Wolfram C. Kändler Anpassung und Abgrenzung PALLAS ATHENE -----------------------Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte Herausgegeben von Rüdiger vom Bruch und Lorenz Beck Band 31 Wolfram C. Kändler Anpassung und Abgrenzung Zur Sozialgeschichte der Lehrstuhlinhaber der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und ihrer Vorgängerakademien, 1851 bis 1945 Franz Steiner Verlag Stuttgart 2009 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09361-3 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier. © 2009 Franz Steiner Verlag Stuttgart Druck: Printservice Decker & Bokor, München Printed in Germany INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS Dank.........................................................................................................................7 Vorbemerkungen .....................................................................................................9 1. Vorgeschichte: Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ..............23 1.1 Das französische Vorbild und die Entwicklung in den deutschen Staaten ...........................................26 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen ..................................35 1.2.1 Die Bergakademie ..............................................................................37 1.2.2 Die Bauakademie................................................................................44 Exkurs: Über Schinkels Bauakademie ..............................................................52 1.2.3 Das Gewerbeinstitut ...........................................................................56 1.3 Nebeneinander und Miteinander: Berlin als Standort höherer technischer Bildung.........................................62 2. Rahmenbedingungen: Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 ................71 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 ........................................72 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“. Der Weg zur Gründung der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin .....................90 2.3 Des Kaisers treue Techniker. Die Technische Hochschule im Kaiserreich..............................................108 Exkurs: Die Hundertjahrfeier von 1899 ..........................................................123 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften. Die Technische Hochschule in der Weimarer Republik ...........................128 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? Die Technische Hochschule im „Dritten Reich“.......................................141 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber ..............................................158 3.1 Geographische Herkunft............................................................................161 3.2 Soziale Herkunft ........................................................................................169 3.3 Bildung: Schule und Hochschule ..............................................................182 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule .......................................198 6 Inhaltsverzeichnis 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg ........................................212 4.1 Zur Berufungspraxis ..................................................................................214 4.2 Zum Einkommen .......................................................................................234 4.3 Über Orden und Titel.................................................................................252 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere .....................................................263 Schlussbetrachtungen...........................................................................................281 Anhang.................................................................................................................288 Verzeichnis der Abbildungen, Graphiken und Tabellen .................................288 Verzeichnis der Lehrstuhlinhaber, 1851 bis 1945 ...........................................289 Abkürzungen ...................................................................................................295 Ungedruckte Quellen.......................................................................................296 Gedruckte Quellen, Nachschlagewerke und Periodika ...................................298 Literatur (auch Festschriften und zeitgenössische Titel) .................................299 Personen- und Ortsregister ..............................................................................312 DANK Das vorliegende Buch wurde im Frühjahr 2008 am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung ist der Text behutsam überarbeitet und um neuere Literatur ergänzt worden. Mein Dank gilt zuerst Peter Moraw, der mir das Thema vorschlug und das Entstehen dieser Studie begleitete. Friedrich Lenger übernahm dankenswerter Weise das Zweitgutachten. Für die Aufnahme in die Reihe Pallas Athene möchte ich den beiden Herausgebern Rüdiger vom Bruch und Lorenz Beck danken. Die Technische Universität Berlin förderte die Publikation dieses Buches mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss. Dafür danke ich ihrem Präsidenten Kurt Kutzler. Mein Dank gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Dahlem und des Bundesarchivs in Lichterfelde, die mir freundlich und unkompliziert bei der Suche nach den relevanten Archivalien halfen. Viele Menschen haben mich zur Arbeit an diesem Buch angespornt. Oder davon abgelenkt. Für beides bin ich gleichermaßen dankbar. Anregend und abwägend begleitete das Gießener landesgeschichtliche Kaffeekolloquium die Entwicklung dieser Untersuchung; später gleichsam zeitgemäß neubegründet als Graduate Centre for the Study of Coffee and Chocolate Bars and their Consumption (GCSCCBC). Das Anschauen und Abtragen des oft abwechslungslos und anklagend weißen Bildschirms erleichterte ein Gemälde – Congo Red von Lynda White – das meine Gedanken zwar oft abschweifen, doch dann auch stets wieder ankommen ließ. In aussageloser Reihenfolge danke ich Anne Chr. Nagel, Daniela Siebe, Ulrike Kammer, Frank Wagner, Winfried Kändler, Carsten Lind, Neill Busse, Harald Winkel, Andreas Rüther, Thomas Mutschler, Thorsten Busch und Jens Dreßler. Ohne Eure fürsorgliche, belustigte und kritische Anteilnahme wäre dieses Buch nicht entstanden. Danken möchte ich meinen Eltern – weder meine Mutter noch meine Stiefmutter durften das Erscheinen dieses Buches erleben – und meinen Geschwistern. Ohne Vorbehalt habt Ihr Euren jüngsten Sohn und Bruder während Studium und Promotion stets unterstützt. Und ihn gleichzeitig an den Rest dieser Welt erinnert. Euch ist dieses Buch gewidmet. Gießen, im März 2009 Wolfram C. Kändler VORBEMERKUNGEN VORBEMERKUNGEN VORBEMERKUNGEN Im Jahre 1928 wechselte der Physiker und Nobelpreisträger Gustav Hertz von der Universität Halle nach Berlin. Dies war auf den ersten Blick nichts Bemerkenswertes. Am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem hatte bis 1921 James Franck geforscht, mit dem sich Hertz 1925 den Nobelpreis geteilt hatte. In unmittelbarer Nachbarschaft arbeiteten Max von Laue und Albert Einstein am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik. Walther Nernst und Erwin Schrödinger lehrten an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, und bis 1926 war auch Max Planck dort Ordinarius gewesen. Berlin war in den späten 1920er Jahren zweifelsohne ein Zentrum physikalischer Forschung. Bemerkenswert war Hertz’ Wechsel dennoch: Weder war er als wissenschaftliches Mitglied in die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft oder die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden, noch hatte er ein Ordinariat an der Universität erhalten. Vielmehr nahm er den Ruf auf die Professur für Experimentalphysik an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg an. Dem preußischen Kultusministerium war die Berufung von Gustav Hertz einiges wert: Ein jährliches Gehalt, das sich mit Kolleggeldgarantie, Wohngeld und einer besonderen Zulage „zur Förderung Ihrer wissenschaftlichen Arbeit“1 auf mindestens 35.000 Mark belief, Entlastung in der Lehre durch die Schaffung eines zusätzlichen Extraordinariats und den Bau eines modernen Institutsgebäudes – einschließlich eines Hörsaals, der mehr als 1.000 Studierende fasste. Dem Rektor der Hochschule teilte das Ministerium brieflich mit: „Der große Hörsaal in dem geplanten neuen Physikalischen Institut wird ausschließlich dem Lehrstuhl für Experimentalphysik zur Verfügung stehen.“2 Insgesamt war eher das Ministerium die treibende Kraft bei dieser Berufung. Am 27. November 1927 schrieb Max Volmer, Ordinarius für Elektrochemie, an den Ministerialrat Otto von Rottenburg, er habe sich in der Fakultätssitzung wie besprochen für den Hallenser Physiker stark gemacht. Wenige Tage später kam das offizielle Schreiben im Ministerium an, in dem die Fakultät bat, die bereits bestehende Berufungsliste zu ergänzen und „an Stelle 2b Herrn Professor Dr. Herz [sic] (Halle) zu setzen.“3 Die geglückte Berufung von Gustav Hertz wird oft als großer Erfolg für die Charlottenburger Technische Hochschule gewertet. Sie gilt gleichzeitig als ein Indiz dafür, dass die Lehrstühle der jungen aufstrebenden Technischen Hochschulen mittlerweile in stärkerem Maße erfolgreich mit jenen der alten etablierten 1 2 3 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 295, 20. Dezember 1927. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 312f., 11. Januar 1928. Der Bau konnte 1931 bezogen werden, vgl. Westphal, Institut, S. 556. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 281f., 29. November 1927. Für das Schreiben Volmers vgl. ebd., Bl. 285, 27. November 1927. Volmer berichtet dort ebenfalls über andere Berufungsangelegenheiten. 10 Vorbemerkungen Universitäten konkurrieren konnten.4 Hertz war im Jahre 1928 jedoch nur einer von 70 ordentlichen Professoren des Charlottenburger Kollegiums und nur einer von insgesamt knapp 300 Lehrern und Forschern, die zwischen 1851 und 1945 einen Lehrstuhl an der Technischen Hochschule oder an einer ihrer Vorgängerakademien innehatten. Diese Menschen stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. In recht kurzer Zeit entwickelten sich im 19. Jahrhundert technische Akademien, die um die Wende zum 20. Jahrhundert als Technische Hochschulen wesentlich dazu beitrugen, den institutionellen Rahmen der Wissenschaftsproduktion in den deutschen Staaten umzugestalten.5 Die Universitäten verloren ihre Monopolstellung. Neben sie traten nicht allein Technische Hochschulen, sondern auch landwirtschaftliche und Handelshochschulen, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, technische Reichsanstalten und nicht zuletzt Forschungseinrichtungen der Industrie. Die Lehrer und Forscher all dieser Einrichtungen nahmen für sich in Anspruch, wissenschaftlich zu arbeiten und die Kenntnis über die Welt zu vergrößern. Diese institutionelle Differenzierung kann als Ausdruck einer Verwissenschaftlichung verstanden werden, der Entwicklung hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft.6 Gleichzeitig trat hier dem besonders von Friedrich Schleiermacher und Wilhelm von Humboldt geprägten Bildungsbegriff ein Verständnis von Wissenschaft entgegen, das die Zweckfreiheit der Forschung nicht in den Vordergrund stellte.7 Trotz dieser Abgrenzung blieben die Universitäten wichtiger Referenzpunkt. Gerade die neuen Hochschulen strebten eher nach universitären Rechten, suchten sich universitären Formen und Strukturen anzupassen, als dass sie daran interessiert gewesen wären, auch an dieser Stelle Neues zu etablieren. Die Frage, wie sich die Technischen Hochschulen in die bestehende Universitätslandschaft einfügten, wo es Wechselwirkungen zwischen Altem und Neuem gab, wird greifbar, wenn die Menschen in den Blick genommen werden, die an den neuen Einrichtungen lehrten und forschten. Wie unterschied sich ihr soziales Profil von dem der Universitätsprofessoren, wo überschnitt es sich mit ihm? Versteht man eine Hochschule in erster Linie als eine Gemeinschaft von Personen, so gilt es, jenen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, die mehr als andere über die Geschicke der Hochschule entschieden.8 Wie an den Universitäten waren dies 4 5 6 7 8 Vgl. etwa Cassidy, Institut, S. 374; Rürup, Grundzüge, S. 24; Laitko, Wissenschaft, S. 428; Lemmerich, Physik, S. 401. Vgl. Szöllösi-Janze, Science, S. 340. Zu den Technischen Hochschulen vgl. bes. S. 344ff. Vgl. ebd., S. 340. Nach Szöllösi-Janze sahen die Jahre zwischen 1880 und den 1920ern „the beginnings of the seminal transition to a knowledge-based society“ (S. 342). Szöllösi-Janze stellt das Konzept einer Wissensgesellschaft Versuchen gegenüber, die deutsche Geschichte vor allem des 20. Jahrhunderts aus politikgeschichtlicher oder sozio-ökonomischer Perspektive zu periodisieren (vgl. S. 358ff.). Vgl. Rusinek, Technikgeschichte, S. 249: „Daher geriet die Etablierung des höheren technischen Ausbildungswesens in Deutschland – bis heute ein wichtiges Thema der Technikgeschichtsforschung – zum Kampf gegen diesen neuhumanistischen Bildungsbegriff.