normalspur und auch in der Technik einer Schmalspurbahn gebaut wurden und ein wesentliche Bestandteil eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes wurden. Diese Bahnen traten zwar in starke Konkurrenz zu den traditionellen Verkehrsmittel, wie privaten Fuhrbetrieben und den Personenposten, sie haben aber über viele Jahre nicht zu einer Verdrängung geführt, sondern auch diesen Verkehrsträgern zu einen Aufschwung verholfen, bis sie erst nach dem Ende des Jahrhunderts vom Automobilen als Omnibus oder Privatautomobil ersetzt wurden. In den Jahren, die diese Untersuchung betrachtet, hatten sie Teil an der allgemeinen Entwicklung des Reiseverkehrs. 3.3 Abbau der Beschränkungen an staatlichen Grenzen Mit der Gründung des Deutschen Bundes 1815 wurden auch einheitliche Regelungen für Handel und Verkehr im Bundesgebiet festgelegt. Als sich diese Regelungen nicht durchsetzten, wurden in Preußen die unterbrochenen Bestrebungen für ein Handels- und Zollgesetz fortgesetzt. Es schlossen sich alle deutschen Staaten, außer Österreich diesen Vorhaben an, und 1834 erfolgte die Gründung des Deutschen Zollvereins. Er brachte. erstmals zwischen den selbstständigen deutschen Staaten, eine Regelung zustande, die den Warenaustausche über die Staatsgrenzen einem festen Zoll und Abgabenkatalog unterwarf. Die Hoffnungen, die Handel und Gewerbe daran knüpften, erwiesen sich jedoch als zu optimistisch. Die größeren Staaten, darunter besonders Preußen versuchten die kleineren Staaten ihren Vorstellungen zu unterwerfen und setzten die Regelungen zu ihren Gunsten um.212 In den einzelnen deutschen Staaten wurde die Gewerbefreiheit per Gesetz seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts umgesetzt. In Preußen in vollem Umfang seit dem Steueredikt vom 2. November 1810 durch Hardenberg. In den angrenzenden deutschen Ländern z. B. in Westfalen noch unter französischer Herrschaft am 5. August 1808, Linksrheinisch ebenfalls unter französischer Herrschaft schon ab 1795. In Sachsen (1861), in Baden (1862), in Württemberg (1862 und in Bayern (1868). Aber schon vorher wurden die Beschränkungen in einzelnen Bereichen gelockert, um die Zunftbestimmungen teilweise aufzuheben. Das Ziel war die völlige Freiheit der Gewerbe, um die Güterproduktion aus 212 Vgl. Henning, Friedrich-Wilhelm (1993), S. 89f. 100 3 Personenverkehr den Begrenzungen der Zünfte zu befreien und zu einer industriellen Produktionsweise überzugehen. Es galt, die steigende Einwohnerzahl, die durch die Bauernbefreiung und durch die Umwälzungen der landwirtschaftlichen Produktion wesentlich mobiler geworden war, mit Arbeitsmöglichkeiten zu versorgen. Die Auswirkungen und Einflüsse der Gewerbefreiheit sind in der Literatur umstritten, da erst ab 1861 eine statistische Aufnahme des Gewerbes auf Zollvereinsebene durchgeführt wurde.213 Die politischen Entwicklungen hatten die Notwendigkeit für eine Steigerung der Kapazitäten des Güterverkehrs zur Folge. Der Bedarf für die Steigerung der angebotenen Kapazitäten für den Personenverkehr wurde noch nicht gesehen. In den Anfangsjahren der Eisenbahn bestand Deutschland noch aus vielen verschiedenen selbstständigen Staaten mit eigenen Grenzen, mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, aus Restriktionen und eigenen Aufenthalts- und Reiseformalitäten. Nachdem die Strecken verlängert wurden und Grenzen überschritten wurden, stellte sich die Frage nach der eindeutigen Identifikation der Person des Reisenden. Erst 1850 wurde in Preußen eine persönliche, dauerhafte Passregelung eingeführt um Reisen mit Grenzübertritt zu vereinfachen. In diesem Kapitel sollen die Grenzregelungen der einzelnen Staaten, besonders bei Reisen von und nach Preußen, untersucht werden. Worum es hier geht und wie Zeitgenossen davon betroffen waren, zeigt das folgende oft erwähnte Zitat: »Wir sprachen sodann über die Einheit Deutschlands und in welchem Sinne sie möglich und wünschenswert sei. „Mir ist nicht bange“, sagte Goethe, „daß Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das ihrige thun. Vor allem aber […], daß der deutsche Taler und Groschen im ganzen Reiche gleichen Wert habe; eins, daß mein Reisekoffer durch alle sechsunddreißig Staaten ungeöffnet passieren könne. Es sei eins, daß der städtische Reisepaß eines weimarischen Bürgers von dem Grenzbeamten eines großen Nachbarstaates nicht für unzulänglicher gehalten werde, als der Paß eines Ausländers. Es sei ferner eins in Maß und Gewicht, in Handel und Wandel und hundert ähnlichen Dingen, die ich nicht alle nennen kann und mag.“«214 213 214 Vgl. Henning, Friedrich-Wilhelm (1993), S. 63f. Eckermann, Johann Peter (1828), S.605: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. 1823 - 1832; 3.3 Abbau der Beschränkungen an staatlichen Grenzen 101 3.3.1 Persönliche Identifikation Im Amtsblatt der kgl. Regierung zu Potsdam vom 23. Dezember 1844 wurde in der Verordnung in Bezug auf die Legitimationsführung, in den durch Eisenbahnen verbundenen preußischen und den benachbarten deutschen Staaten, über die Schwierigkeiten bei der Durchführung der geltenden Vorschriften referiert und Änderungen bekannt gegeben. Zu dieser Zeit erfolgte die Legitimation von Reisenden der Eisenbahn nach den Vorschriften des Paß-Edikts vom 22. Juni 1817. Es kam nach der Einführung der Eisenbahn und besonders durch die Streckenführung über die Staatsgrenzen hinaus, zu Auslegungs- und Betriebsproblemen, sodass eine Änderung der veralteten Vorschriften zwingend erforderlich wurde. In einer gemeinsamen Erklärung der Nachbarstaaten Preußens, der kgl. sächsischen, der kgl. hannoverschen, der hzgl. braunschweigischen und der hzgl. Anhaltischen Regierungen u. W. über eine Vereinbarung über gewisse Erleichterungen, wurden diese Regelungen festgelegt. Ebenso im Passkartenvertrag vom 18. Oktober 1850215 wird u. a. Folgendes vorgeschrieben: Die Einwohner des Bahn-Rayons (hier werden die einzelnen Landesteile der beteiligten Staaten benannt) welche »nach den […] Bestimmungen zur Führung von Paßkarten berechtigt sind, werden von der Verpflichtung entbunden, sich für die Reisen innerhalb des [Bahn-Rayons] mit Ausgangspässen versehen zu müssen«. Für die Einwohner der Landesteile der Nachbarstaaten gilt die Passkarte ebenfalls als Ersatz für den sonst erforderlichen Eingangspass. Die von den Polizeibehörden als »vollkommen sicher und zuverlässig geltenden Einwohner des Bahn-Rayons […] erhalten künftig für ihre Reisen innerhalb des Bahn-Rayons, […] statt der Pässe Paßkarten. Mit diesen kann innerhalb der Bahn-Rayons beliebig, auch ohne Benutzung der Eisenbahn gereist werden. »Als vollkommen zuverlässig gelten den Polizeibehörden […] alle diejenigen selbstständigen Personen, welche innerhalb des Bahn-Rayons ihren ordentlichen festen Wohnsitz haben.« Daraus ergab sich zwangsläufig, dass keinen Anspruch auf Passkarten und damit keine Reisefreiheit, mit oder ohne die Eisenbahn, diejenigen Personen hatten, die »Gewerbegehilfen, Handwerksgesellen u. dergl.« ebenso wie »Dienstboten oder Arbeitssuchende« waren. Diese Gruppe musste auch weiterhin einen Pass für eine Reise beantragen. Bei Abhängigen, wie »Dienstboten, welche mit den Herrschaften reisten«, »Kinder und Ehefrauen, welche mit ihren Eltern und Ehegatten, und Dienstboten, welche mit ihren Herrschaften reisen, werden durch die Passkarten der Letzteren legitimirt.« Es werden noch weitere Gruppen genannt, die diese Passkarten unter bestimmten Bedingungen erhalten konnten, wie Studierende, Offizier und allgemein Militärpersonen. Die Passkarten wurden von den gleichen Polizei-Behörden ausgestellt, die auch die normalen Reisepässe ausstellte. Die Gültigkeitsdauer der Passkarten war auf ein Kalenderjahr festgelegt und die Kosten auf fünf Silbergroschen. Abschließend wurde angeordnet, dass jeder Reisende auf der Bahn oder nur innerhalb des Bahn-Rayons, eine Passkarte jederzeit bei sich zu führen und einem 215 Vgl. Torpey, John (2000), S. 76ff. 102 3 Personenverkehr Polizeibeamten vorzuzeigen hatte. Wer keine Karte vorweisen konnte, wurde arretiert, wer Passkarten fälschte, wurde mit einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe belegt.216 Die Einführung der Passkarte mit dem Passkartenvertrag vom 18. Oktober 1850 zwischen den deutschen Staaten hatte einen merkbaren Anteil an der Lockerung der Restriktionen im Verkehr beim Grenzübertritt und auch beim Verkehr innerhalb der Staaten selbst. Der Vertrag vereinheitlichte und vereinfachte die Informationen, die in der Passkarte über die Eigentümer dokumentiert waren. Die Passkarten trugen auf der Außenseite das Staatswappen der ausstellenden Behörde und die Passnummer. Die Angaben zur Person umfassten den Namen, den Stand der Person und seinen Wohnort. Persönliche und körperliche Merkmale, wie Alter, besondere Kennzeichen und die Haarfarbe vervollständigten die Identifikation des Besitzers. Mit der Einführung der Passkarte wurden bei den meisten Staaten sukzessive die Visa abgeschafft, weil man diese als nicht mehr notwendig und nutzlos erkannte. Bei allen Erleichterungen, die sich durch die Einführung der Passkarte ergaben, ist nicht zu übersehen, dass damit das alte Misstrauen des Staates gegenüber seiner Bevölkerung auf eine neue Stufe gestellt wurde, die die Kontrolle und die Separierung von, wie es hieß, unzuverlässiger Personen verfestigte. Es gab kein absolutes Recht auf die Ausstellung einer Passkarte, in keinem der Staaten, die diesen Vertrag unterzeichnet hatten. Die Regelungen für die Vergabe der Passkarten wurden an eine nachgewiesene Zuverlässigkeit im Sinne des Staates gebunden. Zu den, als unzuverlässig eingestuften Personen, wurden solche gerechnet, die keinen festen oder vorübergehend keinen festen Wohnsitz nachweisen konnten. Dazu gehörten wandernde Gesellen, Handlungsreisende, reisendes Dienstpersonal auf Arbeitssuche, Saisonarbeiter in der Landwirtschaft und auch politisch verdächtige Personen. Das Ergebnis dieser Aussonderung war, dass jeder, der keine Passkarte vorweisen, konnte tendenziell als unzuverlässig, d. h. als kriminell eingestuft wurde.217 Unter diesen Bedingungen erscheint es unwahrscheinlich, dass sich unter dem Zwang dieser behördlichen Überwachung und Reglementierung ein Personenverkehr, in dem Umfang wie in den Folgejahren, entwickelt hätte. Auch wäre es nicht möglich gewesen, dass sich ein demokratisches Verkehrssystem hätte entwickeln können, an dem jeder, ob Bürger, Militär, Handwerker und Arbeiter hätte teilnehmen können. Den Behörden erschien dieses Verfahren schon als ein Fortschritt, aber für die Menschen in Preußen 216 217 Vgl. Paßkarten für Eisenbahn-Reisende (1845). Vgl. Torpey, John (2000), S.76. 3.3 Abbau der Beschränkungen an staatlichen Grenzen 103 mussten noch weitere Schritte in Richtung Reisefreiheit folgen, um die Eisenbahn zu ihrem Erfolg zu führen. Den Zeitgenossen erschienen sie aus ihrer Sicht als ein Fortschritt gegenüber den alten Regelungen, wurde doch erstmals eine gewisse Liberalität erkennbar. Im praktischen Fall jedoch hatte doch kein Mitglied der beteiligten Staaten ein absolutes Recht zum Erhalt einer Passkarte. Die grundlegende Einschränkung war, dass der Antragsteller absolut „zuverlässig“ zu sein habe. Diese Passus lieferte ihn der Willkür des Staates aus, der seine Kriterien für Zuverlässigkeit nach seinen Regeln feststellen konnte. In den folgenden Jahren wurde Passkartenregelungen jedoch unter dem Druck des Handels und des steigenden Verkehrs, besonders des Eisenbahnverkehrs mehr und mehr gelockert. Der preußische Landtag hob im Jahr 1862 die Visapflicht vollends auf.218 Die 1860er Jahre waren geprägt von den Forderungen der Unternehmer und des Handels aus dem Bürgertum, überkommene Regelungen der Reise- und der Gewerbebeschränkungen aufzuheben. Eine wachsende, funktionierende Industrialisierung war auf den Einsatz von Arbeitskräften und einem freien Handel angewiesen. Ein restriktionsfreier Personen- und Güterverkehr war die Grundlage dafür.219 Eine Meldung von 1845 aus Belgien berichtet über die Abschaffung der Passkontrolle für Reisende aus England, die in Ostende oder in Antwerpen nach Belgien einreisen, mit der Begründung, »weil man gefunden hat, daß der Aufenthalt, welchen das Paßvisiren verursacht, mit der durch die Eisenbahnen bezweckten Schnelligkeit des Reisens nicht verträglich ist«.220 3.3.2 Restriktionen und Zollregelungen In den Protokollen des Wiener Kongresses von 1815, nach dem Sieg über Napoleon, wurden für die deutschen Staaten Erleichterungen für den Handel untereinander und den benachbarten Staaten vereinbart. Im Artikel 19 der Bundesakte wurden Erleichterungen für den Handel und den Verkehr einstimmig beschlossen. Nur drei Jahre später beklagen die Staaten, die Preußen benachbart sind, die Entwicklung, die Preußen durch sein Zollsystem nach 1818 genommen hat. Preußen entwickelte und setze Beschränkungen durch und führte neue Mautsysteme ein, um seine Wirtschaft von Einflüssen der konkurrierenden Nachbarstaaten zu beschränken. Die in Preußen erhobenen Chaussee-Wege und -Brückenzolle verteuerten die eingeführten und die durchgeleiteten Waren um ein Mehrfaches. 218 219 220 Vgl. Torpey, John (2000), S. 77. Vgl. Torpey, John (2000), S. 78. Vgl. Vermischte Nachrichten (1845): Belgien. 104 3 Personenverkehr Dadurch war ein wirtschaftlicher Handel nicht mehr gewährleistet. Den ersten projektierten Eisenbahnen stellten sich dadurch unüberwindliche Barrieren entgegen, die eine Änderung unbedingt erforderlich machten, um den Verkehr zu entwickeln.221 Bei grenzüberschreitenden Verkehr mit der Eisenbahn war es den Reisenden untersagt, in ihrem persönlichen Gepäck (Handgepäck) Gegenstände und Waren mitzuführen, die den Zollregelungen unterlagen. Diese Gegenstände und Waren mussten in den mitgeführten Packwagen deponiert werden und wurden beim Grenzübertritt visitiert und bewertet. Bei der Aushändigung des Gepäcks nach Beendigung der Fahrt mussten die ausgelegten Zollgebühren bei Übergabe der Gegenstände beim Eisenbahnpersonal beglichen werden. Diese Regelung führte jedoch beim Grenzübertritt zu längeren Verzögerungen und sollte deshalb durch ein praktikableres Verfahren ersetzt werden. 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr Bei der Inbetriebnahme der ersten Eisenbahn Preußens Berlin-Potsdam hatte die Verwaltung der Eisenbahngesellschaft noch keine Erfahrungen über den Betriebsablauf und die Organisation der Fahrpläne.222 Die Tarifgestaltung und der Verkauf der Fahrausweise wurden in den ersten Wochen noch weitgehend willkürlich gestaltet. Die Fahrkarten mussten im Gropius’schen Laden in der Bauakademie gekauft werden und berechtigten nur zum Antritt einer genau definierten Fahrt. Diese Regelung zeige sich als nicht praktikabel und wurde schon nach kurzer Zeit, am 18. Juli 1838 mit der Veröffentlichung eines Tarifs geändert. Die Fahrkarten sollten von da an, bis spätestens fünf Minuten vor der Abfahrt des Zuges, direkt am Bahnhof gelöst werden. Reisende, die auf den Zwischenstationen zustiegen, mussten das Fahrgeld beim Zugführer oder beim mitfahrenden Schaffner bezahlen. In diesem Falle erhielten sie keinen besonderen Fahrausweis. Nur die Sitze der ersten Klasse waren nummeriert. Das Personengeld betrug in der I. Klasse 5 Sgr. pro Meile, der II. Klasse 3,57 Sgr. pro Meile, der III. Klasse 2,5 Sgr. pro Meile. Das entspricht 6,65, 4,75 und 3,33 Pfennig pro Kilometer. Dabei ist zu beachten, dass das Fahrgeld der III. Klasse dem bis dahin üblichen Tarif auf der Chaussee mit einem 221 222 Vgl. Plan zur Anlegung einer Eisenbahn zwischen Hannover, Braunschweig u. den freien Hansestädten. Nebst einer Charte u. einer Zeichnung (1832), S.50ff. Über die Geschichte des Tarifwesen bei der Eisenbahn und speziell auch über das Fahrbillett konnten neuere, als die zitierten Untersuchungen, nicht ermittelt werden, deshalb wurde die umfangreiche zeitgenössische Literatur ausgewertet. 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr 105 gewöhnlichen Personenfuhrwerk entsprach. Aus diesem Vergleich ist auch die Wagenform der Personenwagen und deren Komfort für die Reisenden abgeleitet.223 Bei der Bestimmung der Tarife224 für die angebotenen Verkehrsleistungen mussten die Eisenbahngesellschaften in erster Linie zwei Faktoren in Rechnung stellen, Die Investitionskosten, die für den Bau der Strecken aufgebracht worden waren und für die die Investoren eine angemessene Dividende erwarteten und die Kosten des laufenden Betriebes nach der Eröffnung der Bahn. Zu den Ersteren gehörten die Kosten für die Erdarbeiten, der Oberbau, das rollende Materials, sowie der erforderlichen Gebäude für den Betriebsablauf. Die höchsten Kosten verursachten hierbei die Aufwendungen für den Personentransport. Die Personenwagen waren weit aufwendiger im Ausbau als die Güterwagen, auch wenn sie auf den gleichen Unterbaugruppen basierten. Die Hochbauten waren ebenfalls nur für den Personenverkehr besonders einzurichten. Darin waren vorgesehen, Warteräume für die Passagiere, sanitäre Einrichtungen, getrennt für weibliche und männliche Reisende und die Räume des Eisenbahnpersonals für die Kontrolle und die Abfertigung. Für die Höhe der Kosten und der Einnahmen im laufenden Betrieb standen nur die Zahlen der englischen Eisenbahnen zur Verfügung,225 die jedoch nur bedingt Grundlage für die Tarifbestimmung auf den deutschen Eisenbahnen waren. Die englischen Eisenbahnen hatten zwar schon einige Jahre Erfahrung mit dem Betrieb ihrer Bahnen, aber die Betriebsbedingungen und die Konkurrenzsituation zu alternativen Transportmitteln war mit den deutschen Verhältnissen nicht direkt vergleichbar.226 Die Festsetzung der Tarife ausschließlich auf der Grundlage der notwendigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Investoren und eines zusätzlichen Geldgewinns kann zu großen Fehleinschätzungen führen. Die anzustellenden Überlegungen und Kalkulationen müssen konkrete Zahlen berücksichtigen, wie sie aus den vorhandenen Transporteinrichtungen in einem realen Wirtschaftssystem zu entnehmen sind. Welche Transportmittel werden angeboten, welche Leistungen erbringen sie und wie sind ihre wirtschaftlichen Ergebnisse. Um ein besseres Transportsystem angemessen anzubieten, muss weiterhin festgestellt werden, welche Leistungen können verbessert werden und welche Verbesserungen werden von den Nutzern erwartet und wahrscheinlich auch honoriert. Das waren einige der Fragen, die mit konkreten Zahlen belegt werden mussten und in einem Tarifsystem für den Betrieb des 223 224 225 226 Vgl. Fleck, G. (1895), S.289 Vgl. Allgemein zum Personentarif: Renaud (1917); Crelle, August Leopold (1840): Über die Fahrpreise auf Eisenbahnen. Vgl. Crelle, August Leopold (1838), S. 5f. Herson, John (2002): Esrtimating traffic. 106 3 Personenverkehr völlig neuen Verkehrssystem, wie es die Eisenbahn mit Dampfbetrieb darstellte, ihre Entsprechung und Formulierung finden mussten. Beim Vergleich der Kosten für den Transport einer bestimmte Last, über eine bestimmte Entfernung in einer bestimmten Zeit zwischen der Dampfeisenbahn und einem Transportwagen auf einer Chaussee, sind bei den Zahlenwerte, auch die unterschiedlichen Transporttechniken mit ihren Schwächen und Stärken zu berücksichtigen. Der Personentransport könnte in der gleichen Form verglichen werden, wenn es nur darum gehen würde, einer Person einen festen Wert für das Transportgewicht und eines Handgepäcks in Rechnung zu stellen. In diesem Fall kommen jedoch zusätzlich die Komfortwünsche der Reisenden hinzu, die eine Kutsche und verschiedene Transportklassen erforderlich machen. Die Geschwindigkeiten und damit die Dauer der Reise sowie die Frequenz und die Tageszeiten der Ankünfte und der Abfahrten unterliegen anderen Erwartungen.227 Hilfreich für die Festlegung und die Gestaltung der Fahrpläne und der Tarife bei der Inbetriebnahme einer Eisenbahnstrecke waren die ersten Ergebnisse der Eisenbahnen, in England, Amerika, Frankreich und in einer vergleichbaren Wirtschaftsumgebung, in den früher eröffneten Strecken in Belgien. Für die Berechnung der Kosten des Baus der Eisenbahnstrecke ließen sich Vergleichswerte aus ausgeführten Erdarbeiten und Straßenbauprojekten entnehmen. Für die Kosten des Oberbaus der Bahn mussten die Kosten zu einem großen Teil geschätzt werden. Für den Bau der erforderlichen Gebäude an den geplanten Haltepunkten lagen Vorgaben aus ausgeführten ähnlichen Bauten zur Verfügung. Dazu gehörten Stationsgebäude, Wagenremisen, Werkstätten und z. B. Ställe für Pferde, die für interne Transportaufgaben auf den Stationen und eventuell auch für besondere Ausgaben im Streckenbetrieb benötigt wurden. Daraus ließen sich die Erstellungskosten kalkulieren, für die dann der Kapitaldienst zu leisten war, der in die laufenden Kosten einging. Für die fertiggestellte und eröffnete Strecke war die Schätzung der Kosten für Erhalt und Ersatz für den durch Verschleiß erforderlichen Ersatz des Oberbaus und des Wagenparks erforderlich. Diese Kosten waren stark von der Frequenz des Betriebes der Bahn abhängig und beinhalteten einen großen Unsicherheitsfaktor. Für diesen Komplex der Kosten wurden umfangreiche und detaillierte Kalkulationen durchgeführt und für die geplanten Projekte beziffert, um die Investitionen zu begründen.228 Bei der Planung wurde noch 227 228 Vgl. Crelle, August Leopold (1838), S. 1ff. Für eine ausführliche Kalkulation vgl. Crelle, August Leopold (1838), S. 20ff. 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr 107 davon ausgegangen, dass der Betrieb mit Pferden und mit Dampfwagen gemeinsam durchgeführt werden sollte. Beispielsweise schwere Transporte mit Gütern mit geringerer Geschwindigkeit und hoher Last und Personentransporte mit erhöhter Geschwindigkeit und mit Dampfkraft. Das beeinflusste in erheblichen Umfang die Kosten der Schienenverlegung, weil für die Pferde zusätzlich ein Laufweg eingeplant werden musste. Bei dieser Betriebsart gingen jedoch die zu einem großen Teil die Vorteile verloren, die die Dampfeisenbahn gegenüber dem Pferdetransport auf der Chaussee hatte, die höhere Geschwindigkeit und die dadurch mögliche höhere Frequenz. Es zeigte sich nach Inbetriebnahme, dass der Gütertransport weiterhin noch den Chausseetransport bevorzugte, um Umladungen zu vermeiden. In der Anfangszeit des Eisenbahnverkehrs dominierte der Personenverkehr und konnte dadurch seine Vorteile im Dampfbetrieb voll zur Geltung bringen. Beim Angebot der Eisenbahngesellschaften für den Personenverkehr konnten die Höhe der Tarife und die angebotenen Komfortklassen am Beispiel und in Konkurrenz zur Personenpost kalkuliert und festgelegt werden. Die erforderlichen Einnahmen mussten dabei die Kosten für die Erstellung, die genau bekannt waren, die Kosten für den laufenden Betrieb, einschließlich der Kosten für den Erhalt der Installationen, die teilweise von der Frequenz abhängig waren und die laufenden Kosten für den Betrieb, die in vollem Maße von der Frequenz abhängig waren, mindestens erreichen, um den Betrieb wirtschaftlich durchzuführen. Dass die Berechnung der Eisenbahntarife, besonders im Personenverkehr wesentlich komplexer ist, als anfangs angenommen wurde, zeigt das Beispiel, dass bei einer Herabsetzung der Fahrpreise die Frequenz der Eisenbahn durch die Steigerung der Frequenz die geringeren Einkünfte wieder ausgleichen würde. Das war in den meisten Beispielen nicht der Fall. Der Verkehr, der sich auf den Eisenbahnen entwickeln konnte, war abhängig von der Bevölkerungsdichte und der vorhandenen Konkurrenz für Transportaufgaben, z. B. Chausseen und Kanäle und besonders für den Personenverkehr hier z. B. die Personenpost und private Fuhrunternehmer. Es hatte sich gezeigt, dass durch die Eisenbahn ein wesentlich größerer Teil der Bevölkerung von der Eisenbahn angezogen wurde, als es nach den vorhandenen Verkehrsangeboten und der Dichte der Bevölkerung vermutet wurde. Es wurden nicht nur die regelmäßigen reisenden Geschäfts-, und Verwaltungsleute angezogen, sondern auch, wie es hieß, die Vergnügungsreisenden, die anfangs aus Neugier und später unregelmäßig die Eisenbahn für kurze oder längere Reisen benutzten. Nachdem die Belgischen Eisenbahnen schon über vier Jahre im Betrieb waren und mit einer Streckenlänge von über 250 km teils größere Städte und kleinere Ortschaften 108 3 Personenverkehr mit dichterer und weniger dichten Bevölkerung verbanden, konnte man die Ergebnisse als einen guten Durchschnitt ansehen und legte sie einer ersten Festlegung der Personentarife zugrunde.229 Bei den Tarifberechnungen wurde zu diesem Zeitpunkt (1840) noch festgestellt, dass ein Transport von Gütern ausschließlich mit Dampfkraft in Deutschland nicht ratsam sei und für diesen Zweck auch noch keine ausreichenden Erfahrungen vorlagen. Deshalb wurde nur der Transport durch Pferdekraft empfohlen und näherungsweise berechnet. Für den Transport von Personen wurde die Dampfkraft jedoch ausdrücklich empfohlen und dafür Tarifberechnungen angestellt.230 Die Fahrpreise können sich innerhalb einer oberen und einer unteren Grenze bewegen. Die untere Grenzen liegt bei den reinen Kosten für des Transports, ohne Berücksichtigung der Kosten für die Verzinsung des Kapitals und der erforderlichen Kosten des Verschleißes der Anlagen. Das ist demnach nur ein theoretischer Wert. Der erwünschte Fahrpreis, der einen angemessenen zusätzlich Gewinn erwirtschaften würde lag wesentlich höher. Der Preis, der attraktiv gegenüber der Konkurrenz auf der Chaussee - und auf den Wasserstraßen - war, hatte als oberste Grenze deren aktuelle Fahrpreise auf vergleichbaren Strecken. Dabei wurden die Vorteile, die die Eisenbahn gegenüber ihrer Konkurrenz hatte, wie Geschwindigkeit, Komfort und Sicherheit noch nicht berücksichtigt. Die Fahrgäste auf der Eisenbahn hatten durch den schnelleren Transport weitere wirtschaftliche Vorteile, wie die nicht mehr notwendigen Übernachtungs- und Verzehrungskosten, durch die ununterbrochene Reise über längere Strecken. Es ließen sich auch Hin- und Rückfahrten innerhalb eines Tages durchführen, wodurch weitere Kosten Einsparungen entstünden. Durch diese Vorteile würde sich die Frequenz der Eisenbahn noch erhöhen lassen. Mit der Eisenbahn ließen sich auch weitere Angebote entwickeln, die einer Gruppe von Reisenden, durch das Angebot von kompletten Coupées, finanzielle Vorteile bringen würden. Das ganze Spektrum der Möglichkeiten würde für die Eisenbahn eine vorteilhafte Position gegenüber den konkurrierenden Transportangeboten bringen, die eine Erhöhung der Fahrpreise möglich machen würde. 231 Die Überlegungen bei der Festsetzung der Fahrpreise bewegten sich in innerhalb der möglichen Szenarien, ob ein Reisender wegen einer geringeren Erhöhung des Fahrpreises auf eine Reise verzichten würde, oder ab welcher Höhe er statt einer Eisenbahn wieder die Personenpost bevorzugen würde. Als positiver Aspekt wurde immer wieder in Rechnung gestellt, dass ein Reisender wegen der höheren Geschwindigkeit der Eisenbahn weniger Wegzehrung und Übernachtungskosten beim Vergleich in Rechnung stellen 229 230 231 Vgl. Crelle, August Leopold (1840), S. 132. Vgl. Crelle, August Leopold (1840), S. 133. Vgl. Crelle, August Leopold (1840), S. 134. 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr 109 müsse. Auch die Bequemlichkeit beim Reisen mit der Eisenbahn wird als Vorteil gegenüber der Reisekutsche benannt. Alle diese Überlegungen der Eisenbahngesellschaften bei der Preisfindung beziehen sich jedoch meist auf den Reisenden, der eine längere Strecke zurücklegt, und noch nicht den bisher zu Fuß Reisenden, der für eine wesentlich kürzere Strecke die Eisenbahn wählen würde, wenn sie erschwinglich für ihn wäre. Die Überlegungen über den zukünftig Reisenden waren weitgehend Spekulationen. Greifbare Vergleichswerte lieferten nur die Erfahrungen und die Berücksichtigung der Tarife der etablierten Personenpost und als aktuellere Zahlen, die Erfahrungen der belgischen Eisenbahnen.232 Die eingeführten Fahrpreise, die sich aus den ersten Kalkulationen und Vergleichen ergaben, hatten wegen der Unsicherheiten einen breiten Spielraum und betrugen z. B. bei der Berlin-Potsdamer Eisenbahn (BPE) für die erste Klasse zwischen 5,7 und 4,3 Sgr./Meile, die zweiten Klasse zwischen 4,3 und 3,6 Sgr/Meile und die dritte Klasse zwischen 2,9 und 2,1 Sgr./Meile. Eine vierte Klasse wurde noch nicht angeboten. Bei der Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn (DEE) wurden die Fahrpreise etwas höher angesetzt. So wurden für die erste Klasse zwischen 7,1 und 7,0 Sgr./Meile, für die zweite Klasse zwischen 5,1 und 5,0 Sgr./Meile, für die dritte Klasse 3,8 und 3,5 Sgr./Meile verlangt. Für die bei dieser Bahn eingeführte vierte Klasse wurden 2,8 Sgr./Meile verlangt. Für die vierte Klasse wurden die Arbeiter in diesem dicht bevölkerten Gewerbebezirk als Passager erwartet, die kurze Strecken vom Wohn- zum Arbeitsort zurücklegen mussten. Diese kurzen Strecken wurden traditionell zu Fuß zurückgelegt und mit dem Angebot einer erschwinglichen, bequemeren Alternative war dieses Angebot und die Erwartungen durchaus realistisch, dass eine größere Anzahl der Arbeiter damit gewonnen werden könnte.233 Die Fahrpreise der belgischen Bahnen, umgerechnet auf Sgr./Meile, die als Vergleich verwendet wurden, lagen insgesamt unter den deutschen Preisen. Die Klasseneinteilung folgte den Benennungen der Personenpost, so betrugen die Fahrpreise für die Berlinen entsprechend der ersten Klasse 4,25 Sgr./Meile, für die Dilligencen entsprechend der zweiten Klasse 4 Sgr./Meile, für die Chars à bancs entsprechend der dritten Klasse 2,7 Sgr./Meile und für die Waggons entsprechend der vierten Klasse 1,6 Sgr./Meile. Die Einnahmen aus den Fahrpreisen bezogen auf 500.000 Personen/Jahr betrugen damit im Durchschnitt 2,124 Sgr.234 232 233 234 Vgl. Crelle, August Leopold (1840), S. 138f. Vgl. Reden, Friedrich Wilhelm von (1846), S.118f. ;Reuße, Heinrich (1844), S.226. Vgl. Crelle, August Leopold (1840), S. 144. 110 3 Personenverkehr Im Preußischen Eisenbahngesetz von 3. November 1838 wurde die Freiheit zur Bestimmung der Fahrpreise folgendermaßen festgelegt: »Für die ersten drei Jahre nach dem auf die Eröffnung der Bahn folgenden 1. Januar wird, […] der Gesellschaft das Recht zugestanden, ohne Zulassung eines Konkurrenten den Transportbetrieb allein zu unternehmen und die Preise, sowohl für den Personen- als auch für den Waarentransport, nach ihrem Ermessen zu bestimmen.« Über die Möglichkeit der Änderung der Fahrpreise während dieses Zeitraums wurde weiter ausgeführt: »Die Gesellschaft muß jedoch […] den angenommenen Tarif beim Beginn des Transportbetriebes und die späteren Änderungen sofort bei deren Eintritt, im Falle der Erhöhung aber sechs Wochen vor Anwendung derselben, der Regierung anzeigen und öffentlich bekannt machen, […]235 Mit dieser Regelung war den Eisenbahngesellschaften die Möglichkeit gegeben, die Tarife oder Teile davon den Ergebnissen des laufenden Betriebs und den erzielten Einnahmen entsprechend anzupassen. Den in den folgenden Paragrafen jedoch formulierten Vorbehalt, dass der Staat eine Höchstgrenze der Fahrpreise, auf der Grundlage der angezeigten Betriebsergebnisse und einem Gewinn von max. 10 %, die die Gesellschaft nur zu unterschreiten befugt ist, kritisiert David Hansemann in seiner Denkschrift. Er argumentiert, dass eine Begrenzung des Gewinns von 10 % dazu führt, dass mögliche Ausweitungen des Verkehrs unterlassen würden, um diesen Wert nicht zu überschreiten. Als negatives Beispiel erwähnt er die Liverpool-Manchester Eisenbahn, bei der genau diese Begrenzung durch den englischen Staat nur Stagnation geführt hätte.236 Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die unübersichtliche Formulierung zur Festlegung der Fahrpreise für die verschiedenen Wagenklassen. Insgesamt konnte kritisiert werden, dass die Regelungen, betreffend der »schließlichen Feststellung des Bahngeldes für Personen« noch sehr widersprüchlich formuliert waren und weiteren Spezifizierungen bedurften.237 Mit der Entwicklung des Personenverkehrs auf wachsenden Strecken, die mehr und mehr zu Streckennetzen verbunden wurden, entstand ein neues Kostenproblem im Fahrbetrieb. Das Eisenbahnbillett als Nachweis, dass der Reisende einen festgelegten Preis, für eine bestimmte Fahrstrecke in einer bestimmten Klasse bezahlt hatte, wurde ihm durch einen Bahnbeamten am Schalter vor Fahrantritt ausgehändigt. Er hatte dieses Billett auf der ganzen Reise mit sich zu führen und jederzeit einem Bahnbeamten zur Kontrolle vorzuzeigen. Die Erstellung und die Ausgabe des Billetts am Fahrkartenschalter der 235 236 237 Abdruck in:Hansemann, David (1841), S.12f. Vgl. Hansemann, David (1841), S. 72f. Vgl. Hansemann, David (1841), S.78f; Zur Ergänzung vgl. Weichs (1892), hierin grundsätzliche Überlegungen zur Entwicklung von Personentarifen in Deutschland und in Österreich/Ungarn nach 1860. 