“ Vgl. Moraw, Universität Gießen, S. 5: zusammengehalten werden die verschiedenen Dimensionen der Universitätsgeschichte – „die institutionelle, die umweltbezogene und die wissenschaftliche“ – vor allem dadurch, dass „die Universität zuletzt eine Personengemeinschaft Vorbemerkungen 11 auch an den Technischen Hochschulen die Inhaber der ordentlichen Lehrstühle. Eine personengeschichtliche Untersuchung dieser Forscher und Lehrer der Charlottenburger Hochschule und ihrer Vorgängerakademien verspricht also im Zusammenspiel mit ähnlich gelagerten Arbeiten zu deutschen Hochschullehrern genauere Einblicke in den sozialen Hintergrund und die sozialen Bedingungen der Expansion und Differenzierung des deutschen Hochschulsystems. Die Königlich Technische Hochschule zu Berlin wurde 1879 durch den Zusammenschluss der Bauakademie und der Gewerbeakademie gegründet.9 Fünf Jahre später konnten die beiden Akademien in dem großzügigen Neubau an der Berliner Straße in Charlottenburg auch räumlich vereint werden. Im Jahre 1916 kam die Bergakademie ebenfalls unter das Dach der Hochschule. Den zeitlichen Ausgangspunkt für die systematische Untersuchung der genannten Personen bestimmen jedoch nicht die Gründungsdaten dieser drei Vorgängerakademien. Die Bergakademie bestand seit 1770, die Bauakademie seit 1799 und das Gewerbeinstitut seit 1821.10 Für die frühen Dozenten war die Lehre an diesen Akademien nur ein Nebenamt. Sie waren nicht fest angestellt, erhielten also kein pensionsfähiges Gehalt, sondern lediglich eine Vergütung – zeitgenössisch Remuneration – die sich nach der Anzahl der gehaltenen Stunden bemaß. Erst im Jahre 1851 richtete das Handelsministerium, dem die Akademien zu diesem Zeitpunkt unterstanden, an Gewerbeinstitut und Bauakademie einige festbesoldete Stellen ein und schuf mit diesen lehrstuhlähnlichen Strukturen die Grundlage für die späteren ordentlichen Professuren. An der Bergakademie geschah dies 1868. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung der hier untersuchten Gruppe der Lehrer und Forscher der Technischen Hochschule und ihrer Vorgängerakademien ist also bis 1879 die Annahme des Rufs auf eine dieser festen Stellen, danach auf eine der etatmäßigen Professuren der Hochschule und nach 1918 schließlich auf eine der ordentlichen Professuren. Den zeitlichen Endpunkt der Arbeit bildet die Schließung der Charlottenburger Technischen Hochschule nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Neugründung 1946 erfolgte unter gänzlich anderen Vorzeichen: Die nunmehrige Technische Universität befand sich nicht mehr „am Centralpunkt deutscher Macht und Wissenschaft“11, wie der Mathematiker Elwin Christoffel 1868 formuliert hatte; vielmehr war die Zukunft Berlins ungewiss, und der westliche Teil der Stadt wurde bald zu einer eher abgelegenen Insel. Die so umrissene Personengruppe ist in mehrfacher Hinsicht recht heterogen. Das Fächerspektrum war breit. Es finden sich beispielsweise Professoren mit traditionell universitären Lehrgebieten wie Arithmetik und Geometrie ebenso wie war und ist und daß daher die historische Personenforschung das Handeln in alle jene Richtungen endlich auf einen einheitlichen Kern zurückzuführen vermag. Die Personengemeinschaft ‚Universität‘ ist in größere Personengemeinschaften eingelagert und setzt sich ihrerseits aus kleineren Gebilden dieser Art zusammen.“ 9 Einen sehr guten und kompakten Überblick zur Geschichte der Berliner Technischen Hochschule gibt Rürup, Grundzüge. Zu den technischen Akademien vgl. jeweils kurz Wefeld, Ingenieure, S. 39ff., 65ff. sowie 100ff. 10 Den Namen Gewerbeakademie erhielt das Institut im Jahre 1866. 11 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VIII, Bl. 249, 1. Juni 1868. 12 Vorbemerkungen Professoren, deren Disziplinen bisher kaum Hochschulrang besaßen – unter anderen Architektur und Maschinenbau. Selbst eher handwerkliche Gegenstände wie Ziselieren und Modellieren waren mit Lehrstühlen vertreten. Zudem wurden im Laufe des hier behandelten Jahrhunderts, besonders seit den 1890er Jahren, eine Vielzahl von Laboratorien, Versuchsfeldern, Seminaren und Instituten an der Hochschule eingerichtet. Einige der Professoren wurden zu „Institutsdirektoren und Wissenschaftsmanagern“12, und mit den schnell wachsenden Studierendenzahlen zur Zeit des Kaiserreichs entwickelten sich auch die Technischen Hochschulen bald zu wissenschaftlichen Großbetrieben.13 Da nicht jeder Professor ein Institut oder ein Laboratorium leiten konnte, nahm auch in diesem Sinne die Heterogenität des Kollegiums zu. Die Variationsbreite des Einkommens war ebenfalls groß. Professoren, die aus dem Staatsdienst an die Hochschule kamen, erhielten oft ein ungleich niedrigeres Gehalt als jene, die aus leitenden Positionen in der Wirtschaft gewonnen werden konnten.14 Obgleich dem Kultusminister „zur Heranziehung hervorragender Lehrkräfte […] ein besonderer Zulagenfonds zur Verfügung“15 stand, blieben diese Berufungen selten, wurde die zu geringe Verbindung der Hochschule zur Wirtschaft beklagt. Heinrich Aumund hielt in seiner Denkschrift zur Hochschulreform aus dem Jahre 1921 eine „Bezahlung, welche der für erste Kräfte der Privatindustrie einigermaßen gleichsteht“ für wünschenswert, stellte jedoch mit leicht resignierendem Unterton fest, man werde „sich doch aus verschiedenen Gründen damit abfinden müssen, dass eine gleiche Bezahlung schwer durchführbar ist.“16 Neben dieser gleichsam horizontalen Heterogenität, die sich für jeden Zeitpunkt des untersuchten Jahrhunderts im Kollegium belegen lässt, muss auch die vertikale berücksichtigt werden. Die ersten festangestellten Dozenten waren in ihrer Lehre weisungsgebunden, hatten keinen Forschungsauftrag und konnten sich somit nicht auf die in der Verfassung garantierte Freiheit der Wissenschaft berufen. Sie waren, anders formuliert, keine Hochschullehrer. Der Professorentitel war zu Beginn nicht mit ihrem Lehramt verbunden. Die – keineswegs geradlinige – Entwicklung der Akademien hin zur Technischen Hochschule und die fortlaufen12 Janz, Gelehrte, S. 71. 13 Der Begriff geht auf eine Formulierung Adolf von Harnacks aus dem Jahre 1905 zurück. Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 571; Bruch, Professoren, S. 10. Speziell zu den Technischen Hochschulen vgl. Gundler, Braunschweig, S. 40ff. Zum Frequenzwachstum vgl. Jarausch, Universität, S. 314ff. 14 Vgl. Schröder, Lehrkörperstruktur, S. 80f. Vgl. auch Bruch, Professoren, S. 7, der diese Problematik der Unterschiede zwischen den einzelnen Professoren denkbar kurz und prägnant zusammenfasst: „Professor ist nicht gleich Professor.“ Moraw, Universitäten, S. 30, merkt an: „Fast am wichtigsten in der Universitätsgeschichte und Universitätsgegenwart sind die Unterschiede zwischen den Professoren.“ Vgl. insgesamt Moraw, Professor, bes. S. 19ff. und 25. 15 Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 91. 16 Aumund, Hochschule, S. 18. Vgl. auch Becker, Gedanken, S. 59. Gustav Hertz stand 1927 auch in Verhandlungen mit der AEG und teilte dem Kultusministerium mit, das vereinbarte Gesamteinkommen von 35.000 Mark betrage „bereits weniger als die Hälfte des mir von der AEG vertraglich zugesicherten Mindesteinkommens“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 292, 17. Dezember 1927). Vorbemerkungen 13 de Übernahme universitärer Strukturen veränderten schrittweise den rechtlichen Status der untersuchten Personengruppe, ihre wirtschaftliche Lage und auch ihr gesellschaftliches Ansehen. Zu Beginn der 1920er Jahre schließlich differenzierte der preußische Gesetzgeber nicht mehr zwischen den Professoren der Universitäten und jenen der Technischen Hochschulen, sprach vielmehr einheitlich von Lehrern der wissenschaftlichen Hochschulen. Zu dieser absoluten Veränderung kam eine relative. An der Bauakademie bestanden anfangs fünf etatmäßige Stellen, am Gewerbeinstitut sechs und an der Bergakademie vier. Bei Gründung der Technischen Hochschule zählte das Kollegium 31 Professoren17, und am Ende des Untersuchungszeitraumes waren 81 Ordinarien im Vorlesungsverzeichnis aufgeführt. Während sich die rechtliche Position der Professoren also verbesserte, mussten mit dieser quantitativen Zunahme Einfluss und Gewicht des Einzelnen im Gefüge der Hochschule abnehmen. In mehrfacher Weise ist es also problematisch, den eingangs erwähnten Nobelpreisträger Gustav Hertz und den Zeichenlehrer Albert Grell, über dessen Professorentitel der Direktor des Gewerbeinstituts, das Handels- und das Kultusministerium insgesamt drei Jahre verhandelten18, in eine Reihe zu stellen. Trotz der angeführten Punkte ist es jedoch gerechtfertigt, die beschriebene Gruppe als Einheit zu betrachten. Unbeschadet ihres jeweiligen rechtlichen Status, ihrer wissenschaftlichen Befähigung oder ihres Einkommens bildeten die festangestellten Lehrer der drei technischen Akademien und die etatmäßigen Professoren der Technischen Hochschule jeweils die zentrale und bestimmende Teilgruppe innerhalb der Personengemeinschaft ihrer jeweiligen Institution. In einem weiteren Sinne standen sie zusammen mit den Lehrstuhlinhabern der übrigen deutschen Polytechnika und Technischen Hochschulen an der Spitze des höheren technischen Bildungswesens und können so als Teil einer technischen Bildungselite angesehen werden.19 Nach Manegold verstanden sich die Professoren selbst als die „Elite des unaufhaltsamen Fortschritts und wichtigste Stütze der wirtschaftlichen Macht des Staates, somit überhaupt als Vertreter des eigentlich verantwortlichen Standes in der modernen Zeit.“20 Das Selbstverständnis der Professoren, zu einer Gruppe zu gehören, rechtfertigt es ebenfalls, sie als solche zu untersuchen. Nicht zuletzt die erfolgreiche Standespolitik der technischen Professoren während des hier betrachteten Jahrhunderts wird dazu beigetragen haben, ihr Selbstverständnis als Gruppe zu formen und zu schärfen. Um die heterogenen und homogenen Charakteristika dieser Gruppe und deren Wandel während des hier betrachteten Jahrhunderts herauszuarbeiten, werden die knapp 300 Lehrer und Forscher der Technischen Hochschule und ihrer Vorgängerakademien hinsichtlich ihrer regionalen und sozialen Herkunft untersucht, die 17 Die Bergakademie hatte zu diesem Zeitpunkt fünf festangestellte Lehrer. 18 Vgl. u. a. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XII, Bl. 213, 13. April 1874; ebd., Bd. XIII, Bl. 4–7, 31. Juli 1874; ebd., Bl. 269, 5. August 1875; ebd., Bd. XV, Bl. 46, 22. Dezember 1877 und ebd., Bl. 47, 24. Dezember 1877. S. u., S. 95. 19 Vgl. Gundler, Braunschweig, S. 57. 20 Manegold, Universität, S. 79. Vgl. analog Ringer, Mandarine, S. 13ff., der das Selbstverständnis der universitären Akademiker als kulturelle Elite beschreibt. 14 Vorbemerkungen verschiedenen Bildungsgänge und beruflichen Karriereverläufe dargestellt und analysiert. Im Hintergrund steht dabei die Frage, inwieweit mit den neuen Hochschulen auch gleichsam neue Hochschullehrer entstanden, die sich in ihrem sozialen Profil von ihren Kollegen an den Universitäten unterschieden. Darüber hinaus werden die Mechanismen der Berufung an die Hochschule untersucht. Zur Einordnung der Hochschullehrer in den Kontext der bürgerlichen Gesellschaft dient die Erörterung des Einkommens sowie der Verleihung von Titeln und Orden. Gefragt wird letztlich, wer zwischen 1851 und 1945 Professor an der Technischen Hochschule in Berlin oder einer ihrer Vorgängerakademien wurde und – im Umkehrschluss – werden konnte. Zu erwägen ist in diesem Zusammenhang auch, wer überhaupt einen Charlottenburger Lehrstuhl übernehmen wollte, was also die Attraktivität der jeweiligen Institution und Berlins, dieser „Stapelstadt des Wissens“21, ausmachte. Die Hochschule und ihre Vorgängerakademien werden dabei nicht als monolithische Einheit aufgefasst. Vielmehr wird die Betrachtung Rücksicht auf die durchaus unterschiedlich geprägten Akademien, Abteilungen und Fakultäten nehmen. Berg- und Bauakademie waren eher Beamtenschulen, das Gewerbeinstitut indes bildete Ingenieure für Wirtschaft und Industrie aus. Blickt man auf das Fächerspektrum und unterscheidet zwischen Disziplinen, die nur an den Technischen Hochschulen gelehrt wurden, und solchen, die auch zum universitären Fächerkanon gehörten, so standen sich die technischen Abteilungen – Architektur, Bauingenieurwesen sowie Maschinenbau – und die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften gegenüber, während die Abteilung für Chemie und Hüttenkunde eine gewisse Mittelposition einnahm: Die chemischen und geologischen Fächer waren auch an den Universitäten vertreten, die bergtechnischen nur an Bergakademien und Technischen Hochschulen. Es wird zu fragen sein, wie sich dieser je unterschiedliche Charakter der Abteilungen im Sozialprofil ihrer Ordinarien spiegelte. Ein weiterer Fragenkomplex betrifft das Verhältnis der Berliner Institutionen zu den anderen Hochschulen der deutschen Staaten. Im Bereich des höheren technischen Bildungswesens war Berlin fast im gesamten Untersuchungszeitraum quantitativ gesehen der wichtigste Standort. Allein die Münchner Hochschule hatte zeitweise mehr Studierende. Auf Grundlage der Berufungspraxis sowie der Daten zu den Karriereverläufen der Professoren wird versucht, die Position der Charlottenburger Hochschule und der Berliner technischen Akademien bezüglich der übrigen Technischen Hochschulen, aber auch hinsichtlich der Universitäten genauer zu bestimmen.22 Wurden die Technischen Hochschulen tatsächlich „von den Theoretikern nur als Durchgangsstation zur Universität betrachtet“23, wie der Charlottenburger Professor für Maschinenbau Alois Riedler 1898 beklagte? 21 Schalenberg & Bruch, Zentren, S. 694. 22 Vgl. dazu bisher den kurzen Abschnitt bei Baumgarten, Professoren, S. 243ff., die die Ordinariate der Technischen Hochschulen in der Zeit bis 1900 allgemein „zwischen den universitären Extraordinariaten und den Ordinariaten der Einstiegsuniversitäten“ (S. 245) ansiedelt. Vgl. auch ebd. S. 93: „Vordergründig scheinen also die Ordinariate der Technischen Hochschulen mit den Extraordinariaten der Universitäten gleichbehandelt worden zu sein.“ 23 Riedler, Hochschulen, S. 94. Vorbemerkungen 15 Die Wahl der Charlottenburger Hochschule als Gegenstand der Untersuchung hat mehrere Gründe. Zum einen steht diese Arbeit in einem weiteren Forschungskontext, der sich auf Berlin als Wissenschaftsstandort konzentriert.24 Zum anderen ist die Hochschule auch hinsichtlich des höheren technischen Bildungswesens in den deutschen Staaten ein naheliegendes Thema. Die quantitative Führungsrolle der Hochschule wurde bereits angesprochen. Spätestens seit den 1880er Jahren spielte Charlottenburg zudem in „der Aufstiegsbewegung und in den Gleichberechtigungsansprüchen der Technischen Hochschulen […] die führende Rolle.“25 Die Hochschule profitierte dabei sicher nicht zuletzt von der räumlichen Nähe zum preußischen Kultusministerium, das auch über Preußen hinaus eine zentrale Rolle spielte.26 Methodische Grundlage dieser Arbeit ist die historische Personenforschung oder Prosopographie.27 Zu den einzelnen Mitgliedern der durch die oben genannten Kriterien genau umrissenen Gruppe wurden systematisch vielfältige biographische Daten gesammelt und in eine Datenbank eingegeben. Erfasst wurden unter anderem die Lebensdaten (Ort, Datum), Konfessionszugehörigkeit, Angaben zu Eltern und Verwandten (Name, Beruf), zur Schul- und Hochschullaufbahn (Schul- bzw. Hochschultyp, Ort, Dauer, Promotion, Habilitation), zum beruflichen Werdegang (Beruf, Ort, Dauer), zu wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Mitgliedschaften (Institution, Aufnahmedatum) und zur Verleihung von Orden und Titeln (Auszeichnung, Jahr). Der vergleichsweise kurze Untersuchungszeitraum sowie die überschaubare und klar eingegrenzte Gruppe machen das Thema zu einem recht idealtypischen Gegenstand für eine prosopographische Untersuchung.28 Der angesprochene Wandel der Rechtsposition, den die Personengruppe während des betrachteten Jahrhunderts erfuhr, erlaubt es überdies, Wechselwirkungen zwischen rechtlicher und gesellschaftlicher Stellung einerseits sowie sozialer Herkunft, Bildungsweg oder beruflichem Werdegang andererseits zu untersuchen. Die Ermittlung der Namen der etatmäßigen und ordentlichen Professoren der Technischen Hochschule gelang relativ problemlos mit Hilfe der gedruckten Vor24 Vgl. demnächst die Untersuchung von Frank Wagner (Gießen) zur Sozialgeschichte der ordentlichen Professoren der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (1810 bis 1945). 25 Manegold, Universität, S. 82. 26 So basierten die Promotionsordnungen für die Technischen Hochschulen der einzelnen deutschen Staaten wesentlich auf der für Preußen entworfenen, vgl. Manegold, Universität, S. 284ff. 27 Vgl. grundlegend den Artikel von Stone, Prosopography. Kritisch dazu: Schröder, Sozialforschung, S. 7. Für einen Überblick zur aktuellen Methodendiskussion in der sozialwissenschaftlich orientierten Lebenslaufforschung vgl. die einzelnen Beiträge in Kluge & Kelle, Methodeninnovation. Zur Bedeutung der Prosopographie für die Erforschung der Universitätsgeschichte vgl. Moraw, Aspekte, S. 13f. und 24. 28 Vgl. Stone, Prosopography, S. 69: „the method works best when it is applied to easily defined and fairly small groups over a limited period of not much more than a hundred years.“ Vgl. auch Willett, Sozialgeschichte, S. 21f., der es einen „weit verbreiteten Mangel“ nennt, „daß die Kriterien, die zur Auswahl des jeweiligen Gegenstandes geführt haben, oft nicht genannt werden oder von stark subjektiven Einschätzungen […] abhängen“ (S. 22). 16 Vorbemerkungen lesungsverzeichnisse. Lediglich die beiden Mathematiker Gerhard Hessenberg und Wolfgang Haack waren hier nicht verzeichnet. Hessenberg verstarb sechs Wochen, nachdem er den Ruf nach Charlottenburg angenommen hatte; Haack wiederum übernahm seine Professur zwar im Oktober 1944, kam aber schließlich erst 1949 an die nunmehrige Technische Universität Berlin.29 Mit Hilfe des „Jahrbuchs der Geologischen Landesanstalt und Bergakademie“ (1880 bis 1900) sowie des „Programms der Königlichen Bergakademie“ (1901 bis 1916) konnten die Namen der dort seit 1880 fest angestellten Professoren ermittelt werden. Da das „Handbuch über den Königlich Preußischen Hof und Staat“ für die drei Berliner technischen Akademien nicht zwischen etatmäßigen und remunerierten – also auf Honorarbasis beschäftigten – Dozenten unterschied, musste die Untersuchungsgruppe für den Zeitraum von 1851 bis 1879 aus den entsprechenden Akten des Geheimen Staatsarchivs rekonstruiert werden.30 Insgesamt umfasst die so ermittelte Gruppe der festangestellten Lehrstuhlinhaber 297 Personen. Aus einer Vielzahl von Quellen wurde für diese Personen biographisches Material zusammengetragen. Bis zum Jahre 1910 enthalten die erwähnten Vorlesungsverzeichnisse die „Chronik der Technischen Hochschule zu Berlin“, in der verstorbene Hochschullehrer in der Regel gewürdigt und ihre Lebensläufe recht ausführlich dargelegt werden. Auch in den Verzeichnissen zur Bergakademie ist dies der Fall. Von zentraler Bedeutung war die Auswertung der „Neuen Deutschen Biographie“, der „Deutschen Biographischen Enzyklopädie“ sowie der in den mittlerweile drei Ausgaben des „Deutschen Biographischen Archivs“ kumulierten biographischen Nachschlagewerke. Trotz dieser recht breiten Quellenbasis wies der so zusammengetragene Datenbestand noch beträchtliche Lücken auf – schon Christian von Ferber hatte 1956 den „Mangel an veröffentlichtem Material über die Hochschullehrer der technischen Fächer“31 beklagt. Da die Personalakten der Technischen Hochschule im November 1943 einem Bombenangriff zum Opfer fielen32, kamen für die Ergänzung der Daten nur die Akten des preußischen Kultusministeriums in Frage, die dort zu den einzelnen Abteilungen und Fakultäten geführt wurden.33 Häufig enthalten diese im Zusammenhang mit den Berufungen auch Lebensläufe der Kandidaten. In den Bestallungsurkunden ist zudem regelmäßig die Konfessionszugehörigkeit vermerkt, so dass die Vollständigkeit der Daten an dieser Stelle deutlich erhöht werden konnte. Die Auswertung der Mi29 Obwohl beide nicht in Charlottenburg lehrten, werden sie zur Untersuchungsgruppe gezählt, da sie den Ruf an die Technische Hochschule angenommen hatten. 30 Das Unterrichtswesen, sowie der Direktor und die Lehrer bei der Bergakademie zu Berlin, 1859–1871 (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. I–II, der Aktenbestand Personalien der Bergakademie zu Berlin, GStA PK, I. HA Rep. 121 Abt. D Tit. II Sekt. 2, Nr. 102 Bd. I–VIII, existiert nicht mehr); Die Annahme der Lehrer bei der Bauakademie etc., 1854–1879 (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. I–VII); Einrichtung und Leitung der Gewerbeakademie, 1821–1914 (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. I–XV). Auch die Listen bei Wefeld, Dozentenverzeichnis, differenzieren nicht nach Status der Lehrenden. 31 Ferber, Entwicklung, S. 170. 32 Vgl. Rürup, Grundzüge, S. 29. 33 Eine Übersicht der berücksichtigten Aktenbestände findet sich im Anhang, s. u., S. 296. Vorbemerkungen 17 nisterialakten erlaubt es auch, die Praxis der Berufungsverfahren zu analysieren – zumindest deren schriftlich festgehaltenen Teil. Insgesamt machte es dieser Quellenbestand möglich, die quantitativ orientierte Prosopographie mit qualitativen Ansätzen der Biographieforschung zu ergänzen, da hier mitunter die Interessen und Beweggründe der Akteure recht deutlich erkennbar werden.34 Eher unvollständig blieben indes die Informationen zu Heirat, Schwiegereltern und Kindern. Diese Lücke konnte nicht geschlossen werden, nicht zuletzt da autobiographische Schriften der hier untersuchten Personen nur äußerst vereinzelt vorliegen.35 Auch haben bisher nur wenige der Lehrer und Forscher der Technischen Hochschule und ihrer Vorgängerakademien eine Biographin oder einen Biographen gefunden.36 Auf die je unterschiedliche Vollständigkeit der Datengrundlage wird im Text hingewiesen. Zudem ergeben sich aus diesen Lücken die Grenzen der vorliegenden Arbeit. Der Mangel an autobiographischem Material macht es beispielsweise unmöglich, auf breiter Basis und detailliert das Selbstverständnis der untersuchten Gruppe zu analysieren oder ihre Einstellung zu Politik, Staat und Gesellschaft.37 Programmatische Schriften und Aufsätze wie Franz Grashofs „Ueber die der Organisation von polytechnischen Schulen zu Grunde zu legenden Principien“ (1864), Alois Riedlers „Unsere Hochschulen und die Anforderungen des zwanzigsten Jahrhunderts“ (1898) oder Otto Kammerers „Deutsche Technik im Jahre 1914“ (1915) erlauben zwar Einblicke in verschiedene Themenkreise, müssen jedoch notwendigerweise punktuell bleiben und können kaum verallgemeinert werden. Die dünne Datengrundlage zu den Eheschließungen erschwert es zudem, Aussagen über die soziale Vernetzung der Professoren in der bürgerlichen Gesellschaft zu machen. Auch muss unklar bleiben, inwiefern persönliche Netzwerke Einfluss auf 34 Für einen kurzen Überblick zur Verbindung quantitativer und qualitativer Verfahren in der Biographieforschung vgl. die Einleitung in Kluge & Kelle, Methodeninnovation, bes. S. 12ff. 35 Lediglich die Volkswirtschaftler Heinrich Herkner und Julius Wolf schrieben beide einen kurzen autobiographischen Beitrag, der jeweils in dem 1924 erschienenen Band „Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen“ erschien. 36 Ausführlichere Studien liegen beispielsweise für den Nationalökonom Julius Wolf (Kiesewetter, Wolf), die Architekten Felix Genzmer (Schabe, Genzmer), Christoph Hehl (Tacke, Diaspora), Johannes Otzen (Bahns, Otzen) oder Hans Poelzig (Heuss, Poelzig) vor. Allerdings legen die Arbeiten zu Künstlern und Architekten in der Regel ihren Schwerpunkt auf die Werke ihrer jeweiligen Protagonisten. In Bahns Studie zu Otzen beispielsweise beschränkt sich der biographische Abriss auf knapp sieben Seiten, während Werkanalyse und Werkverzeichnis jeweils rund 70 Seiten umfassen. In ähnlicher Weise enthält Kubiak, Grell nur eine zweiseitige biographische Skizze gefolgt von 40 Aquarellen des Malers. Darüber hinaus finden sich verschiedene kürzere Lebensbilder, vgl. etwa Braun, Reuleaux; Ciesla, Becker; Hoffmann & Stutz, Grenzgänger (zu Abraham Esau); Knothe & Tausendfreund, Winkler; Manegold, Riedler; Manegold, Slaby sowie die einzelnen Beiträge in Knobloch, Shoulders. 37 Willett, Sozialgeschichte, S. 24, fasst diese Themen unter dem Komplex „Subjektivität und Wertideen“ zusammen. Er stützt sich dabei „außer auf die handschriftlichen Lebensläufe, die seit 1903 im sogenannten ‚Goldenen Buch‘ der Universität Erlangen gesammelt wurden, vor allem auf Autobiographien, Memoiren, Predigten, Nachrufe, Reden, Abhandlungen zu Themen von gesellschaftlich-kultureller oder politischer Relevanz und teils auch auf Lehrbuchvorworte“ (ebd., S. 26f.). 