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr 111 Bahnstation entwickelte sich schnell zu immer umfangreicheren und vielfältigen Abläufen mit ständig steigenden Verwaltungs- und Materialkosten. Die Vorbereitung und die Bereitstellung der Billetts musste jederzeit zu allen möglichen Klassen und Zielorten gewährleistet sein. Zur Lösung des Problems und zur Senkung der Kosten wurde immer wieder neue Anstrengungen unternommen.238 3.4.1 Exkurs: Die Posttarife Die Post und später auch die Personenpost hatten zu der Zeit, als die ersten Eisenbahnen eröffnet wurden, schon eine lange Tradition.239 Ursprünglich eingerichtet zum Transport von eiligen, hoheitlichen Depeschen mit Reitpferden dehnte sie sich über den größten Teil Europas mit dem Angebot regelmäßiger Postdienste aus. Sie wurde monopolistisch in kaiserlichen Auftrag gegründet und von einer Dynastie aus dem mittleren Adel betrieben, dem Geschlecht der Thurn und Taxis.240 Zu Anfang des 19. Jahrhunderts, nach den Napoleonischen Kriegen und nach der Niederlage Napoleons wurde auf dem Wiener Kongress Europa politisch neu gegliedert. Preußen, aus den Ergebnissen des Kongresse mit wesentlich vergrößerten Staatsgebiet hervorgegangen übernahm die private Post, als Preußische Post in Staatsbesitz, auf seinem Territorium. Jahrhunderte lang, seit dem Untergang des Römischen Reiches waren nie wieder größere Straßenbauten durchgeführt worden. Reisen auf Lehm und Sandwegen waren bestenfalls zu Pferd möglich. Wagentransporte, mit schweren Lasten oder mit Personen, waren eine Qual für Mensch und Zugtier. Eingesetzt wurden Ochsen und seltener Pferde. Die größte Errungenschaft, von der Preußen nach der Niederlage Napoleons profitierte, waren die Chausseen, gebaut von Napoleons Soldaten zum schnellen Transport seiner Truppen. Chausseen waren Straßen mit fester Oberflächenstruktur und Wetterunempfindlichkeit. Preußen baute nach 1815 seine Chausseen, unter hohen Auswand und Kosten weiter aus, um den Handel und auch die militärische Sicherheit in dem vergrößerten Staatsgebiet sicherzustellen und zu verbessern. Von diesen Chausseen profitierte auch die Preußische Post.241 Sie gaben ihr die Möglichkeit, bessere, komfortablere Kutschen mit verbesserter Technik, besonders auch für die Federung des Kastens und der Lagerung der Achsen für den Personentransport in 238 239 240 241 Eiblmeier, Otto (1985): Die Entwicklung der Fahrausweise bei den deutschen Eisenbahnen; Thoma, Alfons (1985): Ales über die Fahrkarte; N.N. (1874): Neue Personenbillete für Eisenbahnen. Ein Vorschlag. Vgl. Sammelrezension u.a. zur Geschichte der Post und der Eisenbahn: Behringer, Wolfgang (1994): Bausteine einer Geschichte der Kommunikation. Zur Postgeschichte und besonders zur Personenpost vgl. Beyrer, Klaus (1985a). Vgl. Heidemann, F.W (1819), Handbuch der Post-Geographie der Königl. Preußischen Staaten. 112 3 Personenverkehr Betrieb zu nehmen. Mit dem Ausbau der Chausseen, den Preußen vorrangig mit hohen finanziellen Einsatz unterstützte, wurden Briefpost und Personenpost gemeinsam befördert und die Frequenzen erhöht. Mit den neuen Möglichkeiten wurden verbesserte Dienste für den Personenverkehr entwickelt. In den 1830 Jahren wurden Eilpost, Extrapost und Courierpostdienste betrieben, die bei erhöhten Tarif schnellere und längere Strecken nach festen Fahrplänen bedienten.242 In welcher Form und mit welchen ausführlichen Spezifikationen besondere zusätzliche Dienste, außerhalb der normalen Personenpost von der Preußischen Post angeboten und durchgeführt werden konnten, zeigten die „Bestimmungen über Extrapost- und Courierbeförderung“ von 1838. Der Post lagen detaillierte Erfahrungswerte über die Leistungen, die Belastungsgrenzen und die notwendige Pferdekraft für alle eingesetzten Wagentypen vor. Die Belastung der Wagen, die technische Ausführung des Wetterschutzes durch Abdeckungen, die Verwendung der verschiedenen Arten der Federaufhängungen konnte aus Tabellen entnommen werden. Bei vorgegebener Belastung der Wagen mit Gütern und Personen konnte ebenfalls aus Tabellen die Anzahl der erforderlichen Pferde entnommen werden. Die ermittelten Zahlen konnten ebenfalls aus Tabellen je nach Art der befahrenen Chausseen oder unchaussierten Straßen modifiziert werden. Für diesen bis ins Einzelne spezifizierte Reiseauftrag konnte ebenfalls aus Tabellen der Fahrpreis und die Fahrzeit angegeben werden. Für die Durchführung der Reise wurden Aufenthalte, Haltepunkte und Gasthäuser vorgehalten und angeboten. Die Regelungen umfassten die Anzahl der Postillione zur Wagenführung und ebenfalls der Umgang mit den Reisenden.243 Diese umfängliche Festlegungen nach Erfahrungswerten und deren Notwendigkeit beruhten auf der Grundlage der Personenpost, die von zwei Dingen fundamental abhängig war, dem Betrieb mit Pferdeantrieb und dem Fahrweg, der aus Straßen unterschiedlichster Qualität bestand. Diese Restriktionen waren für die Eisenbahn im Personenverkehr nicht relevant. Die Eisenbahn hatte mit dem Dampfantrieb eine Antriebseinheit von wesentlich höherer Kraftentfaltung als das Pferd und der Fahrweg war ein fester Bestandteil des Verkehrssystem. Die Erfahrungen der Post in Bezug auf die Leistungen des Pferdeantrieb konnten beim Güterverkehr mit Pferden verwendet werden. Die Tarife und die Reisezeiten der Personenpost konnten bei der Festlegung der Tarife und der Fahrpläne verwendet werden, in dem Maße, dass sie unterboten oder in gleicher Höhe gehalten wurden oder mit Hinweis auf, der Vorteile der Eisenbahn überzogen wurden. 242 243 Zur Preußischen Post und zum Postbetrieb vgl. Stephan, Heinrich von (1859). Vgl. Der General-Postmeister von Nagler (24.04.1838). 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr 113 Für die Eisenbahn, die ab 1835 in Deutschland und ab 1838 in Preußen in Betrieb genommen wurden, waren diese Personenposten die direkte Konkurrenz. Andererseits waren die Erfahrungen und die Tarife der Preußischen Post, die in Statistiken zur Verfügung standen, ein Maßstab für die eigenen Kalkulationen. Die Eisenbahnen wurden meist geplant für Strecken, die von der Personenpost schon erfolgreich betrieben wurden. Dafür gab es Fahrpläne und Fahrpreise. Diese mussten von der Eisenbahn, mit einem besseren Angebot an Komfort und an Frequenz und Zeitersparnis durch erhöhte Geschwindigkeit übernommen bzw. ersetzt werden. Es gelang ihr, die Personenpost Strecke für Strecke zu ersetzen. Die Personenpost wurde jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts noch stark, aber abnehmend, für die Zubringer- und die Verbindungsdienste nachgefragt. Aus den Erfahrungen der Post ließen sich umfangreiche Berechnungen und Tarifinformationen entnehmen. So lagen für den anfänglich bei den Eisenbahnen noch betriebenen Güterverkehr mit Pferdeantrieb praktische Werte für die Belastungsgrenzen und die Kosten für den Pferdeunterhalt zur Verfügung. Tariftabellen für den Personenverkehr wurden von der Postverwaltung in regelmäßigen Fahrplänen veröffentlicht und daraus konnten die Fahrpreise für festgelegte Strecken entnommen werden. Ebenso die Fahrtzeiten mit den verschiedenen angebotenen Verkehrsarten. Die Post stellte sich zu dieser Zeit als ein hochorganisiertes Verkehrsunternehmen dar, das mit einem dichtmaschigen Streckennetz den gesamten Preußischen Staat umfasste. Die Dichte des Netzes war entsprechend der Bevölkerungs-, der Gewerbe- und der Handelsstruktur unterschiedlich ausgebaut. Gegen diese Organisation und diese Dienste musste sich die Eisenbahn behaupten und diese im besten Fall verdrängen und das Verkehrsaufkommen insgesamt übernehmen und ausweiten. 3.4.2 Anlehnung an die Posttarife Die Posttarife oder das Reisegeld, wie es genannt wurde, war von sehr unterschiedlicher Höhe. Es änderte sich auf durchlaufenden Strecken oft auch von Ort zu Ort. Abhängig war es von der Beschaffenheit der vorhandenen Straßen oder den Chausseen. Aber auch wegen innerer organisatorische Gründe, wie z. B. der Möglichkeit die Pferde zu wechseln. Aus diesem Grunde lassen sich die Höhe der Fahrpreise nicht in generalisierten Tabellen zusammenfassen. Die Post gab in ihren Kurs- und Streckenhandbücher detaillierte Tabellen für Einzelstrecken, die zu einer individuellen Reise aufaddiert werden mussten, um den Endpreis zu errechnen. In der Tabelle 1 werden aus diesem Grunde beispielhaft einige Strecken ausgewählt und das Reisegeld dafür benannt. Die angegebenen 114 3 Personenverkehr Zahlenwerte sind hinreichend, um in ihrer Größenordnung zum Vergleich mit den von den Eisenbahngesellschaften zu entwickelnden Tarife zu dienen. Vergleichsweise die Tarife der Preußischen Post.(einige ausgewählte Strecken).. z.B. Schnell P Personen P Cariol P FahrGüterP 6 4 bis 10 allgemein 8, 9, 10 Berlin-Frankfurt/Oder 7,5 Breslau-Gleiwitz 5 Leipzig-Frankfurt/Main 11,25 Cölln-Elberfeld 7 Coblenz-Mayen 3 MagdeburgNordhausen 6 Das Personengeld hat eine große Spannweite, es ist abhängig vom Freigepäck/Person. Das Freigepäck pro Reisenden beträgt zwischen 20 u. 30 Pfund, maximal bis 80 Pfund. 4, 5, 6 Tabelle 1: Überblick über einzelne Posttarife – Reisegeld Datenquelle: Neigebaur, Johann Daniel Ferdinand (1843), S. 75ff. Die Eisenbahngesellschaften hatten gegenüber der Personenpost den Vorteil, dass sie über einen eigenen Fahrweg in der Form des Schienenstranges verfügten und auch keine größeren Probleme mit Steigungen, Gefälle und mit Einschränkungen, auch nicht die ausgeprägten Probleme der Post mit dem Wetter hatten. Sie konnten deshalb ihre Tarife nach den Kriterien Streckenlänge, Frequenz und Auslastung kalkulieren. Dazu kamen die Verpflichtungen für den Kapitaldienst und die laufenden Kosten aus dem Betrieb der Strecke und des rollenden Materials. Die Höhe des verlangten Tarifs musste sich an der Höhe des Personenposttarifs orientieren, konnte diesen jedoch überschreiten, wenn es keine parallel laufende Personenpostverbindung gab oder wenn die Eisenbahn einen klaren Vorteil durch den Komfort und die Reisezeit ermöglichte. Die Tabelle 2 enthält die Tarife von ausgewählten Strecken der deutschen Eisenbahnen und einiger weiterer europäischer Eisenbahnen. Die Angaben sind zur Vergleichbarkeit auf Deutsche Meilen und Silbergroschen umgerechnet, die Daten stammen aus dem Jahr 1843 und sind einem Handbuch für Reisende entnommen, wie sie in größerer Zahl zu dieser Zeit verlegt wurden. Tarifvergleich reduziert auf Deutsche Meilen und Silbergroschen, Stand 1843. Auswahl-Eisenbahnstrecken Preußen Berlin-Potsdam Berlin-Anhalt v. Berlin n. Leipzig v. Berlin n. Magdeburg Magdeburg n. Leipzig Rheinische Düsseldorf-Elberfeld I. Klasse II. Klasse III. Klasse IV. Klasse 4,35 3,60 1,09 6,00 4,00 2,50 5,70 3,90 2,45 5,25 3,60 2,25 6,00 4,00 2,50 7,00 4,20 2,90 7,00 4,25 2,90 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr Bayern Sachsen Frankreich Belgien England München-Augsburg Leipzig-Dresden St.Etienne-Lyon Tarif v. 1841 Liverpool-Manchester 115 7,00 6,00 6,50 10,00 5,20 4,40 5,00 4,50 9,00 4,40 2,50 4,20 2,80 6,88 2,60 1,60 Tabelle 2: Tarifvergleich in preuß. Meilen und Silbergroschen (Sgr.) Quelle: Neigebaur, Johann Daniel Ferdinand (1843), S. 75ff. Im Jahre 1843 boten die meisten privaten Eisenbahngesellschaften in Preußen noch keine IV. Klasse an. Nach der Einführung dieser Klasse siehe hierzu Kapitel 6, wurden die Tarife der III Klasse angehoben und die IV. Klasse für einen geringeren als den davor geltenden Tarif der III. Klasse verkauft. Dieser Wechsel war die Ursache für einen starken Anstieg des Personenverkehr, da damit auch die weniger bemittelten Angehörigen der Bevölkerung die Eisenbahn nutzen konnten. Die Ausstattung der IV. Klasse meist ohne besondere Sitzplätze, war dabei nicht unbedingt eine Komforteinschränkung, sondern gab dem einfachen Volk, dem Landwirt und dem Handwerker, die Möglichkeit, seine landwirtschaftlichen Produkte und sein Handwerkzeug mitzunehmen und auch als Sitzgelegenheit zu benutzen. Die IV. Klasse wurde ohnehin meist für Kurzstrecken genutzt. 3.4.3 Anpassung an den Bedarf Eine Circularverfügung des Preußischen Handelsministerium vom Jahre 1861, betreffend die Preußischen Eisenbahnen beauftragte die Kgl. Eisenbahnkommissariate, den PrivatEisenbahnverwaltungen die Einrichtung einer IV. Wagenklasse dringend zu empfehlen. Einführend wird darauf hingewiesen, dass zu dieser Zeit bereits alle Preußischen Staatsbahnen und unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen, sowie der Cöln-Mindener, die Rheinischen und einige kleinere Bahnen, eine IV. Klasse eingeführt hatten. Es geht dabei in erster Linie nicht um die Ausführung der Personenwagen, diese wird als bekannt vorausgesetzt, sondern um die Möglichkeit, »der weniger bemittelten Bevölkerung, insbesondere der A r b e i t e r k l a s s e« die Eisenbahn zugänglicher zu machen und zur »Erleichterung der Communication zur Förderung des Verkehrs« beizutragen. Die Privatbahnen hatten bei dem Verzicht auf das Angebot einer IV. Klasse darauf hingewiesen, dass diese nur in dicht besiedelten Gegenden rentabel betrieben werden könnte und dass auch die Reisenden der anderen Klassen von der III. und der II. Klasse auf die 116 3 Personenverkehr IV Klasse ausweichen würden und damit finanzielle Nachteile für die Bahnen die Folge wären. Die Eisenbahngesellschaften der Bahnen, die die IV. Klasse schon eingeführt hatten, hatten vorher mit den gleichen Gründen argumentiert, aber nach der dann doch eingeführten IV. Klasse festgestellt, dass nur wenige Reisende der III. Klasse auf die IV. Klasse umstiegen, sondern dass eine, völlig neue Bevölkerungsgruppe die Eisenbahn benutzte, die vorher wegen der hohen Kosten bei kurzen und mittleren Reiseentfernungen zu Fuß oder per Privatfuhrwerk reiste. Als Beleg diente die prozentuale Nutzung im Jahre 1860 auf den Bahnen mit einer IV. Klasse. Auf der Ostbahn wurden 44 % der Reisenden in der IV. Klasse befördert, auf der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn 46 %, auf der Bergisch-Märkischen 44 % und auf der Cöln-Mindener Eisenbahn sogar 64 %. Wobei zu bedenken ist, dass die ersten beiden Bahnen durch sehr dünn besiedelte Provinzen fahren. Die Gesamtzahl der Reisenden ist mit der Einführung der IV. Klasse erheblich gestiegen, womit der Beweis gegeben ist, dass die IV. Klasse zur Erhöhung der Gesamtfrequenz in allen Klassen beigetragen hat. Alle diese Argumente sollten den Eisenbahnkommissariate ausreichend Daten geben, die Privatbahnen zur Einführung der IV. Klasse zu bewegen.244 3.4.4 Die Reisenden als Gruppe Es ist schwierig, für die ersten Jahre des Personenverkehrs per Eisenbahn die ersten Reisenden in einer Art von Interessengruppen einzuordnen. Eine Möglichkeit wäre, aus den bis dahin schon Reisenden, d. h. von der Personenpost bekannten und zuzuordnenden Personen auf die Reisenden der Eisenbahn zu schließen. Mit der Verbesserung der Chausseen konnte der Reisende mit eigener Kutsche auch schon größere Reisen mit besserem Komfort unternehmen. Dabei wurden dann die Möglichkeiten, auf den schon vorhandenen Eisenbahnstrecken, die Kutsche auf planen Güterwagen zu laden und Zwischenstrecken mit der Eisenbahn zu überbrücken. Frische Pferde standen dann an der Zielstation zur Weiterreise zur Verfügung. Der Reisende reiste dabei im eigenen Wagen, ein Personenabteil wurde nicht benutzt. Diese Art der Eisenbahnnutzung war schon aus der Notwendigkeit einer entsprechenden Einrichtung, privat und bei der Eisenbahn, sowie ausreichender finanzieller Ressourcen nur einer kleine Gruppe möglich. Berichte darüber sind spärlich, statistische Daten sind nicht erfasst oder nicht überliefert. Daraus kann man schließen, dass es sich hierbei auch nur um ein Anfangsphänomen der Personeneisenbahn 244 Vgl. Die Einrichtung einer IV. Wagenklasse bei dem Personenverkehr auf den Preußischen Eisenbahnen. (1861). 3.4 Kosten und Tarife im Personenverkehr 117 handelte. Eine weitere Bevölkerungsgruppe, die ein Interesse an einer Eisenbahnreise hatte, waren die mittleren Beamten des Staates, die nicht wie die höheren Beamten eine eigene Kutsche zur Verfügung hatten. Zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben mit der Notwendigkeit persönlicher Anwesenheit vor Ort mussten sie reisen. Dies galt auch für den reisefreudigen Bildungsbürger höheren Standes, der die finanziellen Mittel zur Verfügung hatte, um eine Reise zu unternehmen. Eine weitere Gruppe war das Militär, die einfachen Grade wurden in den Anfängen nicht mit der Eisenbahn befördert. Wenn es größere Truppen- und Materialbewegungen gab, das waren Kriegszeiten oder Zeiten der Vorbereitung zu einem Krieg, dann wurden für Material und für Personen Güterwagen genutzt. Wenn sie in einer Statistik auftauchten, wurden sie nicht als Personen-, sondern als Gütertransport verwaltet.245 Für die Eisenbahngesellschaften war es essenzieller Bedeutung, die Reisenden der ersten Jahre in ihrem Verhalten und ihren Reisebedürfnissen zu identifizieren und in geeigneter Weise zu gruppieren, um für ihre weiteren Planungen und besonders auch bei den privaten Gesellschaften einen wirtschaftlichen Erfolg der Streckenplanungen zu erreichen. Die staatlichen Eisenbahngesellschaften sahen zusätzlich ihre Aufgabe darin, durch ihre Streckenplanungen auch für weniger gefragte, aber im staatlichen Interesse wichtige Strecken, zu projektieren und zu bauen. Eine Gruppe der Bevölkerung, die von der Staatsführung als wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung bei der weiteren Industrialisierung angesehen wurde, waren die Arbeitskräfte für die preußische Wirtschaft. Der Staat greift hier steuernd ein, um die weitere Entwicklung zu beeinflussen. Aus der Circularverfügung des Handelsministeriums von 1861 ist ersichtlich, dass mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Preußischen Wirtschaft nach der Rezession von 1857 die Auftragslage und damit die Produktion wieder gesteigert wurde. Es wurden neue Fabriken errichtet, um die Anforderungen zu erfüllen. Diese Fabriken lagen an Orten, die nicht immer über ein ausreichendes Arbeitskräfteangebot verfügten. Es mussten deshalb Verkehrsmöglichkeiten geschaffen werden, um Arbeitskräfte zu den Fabriken zu bringen. Die Eisenbahn mit der bis dahin bestehenden Tarifstruktur konnte das nicht leisten. Die Eisenbahn war für den Arbeiter zu teuer. Die Circularverfügung schreibt dazu: »Die allgemeine Einführung der IV. Wagenklasse ist für die Beförderung der Arbeiter berechnet. Menschliche Arbeitskraft ist mit die am kostspieligsten transportirbare und am schwersten bewegliche Ware. […] Diesem Übelstand begegnet jede Verbesserung im Verkehr und Transport, welche die 245 Vgl. Bremm, Klaus-Jürgen (2005). 118 3 Personenverkehr Beweglichkeit der Arbeitskräfte vermehrt und ihre Beförderung von Ort zu Ort erleichtert, beschleunigt und wenig kostspielig macht.« Damit war für die Eisenbahngesellschaften konkret benannt, wo die aktuellen Forderungen an das Verkehrssystem lagen.246 Damit war auch der weitere Weg des Personenverkehrs vorgezeichnet. Der Vergnügungsreisende war weiterhin erwünscht, aber der Schwerpunkt lag in der Zukunft auf dem Arbeitnehmer, der auf kurzen bis mittleren Strecken ein bezahlbares Angebot mit eingeschränkten, minimalen Komfort bekam und den berufsbedingt Reisenden, der für längere Strecken einen höheren bis höchsten Komfort zu entsprechend höheren Tarifen bekommen sollte und auch bereit war dafür zu zahlen. Eine große Gruppe wurde hierbei noch ausgespart. Preußen war mindestens bis zur Mitte des 19. Jahrhundert ein überwiegend landwirtschaftlich orientiertes Land. Der landwirtschaftlich Tätige im Lohn oder selbstständig, der seine Produkte auf den Markt der nächsten Staat verkaufen wollte, profitierte ebenfalls von der IV. Wagenklasse. Er konnte seine Produkte mit in den Wagen nehmen und darauf sitzend, die nächstliegende Station im Nahverkehr zu einem geringen Entgelt erreichen, soweit er zu Fuß eine naheliegende Strecke erreichen konnte. Diesen Vorgaben entsprechend wurde von den Eisenbahngesellschaften, den privaten als Empfehlung oder Anordnung durch den Staat und den staatlichen durch Verwaltungsverordnung von Staatswegen und im Interesse der wachsenden Wirtschaft eine Struktur und eine Ausstattung der Betriebsmittel und der Tarifstruktur vorgegeben, nach der die Entwicklung erfolgen sollte. Eine Entwicklung, die sich in England schon früh gezeigt hatte, als der erste Pauschalreise-Veranstalter, Thomas Cook247 in den 1840er Jahren sein erstes Angebot in den Markt der Eisenbahnreisen einbrachte und in unseren Tagen als Tourismus etabliert ist, war in Deutschland zu dieser Zeit noch lange kein Thema.248 246 Die Einrichtung einer IV. Wagenklasse bei dem Personenverkehr auf den Preußischen Eisenbahnen. (1861), S. 443. 247 Brendan, P. (1996): Thomas Cook. 150 years of popular tourism. 248 Gyr, Ueli (2010): Geschichte des Tourismus; Hachtmann, Rüdiger (2007): Tourismus-Geschichte; Kopper, Christopher (2004); Pagenstecher, Cord (1998): Neue Ansätze für die Tourimusgeschichte.; Neuerscheinungen zur Geschichte des Reisens und des Tourismus. 4 Die Personenwagen 4.1 Allgemeine Grundlagen Der Personenwagen249 ist das Betriebsmittel, mit dem der Reisende der Eisenbahn direkt in Verbindung tritt. Er hält sich über die ganze Länge der Reise in einem Abteil auf für das er, je nach Ausstattung, einen tariflich festgesetzten Preis entrichtet hat. Je nach der inneren und der funktionstechnischen Ausführung des Wagens empfindet er den Preis für die gewählte Klasse als angemessen oder überhöht. Die technische Ausführung entscheidet deshalb zu einem großen Teil darüber, wie der Reisende den Komfort und die Attraktivität einem alternativen Verkehrsmittel gegenüber bewertet, wenn es ebenfalls die gleiche Reisestrecke bedient. Die Konstruktion der Personenwagen hatte schon eine lange Entwicklungsgeschichte als Kutsche durchlaufen, bis sie von der Eisenbahn für ihre Zwecke adaptiert wurde.250 »Es gibt keinen Zweig der Eisenbahntechnik, welchem der Ingenieur weniger Aufmerksamkeit zuwendet, und der dieselbe mehr verdiente, als der Bau der Eisenbahnwagen. Von der soliden Ausführung dieser Betriebsmittel wird in hohem Maße die Sicherheit des Transports, von der zweckmäßigen Konstrukzion und Einrichtung der Personenwagen die Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des Reisens bedingt.« schreibt der Autor in der Eisenbahn-Zeitung von 1845 und weiter: »Wer viele Eisenbahnen bereist hat, wird gefunden haben, daß die bestkonstruirten von ihnen nicht immer diejenigen sind, auf denen man am angenehmsten fährt, daß vielmehr das Stoßen, Schwanken und Ritteln oft da am größten ist, wo man es am wenigsten erwartet, und dies kann offenbar nur dem Bau der Wagen zugeschrieben werden.«. In seinem Artikel über zwei Ausgaben der Zeitschrift beschreibt er anschließend die drei Wagenarten mit ihren Eigenarten, den Vorund den Nachteilen. Die achträdrigen, amerikanischen, die vierrädrigen, die anfangs in England und dem europäischen Kontinent ausschließlich eingesetzt wurden und die sechsrädrigen, die in den folgenden Jahren bei verschiedenen Eisenbahngesellschaften hinzukamen.251 249 250 251 Biber (1917): Personenwagen. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, Bd. 8 Vgl. Wackernagel, Rudolf H. (1986); Kugler, Georg J. (1986); Treue, Wilhelm (1986). Vgl. Ueber achträderige Eisenbahnwagen. (1845). 120 4 Die Personenwagen Die Konstruktion und die Ausstattung der Eisenbahnwaggons war ein wesentlicher Teil der Attraktivität der Eisenbahn und der Wahl der Wagen-Klasse. In den verschiedenen Ländern, in denen die Eisenbahn eingeführt wurde, wurden auch unterschiedliche Aufteilungen des Personenwagens angeboten; so auch in den Klassen, wenn diese eingeführt wurden. Die Akzeptanz wurde wesentlich beeinflusst, durch die Mitreisenden als direkte Nachbarn im Abteil über längere Zeit, durch das Klima in den Abteilen, soweit es geändert werden konnte und dem weiteren allgemeinen Komfort. Ein besonderer Entscheidungspunkt waren auch die vorhandenen und auch die nicht vorhandenen sanitären Einrichtungen. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Ausführungen und Techniken beschrieben und systematisiert. Die Anzahl der Personenwagen und der Lokomotiven im Verhältnis zur Entwicklung der Gesamtlänge der preußischen Eisenbahnstrecken zeigt Abbildung 16. Abbildung 16: Betriebsmittel der preußischen Eisenbahnen bis 1860 Datenquelle: Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen 1861 Nr.23252 Die Personenwagen der ersten preußischen Eisenbahn von Berlin nach Potsdam wurden von dem Wagenfabrikanten Rauff aus Berlin bezogen. Er hatte bei der Ausschreibung den niedrigsten Preis gefordert. Die Herstellung dieser Wagen erfolgte nach Mustern, die aus England geliefert wurden. Die Achsen und ein Teil der Federn 252 Michaelis, J. J. (1861). Zusammenstellung der Längen, Anlagekosten und Transportmittel der im Königreich Preussen am Schlusse der Jahre 1844 bis incl. 1859 im Betrieb gewesenen Eisenbahnen … ZVdEV, 1 (23), 290-292. 4.1 Allgemeine Grundlagen 121 wurden auch weiterhin in England gekauft und in die Wagen der inländischen Produktion eingebaut. Die Ausführung der Personenwagen der II. und der III. Klasse wurden teilweise ohne Fenster und ohne Bedeckung ausgeführt.253 Für die Erweiterungen der Strecken von Berlin nach Westen, den Eisenbahnen Magdeburg-Leipzig, Berlin-Anhalt und MagdeburgHalberstadt auf dem Wege weiter nach Braunschweig, mussten weitere Personenwagen beschafft werden. Die Beschaffung erfolgte zunächst in ähnlicher Weise wie bei der Strecke Berlin-Potsdam. Die Achsen und die Räder lieferten zunächst noch englische Firmen. Deutsche Lieferanten zogen aber schnell nach und so konnten weiter Bauteile mit höherer technischen Qualität und Leistung auch aus dem Inland, anfangs von der braunschweigischen Hütte Zorge am Harz, bezogen werden. Die Wagenkästen stellten ausschließlich inländische Firmen her, hierbei wieder die Firma Rauff in Berlin und dann auch andere. Die Berlin-Anhalter Bahn war bemüht, für ihren Bedarf, besonders auch schwere Güterwagen in einer eigenen Waggonbaufabrik in Berlin zu produzieren und dafür eigene Fachkräfte auszubilden. Später wurden auch die Waggonwerkstätten der Leipzig-Dresdner Eisenbahn beauftragt. Besonders Personenwagen lieferte die Wagenfabrik Schmidt und Wilkens in Halle a. d. Saale.254 Der Umfang des Wagenzukaufs aus dem Ausland war für die ersten Eisenbahnlinien unbedeutend. Die Bestellungen gingen fast ausschließlich an einheimische Werkstätten, die die Wagen meist nach einigen ausländischen Mustern selbst fertigten. Einzelne Bauelemente, für deren Herstellung eine größere Erfahrung erforderlich war, mussten jedoch noch bis weit über die 1840er Jahre hinaus im Ausland zugekauft werden. Dazu gehörten z. B. Achsen und Zubehör für Achsen, Räder und Federn. Folgende Eisenbahngesellschaften kauften Wagen in kleineren Mustern aus England: - Die Ludwigs-Eisenbahn, zwei Wagengestelle einschließlich Räder und Achsen aus England. - Die Leipzig-Dresdner-Eisenbahn, einzelne Wagen aus England und Belgien. - Die Berlin-Potsdamer-Eisenbahn mehrere Wagen als Muster in England. - Die Braunschweigische Staatseisenbahn, mehrere Wagen von Firma Dawson in Dublin. - Die Rheinische Eisenbahn, acht Personenwagen von Pauwels & Co. in Belgien.255 Das hatte auch Folgen für die Arbeitskräfte in diesen Fabriken. Einen wesentlichen Einfluss auf die Beschaffung von Material und Maschinen in den ersten Jahren des Eisenbahnbaues hatten die englischen Ingenieure und Arbeiter, die wegen des Mangels 253 254 255 Vgl. Fleck, G. (1895), S.287. Vgl. Fleck, G. (1895), S.363f. Vgl. Wagenblass, Horst (1973), S. 26.. 122 4 Die Personenwagen gleichwertiger Kompetenzen in Deutschland, von den Eisenbahngesellschaften zum Bau und zur Aufnahme des Betriebes eingestellt wurden. Diese Fachkräfte bildeten in den ersten Jahren ein Stamm von deutschen Fachleuten aus und gingen zu einem großen Teil nach einigen Jahren wieder in ihre Heimat zurück. Während des Baus berieten sie jedoch die Eisenbahngesellschaften bei der Beschaffung von Schienenmaterial und Lokomotiven sowie weiteres Material. Naturgemäß wurden beim Angebot aus Deutschland und aus England, die englischen Fabrikate bevorzugt. In vielen Fällen waren die deutschen Werkstätten und Hüttenwerke jedoch noch nicht in der Lage in der erforderlichen Qualität und Form zu liefern.256 »Da die Eisenbahngesellschaften in jedem Fall für die anfallenden Reparaturen ihrer Anlagen eigene Werkstätten bauten, lag es zunächst sehr nahe, wenn man sich auch auf die Herstellung von Eisenbahnwaggons einrichtete, zumal diese, wie schon dargelegt, nur relativ einfache Produktionsmittel erforderten. Ein weiterer Grund für die Aufnahme des Waggonbaues durch die Eisenbahngesellschaften ist darin zu sehen, dass die bestehenden Firmen nicht zur vollen Zufriedenheit der Bahndirektionen lieferten. Ausserdem stellte sich das Problem des Transports der Waggons über längere Strecken nicht, wenn die Eisenbahngesellschaften für ihre Strecken selbst die Personen- und Güterwagen herstellten. Die meisten Eisenbahngesellschaften bauten in ihren Werkstätten in mehr oder weniger grosser Zahl Waggons für den eigenen Bedarf, ohne dass sie ihre Betriebsanlagen darauf spezialisierten Besondere Produktionsstätten zur Herstellung von Eisenbahnwagen besassen die Leipzig-Dresdner-, die Oberschlesische-, die Köln-Mindener- und die Berlin-Anhalter-Eisenbahn sowie die Bayerische Staatseisenbahn.«257 So hatte die Oberschlesische Eisenbahn anfangs die Absicht nur eine Reparaturwerkstatt einzurichten. Die ersten Wagen wurden in Berlin und in Breslau bestellt. Bei der Lieferung zeigte es sich jedoch, dass die Wagen nicht den Wünschen und den Anforderungen der Gesellschaft entsprachen und deshalb größere Um- und Anbauten vor dem Einsatz im Fahrbetrieb erforderlich wurden. 1841 wurden zu diesem Zweck die erforderlichen Produktionsanlagen in Breslau eingerichtet. 1842 konnte mit der Produktion begonnen werden. Bis 1844 konnten 78 Wagen neu gebaut und 147 Fahrzeuge repariert werden. Dafür wurden 111 Arbeiter eingesetzt. 1846 stieg die Zahl der Beschäftigten auf 152 Arbeiter. Bis zum Ende des Jahres 1846 hatte „Die Wagenbauanstalt der Oberschlesichen Eisenbahn in Breslau“ mit dieser Belegschaft insgesamt 317 Waggons gebaut. 82 davon waren Personenwagen. Auch die Köln-Mindener Eisenbahn errichtete in der Nähe des Dortmunder Bahnhofs einen eigenen Wagenbaubetrieb, der den größten Teil des 256 257 Vgl. Wagenblass, Horst (1973), S. 27f. Vgl. Wagenblass, Horst (1973), S. 113. 4.1 Allgemeine Grundlagen 123 Waggonbedarfs decken konnte. Bei der Berlin-Anhalter-Eisenbahn wurde ebenfalls ein Wagenbaubetrieb in Berlin eingerichtet. Über deren Produktion sind keine weiteren Einzelheiten bekannt, nur eine Mitteilung von 1844 erwähnt die Existenz und berichtet, dass dort, neben anderen Produktionsmitteln, eine Dampfmaschine im Einsatz ist.258 Aufgrund der ähnlichen Betriebsverhältnisse bei den anderen preußischen Eisenbahngesellschaften wurden Werkstätten eingerichtet, die in der Lage waren, den laufenden Reparaturanfall mit entsprechenden Facharbeitern auszuführen und die bei entsprechender Personalkapazität und Ausbildungsstand auch größere Umbauten und eventuell auch Neubauten vornehmen zu können. Neubauten für den eigenen Bedarf und auch wie z. B. die Leipzig-Dresdner-Eisenbahn auch für andere Gesellschaften. Darüber sind jedoch keine oder nur einzelne Hinweise bekannt. Mit der Erweiterung des Eisenbahnnetzes und der damit verbundenen Ausdehnung der Reiselängen und der Reisedauer erfuhren auch die Personenwagen Verbesserungen. Wegen der zunehmenden Zahl von Nachtfahrten war es nicht mehr hinnehmbar, dass unbedeckte Personenwagen auf die Strecke gingen. Auch die innere Einrichtung der Wagen wurde mit dem Ziel größerer Bequemlichkeit für den Reisenden verbessert. In diesem Zusammenhang wurden auch die Einrichtungen auf den Zwischenstationen erweitert und eine Bedachung der Bahnhöfe durchgeführt.259 Mit der weiteren Beschaffung von Betriebsmittel wurden bis 1854 bei allen Gesellschaften die unbedeckten Personenwagen der III. Klasse durch Wagen mit Bedachung ersetzt und die innere Einrichtung aller Personenwagen weiter verbessert und die für den Komfort wichtigen Fahrgestelle durch bessere Achsen und Räder ersetzt.260 Das Problem der Retiraden oder der Cabinets, wie sie genannt wurden, war auch der Anlass für wiederholt vorgebrachte Änderungsvorschläge zur Verbesserung der Communication, d. h. einem Durchgangswagen, der es ermöglichte während der Fahrt von einem Wagen zum nächsten zu gehen. Als Vorbild wurden die achträdrigen amerikanischen Wagen beschrieben. Diese Konstruktion ließ sich vorteilhaft auf langen, geraden Strecken einsetzen, wie sie in Amerika oft vorkamen. Diese Wagen hatten einen durchgehenden Mittelgang und an beiden Wagenenden eine Tür und ein Trittpodest für den Übergang zu den Nachbarwagen. Ein Vorschlag, der sich auch an den, in Deutschland üblichen Wagen durchführen ließ, betraf den zusätzlichen Anbau von Trittbrettern (Galerien) an beiden 258 259 260 Vgl. Wagenblass, Horst (1973), S. 115. Vgl. Fleck, G. (1895), S.473. Vgl. Fleck, G. (1895), S. 699. 124 4 Die Personenwagen Seiten der Wagen, die mit einem Geländer gesichert waren und das Betreten der Abteile von außen, während der Fahrt ermöglichen sollten.261 Zur Begründung oder zur Rechtfertigung der Verwendung des EisenbahnWagensystems, dass der VdEV in seinem Wirkungsbereich auf dem europäischen Kontinent gegenüber dem amerikanischen System unterstützte, wurden die Vor- und die Nachteile beider Systeme verglichen und bewertet. Das europäische, besonders für die deutschen Eisenbahn zutreffende System, mit vierrädrigen bis maximal sechsrädrigen Wagen bot dabei die folgenden Vorzüge. „Die einzelnen abgeschlossenen Coupés bieten den Reisenden einen ungestörteren Aufenthalt als in den großen amerikanischen Abteilen. Dort sind durch den Aus- und den Einstieg beim Stationshalt Belästigungen nicht zu vermeiden. Die Sitzplätze sind breiter als bei den amerikanischen Wagen, weil dort ein Zwischengang für den Passagierdurchgang freigehalten werden muss. Der Ein- und der Ausstieg können bei hochfrequenten Strecken mit vielen Zwischenstationen schneller vonstattengehen, weil mehr Ein- und Ausgänge vorhanden sind. Bei einem Unfall, der durch das Zusammenstoßen von Wagen ausgelöst wird, sind die Ein- und die Ausgänge des Zuges blockiert und die Passagiere eingesperrt. Die deutschen Wagen haben an jedem Coupé eigene Türen. Die Kontrolle der Passagiere ist bei den deutschen Wagen besser durchzuführen als bei den amerikanischen, weil dort ein stetiger Wechsel stattfindet. Das Zusammenstellen und das Verschieden von Wagen zu Zügen ist bei den vier- und sechsrädrigen Wagen leichter zu bewerkstelligen. Auch ist das Mitführen von wenig besetzten Wagen bei der amerikanischen Bahn öfter notwendig als bei den kürzeren deutschen Wagen.“ Andererseits hatten die amerikanischen Wagen gegenüber den deutschen Wagen auch Vorzüge, die jedoch insgesamt nicht den wirtschaftlicheren Einsatz auf deutschen Strecken begründen konnten. „Die Passagiere können sich in den amerikanischen Wagen bequemer bewegen und mit ihrem Mitreisenden kommunizieren. Das Zugpersonal kann die Billetts der Reisenden während der Fahrt bequem kontrollieren, während es bei den deutschen Wagen ein gefährlicher Vorgang ist, weil der Kontrolleur auf die äußeren Trittbrettern der Wagen angewiesen ist, um von Coupé zu Coupé zu gelangen. Die Passagier sind in der Lage, das Zugpersonal auf ungewöhnliche Vorfällen innerhalb des Wagen Aufmerksam zu machen. Durch den freien Durchgang können die Reisenden jederzeit die mitgeführten Closets oder Buffets mühelos erreichen, die auch in eigenen Wagen eingerichtet werden können. Auch für die Heizung dieser großen Räume lässt sich einfach ein zentraler blecherner Ofen mit Kohle oder Holz beheizen.“ 261 Vgl. Heusinger von Waldegg, Edmund (1863), S.353. 4.2 Exkurs: Die Wagen der Eilpost 125 Um diese Vorzüge der amerikanischen Bauart auf die Bauart der deutschen Wagen zu übertragen, bot sich nur die Möglichkeit eine offene Galerie an den beiden Außenseiten der Wagen anzubringen. Dafür wurden immer wieder Vorschläge gemacht, aber sie fanden, wenig anklang, weil diese Konstruktion weitere Nachteile mitbringt, die nicht akzeptiert wurden.262 4.2 Exkurs: Die Wagen der Eilpost Die grundlegenden Konstruktionsmerkmale der Personenwagen bei der Eisenbahn bauten auf den Entwicklungen bei den Kutschen auf. Die Kutschen wiederum hatten ihre Vorgänger in den Wagen, die seit frühgeschichtlicher Zeit für die verschiedensten Transportaufgaben eingesetzt worden waren. Ein Wagen in der einfachsten Form ist eine Bodenplatte oder eine Kiste, die auf ein oder zwei Achsen montiert war, die je zwei einfache, drehbare runde Scheiben trugen. An dem Grundkörper war eine Deichsel montiert, die mit einem Zugtier oder einem Menschen als Antrieb verbunden war.263 Seit dem Mittelalter wurden sie zunehmend, mit der Verfügbarkeit geeigneter Straßen, auch für den Personentransport weiterentwickelt und im Einsatz dafür als Kutschen bezeichnet. Die Post verwendete die Kutschen für den Güter- und den Personenverkehr. Nachdem mit dem forcierten Bau von Chausseen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die Grundlage eines beschleunigten Straßenverkehrs gegeben waren, verbesserte die Post ihre Dienste durch die Einführung von Personenposten, Eilposten und Extraposten. Für diesen Einsatz mussten die Personenwagen in ihren Funktionen und in ihrer Zuverlässigkeit wesentlich verbessert werden.264 Seit dem Jahre 1817 wurden auf dem Postwagenhof in Berlin und in der Königlichen Postwagen-Werkstatt der Postverwaltung in Düsseldorf umfangreiche Versuche angestellt um die Konstruktion der Postwagen dem Postbetrieb und den verfügbaren und benutzten Straßen anzupassen. Auf besonderen Versuchsständen, die den vorhandenen Straßen nachgebildet waren, wurden Zugversuche mit neuartigen Kraftmessern angestellt um die Gewichte, und die Zugkräfte für die eingesetzten Postwagen zu optimieren. Bis zu dieser 262 263 264 Heusinger von Waldegg, Edmund (1863), S. 353f. Vgl. Treue, Wilhelm; Decker, Wolfgang (Hg.) (1986), S. 9-186.; Poppe, Johann Heinrich Moritz von (1828), S. 7-59. Vgl. Treue, Wilhelm; Decker, Wolfgang (Hg.) (1986), S. 187-312.; Hoof, Horst (1986); Poppe, Johann Heinrich Moritz von (1828), S. 51-59, S. 116-121; 126 4 Die Personenwagen Zeit wurden Postwagen nach Erfahrungswerten, die sich aus dem Betrieb über viele Jahre angesammelt hatten, in den Werkstätten der königlichen Post konstruiert und gebaut. Mit dem stetig zunehmenden Verkehr galt es, Normen zu erstellen, nach denen auch andere Fabrikanten diese Wagen bauen konnten. Die Posthaltereien, die Dienstleister für die königlichen Post waren und in eigenem Auftrag die Wagen bauen ließen, wurden angehalten, nach den gemeinsamen Vorgaben zu arbeiten. Man ließ auch Probewagen nach dem Muster der „stage-coaches“ in England bauen, um sie in Preußen zu erproben und nachzubauen. Für Preußen wurden die Verbesserungen durch den, noch vielerorts schlechten Zustand der Chausseen zum Problem. Erst ab 1821 machten sich einzelne Verbesserungen bemerkbar. Um den Stand der Technik im Wagenbau zu verfolgen und für die preußischen Werkstätten verfügbar zu machen musste die einschlägige Fachliteratur rezipiert werden und die Erzeugnisse der wichtigsten und leistungsfähigsten Wagenfabriken im In- und Ausland bewertet werden. Die befanden sich in Berlin, Aachen, Wien, Brüssel, München, Kassel, Paris und London. Auf diesem Wege entstanden umfangreiche Entwürfe für sämtliche Postwagen-Gattungen. Der überwiegende Teil der Postwagen war für den Personenverkehr und für die gleichzeitige Beförderung von personennahem Gepäck und für die Paket und die Briefbeförderung einzurichten. Für die Personenbeförderung waren besondere Einrichtungen vorzusehen und allgemein der Komfort zu verbessern, während gleichzeitig die vorhandenen Straßenverhältnisse zu berücksichtigen waren. Durch die fortschreitende umfangreiche Normung war es nicht mehr notwendig, die Postwagen zentral an zwei Stellen Preußens zu fertigen, sondern es konnten sich Wagenbaufabriken in den Provinzen neu gegründet werden, die alle nach den gleichen Normen arbeiteten. Die Posthaltereien durften fortan nur Postwagen einsetzen, die von einem Postbeamten abgenommen worden waren.265 Aus diesen Standardisierungen gingen die folgenden Wagentypen hervor, die im Postverkehr eingesetzt wurden. Hier sind nur die Wagen aufgelistet, die ausschließlich für den Personenverkehr mit leichtem Gepäck eingesetzt wurden und aus denen die Wagenbauer auch ihre Vorbilder für die ersten Personenwagen der Eisenbahn bezogen:266 (1) Neunsitzige Postwagen für chaussierte Straßen, 3-4 spännig, ohne Langbaum267. (2) Sechssitziger Postwagen mit zwei Coupés, für chaussierte Straßen, 3-spännig. (3) Sechssitzige Postwagen in Berlinenform, hauptsächlich für chaussierte Straßen, 2 bis 3-spännig. 265 266 267 Vgl. Stephan, Heinrich von (1859), S.783ff.; Vgl. Popplow, Marcus (2008), S. 100ff. Vgl. Stephan, Heinrich von (1859), S.786. Der Langbaum diente der Stabilisierung der Achsen auf weichem Straßenbelag, wie z. B. Sand o. ä. 4.2 Exkurs: Die Wagen der Eilpost 127 (4) Sechssitziger Postwagen mit Cabriolet, mit Langbaum, hauptsächlich für unchaussierte Straßen, 3-spännig. (5) Viersitziger Postwagen für chaussierte Straßen, ohne Langbaum, 2-spännig. (6) Viersitziger Postwagen für unchaussierte Straßen, mit Langbaum, 2 bis 3spännig. (7) Zweisitziger Postwagen, hauptsächlich für chaussierte Straßen, 1 bis 2-spännig. (8) Omnibuswagen mit Coupé, für chaussierte Straßen, für Lokal-PersonenPostverbindungen, 9-sitzig, 3-spännig. (9) Omnibuswagen ohne Coupé, für chaussierte Straßen, für Lokal-PersonenPostverbindungen, 6-sitzig, 2-spännig. Die Preußische Postverwaltung besaß im Jahre 1856 davon die folgenden einsatzfähigen Postwagen: Von (1) 204 Stück, von (2) 34 Stück, von (3) 255 Stück, von (4) 32 Stück, von (5) 303 Stück, von (6) 148 Stück, von (7) 192 Stück und von (8) und (9) 155 Stück.268 Zum Ende des Jahres 1856 waren insgesamt 1948 Postwagen, 173 Eisenbahnwagen der Postverwaltung und 220 Postwagen von Privatunternehmern vorhanden. Die Personenpost gliederte ihr Angebot auf den einzelnen Strecken in Komfortklassen, die sich in einem unterschiedlichen Service während der Fahrt, beim Aufenthalt an den Relaisstellen und in der Ausführung der Coupées unterschied. Um nicht für jede Klasse eine besondere Kutsche mit der entsprechenden technischen Ausführung zur Verfügung zu stellen, wurde Kombinationsausführungen geschaffen. Das gleichzeitige Angebot von mehreren Klassen auf einem Kurs ermöglichter es, den Kutscheneinsatz rationeller zu gestalten. Der Einsatz verschiedener Klassen wurde später in der gleichen Art bei den Eisenbahnen bei der Zusammenstellung von Zügen praktiziert. Bei dem Nebeneinanderbetrieb von Eisenbahn und Personenpost auf parallelen Strecken bot sich somit, in gewissen Grenzen, eine Alternative für den Reisenden an. 268 Vgl. Stephan, Heinrich von (1859), S.787. 128 4 Die Personenwagen Abbildung 17: Hannoverscher Omnibus mit 13 Sitzplätzen in 3 Klassen von 1858 Quelle: Das Reisesystem der Postkutsche. Verkehr im 18. und 19. Jahrhundert.269 Die Abbildung 17 zeigt einen Fahrzeugtyp von 1858, der analog zur Eisenbahn, das Fahrzeug in Coupés mit unterschiedlichem Komfort teilte. Es wurden die I., die II. und die III. Klasse angeboten. Mit diesen Postkutschen hatte sich der Personenverkehr per Post an das Angebot der Eisenbahn angepasst und versorgte die Zuführung und die Verbindung innerhalb des noch lückenhaften Eisenbahnnetzes. Durch die gemeinsame Bedienung des Personenverkehrs durch die Post und die Eisenbahngesellschaften entwickelten sich der Personenverkehr im beiderseitigen Interesse und die Post behielt einen großen Anteil daran. Sie entwickelte sich noch weiter, bis sie zum Ende des 19. Jahrhunderts durch den verstärkt einsetzenden Regionalverkehr, durch Fahrzeuge mit einem Antrieb durch Verbrennungsmotoren, fast vollständig ersetzt wurde. 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV Bei der Eisenbahn entwickelte sich der Wagenbau auf den ersten Strecken, aus dem Angebot und der Wagentechnik der Personenpost heraus.270 Vorbild für die deutschen Wagenbauer waren die Bauarten der englischen, der gleichzeitig entwickelten Bauarten der Amerikaner, der belgischen und der französischen Bahnen. Für die ersten Wagen wurden Muster aus den Ländern beschafft, die ihre Wagen schon in Betrieb hatten. Diese Muster wurden in eigener Fertigung kopiert und den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Hoch beanspruchte Teile und Baugruppen, die eine höher entwickelte Fertigungstechnik erforderten, wurden weiterhin im Ausland, vorwiegend in England beschafft und in die 269 270 Beyrer, Klaus (1985), Bild, S.57 Vgl. Poppe, Johann Heinrich Moritz von (1828), S. 122-206. 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV 129 eigenen Wagen verbaut. Dazu gehörten an erster Stelle die Achsen und die Räder sowie die Bremsen und die Federn. Für den Bau der Wagen gründeten die Eisenbahngesellschaften meist eigene Werkstätten. Die Eisenbahnwagen für den Personenverkehr und den Gütertransport bestanden aus zwei Grundbaugruppen. Der Unterbau, als der Kasten des Wagens bezeichnet, bestand aus einem stabilen Rahmen und daran montiert die Achsenlager mit den Achsen und den Rädern unterschiedlicher Anzahl. Der Wagentyp wurde nach der Anzahl der Räder klassifiziert. Die Unterscheidung betraf die englische Bauart, mit sechs Rädern in drei Achsen, die deutsche Bauart mit vier Rädern in zwei Achsen und die amerikanische Bauart mit zwei drehbaren Einzelrahmen, die mit je vier Rädern in zwei Achsen bestückt waren, d. h. in achträdrige Wagen. Diese Hauptbauarten wurden wiederum mit verschiedenen Aufbauten versehen, um sie für unterschiedliche Aufgaben einzusetzen. Wagen für den Gütertransport wurden anfangs nur in kleinerer Stückzahl produziert, sie wurden für den Bau der Strecken benötigt, um Baumaterial und Geräte für den Bau an die Baustelle zu transportieren. Für einen geregelten Güterverkehr mangelte es noch an geeigneten Stationen mit Einrichtungen für den Umschlag und die Lagerung der Güter. Die ersten Wagen waren aus diesem Grunde die Personenwagen, da sich der Personenverkehr in einfacherer Art in den bestehenden Personenverkehr der Post und der Fuhrunternehmer eingliedern ließen. Erst mit dem Ausbau der Infrastruktur erfolgte der Bau einer größeren Anzahl von Güterwagen und überflügelte den Bau der Personenwagen.271 Die Betriebsmittel Eisenbahnwagen für den Personenverkehr und für den Güterverkehr bestanden beide aus dem Rahmen, der aus Holz, aus Eisen oder aus einer Mischung beider Materialien bestand. Der obere Teil war der, auf dem Rahmen montierte Aufbau und war unterschiedlich für Güter- und Personenwagen. In dieser Untersuchung sollen nur die Aufbauten der Personenwagen betrachtet werden. Für beide Wagentypen musste jedoch wegen der Sicherheit im Betrieb, die Einhaltung eines Umgrenzungsprofils, das Normalprofil zwingend eingehalten werden. In den meisten Ländern, die die Eisenbahn einführten, wurde ein einheitliches Maß für dieses Profil festgelegt und später auch gesetzlich vorgeschrieben. Keines der Betriebsmittel durfte Bauelemente enthalten, die fest oder beweglich über dieses Profil hinausragten. Dazu gehörten die Aufbauten auf Personenwagen, mit ihren zu öffnenden Türen, die Ladung von Güterwagen und Hilfseinrichtungen wie Signalstangen oder Abdeckungen. Für den Betrieb über Länder271 Stopfl, Paul (1839), S.808. 130 4 Die Personenwagen grenzen war es erforderlich, im Laufe der Erweiterung der Eisenbahnnetze, dieses Profil europaweit zu regeln. Andererseits musste bei den Hochbauten und Betriebseinrichtungen an der Strecke, dieses Normalprofil ebenfalls eingehalten werden, um die kollisionsfreie Durchfahrt zu gewährleisten.272 Die Personenwagen unterschieden sich in der Ausführung für die Verwendung als reine Einklassenwagen und in der Ausführung als Kombinationswagen. Der Rahmen trug die Achslager und die Achsen in verschiedener Anzahl. Nach der Anzahl der Achsen mit je zwei Rädern wurden die Wagen in vierrädrige, sechsrädrige und in achträdrige Wagen eingeteilt. Die achträdrige Wagen trugen je zwei Achsen in je einem drehbaren Rädergestell. Dadurch war der Achsabstand am geringsten gegenüber den vier- und den sechsrädrigen Wagen. Das hatte entscheidende Unterschiede im Betrieb zur Folge. Die achträdrigen Wagen wurden als amerikanische Bauart bezeichnet, weil diese in Amerika die fast ausschließlich eingesetzte Bauart war. In England wurde auch fast ausschließlich die vierrädrige Bauart bevorzugt und in Deutschland waren alle drei Bauarten mit verschiedenen örtlichen Schwerpunkten im Einsatz. Für die Verwendung als Einklassenwagen konnten die vier- und die sechsrädrigen Wagen eingesetzt werden, während für die Verwendung als Kombinationswagen meist achträdrige Wagen notwendig waren. Bei den preußischen Eisenbahnen wurden sechsrädrige Wagen bevorzugt. Für die verschiedenen Gestell Konstruktionen ließen sich Vorund Nachteile gegenüberstellen, aber die Eisenbahngesellschaften setzten unterschiedliche Prioritäten bei der Auswahl der zu beschaffenden Typen, die von den Betriebsbedingungen und von der Art der Streckenführungen abhingen. Als Vorteil zeigen die achträdrigen Wagen durch den kurzen Radstand eine leichte Beweglichkeit in engen Kurven, was aber den Nachteil hat, dass sie durch die Verschiebung der Achse des Gestells zur Radachse einen unruhiger Lauf erzeugt, der auch einen höheren Verschleiß an den Spurkränzen zur Folge hat. Aus diesem Grund gab es auch immer wieder Achsbrüche an den achträdrigen Wagen, der auch immer einen Bruch des Drehbolzens zwischen Kasten und Drehgestell zur Folge hatte. Danach löste sich das Drehgestell vom Wagen und verursachte dann auch Schäden an den nachfolgenden Wagen. Ein vier- oder ein sechsrädrige Wagen wird bei einem Unfall durch Radentgleisung immer in der Schienenspur bleiben, bis der Zug zum Stehen kommt. Zusätzlich haben diese Wagen viele der Nachteile, die die sechs- und die vierrädrigen Wagen auch haben. 272 Vgl. Wichert (1890), S. 68. 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV 131 Die sechsrädrigen Wagen hatten in den 1850er Jahren allgemein Verwendung gefunden, weil gegenüber den vierrädrigen Wagen folgende Vorteile geltend gemacht wurden. Beim Bruch einer Achse bleiben immer noch zwei Achsen zum Tragen des Wagens übrig, aber nur wenn die mittlere Achse brechen würde. Durch den weiten Radstand ist der Gang sehr ruhig. Die Achsen haben durch den Wegfall der Drehgestelle eine größere Raumfreiheit für ihre Bewegung und für die Aufbauten. Durch die einfachere Bauart waren die Baukosten geringer. Den Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile gegenüber, die vierrädrige Wagen nicht haben. Ein sechsrädriger Wagen erfordert eine wesentlich größere Zugkraft bei Kurvenfahrt gegenüber den vierädrigen Wagen, auch wenn eventuell die Mittelachse in Achsrichtung leicht verschiebbar angeordnet ist. Bei langen Wagen mit drei Achsen war es besonders schwierig die Achsen in gleicher Flucht zu montieren, was bei Fehlern zum Verzug des Wagenkastens führen konnte. Die Belastung aller drei Achsen ist schwierig auszugleichen und führt bei Ungenauigkeiten zur Überlastung der äußeren Achsen. Für Personenzüge gilt, dass beim Einsatz von sechsrädrigen Wagen auf weniger frequentierten Strecke oder bei der Notwendigkeit einen zusätzlichen Wagen bei nur einem Passagier, über die Anzahl der vorhandenen Plätze in den Klassen, ein zusätzlicher großer Wagen hinzugenommen werden muss und die Strecke mit vielen Leerplätzen belastet. Daraus kann entnommen werden, das vierrädrige Wagen flexibler im Einsatz, billiger in der Herstellung und leichter handhabbar sind, zumal auch die weiteren Betriebseinrichtungen in Bahnhöfen und in Zwischenstationen zur Wartung und zum Rangieren nur kleinere Räume und z. B. Drehscheiben benötigen. Die sechs- und die achträdrigen Wagen erfordern in allen Fällen wesentlich mehr Bewegungsraum als die vierrädrigen. Die vierädrigen Wagen waren aber bei den Technikern der Bahn nicht so beliebt, wie sie es hätten sein können, was mit dem unruhigen Lauf der Züge begründet wurde. Das war aber ein Problem der Kupplungsart der einzelnen Wagen und ließ sich durch eine Optimierung der Puffer und der Kupplungen beheben. Mit dieser Maßnahme ließen sich die Vorteile der vierrädrigen Wagen ausnutzen und fanden danach auch vermehrte Verwendung.273 Beispielhaft für die flexible Ausführung der Personenwagen soll hier ein Kombinationswagen stehen. Er war vorgesehen für die Braunschweiger-Harzburger Staatsbahn und sollte als einzelner Wagentyp den gesamten Personenverkehr übernehmen. Der Aufbau des Wagens umfasst ein Coupé I. Klasse mit 18 Plätzen, ein Coupé II. Klasse mit 16 bis 20 Plätzen und zwei große Coupés III. Klasse mit 60 Plätzen. Wegen des Coupés 273 Hartwich, E. Hermann. (1852). 132 4 Die Personenwagen der I. Klasse mussten für einen höheren Fahrkomfort Bogenfedern Verwendung finden. Diese Art des Wagenaufbau erhöhte die Wirtschaftlichkeit der Bahn und war auch bei der starken Steigung der „Harz Bahn“ wegen der besseren Ausnutzung der Lokomotivzugkraft vorteilhaft. Wegen des höheren Gewichts des Aufbaus wurde für den Wagenkasten die achträdrige amerikanische Konstruktion gewählt. Gebaut wurde der Wagen von der Wagenfabrik der Leipzig-Dresdner Eisenbahn. Sie belieferte auch die meisten der anderen deutschen Eisenbahn so und auch die preußischen Eisenbahnen, bis diese sich eigene Fabrikationsmöglichkeiten geschaffen hatten. Die Abbildung 18 zeigt einen Personenwagen, bei dem durch die Kombination verschiedener Komfortklassen auf einem Wagen, der unterschiedlichen Nachfrage bei kürzeren Zuglängen entsprochen werden konnte. Abbildung 18: Eisenbahn Personenwagen I., II., u. III. Klasse Quelle: Leipzig-Dresdener-Eisenbahn Wagenfabrik274 In den folgenden Kapiteln wird auf die einzelnen Klassen der Personenwagen näher eingegangen, die sich in der Ausführung der Wagenaufbauten unterschieden und die dadurch mir ihrem Komfort, die Grundlage des Personentarifs, dem Personengeld waren. Die unterschiedlichen Bauarten waren auch die Ursache für den inneren Verkehr im Wagen, den Bewegungsmöglichkeiten der Reisenden und für die Kommunikation innerhalb des gesamten Personenzuges, zwischen den einzelnen Reisenden und den Reisenden Gruppen, d. h. den einzelnen Klassenreisenden und dem Fahrpersonal der Eisenbahngesellschaften. Die praktische Durchführung dieser Konstruktions- und der Ausführungsarten ergab sich erst in einem längeren Erkenntnisprozess, der sich mit dem Einsatz der ersten Wagen entwickelte und deren Erfahrungen in die nachfolgenden Wagenmodelle einflossen. »Da, wie erwähnt, der größte Vorzug der Eisenbahn in der Schnelligkeit gesehen wurde, so glaubte man, daß sie, von Ausnahmen abgesehen, bei weitem nicht die größte Wichtigkeit für die Güter-, sondern für die 274 Bayer, Rolf (1989), Bild 196 – S.141. 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV 133 Personenbeförderung haben würde. Auf diese richtete man sich also auch vornehmlich ein. Wohl bei der Mehrzahl der ersten Bahnen wurden für die Passagiere drei Klassen - mitunter auch zwei oder nur eine - eingerichtet, deren Ausstattung von den Landkutschen übernommen wurde; eine erste Klasse war etwa nach Art der Equipagen, eine zweite nach Art der gewöhnlichen Reisewagen, eine dritte nach Art der Leiterwagen mit rohen Holzbänken ausgestattet. Bei allen aber war von irgendwelchem Komfort noch keine Rede, in der Regel hatte der Reisende in den ersten Jahren gar nur den Himmel als Dach über sich, und er tat gut, sich gegen die Zufälligkeit der Witterung und noch mehr gegen den peinlichen Ruß der Lokomotive durch einen soliden Schirm zu schützen. Manche Befürchtungen wegen der Gefahr für Leib und Leben waren sicherlich übertrieben; die ersten Bahnen widerlegten da viele pessimistische Prophezeiungen.«275 Abbildung 19: Wagen-Rahmen mit Buffer und Kupplungshaken Quelle: Armengaud J. E. „Tafeln zum Eisenbahnwesen“ - 1850276 Die Abbildung 19 zeigt den Rahmen oder den Kasten eines Eisenbahnwagens. Es ist der Standardrahmen, auf dem der Wagenaufbau je nach Verwendungszweck aufgebaut wurde. Im Rahmen, der Güter- wie der Personenwagen, waren die Buffer und die Zughaken für die Kupplung der Wagen zu einem Zugverbund montiert. Um den Zug während der normalen Vorwärtsfahrt elastisch zusammen zu kuppeln, waren die Wagen über die Zughaken oder die Kupplungshaken miteinander verbunden. Die Haken an beiden Enden des Rahmens waren elastisch über Federn untereinander verbunden. Bei der Anfahrt des Zuges wurde die Zugkraft der Lokomotive über diese Gestänge auf alle Wagen gleichmäßig verteilt. Die Buffer kamen zur Wirkung, wenn die Fahrt verzögert wurde. Die Wagen schoben sich durch die Trägheit aufeinander und die Buffer berührten sich. Dabei wurde die Bremskraft von den Buffern über eine Schubstange auf je ein Blattfederpaket in 275 276 Kumpmann, Karl (1910), S. 7f. Armengaud, Jacques Eugène (circa 1850) Tafel 35, Fig. 2 134 4 Die Personenwagen der Mitte des Wagens aufgenommen und wiederum gleichmäßig auf die Rahmen des gesamten Zuges verteilt. Die konstruktive Ausführung dieser Vorrichtungen war ein wesentliches Bauteil für den gleichmäßigen Lauf des Zuges und damit ein entscheidender Teil für den Komfort in den Wagen. Bei einer normalen Zugfahrt wechselten sich je nach Steigung oder Gefälle der Strecke die Kraftrichtungen zwischen Zug und Druck und mussten permanent ausgeglichen werden, ohne die Fahrt in eine Schwingung oder in ein Schleuderbewegung zu bringen. Zu den Sicherheitseinrichtungen der Züge gehörte auch die Bremsvorrichtung. Sie war nicht an allen Wagen angebracht und erforderte anfangs einen Bahnbediensteten, der während einer Fahrt und beim Stillstand in einer Station von Hand diese Einrichtung betätigte und damit auch die Bremskraft der Lokomotive unterstützte. Für diesen Bahnbeamten waren auf dem Dach der Wagen, an den Stirnseiten der Wagen, Bremserhäuschen vorgesehen. 4.3.1 Wagen der I. Klasse Die folgende Beschreibung benennt die wesentlichen Konstruktions- und AusführungsMerkmale, die beim Bau der ersten Wagen wichtig waren und im Einzelnen benannt wurden. Diese Beschreibung gilt generell für alle Personenwagen und deren komfortmäßige Einteilung in Wagenklassen bei allen Eisenbahngesellschaften, weil eine enge informelle Beziehung untereinander bestand, um sich die noch fehlende Erfahrung von den schon in Betrieb befindlichen Gesellschaften zu beschaffen. Die Sammlung von Kenntnissen über die Ausführung und den Betrieb der Wagen erfolgte durch direkte Information vor Ort, was vom Tatbestand an Industriespionage grenzte. Ein anderer Weg der Informationsgewinnung bestand im Kauf von Musterwagen, die dann in einer eigenen Werkstatt kopiert wurden, was in dieser Form Plagiat genannt werden kann. Wichtig war allein der Aufbau des Produktionswissens. Die Abbildung 20 zeigt einen Wagen der höchsten Komfortklasse, der I. Klasse. »Die erste Klasse dieser Wagen, die elegantesten und bequemsten, haben drei Abtheilungen, jede zu sechs abgesonderten Sitzen, ausgepolstert, mit Tuch ausgeschlagen und mit Glasscheibenfenstern versehen; sie fassen achtzehn Passagiere. Die Untergestelle ruhen auf vier gußeisernen, mit gewalzten Spurreifen (Tyres) überzogenen Rädern, von 3 Fuß Durchmesser, welche paarweise auf ihren schmiedeeisernen Achsen festgekeilt sind. […] Ueber den Auflagern befinden sich die vier Tragfedern, aus Blattfedern zusammengelegt, und dazu bestimmt, alle Stöße, welche bei der großen Geschwindigkeit durch die kleinste Erhabenheit der Bahn, bedeutend werden können, aufzufangen; und für die Passagiere minder unangenehm, für die Bahn und Wagen minder 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV 135 schädlich zu machen. Ueber den Stoßfedern liegen unmittelbar die doppelten Rahmen von Eschenholz, auf denen der Wagenkasten aufliegt.« Danach wird in der Beschreibung Wert auf eine Bewertung der Qualität gegenüber den Konkurrenzfabriken gelegt: »Diese Wagen erster Klasse sind, was Eleganz der Bauart betrifft, nicht allein den englischen gleich, sondern übertreffen dieselben sogar.«277 Abbildung 20: Personenwagen I. Klasse – 1839 Quelle: Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Wien und Brünn …278 4.3.2 Wagen der II. Klasse Bezug nehmend auf die Beschreibung der Wagen der I. Klasse schreibt der Autor: »Die Wagen zweiter Klasse sind minder elegant, als die ersterwähnten, mit drei nicht geschlossenen Abtheilungen, jede zu acht, mit Lederpolstern versehenen Sitzen, daher auf 24 Personen eingerichtet. Sie sind gedeckt, vorne und hinten geschlossen, von beiden Seiten aber offen und mit Ledermänteln zum Verhängen versehen. Die Untergestelle sind ganz denen für die Wagen der ersten Klasse gleich. Auf einigen derselben befinden sich , mit dem Dache in gleicher Höhe, die Sitze für den Kondukteurs, zu denen eine eigene, mit der Bremse in Verbindung stehende Kurbel reicht.«279 Die Sitze für den Eisenbahnbeamten sind erforderlich, um während der Fahrt den ganzen Zug im Blick zu haben, um gegebenenfalls zum Halt an einer Station oder in einem besonderen Gefahren- oder Notzustand die Wagen mithilfe der Bremskurbel abzubremsen. Die Position ist offen und der Mann dem Wetter ausgeliefert. Der Platz ist jedoch auf dem 277 278 279 Stopfl, Paul (1839), S.808. Stopfl, Paul (1839), Blatt CCCXXI. Stopfl, Paul (1839), S.808. 136 4 Die Personenwagen Wagen der zweiten Klasse, siehe Abbildung 21 um die Reisenden der ersten Klasse durch seine Aktionen nicht zu belästigen. Abbildung 21: Personenwagen II. Klasse – 1839 Quelle: Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Wien und Brünn …280 4.3.3 Wagen der III. Klasse Über die Wagen der dritten Klasse, siehe Abbildung 22, folgt die Beschreibung, wieder Bezug nehmend auf die vorhergehende und mit Angabe der Unterschiede im Komfort und in der Ausführung: »Die Wagen der dritten Klasse sind gleichfalls mit einem Dache versehen, in vier nicht geschlossene Räume getheilt, und nach allen Seiten offen. Jede Abtheilung enthält 8, der ganze Wagen daher 32 ungepolsterte Sitze. Das Untergestell hat weder Stoß- noch Zug-, wohl aber die Tragfedern.«281 Hier ist ein klarer Unterschied im Komfort vorgenommen worden, indem die Qualität der Wagenfederung zusätzlich zur Vereinfachung der inneren Ausführung verringert wurde. Abbildung 22: Personenwagen III. Klasse – 1839 Quelle: Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Wien und Brünn …282 280 281 282 Stopfl, Paul (1839), Blatt CCCXXI. Stopfl, Paul (1839), S.808. Stopfl, Paul (1839), Blatt CCCXXI. 4.3 Bauarten für die Klassen I bis IV 137 4.3.4 Wagen der IV. Klasse Die kurze Bemerkung zur vierten Klasse wird in einem Satz ausgedrückt, der auch auf den Grad der Bedeutung dieser Klasse hinweist: »Die Wagen der vierten Klasse endlich unterscheiden sich von denen der dritten Klasse nur dadurch, daß sie ganz unbedeckt sind.«283 Abbildung 23: Personenwagen IV. Klasse – 1839 Quelle: Kaiser Ferdinands-Nordbahn zwischen Wien und Brünn …284 Die Wagen der IV. Klasse (Abbildung 23) waren nicht allgemein eingeführt worden. Einige Eisenbahngesellschaften verzichteten darauf, weil bei dieser Art der Wagen ohne jegliche Abdeckung und ohne jeglichen Komfort die Probleme mit den Passagieren, die sich über die Wettereinflüsse und die Gefahren durch den Funkenflug von der Lokomotive beschwerten, überhandnahmen und deshalb diese Klasse zugunsten der dritten Klasse mieden. Auch die Anpassung der Tarife brachten für diese Wagenklasse wenig Attraktivität. Sie wurde dann nur noch zum Arbeitertransport auf kurzen Strecken zu geringem Personengeld eingesetzt. In den Folgejahre erhöhte sich die Nachfrage und die Benutzung der IV. Klasse jedoch wieder, sie erreichte bei den preußischen Staatsbahnen im Jahre 1887/88 61 Millionen Fahrgäste, das waren in diesen Jahren 32 % der Fahrgäste insgesamt. Der Grund für diese Steigerung lag darin, dass immer mehr Reisende gerade wegen der niedrigen Fahrpreise die Eisenbahn benutzten. Sie nahmen die Unbequemlichkeiten in Kauf und behalfen sich bei längeren Strecken, indem sie die fehlenden Sitzgelegenheiten durch ihr eigenes Gepäck kompensierten, weil die Mitnahme von Traglasten in dieser 283 284 Stopfl, Paul (1839), S.808. Stopfl, Paul (1839), Blatt CCCXXI. 138 4 Die Personenwagen Klasse erlaubt war. Man denkt dabei an Handwerker auf dem Wege zur Arbeit mit eigenem Werkzeug und an landwirtschaftlich Tätige bei der Fahrt zur nächsten Stadt, um ihre Produkte zu verkaufen.285 Als Ursprung der IV. Klasse ist Baden anzusehen. Sie wurde zuerst von dieser und darauffolgend von der Taunusbahn eingesetzt. Als Stehwagenklasse wurde sie eingeführt und weiterhin nur noch auf einigen preußischen Bahnen im Rheinland eingesetzt. Von den Reisenden wurde im Norden die III. Klasse gewählt, während im Süden die IV. Klasse bevorzugt wurde. Das hatte zur Folge, dass die Einnahmen in der III. Klasse wesentlich gemindert wurden. Man hatte bei der Einführung der IV. Klasse den Lokalverkehr im Sinn, deshalb auch die Bezeichnung Stehwagenklasse und nicht die Durchreisenden auf Fernstrecken. Die Durchreisenden sollten die rentablere III. Klasse benutzen. Die Abschaffung der IV. Klasse und die Senkung des Personengeldes für die III. Klasse hatte Proteste der Landtage in Hessen und in Baden zur Folge und aus sozialen Gründen die Beibehaltung der IV. Klasse in verbesserter Innenausstattung. Wenige Jahre später führten daraufhin auch 15 der 17 Preußischen Eisenbahnen die IV. Klasse in verbesserter Form ein. Die ursprünglichen Wagen der IV. Klasse gaben regelmäßig Anlass zu Beschwerden seitens der Reisenden. Die Wagen waren nach oben offen, ohne ein Verdeck und lieferten die Passagiere schutzlos den Witterungsverhältnissen aus, dazu kam noch der Funkenflug und der Rauch vom Lokomotivschornstein, der zu Belästigungen führte. Diese Klasse war ausschließlich für den Lokalverkehr bestimmt und die Eisenbahngesellschaften sahen auch keinen Grund, daran etwas zu ändern. Es wurde erwartet, dass die Reisenden wegen dieser Unbequemlichkeiten verstärkt die III. Klasse benutzen würden. Die unerwartete Folge war jedoch, dass viele der IV. Klasse Reisenden es wieder bevorzugten, die relativ kurzen Strecken im Lokalverkehr zu Fuß zu gehen und die Einnahmesituation verschlechterte sich dadurch noch mehr.286 4.4 Die Entwicklung bis zum Ende der 1850er Jahre Bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes hatte sich die Einführung der Personenwagen in Preußen soweit stabilisiert, dass überwiegend 3-achsige / 6-rädrige Konstruktionen zum Einsatz kamen. Diese Bauart ließ die größten Freiheiten beim Aufbau der Passagiercoupés zu. Die Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der Wagentypen in der Klassifizierung durch die 285 286 Vgl. Wichert (1890), S. 67. Vgl. Dröll, Hermann (1912), S. 71. 