18 Vorbemerkungen den Werdegang und die beruflichen Chancen der Professoren hatten. Allerdings ist dies eher Größe und Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe geschuldet: Derartige Ansätze erscheinen fruchtbarer im Kontext disziplinengeschichtlicher Studien.38 Angesichts der Breite der Quellenbasis verwundert es kaum, dass die erhobenen Daten nicht immer übereinstimmen: Gerade Jahreszahlen variierten in einigen Fällen selbst zwischen verschiedenen Ausgaben des „Biographisch-literarischen Handwörterbuchs zur Geschichte der exakten Wissenschaften“ von Johann Christian Poggendorff.39 So wurden die Angaben zu Promotion, Habilitation oder Berufstätigkeiten mitunter auf- oder abgerundet – also anstatt Dezember 1890 oder Januar 1901 beispielsweise 1891 beziehungsweise 1900 angegeben. Zwar konnte häufig das wahrscheinlichere Jahr ermittelt werden, eine gewisse Fehlerquote bleibt jedoch bestehen.40 Die Zahl der Arbeiten, die sich der sozialgeschichtlichen Betrachtung einer Gruppe von Hochschullehrern widmet, ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen.41 Zu erwähnen sind hier beispielsweise Marita Baumgartens Studie „Universitäten und Professoren im 19. Jahrhundert“ (1997), die mehrere Universitäten in den Blick nimmt, oder die einzelnen Institutionen gewidmeten Arbeiten von Christian Jansen „Vom Gelehrten zum Beamten. Karriereverläufe und soziale Lage der Heidelberger Hochschullehrer 1914–1933“ (1992), Olaf Willet „Sozialgeschichte Erlanger Professoren“ (2001) oder Sylvia Paletschek „Die permanente Erfindung einer Tradition. Die Universität Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik“ (2001). Diese Arbeiten verhelfen der Erforschung der deutschen Professoren im 19. und frühen 20. Jahrhundert zunehmend zu einer breiteren empirischen Basis, so dass die quantitativen Aussagen zu diesem Thema nicht mehr allein auf Christian von Ferbers Arbeit „Die Entwicklung des Lehrkörpers der deutschen Universitäten und Hochschulen 1864–1954“ aus dem Jahre 1956 beruhen müssen. Ferbers Arbeit wird jedoch weiterhin unverzichtbar bleiben, da die einzelnen Monographien je unterschiedliche Schwerpunkte setzen, in den verwendeten Kategorien variieren und verschiedene Zeiträume behandeln. Untereinander sind sie somit nicht problemlos vergleichbar. Ist die Zahl der Arbeiten zu Universitätsprofessoren mittlerweile recht groß, so sind die Technischen Hochschulen in dieser Hinsicht bisher vernachlässigt worden. Auch dies rechtfertigt die Wahl des Themas. Ferber berücksichtigt die technische Hochschullehrerschaft le38 Vgl. kurz zu netzwerkanalytischen Ansätzen den Überblick bei Lenger, Netzwerkanalyse. 39 Die einzelnen Ausgaben des Poggendorff sind im „Deutschen Biographischen Archiv“ enthalten. 40 Vgl. auch Schröder, Lehrkörperstruktur, S. 56: „Die Angabe ‚Promotion 1920‘ kann zeitlich weit streuen: die Promotion kann Ende 1919 (‚Aufrundung‘) oder tatsächlich 1920 oder Anfang 1921 (‚Abrundung‘) vollzogen worden sein. Dabei wird zudem oft nicht deutlich, ob ‚Promotion‘ zeitlich den Abschluß der Dissertation oder den Vollzug der Prüfungsleistung oder die Verleihung des Doktordiploms bezeichnet. […] Das, was für die Promotionsdaten gesagt wurde, gilt gleichermaßen für die Zeitangaben zur Habilitation, zu Berufungen, zu Hochschullehrertätigkeiten usw.“ 41 Vgl. den Literaturbericht bei Kraus, Kultur, S. 82f. Vorbemerkungen 19 diglich ab 1900, da erst mit der Verleihung des Promotionsrechts die Technischen Hochschulen alle Kriterien einer wissenschaftlichen Hochschule erfüllten.42 Für die Technische Hochschule in Braunschweig liegt mit dem Aufsatz von Bettina Gundler „Zur Sozialgeschichte der Braunschweiger Hochschullehrer 1862–1945“ (1993) eine Arbeit zu diesem Themenkomplex vor. Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch der kurze Beitrag Otfried Wagenbreths „Die soziale Herkunft und finanzielle Stellung der Lehrkräfte der Bergakademie Freiberg im 19. Jahrhundert“ (1997). Zudem erschien im Jahre 2004 Michael Paraks „Hochschule und Wissenschaft in zwei deutschen Diktaturen. Elitenaustausch an sächsischen Hochschulen 1933–1952“. Parak nimmt in dieser Untersuchung erstmals alle Hochschultypen einer Region in den Blick, im Falle Sachsens also die Universität Leipzig, die Handelshochschule Leipzig, die Technische Hochschule Dresden sowie die Bergakademie Freiberg.43 Aber nicht nur die Sozialgeschichte der Hochschullehrer der Technischen Hochschulen stellt ein Desiderat dar. Wenn Wolfgang König, Inhaber des Lehrstuhls für Technikgeschichte an der Technischen Universität Berlin, im Jahre 1981 den Forschungsstand zur Geschichte der Technischen Hochschulen als „unbefriedigend“ bezeichnete und eine „weitgehend negative Bilanz“44 zog, so fällt ein Urteil aus heutiger Sicht kaum anders aus. Grundlegend für die Beschäftigung mit der Geschichte des höheren technischen Bildungswesens in den deutschen Staaten ist immer noch Karl-Heinz Manegolds Arbeit „Universität, Technische Hochschule und Industrie“ aus dem Jahre 1970. Monographien zu den einzelnen Technischen Hochschulen liegen im eigentlichen Sinne nicht vor; groß ist hingegen die Zahl der Festschriften. Eine Ausnahme bildet wiederum die Technische Hochschule Braunschweig. Mit den Arbeiten von Helmuth Albrecht „Technische Bildung zwischen Wissenschaft und Praxis. Die Technische Hochschule Braunschweig 1862–1914“ (1987) und von Bettina Gundler „Technische Bildung, Hochschule, Staat und Wirtschaft. Entwicklungslinien des Technischen Hochschulwesens 1914 bis 1930. Das Beispiel der TH Braunschweig“ (1991) hat die Hochschule ihr Ziel, die „am besten erforschte bundesdeutsche Technische Hochschule“45 zu werden, sicherlich erreicht. Für die Technische Hochschule in Charlottenburg hingegen fällt die Bilanz eher negativ aus. Eine neuere und umfassende Gesamtdarstellung ihrer Geschichte gibt es nicht. Das von Charles E. McClelland attestierte „jubilee syndrome“46 der 42 Vgl. Ferber, Entwicklung, S. 35. Ferber nennt insgesamt vier Kriterien: „Rektoratsverfassung, Habilitations- und Promotionsrecht, sowie Staatlichkeit“. 43 Vgl. Parak, Hochschule, S. 19f. und 62ff. 44 König, Aufgaben, S. 47 und 56. Vgl. auch Kraus, Kultur, S. 80. 45 Pollmann, Vorstellung, S. 12. 46 McClelland, University, S. 16. Moraw, Aspekte, S. 2, spricht von Arbeiten, die „anlaß- und standortgebunden“ sind. Vgl. auch Hammerstein, Jubiläumsschrift, S. 603ff.; Müller, Erinnern, S. 90ff. Müller stellt fest, dass sich „mit dem Universitätsjubiläum frühzeitig die historische Teildisziplin der Universitätsgeschichte“ (S. 90) verband und weist auf die Gefahr hin, dass „sozusagen in der Tradition des Jubiläumsablasses der kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fachlich nicht vertretbare Grenzen gesteckt werden“ (S. 93). Aller- 20 Vorbemerkungen deutschen Universitätsgeschichtsschreibung lässt sich anhand der Charlottenburger Hochschule und ihrer Vorgängerakademien idealtypisch darstellen. Am Anfang steht Friedrich Nottebohms „Chronik der Königlichen Gewerbe-Akademie zu Berlin“, die 1871 zum 50jährigen Bestehen der Akademie erschien. Nottebohm war von 1857 bis 1868 ihr Direktor gewesen. Im Jahre 1899 folgte die in weiten Teilen von dem Kunsthistoriker Eduard Dobbert verfasste „Chronik der königlichen Technischen Hochschule zu Berlin, 1799–1899“. Ausgehend vom Gründungsjahr der Bauakademie konnten Rektor und Senat zwanzig Jahre nach Errichtung der Hochschule formulieren, sie schauten „auf eine hundertjährige Entwicklung und Arbeit“47 zurück. Sowohl Nottebohm als auch Dobbert schrieben eine Geschichte des Aufstiegs. „Die gesunde, stufenmässige Entwickelung der Gewerbe-Akademie aus kleinen unscheinbaren Anfängen zu ihrem jetzigen Umfange erinnert an die Entwickelungsgeschichte unseres Staates.“48 – So lautet der erste Satz von Nottebohms Chronik. In ähnlicher Weise betont Dobbert die bescheidenen Anfänge des Gewerbeinstituts. Gleichzeitig hatte die Gründung der Technischen Hochschule für ihn, sozusagen als Ziel und Bestimmung von Bauund Gewerbeakademie, etwas Folgerichtiges – sei doch „der allmähliche Entwicklungsgang, den diese beiden Institute genommen, ein derartiger, dass dieselben gleichsam einer Vereinigung zuzustreben schienen.“49 Seine Darstellung endet mit der Einweihung des neuen Gebäudes der Hochschule 1884, aus deren Anlass die Schrift ursprünglich verfasst worden war. Die Beschreibung der Jahre von 1884 bis 1899 ist aus Einzelberichten der verschiedenen Abteilungen zusammengesetzt, die sich wiederum stark an der alljährlich vom Prorektor geschriebenen und im Vorlesungsverzeichnis veröffentlichten Chronik orientierten. Dobberts Darstellung ist insgesamt eine Mischung aus Verfassungsgeschichte der Lehranstalten – er referiert Statuten und Lehrpläne – und einer unsystematischen Sammlung biographischer Angaben zu wichtigen Lehrenden. Sie stellt damit eine leicht erschließbare, aber auch teilweise ungenaue und lückenhafte Quelle für eine prosopographische Untersuchung dar.50 Zum 125jährigen Gründungsjubiläum der Bauakademie im Jahre 1924 erschien eine Festschrift mit dem Titel „Die Technische Hochschule zu Berlin 1799–1924“, die jedoch weitaus bescheidener ausfiel und eher den gegenwärtigen Zustand der Hochschule thematisierte denn ihre Geschichte. Zur 75-Jahrfeier der Gründung der Technischen Hochschule gab Alfred Herrmann 1954 die Schrift 47 48 49 50 dings werde diese Gefahr „im Regelfall reflektiert“ und spiele „eine geringe Rolle bei den gegenwärtigen Schwerpunkten universitätsgeschichtlichen Arbeitens“ (S. 93). Es bleibt jedoch festzuhalten, dass sich gerade die Festschriftliteratur des 19. Jahrhunderts nicht unbedingt durch eine kritische Distanz zu ihrem Gegenstand auszeichnet. – Indes: „Eine methodisch etwas problematische Arbeit ist besser als gar keine“ (Moraw, Aspekte, S. 2). Dobbert, Chronik, S. 7. Nottebohm, Chronik, S. 1. Dobbert, Chronik, S. 101. Vgl. König, Aufgaben, S. 65, Anm. 54: „Biographische Zusammenstellungen der Professoren in den einzelnen Festschriften stellen umfangreiches, noch einer systematischen Auswertung bedürfendes Material dar.“ Vorbemerkungen 21 „Technische Universität Berlin-Charlottenburg“ heraus, und Hugo Strunz nahm die 100-Jahrfeier der Gründung der Bergakademie zum Anlass, „Von der Bergakademie zur Technischen Universität Berlin, 1770 bis 1970“ zu veröffentlichen. Beide Bücher verdanken den älteren Arbeiten viel. Strunz’ kurze Darstellung fußt im Wesentlichen auf der einzigen nicht im Festrhythmus erschienenen Studie, der „Geschichte der Bergakademie zu Berlin von ihrer Gründung im Jahre 1770 bis zur Neueinrichtung 1860“ von Paul Krusch (1904). Sie enthält darüber hinaus jedoch einen umfangreichen biographischen Teil zu ausgewählten Professoren der Geo- und Bergbauwissenschaften sowie der Metall- und Hüttenkunde. Anlässlich der Hundertjahrfeier der Gründung der Charlottenburger Hochschule gab Reinhard Rürup 1979 zwei Sammelbände unter dem Titel „Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879–1979“ heraus. Diese beiden Bände bieten den bislang besten Überblick über die Geschichte der Hochschule und beleuchten diese aus verschiedensten Perspektiven: Wilhelm Heinz Schröder untersuchte in einem umfangreichen Beitrag die Karrieremuster aller Dozenten, die zwischen 1879 und 1945 an der Charlottenburger Hochschule lehrten und forschten. Schröder wählte gleichsam eine universitäre Perspektive und konzentrierte sich auf die akademische Laufbahn, Karriereschritte außerhalb des Hochschulbereichs blieben unberücksichtigt.51 Darüber hinaus reicht die Bandbreite der Festschrift von allgemeinen technikgeschichtlichen Untersuchungen, über biographische Aufsätze zu einzelnen Forschern und Lehrern bis hin zur Baugeschichte des Hochschulgebäudes.52 Allerdings geht der Blick für das Ganze dabei häufig verloren.53 Zudem haben die einzelnen Beiträge eine recht unterschiedliche Qualität und nicht alle reichen an Rürups einleitenden Aufsatz „Die Technische Universität Berlin 1879–1979: Grundzüge und Probleme ihrer Geschichte“ heran. Auch der 1999 erschienene Sammelband zur Ausstellung „1799–1999. Von der Bauakademie zur Technischen Universität Berlin. Geschichte und Zukunft“ kann das Fehlen einer Monographie zur Geschichte der Hochschule nicht kompensieren. Vielmehr erscheint er 51 Das reiche Zahlenmaterial ist zudem schwierig zu handhaben, da spätere Karrierestufen von Anfang an in die Analyse eingehen – ein Dozent, der 1920 als außerordentlicher Professor an die Hochschule kam und vier Jahre später zum Ordinarius aufstieg, wird also schon 1920 als Ordinarius gezählt. Schröder begründet dieses Vorgehen mit dem Hinweis: „Nur auf diese Weise lassen sich allgemein retrospektiv und prospektiv langfristige Karrieremuster und ihre Voraussetzungen entlang der Zeitachse beobachten“ (Schröder, Lehrkörperstruktur, S. 60). Dies führt dazu, dass unter der Überschrift „Typenstruktur der Ordinarien unter den Hochschullehrern der TH Berlin 1879–1945 (pro Jahr)“ (S. 599) für das Jahr 1879 insgesamt 44 Ordinarien aufgeführt werden, gruppiert in acht Typen „nach der der maximalen Zahl der logischen Verknüpfungen der vier Karrierestufen“ (S. 83) Promotion, Habilitation, Extraordinariat und Ordinariat, während das Vorlesungsverzeichnis für 1879 lediglich 31 Ordinarien verzeichnet. 52 Vgl. auch Ellwein, Universität, S. 123, der die beiden Sammelbände neben der Arbeit von Manegold als „die beste Veröffentlichung“ zum Thema Technische Hochschulen bezeichnet. 