4.4 Die Entwicklung bis zum Ende der 1850er Jahre 139 Achsen-/Räderzahl. Die Angaben beginnen mit der einheitlichen Zählung 1853 und laufen bis zum Ende des Zeitraums dieser Untersuchung. Für die Jahre 1854 und 1856 weist die Quelle keine Angaben aus. Anzahl der Personenwagen mit Achsen*2 4-rädrige 6-rädrige 8-rädrige Bahnlänge 1853 234 1223 44 484 1854 1855 228 1304 45 508 1856 1857 237 1470 44 596 1858 261 1563 40 628 1859 331 1605 39 673 1860 386 1669 36 742 Tabelle 3: Personenwagen nach Anzahl der Achsen Quelle: Statistische Nachrichten von den Preußischen Eisenbahnen 1860.287 Die Tabelle 4 zeigt die Entwicklung der Anzahl der Sitzplätze in den einzelnen Klassen, daraus ist ersichtlich, dass in den ersten Jahren das Angebot in der III. Klasse das weitaus größte ist. Mit der Erweiterung des Angebots in der IV. Klasse verringert sich der Zuwachs in der III. Klasse. Dieser Trend beginnt erst zum Ende des Untersuchungszeitraums und er beschleunigt sich in den 1860er Jahren dann in sehr starken Maße. Die Einführung der IV. Klasse erschließt einen weiteren Benutzerkreis der Eisenbahn, besonders im lokalen Kurzstreckenbereich. Anzahl der Sitzplätze in Klassen I. Klasse II. Klasse III. Klasse IV. Klasse pro Meile 1853 3.889 17.038 45.922 4.020 146,2 1854 1855 4.210 18.617 46.701 4.668 148,9 1856 1857 4.858 20.381 49.075 10.438 142,1 1858 5.747 22.081 49.880 12.652 143,8 1859 6.152 22.354 52.744 14.492 142,8 1860 6.339 23.980 57.245 14.352 137,1 Tabelle 4: Anzahl der Sitzplätze pro Klasse Quelle: Statistische Nachrichten von den preußischen Eisenbahnen 1860.288 Nach 1860 hatte sich das Angebot stabilisiert, entsprechend der Nachfrage in den einzelnen Wagenklassen. Deutlich bevorzugt wurde die III. Klasse, die einen günstigen 287 288 Vgl. Technisches Eisenbahn-Bureau des Ministeriums (1861), Kap. III. Vgl. Technisches Eisenbahn-Bureau des Ministeriums (1861), Kap. III. 140 4 Die Personenwagen Kompromiss zwischen der zweiten und der vierten Klasse darstellte. Die vierte Klasse, wenn sie von der jeweiligen Eisenbahngesellschaft angeboten wurde, überwiegend für Kurzstrecken von Fabrikarbeitern und von der Landbevölkerung genutzt, wenn sie einen Vorteil gegenüber einer zu Fuß zurückgelegten Strecke darstellte. Die erste und die zweite Klasse wurde, wegen der Kosten und wegen des Vorteiles einer bequemeren Reise, besonders auf längeren Strecken von einer bestimmtem Gesellschaftsgruppe bevorzugt oder ausschließlich benutzt. In der ersten Klasse reisten das obere Militär und der Adel. In der zweiten Klasse überwiegend das Bürgertum und die mittleren Ränge des Militärs, beruflich reisende Journalisten und Beamte. Diese Einteilung ist durch keine Quelle verbindlich, generalisierend belegbar, aber sie wird in vielen Beispielen wiederholt vermittelt. 4.5 Klima, Komfort und sanitäre Einrichtungen »Vom hygienischen Standpunkte eine der wichtigsten Fragen betrifft die Lüftung und die Heizung.« Die Aufgabe ist einfach zu formulieren, eine »zugfreie Absaugung der verbrauchten und Zuführung staubfreier Luft, gleichmäßige, regulierbare Wärme, Vermeidung plötzlicher Abkühlung. Die Schwierigkeiten für die Durchführung sind indessen sehr große, zum Theil überhaupt nicht zu bewältigende.« Die Schwierigkeiten stellen sich in der Form dar, dass »Der kleine Luftraum« des Abteils oder Coupées »bedingt eine sehr starke Lufterneuerung, die ohne Zugluft kaum ausführbar ist; staubfreie Luft ist nicht zu haben; die dünnen Wände kühlen stark ab, so daß die Temperatur im Winter nicht gleichmäßig zu halten ist, wie an sich auch schon die Luft am Fußboden kälter, als in der Nähe der Decke ist; jedes Oeffnen der Thüren kühlt die geringe Luftmenge im Kupée schnell ab, so daß starke Temperaturwechsel nicht zu vermeiden sind. Endlich ist die Anbringung wegen des beschränkten Raumes nicht ausführbar.«289 Das war die offizielle Ansicht noch um 1890 bei der Preußischen Staatsbahn. Seit 1844 werden Eisenbahnabteile in Deutschland mit Kerzen und später mit Öl- oder Petroleumlampen beleuchtet.290 Ein Erlass des preußischen Kabinetts vom 11. November 1844 war der Grund für die Einführung der Personenwagenbeleuchtung291. Wobei darauf hingewiesen wurde, »Zu verlangen, daß man auch Zeitungen und Bücher bei 289 290 291 Vgl. Wichert (1890), S. 71. Schützenhofer jun.; Scheichl (1917): Beleuchtung der Eisenbahnwagen. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, Bd. 2. Vgl. Vermischte Nachrichten. Deutschland - Preußische Eisenbahnen (1845a). 4.5 Klima, Komfort und sanitäre Einrichtungen 141 künstlicher Beleuchtung lesen kann, scheint mir zu weit zu gehen; das Lesen im Wagen ist selbst bei Tage anstrengend und für das Auge schädlich, so daß ich glaube, es darf schon im Interesse der Gesundheit der Reisende durch eine überhelle Beleuchtung dem Lesen nicht Vorschub geleistet werden.«292 Anfangs wurde nur das Heizen der Personenwagen293 für notwendig erachtet, später kamen Einrichtungen zum Lüften hinzu, um ein leidliches Klima aufrechtzuerhalten. Eine Kühlung kam lange Zeit nicht in Betracht. Die Öfen, die für das Heizen der Abteile verwendet wurden, wurden mit Kohle oder mit Holz befeuert. Das war sehr umständlich, deshalb versuchte man, den Dampf der Lokomotive für diese Zwecke zu nutzen. Für die Belüftung der Personenwagen wurden nur Dachlüfter ohne Regelungsmöglichkeit verwendet. Für die Personenwagen waren ursprünglich keinerlei sanitäre Einrichtungen vorgesehen. Danach gab es Retiraden294 aus dem der spätere Abort entstand, aber nur im Gepäckwagen. Dorthin mussten sich alle Reisenden hin begeben. Etwa ab 1860 setzten sich diese auch in den Personenwagen durch. Das Prinzip der Eisenbahntoilette hat sich bis heute nicht geändert. Ein Fallrohr befördert den Abfluss direkt auf die Schienen. Erst mit dem Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen befassten sich die Waggonbauer mit druckdichten Neuentwicklungen.295 Fast zwanzig Jahre nach der ersten Eisenbahneröffnung ist das Thema eines „Cabinets für dringende menschliche Bedürfnisse“ immer noch aktuell, sodass sich auch das Berliner Börsenblatt in seiner Nr. 24 des Jahres 1863 dafür einsetzt, endlich diese Einrichtung, vor allem in den Schnellzügen, einzuführen oder wo vorhanden zu verbessern. Die Retiraden oder Cabinets waren teilweise schon vorhanden und ausschließlich in den Gepäckwagen installiert. Die Berlin-Anhaltische Eisenbahn tat sich hierbei besonders hervor, indem sie bei der überwiegenden Zahl ihrer Personenzüge eine derartige Einrichtung mitführte. Die Benutzung dieser Möglichkeit ist aber an eine Bedingung geknüpft, dass sie nur beim Halt an einer Station zugänglich ist. Das hat dann zur Folge, dass der Reisende die gesamte Fahrzeit von einer Station zur nächsten dort verbringen muss. Es wird noch erwähnt, dass die Benutzung kostenlos ist. Der Norddeutsche Eisenbahnverband hat diese Einrichtung nicht übernommen, weil von den Französischen Eisenbahnen bekannt ist, dass sie meist nicht benutzt wurde. Diese Frage ist aus mehreren Gründen immer wieder erwähnt worden, weil es für die Reisenden bequemer wäre, eine derartige Möglichkeit auf den Bahnhöfen 292 293 294 295 Vgl. Wichert (1890), S.70. Schützenhofer jun. (1917): Heizung der Eisenbahnen. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, Bd. 6. Rybak (1917): Aborte in Eisenbahnwagen. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, Bd. 1. Vgl. Rossberg, Ralf Roman (Hg.) (1988), S. 319ff. 142 4 Die Personenwagen vorzufinden, als oft bis zu einer halben Stunde im Gepäckwagen zu verbringen. Jedoch sind die Cabinets auf vielen deutschen Bahnhöfen derart abgelegen, dass sie entweder zu versteckt liegen oder zu weit entfernt vom Bahnsteig liegen, dass auch diese nicht während eines zu kurzen Halts besucht werden können. Im Übrigen waren sie auch sehr vernachlässigt, ungepflegt und schmutzig.296 Die Verbesserung des Komforts der Eisenbahnwagen in Bezug auf das Klima in den Wagen konzentrierte sich auf die Schaffung einer angenehmen Temperatur bei Reisen im Winter. Ein emeritierter österreichischer Chemieprofessor aus Wien gewann breite Aufmerksamkeit bei den Eisenbahngesellschaften durch umfangreiche Untersuchungen über das Klima in abgeschlossenen Räumen, in denen Menschen sich eine gewisse Zeit aufhielten, wie in Eisenbahnwagen für den Personenverkehr. Er hatte sich in früheren Jahren schon mit verschiedenen Konstruktionen von Öfen für Wohnhäuser beschäftigt297 und stellte im Jahre 1850 eine Entwicklung vor, die in ihrem Volumen den Platz eines einzelnen Sitzplatzes beanspruchte und einen ganzen Wagen heizen konnte. In einem Artikel in der Zeitschrift für den Österreichischen Ingenieur-Verein beschrieb er seine Erfindung und konnte erreichen, dass das Österreichische Handelsministerium den Einbau in die ambulanten Postbüros ( d. h. in die Eisenbahn-Postwagen) auf den Österreichischen Staatsbahnen und in dem folgenden Winter versuchsweise in zwei Personenwagen anordnete. Er nannte seine Erfindung, »einen Apparat zur Erwärmung und Ventilirung der Eisenbahnwagen und anderer geschlossener Räume: […].« Er veröffentlichte dafür eine technische Beschreibung, mit dem Zweck der Erfindung, detaillierte Messungen und Berechnungen sowie Instruktionen zur Bedienung des Apparates. Über die innere Konstruktion des Apparates gab er mit dem Hinweis auf eventuelle Nachbauten keinerlei Einzelheiten bekannt.298 In einem Bericht des Österreichern Verordnungsblatts für Posten wird die Verwendung des neuen Heiz- und Ventilations-Apparats der Eisenbahn-Postwagen noch einmal begründet und darauf hingewiesen, dass zwar alle Postwagen auf den ausländischen Bahnen schon früher mit Öfen versehen waren, aber dabei handelte es sich nur um ganz »gewöhnliche Eisenblechöfen, die sich weder als zweckmäßig noch als ungefährlich darstellten«. Dagegen hatten, »Die in einem nach Meißner’s Instruktion geheizten, mit Fenstern versehenen Personen wagen dritter Klasse auf der Staatsbahn unternommenen 296 297 298 Vgl. Ein Betriebsbeamter (1864), S.124f. Vgl. Meißner, P. T. (1827). Vgl. Meißner, P. T. (1850). 4.5 Klima, Komfort und sanitäre Einrichtungen 143 Probefahrten haben nicht nur eine gleichmäßig und nach Belieben zu regulirende Erwärmung des Wagenraumes ohne störende Zugaben, sondern auch eine entsprechende Luftventilazion in den nach außen geschlossenen Wagen und überdieß eine verhältnißmaßig geringe Konsumzion von Brennmaterial ergeben.« Zur Konstruktion wird dabei auf den Vorbehalt des Erfinders hingewiesen, dass er »die innere Konstrukzion des Ofens für etwa von ihm im Auslande einzuholende Privilegien, als ein vorläufiges Geheimniß gewahrt zu wissen (wolle).« Die Staatsbahn ergänzte dazu, dass trotz der allgemeinen Vorzüge, über die Einführung des Apparats bei allen Personenwagen, zuerst die Ergebnisse der Versuche im folgenden Winter abgewartet werden sollen.299 In der Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur-Vereins wurden im nächsten Jahr Resultate der Versuche mit dem Meißner’schen Heiz- und Ventilierungs-Apparat mitgeteilt. »Der Apparat ist kein Projekt mehr, denn 8 Eisenbahn-Postwagen der ambulanten Post sind bereits mit solchen Apparaten versehen; die 15 in Arbeit begriffenen Postwagen werden gleiche Apparate erhalten, und zwischen Prag und Brünn sind 3 Personenwagen 3. Klasse im Betriebe, bei welchen der Apparat in Betreff seiner Verwendung für Eisenbahnwagen, wo sich noch mehr Schwierigkeiten als bei Postwagen ergeben, genau und systematisch erprobt wird.« Der Apparat wird in seinen Abmessungen und in seiner praktischen Verwendung beschrieben und es werden die gemessenen Leistungsdaten in einer Tabelle dokumentiert. Die Apparat ist ohne Unterbrechung bei den unterschiedlichen Außentemperaturen in Betrieb und arbeiten den Erwartungen entsprechend. Ein Apparat wurde auch bei der einem Donau-Dampfschiff versuchsweise eingesetzt.300 Das breite Interesse an technischen Entwicklungen im Eisenbahnbau und in der Weiterentwicklung des Reisekomforts wird auch daraus ersichtlich, dass Dingler’s Polytechnisches Journal einen Bericht abdruckt, der in den Mittheilungen für den Gewerbeverein des Herzogthums Braunschweig, vom Juli 1850, Nr. 27 erschienen ist und der den gleichen Apparat und Sachverhalt beschreibt.301 Nach vielen Versuchen mit Öl und Petroleum für die Beleuchtung und mit, durch Kohle- , Koksglut oder Holz erhitzten Sand oder Wasser gefüllten Kästen im Boden oder auf dem Boden der Coupés für die Heizung, versprach die Verwendung von Gas für 299 300 301 Vgl. Zeitung-Inland: Österreich. (1850). Vgl. Eisenbahn-Betriebsmittel: Erwärmung und Ventilierung von Eisenbahnwagen. (1851). Vgl. Ueber die Heizung der Eisenbahnwagen. (1850). 144 4 Die Personenwagen beides, für die Heizung und für die Beleuchtung eine wesentliche Verbesserung des Komforts. Zum Anfang der 1860er wurden auf der Braunschweigischen Staatseisenbahn Versuche mit dieser neuen Art der Energieverwendung gemacht. Bis zu dieser Zeit waren noch keine Installationen dieser Art auf den deutschen Eisenbahnen vorhanden. Von den Braunschweigischen Eisenwerkstätten wurde ein Personenwagen gebaut mit einem Coupé der I. Klasse, zwei Coupés der II. Klasse und zwei Coupés der III. Klasse. In sämtlichen Coupés wurden erstmals eine Gasbeleuchtung und eine Gasheizung eingebaut. In zwei dicht verschlossenen Kästen auf dem Wagendach wurden die Gasbehälter montiert. Eine gewichtsbelastete Druckvorrichtung regelt den gleichmäßigen Ausstoß des Gases aus dem Vorratszylinder in ein Leitungssystem. Am inneren Wagendach wurden Gaslaternen montiert, die mit etwa 250 mm großen Glaskuppeln verschlossen waren. Die Konstruktion der Gaslaternen entsprach dem technischen Standard der Zeit für Gaslampen im Innenbereich von Wohnräumen. Diese Lampen erzeugten eine Helligkeit, die zum bequemen Lesen ausreichend war. Die Füllung der Gasbehälter erfolgte innerhalb von 15 Minuten, was sich noch reduzieren ließ, vom Nebengleis beim Halt auf einer Station. Die Heizung dieser neuartigen Personenwagen erfolgte über einen doppelten Boden innerhalb der Coupés, der mit Asche aufgefüllt war und einen durchgehenden eisernen Kasten aufnahm. Diese Kästen werden mit Sand gefüllt und erhitzt, von außen in den Wagen eingeschoben, um den Reisenden in keiner Weise zu stören. Es war vorgesehen, diese Kästen auf Gasöfen, die mit Bunsenbrenner erhitzt wurden, an den Stationen aufzuheizen. Die Coupés wurden dann durch Schlitze im Wagenboden und im Heizkasten erwärmt. Den Zustrom der Wärme konnte vom Reisenden durch Verändern der Schlitzbreite reguliert werden. Es handelte sich also hier an erster Stelle um Fußwärmer, die wegen ihrer Effektivität für weiteren Einbau empfohlen wurden. Diese Art der Heizung und Beleuchtung entspricht dem Stand der Technik zum Anfang der 1860er Jahre und wurde sukzessive in den folgenden Jahren in ähnlicher Konstruktion bei den anderen Eisenbahngesellschaften eingeführt.302 Bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn wurden für die Beheizung der Wagen der I. Klasse und der II. Klasse Wärmeflaschen mit heißem Wasser oder mit einer Füllung aus heißem Sand verwendet. Die Wärmeflaschen waren als Kästen aus Blech und Gusseisen ausgeführt und mit Wollstoff überzogen. Sie werden zwischen die Sitze auf dem Boden eingeschoben. Beheizt wurden sie ursprünglich mit Holz. Man ging dann einheitlich auf die Beheizung mit Briketts über. Sie wurden außerhalb der Wagen, auf den Stationen, 302 Vgl. Beleuchtung und Erwärmung der Personenwagen (1863). 4.5 Klima, Komfort und sanitäre Einrichtungen 145 angezündet und dann mit Körben in die Waggons getragen. Über Gerüche oder mangelnde Wärme gab es keine Klagen. Bei der Berlin-Anhaltischen Bahn wurden Versuche gemacht, die Wagen mit dem Dampf der Lokomotive zu beheizen. Verwendet wurden jedoch noch Behälter mit heißem Wasser, für die I. Klasse und die II. Klasse. Es bestand auch die Absicht, einen besonderen Wagen in der Mitte des Zuges mit einem Dampferzeuger für die Heizung zu versehen. In diesem Wagen sollten dann auch die Dienstabteile und die Retiraden aufgenommen werden. Für die Beheizung der Wärmeflaschen unter den Sitzen wurden versuchsweise Briketts verwendet, die aber hier nicht den erhofften Vorteil brachten. Man unternahm deshalb weitere Versuche mit verschiedenen Wärmflaschenkonstruktionen. Für die Heizung einiger Wagen der III. Klasse, die üblicherweise noch mit keiner Heizung versehen Wurden, machte man Versuche mit Füllöfen, die den Raum eines Sitzplatzes beanspruchten. Sie wurden innerhalb des Waggons mit Koks befüllt und beheizt. Bei dieser Konstruktion wurden Erlöschen des Feuers, Rauch und Brandgefahr bemängelt. Deshalb war die Eisenbahngesellschaft mit dieser Lösung noch nicht zufrieden. Öfen gleicher Bauart wurden auch bei der Oberschlesischen-Eisenbahn eingesetzt. Bei der Berlin-Hamburger Eisenbahn wurden, wie bei der Mehrzahl der preußischen Eisenbahnen, bis zum Ende dieser Untersuchung, aus Kostengründen noch keine Heizungen der Waggons der III. Klasse und der IV. Klasse eingesetzt. In den Coupées der I. Klasse und der II. Klasse wurden Wärmflaschen mit heißem Wasser verwendet. Seit 1868 wurden Versuche unternommen, einige Wagen mit dem Dampf der Lokomotive zu beheizen. Ein späterer Bericht der Eisenbahn über den Versuch nach drei Jahren bezeichnet die verwendete Konstruktion als erfolgreich und die Absicht, diese Verfahren langfristig auf allen ihren Wagen einzusetzen. Probleme mit den verbindenden Schläuchen und mit den Kondenswassserabsetzungen darin wurden als lösbar angesehen. Als Beheizung wurde ein kleinerer Dampfkessel im Packwagen, bezogen von Schwarzkopf in Berlin, zur Zufriedenheit verwendet. Bei der Berlin-Potsdamer-Magdeburger Eisenbahn wurden für die Beheizung der I. Klasse und der II. Klasse auch die, mit heißem Wasser gefüllten Wärmeflaschen eingesetzt. Es wurden Versuche unternommen mit einer neuen Art von Briketts, die aus Holzkohle und einem salpetersaurem Kali bestanden. Sie hatten den Vorteil, dass sie 12 bis 18 Stunden ohne größeren Rückstand, der nach außen abgeführt wurde, nur glimmend verbrannten. Diese Art der Heizung wurde für 40 Wagen der I. Klasse und der II. Klasse eingeführt und arbeiteten zufriedenstellend. Die Messungen der Innenwärme ergaben Temperaturen von etwa 7,5 °C zu Anfang der Fahrt und sie erhöhte 146 4 Die Personenwagen sich bis zum Ende der Fahrt auf etwa 15 °C, gemessen bei einer Außentemperatur von 7,5 °C . Die Mängel bei der Verwendung dieser Briketts werde die Bahn beheben und diese Heizungsart weiterentwickeln, auch weil man mit einer Dampfheizung größere Probleme hatte und diese deshalb nicht einführen werde. Die Berlin-Stettiner Eisenbahn heizte ihre Wagen der I. Klasse und der II. Klasse mit Wärmflaschen, die mit heißem Wasser befüllt waren. In kleinerem Umfang wurden auch Füllöfen, wie sie bei der Oberschlesichen Eisenbahn verwendet wurden, und die vom Dach mit Holzkohlen befüllt werden, eingesetzt. Die Cöln-Mindener Eisenbahn beheizte ihre Wagen nach dem gleichen Prinzip, wie die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn und sie hatte auch einige Versuche mit Dampfheizungen vorgenommen. Die Erwärmung mit einer Brikett geheizten Wärmflasche war Standard in der I. Klasse und der II. Klasse bei den preußischen Staats- und Privatbahnen bis in die 1860er Jahre. Es wurden allgemein Versuche unternommen, diese Heizung durch eine „Zentralheizung“ mit Dampferzeugung und einem Leitungssystem zur Verteilung zu ersetzen. Die Versuche führten zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass sich einige der Eisenbahngesellschaften zur Einführung und ebenso viele zur Ablehnung dieser Lösung entschlossen.303 Das königlich. preußische Handelsministerium hat am 11. Mai 1871 unter Berücksichtigung der geübten Praxis und der laufenden Versuche zur Weiterentwicklung festgestellt, dass die Wagenbeheizung ein »nicht mehr abzuweisendes Erfordernis [s] der Zeit sein«, eine Verordnung erlassen, durch welche die Art der Wagenheizung den staatlichen Eisenbahnen vorgeschrieben und den privaten Eisenbahngesellschaften unbedingt empfohlen wurde. Die Verordnung galt für sämtliche Coupées und sämtliche Klassen.304 4.6 Sicherheit der Reisenden Die Sicherheit der Reisenden und die im Zusammenhang mit einer Eisenbahnreise verursachten Unfälle sind ein viel beachtetes Thema305 in den Zeitschriften und Journalen der frühen Eisenbahn und blieben es bis in die heutige Zeit. Gründe für Unfälle306 waren und sind Fehlfunktionen im System Eisenbahn und äußere Ursachen, wie Fehler in der Kommunikation der Bahnbediensteten untereinander, Fehler in der Signaltechnik sowie 303 304 305 306 Vgl. Weber, Max Maria von (1872), S. 225ff; N.N. Eisenbahn-Betrieb. Erwärmung der Eisenbahnwagen (1856). Vgl. Weber, Max Maria von (1872), S. 237. Vgl. Weber, Max Maria von (1854), S. 16-18. Weber, Max Maria von (1854), S. 18. 4.6 Sicherheit der Reisenden 147 auch die Wetterverhältnisse307 im Wechsel der Jahreszeiten auf der Strecke.308 Ein stark beachteter Punkt ist die Überwachung der Strecke, wegen der Gefahren durch kreuzenden Verkehr mit anderen Transportmittel und allgemein von Personen und Vieh.309 Ein weiterer Punkt, der im Bereich der Sicherheit des Reisenden - und des Bahnpersonals ebenso - fällt, ist die Gefährdung durch Infektionen durch Mitreisende oder Personen im Umfeld einer Bahnstation.310 Dieser Punkt fällt unter den Begriff Hygiene bei der Eisenbahn.311 Die Bauform der Personenwagen auf der ersten preußischen Eisenbahn Berlin-Potsdam bedingte, dass die Reisenden, besonders in den Wagen der II. und der III. Klasse dem Funkenflug der Lokomotive ausgesetzt waren. Die Wagen hatten keine Fenster und teilweise keine Bedeckung. Da die Wagen der I. Klasse auch nur Fenster hatten, die nur durch Vorhänge bedeckt waren, wurden sie an das Ende des Zuges gekuppelt, um die Entfernung zur Lokomotive zu vergrößern. Das bewirkte, dass die schlecht geschützten Wagen direkt hinter der Lokomotive dem Ruß, dem Funkenflug und dem Lärm ausgesetzt waren. Die Eisenbahngesellschaft gewährte allgemein keine Entschädigung bei Schäden durch Funkenflug, nur die Passagiere der inneren Plätze der II. und der III. Klasse konnten mit einer Entschädigung rechnen, wenn sie direkt nach dem Verlassen der Zuges ihre Forderungen geltend machten und den einen Schaden nachwiesen.312 Der Sicherheit der Reisenden und dienten die Regelungen des Bahnpolizeireglement vom 19. Januar 1839, dass die Geschwindigkeiten der Züge, abhängig von der Tageszeit und dem Wetter bestimmten. Danach wurde die Fahrgeschwindigkeit bei Dunkelheit auf ein Maß festgelegt, das die Fahrtdauer auf das Eineinhalbfache der Reisedauer am Tage verlängerte. Das war wohl auch der Grund, dass in der Anfangszeit bei Dunkelheit der Pferdebetrieb bevorzugt wurde. Eine weitere Maßnahme zur Erhöhung der Sicherheit des Bahnbetriebes waren die Bahnwärter, die in Abständen von etwa einem Kilometer an der Strecke postiert waren und den Verkehr mithilfe von vereinbarten Signalen, in der Form von Fahnen und Stocklaternen überwachten. Auf den Zügen musste für die Lokomotive und den Tender zusätzlich jeder vierte Wagen eine Bremsvorrichtung besitzen, die ständig von einem 307 308 309 310 311 312 Z.B. Berichte in der Eisenbahn-Zeitung: Vermischte Nachrichten. Deutschland (1845a); Vermischte Nachrichten Deutschland (1845b). Preuß, Erich (1995): Eisenbahnunfälle in Europa. Tatsachen Berichte Protokolle; Püschel, Bernhard (1977): Historische Eisenbahn-Katastrophen; Wechmar, Irnfried von (1927): Eisenbahnunfälle im vorigen Jahrhundert; Weber, Max Maria von (1854), S. 57-68. Weber, Max Maria von (1854), S. 69-70. Wichert (1890): Eisenbahnhygiene in Bezug auf die Reisenden; N.N. (1909); Schwechten (1917): Eisenbahnhygiene. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, Bd. 4. Vgl. Fleck, G. (1895), S.289. 148 4 Die Personenwagen Bahnbediensteten überwacht und bedient werden musste. Die Anzahl der Bremsvorrichtungen hatte damit auch Einfluss auf die Anzahl der Zugbegleiter. Für die Ordnung innerhalb der Züge sorgte ein mitfahrender Polizeibeamter. Dieser Aufwand wurde anfangs für eine Strecke getrieben, die von der Eisenbahn in 45 Minuten, mit vier Zügen mit je elf Wagen pro Tag bei einer Geschwindigkeit von 35 km pro Stunde durchfahren wurde.313 Ein großer Fortschritt in der Sicherheit für den Betrieb und die Reisenden bestand in der Einführung des elektromagnetischen Telegrafen.314 Die Potsdam-Magdeburger Eisenbahn verband nur die einzelnen Bahnwärterstandorte miteinander und benutzte für den Signaldienst an der Strecke, die bis dahin üblichen optischen Telegrafen, für den Signaldienst. Die Eisenbahn Berlin-Anhalt benutze den Telegrafen in einem weiteren Ausbau zur Verbindung von Streckenwärter und Bahnhöfen und ermöglichten dem Zugführer durch ein tragbares Gerät auch die Verständigung mit diesen festen Punkten.315 Bis 1854 hatten fast alle Eisenbahngesellschaften die elektromagnetischen Telegrafen nach dem Vorbild der thüringischen Eisenbahn (Halle-Eisenach-Weimar-Kassel), Sprechleitungen zwischen den Stationen und Läutewerke an den Bahnwärterbuden eingeführt. An der Magdeburg-Halberstädter Bahn waren die Bahnwärterbuden mit Sprechapparaten ausgerüstet und ersetzten damit die tragbaren Sprechapparate der Zugführer.316 Die Staatsregierung in Preußen war in zunehmenden Maße daran interessiert, eine Vereinheitlichung im Eisenbahnbau und in der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu befördern. Die Bestrebungen liefen darauf hinaus, ein einheitliches Verkehrssystem aus den einzelnen privaten Eisenbahnen zu schaffen. Das erwies sich zunehmend als notwendig zur Erleichterung des Durchgangs- und Übergangsverkehrs von einer Gesellschaft zur anderen und in der Sicherung der Reisenden gegenüber Unfällen und allgemeinen Gefahren. Das war schon seit den 1840er Jahren zwischen einigen Eisenbahnverwaltungen erfolgt, aber es war im Hinblick der, von der Staatsregierung für die Zukunft geplanten Staatseisenbahnsystems erforderlich, dass sich alle Bahnen diesen Bestrebungen anschlossen und eingebunden wurden. Im Januar 1843 lud die Regierung alle Vorstände der in Betrieb befindlichen Eisenbahnen zu einem Treffen mit Regierungs313 314 315 316 Vgl. Fleck, G. (1895), S.288f Vgl. Weber, Max Maria von (1854), S. 196-224; Kichenside, Geoffrey M.; Williams, Alan (2008); Pope, Norris (2001); Fink (1917); Telegraph. In: Victor Röll (Hg.): Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens, Bd. 9. Vgl. Fleck, G. (1895), S.472f. Vgl. Fleck, G. (1895), S.699. 4.6 Sicherheit der Reisenden 149 kommissaren ein. Es sollten einheitliche Bestimmungen beraten werden. Besonders gewünscht waren die Einrichtung eines gemeinsamen Polizeireglements, die Regelung des Signalwesens und die Fahrt bei Dunkelheit. Wesentlich war für den gemeinsamen Fahrbetrieb, dass die rollenden Betriebsmittel nicht nur gleiche Spurweiten vorfanden, sondern auch einheitlichen Puffermaße und –lagen für die Kupplung mit fremden Wagen und Lokomotiven. Die Breite und die Höhe der Wagen, das Lichtraumprofil, war ebenfalls von Bedeutung für zweigleisigen Betrieb und für Tunnel- und Bahnhofdurchfahrten. Die Verhandlungen fanden im März 1843 statt und die Ergebnisse wurden am 5. April 1843 protokolliert.317 Trotz aller dieser Regelungen und Normierungen kam es immer wieder zu Unfällen auf den Eisenbahnen. Die Ursachen waren verschiedener Art. Die Eisenbahnzeitung berichtet in regelmäßigen Abständen über Unfälle mit ausführlicher Beschreibung der Schäden und der bewiesenen oder der vermuteten Ursachen. Aus diesen Berichten lassen sich einzelne Schwerpunkte entnehmen, die dann auch entsprechende Folgen hatten. Es kommt zu Zusammenstößen von Lokomotiven auf eingleisigen Strecken, wenn z. B. bei Nacht die eine der Lokomotiven keine Laterne trägt, oder diese nicht in Betrieb ist. Dabei wurden die Lokomotiven und bei höherer Geschwindigkeit auch die nächsten Wagen erheblich beschädigt. Es kam dann zu Personenschäden leichter bis schwerster Art, auch zu Todesopfern unter den Bahnbeamten und den Passagieren. Es wird berichtet von Kutschen, die auf Equipagen Wagen transportiert wurden und in denen oft auch die Eigner der Kutsche mitfuhren. Beim Zusammenstoß zweier Züge stürzte die Kutsche von diesem Wagen und verursachte schwerste Verletzungen bei den Passagieren. Bei Entgleisungen durch gebrochene Achsen sind die mitfahrenden Passagiere auf den oberen Bocksitzen auf dem Dach besonders gefährdet. In diesen Fällen kippen die Wagen selten von den Gleisen, aber durch die abrupte Bremsung stürzt dieser Passagier vom Sitz auf die Geleise oder in den Dammgraben. Über die Ursache einer gebrochenen Achse wird oft berichtet. Überhaupt war die Achse und deren Lagerung an Lokomotive und an den Wagen immer wieder ein Schadensgrund. Die Laufruhe und die Lebensdauer der Lager wurde mit intensiver Schmierungstechnik verbessert, auch die Werkstoffe der Achsen und der Lagerschalen waren ein Bauteil, dass eine besonders sorgfältigen Beachtung erforderte und laufend zu Änderungen in der Konstruktion Anlass gab.318 317 318 Vgl. Fleck, G. (1897), S.1097. Vgl. Unfälle auf Eisenbahnen: Deutschland - Breslau. (1847a); Unfälle auf Eisenbahnen: Deutschland. (1847b); Unfälle auf Eisenbahnen: Deutschland. (1847c); Aldrich, Mark (2006); 150 4 Die Personenwagen Ein weitere Ursache für Ausfälle und Unfälle im Eisenbahnverkehr sind widrige Wetterverhältnisse, die im Norden Deutschlands, wie in den preußischen Provinzen, sehr oft vorkommen. Der Ingenieur Bensen bei der Celle-Harburger Eisenbahn machte im März 1850 in der Eisenbahnzeitung »Vorschläge über den Eisenbahnbetrieb bei Schnee, starkem Frost und Wind« und damit hatte er auch die drei wesentlichen Probleme für den Eisenbahnbetrieb in den Anfangsjahren benannt. Er schreibt: »Ein bedeutendes, häufiges, und an und für sich unvermeidliches Hindernis aller Kommunikazion, also auch der auf Schienenwegen, ist bekanntlich der Schnee und die Schneewehen.« 319 und gibt Empfehlungen wie in diesem Falle der Eisenbahnbetrieb aufrechterhalten oder bis zur Besserung der Wetterverhältnisse zu beenden ist. An erster Stelle steht die Behandlung des Personenverkehrs, um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten.. Jeglicher Güterverkehr wurde abgebrochen, um die, noch befahrbaren Streckenabschnitte für die Personenzüge frei zuhalten. Dann könnten bei den Zügen, die im Schnee stecken geblieben waren, verschiedene Rettungsaktionen durchgeführt werden. Wenn die Strecke in Richtung auf den nächsten Bahnhof nicht mehr befahrbar war, dann wurde von der zuletzt passierten größeren Station eine Ersatzlokomotive angefordert, die den Personenzug wieder zurück in diesen Bahnhof ziehen konnte. Sollte sich dieser Vorgang wegen vereister Schienen als nicht durchführbar erweisen, so wurde der Zug geteilt und in einzelnen Sektionen zurückgeholt. Wenn solche Wetterverhältnisse schon eingetreten waren, oder zu erwarten waren, wurden ohnehin schon die großen Gütertransporte zurückgehalten und die Personenzüge mit weniger Wagen gekoppelt. Zusätzlich wurde der Zug auch mit einer zusätzlichen Lokomotive auf die Strecke geschickt. Die Folge war immer eine Reduzierung des Fahrplans und der verkehrenden Züge.320 Eine der nichttechnischen Bedrohungen der Eisenbahnreisenden konnte nicht vorausgesehen werden, die Gefahren von erkannten und auch verborgenen Infektionskrankheiten bei Reisenden. Der längere Aufenthalt in einem abgeschlossenen Abteil erhöhte die Gefahr erheblich, dass zu einer Ansteckung kam. Dieser Umstand wurde unter dem Oberbegriff „Eisenbahnhygiene“321 thematisiert. Darunter wurden die Belastungen und der Erhalt der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit im weitesten Sinne bei dem eigenen Eisenbahnpersonal und bei den Reisenden problematisiert. Ein immer wieder auftretendes Problem war die z. B. die Tuberkulose. 319 320 321 Bensen, A. (1850), S. 45. Vgl. Bensen, A. (1850). Vgl. Eisenbahnhygiene (1909).Band 5, S. 528f. 4.6 Sicherheit der Reisenden 151 »T u b e r k u l o s e g e f a h r droht den Eisenbahnbediensteten ebenfalls in bedeutendem Maße; die Ansteckung wird man mehren, wenn man, wie dies leider vielfach Sitte ist, Signalpfeifen, Hörner etc. bei der Ablösung von dem einen Beamten auf den andern übergehen läßt.«322 Und über ansteckende Krankheiten, im Allgemeinen: »A n s t e c k e n d e K r a n k h e i t e n und Epidemien können durch die Eisenbahn leicht übertragen werden; oft ist festgestellt, daß Personen mit beginnendem Typhus, daß ein Scharlach-Rekonvaleszent Fahrgäste waren, ebenso Pockenkranke und Cholerakranke.«323 Die Problem waren in den ersten Jahren des Personenverkehrs per Eisenbahn nicht in diesem Umfang bekannt oder wurden auch verdrängt. Erst mit der Erweiterung der Strecken zu Verkehrsnetzen wurde die Bedeutung dieser Gefahren von den Eisenbahngesellschaften und der Staatsverwaltung in vollem Umfang erkannt. Da diese Bedrohungen international waren, wurden in den Folgejahren verschiedene Verordnungen, die auch auf Viehseuchen ausgedehnt wurden, erlassen, um den Gefahren entgegen zu treten. Die Eisenbahnen selbst behalfen sich in strengen Regeln für die Reinigung der Wagen, der Abteile, der vorhandenen Aborte in den Zügen und auf den Bahnhöfen, wie auch in der Bereitstellung von Spucknäpfen in den Abteilen und auf den Bahnhöfen. Mit diesen Maßnahmen konnte die Ausbreitung einer Epidemie zwar teilweise begrenzt, aber nicht vollständig vermieden werden. Hier zeigte sich besonders die Folge einer Zusammenballung von Menschenmassen auf den Bahnhöfen und in den Zügen, die sich als eine Schattenseite der Verkehrsentwicklung herausgestellt hatte. Diese Umstand und der Umgang damit blieb weiterhin ein Thema für viele Untersuchungen.324 Dabei ging es nicht mehr um die Herausstellung von Zeitgewinn und Verkehrsfrequenz, um allgemeinem Komfort in den Wagen und während der Fahrt, sondern um die Verringerung neuer Gefahren oder auch einem neuen Bewusstsein über die Entwicklung neuer Bedrohungen, denen technische Entwicklungen entgegengesetzt werden mussten. Eine Regelung, die seit den ersten Tagen des Personenverkehrs verfolgt wurde, war die Einrichtung von besonderen Abteilen für Damen, die sich in der Anwesenheit mehrerer fremder Personen im geschlossenen Abteil unsicher fühlten. Diese Regelung betraf jedoch nur die Wagen der II. Klasse und der III. Klasse. Die Regelung, die in ähnlicher Weise für den Schutz von Nichtrauchern getroffen wurde, hatte ihren Grund im Gesundheitsschutz 322 323 324 Eisenbahnhygiene (1909).Band 5, S. 529. Eisenbahnhygiene (1909).Band 5, S. 529. Vgl. Wichert (1890). 152 4 Die Personenwagen und im Komfort für die Fahrgäste. In der I. Klasse bestand die Regel, dass das Rauchen nur gestattet war, wenn die Mitreisenden gefragt und zugestimmt hatten. In den Folgejahren wurden auch Frauenabteile in der IV. Klasse eingerichtet. Das Rauchen war in den Frauenabteilen grundsätzlich verboten. Die Einrichtung von Frauenabteilen wurde als eine Sicherheitsmaßnahme verstanden. Es wurde jedoch zunehmend gegen die Benutzung der Nichtraucherabteile, die für Frauen und für Männer vorgesehen waren opponiert, besonders gegen die Benutzung durch „alleinreisende Damen“. Sie sollten stattdessen die .besonderen Frauenabteile benutzen. Auf den preußischen Staatsbahnen bestanden Vorschriften für die Anzahl und die Art für die Verwendung der Abteile, besonders in „Fernzügen“.325 Allgemein zur Sicherheit der Reisenden in Personenwagen bemerkt Max Maria von Weber in seiner Monografie: »Es giebt kaum einen beweglichen oder unbeweglichen Theil der Eisenbahnen, der zu so wenig Unfällen Veranlassung gäbe, als ein Personenwagen.« er weist dann jedoch auf die vorhandenen Unterschiede hin: »Doch ist die Wahrscheinlichkeit von Unfällen, je nach den verschiedenen Systemen der Wagenconstructionen, wie der Verfolg dieser Zeilen lehren wird, verschieden.« diese Unterschiede beschreibt er dann in der Folge für die englische, die amerikanische und die deutschen Bauarten der Personenwagen.326 325 326 Vgl. Wichert (1890), S. 79. Weber, Max Maria von (1854): Die Technik des Eisenbahnbetriebes in Bezug auf die Sicherheit desselben, S. 109. 5 Die Reisenden 5.1 Vorüberlegungen Betrachtet man die Entwicklung des Verkehrs per Eisenbahn von ihren Anfängen an, so stellt sich die Frage, wie und warum konnte sich darin der Personenverkehr in so starken Maße, innerhalb so kurzer Zeit von relativ wenigen Jahren entwickeln. Die Entwicklung ist deshalb so überraschend, weil der Reiseverkehr an sich in der Zeit der Postkutsche und der privaten Fuhrleute, innerhalb von mehreren Jahrhunderten nur wenige auffallende Fortschritte zeigte. Erkennbar ist, dass seit der Mitte des 18. Jahrhunderts der Reiseverkehr langsam zunahm und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sich noch steigerte. Das war erkennbar auch eine Folge der politischen Entwicklungen in Europa nach dem Sieg über die napoleonische Herrschaft. Ein Anwachsen der Reiseliteratur gibt auch darüber Aufschluss. Das erklärt aber noch nicht die steil ansteigende Reisetätigkeit nach der Einführung der Eisenbahn. Sie zeigte sich in einer ersten Begeisterung der Menschen, die diese neue Verkehrsmittel das erste Mal erblickten, in der spontanen Annahme und der Teilnahme an diesem Angebot. Nach einer anfänglichen starken Nachfrage, die man als Reisen aus Neugierde oder wie man in der Zeit sagte, einer Lustreise ansehen konnte, erfolgte ein leichter Rückgang, der sich aber nach kurzer Zeit zu einer kontinuierlichen Steigerung verfestigte. Die Eisenbahnreise war als Reisemittel akzeptiert und wurde in die Reiseplanung zu den vorhandenen Möglichkeiten hinzugenommen. Nach kurzen Rückschlägen in der Zeit der 1848er Revolution und einer Wirtschaftskrise kurzer Dauer 1857 begann die Eisenbahn einen kontinuierlichen Aufstieg seit den 1860er Jahren. Die etablierten Verkehrsmittel wurden keinesfalls verdrängt, sondern sie profitierten von dieser Entwicklung durch die Etablierung von ergänzenden Kurz- und Gelegenheitsangeboten im Reiseverkehr. Ralf Roth sagte dazu: »Damit stellt sich die Frage. wer reiste. und warum wurde die Eisenbahnreise so populär? Am Anfang dachten die Eisenbahngesellschaften, dass vor allem wohlhabende Bürger - die Kunden der Postgesellschaften - ihre Eisenbahnen nutzen würden. Das erwies sich rasch als Irrtum, weil viel mehr Menschen mit der Eisenbahn fuhren. Den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen der Bürger kamen die 154 5 Die Reisenden Gesellschaften mit der Einführung verschiedener Fahrgastklassen mit unterschiedlichen Komfortstandards entgegen.«327 Dieser Frage soll in diesem Kapitel nachgegangen werden, um eine generelle Antwort darauf zu finden. Man machte in den Kreisen der Investoren und der Eisenbahnplaner schon tiefere Gedanken über diese Frage, war es doch eine Frage der späteren Rendite, wie ein Tarif gestaltet werden sollte, um den Personenkreis der Reisenden zu vergrößern. Hansemann dachte an einen wesentlich vergrößerten Kreis der Reisenden. Er sollte den Landmann und den Handwerker ebenso umfassen, wie die Obst- und Gemüsehändler, die ihre Ware frisch aus ihren Gärten auf den Markt bringen könnten. Deshalb wies er darauf hin, dass zu diesem Zweck das anfangs mit 7 Sgr. 6 Pfg. festgesetzte Einheits-PersonenBahn-Geld für die niederen Stände variiert werden müsste. Es sollte in der Art gestaltet werden, dass der Reisende der einen höheren Komfort erwartete, auch einen höheren Tarif bezahlen müsste und für die anderen Fahrgäste eine im Komfort reduzierte Umgebung für einen entsprechend niedrigeren Tarif angeboten werden müsste. Der Ausgleich werde sich durch die größere Anzahl und die höhere Frequenz, die sich beim Betrieb der Bahn einstellen würde, bei den verkauften Billetts ergeben.328 Für die Entwicklung eines Modells des individuellen Reisenden sollen verschiedene Methoden verwendet werden. Ziel ist es, den Reisenden als Individuum einer gesellschaftlichen Klasse, sein Reisziel einem Erkenntnisziel und sein Verhalten auf der Reise einem bestimmten Gruppenverhalten zuzuordnen. Für die verfügbare Literatur bietet sich hier die historisch-analytische Methode an, um qualitative Erkenntnisse aus der Literatur über die Person des Reisenden zu ermitteln. Literaturen, die von Reisen, Reisenzielen und Reiseumständen handeln, sind: Reiseberichte329, sie sind belletristische Beschreibungen oder auch reine Fiktionen, aus denen primär Beschreibungen über die lokale Umgebung des Reiseziels entnommen werden können. Das sind ethnologische, geografische, soziale und historische Beschreibungen. Sie berichten jedoch selten über die Umstände des Reiseprozesses und der Reisemittel. Darüber hinaus wurden Reiseberichterstatter, in den frühen Jahren der Verkehrsentwicklung; oft als nicht besonders glaubwürdig bezeichnet. Ihre Leser konnten die beschriebenen Orte in den meisten Fällen nicht selbst besuchen; um die Glaubwürdigkeit der Berichte zu prüfen. Das änderte sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts, als es immer mehr Menschen gab, die sich eine Reise leisten konnten und die Reiseziele persönlich in Augenschein nehmen konnten. Eine Hochzeit der Reiseberichte war das ganze 18. Jahrhundert, zum Anfang des 19. Jahrhundert ebbte diese Flut ab und konzentrierte sich auf wenige, 327 328 329 Roth, Ralf (2009), S. 35. Vgl. Hansemann, David (1835), S. 21. Maurer, Michael (2002): Reiseberichte. 5.1 Vorüberlegungen 155 immer wieder zitierte Reisende wie z. B. Heine, Rosegger u. a. Zeitungen und Zeitschriften,330 die seit dem Anfang des 19. Jahrhundert erschienen sind in ihrer Art, z. B. als Korrespondenzberichte in den Intelligenzblättern spontaner und meist sachlicher. Diese Berichte werden danach meist zu Reiseberichten aggregiert oder ergänzen diese zur aktuellen Erweiterung oder Fortschreibung. Romane, Erzählungen und Briefeditionen331 sind zwar umfangreiche Quellen, es ist jedoch schwer, relevante Informationen für Forschungsfragen daraus zu ermitteln. Romane und Erzählungen sind dazu meist fiktiv und für die Auswertung von realen Fakten nicht geeignet. Bildmaterial verschiedener Art, wie z. B. Lithografien, Zeichnungen, Gemälde und seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhundert auch erste Fotografien könnten informativ zur Ergänzung von schriftlichen Quellen diesen. Sie sind jedoch oft überbetont sozialkritisch als Zeitungsillustration oder fiktiv, romantisch oder schlicht erfunden. Reiseführer, Reisehandbücher und Reiseatlanten332 u. a. fallen nicht unter diese Kategorien, weil sie nicht personenbezogen Auskunft über den Reisenden als Individuum geben. Die historisch-statistische Methode bietet sich an, für die Statistiken und weiteren Veröffentlichungen zu Tariffragen im Eisenbahnverkehr durch die staatliche oder private Administration der Eisenbahngesellschaften. Für eine umfassende Information über zusammenhängende Bereiche des Personen- (und des Güter-) verkehrs stehen veröffentlichte Berichte seit der Mitte der 1840er Jahre zur Verfügung. Aus diesen Berichten können Informationen über das Nutzungsverhalten der angebotenen Verkehrsdienstleistungen durch definierte Gruppen von Reisenden gezogen werden. Diese Quellen können deshalb zur Beantwortung der Forschungsfragen beitragen. Es lässt sich aber auch hier nicht auf den einzelnen Reisenden als Individuum schließen. Mit einer kultur (wissenschaftlich) historisch-soziologischen Methode lassen sich die Forschungsfragen in anderer Form stellen, um zu Erkenntnissen über den Reisenden als Individuum zu gelangen. Es lässt sich damit die Frage stellen, mit welchen Mitteln der Theatralität mit performativen Mitteln wurden die potenziellen Eisenbahnreisenden von der Eilpost abgeworben? Theatralische Effekte lassen sich erkennen in der Inszenierung einer Eisenbahninbetriebnahme. Der Beobachter wurde einbezogen und damit auch als zukünftiger Benutzer umworben. Die historische Umgebung wird in den belegbaren Grenzen, durch Einbeziehung überlieferter Berichte, Lithografien und eventuell frühe 330 331 332 Kraus, Hans-Christof (2002): Zeitungen, Zeitschriften, Flugblätter, Pamphlete. Maurer, Michael (2002): Briefe. Fischer, Tilman (2004): Reiseziel England. Ein Beitrag zur Poetik der Reisebeschreibung und zur Topik der Moderne (1830-1870). 156 5 Die Reisenden Fotos rekonstruiert. Unter Berücksichtigung der Sozialstruktur dieser Zeit lassen sich in einem begrenzten Rahmen Stimmungen, Potenziale und Reaktionen beobachten, ohne in den Bereich der Fiktion zu geraten. Im ersten Drittel des 19. Jahrhundert war für die meisten Zeitgenossen die Dampfmaschine noch ein unbekanntes Phänomen. Nur wenige kannten sie aus ihrer Tätigkeit in einer Werkstatt des Handwerks oder der sich entwickelnden Industrie als Manufaktur oder Hammerschmiede eine Dampfmaschine als Arbeitsmaschine. Welchen Eindruck machte auf sie die mobile Dampfmaschine in der Form der Eisenbahn?. Wie entwickelte sich das Verhältnis aus der Mischung von Ängstlichkeit und Faszination?. Was mussten die Eisenbahngesellschaften unternehmen, um die Eisenbahn attraktiv zu gestalten und sie auch für einen größeren Kreis der Bevölkerung nutzbar d. h. erschwinglich zu gestalten. Das Ziel musste sein, die Benutzer der Eilpost, der Mietfuhrwerke und auch den Fußreisenden für die Eisenbahn zu gewinnen, um sie rentabel zu betreiben. »Die ersten Bahnstrecken und Bahnhöfe sind in den Landschaften und Städten fast wie Theaterbühnen inszeniert, um die herum sich das staunende Publikum sammelt. […] Und schließlich ist das Bewegungs- und Reisegefühl im Zug mit 100 bis 200 Mitpassagieren auch ein massenhaft kommuniziertes Erlebnis. Die Reisekultur der Eisenbahn wird […] erfahren - und propagiert. […] jenes neue Geschwindigkeitsempfinden (wurde) auch zuvor bereits artikuliert […] und zwar im Zusammenhang mit dem neuen System der Schnellpost.«333 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise Die Reise334 als Begriff ist klar getrennt von der Flucht, der Vertreibung oder dem Wechsel des Aufenthaltsortes, ohne die Absicht oder die Möglichkeit einer Rückkehr. Die Reise wird als ein Ortswechsel zum Zweck der Durchführung eines kommerziellen Vorhabens, des Kennenlernens eines anderen Landes oder einer anderen Kultur oder auch zur Erholung in einer anderen Umgebung oder in einem anderen Klima verstanden. Der periodische Wechsel des Ortes zur Arbeitsaufnahme oder regelmäßigen Durchführung eines Arbeitsauftrages wird nicht als eine Reise bezeichnet. Diese Definitionen einer Reise beinhalten in den meisten Fällen, normalerweise, auch eine regelmäßige Rückkehr an den Ausgangspunkt der Reise. Die Menschen, die zu diesen Zweck einen Ortswechsel durchführen, sollen in dieser Untersuchung als die Reisenden verstanden werden. Um eine 333 334 Kaschuba, Wolfgang (2004), S. 96. Bauerkämper, Arnd; Bödeker, Hans Erich; Struck, Bernhard (Hg.) (2004): Die Welt erfahren. Reisen als kulturelle Begegnung von 1780 bis heute. 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise 157 Vorstellung des Umfanges und konkrete Daten dieser Reisetätigkeit zu erhalten und im Idealfall zu generalisieren, geben die Reiseberichte in der Literatur erste Informationen. Die Vorgeschichte des Reiseberichts und der Individualreise für diese Untersuchung beginnt mit der Deutschen Aufklärung um 1680 und endet mit der Französischen Revolution im Jahre 1789. Vor dieser Zeit war innerhalb der Feudalstruktur der Gesellschaft, Mobilität nur für wenige möglich. Es wurde keine Reise ohne Notwendigkeit und ohne greifbaren Nutzen unternommen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war eine Reise immer mit der Gefahr für die Gesundheit und das Leben verbunden. Die Reise wurde als Lebensreise, mit einem bestimmtem Ziel und Zweck, begriffen. Mit der Verbesserung der Reisemöglichkeiten seit der Mitte, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, mit fortschreitender Bewegungsfreiheit und der Beherrschung des geografischen Raumes hatte die poetische Reise die Funktion eines Ausbruchs aus der bürgerlichen Enge. In den Reiseromanen wurde das Ideal des bürgerlichen Kaufmann vertreten. Für ihn war ebenso wie für den Adel die Mobilität notwendig, um seinen Aufgaben nachzukommen. Für den Adel war es die Kavalierstour und für den Bürger die Erwerbsreise. Bildungsreisen wurden vom Adel und zunehmend auch von bürgerlichen Gelehrten, ebenso von der bürgerlichpatrizischen und die adeligen Studentenschaft unternommen. Die Nützlichkeit oder die Notwendigkeit der Führung eines Reisetagebuchs wurde betont, um das erworbene Wissen zu verbreiten. Dieses bestand aus den Reiseerfahrungen und in der Empirie fundierten Erkenntnisgewinns. Es erfolgte eine Abkehr von den Forschungsreisen in ferne, exotische Welten mit ihrer überzogenen, unbegründeten Fantasie. Gefördert wurde die Bewertung der Kultur und der gesellschaftlichen Strukturen der besuchten Orte. Die Reiseberichte konzentrierten sich dabei auf einzelne Schwerpunkte, wie Naturwissenschaften, Ökonomie oder Literatur. Reisebeschreibungen und darin, auf das Wesentliche konzentrierte Privatkorrespondenzen, wurden ein wesentlicher Bestandteil des Nachrichtennetzes, als Gegensatz zwischen bürgerlichem Erkenntnisstreben und absolutistischer Obrigkeit. In der Spätaufklärung, ab 1789, wurde Publizität zur politischen Waffe. Reisen wurden in das europäische Ausland unternommen. Aus diesen Berichten können jedoch meist weder statistische noch geografische Daten entnommen werden, es wurden primär persönliche Eindrücke vermittelt. Die Autoren bevorzugten die Darstellung der wahren Wirklichkeit mit der Freiheit der Kritik. Nach 1800, mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts werden erstmals auch die Verkehrsverhältnisse und ihre Beschwernisse beschrieben und beklagt. Die ordinäre Post wird nicht nur als unkomfortabel, sondern deren Benutzung auch als ehrenrührig bewertet. Mit der steigenden Nachfrage und den Beschwerden wird die 158 5 Die Reisenden Notwendigkeit der Einführung einer „Extrapost“ erkannt und als Alternative angeboten. Mir dieser Maßnahme zeigt die Wahl des Reisegefährts schon von Weitem den sozialen Rang des Passagiers. Die gänzlich Mittellosen mussten jedoch weiterhin ausschließlich zu Fuß reisen. Dazu gehörten die armen Studenten und die Handwerksburschen, die meist auch nach den Handwerksregeln ihre Gesellenjahre zu Fuß absolvieren mussten. Wandernde Schauspieler, Bettler und Gaukler bewegten sich ebenfalls zu Fuß auf ihren Reisen. Dass über schlechte Straßen zu dieser Zeit nicht berichtet wurde, war in dem Umstand begründet, dass dieser Zustand der Übliche und dem Reisenden bekannt war. Darüber musste deshalb nicht zusätzlich gesprochen werden. Verbesserungen in diesem Bereich wurde jedoch ausführlich kommentiert.335 Nach 1815 wird die Reiseliteratur zu einem bedeutenden, qualitativ gewaltigen Sektor der Buchproduktion im Vormärz. Robert Prutz336 bemängelt in seinem Buch „Über Reisen und Reiseliteratur“, dass es jedoch keinen konkreten Beitrag der Deutschen dazugab. Die Reisebeschreibung als Erfahrungsbericht und als fiktive Form gehen ineinander über und befruchten sich gegenseitig, so auch bei der Autobiografie und dem biografischen Roman. Der Historiker ging bei der damaligen Reisebeschreibung von der empirischen Kernzone aus. Die enzyklopädische Reisenbeschreibung zeigte eine unermessliche Fülle des Reiseschrifttums im Stil der Schulmeister und der Sammler, der für diese Gattung typisch war. Dabei spielt das Prinzip der Vollständigkeit und der Sachtreue eine große Rolle. Es entstanden in den 1820er Jahren viele stofflich dichte, überfüllte Reisebeschreibungen. Die Aufnahme von Sagen in die Reisebeschreibung gehörten im Biedermeier der Beschwörung einer besseren Vergangenheit. Die Aussicht und die Ansicht als Veduten mit örtlicher Genauigkeit und Topografie wurden weit verbreitet in Reisebeschreibungen eingeführt. Die Ansichtsbeschreibung war die „billige“ Variante. Im Biedermeier ist die Topografie groß in Mode. Ein anderes Medium waren die Wanderpädagogischen Handbücher, wie der frühe „Baedecker“ mit genauen Beschreibungen und Belehrungen über konkrete Wanderungen und über die Gegenstände die man unbedingt dabei mitnehmen sollte. Praktische Informationen über das Münzwesen, die örtliche Polizeiordnung und über Wirtshäuser am Wege. Nach 1825 erschien erstmals der „Baedecker“ als eine Kopie, des früher erschienenen, „red-books“ für englische Touristen auf einer Rheinreise. Anfangs waren sie subjektiv, aus der Sicht eines realen Reisenden angelegt. Später kamen zu den Informationen über Religiöses, Gesellschaftliches und Poetisches zunehmend Belehrendes 335 336 Vgl. Griep, Wolfgang (1984), S. 740-764. Prutz, Robert Eduard (1816-1872), Schriftsteller, Literaturhistoriker – Quelle: NDB 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise 159 und objektiv Beschreibendes hinzu. In der Zeit bis 1850 wurden auch, soweit schon vorhanden, Informationen über alternative Verkehrsmittel wie die Eisenbahn mit ihren Angeboten und ihren Fahrplänen eingefügt. Nach 1850 erschienen als Gegensatz zu einer rein registrierenden Beschreibung, pittoreske und humoristische Reisebeschreibungen mit eindrucksvollen, ansprechenden, ergötzlich belehrenden Inhalten. An der Stelle der topografischen Beschreibung wurde das Bild gefordert. Je nach dem aktuellen Stand der Abbildungstechnik als Lithografie oder schon als Fotografie. Die Landschaften Deutschlands wurden in malerischer und romantischer Weise beschrieben, dazu kam eine Widmung des jeweiligen Monarchen. Eisenwerke und Kohlengruben wurden mit der Industrialisierung als romantische Reize beschrieben. Gewerbefleiß, Industrie und Handwerk wurden als Errungenschaft gesehen und bewundert. Es entwickelte sich die humoristische als Gegenpol zur enzyklopädischen Reisebeschreibung, aber auch zunehmend eine politische. Auf weiten Strecken wurde die Reisebeschreibung politische Publizistik. Nach der Revolution von 1848/49 löste sich die hergebrachte Reisebeschreibung auf in Volkskunde und Erdkunde, diese seit dem Biedermeier als selbstständige Wissenschaft. Nachdem der Absatz des Büchermarktes seit den 1840er Jahren nachließ, war die große Zeit der Reiseliteratur ab der Jahrhundertmitte endgültig vorbei. Die danach erschienenen Sammelwerke zehrten nur noch von der Substanz.337 Die Grenzen der Methode liegen in den Methoden der Literaturwissenschaft begründet. Heinimann338 gibt in seiner Arbeit über die Eisenbahn in der deutschen und der englischen Literatur eine anschauliche Einführung, wie Technik in der Technikgeschichte und wie Technik in der von Literaturwissenschaft gesehen wird, indem er schreibt: »Eine ausführliche Darstellung der Technikgeschichte kann nicht das Anliegen einer literaturwissenschaftlichen Abhandlung sein. Sie ist an anderen Orten und in passenderem Zusammenhang bereits vielfach in erschöpfender Weise unternommen worden, […] Trotzdem halten wir es angebracht, einen knappen technikgeschichtlichen Überblick zu vermitteln, der den Leser mit dem notwendigen Grundwissen zum Phänomen Eisenbahn ausstatten und in den Stand setzen soll, Informationen aus den literarischen Texten in ihren historischen Kontext einzuordnen.«339 Das tut er dann auch in einer knappen Einführung von fünf Seiten, mit kurzen Liste der Primärliteratur zum Thema Eisenbahn. Zur Quellenlage und zum Stand der Forschung in der englischen und der deutschen Literatur bemerkt er: 337 338 339 Vgl. Sengle, Friedrich (1972), S. 238-277. Heinimann, Alfred Ch. (1992): Technische Innovation und literarische Aneignung. Die Eisenbahn in der deutschen und englischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Heinimann, Alfred Ch. (1992), S. 25f. 160 5 Die Reisenden »Es gibt zu unserem Thema (der Eisenbahn) in beiden Literaturen Textsammlungen, […]. Allerdings haben sich diese Textsammlungen für unsere Untersuchung als sehr unterschiedlich brauchbar erwiesen, da sie philologisch von meist recht mangelhafter Zuverlässigkeit sind, z. B. Quellenangaben oft unterdrücken und sich nicht um historische Zuordnungen kümmern. Von Ausnahmen abgesehen, genügen sie bloss dem Anspruch locker und unverbindlich zusammengestellter Anthologien ‚von Eisenbahnfreund zu Eisenbahnfreund‘ […].340 Das zeigt sich dann in Exzerpten als »Passagen ohne Rücksicht auf ihren Kontext« und in deren Übernahme »nur, weil in ihnen die Eisenbahn erwähnt wird.«341 Das macht die meisten dieser Arbeiten auch für unsere Untersuchung weitgehend wertlos, weil unzuverlässig. Das gilt auch trotz unterschiedlicher Sichtweise, zwar in geringerem Maße, auch für die ‚Anthology‘ von Simmons.342 Aus belletristischen Reisebeschreibungen lassen sich wenig Informationen über die Mittel der Reise und über den Reisenden in seinem Verhältnis zu den realen Schwierigkeiten eines Reiseablauf entnehmen. Mit der Einführung der Eisenbahn hat sich dabei nicht viel geändert. Es wird über technische Dinge nur berichtet, wenn der Autor der Meinung ist, dass es ungewöhnliche Vorkommnisse sind, übliche Schwierigkeiten werden als banal und unliterarisch angesehen und übergangen. »Wir müssen von Texten ausgehen, auf die Literaturhistoriker sonst kaum achten, von Broschüren und Zeitungsartikeln. Sie bilden, unbeachtet von der zünftigen Literatur, die Begrifflichkeit aus, die man später für die neuen Gegenstände benutzt.«343 Jedoch, zur Beantwortung der Forschungsfragen dieser Untersuchung finden sich auch in einigen Artikeln ausgewählter zeitgenössischer Zeitungen und Zeitschriften wenig ergänzende Erkenntnisse. Poetische Überhöhungen und Hoffnungen auf eine staatenverbindende Wirkung der Bahn werden mehrfach in Korrespondentenberichten und Leserbriefen veröffentlicht. Die Technik an sich ist für die Autoren nicht relevant, nicht greifbar oder nicht verstanden. Wenn über Reisende und Reiseerlebnisse geschrieben wird, dann überwiegend euphorisch, selten wird ein Hinweis auf den Ruß von der Lokomotive oder die starken Einwirkungen des Wetters auf die Reisenden berichtet, besonders von den Passagieren der höheren Eisenbahnklassen.344 »Sucht man nun in literarisch ambitionierten Texten, so scheint es zunächst, als habe die Eisenbahn trotz aller Erregung, die sie bei den 340 341 342 343 344 Heinimann, Alfred Ch. (1992), S. 55. Ebd. S. 55: Simmons, Jack (1991): Railways. An anthology. Mahr, Johannes (1982), S. 25. Vgl. Mahr 1982, S. 25ff. 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise 161 Menschen auslöste, nie existiert.« Es finden sich wenige bis keine Hinweise oder Arbeiten, die das Thema Eisenbahn berühren, nicht einmal die Industrialisierung findet Eingang in die Literatur der frühen Jahre. Berichte über Eisenbahnreisen im Allgemeinen, oder als individuelles Erlebnis werden nicht beschrieben.345 In Monografien, die von Literaturwissenschaftlern geschrieben wurden und werden, wird unter den Gesichtspunkten der Literaturwissenschaft und der literarischen Textanalyse Motivforschung betrieben. Mit der Eisenbahn als Leitmotiv einer Literaturarbeit, die sich den Veränderungen durch die Industrialisierung in Deutschland befasst, werden überwiegend geäußerte Stimmungen und Empfindungen der Zeitgenossen zusammengetragen. Es findet sich darunter selten eine verwendbare Quelle für das Thema dieser Arbeit. Die ersten Erwähnungen der Eisenbahn und der ersten Eindrücke des Menschen, des überwiegend landwirtschaftlich geprägten Landes sind überschwänglich emotional beschrieben und bleiben im euphorischen Bereich. Poetische Formen, wie Gedichte mit mythologischen Anleihen überwiegen. Euphorie und Begeisterung wird auch von der Presse geschürt und verbreitet. Nach der Einführung und einer kurzen Textübersicht wird ausschließlich die „Eisenbahnlyrik“ in historische Folge, als einzige Textart, die in wesentlichem Umfang die Eisenbahn als Motiv benutzt, behandelt. Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen, »Mit wie unterschiedlichen, in sich keineswegs widerspruchsfreien Haltungen man die Ausbreitung der Bahn sah, läßt sich besonders bei Bertold Auerbach (1812-1882) und Peter Rosegger (1843-1918) beobachten. Von beiden gibt es hübsche Geschichten über den wohligen Schrecken, mit dem einzelne ihre erste Bahnfahrt erlebten. Roseggers, "Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß", in vielen Lehrbüchern verbreitet und wohl die bekannteste Eisenbahngeschichte des 19. Jahrhunderts […].«346 In der englischen Literatur finden sich einige Arbeiten über die Eisenbahn und ihre Reisenden. Bei Smith347 trifft die Einleitung, zu 100 % die Forschungsfrage dieser Arbeit, jedoch leider nur für die Verhältnisse und die Literatur in England (Victorian Britain). Der schmale Band von ca. 180 Seiten befasst mit der gesamten Entwicklung der Eisenbahn von 1830 bis 1947 und mit dem Zeitraum der vorliegenden Untersuchung nur in einem kurzen ersten Kapitel von 13 Seiten.. 345 346 347 Vgl. Mahr 1982, S. 44f. Mahr 1982, S. 49 Vgl. Smith, David (1988), S. 9. 162 5 Die Reisenden »From the earliest days of steam railways in Britain the relationship between the railways and ist passengers raised several crucial questions. Was the market for railway travel simply the creation of the railway or the product of others, more complicated forces in the social and economic structure of Victorian Britain? Did the railway companies actively encourage some types of traffic whilst discouraging others? What sort of services were provided for different classes of passengers? How did the companies react to the growth of commuter traffic, or demands for third-class travel and cheap excursion trains?What part did government play in the development of railway travel and how did the companies respond to state interference? How did the companies attempt to promote passenger traffic and sell their services to the puclic?«348 Den gleichen Fragen muss jedoch in Deutschland und der deutschen Literatur nachgegangen werden, denn die Gesellschaftsstruktur und die Geschichte Englands sind nicht ohne Abstriche auf die Verhältnisse in Deutschland und speziell in Preußen zu übertragen. Das Gleiche trifft auch auf deutsche Arbeiten, wie Schivelbusch349, Roth350 und König351 zu. Sie beziehen sich, wenn es um den Personenverkehr und deren Nutzern, den Reisenden geht, überwiegend auf englische Quellen. Für den speziellen Fall dieser Untersuchung finden sich statistische Erhebungen in den Veröffentlichungen der Eisenbahngesellschaften. Diese Daten sind in den Aufzeichnungen über die wirtschaftlichen Leistungen der Gesellschaft an sich und der Fahr- und der Transportleistungen der Betriebsmittel dokumentiert. Für die Erstellung und die Anpassung von Tarifen für die Benutzung der Eisenbahnen werden diese Daten untereinander in Beziehung gebracht und als Tabellen mit der Angabe von z. B. Personenkilometern, aufgegliedert für die einzelnen Klassen erstellt und veröffentlicht. Aus diesen Tabellen können wiederum Informationen über das Benutzungsprofil der einzelnen Klassen und die gefahrenen Streckenlänge entnommen werden. Nachteilig für diese Untersuchung ist, dass das Nutzerprofil sich anfangs in einem stetigen Wandel befand und deshalb das Fehlen von kontinuierlichen Aufzeichnungen in den ersten Betriebsjahren nachteilig ist. Erst seit den 1850er Jahren, aufgrund der Regelungen und Vorgaben der sich bildenden Eisenbahn-Vereinigungen und der Ausweitung des Verkehr zur Netzbildung, wird diese Datenerfassung und Datenauswertung von den Gesellschaften regelmäßig betrieben. Während die Tabellen der Leistungsdaten der Eisenbahnen immer bessere, generalisierbare Aussagen über die Eisenbahnnutzung zulassen, bleiben die Erkenntnisse aus der Auswertung der Reiseliteratur immer nur punktuell. Ein Grund dafür 348 349 350 351 Smith, David (1988), „Preface“, S. 9 Vgl. Schivelbusch, Wolfgang (1995). Vgl. Roth, Ralf (2005). Vgl. König, Wolfgang (2000). 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise 163 ist der Kreis der regelmäßigen und der sporadisch schreibenden Autoren der Reiseliteratur. Wenn der Zweck der Reise der Erkenntnisgewinn über fremde Länder und Kulturen ist, dann ist der Weg zum Ziel sekundär und wird nur am Rande erwähnt. Wenn der Zweck der Reise touristischer Art ist, dann wird der Vorgang der Reise stärker beachtet und beschrieben, jedoch meist sehr individuell und weniger pragmatisch. Generell sind die Reisenden, die Reiseberichte schreiben, einem begrenzten Gesellschaftsbereich zuzuordnen, das resultiert auch in der Benutzung der Eisenbahnklasse. Ein Passagier, meist ein Arbeiter der IV. Klasse, wo der Wagen oftmals ein Stehwagen ist und der nur über kurze Strecken benutzt wird. schreibt keine Reiseberichte. Möglicherweise wird ein Außenstehender über diese Art der Fortbewegung berichten. Einen tieferen Einblick in die Welt der Eisenbahn und des Eisenbahnreisenden versprechen die Arbeiten eines Journalisten, der in jungen Jahren die Eröffnung der ersten Eisenbahn erlebt hatte und in den Folgejahren regelmäßig, neben der allgemeinen journalistischen Tätigkeit, auch viele Artikel in der Form von Fortsetzungsberichten für verschiedene Tageszeitungen schrieb und diese dann später in Monografien gesammelt veröffentlichte. Friedrich Wilhelm Hackländer war dieser Journalist. Er lebte von 1816 – 1877. Er ist 18 Jahre alt, als die erste Eisenbahn in Deutschland von Nürnberg nach Fürth eröffnet wird und er verfasst seinen ersten Bericht über die Eisenbahn 1842. Das Thema begleitet ihn bis zum Jahr 1875, als sein letzter Bericht mit Bezug zur Eisenbahn erscheint. Er war ein sehr produktiver Schriftsteller, eine Gesamtausgabe seiner Werke umfasst 60 Bände und besteht aus etwa 17.000 Druckseiten. Mit dieser Gesamtausgabe werden jedoch nur etwa ¾ seines Gesamtwerkes erfasst.352 Im Gegensatz zu den Vertretern der reinen, hohen Literatur, die bestrebt sind, die Realität zu idealisieren befasst er sich auch mit der Alltagswelt der Eisenbahn und des Eisenbahnreisenden. Seine Berichte, Novellen, Erzählungen und Romane erscheinen zunächst in Zeitungs- und Zeitschriftenberichten, um später dann zusammengefasst zu werden zu Sammelbänden. In seinen Reiseberichten und Eisenbahnbildern erzählt er über einen Zeitraum von über 30 Jahren Eisenbahngeschichte, meist fiktiv, aber auf der Grundlage des eigenen Erleben.353 Die Auffindung einzelner Texte, die für die Eisenbahn und den Eisenbahnreisenden relevant sind, gestaltet sich relativ einfach, da das Gesamtwerk editorisch gut erschlossen ist.354 Aus den Texten lässt sich nachvollziehen, wie das neue Verkehrsmittel die Zeitgenossen faszinierte und mit der 352 353 354 Vgl. u.a. Hackländer, Friedrich Wilhelm (1866), .. und weitere siehe Literaturverzeichnis. Vgl. Krauss, Rolf H. (2001), S. 9. Siebel, Hans Peter (1997). 164 5 Die Reisenden weiteren Verbreitung und der Erhöhung der Frequenz und der Verlängerung der Strecken zu einem Verkehrsnetz, die Akzeptanz sich ständig erhöhte. Wie das Eisenbahnreisen zu einem Bestandteil der allgemeinen Fortbewegung wurde und zu einer alltäglichen Einrichtung wurde, so spiegelte sich das auch in den Berichten Hackländers wieder. Anfängliche Neugier und die Beschreibung vieler kleiner Einzelheiten wurde im Laufe der Zeit durch eine allgemeinere Betrachtung als Alltäglichkeit abgelöst. Beispielhaft soll hier aus seinen beiden Novellen-Sammlungen: „[Tag und Nacht ; 1 und 2] Eine Geschichte in 24 Stunden“ zitiert werden: Hackländer beschreibt in seiner Novelle den fiktiven Tagesablauf verschiedener Personen und Familien über die Zeit eines ganzen Tages ohne direkten Hinweis auf ein konkretes Jahr. Interessant ist im Zusammenhang mit dieser Untersuchung die Episode, die im Kapitel 'Die fünfte Stunde' beginnt und die Vorbereitung einer kleinen Familie aus bürgerlichem Umfeld zu einer Reise aus Anlass des Todes eines nahen Verwandten beschreibt. Die Reise soll mit der Eisenbahn erfolgen. Die Erzählung geht weiter im Kapitel 'Die sechste Stunde' und beschreibt die Fahrt mit einer Kusche zum Bahnhof. Hier wird das geschäftige Treiben beschrieben sehr anschaulich, das auf diesem Bahnhof zu früher Stunde herrscht. Interessant und aufschlussreich sind nun die Bemerkungen des Autors, wie auf Seite 151: »Ueberhaupt sind ja die Passagiere der Eisenbahn nicht mehr so geneigt, mir ihren Mitreisenden bekannt zu werden.