53 Hammerstein, Jubiläumsschrift, S. 612, nennt Aufsatzsammlungen die „klassische Verlegenheitslösung anläßlich von Universitätsjubiläen“ und kommentiert: „Der Buchbinder hat da zumeist die Einheit zu stiften!“ (S. 605). 22 Vorbemerkungen durch die Kürze der einzelnen Beiträge – oft nur drei oder fünf Seiten – sehr fragmentiert. Noch stärker als in den beiden Sammelbänden von 1979 fehlt das einigende Moment. Im Jahre 2004 schließlich erschien der von Eberhard Knobloch herausgegebene zweisprachige Band „‚The shoulders on which we stand‘ – Wegbereiter der Wissenschaft. 125 Jahre Technische Universität Berlin“, in dem 55 kurze Lebensbilder wichtiger Forscher und Lehrer der Hochschule versammelt sind. Allein die Berliner Gewerbeakademie erfuhr eine eingehende Erörterung außerhalb der Festschriftliteratur. Anfang der siebziger Jahre legte Peter Lundgreen zuerst die Arbeit „Bildung und Wirtschaftswachstum im Industrialisierungsprozeß des 19. Jahrhunderts. Methodische Ansätze, empirische Studien und internationale Vergleiche“ (1973) vor, der kurze Zeit später der Band „Techniker in Preußen während der frühen Industrialisierung. Ausbildung und Berufsfeld einer entstehenden sozialen Gruppe“ (1975) folgte. In beiden Studien befasst sich Lundgreen auch mit dem Gewerbeinstitut. Dabei steht weniger die Entwicklung zur Technischen Hochschule im Vordergrund; vielmehr geht es um die Rolle der Akademie in der preußischen Gewerbeförderung. So widmet sich Lundgreen eher den Absolventen als den Dozenten und attestiert eine Entwicklung, die „den angestellten Techniker zum beherrschenden Typ unter den Absolventen des Gewerbe-Instituts werden ließ.“54 Auf den hier kurz skizzierten Forschungsstand aufbauend, nähert sich dieses Buch der Charlottenburger Technischen Hochschule und ihren Vorgängerakademien aus verschiedenen Richtungen. Im ersten Kapitel werden zentrale Aspekte der Entwicklung des höheren technischen Bildungswesens vor 1850 behandelt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit gerade der jeweiligen Gründungssituation der drei Vorgängerakademien der Technischen Hochschule – wobei versucht wird, sie eben nicht allein als Vorgängerakademien zu verstehen, sondern in ihren jeweils individuellen Kontext einzuordnen.55 Das zweite Kapitel thematisiert die Rahmenbedingungen. Neben der quantitativen Entwicklung der Hochschule werden hier zentrale Ereignisse, Voraussetzungen und Tendenzen ihrer Geschichte zwischen 1850 und 1945 erörtert. Die beiden folgenden Kapitel widmen sich sodann jenen knapp 300 Menschen, die als Lehrstuhlinhaber in dem zuvor dargelegten Rahmen die Geschicke der Technischen Hochschule wesentlich bestimmten. In Kapitel drei werden ihre Herkunft, ihr Bildungsweg und ihre Karriere vor der Berufung nach Charlottenburg analysiert. Kapitel vier beschäftigt sich mit ihrer Zeit in der preußischen Hauptstadt: Mechanismen der Berufung, Einkommensverhältnisse und Titelwesen. Darüber hinaus wird versucht, die Professur in den Kontext der jeweiligen Karriere einzuordnen, um so Ort und Stellenwert der Technischen Hochschule zu Berlin in der Hochschullandschaft Preußens und der deutschen Staaten näher bestimmen zu können. 54 Lundgreen, Techniker, S. 62. 55 Vgl. Moraw, Aspekte, S. 7 und 39. 1. HÖHERE TECHNISCHE BILDUNG IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS 1. VORGESCHICHTE: HÖHERE TECHNISCHE BILDUNG IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS 1. HÖHERE TECHNISCHE BILDUNG IN DER ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS Die Jahre um die Wende zum 19. Jahrhundert waren für die europäischen Universitäten eine Zeit der Krise. Schon die quantitative Bestandsaufnahme macht dies deutlich. Während man um 1789 europaweit noch an 143 Universitäten studieren konnte, waren es ein Vierteljahrhundert später nur noch 83; noch stärker, um rund die Hälfte, verringerte sich ihre Zahl in den deutschen Staaten. Hier existierten um 1815 noch 16 Universitäten. Darüber hinaus erschienen sie den Zeitgenossen erstarrt und unbeweglich, das Ansehen in der Gelehrtenwelt sank, und innovativ waren schon im 18. Jahrhundert eher die Akademien der Wissenschaften.1 Allerdings spielten die Universitäten in den deutschen Staaten als Ausbildungsinstitutionen gerade für juristisch geschulte Verwaltungsbeamte weiterhin eine zentrale Rolle.2 Ausdruck der universitären Krise war es jedoch, dass neue staatliche Bedürfnisse nicht unbedingt durch die Einrichtung neuer Fachrichtungen an den alten Hochschulen gedeckt wurden, wie dies noch 1727 im Falle der Kameralwissenschaften an der Universität in Halle geschehen war. Vielmehr entstanden im Laufe des 18. Jahrhunderts außerhalb der Universitäten eine Vielzahl spezialisierter Fachschulen, die sich jeweils als Antwort auf einen konkreten Bedarf des spätabsolutistisch-merkantilistischen Staates an gut ausgebildeten Fachkräften verstehen lassen. In die Reihe dieser Institutionen gehören beispielsweise das 1724 in Berlin eingerichtete Collegium Medico Chirurgicum, das Braunschweiger Collegium Carolinum (1745), die 1748 im französischen Mézières eröffnete École du Génie Militaire, die beiden ebenfalls militärischen Ausbildungsstätten Ingenieur-Akademie (1788) und Artillerie-Akademie (1791) in Berlin, die Bergakademien in Schemnitz (1763, heute Banská Štiavnica, Slowakei), Freiberg (1765), Berlin (1770), Clausthal (1775) und Paris (1783), die École des Ponts et Chaussées in Paris (1755) oder die 1799 in Berlin gegründete Bauakademie. Allein die Notwendigkeit der Gründung des Collegium Medico Chirurgicum, an dem haupt- 1 2 Vgl. Rüegg, Themen, S. 17, der von der „Universitätslandschaft als Trümmerfeld“ spricht. Vgl. auch Kraus, Kultur, S. 22; Anderson, Universities, S. 4; McClelland, University, S. 27ff.; Moraw, Aspekte, S. 18f. und 31; Ellwein, Universität, S. 45f. und 111f.; Turner, Universitäten, S. 221ff.; Laitko, Wissenschaft, S. 115. Allerdings darf der Rückgang der Zahl der Universitäten nicht überbewertet werden: Rund 40 Prozent der 7.900 Studierenden in den deutschen Staaten besuchten im späten 18. Jahrhundert die Universitäten Halle, Göttingen, Jena und Leipzig; die verbleibenden 31 Universitäten hatten durchschnittlich nur 150 Studierende (vgl. Turner, Universitäten, S. 221). Vgl. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 57; Manegold, Universität, S. 23; McClelland, University, S. 7; Anderson, Universities, S. 21. Ellwein, Universität, S. 47ff., charakterisiert die Universität als „Staatsdienerschule“. Speziell zu Preußen vgl. Neugebauer, Bildungswesen, S. 647f. Vgl. ebd., S. 649, auch zur Kameralistik in Halle. 24 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sächlich Militärärzte ausgebildet wurden, wirft kein gutes Licht auf die Qualität der universitären Medizinerausbildung.3 Miteinander gemein hatten diese Institutionen zum einen eine vergleichsweise geringe Schülerzahl, denn ausgebildet wurde eben bedarfsorientiert. Um 1770 war beispielsweise die Schemnitzer Akademie mit rund 40 Studierenden pro Jahrgang die am stärksten frequentierte der Bergakademien.4 Zum anderen wäre es verfehlt, diese Ausbildungsstätten zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Gründung als wissenschafts- oder gar forschungsorientierte Einrichtungen zu begreifen. Vielmehr handelte es sich um aus utilitaristischen Überlegungen heraus geschaffene Beamtenschulen. Seinen Bedarf an gebildeten – genauer: technisch gebildeten – Beamten für das Militär, für den Bergbau und das Bauwesen suchte der Staat also jenseits der Universitäten zu decken – zumindest in Frankreich und in den deutschen Staaten. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Universität als Hort der zweckfreien Wissenschaft und Menschenbildung gleichsam neu erfunden wurde, und damit die klassische Phase in der Geschichte der deutschen Universität begann, vergrößerte dies die Distanz zwischen den etablierten Wissenschaften und den jungen technischen Fachrichtungen weiter – ungeachtet der Tatsache, dass von einer vollständigen Umsetzung dieses mit dem Namen Wilhelm von Humboldt verbundenen Ideals kaum gesprochen werden kann.5 Die technischen Schulen in den deutschen Staaten und in der Habsburgermonarchie, die zwischen 1806 und 1836 von Prag bis Darmstadt eingerichtet worden waren, standen dementsprechend fern dieses neuhumanistischen Menschenbildungsideals in der Tradition jener Fachschulen des 18. Jahrhunderts, gingen mitunter aus ihnen hervor.6 Neu an ihnen war zum einen, dass sie sich nicht ausschließlich auf ein Spezialgebiet konzentrierten, sondern polytechnisch orientiert waren. Zum anderen trat neben das Ziel der Beamtenausbildung mindestens gleichberechtigt die Absicht, Gewerbe und Industrie zu fördern, also auch für den privatwirtschaftlichen Sektor auszubilden. Die Idee der staatlichen Gewerbeförderung durch Bildung war, wie der frühere Assistent Justus Liebigs und damalige Wormser Gymnasiallehrer Friedrich Schoedler7 1847 for3 4 5 6 7 Ellwein, Universität, S. 112, hält fest, dass das Collegium „als den meisten medizinischen Fakultäten überlegen“ galt. Für einen Überblick über die Entwicklung in den deutschen Staaten vgl. Lundgreen, Fachschulen; für eine stärker europäische Perspektive vgl. Guagnini, Technik. Zu Preußen vgl. kurz Neugebauer, Bildungswesen, S. 650f. Zu den Bergakademien vgl. Treese, Bergbau. Vgl. Guagnini, Technik, S. 490. Vgl. zur Periodisierung der deutschen Universitätsgeschichte Moraw, Aspekte, S. 7ff. Zur Bedeutung des Humboldtschen Bildungsideals im 19. und 20. Jahrhundert vgl. u. a. Bruch, Farewell. Bruch stellt zusammenfassend fest: „these ideals never described reality but were instead a constant challenge to their own realization.“ Vgl. auch Turner, Universität, S. 223ff.; McClelland, University, S. 213: die technischen Disziplinen wurden von den Universitäten ausgeschlossen „by tradition, with reinforcement from the thinking of the neo-humanists.“ Für eine zeitgenössische Übersicht vgl. Nebenius, Lehranstalten, bes. S. 13ff.; Schoedler, Schulen und mit einer stärker europäischen Perspektive Ko istka, Unterricht. Friedrich Karl Ludwig Schoedler (1813–1884) studierte an der Universität Gießen. Nach seiner Promotion war er 1835–1838 Assistent Liebigs, 1842–1854 Gymnasiallehrer in Worms 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 25 mulierte, „dem gesammten Gewerbewesen in allen seinen Zweigen Männer zuzuführen, welche, mit einer tüchtigen Ausbildung gerüstet, im Stande sind, dasselbe zu fördern und in einen solchen Zustand der Blüthe zu versetzen, wie sie der Bedeutung unseres großen Volkes angemessen ist.“8 Schoedler hatte im Herbst des Jahres 1846 mehrere technische Schulen in den deutschen Staaten besucht und die Ergebnisse dieser Studienreise in seinem Buch „Die höheren technischen Schulen nach ihrer Idee und Bedeutung“ zusammengefasst. Eine ähnlich Reise – nicht nur durch deutsche Staaten, sondern auch durch England, Belgien, Frankreich und die Schweiz – unternahm knapp zwei Jahrzehnte später der Professor des Prager Polytechnikums Carl Ko istka9, der seine Beobachtungen ebenfalls publizierte.10 Schon den Zeitgenossen war bewusst, dass England eine industrielle Führungsrolle erlangt hatte, ohne sich um die höhere technische Bildung zu bemühen – Koistka schrieb, er habe „das Wenige, das England in London auf diesem Gebiete besitzt“11 besucht. Dessen ungeachtet sah man in der „Bildung zur Industrie“12 das passende Mittel, den englischen Vorsprung wettzumachen. Diese Idee der staatlichen Gewerbeförderung war typisch für die Nachfolgeländer der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts.13 Die höheren technischen Schulen waren in diesem Konzept nur ein Element; auch der Aufbau von Real- und Gewerbeschulen unterhalb der Polytechnika gehört in diesen Kontext.14 8 9 10 11 12 13 14 und 1854–1883 Direktor der Realschule in Mainz. Vgl. ADB 32, S. 213, dort auch Angaben zu weiteren Veröffentlichungen Schoedlers. Schoedler, Schulen, S. VI. Carl Ritter von Ko istka (1825–1906, seit 1878 österreichischer Ritter) studierte an der Wiener Universität und an der Schemnitzer Bergakademie, wo er auch als Assistent tätig war. 1850 wurde er Professor für Geodäsie an der technischen Lehranstalt in Brünn, 1851 am Prager Polytechnikum, wo er bis 1893 blieb. Vgl. DBA I 694, 325–333; DBA II 745, 158–167; DBA III 508, 114. Ko istka, Unterricht. Die Bücher Schoedlers und Ko istkas stellen wichtige Quellen zur zeitgenössischen Wahrnehmung des technischen Bildungswesens dar. Für beide Autoren steht dabei der Aspekt der Gewerbeförderung deutlich im Vordergrund. Beide Darstellungen sind zudem in weiterem Sinne als Selbstwahrnehmungen bzw. Selbstdarstellungen zu charakterisieren, da beide Autoren im Bereich der technischen Bildung tätig waren. Ko istka, Unterricht, S. IV. Für die spätere Entwicklung in England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Guagnini, Worlds apart. Manegold, Universität, S. 17. Vgl. auch Lundgreen, Bildung, S. 125; Nipperdey, Bürgerwelt, S. 183. Vgl. Lundgreen, Bildung, S. 131. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 184, bezeichnet den Aufbau eines technischen Bildungswesens als „ein, wenn nicht das Hauptgebiet dieser staatlichen Gewerbeförderung.“ Ebenso Pfetsch, Wissenschaftspolitik, S. 139. Vgl. König, Heterogeneity, S. 65; Lundgreen, Fachschulen, S. 300ff. Ko istka, Unterricht stellt jeweils kurz die Vorbildungseinrichtungen in den einzelnen von ihm besuchten Ländern vor. 26 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1.1 DAS FRANZÖSISCHE VORBILD UND DIE ENTWICKLUNG IN DEN DEUTSCHEN STAATEN 1.1 DAS FRANZÖSISCHE VORBILD UND DIE ENTWICKLUNG IN DEN DEUTSCHEN STAATEN So wie den liberalen Beamten, die sich für die Einrichtung technischer Schulen einsetzten, die im späten 18. Jahrhundert in Paris gegründete École Polytechnique als Referenzpunkt in ihrer Argumentation diente, so bilden die im späten 19. Jahrhundert in den deutschen Staaten eingerichteten Technischen Hochschulen häufig den Fluchtpunkt, wenn Historiker die Geschichte jener technischen Schulen erzählen. Beides ist durchaus berechtigt, beides jedoch vereinfacht auch. Sicher kann die Entwicklung der technischen Schulen in den deutschen Staaten als Aufstiegsgeschichte geschrieben werden, die in den Technischen Hochschulen gipfelte; allerdings verlief diese Entwicklung keineswegs geradlinig und bruchlos. Sicher kam der École Polytechnique für die Entwicklung des deutschen höheren technischen Bildungswesens eine Vorbildfunktion zu; allerdings bezog sich diese weniger auf die konkrete Ausformung und Zielsetzung der Lehranstalten als auf ihre – fraglos nicht weniger wichtige – Legitimation.15 Im Jahre 1794 wurde in Paris die École Centrale des Travaux Publics gegründet und ein Jahr später in École Polytechnique umbenannt. Sie bildete chronologisch betrachtet den Schlussstein im höheren technischen Ausbildungssystem Frankreichs. Systematisch betrachtet war sie sein Fundament. Nach einer zweijährigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung wandten sich ihre Absolventen für weitere drei Jahre den Écoles d’Application oder Écoles Spéciales zu, an denen sie ihre fachspezifische Ausbildung für beispielsweise das Bauwesen an der École des Ponts et Chaussées oder den Bergbau an der École des Mines erhielten. Nach Abschluss des Studiums traten sie in der Regel sofort in den Staatsdienst ein. Der École Polytechnique kam also die Rolle einer Vorschule zu, die ihren Studierenden theoretische Grundlagen vermittelte und in diesem Sinne allgemein bildete.16 Sie war damit der artistischen Fakultät einer mittelalterlichen Universität recht ähnlich. Der neue Gedanke, der in der École Polytechnique seinen Ausdruck fand, war der innere Zusammenhang der einzelnen technischen Disziplinen. Man suchte, die Technik jenseits des praktischen Ausprobierens auf 15 Zur Gründung der höheren technischen Bildungsanstalten in den deutschen Staaten vgl. kurz Kraus, Kultur, S. 33f.; detaillierter Lundgreen, Fachschulen; zeitgenössisch Schoedler, Schulen. Zur Vorgeschichte der Technischen Hochschulen vgl. u. a. König, Verwaltungsstaat; Manegold, Universität, bes. S. 17ff.; Schnabel, Anfänge; für eine stärker pädagogisch-didaktische Perspektive vgl. Blankertz, Bildung, bes. S. 77ff.; für jeweils kurze Überblicke zur Entwicklung der einzelnen Hochschulen vgl. Lexis, Hochschulen, S. 181ff. und den 1941 erschienenen Sammelband „Die Deutschen Technischen Hochschulen. Ihre Gründung und geschichtliche Entwicklung“ (o. A.). Für eine Relativierung der Vorbildfunktion der École Polytechnique vgl. schon Ko istka, Unterricht, S. 87. Blankertz, Bildung, S. 77f., bezeichnet die École als „anregend für viele europäische Länder“, weist jedoch auf den begrenzten Charakter der deutschen Gründungen hin. Generell zum französischen Einfluss auf die Entwicklung der Schul- und Hochschulbildung in den deutschen Staaten Anfang des 19. Jahrhunderts vgl. Speitkamp, Einfluß – zum technischen Bereich bes. S. 566ff. 16 Vgl. ausführlich zur didaktischen Konzeption der École Polytechnique Blankertz, Bildung, S. 61ff. 1.1 Das französische Vorbild und die Entwicklung in den deutschen Staaten 27 eine in erster Linie mathematische und in zweiter Linie naturwissenschaftliche Basis zu stellen.17 Die École war dem Kriegsministerium unterstellt und wurde in der Regel von einem Brigadegeneral geleitet. Hier werden die Wurzeln des Ingenieurberufs im Militär deutlich. Dementsprechend herrschte an der Schule eine militärische Disziplin. Die Studierenden, normalerweise zwischen 16 und 20 Jahren alt, trugen Uniformen, waren kaserniert und einem streng geregelten Tagesablauf unterworfen.18 Etwas offener war das Klima an den Écoles d’Application; sie unterstanden nicht dem Kriegs-, sondern den jeweiligen Fachministerien. Die Studierenden konnten ihre Wohnung frei wählen und erhielten bereits ein monatliches Gehalt. Das hohe Sozialprestige der Schüler und der ancien élèves de l’école polytechnique lag zum einen in dem strengen Ausleseverfahren begründet, das sie durchlaufen mussten. Zum anderen wurde hier, zumindest anfangs, allein für den höheren Staatsdienst ausgebildet. Die rasche Karriere war gleichsam garantiert. Die École Polytechnique und die weiterführenden Écoles d’Application können in diesem Sinne als „Kaderschmieden für Spitzenbeamte“19 verstanden werden. Aufgrund der Konzentration auf den Staatsdienst waren die Schülerzahlen gering. Insgesamt konnten jedes Jahr 120 Eleven das Studium an der École aufnehmen. Die Zahl der Bewerbungen war regelmäßig deutlich höher, sie überstieg die Anzahl der Plätze teilweise um das Zehnfache. Noch kleiner waren die weiterführenden Spezialschulen. Als Ko istka 1863 Paris besuchte, studierten an der École des Ponts et Chaussées 60 Ingenieur-Eleven; hinzu kamen 30 externe Hörer, eine kurz zuvor eingeführte Neuerung.20 Aus den kleinen Schülerzahlen ergibt sich natürlich eine vorteilhafte Betreuungsrelation: An der École des Ponts et Chaussées unterrichteten bei Ko istkas Besuch 16 Lehrer, elf von ihnen besaßen den Titel Professor. Vor dem Hintergrund der strengen Schülerauswahl und dem sehr günstigen Verhältnis von weniger als sechs Studierenden je Lehrer erscheint es kaum überraschend, dass die École Polytechnique auch wissenschaftlich schnell zu hohem Ansehen gelangte. Schon ein halbes Jahrzehnt nach ihrer Gründung galt sie in Europa als „Metropole aller exakten Wissenschaften.“21 Besucher aus dem Ausland trugen dazu bei, das französische Modell bekannt zu machen. Aus den deutschen Staaten sind hier etwa die Namen Alexander von Humboldt, Eilhardt Mitscherlich oder Justus Liebig zu nennen. 17 Manegold, École Polytechnique, S. 183, bezeichnet die „gesetzmäßige Einheit aller technischen Betätigungen“ als grundlegende Idee des Pariser Instituts und die Schule selbst als „Ausdruck einer Mathematisierung der anderen Wissenschaftszweige.“ Vgl. auch Lundgreen, Fachschulen, S. 294f.; Guagnini, Technik, S. 491f.; Manegold, Universität, S. 20f.; Schnabel, Anfänge, S. 8. 18 Vgl. Ko istka, Unterricht, S. 92: „Das Ausgehen in Civilkleidung wurde streng bestraft.“ 19 Guagnini, Technik, S. 492. 20 Vgl. Ko istka, Unterricht, S. 92 und 98. 21 Manegold, Universität, S. 18. Vgl. auch Lundgreen, Fachschulen, S. 295; Guagnini, Technik, S. 492: „Ohne Zweifel waren diese Schulen im 19. Jahrhundert in der Entwicklung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Wissenschaften führend.“ 28 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gut ein Jahrzehnt nach der Gründung der École Polytechnique wurde in Prag die Technische böhmisch-ständische Lehranstalt errichtet, deren Wurzeln sich bis zu der 1717 von den Landständen gestifteten „Professur für Militär- und Civil-Ingenieurkunst“22 zurück verfolgen lassen. Wiederum ein Jahrzehnt später nahm das Polytechnische Institut in Wien den Lehrbetrieb auf, welches aus der seit 1770 bestehenden Real- und Handelsakademie hervorgegangen war. Schon der Historiker Franz Schnabel hat 1925 auf die Parallelität zwischen der Ausbreitung der Universität im Mittelalter und jener des Polytechnikums in der Neuzeit hingewiesen. Auch hier sei Paris das Vorbild gewesen, dem Prag und Wien folgten, sodann Heidelberg – beziehungsweise Baden, um auch die Technische Hochschule in Karlsruhe in diese Reihe stellen zu können.23 Aber genauso wie im 14. Jahrhundert die Prager Universität keine Kopie der Pariser war24, weisen auch im 19. Jahrhundert das Prager und das Wiener Polytechnikum wesentliche Unterschiede zur Pariser École auf.25 Übernommen wurde das grundlegende Konzept der Einheitlichkeit der technischen Disziplinen hinsichtlich ihrer mathematisch-naturwissenschaftlichen Fundierung. Verzichtet wurde neben dem militärischen Charakter auf die räumliche und institutionelle Trennung von Vor- und Fachschulen. Am Wiener Polytechnikum existierten zwei Abteilungen, eine technische und eine kommerzielle; in Prag gab es „einen regelmäßigen dreijährigen Kurs und es werden aus den vorgetragenen Lehrfächern je nach der Bestimmung der Schüler, Specialkurse gebildet.“26 Ein zentraler Wesensunterschied lag überdies in der erweiterten Zweckbestimmung der Schulen. Im Vordergrund stand hier nicht mehr die Ausbildung von technischen Beamten, sondern die Förderung des Gewerbes durch die Bereitstellung gut ausgebildeter Techniker und Ingenieure. Daher orientierten sich die Kurse an den Gegebenheiten der lokalen Industrien. So konzentrierte sich die ständische Lehranstalt in Prag beispielsweise „auf die in Böhmen vorherrschenden Glas- und Porzellan-Fabriken, Cattundruckerei und Hüttenwerke.“27 Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Zielsetzung relativierte schon Ko istka den Vorbildcharakter der französischen École. Zu Unrecht habe man in den letzten Jahrzehnten die französischen Fortschritte in der privaten Industrie der „Polytechnik in Paris“ zugeschrieben, denn „jene imaginäre Polytechnik, welche in der 22 Ko istka, Unterricht, S. 124. 23 Vgl. Schnabel, Anfänge, S. 1. Der Aufsatz erschien in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Technischen Hochschule Karlsruhe. 24 Mit der Vereinigung aller vier Fakultäten unter einem Dach trat in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Prag erstmals ein neuer, später äußerst erfolgreicher Universitätstyp auf. Moraw, Universität Prag, S. 23, spricht von der „fortan modellbildenden Vierfakultäten-Universität als Summierung verschiedenartiger älterer Entwicklungen.“ In Prag selbst scheiterte dieses Modell, als sich die Universität 1372 offiziell in eine für die Juristen und eine für die übrigen drei Fakultäten aufspaltete (ebd., S. 32f.). An anderen Universitäten im Reich hat es derartige Spaltungen nicht mehr gegeben. 25 Zur Entwicklung der Technischen Hochschulen in der Habsburgermonarchie vgl. kurz Mikoletzky, Fachschulen, bes. S. 210ff. 26 Schoedler, Schulen, S. 78. Zu Wien vgl. ebd., S. 90. 27 Ebd., S. 77. 1.1 Das französische Vorbild und die Entwicklung in den deutschen Staaten 29 Phantasie mit allen möglichen Werkstätten und Laboratorien ausgerüstet gedacht wurde“ gäbe es in Paris gar nicht. Zwar finde man „vortrefflich eingerichtete Unterrichtsanstalten“28 für den Staatsdienst, aber bis vor kurzem keine staatliche Schule zur Ausbildung von Technikern und Ingenieuren für die Industrie. Bezüglich der Gewerbeförderung hatte vielmehr die Entwicklung in der Habsburgermonarchie und in den deutschen Staaten Vorbildcharakter für Frankreich gehabt: In Paris wurde 1829 zu diesem Zweck von privater Seite die École centrale des Arts et Manufactures gegründet. Sechs Jahre vor Ko istkas Besuch, im Jahre 1857, hatte der Staat diese Schule übernommen.29 Im Gegensatz zu den Fachschulen des 18. Jahrhunderts hatte gerade das Polytechnische Institut in Wien hochschulhafte Züge. Sein Statut gewährte Lehr- und Lernfreiheit, die Professoren hatten den Rang von Universitätsprofessoren und auch die Studierenden genossen die gleichen Privilegien wie jene der Universität. „Die polytechnischen Institute in Wien und Prag erhalten durch ihre zahlreichen, nicht für Staatszwecke sich bildenden Besucher einen ganz eigenthümlichen, zwanglosen Charakter, gewissermaßen vergleichbar einer reich besetzten Tafel, wo Jeder die ihm zusagende Speise sich aussucht.