« und weiter, »die, welche eine lange Tour machen, denken begreiflicher Weise nur an ihre Bequemlichkeit, suchen sich wo möglich ein leeres Coupé und reservieren die Plätze gegenüber [...] durch Anhäufen von Nachtsäcken, Mänteln und dergleichen;«. Weiter auch der Hinweis, »Leute dagegen, welche nur die Kleinigkeit von zehn oder zwanzig Meilen mit uns durch die Welt sausen, existieren eigentlich gar nicht, man sieht sie ohne alles Interesse einsteigen und wieder verschwinden.«. Danach beschreibt er nostalgisch die 'ruhige, gemütliche alte Zeit der Postkutsche und berichtet danach weiter über das Treiben und die Konversation im Wartesaal, bis der Zug zur Abfahrt pfeift und die Reisenden ihre Plätze einnehmen.355 In der Fortsetzung seiner Erzählung über die ‚Geschehnisse über 24-Stunden‘ beschreibt Hackländer eine weitere Reise mit der Eisenbahn. In diesem Fall eine Kurzreise zwischen zwei kleineren Stationen. Eine anschauliche Beschreibung des Lebens auf einer kleineren Zwischenstation der Eisenbahn mit ihren Menschen, Geräuschen und Gesprächen zwischen Reisenden untereinander und mit dem Bahnhofspersonal, den 355 Hackländer, Friedrich Wilhelm (1866): [Tag und Nacht ; 1]. Eine Geschichte in 24 Stunden. S. 141-166. 5.2 Exkurs: Die Funktion der Reise 165 strengen Eisenbahnbeamten. Er beschreibt den Eindruck, den der Blick aus der fahrenden Eisenbahn auf den Reisenden macht. In dieser Episode kommt es jedoch, im Gegensatz zu seinen Bemerkungen zur ersten Reise, zu einem angenehmen Gespräch zwischen zwei Reisenden, die allein in einem Coupé reisen.356 Da die Texte aus einer subjektiven Sichtweise heraus geschrieben wurden, so kann, für den Zweck dieser Untersuchung festgestellt werden, dass sie nur einen Teil des Eisenbahnreisens und der Eisenbahnreisenden umfasst. Hackländer berichtet in seinem umfangreichen Werk ausschließlich über das Reisen in der zweiten Klasse und der ersten Klasse. Nur ein Text von ihm befasst sich mit dem Reisen und den Reisenden der dritten Klasse. Es ist die humoristische Skizze Reiselust aus dem Jahre 1866357. In diesem Bericht beschreibt er sehr realistisch, wie er die Reisenden in dieser Klasse erlebte. Ständig wechselnde Gruppen von Reisenden mit den verschiedensten Reisezielen und Absichten stürmten das Gemeinschaftsabteil der III. Klasse und verbreiten rücksichtslos den Mitreisenden gegenüber ständige, lärmende Unruhe. Nur geringe Muße findet der Einzelreisende auch nicht nach einem Wechsel in das Abteil der II. Klasse. Dieser Bericht handelte aber schon im Jahre 1866, also nach dem Ende dieser Untersuchung. Zusammenfassend lässt sich zu den Berichten von Hackländer sagen, dass sie viele Informationen und Stimmungen aus der Anfangszeit der Eisenbahn vermitteln, dass die Informationen jedoch auch wegen der subjektiven Betrachtung durch den Autor nicht hinreichend für eine Generalisierung sind. Er vermittelt fast ausschließlich Erkenntnisse über die Reisenden und das Reisen in der zweiten Klasse und teilweise der ersten Klasse. Er umschließt damit nur eine begrenzte Gruppe der Gesellschaft. Ein Gewinn bei der Lektüre von Hackländers Werken ist der weite Betrachtungsbereich auch über alltägliche Dinge und Begebenheiten des Eisenbahnreisens, besonders in seinen frühesten Schriften. Spätere Berichte beruhen zwar auch auf persönliche Eindrücken und Erfahrungen, aber die Erzählungen selbst und dann in diesem Erfahrungsraum meist selbst fiktiv. Gegenüber anderen Reiseberichten, die sich als hohe Literatur verstehen und die alltäglichen Dinge und Vorgänge im Eisenbahnbereich als zu banal angesehen und deshalb literarisch nicht ausformuliert wurden. Aus diesen Gründen können alle diese Quellen nichts zu einer Generalisierung beitragen. Hinzu kommt auch der Umstand, das Reise Literatur, die sich mit Eisenbahnreisen befasst, von einer Gesellschaftsgruppe geschrieben 356 357 Hackländer, Friedrich Wilhelm (1866): [Tag und Nacht ; 2]. Eine Geschichte in 24 Stunden. S. 190-193. Vgl. Krauss, Rolf H. (2001), S. 26f. 166 5 Die Reisenden wurde, die in ihrem Umfang auch eng begrenzt ist und deshalb ebenfalls keinen Betrag zu einer Generalisierung leisten kann. Ein brauchbarer Rahmen für die Einordnung der potenziell Reisenden der Eisenbahn ist die Betrachtung der Sozialstruktur anfangs des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts der hier den Untersuchungszeitraum bildet. Diese Jahre sind der Kern eines gesellschaftlichen, kulturellen Umbruchs während der ersten drei Viertel des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung führt von einer Agrar- zur Industriegesellschaft, von der »in den oberen Schichten aristokratisch geprägten alteuropäischen Kultur« zur »zunehmend individualisierten und tendenziell die Sozialmilieus übergreifenden Kultur der bürgerlichen Epoche.«358 Die Vorgänge und Veränderungen, die die Basis für die Beantwortung der Forschungsfragen dieser Untersuchung bilden könnten, sind die sich bildende neue Gesellschaftsstruktur. Die beginnende Industrialisierung fast gleichzeitig, aber nicht allein in Gang gesetzt durch den Aufbau der Eisenbahn, war die Grundlage und der Nutznießer der Gewerbefreiheit, der Marktwirtschaft und allgemein der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Für die sich bildenden Kapitalüberschüsse aus Textilindustrie und Landwirtschaft mussten Möglichkeiten der Anlage gefunden werden. Die Eisenbahn, und die positiven Berichte über die damit erzielten Profite aus England, boten sich dafür an. Geplant als Transportmittel für die Verteilung der produzierten Güter und der dafür benötigten Rohstoffe zeigte sich bald, dass in den Anfangsjahren mit dem Personenverkehr die höchsten Wachstumsraten erreichbar waren. Damit stellt sich die Frage, für welche Gesellschaftsgruppen oder auch einzelnen Individuen war es attraktiv, für welche Gesellschaftsgruppen war es unbedingt notwendig und für welche Gesellschaftsgruppen, die auch vorher regelmäßig reisten, war es nur ein Wechsel, des Transportmittels, um mobil zu werden oder zu bleiben? Hierbei ist möglicherweise auch beim Wechsel von der reinen häuslichen Arbeit zur Arbeit in den entstehenden Fabriken der Zwang begründet, mobil zu werden, um die mehr oder weniger große Entfernung vom Wohn- zum Arbeitsort zu überbrücken. Das könnte per Fuß bewerkstelligt werden, aber bei größerer Entfernung auch mit einer Eisenbahnfahrt, sofern diese für die Arbeitskraft erschwinglich war. Für die Beantwortung dieser Fragen ist es erforderlich, die Gesellschaftsstruktur zu berücksichtigen, bei der Analyse der statistischen Auswertungen der Eisenbahngesellschaften. Der Untersuchungsbereich soll dabei auf das Königreich Preußen mit seinen Provinzen Preußen (Ost- und Westpreußen), Brandenburg und die Rheinprovinz, Westfalen und Schlesien konzentriert werden. Der Vorteil bei der Analyse ist begründet im Vorliegen vielfältiger preußischer Statistiken aus dieser Zeit, die 358 Vgl. Kocka, Jürgen (1990, S. 1. 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck 167 gegenüber den anderen Staaten beispielhaft war, trotzdem es jedoch auch viele Lücken gibt, die durch mehr oder weniger plausible Schätzungen gefüllt werden müssen.359 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck Die statistischen Berichte der einzelner Eisenbahngesellschaften gaben ab den 1850er Jahren, detaillierte Daten über den Bestand an Betriebsmittel, den Leistungen in Personenkilometern und Tonnenkilometern, den befahrenen Strecken und der Länge der Fahrstrecken und der Aufgliederung in den einzelnen Klassen und für das Militär, umfangreich Auskunft. Seit diesen Jahren hat sich durch den Einfluss der Vereinigung der deutschen Eisenbahn-Verwaltungen (VdEV) die Qualität und die Aufzeichnungsform stabilisiert und wurde bei allen staatlichen, staatlich verwalteten und privaten Eisenbahngesellschaften eingeführt. Für diese Untersuchung werden die gedruckten Veröffentlichungen des Eisenbahnbüros des Preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten verwendet. Zum Vergleich werden die gleichartigen Veröffentlichungen der Sächsischen Staatsbahn gegenübergestellt. Dabei wird sich zeigen, dass über alle deutschen Eisenbahnen eine Vergleichbarkeit angestrebt wurde, die sich bei der Gründung der Deutschen Reichsbahn 1876, nach der Reichsgründung 1871, von Vorteil für die Zusammenführung erwies. Bis zum Jahr 1860 waren auf allen preußischen Eisenbahnen unter staatlicher Verwaltung Personenwagen der IV. Klasse eingerichtet worden. Eine Circularverfügung des preußischen Handelsministerium im Preußischen Staatsanzeiger beauftragte die Königliche Eisenbahnkommission, die Einführung einer IV. Klasse, den Privat-Eisenbahnverwaltungen dringend zu empfehlen. Diese Empfehlung wurde damit begründet, dass auf sämtlichen Staats- und unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen und einigen weiteren Bahnen, damit nur die besten wirtschaftlichen Ergebnisse erzielt wurden. In dieser Verfügung wurde darauf hingewiesen, dass die Eisenbahn damit »der weniger bemittelten Bevölkerung, insbesondere der Ar beit er kl asse zugänglicher macht, und durch Erleichterung der Communication zur Förderung des Verkehrs […] beiträgt.«360 Daraus wird ersichtlich, dass noch zum Ende des Untersuchungszeitraums dieser Arbeit, die Benutzung der Eisenbahn noch immer sehr stark von den finanziellen Möglichkeiten abhängig war und für die einfache Bevölkerung allgemein nicht zugänglich war. Aus der 359 360 Vgl. Kocka, Jürgen (1990, S. 2ff. Vgl. Die Einrichtung einer IV. Wagenklasse bei dem Personenverkehr … (1861). 168 5 Die Reisenden Begründung der privaten Eisenbahngesellschaften gegen die Einführung geht hervor, dass man den finanziellen Misserfolg befürchtete. Es wurde angeführt, dass sich die Einführung höchsten in dicht bevölkerten und in Industriegebieten empfehlen würde. Ein beträchtlicher Teil der Reisenden aus den anderen drei Klassen würde vermutlich zur IV. Klasse wechseln, deren Ertrag kürzen und der würde durch die vermehrte Frequenz nicht ausgeglichen. Die Befürworter begründeten ihren Schritt damit, dass nur wenige Reisende der III. Klasse wechseln würden, sondern viele neue Benutzer der IV. Klasse neu hinzugekommen waren, die davor, wegen der hohen Fahrpreise, die Eisenbahn nicht benutzt hätten. Die Erfahrungen des abgelaufenen Jahres 1860, mit wieder steigendem Verkehr nach dem wirtschaftlichen Rückgang 1857, bewiesen den wirtschaftlichen Erfolg der Maßnahme. Es zeigt sich in den Leistungsergebnissen der Eisenbahnen, dass erst mit der Einführung der IV. Klasse wesentliche Steigerungen der Personenfrequenz einsetzten, auch in dünn bevölkerten Bezirken und in Bezirken ohne Industrie. Die Verwaltung sah die Einführung der IV. Klasse als eine Verbesserung der Transportkapazität von Gütern, das schlug sich nieder, in der Ausführung und der Ausstattung der Personenwagen, die für diesen Zweck eingeführt wurden. Sie hatten anfangs keinerlei Sitzgelegenheiten oder Bedachungen und wurden erst nach massiven Beschwerden der Passagiere mit einfachen Sitzen und Schutzvorrichtungen vor der Witterung ausgestattet. »Die allgemeine Einführung der IV. Klasse ist auf die Beförderung von Arbeitern berechnet. Menschliche Arbeitskraft ist mit die am kostspieligsten transportirbare und am schwersten bewegliche Waare. Daher kommt es, dass immer noch eine nach Zeit und Verhältnissen zwar verschiedene, aber doch eine gewisse nicht unbedeutende Quantität dieses volkswirtschaftlichen Kapitals an einigen Orten feiert, oder nicht aufs höchste verwerthet wird, obgleich anderwärtz die erforderliche Gelegenheit dazu geboten ist, aber nicht wahrgenommen werden kann. [..] Dieser Uebelstand begegnet jede Verbesserung im Verkehr und im Transport, welche die Beweglichkeit der Arbeitskräfte vermehrt und ihre Beförderung von Ort zu Ort erleichtert, beschleunigt und möglichst wenig kostspielig macht.«361 In einer Denkschrift von 1850 über eine Eisenbahnstrecke Bonn-Koblenz-Bingen362 als Verlängerung der Strecke Köln-Bonn wird über die Erfahrungen mit der Bonn-Kölner Bahn berichtet. Nicht nur die Bewohner der Städte hätten durch die Eisenbahnverbindung Vorteile, sondern auch die Landbevölkerung aus dem Bahnbereich. Schon im ersten Betriebsjahr 1844 waren 1843 Fahrgäste mit der Bahn gefahren und davon waren 534 Reisende der IV. Klasse. Das waren Landleute aus der Umgebung der Städte, die die 361 362 Die Einrichtung einer IV. Wagenklasse bei dem Personenverkehr … (1861)S. 443.. Vgl. Denkschrift zur Begründung des Unternehmens einer zwischen Bonn, Coblenz und Bingen […] anzulegenden Eisenbahn. [im preußischen Gebiete auf dem linken Rheinufer] (1850), S.5f. 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck 169 Märkte von Köln und Bonn besuchten, um ihre Produkte zu verkaufen. Diese Zahl hatte sich im Laufe der folgenden Betriebsjahre, bis 1860 auf durchschnittlich 600 Reisende täglich in dieser Klasse erhöht. Weiterhin hatte sich in der Umgebung der Bahn eine Verschiebung der Bevölkerung ergeben. Gewerbe aus der Stadt verlagerten sich auf das umliegende Land und frühere Bewohner der Städte waren auf das Land umgesiedelt, weil durch die Eisenbahn jederzeit die Fahrt in die Stadt zum Zwecke eines Gewerbes durch die Bahn möglich geworden war. Aus den Statistiken der Eisenbahnverwaltungen können die verschiedenen Kennwerte, wie Personenfrequenz und gefahrene Streckenlänge sowie die Einnahmen entnommen werden. Daraus wurden weitere Kennwerte wie Personenkilometer usw. berechnet und veröffentlicht. Nicht ersichtlich sind in jedem Fall Erkenntnisse zur Individualität der Reisenden. Durch Vergleich der sozialen Gliederung der preußischen Bevölkerung363 mit den statistischen Daten über die Benutzung der Wagenklassen, der gefahrenen Strecke und Reisefrequenz können Beziehungen untereinander hergestellt werden und Rückschlüsse über eine gesellschaftliche Gruppe oder Klasse konstruiert werden. Das soll in den folgenden Kapiteln gemacht werden und einige Ergebnisse diskutiert werden. Der Personentransport, der je nach der politischer Lage und eigenen Plänen der Führung einen wesentlichen Bestandteil des Personenverkehrs ausmachte, ist der militärische Eisenbahntransport. Dieser Teil des Personentransports wird in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt, hierzu gibt es eine umfangreiche Studie für die Jahre 1833 bis 1866.364 5.3.1 Reisende Als Grundlage einer Untersuchung über die potenziell Reisenden eines Verkehrssystems und hier im Besonderen beim Personenverkehr der Eisenbahn ist es erforderlich, die Bevölkerungsgröße, die Bevölkerungsdichte und die Sozialstruktur zu ermitteln und zu bewerten. In der Tabelle 5 wurden die Einwohnerzahlen von ausgewählten Regierungsbezirken der preußischen Provinzen, die für die ersten Eisenbahnen von größerer Bedeutung waren, in den Jahren dieser Untersuchung von 1835 bis 1860, zusammengestellt. Die Einwohnerzahlen sagen etwas darüber aus, wie groß die Anzahl der Einwohner ist, die im Einzugsgebiet der Bezirkshauptstädte ständig wohnen und deshalb für einen lokalen Verkehrsbetrieb relevant sein können. Für den Durchreiseverkehr sind darüber hinaus die 363 364 Vgl. Kocka, Jürgen (1990), S. 82ff. Vgl. Bremm, Klaus-Jürgen (2005). 170 5 Die Reisenden geografischen Verhältnisse der Lage der Orte zueinander von Bedeutung. Bei allen Überlegungen dieser Art ist zu berücksichtigen, dass zum Einen die Aufzeichnungen zum Verkehrsaufkommen in den Anfangsjahren des Eisenbahnverkehrs noch sehr lückenhaft waren und dass zum Anderen die Aufzeichnungen zur Erwerbsstruktur ebenfalls noch große Lücken aufweisen. Die Daten der Stadt Berlin, der Residenzstadt Preußens wurden hier nur zum Vergleich hinzugefügt. Es zeigt sich als wichtigste Aussage, dass bei allen Reg.bz. dieser Tabelle ein stetiges Wachstum der Bevölkerung zu erkennen ist und damit eventuell ein Anstieg der potenziell Reisenden. Allein ist diese Tatsache jedoch noch kein hinreichendes Kriterium für eine Aussage zum Anstieg des Personenverkehrs, hierzu muss die Sozial- und die Erwerbsstruktur bekannt sein, aus der sich die Notwendigkeit einer Reisetätigkeit erschließen könnte. Aus der Lage der Bezirke kann schon ersehen werden, dass es sich um stark agrarisch wie in Preußen und Pommern und stark industriell b. z. w. handwerklich strukturierte Bezirke, wie in Schlesien, Westfalen und den Rheinprovinzen handelt. Einwohnerzahlen in ausgewählten Regierungsbezirken (d. h. in den Einzugsbereichen von: Bezirk Königsberg Danzig Oppeln Stettin Stralsund Trier Münster Minden Düsseldorf Stadt Berlin Provinz Preußen Preußen Schlesien Pommern Pommern Rheinprovinz Westfalen Westfalen Westfalen 1835 717.274 327.074 756.093 434.929 151.691 398.039 397.461 404.780 727.951 250.800 1840 776.373 356.466 879.178 477.000 166.780 455.159 407.099 433.405 795.333 286.535 1845 828.643 391.385 956.309 523.486 177.480 474.432 417.140 452.106 864.992 361.368 1850 846.872 402.608 964.476 560.911 186.095 488.968 419.494 461.970 909.099 399.769 1855 890.624 426.120 1.007.067 594.192 195.946 500.668 429.674 460.987 991.911 421.907 1860 951.375 454.101 1.101.242 628.858 205.057 527.048 435.165 461.796 1.080.330 486.082 Tabelle 5: Einwohnerzahlen der Regierungsbezirke 1835-1860 Quelle: Markow, Alexis (1889). Bei den folgenden Überlegungen sollte man bei den Angaben immer im Blick haben, dass es sich bei der Zahl der Reisenden immer um einen kleinen Teil der jeweiligen Bevölkerung handelt, die im Laufe eines Jahres einmal oder mehrmals die Eisenbahn benutzte. Deshalb können die Zahlen aus Bevölkerungszahl und Erwerbsstruktur nur die Anzahl der potenziell möglichen Gruppe der Eisenbahnbenutzer ergeben. Daraus folgte für die Eisenbahngesellschaften, dass sie verschiedene Wege gehen musste, um die Planung derart zu gestalten, dass mit höherer Wahrscheinlichkeit diese Gruppe berücksichtigt und angesprochen wurde, die auch für die Benutzung der Eisenbahn gewonnen werden konnte. 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck 171 Bei den Planungen einer neuen Strecke, die in einer Denkschrift zusammengefasst wurden und als Grundlage für die Investitionskostenberechnung dienten, wurde auch die zu erwartende Frequenz des Verkehrs ermittelt. Als Beispiel wurden die ersten Betriebsergebnisse von Strecken, die schon einige Zeit im Betrieb waren und die Wirtschafts- und Bevölkerungsverhältnisse des Planungsgebietes zugrunde gelegt. In der Denkschrift zur Weiterführung der Rheinischen Eisenbahn nach Minden wurde exemplarisch folgendermaßen verfahren. Für die Prognose der Personenfrequenz wurden die durch die Ergebnisse der belgischen, der Leipzig-Dresdner und der Leipzig-Magdeburger Eisenbahn gemachten Erfahrungen über das Verhältnis zwischen der überwiegend gewerbetreibenden Bevölkerung der angeschlossenen und der naheliegenden Städte zu der Gesamtzahl der Reisenden berechnet. Dann wurde aus den Einnahmen für den Personentransport und dem gültigen Tarif, die Strecke berechnet, die diese Personen durchschnittlich gereist waren. Mit der Einführung von Korrekturwerten, z. B. eine Reduzierung auf eine Länge von 5 Meilen und der Berücksichtigung des Militärs d. h. Rekruten und ausgediente Soldaten ergab das einen Kalkulationswert, mit dem die wahrscheinliche Frequenz vorausberechnet werden konnte.365 Die Ergebnisse waren für die Kalkulation der Investition meist ausreichend genau, aber sie wurden dann oft von der Realität nach der Eröffnung der Bahn weit übertroffen. Für die Tabelle 6 (bis Tabelle 8)wurden die Bahnen aus der Tabelle im Anhang: A entnommen und zeigen einen Ausschnitt von Eisenbahnstrecken, die aufgrund ihrer Länge, eine bessere statistische Grundlage bilden als kürzere Strecken. Es sind die Daten des Jahres 1860, in dem der Eisenbahnverkehr in Preußen die Anfangsprobleme hinter sich gelassen hatte und in dem, nach einer kurzen Rezession von 1857, ein starker Aufschwung einsetzte. … jeder Reisende reiste durchschnittlich. Gesamt-Länge POB BPM BAE KME Meilen 91,230 19,537 47,395 44,587 I. Klasse Meilen 37,9 7,5 18,4 16,3 II. Klasse in % 41,5 38,3 38,9 36,6 Meilen 14,9 8,0 13,7 10,1 in % 16,3 41,1 29,0 22,7 III. Klasse Meilen 9,8 5,7 7,3 5,5 Preußen Gesamt 1860 365 721,537 Eine Meile entspricht 7,53 Kilometer. Vgl. Hansemann, David (Hg.) (1842). S. 29f. in % 10,5 29,4 15,5 12,3 IV. Klasse Meilen 6,4 in % 7,0 3,7 8,3 172 5 Die Reisenden Tabelle 6: Die Reiselänge in den verschiedenen Klassen (Auswahl) Daten-Quelle: Statistische Nachrichten von den preußischen Eisenbahnen 1860366 Man kann vielerlei Rückschlüsse aus dieser Zusammenstellung entnehmen. An erster Stelle fällt bei den Zahlen auf, dass der Reisende der eine längere Reise antritt, die erste Klasse bevorzugte. Gleich danach in der Präferenz steht die zweite Klasse. Für kürzere Reisen wird die dritte Klasse und, wenn angeboten, die vierte Klasse für Kurzreisen und für den Lokalverkehr gewählt. Das erlaubt einige Rückschlüsse auf die Reisenden als gesellschaftliche Gruppe und deren Verkehrsbedarf und Mobilität. Aus diesen Daten konnte die Anzahl und der Komfort für die Personenwagen und die Einteilung in Wagenklassen geplant werden. Bei längeren Strecken wurden nach der Bevölkerungsdichte und der Gewerbestruktur die Anzahl und der Umfang der Hochbauten für die Haltepunkte geplant. 5.3.2 Reisefrequenz Im Anschluss an obige Tabelle, die sich auf die Gesamtlänge der Reisen bezieht, zeigt die folgende Tabelle 7 die Wahl der einzelnen Wagenklassen durch den Reisenden. … davon kommen auf. Gesamt-Reisende POB BPM BAE KME Anzahl 1.416.558 920.198 681.818 2.499.843 I. Klasse Anzahl in % 7.206 0,5 27.791 3,0 7.507 1,1 29.308 1,2 II. Klasse Anzahl 262.143 230.710 140.347 356.293 III. Klasse IV. Klasse in % 18,5 25,1 20,8 14,1 Anzahl 485.571 616.135 506.494 509.337 in % 34,3 67,0 74,3 20,2 Anzahl in % 609.939 48,1 1.598.591 63,4 17,3 11.166.442 51,2 5.939.413 27,3 Preußen Gesamt 1860 21.147.240 395.420 1,8 3.776.739 Tabelle 7: Die Auslastung der verschiedenen Klassen (Auswahl) Daten-Quelle: Statistische Nachrichten von den preußischen Eisenbahnen 1860367 In dieser Tabelle zeigt sich, dass beim Angebot einer IV. Klasse diese vor der III. Klasse bevorzugt wurde, bei fehlender IV. Klasse, die III. Klasse. Insgesamt wurden die III. und die IV. Klasse generell bevorzugt während die I. Klasse wirtschaftlich dagegen bedeutungslos erscheint. Es ist daraus auch verständlich, dass es immer wieder Anre366 367 Vgl. Technisches Eisenbahn-Bureau des Ministeriums (1861), Kap. III. .- Anmerkung.: Die geringfügigen Unterschiede in den einzelnen Zahlenwerten resultieren aus der unterschiedlichen Zählung für z. B. reisende Militärpersonen oder auch aus den unterschiedlichen Geschäftsjahr Definitionen. Die grundsätzlichen Aussagen werden dadurch nicht beeinflusst. Vgl. Technisches Eisenbahn-Bureau des Ministeriums (1861), Kap. III. 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck 173 gungen gab, die I. Klasse ganz zu streichen und die II. Klasse zu reduzieren, weil der höhere Aufwand und Komfort dieser Klassen in keinem Verhältnis zum Aufwand ihres Betriebes standen. Einflussreiche Kreise der Benutzer dieser Klassen konnten jedoch erfolgreich dagegen opponieren und diese Klassen blieben erhalten. Der Gesamtverkehr wurde jedoch ein Verkehr der III. und der IV. Klasse und dadurch auch generell des relativen Nah- und Lokalverkehrs. In der Tabelle 8 wurde die Auslastung der einzelnen Klassen zur Gesamtstreckenlänge in Bezug gesetzt. In dieser Tabelle wird aus den vorherigen Tabellen ein Kennwert errechnet, der alle drei Faktoren Personenanzahl, Wagenklasse und Streckenlänge berücksichtigt und mit diesen Daten die Personenmeilen als Charakterisierung für die wirtschaftliche Auslastung einer Eisenbahnstrecke vergleichbar macht. Die Anzahl der reisenden Personen pro Meile und Klasse gibt Auskunft über die reale Benutzung des Eisenbahnangebots im Vergleich der einzelnen Eisenbahnstrecken. … Personenmeilen wurden zurückgelegt. Gesamt PersM POB 3.615.151 BPM 6.049.401 BAE 6.033.982 KME 13.338.686 I. Klasse Anzahl pro M 273.175 2.994 207.495 10.621 138.287 2.918 477.026 10.699 II. Klasse Anzahl 3.909.796 1.852.996 1.929.349 3.579.058 pro M 42.857 94.846 40.708 80.675 III. Klasse IV. Klasse Anzahl pro M Anzahl pro M 4.653.116 51.004 3.922.800 42.999 3.537.138 181.048 3.716.898 78.424 2.795.125 62.698 5.877.969 131.832 Tabelle 8: Personenmeilen (Auswahl) Quelle: Statistische Nachrichten von den preußischen Eisenbahnen 1860368 Diese Tabelle zeigt noch einmal aus anderer Sicht, dass die III. Klasse und die IV. Klasse, wenn sie angeboten wurde, das höchste Verkehrsaufkommen hatten und damit auch die höchsten Einnahmen erzielen konnten. 5.3.3 Reisezweck Statistische Aufzeichnungen über die Reisenden in Bezug auf ihre Reisegewohnheiten und den persönlichen Grund für ihre Reiseunternehmungen wurden in den frühen Jahren des Personenverkehrs per Eisenbahn nicht erfasst und auch in den späteren Jahren nicht als so wichtig oder wertvoll für die Eisenbahngesellschaften angesehen, um derartige Daten zu erfassen und zu dokumentieren. Eine wesentliche Erschwernis bestand auch darin, dass es 368 Vgl. Technisches Eisenbahn-Bureau des Ministeriums (1861), Kap. III. 174 5 Die Reisenden für sie meist nicht möglich war, jeden Reisenden nach seinen Reiseplänen, über die Auskünfte hinaus, die für den Erwerb einer Fahrkarte, wie Ziel und Wagenklasse erforderlich waren, zu befragen. Viele diese Fragen betreffende Fundstellen in den verschiedensten Texten, literarisch oder nur als kurze Notizen in Periodika sind vorhanden, jedoch für eine Generalisierung nicht ausreichend. Da eine empirische Erfassung von Daten über die Person und den Reisezweck wegen fehlender Quellen nicht durchführbar ist, muss nach anderen Zusammenhängen geforscht werden, die Auskunft über die Forschungsfrage geben können. Zusammenhänge bestehen zwischen der sozialen Herkunft, der Erwerbstätigkeit, dem Verhältnis aus Berufs- und Gewerbetätigkeit zur frei verfügbaren Zeit und der geografischen Lage des Wohnorts und des Ortes der Gewerbsoder der Handelstätigkeit. Statistiken und Dokumentationen darüber sind in verschiedener Dichte in verschiedenen Quellen recherchierbar, Die Aufgabe soll es nun sein, in diesen sehr heterogenen Daten logische Zusammenhänge zu finden und Aussagen von ausreichendem Wert zur Beantwortung der Forschungsfragen zu formulieren. Aus der Tabelle 9 kann die soziale Entwicklung der preußischen Bevölkerung in Bezug auf ihre Erwerbstätigkeit entnommen werden. In den Jahren 1837, 1846 und 1861 wurde die Gesamtzahl der Erwerbstätigen geschätzt und zum Vergleich die Gesamtbevölkerung beziffert. Aus den Erwerbstätigen wurden größere Berufsgruppen ausgewählt und ihre Anzahl ermittelt und daraus die prozentuale Verteilung, bezogen zur Gesamtzahl berechnet. In den Prozentzahlen zeigt sich die Verteilung der Erwerbstätigen auf die einzelne Berufsgruppen. Erkennbar ist sofort, dass der größte Teil der Erwerbstätigkeiten entweder einer landwirtschaftlichen Tätigkeit oder einer Handarbeiteroder Tagelöhnertätigkeit in einem Gewerbe nachgeht. Hausgesinde Vornehmlich Landwirtschaftl. Gesinde Tagelöhner / Handarbeiter Handwerksgesellen Sonstige Gewerbegehilfen Fabrikarbeiter (inkl. Manufakturarbeit. Bergarbeiter (inkl. Salinen) Handwerksmeister Angest. ( Handel, Gewerbe, Landwirtsch.) Gesamterwerbstätige= Σ (geschätzt) 1837 1846 1861 in Tausend % von Σ in Tausend % von Σ in Tausend % von Σ 122 2,0 175 2,4 267 3,4 1.011 16,5 1.098 15,7 1.209 15,3 1.262 20,6 1.470 21,1 2.239 28,1 245 4,0 385 5,5 558 7,0 208 3,4 216 3,1 177 2,2 204 3,3 272 3,9 424 5,3 34 0,6 54 0,8 117 1,5 375 6,1 457 6,5 535 6,7 65 1,1 76 1,1 96 1,2 6.133 100 6.982 100 7.927 100 5.3 Wer fährt, wie weit, wie oft, zu welchem Zweck Gesamtbevölkerung 175 10.098.000 16.133.000 18.491.000 Tabelle 9: Ausgewählte Berufsgruppen in Preußen 1837-1861 Quelle: Kocka, Jürgen (1990), Auszug aus Tabelle 18. Die Tabelle 10 bestätigt diesen Sachverhalt. In drei wichtigen preußischen Provinzen bezog fast jeder zweite Einwohner seinen Lebensunterhalt aus einer landwirtschaftlichen Tätigkeit. Die Tabelle 11 schlüsselt die Verteilung der Gewerbebeschäftigten auf in Beschäftigte, die im Handwerk und im Großgewerbe, wie Fabriken und Manufakturen beschäftigt waren. Provinz Preußen Provinz Brandenburg Rheinprovinz absolut 1.359.289 860.619 1.404.912 in % d. Bevölker. 49,5 36,9 45,4 Kgr. Preußen 8.055.759 45,4 Tabelle 10: Landwirtschaftliche Bevölkerung in drei preuß. Provinzen Quelle: Kocka, Jürgen (1990), Auszug aus Tabelle 20. Hohenzollern Rheinprovinz Provinz Sachsen Brandenburg Westfalen Schlesien Pommern Provinz Preußen Posen Kgr. Preußen Gewerbebeschäftigte Handwerker Großgewerbe B. pro 1.000 Einwohner pro 1.000 Einwohner pro 1.000 Einwohner 136 89 62 129 72 47 123 68 47 120 64 43 113 62 41 99 56 40 67 48 15 50 39 13 50 36 9 97 56 37 Tabelle 11: Gewerbebeschäftigte in den preuß. Provinzen 1858 Quelle: Kocka, Jürgen (1990), Auszug aus der Tabelle auf S. 95. Die vorstehenden Tabellen sagen also einiges aus, über die Bevölkerung Preußens, die einem Gewerbe oder allgemein einer Tätigkeit nachgeht, die für ihren Lebensunterhalt als Grundlage erforderlich ist. Aus der Tabelle 10 ist erkennbar, dass als Erwerbstätige für das Jahr 1837 61 % , für die Jahre 1846 43 % und 1861 48 % definiert werden. Der hier nicht definierte Anteil an der Gesamtbevölkerung von 39, 57 und 52 % ist nun aber nicht 176 5 Die Reisenden einfach zuzuordnen. Mit Berücksichtigung der Tabelle 10 könnte jedoch gefolgert werden, dass es sich hierbei zum größten Teil um landwirtschaftlich Beschäftigte im Haupt- und Nebenerwerb handelt und der verbliebene Rest sich aus Militärpersonen, Rentiers, Mitglieder des Adels, um Beschäftigte im Staatsdienst oder um mehrfach zuzuordnende Einwohner handelt. Für eine Zuordnung zu einzelnen Gruppen im Zusammenhang mit einer möglichen Nutzung des Personenverkehrs per Eisenbahn sind diese Vorgaben zu vage und für eine Generalisierung nicht hinreichend. Aber es geben die Daten doch einige Hinweise auf potenzielle Benutzergruppen, über mögliche Benutzungsarten und über Größenordnungen, die sich daraus schätzen lassen, um weitere Erkenntnisse über die Reisenden zu ziehen. 5.4 Verhalten der Reisenden während der Fahrt Über das verordnete und das intuitive Verhalten der Reisenden während der Eisenbahnfahrt liegen wenige, uns für diese Untersuchung Erkenntnis gebende Quellen vor. Für das verordnete Verhalten wurden von den Eisenbahnverwaltungen BetriebsReglement Handbücher erstellt. Diese musste der Reisende strikt einhalten, um nicht von der Reise ausgeschlossen zu werden. Über das intuitive Verhalten der Reisenden geben fast ausschließlich Leserbriefe, Korrespondenzberichte und Editorials, aber auch Beschwerden einige Auskunft, die man in den zeitnahen (d. h. seit den 1830er Jahren) Journalen und Eisenbahnzeitschriften, aber auch in den seltenen Broschüren zum Thema finden kann.369 Unter Berücksichtigung der Erfahrungen, die während der Einführungsphase des Eisenbahnbetriebes gemacht wurden, erkannten die Eisenbahngesellschaften, dass es notwendig war, den Reisenden Verhaltensmaßregeln vorzuschreiben, die in BetriebsReglements festgehalten wurden und als öffentlicher Anschlag bekannt gemacht wurden. In Form und im Inhalt glichen sie sich weitgehend bei den einzelnen Gesellschaften und enthielten in einzelnen Paragrafen detaillierte Vorschriften für alle Vorgänge, die während des Betriebsablauf vorkommen konnten und diesen, bei Nichteinhaltung stören oder gefährden konnten. An erster Stelle wurden jedem Benutzer der Einrichtungen der jeweiligen Eisenbahn mitgeteilt, dass er unbedingt an die Regelungen gebunden war. Er 369 Vgl. z.B.: Literarisches Museum - Leipzig (ca. 1880): Lokomotivpfiffe. Eisenbahn-Anekdoten; N.N. (1846): Der furchtsame Eisenbahnreisende; Eisenbahn-Klagen (1839); Die Einrichtung einer IV. Wagenklasse bei dem Personenverkehr auf den Preußischen Eisenbahnen (1861); Ein Wort über die Uebelstände in der Vertheilung der Passagier-Plätze in den Waggons (1861); Beth Muellner: The deviance of respectability. Nineteenth-century transport from a woman’s perspective.; Riedel, Manfred (1961): Vom Biedermeier zum Maschinenzeitalter. 5.4 Verhalten der Reisenden während der Fahrt 177 hatte den Anweisungen, durch eine Uniform und ein Dienstabzeichen ausgezeichneten Gesellschaftsbeamten widerspruchslos zu folgen, da diese die Ordnung und die Sicherheit des Betriebes zu überwachen hatten.370 Sie waren ermächtigt, jeden, der sich nicht in die deren Anweisungen fügten, von der Mit- und Weiterreise auszuschließen. In schweren Fällen waren sie ermächtigt, den Vorfall bei der Polizeibehörde anzuzeigen.371 Die Reisenden wurden einem strengen Reglement des Personenbeförderung unterworfen in dem jede einzelnen Handlung präzise beschrieben wurde. Die Ausgabe der Fahrbilletts erfolgte eine Stunde vor Abgang des ersten Zuges und dann fortlaufend zu jeder Tageszeit. Der Tarife für jede Fahrt wurden öffentlich an den Ausgabestellen angeschlagen. Die Fahrgäste wurden angewiesen, sich vorab zu informieren und das abgezählte Fahrgeld an der Kasse bereitzuhalten, um ein Gedränge zu vermeiden. Zur Bequemlichkeit konnte das Billett auch am Vortag der Reise gelöst werden und das Reisegepäck aufgegeben werden. Das gelöste Billett war nur für die angegebene Fahrt in der gewählten Klasse gültig und eine Rückgabe des Fahrgeldes erfolgte nur in begründeten Sonderfällen. Es folgten Regelungen für den Wechsel einer Wagenklasse vor Antritt der Reise, für die Entrichtung des Fahrpreises für Kinder verschiedenen Alters und für den Transport von Kranken. »Sichtlich Kranke« konnten nur Mit- oder Weiterfahren, wenn sie ein eigenes Coupé lösten. »Trunkene« wurden von der Mit- oder Weiterfahrt ausgeschlossen und wurden ohne Rückzahlung des Fahrgeldes aus dem Wagen verwiesen. Wer zu spät kam, hatte keinen Anspruch auf Erstattung oder den Umtausch des Billetts und musste für die nächste Fahrt ein neues Billett lösen. Für Verspätungen der An- und der Abfahrt des Zuges oder für Zugausfälle übernahm die Gesellschaft keinerlei Verantwortung. Die Plätze in den Wagen mussten nach dem letzten Signal, das fünf Minuten vor der Abfahrt des Zuges ertönte, eingenommen werden und durften während der Fahrt nicht verlassen werden. Auch die Wagentüren der Coupés und der Abteile durften von den Reisenden nicht selbst geöffnet werden, sondern wurden erst nach dem vollständigen Halt des Zuges vom Schaffner geöffnet. Das Tabakrauchen wurde ebenfalls streng reglementiert. Es war nur in der II. und der III. Klasse erlaubt, und in der I. Klasse nur in besonderen, dafür benannten Coupés. Hunde durften in den Personenwagen mitgeführt werden. Weitere Regeln befassten sich mit der Annahme, dem Transport und der Herausgabe des Handgepäcks, mit besonderer Beschreibung der Haftungsbedingungen bei Beschädigung beim Verlust und bei besonderen Inhalten von Gepäckstücken. Diese Regelungen lassen erkennen, dass es den 370 371 Weber, Max Maria von (1854), S. 10-12. Vgl. Betriebs-Reglement für die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn. Vom December 1846 ab giltig (1846); Mathieur, Jean Paul (1842), S. 115f. 178 5 Die Reisenden Eisenbahngesellschaften darum ging, für jedes Vorkommnis im Eisenbahnbetrieb ein entsprechendes Verhalten der Passagiere und eine angemessene Reaktion des Betriebspersonals vorauszusehen und Handlungsanweisungen zu geben.372 Bei der Rheinischen Eisenbahn galten 1842, auf der Strecke von Köln nach Aachen detaillierte Regelungen und Verordnungen für den Eisenbahnbetrieb. Die Reisenden durften die Wartesäle (Versammlungslocale) der Stationshäuser erst eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt des Zuges und nur gegen Vorzeigung des gelösten Fahrscheines (Fahrzettels) betreten. Angezeigt wurde es durch ein erstes Glockenläuten. Ein zweites Glockenzeichen ertönte fünf bis zehn Minuten vor der Abfahrt. Erst dann durften die Reisenden den Bahnsteig betreten. Nach dem dritten Glockenläuten wurden die Wartesäle geschlossen und Nachzügler vom Mitfahren ausgeschlossen. Die Eisenbahnbeamten wiesen nun, unter Kontrolle der Fahrausweise der Reisenden, ihren den Sitzplatz in den entsprechenden Klassen und Wagen zu. Dieser Zuweisung hatten sich die Reisenden widerspruchslos zu fügen. Die Hauptuhren an den Endstationen, oder den größeren Zwischenstationen, zeigten für alle sichtbar die amtliche Uhrzeit, die für alle Fahrpläne maßgebend war. Die Hauptuhren wurden nach den Postuhren in den größeren Orten eingestellt und kontrolliert. An den Zwischenstationen durften die Reisenden die Wagen nicht verlassen, wenn es nicht ihr endgültiges Ziel war. Da die Haltezeiten an den Zwischenstationen sehr kurz waren, mussten die Reisenden pünktlich, nach den ausgehängten Fahrplänen vor Ort sein und sofort beim Halt zusteigen. Anderenfalls verloren sie ihr entschädigungslos das Anrecht auf die bezahlten Fahrt. Der Fahrschein (Fahrzettel) ist das Legitimationsdokument für jede Eisenbahnreise, es wird mehrmals kontrolliert und bei Verlust wird der Fahrpreis keinesfalls erstattet.373 In den Anfangsjahren der Eisenbahn in Deutschland waren die Fahrausweise, die Fahrzettel oder die Passagierzettel, wie sie genannt wurden, den Fahrausweisen der Personenpost sehr ähnlich. So wie viele der Organisationsformen und der Betriebsabläufe ursprünglich den bewährten und vertrauten Abläufen der Personenpost angepasst und erweitert wurden, dauerte es noch einige Zeit, bis sie mit wachsendem Verkehrsaufkommen den wachsenden Passagieraufkommen, den verkürzten Reisezeiten und den verlängerten durchlaufenden Strecken angepasst wurden. Auch war der Zugang zu den 372 373 Vgl. Betriebs-Reglement für die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn. Vom December 1846 ab giltig (1846). Vgl. Mathieur, Jean Paul (1842), S. 115f. 5.5 Verhältnis des Betriebspersonals zum Reisenden 179 Fahrausweisen der Eisenbahn einfacher und bequemer als zu den Zeiten der ausschließlich mit der Personenpost Reisenden.374 Weitere Regelungen befassen ausführlich sich mit der Handhabung der Fahrscheine, die Pflicht, sich damit als berechtigt zur Benutzung der Eisenbahn jederzeit auszuweisen und den Maßregeln, die getroffen wurden, wenn Reisende ohne Fahrschein, mit einem falschen Fahrschein oder mit einem gefälschten Fahrschein im Zug und auf den Stationen angetroffen wurden. Die Annahme des Fahrscheines durch die Eisenbahnbeamten bei Antritt der Reise wurde durch die Entwertung, durch Abtrennung des Coupon als Teil des Fahrscheines, als vollzogen dokumentiert. Der Fahrschein war damit entwertet und nach Erreichung des Reisezieles ungültig. Wenn der Fahrschein vor Antritt der Reise noch nicht entwertet war, so konnte er durch Nachlösung eines Zusatzfahrscheines für die Benutzung einer besseren Wagenklasse benutzt werden, soweit Plätze frei waren.375 Im Folgenden wird die Handhabung des Passagiergepäcks geregelt und es wird wiederholt darauf hingewiesen, das in den meisten Fällen von Beanstandungen an den Zustand des aufgegebenen Gepäcks, für Schäden und für Fehlleitungen und Unpünktlichkeiten des Transport die Eisenbahngesellschaften keinerlei Forderungen zum Ausgleich akzeptieren. Zur Abholung des Gepäcks von den Packwagen der Züge sind nur die amtlich bestellten Gepäckspediteur berechtigt, private Abholer mussten einen eigenen Fahrschein für den Zutritt zur Station lösen. Beschwerden können zwar gemeldet und in den, an den Stationen ausliegenden Beschwerdebüchern, vermerkt werden, aber die Abfahrtzeiten der Züge durften dadurch in keiner Weise verzögert werden.376 5.5 Verhältnis des Betriebspersonals zum Reisenden Die Reglements, die die Eisenbahnen für die Reisenden erlassen hatten, beinhalteten auch das Verhalten der Eisenbahnbeamten gegenüber den Reisenden. Den Beamten wurde es zur »strengsten Pflicht gemacht, neben sorgfältiger Wahrnehmung ihrer Dienstobliegenheiten, Höflichkeit und Zuvorkommenheit in allen Berührungen mit dem Publiko zu bezeigen, […]. Alle ordnungsmäßigen Leistungen für Reisende haben sie unentgeltlich 374 375 376 Vgl. Eiblmeier, Otto (1985), S. 41f. Vgl. Eiblmeier, Otto (1985). S. 117. Vgl. Mathieur, Jean Paul (1842), S. 118f. 180 5 Die Reisenden zu verrichten und für keinerlei Dienstverrichtung eine Vergütung zu fordern.«377 Bei Beschwerden über Betriebsbeamte aber auch über die Gepäckträger und deren teilweise freier Auslegung der geltenden Tarife konnten sich die Kunden der Bahn bei dem jeweiligen Zugführer oder dem Bahnhofsinspektor beschweren. Dieser sollte die Beschwerde in das dort ausliegende Beschwerdebuch mit Namen und Stand des Beschwerdeführers eintragen. Dass diese Regelungen nicht zur Zufriedenheit der Reisenden befolgt wurden, belegten zahlreiche Leserbriefe an die zahlreichen Journale und Zeitungen dieser Zeit, die sich auch mit dem Publikum und dem Betrieb der Eisenbahnen befassten.378 Mit zunehmenden Verkehr häuften sich auch die Beschwerden über das Verhalten des Eisenbahn-Dienstpersonals. Der Reisende fühlte sich gegängelt, der Eisenbahnbeamte handelte jedoch nach seinen Dienstvorschriften, die einen sicheren Verkehrsablauf sicherstellen sollten. Wenn diese beide Interessenlagen aufeinandertrafen, dann entstanden Reibungswiderstände und Verständigungsprobleme. So beschwerte sich ein Reisender in der ersten Ausgabe der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen von 1861 über die Bestechlichkeit der Unterbeamten, bei der Zuweisung von Passagierplätzen in den Coupés der I. und der II. Klasse, auf den Zwischenstationen »sehr vieler deutscher Eisenbahnen«. Er bemängelt »die ungleichmäßige Verteilung der Passagiere in die Coupés erster und noch mehr zweiter Klasse«. Er schließt daraus, aus eigener Beobachtung, dass die Unterbeamten durch bestimmte Reisende durch die Gabe eines Zehngroschenstücks als Trinkgeld dazu veranlasst werden, ein freigehaltenes Coupé zu öffnen und diesem Reisenden zuzuweisen. Weil auch »selbst gewissenhafte Leute, die sonst im Leben die aktive Bestechung für eine Sünde halten, nothgedrungen ihre Zuflucht zur Allmacht des Zehngroschenstücks (suchen), um sich auf Kosten Anderer einen bequemen Platz zu sichern«. Er sieht eine Gefahr in der Verbreitung der Bestechlichkeit in der Beamtenschaft der Eisenbahn. Er schlägt dann auch eine Möglichkeit vor, wie man dieses Problem lösen könnte. Es sollten alle Coupés bei der Ankunft auf der Zwischenstation geöffnet werden, um dem Reisenden die freie Wahl des Einstiegs zu lassen. Er weist darauf hin, dass auf vielen außerdeutschen und auf einigen deutschen Eisenbahnen diese Regelung erfolgreich eingeführt wurde.379 377 378 379 Betriebs-Reglement für die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn. Vom December 1846 ab giltig (1846), S. 4. Vgl. Betriebs-Reglement für die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn. Vom December 1846 ab giltig (1846). Vgl. Eisenbahnbeschwerden: 1. Die Bestechlichkeit der Unterbeamten. (1861). 5.5 Verhältnis des Betriebspersonals zum Reisenden 181 Dieser Beschwerde wurde von der Eisenbahnverwaltung in einer der folgenden Ausgaben der Zeitung nachgegangen und es wurde folgendermaßen argumentiert: Dass es eine gewisse Bestechlichkeit unter den Eisenbahn-Beamten gibt, stellt man nicht in Abrede aber das sei nicht der Grund für die Beobachtung des Reisenden, dass die Coupés ungleichmäßig besetzt werden, sondern es hat seinen Grund darin, » dass die einzelnen Reisenden bei dem massenhaften Verkehr im Interesse exacter Durchführung der Fahrpläne in den verschiedenen Coupées je nach ihren Reisezielen getrennt untergebracht werden müssen«. Die freie Wahl des Coupés wäre nur auf kürzeren Strecken mit nicht allzu hoher Frequenz möglich, aber nicht auf langen Strecken, die bei hoher Frequenz, viele Zwischenstationen und einen lebhaften Passagierwechsel haben. Ein zusätzlicher starker Verkehr zu den angrenzenden Bahnen würde die Übersicht der Eisenbahn-Beamten über den gesamten Verkehr völlig unmöglich machen. Dazu kommt dann noch die begrenzte Zeit für den Bahnhofsaufenthalt, der für den Passagierwechsel knapp bemessen ist. Man würde ein kleines Übel durch ein größeres ersetzen, wenn man die freie Coupéwahl einführte, es würde jede Kontrollmöglichkeit der Billetts erschweren und weitere Bestechlichkeit durch die Benutzung längerer Strecken als auf dem Billett vermerkt, Vorschub leisten. Als eine Möglichkeit der Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes sieht man in der Einführung von beweglichen Stationsschildern, die an der Tür der jeweiligen Coupés angebracht werden und das Reiseziel benennen. Diese Stationsschilder könnten nach Erreichung des Zieles wieder ausgetauscht werden, gegen andere mit der Angabe neuer Zielstationen.380 Die Diskussion wurde in einer der nächsten Ausgaben der Zeitung beendet, indem die Verwendung beweglicher Stationsschilder abgelehnt wird, weil sich diese Lösung in der Praxis als »theils unausführbar, theils erfolglos werde«. Unausführbar, weil ein Schaffner, auch wenn er lange Zeit Erfahrung im Eisenbahnbetrieb hat, in vielen Fällen nicht vorrausehen kann, wie viele Passagier auf den einzelnen Zwischenstationen ein- oder aussteigen werden und er im Übrigen auch nicht die Zeit für diese Beurteilungen hat. Erfolglos, weil die jeweiligen Stationsvorstände nicht die Zeit hätten, die Schilder zu kontrollieren und eine Kontrolle durch die Schaffner, der Zweck der Umstellung, die Kontrolle der Schaffner selbst nicht erfolgen würde. Es ist in den Eisenbahn-Beamten von den Verwaltungen streng untersagt, Trinkgelder anzunehmen. Ein Reisender, der etwas in dieser Art beobachtet, kann sich die Dienstnummer des Beamten notieren und um bei der vorgesetzten Stelle auf den Bahnhöfen Beschwerde einzulegen. Es ist ebenfalls in den 380 Ein Wort über die Uebelstände in der Vertheilung der Passagier-Plätze in den Waggons. (1861). 182 5 Die Reisenden Vorschriften für den Eisenbahnbetrieb festgelegt, dass in unregelmäßigen Abständen, an beliebigen Stationen Billett-Kontrollen durch Oberbeamte erfolgen. Dadurch ist die Gefahr für den bestechlichen Beamten sehr groß, dass seine Verfehlung entdeckt wird und er wird dann zur Verantwortung gezogen und gemaßregelt. Damit wären ausreichende Kontrollen installiert und die Möglichkeit der Bestechlichkeit weitgehend ausgeschlossen.381 5.6 Kommunikation im Eisenbahnabteil In den ersten Jahren des Personenverkehrs per Eisenbahn rekrutierten sich die Fahrgäste fast ausschließlich aus den Reisenden der Personenpost und den Reisenden, die bis dahin mit der eigenen Kutsche auf eine Reise gingen. Eine Reise wurde in den meisten Fällen nur angetreten, wenn ein wichtiger Grund vorlag. Trotzdem die Personenpost zum Ende der 1830er Jahre eine umfassende Entwicklung durchgemacht hatte, die wichtigsten Städte Preußen waren auf gut ausgebauten Chausseen nach festen Fahrplänen zu erreichen, wenn auch das Reisegeld für die Mehrzahl der Bevölkerung nicht zu Verfügung stand. Personen, die eine eigene Kutsche zur Verfügung hatten, konnten die Chausseen ebenfalls benutzen und bei Bedarf die Pferde in einer Poststation ausleihen oder wechseln. Die Reisenden waren zu dieser Zeit, Menschen eines bestimmten Standes, von Adel, Staatsbeamter oder wohlhabende Bürger. Der andere Teil der Bevölkerung reiste zu Fuß oder streckenweise als Beifahrer oder Gruppe auf einfachen Reisewagen von Fuhrleuten. Mit der Einführung der ersten Eisenbahnen änderte sich das Reiseverhalten aller Gesellschaftsschichten des preußischen Staates. Den Kutschenreisenden wurde die Möglichkeit geboten, ihre Kutsche auf einem planen Güterwagen zu verladen und in ihrem eigenen Coupe eine Reise zu unternehmen. Am Zielort standen Pferde zur Verfügung, um auf den eigenen Rädern die Reise fortzusetzen. Die Reisenden, die vorher zu Fuß oder auf Pferdewagen eine Reise unternommen hatten, wurden preisgünstige Wagenklassen angeboten um ihr Reiseverhalten zu ändern. Die vormals mit der Personenpost Reisenden stiegen um in die besser ausgestatteten Wagen der Eisenbahnen. Allen gemeinsam war, das sie durch die höhere Geschwindigkeit und den besseren Komfort der Eisenbahn diese Art zu schätzen wussten und wo schon vorhanden, die Eisenbahn den anderen Verkehrssystemen vorzogen. Die Folge davon, dass die Eisenbahn Reisende aus den verschie381 Noch ein Wort über die Uebelstände in der Vertheilung der Passagier-Plätze in den Waggons. (1861). 5.7 Kommunikation innerhalb der Züge 183 densten Gesellschaftsschichten in der Eisenbahn zusammengeführt hatte, war eine grundlegende Änderung des Kommunikationsverhaltens, das vor der Eisenbahnzeit in dieser Form nicht üblich war. Kaufleute, Adel Militär und höhere Beamte trafen in den oberen Klassen der Wagen zusammen. Kaufleute, Bürger und niedere Beamte in den mittleren Klassen und Reisende der mittleren Klassen bei kurzen Reisen mit den Handwerkern und der Landbevölkerung in der billigsten Klasse, welche die Dritte oder die Vierte sein konnte. Darüber hinaus reisten einzelne Damen in besonderen Abteilen. Für Raucher und Nichtraucher wurden besondere Regelungen getroffen. Diese Gemeinsamkeiten entwickelten sich erst im Laufe der ersten Jahre noch zögernd, sie führten jedoch im Laufe der Jahre zu einer Demokratisierung der Eisenbahn382 über die innere Kommunikation in den Abteilen. 5.7 Kommunikation innerhalb der Züge Eine andere Art der Kommunikation war wesentlich von der Bauart der Personenwagen und der Zugzusammenstellung geprägt.383 Kommunikation als Gespräch zwischen den Bahnbeamten und den Reisenden einerseits und den Reisenden untereinander, außerhalb der ihnen zugewiesenen Abteile. Kommunikation heißt auch, die Erreichbarkeit von Einrichtungen, die für den Komfort der Reisenden in den Zügen eingerichtet waren. Dazu gehörten die sanitären Einrichtungen, wie eine Retirade oder ein Wasserclosetkabinett, eventuell auch mit zusätzlicher Waschgelegenheit. Darüber hinaus konnten auch Einrichtungen zur Verteilung und Verkauf von Erfrischungen bis zur Einnahme ganzer Mahlzeiten vorgesehen werden. Die meisten Einrichtungen dieser Art waren in den Personenzügen der ersten Jahre noch nicht vorhanden. Erreichbarkeit der schon vorhandenen Einrichtungen in einem fahrenden Zug war auch ein Sicherheitsthema. Begrenzte Möglichkeiten hatte das Zugpersonal, während der Fahrt den Wagen zuwechseln. Dem Reisenden standen diese Möglichkeiten nur beim Halt auf den Stationen zur Verfügung. 382 D.h.: Im Sinne einer Kommunikationsmöglichkeit über Standesgrenzen, besonders in der mittleren, der III. Klasse, als Kompromiss zwischen Zeitgewinn und Kosten. 383 Vgl. Bayer, Rolf (1989): Die Wagen¸Birk, A. (1904/1920): Eisenbahnwagen; Heusinger von Waldegg, Edmund (1863): Heusinger von Waldegg, Edmund (Hg.) (1869), S.265-301; Lechatelier (1853): Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen Eisenbahnen bis zum Jahre 1851, S. 110-116.; Rossberg, Ralf Roman (Hg.) (1988); Weber, Max Maria von (1857), S. 159-177. 184 5 Die Reisenden Kommunikation heißt nach dem Sprachgebrauch im 19. Jahrhundert, nicht nur die Gesprächsmöglichkeit der Reisenden untereinander und mit dem Betriebspersonal der Eisenbahn oder auch die Schaffung einer räumlichen Verbindung oder Erreichbarkeit eines anderen Ortes ohne Hindernisse. Die erste Bedeutung der Kommunikation betrifft das Gespräch der Reisenden untereinander im Eisenbahnabteil, die zweite Bedeutung des Wortes betrifft technische Einrichtungen, die die Erreichbarkeit der eisenbahntypischen Räume ermöglicht. Schon bei der Erreichbarkeit der einzelnen Abteile untereinander, was für das Eisenbahnpersonal aus betriebstechnischen und Sicherheitsgründen erwünscht war, gab es anfangs Probleme. Die Coupés der ersten Klasse waren abgeschlossene Räume, deren Türen, wie bei einer Kutsche nur nach außen geöffnet werden konnten. Auf Anweisung der Eisenbahngesellschaften konnten sie nur vom Eisenbahnpersonal während des Haltes auf einer Station bedient werden. Das warf Probleme und Gefahren auf, wie die Unerreichbarkeit des Wagens mit den sanitären Einrichtungen, die anfangs im Postwagen installiert waren. Das Gefühl der Unsicherheit entwickelte sich bei den Reisenden, wenn unbekannte Mitreisende zustiegen, denen man im Gefahren- oder Bedrohungsfalle während der Fahrt nicht entkommen konnte. Über derartige Situationen wurde mehrmals in einigen Journalen berichtet. Für das Zugpersonal bestand nur die Möglichkeit, für eine Hilfeleistung den gefährlichen Gang auf einem Trittbrett, außerhalb des Wagens zu benutzen. Ein Vorteil war es jedoch, dass der Reisende in der ersten Klasse oft über längere Strecken allein oder mit bekannten Mitreisenden das Abteil belegte. Die Reisenden in der II. Klasse und der III. Klasse wurden mit anderen Problemen konfrontiert. Die Abteile waren größer und damit in einem Sinne sicherer, aber man müsste mit „unangenehmen“ Mitreisenden rechnen, die aber nur über kürzere Strecken zu ertragen waren. In der IV. Klasse stellten sich die Probleme dieser Art nicht, in einem Großraumabteil dieser Klasse, die einen ganzen Wagen oder einen Großteil davon umfasste, saß man ohnehin auf seinem eigenen Gepäck, mehr oder weniger abgeschottet oder man musste sich mit einer großen Reisengruppe arrangieren oder diese ignorieren. Alle diese Probleme waren der Grund für die Weiterentwicklung der Personenwagen zur Überwindung aller dieser Probleme. Dafür wurden z. B. die Wagen mit einem durchgehenden Gang an einer Seite der Abteile versehen, achträdrige Wagen eingeführt, die einen inneren Mittelgang hatten, aber auch wesentlich teurer waren oder Verbindungen der Abteile untereinander vorgesehen. Die Amerikaner384 gingen dabei pragmatischer vor, 384 Vgl. Zimpel, Charles Franz (1840), S. 221-238- 5.7 Kommunikation innerhalb der Züge 185 sie fuhren „Klassenlos“ in großen Wagen, meist über lange Strecken.385 Die weitere Entwicklung brachte auch in Europa Wagen mit deutlich besseren Komfort und Service. Zur Sicherung des ganzen Zuges war es notwendig, dass sich das Personal des Zuges jederzeit mit dem Lokomotivführer verständigen konnte, um Hilfsdienste einzuleiten, wenn diese bei einem Unfall notwendig wurden. Es war andererseits auch wünschenswert, dass die Passagiere nicht kommutativ vollständig vom Personal des Zuges getrennt waren, um auch im Notfalle Hilfe herbeizurufen. Die Kenntnis über ein ungewöhnliches Vorkommnis kann vom jedem dieser beteiligten Personen ausgehen. Deshalb ist es erforderlich, dass jeder jeden informieren kann. Das machte auf den Wagen der frühen Eisenbahn noch erhebliche Probleme, die durch die Konstruktion der Wagen selbst, durch Wettereinflüsse und durch die starken Geräusche die beim Betrieb und in der Fahrt auftraten, verursacht wurden.386 Alle diese Probleme mussten in den folgenden Jahren gelöst werden. Die Vorschläge, die Heusinger von Waldeck387 in seinen Publikationen zur Verbesserung der Personenwagen machte, flossen in die Konstruktion neuer Wagen ein und führten zu den D-Zug-Wagen, die noch heute dieser Grundkonstruktion entsprechen. Diese sind, ein Seitengang neben einzelnen Abteilen als Verbindung untereinander, eine Standfläche an beiden Kopfseiten der Wagen, um den Übergang zwischen einzelnen Wagen zu ermöglichen und innen an den Kopfseiten der Wagen sanitäre Anlagen, ein Abort mit einer Waschgelegenheit. Die ersten Vorschläge von 1863388 wurden zwar nicht weiter verfolgt, aber nach einer Überarbeitung im Jahre 1870389 wurde sie wesentlich verbessert. Erst vier Jahre später wurde der erste Personenwagen der Bauart Heusinger390 gebaut und damit zum Modell für alle weiteren Entwicklungen der Personenwagen bei der Eisenbahn in Europa. 385 Vgl. Ueber achträderige Eisenbahnwagen (1845b). Vgl. Weber, Max Maria von (1854), S. 165-169. 387 Vgl. Biber (1917): Personenwagen, S. 18-21.; Heusinger von Waldegg, Edmund (1863); Heusinger von Waldegg, Edmund (Hg.) (1869); Heusinger von Waldegg, Edmund (Hg.) (1870). 388 Heusinger von Waldegg, Edmund (1863): Vorschlag zur sichern Communication und Anbringung von Cabinets auf unseren Eisenbahnzügen. 389 Heusinger von Waldegg, Edmund (1870): Technische Notizen. Neues Coupéwagensystem mit Intercommunication. [Korrektur für falsche Angabe in: Biber (1917): Personenwagen, S. 19.] 390 Heusinger von Waldegg, Edmund (1874): [Neuer Personenwagen mit Coupé-Abtheilung und Intercommunikation durch Seitenzugang [Korrektur für falsche Angabe in: Biber (1917): Personenwagen, S. 19.] 386 6 Zusammenfassung 6.1 Ergebnisse der Untersuchung. Das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts war geprägt von einem rasch steigenden Bedarf an Transportkapazität als Folge der Industrialisierung von Gewerbe und Landwirtschaft. Die Landstraßen waren seit dem frühen 19. Jahrhundert zwar durch die französische Besatzung schon verbessert und nach dem Sieg über Napoleon weiter ausgebaut worden. Sie hatten jedoch nicht die Kapazität, den steigenden Bedarf zu befriedigen. Besonders der preußische Staat modernisierte einen großen Teil seiner Straßen zu Chausseen, aber das betraf jedoch nur die besonders frequentierten Verbindungen zwischen wichtigen Städten und für die Erfordernisse der Landesverteidigung. Als Erste profitierte die preußische Post von diesen Verbesserungen. Es wurden Eilposten und Schnellposten für den Personen-, den Brief- und den kleinen Güterverkehr eingerichtet, aber gefragt war eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Güterverkehrs insgesamt, das konnten die Postdienste nicht leisten. Aus dieser Situation heraus stellt sich als Ergebnis dieser Untersuchung, die Eisenbahn als eine Weiterentwicklung und einer Evolution der Personenpost dar. Der Fahrweg wurde durch den Wechsel zu einem Schienensystem und der Antrieb durch den Einsatz der Dampfkraft in ihrer Leistung in hohem Maße gesteigert. Die weitere Entwicklung machte, bedingt durch den Schienenweg, den Aufbau eines Netzsystems erforderlich, das damit die Eisenbahn zu einem völlig neuen Verkehrssystem entwickelte. Der erste Nutznießer dieser Entwicklung war der Personenverkehr, der maßgeblichen Einfluss auf die weitere Etablierung der Eisenbahn hatte und zur Popularisierung des neuen Transportsystems beitrug. Nach wenigen Jahrzehnten musste er die Führungsposition an den Güterverkehr abtreten, durch den die Eisenbahn eine Transportrevolution in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auslöste. Ausgehend von England, wo die Industrialisierung schon mehr als ein halbes Jahrhundert früher eingesetzt hatte als auf dem Kontinent, entwickelte sich ein neues Verkehrssystem, dass die Forderung nach Kapazitätserhöhung leisten konnte. Seit einigen Jahrhunderten schon wurden, anfangs in den Gruben des Elsass, dem Harz, Sachsens und anderen Orten auf dem Kontinent, zur Erhöhung der Tragfähigkeit der kleinen Grubenwagen (Hunde) in den Erzbergwerken, hölzerne Trag- und Spurschienen verlegt. Später, als der deutsche Bergbau durch Ereignisse wie dem Dreißigjährigen Krieg zum 188 6 Zusammenfassung Erliegen kam, wurden deutsche Bergleute nach England geholt und brachten ihr technisches Wissen auf die Insel. Durch den Einsatz der Trag- und Spurschienen erhöhte sich die Tragfähigkeit auf weichem Boden um ein Vielfaches. Die Spurschienen dienten zusätzlich als Führung für die Bewegung in den engen Grubengängen. In englischen Bergwerken wurde zur Wende des 18. zum 19. Jahrhundert der nächste Schritt getan und die Schienenbahn ans Tageslicht geholt. Die Schienen führten nun von den Gruben direkt bis zum nächsten Umschlagplatz an den zahlreich vorhandenen Kanälen. Dort konnte die Last aus den Wagen, auf Kähnen weiter zu ihren Abnehmern befördert werden. Der nächste Schritt war die Erweiterung der Schienenstrecke bis zum Standort des Abnehmers. Damit entfiel der zeitraubende Umschlag zwischen den unterschiedlichen Transportmitteln. Für den Transport über eine längere Schienenstrecke, bei zunehmender Last, wurde nun die Verbesserung der Tragfähigkeit und der Lebensdauer der Transportschienen notwendig. Sie wurden anfangs aus Gusseisen und später aus gewalztem Stahl hergestellt. Der ausschließliche Zweck dieser Eisenbahn, so genannt wegen ihrer Bahn aus Eisen, war der Gütertransport. Das schloss jedoch nicht aus, dass auch inoffiziell, neben dem Zugführer auch einzelne Personen mitgenommen wurden, aber ein Personenverkehr war das noch nicht. Die erste Eisenbahnstrecke dieser Art, die weit über England hinaus bekannt wurde, war die „Kohlenbahn“ Stockton-Darlington. Der Betrieb dieser Eisenbahn und nachfolgender Strecken an anderen Orten des englischen Kohlenreviers wurden noch ausschließlich mit Pferdeantrieb durchgeführt. Ein Transport von Personen erfolgte nur in Ausnahmefällen. Dampfmaschinen waren zu dieser Zeit schon in den Fabriken als Antriebsmaschinen, hauptsächlich in England weit verbreitet. Auf dem Kontinent, in Deutschland, Belgien, Frankreich und in weiteren Staaten begann zu dieser Zeit ebenfalls der praktische Einsatz. Wieder war es ein Engländer, der die Hochdruck-Dampfmaschinen weiterentwickelte zu mobilen Arbeitsmaschinen, die sich auf Eisenbahnen als Antriebsmaschine einsetzen ließen. Es war Robert Stephenson aus Newcastle, der mit seinem Vater George Stephenson die erste Lokomotive dieser Art baute und für die Eisenbahn Stockton-Darlington einsetzte. Mit dem erfolgreichen Einsatz auf dieser Strecke begann ein kontinuierlich wachsender Ausbau des Transportsystems Eisenbahn in England. Ähnliche Versuche wurden in Deutschland und in Österreich ebenfalls durchgeführt, aber nur die Stephensons waren als Erste erfolgreich. Eingesetzt für den Güterverkehr war die Eisenbahn schon eine Verbesserung, aber erst der Personenverkehr sollte für längere Zeit den größten Zuwachs erreichen. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts überstieg die Güterleistung die Leistung des 6.1 Ergebnisse der Untersuchung. 189 Personenverkehrs. Die nächste Strecke, die erste, überwiegend als Personeneisenbahn mit Dampfbetrieb betriebene Strecke, war die „Liverpool-Manchester Railway“, die den Siegeszug der Eisenbahn begründete. Alle Eisenbahnen in England waren auf privatwirtschaftlicher Grundlage initiiert und finanziert. Als die ersten wirtschaftlichen Nachrichten über die Ergebnisse dieser Eisenbahn, mit ihrer sehr hohen Dividende auf die Investitionssumme, den Kontinent erreichten, war das Interesse auch bei den anderen Staaten geweckt. In vielen Staaten und Gemeinden bildeten sich daraufhin Interessengruppen, die Eisenbahnstrecken projektierten und für neu zu gründende Aktiengesellschaften Kapital einsammeln wollten, um diese Projekte durchzuführen. Finanzielle Mittel, die eine Anlage suchten, waren durch aufstrebenden Handel und Gewerbe ausreichend vorhanden, sodass die Pläne auf fruchtbaren Boden fielen. Privates Kapital zeichnete die Aktien, der Staat ließ sich jedoch in Preußen nicht dafür gewinnen. Die Eisenbahnprojekte beruhten auf der Durchführung von Personenverkehr, weil bei den wenigen Strecken, die auch noch weit auseinanderlagen, der Güterverkehr durch häufiges Umladen keinen Vorteil bringen konnte. So entwickelte sich der Eisenbahnverkehr in Preußen und in Belgien, Frankreich und Österreich aus dem Personenverkehr. Der Staat legte bei der Projektierung den größten Wert darauf, dass auch die militärischen Gesichtspunkte dabei berücksichtigt wurden. Die Gesellschaften, die die ersten Eisenbahnen mit Dampfbetrieb auf dem Kontinent in Betrieb nehmen wollten, hatten den großen Vorteil, dass sie nicht mit den Entwicklungsproblemen, die bei neuen Techniken immer auftreten, kämpfen zu kämpfen hatten. Alle Betriebsmittel, einschließlich der Schienen konnten in England eingekauft werden. Die Engländer, hauptsächlich die Stephensons, lieferten die fertigen Lokomotiven in Einzelteilen und montierten sie am Einsatzort. Das Bedienungs- und das Wartungspersonal wurden ebenfalls für die Einführung und den laufenden Betrieb zur Verfügung gestellt. Es blieb dann nur die Entwicklung und die Fertigung der Güter- und der Personenwagen vor Ort. Diese konnten die deutschen Werke mit ihrer Erfahrung in der Herstellung von Packwagen und Postkutschen selbst produzieren. Bei den ersten Strecken, die nach der Projektierung auch ausgeführt und in Betrieb genommen wurden, wurde beim Betriebsablauf, bei der Gestaltung der Betriebsabläufe und bei der Gestaltung der Tarife auf die Erfahrungen der Post mit ihrer Personenpost zurückgegriffen. Die Post war auch von Anfang an, durch den Einsatz von Postwagen, teilweise sogar mit mobilen Postämtern auf der Eisenbahn, an der Entwicklung beteiligt. Eine Einrichtung der Personenpost, die Einteilung der Personenwagen in Komfortklassen 190 6 Zusammenfassung wurde auch von der Eisenbahn übernommen. Dafür wurden Personenwagen der I., der II. und der III. Klasse eingeführt. Teilweise wurde auch Wagen der IV. Klasse angeboten, die jedoch keinerlei Komfort boten und weitgehend nur offenen Güterwagen mit Stehplätzen entsprachen. Diese Wagenklasse wurde deshalb auch überwiegend für den Kurzstreckentransport der Arbeiter vom Wohn- zum Arbeitsort genutzt. Dafür wurde eine geringe Fahrtaxe verlangt. Die Wagen der komfortableren Klassen wurden für längere Reisen als Ersatz oder in den Anfangsjahren gemeinsam mit der Eilpost im Wechsel genutzt. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Attraktivität der Eisenbahn für Reisende durch den Komfort und die Sicherheit erheblich gesteigert wurde, als wesentlich wird heute angesehen, dass der Zeitgewinn, der durch die Geschwindigkeit der Eisenbahn möglich war und die Reisezeiten wesentlich verkürzte der größte gewinn war. Bei der Gestaltung der Tarife wurde anfangs von den Tarifen der Personenpost als Referenz ausgegangen. Durch die Einführung von Klassen mit geringem Komfort, meist für kürzere Strecken, wurden weitere Bevölkerungskreise angesprochen, mit denen zunehmend die Benutzerzahl vergrößern werden konnte. Der Treiber der Entwicklung war in den Anfangsjahren der Personenverkehr, der aber nach den ersten zwei Jahrzehnten durch der Güterverkehr überflügelt wurde und den Betrieb der Eisenbahnen wirtschaftliche und ertragreicher werden ließ. Diese Entwicklung brachte erst den Erfolg, der schon in den frühen Jahren erhofft wurde, sich aber lange nicht einstellen wollte. Der steigende Verkehr und die wachsende Zahl der Reisenden war dann die Veranlassung, auch die Technik weiter zu entwickeln und den Wünschen der Reisenden nach Komfort, Sicherheit und Zuverlässigkeit nachzukommen. Damit waren dem Siegeszug der Eisenbahn keine Grenzen mehr gesetzt und sie steigerten den Umfang ihres Angebots bis in das 20. Jahrhundert hinein. Bei der Entwicklung des Personenverkehrs mit der Eisenbahn zeigte sich von den Anfängen an, schon mit den ersten Strecken, dass der Reisende mit seinem Reiseverhalten, seinen Erwartungen und seiner Auswahl aus dem Angebot, einen wesentlichen Einfluss auf die weitere Gestaltung des entstehenden Verkehrssystems ausübte. Die Eisenbahngesellschaften hatten anfangs, mit der Erwartung eines überwiegenden Gütertransports ihre Betriebsmittel auf diesen Bedarf ausgerichtet. Da sich diese Erwartungen noch nicht erfüllten, weil die Voraussetzung für wirtschaftlichen Betrieb, ein geschlossenes Netz über 6.1 Ergebnisse der Untersuchung. 