“30 So resümierte Schoedler nach seinem Besuch der beiden Einrichtungen im Herbst 1846. Allerdings muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass jene Studierenden, die nach einer staatlichen Anstellung strebten, einem festgelegten Studiengang zu folgen hatten.31 Dieses habsburgische Modell einer höheren technischen Lehranstalt, einer Lehranstalt also, an der die Studierenden sowohl mathematische Grundlagen als auch technisches Spezialwissen erwarben, an der sowohl zukünftige Beamte im technischen Staatsdienst als auch zukünftige Ingenieure der Privatwirtschaft studierten, wurde für die deutschen Staaten wegweisend und hatte konkreteren Vorbildcharakter als die Pariser École Polytechnique.32 – Im Vorfeld der Dresdner Gründung hatte der Direktor der sächsischen Finanzplankammer Wilhelm Ernst August von Schlieben eine Studienreise unter anderem durch Österreich, Baden und Bayern unternommen und empfahl König Friedrich August I. schon im Oktober 1822 „den Sitz Allerhöchstdero Residenz durch eine ähnliche, wenn auch nicht so weit umfassende und prachtvolle Anstalt wie die in Wien ist, zu verherrlichen.“33 Kurze Zeit später legte er einen Entwurf für die Organisation eines sächsischen Polytechnikums vor. Als die Höhere Gewerbeschule in Hannover ge28 Beide Zitate Ko istka, Unterricht, S. 87. 29 Vgl. Schnabel, Anfänge, S. 31. 30 Schoedler, Schulen, S. 89. Mikoletzky, Fachschulen, S. 218, attestiert den österreichischen Hochschulen einen „durchaus eigenen Entwicklungspfad“, den sie u. a. am „frühzeitige[n] Bestehen auf einen universitäts-analogen Rang“ festmacht. Vgl. auch Guagnini, Technik, S. 494; Schnabel, Anfänge, S. 15; Lexis, Hochschulen, S. 9; Ko istka, Unterricht, S. 132f. 31 Vgl. Lundgreen, Fachschulen, S. 297. 32 Ko istka, Unterricht, S. 137, spricht von Prag und Wien als „Musterschulen“. Vgl. auch Blankertz, Bildung, S. 81f: die Pariser Konzeption wurde in den deutschen Staaten „nirgendwo ernsthaft aufgenommen“ (ebd., S. 82). Vgl. auch Treue, Verhältnis, S. 225. 33 Zit. bei Pommerin, TU Dresden, S. 9. 30 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründet wurde, war der ehemalige Schüler des Wiener Polytechnischen Instituts Karl Karmasch34, gerade 27jährig, mit der Einrichtung beauftragt und zum ersten Direktor berufen worden.35 Im Jahrzehnt zwischen 1825 und 1836 entstanden höhere technische Schulen in Karlsruhe (1825), München (1827), Dresden (1828), Stuttgart (1829), Hannover (1831), Kassel (1831), Augsburg (1833), Nürnberg (1833), Braunschweig (1835) und in Darmstadt (1836). Kaum eine dieser Gründungen war eine wirkliche Neueinrichtung; sie fußten vielmehr in der Regel auf älteren, meist recht kleinen Institutionen – die Braunschweiger beispielsweise auf der technischen Abteilung des bereits erwähnten Collegium Carolinum, und in Darmstadt wurde eine seit 1822 bestehende Realschule erweitert. Eine gewisse Ausnahme bildet die 1821 in Berlin eröffnete Technische Schule, die weiter unten eingehender erörtert wird. In sozialer Hinsicht waren diese Einrichtungen eine bürgerliche Angelegenheit.36 Befürworter und Träger ihrer Entwicklung war die aufgeklärte, liberale Beamtenschaft; namentlich besonders hervorzuheben sind Karl Friedrich Nebenius37 in Baden sowie Peter Christian Wilhelm Beuth38 und Gottlob Johann Christian Kunth39 in Preußen. Trotz ihres gemeinsamen Vorbildes und ihrer gemeinsamen Zielsetzung waren die einzelnen Einrichtungen ihrer Struktur und Größe nach vergleichsweise heterogen und blieben dies auch mindestens bis zur Jahrhundertmitte. Äußeres Zeichen hierfür ist nicht zuletzt die Vielfalt der Namen: Technische Bildungsanstalt in Dresden, Polytechnische Schule in Karlsruhe, Höhere Gewerbeschule in 34 Karl Karmasch (1803–1879) studierte am Polytechnischen Institut in Wien und leitete seit 1831 die Höhere Gewerbeschule in Hannover (vgl. Lexis, Hochschulen, S. 192; Blankertz, Bildung, S. 82; Gispen, Profession, S. 38ff.). Zum Wirken Karmaschs in Hannover vgl. Glubrecht, Karmasch. 35 Vgl. Blum, Entwicklung, S. 12; Lexis, Hochschulen, S. 191; Ko istka, Unterricht, S. 68. 36 Schnabel, Geschichte, S. III, sieht „Konstitution und Maschine“ als Leitwort des 19. Jahrhunderts: „Das Bürgertum war der Träger von Verfassungsgedanke, Erfahrungswissenschaft und moderner Technik.“ 37 Karl Friedrich Nebenius (1785–1857) studierte 1802–1805 in Tübingen Jura, trat nach mehreren Studienaufenthalten in Frankreich in den badischen Staatsdienst ein. Nach einigen Jahren im Finanzministerium wechselte er in das Innenministerium, wo er 1831 zum Staatsrat und Ministerialdirektor ernannt wurde und bis 1839 die Aufsicht über die Universitäten und höheren Lehranstalten innehatte. 1849 wurde er in den Ruhestand versetzt. Vgl. ADB 23, S. 351– 355; NDB 19, S. 16–18. 38 Peter Christian Wilhelm Beuth (1781–1853) studierte 1798–1801 in Halle Jura und Kameralwissenschaften und trat dann in den preußischen Staatsdienst ein. Seit 1814 war er Geheimer Oberfinanzrat in der Abteilung für Handel und Gewerbe im Finanzministerium, 1821 wurde er Mitglied des Staatsrates und 1828 Ministerialdirektor für Gewerbe, Handel und Bauwesen. 1845 schied er aus dem Dienst, blieb aber Mitglied im Staatsrat. Vgl. ADB 2, S. 588; NDB 2, S. 200f.; Treue, Beuth. 39 Gottlob Johann Christian Kunth (1757–1829) begann in Leipzig ein Jurastudium, welches er aus finanziellen Gründen abbrechen musste, und war 1777–1789 Erzieher der Brüder Humboldt. 1789 trat er im Bereich Handel und Gewerbe in den preußischen Staatsdienst ein. 1815 wurde er zum General-Handelskommissar ernannt. Vgl. ADB 17, S. 391–394; NDB 13, S. 303f. 1.1 Das französische Vorbild und die Entwicklung in den deutschen Staaten 31 Kassel oder Technische Schule in Berlin. Auch vereinten nicht alle Einrichtungen von Anfang an die Ausbildung für Staatsdienst und Privatwirtschaft. Schoedler kam nach seinem Vergleich der Einrichtungen zu dem Schluss, dass nur die Institutionen in Prag, Wien, Braunschweig und Karlsruhe der Sache nach „Technische Hochschulen“ seien. Für die übrigen biete sich eher die Bezeichnung „technische Lyceen“ an, da sie „in der Mitte stehen zwischen technischen Hochschulen und Mittelschulen.“40 Auch ihre Entwicklungsrichtung schien keineswegs vorgeschrieben. Von den oben genannten Schulen erreichten jene in Augsburg, Nürnberg und Kassel nicht den Status einer Technischen Hochschule. Unter jenen Schulen, die an dieses ‚Ziel‘ gelangen sollten, war insbesondere die Entwicklung der Höheren Gewerbeschule in Darmstadt oft krisenhaft. Mehrmals stand sie vor der Schließung, da sie bis zur Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter der Nachbarschaft zur Gießener Ludwigs-Universität zu leiden hatte.41 Hessen-Darmstadt war der einzige deutsche Staat, der im 19. Jahrhundert versuchte, technische Lehrstühle an einer Universität zu etablieren und damit auch die Ausbildung der technischen Staatsbeamten universitär zu gestalten. Der Gewerbeschule Darmstadt gelang es im Gegensatz zu ihren Schwesternanstalten in den übrigen deutschen Staaten lange Zeit nicht, diese Kompetenz an sich zu ziehen – und damit die finanziellen Mittel und Studierendenzahlen, die zur Legitimation und Sicherung der eigenen Existenz und Expansion nötig waren. Im Jahre 1837 wurde an der Ludwigs-Universität in Gießen ein Extraordinariat, 1843 ein ordentlicher Lehrstuhl für Bauwissenschaft und Technologie eingerichtet; 1864 folgte ein Extraordinariat für Bau- und Ingenieurwissenschaft und fünf Jahre später auch hier der ordentliche Lehrstuhl.42 Ähnlich verfuhr man mit der Veterinärmedizin und der Forstwissenschaft – man hatte in Hessen-Darmstadt „von Anfang an alles recht und schlecht an der Landesuniversität konzentriert.“43 Gleichsam umgangen wurden so die Diskussionen um die rechten Vorbildungsanforderungen und das Promotionsrecht für die neuen, technischen Fächer, wie sie in den übrigen deutschen Staaten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer heftiger geführt wurden. Solange alles an der Gießener Universität konzentriert war, unterschied man in beiden Punkten in Hessen-Darmstadt nicht zwischen den etablierten und den jungen Wissenschaften und zeigte sich damit – gewollt oder ungewollt – 40 Schoedler, Schulen, S. 101. 41 Vgl. König, Verwaltungsstaat, S. 116; Lundgreen, Fachschulen, S. 297. 42 Vgl. Moraw, Universität Gießen, S. 159; Baumgarten, Hochschullehrer, S. 52. Ein schon 1819 eingerichtetes Extraordinariat für Technologie, Berg- und Hüttenkunde blieb kurzlebig (vgl. Moraw, Universität Gießen, S. 159). 43 Moraw, Universität Gießen, S. 156. Ein Ordinariat für Forstwissenschaft wurde 1824 eingerichtet, eines für Veterinärmedizin 1869 (vgl. S. 157). Zusammenfassend spricht Moraw von einem „‚Gießener Modell‘ für ‚junge‘ Wissenschaften“, welches spätestens seit 1869 „ein nicht allzu breit angelegtes, jedoch formal einwandfreies ‚technisches‘ Studium, im Kern eine Ausbildung in Architektur und im Straßen-Brücken-Tunnel-Wasser-Eisenbahnbau“ ermöglichte (S. 159). 32 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten weit voraus. Allerdings blieb die Zahl der promovierten Techniker gering.44 Was trotz des Scheiterns – 1874 wurden die technischen Lehrstühle nach Darmstadt verlegt – aus der Rückschau als weitsichtig und innovativ erscheinen mag, war letztendlich wohl eher ein Ausdruck der Armut des hessischen Kleinstaates.45 Zudem blieb auch hier die eigentliche Frage, die später hinter der Diskussion um Vorbildung und Promotionsrecht stehen sollte, nämlich die nach der Gleichberechtigung der jungen Wissenschaften und damit dem sozialen Prestige ihrer Studierenden und Lehrenden, unbeantwortet. Zwar hatten die Fächer formal universitären Status, aber – so stellt Schoedler spöttisch fest – stünden „die vereinzelten technischen Lehrstühlchen unansehnlich neben den altehrwürdigen Sesseln der gelehrten Fakultäten, welche die technischen Professoren doch nur als Eindringlinge in ein geheiligtes, privilegiertes Reich über die Achsel ansehen und weit entfernt, in ihren Senaten die Entwicklung dieses wichtigen Theiles der Volksbildung zu fördern, im Gegentheil Alles aufbieten, die Mittel, welche technische Anstalten in bedeutendem Maße in Anspruch nehmen, zu bekämpfen und zu beschneiden, so viel nur in ihren Kräften steht.“46 Alois Riedler, einer der streitbaren Wortführer der Technischen Hochschulen und Maschinenbauprofessor in Charlottenburg, resümierte ein halbes Jahrhundert später, dass es an Universitäten „zu einer planmässigen Pflege der technischen Wissenschaften“ nicht gekommen sei, da „der Geist der technischen Bildung an den Universitäten keine vollberechtigte Heimstätte“47 gehabt habe. Wenn die Höhere Gewerbeschule in Darmstadt mit ihren Überlebensproblemen während der ersten Jahrzehnte ihres Bestehens an einem Ende der Skala steht, so findet sich am anderen die Polytechnische Schule in Karlsruhe. Hier war nach der Umgestaltung im Jahre 1832, bei deren Konzeption Ministerialdirektor Nebenius federführend gewesen war, die Integration der verschiedenen technischen Disziplinen und Studiengänge am weitesten gediehen.48 Die Polytechnische Schule vereinte nun eine im mathematisch-naturwissenschaftlichen Sinne allgemeinbildende Abteilung oder Vorschule und fünf Fachabteilungen: eine Bauschule, eine Ingenieurschule, eine Höhere Gewerbeschule, eine Forstschule sowie eine Handels- und Postschule – wobei das Studium des einzelnen Schülers sich nicht auf eine Fachabteilung beschränken musste. Eine natürliche Folge dieser Konzentration war die quantitative Führungsrolle der Karlsruher unter den technischen Schulen der deutschen Staaten. Schoedler zählte bei seinem Besuch 1846/47 insgesamt 367 ordentliche Schüler, während es in Darmstadt lediglich 186 waren. An allen Polytechnika lernten im Wintersemester 1846/47 rund 1.800 Schüler; Karlsruhe hatte also einen Anteil an der Gesamtfrequenz von knapp ei- 44 Vgl. Baumgarten, Hochschullehrer, S. 52. 45 Vgl. Moraw, Universität Gießen, S. 155. 46 Schoedler, Schulen, S. 126. Zwar sagt Schoedler nicht explizit, dass er die hessischen Zustände beschreibt, der Bezug erscheint jedoch klar. 47 Riedler, Hochschulen, S. 24. 48 Vgl. Schnabel, Anfänge, S. 32f. Zur Konzeption der Umgestaltung vgl. Nebenius, Lehranstalten, S. 100–123. 