191 lange Strecken ohne Umladung der Güter war, sollte mit einem erhöhten Personenverkehr die Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Durch einfach auszuführenden Einrichtungen, die noch stark an der Technik der Postkutschen und der Straßen-Reisewagen ausgerichtet waren sollte kurzfristig die Möglichkeit zum Personentransport geschaffen werden. Um eine breitere Bevölkerungsgruppe anzusprechen, wurden Komfortklassen eingeführt, die in ihrer Ausstattung, den vermuteten Bedürfnissen der erwarteten Reisenden entsprechen sollten Die Klasseneinteilung spiegelte dabei auch die vorhandene Bevölkerungsstruktur wieder. Die Reisenden waren aber nicht bereit, das Angebot in der ursprünglichen Form kritiklos anzunehmen. Die weitere Entwicklung lasst erkennen, dass die Eisenbahngesellschaften bestrebt waren ihr Angebot an den Bedarf, den Wünschen und den Mobilitätsvorstellungen der Reisenden anzupassen. Das begann bei der inneren und der äußeren Gestaltung der Wagenklassen, bei der Einrichtung von Komforteinrichtungen, wie Wasch- und Toilettenräumen, und einer Heizeinrichtung für die Wintermonate bis zu den gestaffelten Tarifen für das Personengeld. Das Streckennetz wurde erweitert und wo es nicht wirtschaftlich zu betreiben war, übernahm der Staat die Durchführung, wenn es zur Belebung von abgelegenen, dünner besiedelten Landesteilen notwendig war. So entstand ein Verkehrssystem, dass einem großen Teil der Bahnbenutzer entsprechen konnte. Ob der Zeitgewinn, d. h. die Geschwindigkeit der Eisenbahnreise eine so bedeutende Rolle in der Wahl der Eisenbahn als Verkehrssystem in den Anfangsjahren spielte, wie es heute immer wieder herausgestellt wird, mag aus heutiger Sicht vermutet werden, es läßt sich aus den zeitgenössischen Berichten jedoch nicht eindeutig bestätigen. Festgestellt werden kann jedoch, das der Reisebedarf aus den verschiedensten Gründen durch die Industrialisierung und die sich verändernde Einkommensstruktur einen starken Anstieg erfuhr. Die Anpassung der Tarife mit Sonderkonditionen und Angebote auch an einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen beförderten diese, sich dann beschleunigende Entwicklung. Es zeigte sich, dass die Technik sich nicht der Bevölkerungsentwicklung vorausging, sondern das der Mensch die Entwicklung der Technik beeinflusste und deren Triebkraft war. Mit der Erweiterung und der fortschreitenden Vernetzung der Strecken übernahm dann wieder der Güterverkehr die Führungsrolle in der Erwirtschaftung der Betriebskosten und des Betriebsgewinns. 192 6 Zusammenfassung 6.2 Entwicklung der Eisenbahn bis in die 1880er Jahre. Die folgenden Tabellen sollen die Entwicklung des Personenverkehrs bei der Eisenbahn für die Jahre zeigen, die dem Zeitraum der vorliegenden Untersuchung nachfolgen. Die statistischen Daten zeigen, dass nach den frühen Jahren der Eisenbahn eine, zwar nicht kontinuierliche, aber eine zunehmend wachsende Entwicklung einsetzte. Die Berichtszeit endet mit den 1880er Jahren, in denen die Eisenbahnen Preußens und des übrigen Deutschland in die Reichsbahn mit zentraler Verwaltung überführt und konsolidiert wurden. Die Weiterentwicklung der Personeneisenbahn erfolgte mit der Verlängerung der Strecken, der Bildung von Verkehrsnetzen über ganz Europa, in der Verbesserung von Komfort in den Wagen und auf den Stationen, bei der Geschwindigkeit und der Zuverlässigkeit. Die erste Hälfte des Untersuchungszeitraumes dieser Arbeit, von 1838 bis 1848 bis zur Revolution, war die Zeit der Etablierung der Eisenbahn als Verkehrsmittel. Neben der sich ebenfalls wesentlich verbessernden Personenpost, auf wesentlich verbesserten Straßen, wurden die ersten, noch unverbundenen Strecken, in Betrieb genommen. Die zweite Hälfte nach der Revolution von 1848/49 führt nach einer kurzen Rezession im Jahre 1857, zu dem stetigen Aufbau der Eisenbahn, wobei der Güterverkehr kontinuierlich aufholte und den Personenverkehr mittelfristig überholte. Das lag an der Komplettierung der Einzelstrecken zu Verkehrsnetzen, die die Umladung der Güter nicht mehr erforderlich machte. In dieser Zeit entwickelt sich auch die Personenpost stark weiter, sie wird dann jedoch in die kurzen Strecken, als Zubringer für die Eisenbahn verdrängt. Der Personenverkehr in den Städten wir noch über lange Jahre bis zum Ende des Jahrhunderts vom Pferdebetrieb, als Pferdestraßenbahn und von individuellen Pferdewagen und Kutschen geprägt. Der Durchbruch zum „demokratischen Verkehrssystem“ für alle Klassen und Stände begann erst weit nach den Anfangsjahren, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, nach 1860. Welche Ergebnisse wurden bis 1860 erreicht und wie entwickelte sich die Eisenbahn in den Folgejahren weiter? Dazu sollen hier noch einige Ergebnisse gezeigt werden. In die Auflistung der Personenfrequenzen der einzelnen Perioden in Tabelle 12 gehen die Schwankungen ein, die sich aus den politischen und den wirtschaftlichen Ereignissen und Veränderungen auf den Personenverkehr ausgewirkt hatten. Hierzu gehörte der Krieg mit Dänemark von 1864, der jedoch auch nur eine überwiegend lokale Bedeutung hatte und deshalb auch den Personenverkehr nicht wesentlich beeinflusste. Danach stieg der Personenverkehr auf eine Höhe, die bis dahin in Preußen noch nie erreicht worden war. Im 6.2 Entwicklung der Eisenbahn bis in die 1880er Jahre. 193 Jahre 1866 fiel die Frequenz noch einmal wesentlich ab, um nach dem beendeten Krieg mit Österreich wieder fast den vorherigen Stand zu erreichen. Ein Rückgang im Jahre 1868 ist hauptsächlich in statistischen Ursachen begründet, weil in diesem Jahre u. a. erstmals die Folgen der Gebietserweiterung für Preußen, nach dem gewonnenen Krieg, in die Ergebnisse einflossen. Im Jahre des Krieges mit Frankreich 1870 fiel die Frequenz wieder erheblich, um nach dem erfolgreich verlaufenen Krieg, der durch Reparationszahlungen an Preußen und damit begründeten Wirtschaftswachstums einen unnatürlich hohen Sprung auch im Personenverkehr brachte. Der wirtschaftliche Boom dieser Jahre hatte keine lange Dauer. Er führte durch eine industrielle Überproduktion zu einer ersten Rezession. Er fiel in den Folgejahren wieder auf einen normalen Wachstumswert zurück, um danach wieder leicht zu steigen. Zur Erhöhung der Frequenzen im Personenverkehr führten auch die verschiedenen Maßnahmen der Reichsbahn nach 1876, der Ausbau des Bahnnetzes und Tarifverbesserungen wie die Einführung von Retour-, Saison- und Rundreisebilletts sowie weitere Verbesserungen und Anreize.391 Die weitere Entwicklung des Personenverkehrs auf den preußischen Eisenbahnen nach den ersten 25 Jahren der Einführung der Eisenbahn, des Aufbaus einzelner, noch unzusammenhängender Strecken, bis zur Bildung von Streckennetzen, wird hier zusammengefasst und bis 1880 tabellarisch dargestellt. Als Vergleichsgröße wird die spezifische Personenfrequenz eingesetzt. Dieser Wert wird berechnet als »der Quotient aus der Summe der während eines Jahres gefahrenen Personen-Kilometer und der mittleren Jahresbetriebslänge der infrage kommenden Bahnen: also die Leistung für das Kilometer Bahn. Diese spezifische Personenfrequenz soll in Verbindung mit der sich daraus ergebenden Durchschnittseinnahme – d. i. die Einnahme für das Kilometer Bahn aus dem Personenverkehr – behandelt werden.«392 Die Tabelle 12 zeigt jedoch auch durch die Periodisierung in 5Jahresschritten einen kontinuierlichen Anstieg der Verkehrsleistung in den ersten vier Perioden bis 1875, danach fällt der Wert wieder etwas ab, was eine Folge der Gründung und der Konsolidierung der Deutschen Reichsbahn war (siehe oben). Die folgenden Tabellen schlüsseln diese Werte in Bezug auf die Klassenbenutzung in den einzelnen Perioden noch einmal auf. Periodisiert, 5 Vier-Jahresschritte ... die Frequenz der Perioden (im Verhältnis zur I. Periode) 391 392 Vgl. Lohauss, Ludwig (1884), S. 2f. Lohauss, Ludwig (1884), S. 1. 194 6 Zusammenfassung I. Periode II. Periode III. Periode VI. Periode V. Periode 1856 - 1860 1861 - 1865 1866 - 1870 1871 - 1875 1876 - 1880 155.075 181.132 195.240 233.202 200.039 1,00 1,17 1,26 1,50 1,29 Tabelle 12: Die spez. Personenfrequenz der I. Periode zu den folgenden Perioden Quelle: Lohauss, Ludwig (1884). Dieser Effekt zeigt sich auch in der Tabelle 13, in der die erreichte Leistung den einzelnen Wagen-Klassen gegenübergestellt wurde. Darüber hinaus ist aus dieser Tabelle der Einfluss der fortgesetzten Einführung der IV. Klasse bei allen Eisenbahngesellschaften zu erkennen. Die Ausdehnung der IV. Klasse ist in der Tabelle 14 zusammengefasst worden, um auf die kontinuierliche Einführung hinzuweisen. … die Frequenz der einzelnen Klassen in den Perioden. I. Periode II. Periode III. Periode VI. Periode V. Periode I. Klasse II. Klasse III. Klasse IV. Klasse 5.160 45.091 76.810 28.014 6.182 45.247 80.491 49.212 5.974 44.879 84.349 60.038 7.569 51.105 101.113 73.415 5.527 39.063 88.834 67.215 Tabelle 13: Die spez. Personenfrequenz der einzelnen Klassen Quelle: Lohauss, Ludwig (1884). "... dabei ist zu beachten, dass die IV.Klasse bedeutend ausgedehnt wurde." Im Jahre im Jahre im Jahre im Jahre im Jahre im Jahre 1856 1860 1865 1870 1875 1880 hatten hatten hatten hatten hatten hatten 44 % 59 % 85 % 87 % 96 % 97 % … aller Eisenbahnen Personenwagen der IV. Klasse in Betrieb. Tabelle 14: Die Einführung der IV. Klasse bei den preußischen Eisenbahnen Quelle: Lohauss, Ludwig (1884). 6.3 Wandel in der Funktion der Reise 195 Eine weitere Verdeutlichung der Präferenz der IV. Klasse durch den Reisenden zeigt die Tabelle 15. Das Verhältnis der Frequenz der anderen Klassen zur I. Klasse in allen Perioden zeigt, das das Verhältnis der IV. Klasse zur I. Klasse 0,8 bis 2 mal die anderen einzelnen Klassen erreicht. Das ist eine klare Bevorzugung gegenüber den übrigen Klasse. Die Gründe dafür sind an erster Stelle die niedrigeren Reisekosten und der Umstand, dass diese Klasse meist für kurze Strecken gewählt wird, bei der der geringere Komfort akzeptiert wurde. ... die Frequenz der Klassen im Verhältnis zur I. Periode I. Periode II. Periode III. Periode IV. Periode V. Periode I. Klasse 1,00 1,20 1,16 1,47 1,07 II. Klasse 1,00 1,00 0,99 1,18 0,87 III. Klasse 1,00 1,05 1,10 1,32 1,16 IV. Klasse 1,00 1,76 2,14 2,62 2,40 Tabelle 15: Die spez. Personenfrequenz im Verhältnis zur I. Klasse Quelle: Lohauss, Ludwig (1884). Mit der Verwendung der Eisenbahn für das Militär stieg auch der Bedarf an Transportleistung. Die Beförderung von Militärpersonen wurde organisatorisch und verkehrstechnisch nicht dem Personenverkehr, sondern dem Güterverkehr zugerechnet. Die niederen Ränge des Militärs wurden in Güterwagen, ohne zusätzliche Sitzmöglichkeiten transportiert und verrechnungsmäßig, wie militärische Betriebsmittel nach Menge und Gewicht berechnet. Die höheren Ränge benutzten den normalen Personenverkehr in den verschiedenen Klassen und wurden von der Größenordnung her nicht als zusätzliche Belastung oder Erhöhung des Personenverkehrs angesehen. 6.3 Wandel in der Funktion der Reise Mit der Einführung der Eisenbahn und der Ausweitung des Personenverkehrs, mit dem Ausbau des Streckennetzes und der Einführung von Tarifen, die für weitere Kreise der Bevölkerung tragbar waren, steigerte sich auch das Interesse an der Benutzung dieses 196 6 Zusammenfassung neuen Verkehrssystems. Reisen, die früher nur angetreten wurden, wenn es einen sehr wichtigen Grund dazugab, traten nun in den Bereich der Möglichkeit für wesentlich weniger wichtige Angelegenheiten. Besuche bei Verwandten im persönlichen Bereich und Reisen aus wirtschaftlichen Gründen, um Handel zu treiben, waren nun möglich und wurden auch zunehmend angetreten. Sogar „Lustreisen“, wie touristische Reisevorhaben genannt wurden waren möglich. Dabei erweiterte sich die Gruppe der Reisenden, zu denen früher fast ausschließlich das Bildungsbürgertum und der Adel gerechnet wurden um eine weitere Kategorie. Auch der Handwerksgeselle, der einst seine Wanderschaft zu Fuß vornahm, benutzte nun auch für einzelne Strecken die Eisenbahn. Für jeden stand je nach finanziellen Möglichkeiten und Komfortbedarf eine Klasse und ein Tarif der Eisenbahn zur Verfügung, um seine Reisewünsche zu realisieren. Die Reisen hatten dabei eine breite Streubreite in der Frequenz und der Länge der Reise. Der landwirtschaftliche Produzent fuhr regelmäßig eine kürzere Strecke von seinem Dorf in die nächste Stadt, wobei dabei noch ein längerer Fußweg zur nächsten Eisenbahnstrecke und deren Haltepunkt erforderlich werden konnten. Eine Zusammenkunft von Verwandten zu einem Familientreffen aus einem traurigen und weniger traurigen Grund konnte einmalig auch über ein größere Entfernung organisiert werden. Der „Bildungsbürger“ konnte seiner Neugier oder seinem Erkenntnisdrang folgend, entfernte Landschaften und Städte besuchen. Der junge Adelige konnte seine „Kavalierstour“ mit der Eisenbahn absolvieren. Mit den Möglichkeiten stieg andererseits auch der Bedarf am Reisen und kam damit der Eisenbahn entgegen, die sich mit dem steigenden Bedarf weiter ausdehnen konnte und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert zum dominierenden Verkehrssystem wurde. 6.4 Politische Veränderungen durch Reiseerfahrungen Über den Einfluss der Eisenbahn auf die Vorgänge während der Revolution von 1848/49 sind verschiedene Untersuchungen angestellt worden. Ohne Zweifel erschlossen sich durch die Eisenbahn neue Möglichkeiten zur Teilnahme und zur Beeinflussung der Abläufe der Revolution. Wie sie genutzt wurden und welche Auswirkungen sie hatten, ist im Rückblick schwierig zu bewerten. Verkehrsmittel gab es in der Formen der Personenpost und des privaten Fuhrbetriebs ausreichend, auf immer besser werdenden Verkehrswegen, da war die Eisenbahn nur eine zusätzliche Erweiterung der Möglichkeiten, die aber andererseits noch nicht ausreichend zur Verfügung stand. Andererseits war es der Obrigkeit in der Form der Polizei möglich, Straßen zu überwachen und den Reiseverkehr zu reglementieren 6.5 Langfristige Folgen für Politik und Gesellschaft 197 und auch ganz zu unterbinden. Hier bot sich mit der Eisenbahn die Möglichkeit, die auch stark genutzt wurde, eine umfassendere Überwachung und Reglementierung zu praktizieren. Einen wesentlich größeren Einfluss auf die Politik gewann die Eisenbahn, nachdem die militärischen Organisatoren die Eisenbahn als strategische Mittel zur Kriegsführung erkannten und ausbauten. Nachdem die ersten Bedenken ausgeräumt waren, die vom Militär vorgebracht wurden, wie die Möglichkeit des Gegners, nach der Eroberung eines gegnerischen Landesteils dessen Eisenbahn ebenfalls zu benutzen, wie auch die im Vergleich zur Eisenbahn überkommenen Vorstellungen eines Vorteils beim Straßentransport, wurde die Eisenbahn in vollem Umfang in Strategie und Taktik des Militärs integriert. Zu einem größeren Einsatz und zur größeren Wirkung kam die Eisenbahn bei den Einigungskriegen der 1860er und 1870er Jahre. Aus den, durch die neuen Möglichkeiten, und deren volle Nutzung erzielten Erfolge, zog man die Erkenntnis, dass ohne die Nutzung der Eisenbahn die Deutsche Reichsgründung nicht möglich gewesen wäre. 6.5 Langfristige Folgen für Politik und Gesellschaft Der Wandel, der durch die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs zunehmend beschleunigt erfolgte, veränderte wesentlich und nachhaltig die Menschen Preußens und auch der übrigen Länder Europas in gleichem Maße. Wenn es noch zum Beginn des 19. Jahrhundert in der Bevölkerung einen kleinen Teil gab, den man als Reisenden bezeichnen konnte, wobei auch das keine permanente, sondern nur eine temporäre Zuordnung betraf, so erfolgte mit der Erweiterung des Eisenbahnverkehr zum Verkehr in Streckennetzen eine Verschiebung im Verhalten, das den größten Teil der Bevölkerung zum Reisenden machte. Wobei natürlich Reisende im lokalen Verkehr, auf Kurz- und auf Fernreisen darin zusammengefasst gesehen werden. Dieser Wandel veränderte und formte die ganze Gesellschaft. Reisen wurden nicht nur bei unaufschiebbaren Ereignissen, bei seltenen familiären Zusammentreffen oder bei dienstlichen Aufgaben oder auch wenn man so will bei kriegerischen Auseinandersetzungen oder bei der Flucht vor diesen unternommen wurden, so konnten sich eine Reise mit der Eisenbahn immer größere Teile der Bevölkerung finanziell ermöglichen, sodass auch Reisen zum reinen Vergnügen oder zur gesundheitlichen Wiederherstellung unternommen werden konnten. Das Verhalten und die Gewohnheiten der gesamten Bevölkerung in den besser entwickelten Ländern veränderten sich. Nun war es auch für einige Schichten der Gesellschaft möglich, an einem anderen Ort 198 6 Zusammenfassung zu wohnen, als es der Arbeitsort war. Die beschleunigte Industrialisierung erforderte den Aufbau von Fabriken und dafür wurde eine große Zahl von Arbeitskräften benötigt, die nicht am Ort der Produktion wohnten. Das wiederum förderte den Neubau von Eisenbahnstrecken und die Erweiterung der Netze. Alle diese Entwicklungen begannen schon im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts und beschleunigten sich nach dem Zeitraum dieser Untersuchung, im letzten Drittel des Jahrhunderts mit wachsender Beschleunigung. Die Jahre, in denen die Eisenbahn eingeführt wurde und sich entwickelt, sind auch im politischen Sinne eine Zeit des Umbruchs. Diese Umbrüche sind die Folge oder die Ursache auch für eine gesteigerte Mobilität eines immer größer werdenden Teils der preußischen Gesellschaft. Durch die beschleunigte Industrialisierung bestand ein gesteigerter Personalbedarf, der meist nicht am Ort der Fabriken gedeckt werden konnte. Aus dem ursprünglich und auch über die Folgejahre noch überwiegend landwirtschaftlich geprägten Land entwickeln sich aus der noch vorherrschenden Textilproduktion, neue Manufakturen und Fabriken. Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft durch Umstrukturierung, nach der Aufhebung der Leibeigenschaft entlassen wurden und aus dem Handwerk nach der Auflösung des Zunftzwanges frei wurden, suchten eine neue Grundlage für die Sicherung ihres Lebensunterhalts. Dadurch stieg der Bedarf an Transport- und Verkehrsmittel, um weite Strecken einmalig oder regelmäßig zurückzulegen. Der Ausbau der Chausseen bringt eine Verbesserung, ist jedoch noch nicht massentauglich und oftmals für die einfachen Leute unerschwinglich. In dieser Situation wird die Eisenbahn eingeführt und ausgebaut. Man kann das erkennen an den ersten Entwicklungen zum Eisenbahnverkehr. Ursprünglich in der Absicht geplant, den Güterverkehr zu verbessern, zeigt sich sehr schnell, dass in der ersten Zeit der Personenverkehr überwiegt und auf einen latenten Bedarf trifft. Er wird noch einige Jahre die Hauptverkehrsart bleiben, bis der Güterverkehr durch die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und des Netzausbaus diese Führungsrolle für die Folgerzeit übernimmt. Der Ausbau der Eisenbahn benötigt Arbeiter und Schienen zum Aufbau der Strecken, danach Betriebsmittel wie Wagen und Betriebseinrichtungen wie Hochbauten und Betriebseinrichtungen. Das bedingt wiederum den Aufbau von Kapazitäten zur Produktion von Maschinen und Anlagen, die Rohmaterialien benötigen, um zu produzieren. Der Transport der Rohstoffe wie Eisen und Kohle vergrößert den Bedarf an Transportkapazität für Rohstoffe und für Arbeitskräfte. Diese Abhängigkeiten haben eine selbstlaufende Entwicklung zur Folge, die sich fortlaufend beschleunigt. 6.5 Langfristige Folgen für Politik und Gesellschaft 199 Die wirtschaftlichen Entwicklungen beeinflussten wechselseitig die demografische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung Preußens. Der Untersuchungszeitraum, d. h. die beiden Abschnitte von 1835 bis 1849 und 1850 bis 1860 umfassen Zeiten der Unsicherheit, des Umbruchs und auch den Beginn positiver Entwicklungen. Diese Zeiten sind, in ihrer relativen Kürze und der Ballung von verschiedenen grundlegenden Ereignissen, von beginnenden Entwicklungen gekennzeichnet. Es waren Ansätze, bei denen noch nicht zu erkennen war, wo sie in den nächsten Jahren hinführen würden oder ergebnislos abbrechen würden. Die Industrialisierung begann die Gesellschaftsstruktur zu verändern, die privilegierten Stände befanden sich in der Auflösung und ein gewerblich tätiges Bürgertum befand sich in der Entstehung. Bedeutung nach Herkunft verlor seine Grundlage und Bedeutung nach wirtschaftlicher Potenz gewann an Einfluss. Der Zollverein beschäftigte die gewerblich Tätigen, dessen Erfolg war jedoch abhängig von der Entwicklung eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes. Anfänge waren der Ausbau von Kanälen und die Verbesserung der Straßenverbindungen durch einen forcierten Chausseebau. In dieser Situation kam der Eisenbahnbau gerade zur rechten Zeit. Er vereinte die Vorteile für den Transport von Massengütern wie Rohstoffe der Kanäle und überbot die Leistung des Straßentransport durch höhere Geschwindigkeit und die Verfügbarkeit eines geregelten Personenverkehrs. Die Entwicklungen kamen in diesem Zeitabschnitt nicht zur vollen Wirkung, alle Verkehrsangebote entwickelten sich gemeinsam weiter, nur der Eisenbahnbau und damit der Personenverkehr in höherem Maße. Durch den Bau der Eisenbahnen veränderten sich auch der Kapitalmarkt und die Gewerbestruktur. Freies Kapital aus den bestehenden Gewerben fanden ihre Anlage im Eisenbahnbau und führten zur Bildung und Ausweitung eines Industrie- und Handelsbürgertum, dass seine Interessen mit den Interessen des Staates verbinden konnte. Durch den Eisenbahnbau profitierten das Hüttenwesen, der Kohlebergbau und der Maschinenbau durch steigende Aufträge, die zur Gründung von neuen Fabriken und Industrien führten. Die dafür benötigten Arbeitskräfte rekrutierten sich aus den ehemals in der Landwirtschaft und im Handwerk tätigen Teile der Bevölkerung und schufen durch ihre Arbeit einen neue Klasse der Industriearbeiter. Mit dem Bau der Eisenbahn und deren Ausbau zu Verkehrsnetzen war es nicht mehr erforderlich, die Rohstoffquellen und die Arbeitskräfte aus dem näheren Umfeld der Fabriken zu schöpfen die Fabriken konnte auch in früheren landwirtschaftlich genutzten Provinzen betrieben werden. Diese Entwicklungen förderten wiederum den Bau neuer Eisenbahnstrecken, die dann auch wirtschaftlich betrieben werden konnte. Die gesamte Gesellschafts-und Gewerbestruktur veränderte sich 200 6 Zusammenfassung in diesen Jahren durch den Einfluss und die neuen Möglichleiten der Eisenbahn, anfangs für den Personenverkehr und zunehmend, mit der Erhöhung der Produktion, gesteigert auch mit dem Güterverkehr. Abschließend muss noch einmal betont werden, dass sich in dieser Zeit, von 1835-1860, noch keine festen Strukturen aus diesen umfangreichen Veränderungen bilden und etablieren konnten. Bei dem Studium zeitgenössischer Berichte und Dokumente zeigt sich jedoch das Bild einer Gesellschaft im Umbruch, in Aufruhr aber auch mit Hoffnungen und Zuversicht auf eine positive Entwicklung. A Anhang – Tabellen und Pläne 1. Eisenbahngesellschaften (Staatlich und Privat) in Preußen 1860 Datenquelle: Technisches Eisenbahn-Bureau des Ministeriums (1861): Statistische Nachrichten von den preußischen Eisenbahnen. 27 Bände. Berlin: Ernst & Korn (8). 1861 (zu Kapitel 3.2.0) 2.1. Eisenbahnen im Deutschen Zollverein zum 31.12.1848 Quelle: IEG Mainz/A. Kunz 2002 LEIBNIZ - INSTITUT FÜR EUROPÄISCHE GESCHICHTE – MAINZ http://www.iegmaps.de/mapsp/mape860d.htm [Besucht. 11.11.2013] (zu Kapitel 3.1.2) 2.2. Eisenbahnen im Deutschen Zollverein zum 31.12.1860 Quelle: IEG Mainz/A. Kunz 2002 LEIBNIZ - INSTITUT FÜR EUROPÄISCHE GESCHICHTE – MAINZ http://www.iegmaps.de/mapsp/mape848d.htm [Besucht. 11.11.2013] (zu Kapitel 3.1.2) B Anhang - Verzeichnisse Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Güter- und Personenverkehr in Deutschland ............................................................................ 63 Abbildung 2: Einnahmen aus Güter- und Personenverkehr in Deutschland ................................................... 65 Abbildung 3: Entwicklung des Personenverkehrs in Deutschland .................................................................. 65 Abbildung 4: Entwicklung des Eisenbahnverkehrs in Preußen........................................................................ 68 Abbildung 5: Die Entwicklung der Einnahmen im Eisenbahnverkehr in Preußen ........................................... 71 Abbildung 6: Entwicklung des Personenverkehrs der BPM............................................................................. 73 Abbildung 7: Entwicklung des Personenverkehrs der MLE ............................................................................. 76 Abbildung 8: Entwicklung des Personenverkehrs der BAE .............................................................................. 77 Abbildung 9: Entwicklung des Personenverkehrs der BSE .............................................................................. 78 Abbildung 10: Entwicklung des Personenverkehrs der KME ........................................................................... 80 Abbildung 11: Entwicklung des Personenverkehrs der BME ........................................................................... 82 Abbildung 12: Entwicklung des Personenverkehrs der RHE............................................................................ 84 Abbildung 13: Entwicklung des Personenverkehrs der NME .......................................................................... 87 Abbildung 14: Entwicklung des Personenverkehrs der OSE ............................................................................ 89 Abbildung 15: Entwicklung des Personenverkehrs der POB ........................................................................... 92 Abbildung 16: Betriebsmittel der preußischen Eisenbahnen bis 1860 ......................................................... 120 Abbildung 17: Hannoverscher Omnibus mit 13 Sitzplätzen in 3 Klassen von 1858 ...................................... 128 Abbildung 18: Eisenbahn Personenwagen I., II., u. III. Klasse........................................................................ 132 Abbildung 19: Wagen-Rahmen mit Buffer und Kupplungshaken.................................................................. 133 Abbildung 20: Personenwagen I. Klasse – 1839 ............................................................................................ 135 Abbildung 21: Personenwagen II. Klasse – 1839 ........................................................................................... 136 Abbildung 22: Personenwagen III. Klasse – 1839 .......................................................................................... 136 Abbildung 23: Personenwagen IV. Klasse – 1839 .......................................................................................... 137 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überblick über einzelne Posttarife – Reisegeld ............................................................................ 114 Tabelle 2: Tarifvergleich in preuß. Meilen und Silbergroschen (Sgr.) ........................................................... 115 Tabelle 3: Personenwagen nach Anzahl der Achsen ..................................................................................... 139 Tabelle 4: Anzahl der Sitzplätze pro Klasse ................................................................................................... 139 Tabelle 5: Einwohnerzahlen der Regierungsbezirke 1835-1860 ................................................................... 170 Tabelle 6: Die Reiselänge in den verschiedenen Klassen (Auswahl) ............................................................. 172 Tabelle 7: Die Auslastung der verschiedenen Klassen (Auswahl).................................................................. 172 Tabelle 8: Personenmeilen (Auswahl) ........................................................................................................... 173 Tabelle 9: Ausgewählte Berufsgruppen in Preußen 1837-1861 .................................................................... 175 Tabelle 10: Landwirtschaftliche Bevölkerung in drei preuß. Provinzen ........................................................ 175 Tabelle 11: Gewerbebeschäftigte in den preuß. Provinzen 1858 ................................................................. 175 Tabelle 12: Die spez. Personenfrequenz der I. Periode zu den folgenden Perioden .................................... 194 Tabelle 13: Die spez. Personenfrequenz der einzelnen Klassen.................................................................... 194 Tabelle 14: Die Einführung der IV. Klasse bei den preußischen Eisenbahnen............................................... 194 Tabelle 15: Die spez. Personenfrequenz im Verhältnis zur I. Klasse ............................................................. 195 Abkürzungsverzeichnis Abk. der Eisenbahngesellschaften in Preußen: BAE BFE BSE BHE BME BPE BPM MLE DEE KME NME OSE POB RHE RWE Berlin-Anhaltische Eisenbahn Berlin-Frankfurter Eisenbahn Berlin-Stettiner Eisenbahn Berlin-Hamburger Eisenbahn Bergisch-Märkische Eisenbahn Berlin-Potsdamer Eisenbahn Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn Magdeburg-Leipziger Eisenbahn Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn Köln-Mindener Eisenbahn Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn Oberschlesische Eisenbahn Preußische Ostbahn Rheinische Eisenbahn Rhein-Weser Eisenbahn Weitere im Text verwendete Abkürzungen: ADB A.K.O DBA Eb.Ges. ft. Geh. Ges. Gr. Hzg. Hzgl./hzgl. in. jur. Kgr. KgL/kgl. K.O. m.p h. p.a. Preuß. Meile Reg.bz. Sgr. sh. Thlr. VdEV Allgemeine Deutsche Biografie Allerhöchste Kabinettsordre Deutsches Biografisches Archiv Eisenbahn-Gesellschaft foot, feet (enge. Längenmaß) Geheim(er) Gesetz Groschen Herzogtum Herzogliche (r, s) inch(es) (engl. Längenmaß) juristische (r, s) Königreich Königliche (r, s) Kabinettsordre miles per hour per anno Preußische Meile = 7,532484 km Regierungsbezirk Silbergroschen Shilling(s) Thaler (preußisch Courant) Verein Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen C Literatur- und Quellenverzeichnis Quellen Landesarchiv Berlin (LAB)  Eisenbahndirektion Berlin A Rep. 080 (4.2)  Eisenbahngesellschaften, Klein- und Privatbahnen A Rep. 082 (6.2)  Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft A Rep. 082-17 (6.2)  Berlin-Frankfurter Eisenbahn-Gesellschaft A Rep. 082-08 (6.2)  Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft A Rep. 082-01 (6.2)  Oberpostdirektion/Reichspostdirektion Berlin A Rep. 090  Magistrat der Stadt Berlin, Deputation für das Verkehrswesen/Verkehrsamt A Rep.014 (2.3)  Städtische Baupolizei A Rep. 010-02 (2.4)  Regierung Berlin A Rep. 029 (4.1)  Preußische Bau- und Finanzdirektion A Pr.Br.Rep. 042  Polizeipräsidium Berlin A Pr.Br.Rep. 030 (4.1) Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK)  Eisenbahnabteilung GStA PK, I. HA Rep. 93E  Ministerium des Innern – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 258 Eisenbahnen Generalia  Ministerium des Innern – GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 258a Eisenbahnen Spezialia  Geheimes Zivilkabinett – GStA PK, I. HA Rep. 89  Staatsministerium – GStA PK, I. HA Rep. 90 A, Klein- und Privatbahnen  Ministerium für Handel und Gewerbe – GStA PK, I. HA Rep. 120, Maschinenbau: Eisenbahnen und Dampfwagen, Wirtschaft und Verkehr  Ministerium für öffentliche Arbeiten, Eisenbahnabteilung – GStA PK, I. HA Rep. 93 E, Wirtschaft und Verkehr Bundesarchiv Berlin (BArch)  Archivgut zentraler ziviler und militärischer Stellen des Deutschen Bundes (18151866) und der provisorischen Zentralgewalt (1848/49)  Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen 1847 gegründet (Bestand R 4307 Periodika  ABZ (Allgemeine Bauzeitung) Österreich  AfE (Archiv für Eisenbahnwesen)  AfK (Archiv für Kulturgeschichte)  AfS (Archiv für Sozialgeschichte); ISSN: 0066-6505  BzGTI (Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie); ISSN: 1863-0723  Polytechnisches Journal (Dingler; Dingler’s Polytechnisches Journal)  E-Z (Eisenbahn-Zeitung)  EGO (Europäische Geschichte Online; ISSN: 2192-7405)  GuG (Geschichte und Gesellschaft); ISSN: 0340-613X  H&T (History and Technology); ISSN 0734-1512 print / 1477-2620 online  JfB (Journal für die Baukunst; Crelle’s Journal für die Baukunst)  JTH (Journal of Transport History) ISSN: 0022-5266 print /1759-3999 online  ScrM (Scripta Mercaturae)  TG (Technikgeschichte); ISSN: 0040-117x  T&C (Technology and Culture); ISSN: 0040-165X print / 1097-3729 online  VSWG (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte); ISSN: 0340-8728  ZgSW (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft)  ZöIuAV (Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- u. Architekten-Vereins)  ZöIV (Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur-Vereins)  ZVdEV (Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen) Literatur Ueber achträderige Eisenbahnwagen (1845b). In: E-Z 3 (37; 39), S. 311-313; 327-328. Unfälle auf Eisenbahnen. Deutschland - Breslau (1847a). In: E-Z 5 (1), S. 8. Unfälle auf Eisenbahnen. Deutschland (1847b). In: E-Z 5 (2), S. 16. Unfälle auf Eisenbahnen. Deutschland (1847c). In: E-Z 5 (31), S. 254. Vermischte Nachrichten. Deutschland (1845b). In: E-Z 3 (11), S. 87. Vermischte Nachrichten Deutschland (1845a). In: E-Z 3 (15), S. 121. Plan zur Anlegung einer Eisenbahn zwischen Hannover, Braunschweig u. den freien Hansestädten. Nebst einer Charte u. einer Zeichnung (1832). Braunschweig: Vieweg. Die Eisenbahn von St.Etienne nach Lyon (1833). In: Morgenblatt für gebildete Stände 27 (Juli), S. 625–626; 631-632; 634-635. Eisenbahn-Klagen (1839). In: Wochenblatt (41), S. 229–230. Die deutschen Eisenbahnen im Jahre 1844 (Schluß). 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