1.1 Das französische Vorbild und die Entwicklung in den deutschen Staaten 33 nem Fünftel.49 Auch hinsichtlich der Zahl der Lehrenden lag Karlsruhe vorn: Insgesamt 36 Dozenten, von denen 22 den Professoren- und sechs den Doktortitel trugen, unterrichteten hier. In Darmstadt waren es lediglich 13, von denen einer den Professoren- und drei den Doktortitel führten. Unter dem Punkt „Bedarf“ gibt Schoedler für die Schule in Darmstadt 16.500 rheinische Gulden an; für Karlsruhe mit 52.000 mehr als das Dreifache.50 Sowohl absolut als auch relativ, bezogen auf die Zahl der Lehrenden und Studierenden, war Baden also in der Lage, sein Polytechnikum finanziell deutlich besser auszustatten als Hessen-Darmstadt. Zudem lässt – auch wenn dies nur ein sehr formaler Indikator ist – die Zahl der Professoren und Doktoren auf ein stärker ausgebildetes akademisches Milieu in Karlsruhe schließen. Das Beispiel Ferdinand Redtenbacher51, von 1857 bis zu seinem Tod 1863 Direktor des Polytechnikums, legt jedoch nahe, dass dieser Indikator in die richtige Richtung weist, und Karlsruhe auch in wissenschaftlicher Hinsicht zur Mitte des 19. Jahrhunderts unter den technischen Schulen in den deutschen Staaten eine Führungsrolle beanspruchen konnte. Redtenbacher lehrte seit 1841 als Professor für Maschinenbau in Karlsruhe und gilt als Begründer eines wissenschaftlich-theoretisch fundierten Maschinenbaus. Ausgehend von konkreten technischen Problemen entwickelte er mathematische Modelle, mit denen er jene abstrakt beschreiben und diese wiederum zur Beschreibung und Lösung anderer konkreter technischer Fragen heranziehen konnte.52 49 Berechnet nach den Angaben bei Schoedler, Schulen, S. 94f. (Braunschweig, Karlsruhe, Darmstadt, Dresden, München, Stuttgart, Augsburg, Nürnberg, Kassel), Damm, Hochschule, S. 191 (Berlin, Bauakademie und Gewerbeinstitut) und Lexis, Hochschulen, S. 44f. (Hannover). Nach Karlsruhe war Hannover mit 310 Schülern die zweitgrößte Institution, allerdings scheinen hier ordentliche Schüler und Hörer zusammengefasst (vgl. Blum, Entwicklung, S. 17). Hinsichtlich der Schülerzahl wurden die Lehranstalten der deutschen Staaten jedoch von den habsburgischen Instituten weit übertroffen: Prag hatte zum gleichen Zeitpunkt 1.600 Schüler, Wien 1.913 (vgl. Schoedler, Schulen, S. 94f.). Die Angaben bei Titze sind mit 912 Schülern an allen deutschen Polytechnika deutlich niedriger (Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 27), da er – Lexis folgend – lediglich die Einrichtungen in Berlin, Hannover und Karlsruhe berücksichtigt. Diese Beschränkung erscheint nicht sinnvoll, und selbst wenn man sich ex post auf jene Einrichtungen beschränkt, die später zu Technischen Hochschulen wurden, liegt die Gesamtzahl der Schüler mit 1.600 noch deutlich über Titzes Wert. Generell ist Titze zuzustimmen, dass sich für die statistische Betrachtung der Schüler oder Studierenden an den Technischen Hochschulen (und besonders ihrer Vorläufer) „erhebliche Probleme“ ergeben, da verschiedene Personengruppen zum Studium zugelassen waren, die nicht alle ein Vollstudium absolvierten und „die Nomenklatur dieser verschiedenen Personengruppen in mehrfacher Hinsicht uneinheitlich und verwirrend“ ist (Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 44). 50 Vgl. Schoedler, Schulen, S. 49 (Karlsruhe, ordentliche Schüler, außerdem 15 Hospitanten), 62 (Darmstadt, ordentliche Schüler, außerdem fünf Hospitanten) und 94f. (Finanzen). 51 Ferdinand Jakob Redtenbacher (1809–1863) studierte 1825–1827 am Polytechnikum und an der Universität in Wien und war, bevor er nach Karlsruhe berufen wurde, 1833–1841 Lehrer, seit 1835 mit dem Titel Professor, an der oberen Industrieschule in Zürich. Vgl. ADB 27, S. 540–542. Vgl. auch Gispen, Profession, S. 38ff. 52 Vgl. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 483, und Ebert, Mathematiker, S. 618f. Ebert führt als Beispiel die mathematische Behandlung der oszillatorischen Bewegung der Lokomotive während der Fahrt an. Vgl. auch Albrecht, Braunschweig, S. 56, der den Vorrang Karlsruhes hinsichtlich der „Bedeutung der Lehrkräfte“ betont und Schnabel, Anfänge, S. 37. 34 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Abweichend vom habsburgischen Vorbild hatten die deutschen Staaten darauf verzichtet, ihren höheren technischen Schulen universitären Status einzuräumen. Sicher gab es Ansätze, wie in Karlsruhe, wo die Studierenden eine gewisse Lernfreiheit genossen, und wo die Organisationsstruktur an die Fakultätsgliederung der Universitäten erinnert. Letztendlich blieben die Polytechnika jedoch höhere Schulen und waren noch keine Hochschulen. Die Entwicklung hin zu dieser Statuserhöhung sollte maßgeblich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorbehalten bleiben. Dementsprechend unterstanden sie während des hier betrachteten Halbjahrhunderts auch nicht den Kultus-, sondern in der Regel den Handelsministerien.53 Eingedenk der Tatsache, dass von staatlicher Seite mit der Gründung einer technischen Schule nicht zuletzt beabsichtigt war, das private Gewerbe zu fördern, erscheint dies konsequent. So lässt sich für die Polytechnika in einem doppelten Sinne eine Nähe zum Staat ausmachen – eine Nähe, die auch darin ihren Ausdruck fand, dass die neuen Schulen hauptsächlich in Residenzstädten eingerichtet wurden: Zum einen waren sie als Ausbildungsstätte für Staatsbeamte gedacht, zum anderen als Instrumente der staatlichen Gewerbeförderung. Es erscheint jedoch mindestens zweifelhaft, ob dieses zweite Ziel bis zur Jahrhundertmitte erreicht werden konnte. Mehrere Punkte sprechen dagegen. Hannover und Darmstadt zählten zu den Schulen, die nicht von ihrer Gründung an für den technischen Staatsdienst ausbildeten; sie blieben anfangs unbedeutend und begannen erst zu expandieren, als sie dieses Privileg erlangten. Für eine ausschließliche Konzentration auf die Ausbildung zukünftiger Gewerbetreibender reichte die Nachfrage offenbar nicht aus.54 Auch hatten die Lehrenden der einzelnen Polytechnika selten Beziehungen zu Gewerbe oder Industrie – Redtenbacher, der während seiner Zeit als Lehrer in Zürich engen Kontakt zu einer Maschinenfabrik pflegte, war auch in diesem Sinne eine Ausnahme.55 Betrachtet man zuletzt das Berufsfeld der Absolventen der Polytechnika, so lässt sich auch hier nicht feststellen, dass sie nach ihrer Ausbildung in größerer Zahl ein Auskommen in der privaten Wirtschaft gefunden hätten. Studierte Techniker blieben eine Minderheit, wenn auch eine wachsende.56 Erst in der Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangten die Technischen Hochschulen als Zulieferer qualifizierter Fachkräfte eine größere Bedeutung für die Industrie, die sich während des Aufstiegs der Elektrotechnik und der Chemie als wissenschaftsbasierte Industriezweige noch einmal verstärkte. Vor diesem Hintergrund charakterisiert König die Polytechnika als „verfrühte Gründungen.“57 Es bleibt jedoch zu fragen, ob sie auch ohne ihren Vorlauf in der Frühindustrialisierung später, während der Phase der Hochindustrialisierung, derart erfolgreich hätten sein können. 53 54 55 56 57 Vgl. Guagnini, Technik, S. 497. Vgl. Lundgreen, Fachschulen, S. 297. Vgl. König, Heterogeneity, S. 66. Vgl. Lundgreen, Fachschulen, S. 298; König, Verwaltungsstaat, S. 120. König, Verwaltungsstaat, S. 121: „Allerdings bietet die Geschichte der technischen Lehranstalten ein gutes Beispiel dafür, daß Erfolg keine absolute, sondern eine zeitlich relative Kategorie ist.“ Vgl. auch Nipperdey, Bürgerwelt, S. 184, der positive Auswirkungen für die Industrie „erst seit den 50er/60er Jahren“ sieht. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 35 1.2 INSTITUTIONELLE VIELFALT: DIE ENTWICKLUNG IN PREUSSEN 1.2 INSTITUTIONELLE VIELFALT: DIE ENTWICKLUNG IN PREUßEN Im späten 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in Berlin eine Vielzahl von Versuchen unternommen, technisches Wissen organisiert zu verbreiten. Die Initiative hierzu ging mitunter von privater Seite aus, in der Regel jedoch handelte es sich um ein staatliches Bemühen. Einige dieser Versuch blieben sehr kurzlebig, wie beispielsweise die Ecole de génie et d’architecture oder die private, maßgeblich von Oberbaurat David Gilly gestaltete Lehranstalt zum Unterricht junger Leute in der Baukunst.58 Als langlebiger erwiesen sich die militärischen Schulen – die Ingenieur-Akademie von 1788 und die Artillerie-Akademie von 1791, die nach ihrer vorübergehenden Schließung im Jahre 1806 ein Jahrzehnt später als Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule wieder eröffnet wurden und im 20. Jahrhundert in der Militärtechnischen Akademie aufgingen. Daneben bestand seit 1810 eine Lehranstalt zur Offizierausbildung, bei ihrer Gründung unter dem Namen Kriegsschule, seit 1816 Allgemeine Kriegsschule und 1859 umbenannt in Königlich Preußische Kriegsakademie.59 Derartige Namenswechsel sind auch bei Bergakademie, Bauakademie und Gewerbeakademie zu beobachten, also den drei Instituten, die hier im Mittelpunkt stehen. Sie sind symptomatisch für das, was Wilhelm Treue als „ständige Entwicklungsunruhe“60 der Berliner technischen Lehranstalten bezeichnet. Ihre Geschichte kann – wie auch in den übrigen deutschen Staaten – als die einer Abfolge von Statutenänderungen geschrieben werden, von Reorganisationen, Lehrplanreformen, Umbenennungen und Neuorientierungen. Der Weg führte dabei – vereinfacht formuliert und Umwege außer Acht lassend – von recht offenen, improvisierten und informellen Verhältnissen am Anfang hin zu greifbaren, strukturell verfestigten Einrichtungen. Ein augenfälliges äußeres Anzeichen dieser Entwicklung war nicht zuletzt die sich verändernde räumliche Situation der einzelnen Akademien: Unterrichteten die Dozenten anfangs häufig in ihren Wohnungen, wurden später einzelne Räume, mitunter im zuständigen Ministerium, als Hör- und Übungssäle eingerichtet. Dieser immer noch provisorisch anmutende Zustand wich dann im Idealfall dem Neubau eines eigenen Gebäudes. Für die Bauakademie beispielsweise entwarf Karl Friedrich Schinkel in den 1830er Jahren einen Bau, der unter seiner Leitung in unmittelbarer Nachbarschaft des Berliner Stadtschlosses ausgeführt wurde.61 Inhaltlich kann diese Entwicklung – wiederum vereinfacht – als Akademisierung im universitären Sinne charakterisiert werden, deren Schlusspunkt jedoch erst im 20. Jahrhundert erreicht wurde. Schon bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Vorbildungsanforderungen an die Eleven der Akademien sukzessive 58 Vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 47ff. bzw. 88ff., sowie Lammert, Akten, S. 147f. 59 Vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 80ff., 122ff. und 288ff.; vgl. auch Stübing, Kriegsschulen, bes. S. 207ff. 60 Treue, Geleit, S. 21. 61 S. u., Exkurs: Über Schinkels Bauakademie, S. 52. Das Unterrichten in den Wohnungen der Dozenten war auch an der Berliner Universität nicht ungewöhnlich, allerdings existierte hier von Anfang an ein Hauptgebäude. 36 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angehoben und die schulmäßige Organisation des Unterrichts langsam zurückgedrängt.62 Auch die Lehrenden kamen häufiger aus einem akademischen Milieu. Zentrale Triebkraft dieser Entwicklung war nicht in erster Linie die Forderung der sich entwickelnden Industrie nach stärker wissenschaftlich gebildeten Fachkräften; vielmehr stand das Bemühen im Vordergrund, durch Angleichung an universitäre Standards und Formen für die Studierenden und Lehrenden der technischen Akademien ein höheres Sozialprestige zu erreichen. Zentraler für diese nicht allein preußische, sondern mit kleinen Phasenverschiebungen gesamtdeutsche Entwicklung war indes die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Folgenden soll nicht versucht werden, den Weg der drei Berliner Akademien hinsichtlich der zahlreichen Reformen in Struktur und Lehrplan detailliert nachzuzeichnen. Lediglich ihre jeweilige Gründungssituation wird näher beleuchtet, um auf dieser Grundlage einige bedeutsame Punkte ihrer Entwicklung bis zur Jahrhundertmitte exemplarisch herauszugreifen. Wie angesprochen hing Preußen im höheren technischen Bildungswesen länger als die übrigen deutschen Staaten dem Konzept institutionell getrennter Fachschulen an – Bau- und Gewerbeakademie bestanden nebeneinander bis 1879, die Bergakademie bis 1916. Dieses längere Überleben deutet darauf hin, dass dieses ‚System‘ der technischen Ausbildung ausreichend funktionsfähig war – wenn auch von einem reibungslosen Funktionieren kaum gesprochen werden kann. Die erwähnten Reformen lassen dies erkennen. Allerdings konnten die Akademien jeweils derart an Stabilität und Eigengewicht gewinnen, dass sie nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurden – mit einer gewissen Ausnahme der Bergakademie, wie zu erörtern sein wird. Sehr viel deutlicher folgte man in Preußen also dem französischen Modell. Jedoch fehlte, wenn man die drei genannten Akademien in einem institutionengeschichtlichen Sinne als Äquivalent der Écoles Spéciales begreift, die gemeinsame Vorbildungsanstalt, also gleichsam das Gegenstück zur École Polytechnique. Dementsprechend gab es in Berlin während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrfach Bemühungen, diese ‚Lücke‘ zu schließen.63 Im Auftrag des Kultusministers Karl Freiherr vom Stein zum Altenstein hatte Eilhardt Mitscherlich die Pariser École besucht und setzte sich, unterstützt von Alexander von Humboldt, für die Einrichtung einer ähnlichen Anstalt in Berlin ein. Konkretere Gestalt nahmen die Überlegungen Anfang der 1820er Jahre an, als Karl Friedrich Gauß als Mitglied der Akademie der Wissenschaften nach Berlin berufen werden sollte. Altenstein beabsichtigte, ihm gleichzeitig das Direktorat eines zu gründenden polytechnischen Instituts zu übertragen. Gauß jedoch lehnte ab.64 Spätere Bemühungen Mitscherlichs und Humboldts um die Gründung eines Polytechnikums führten ebenfalls nicht zum Erfolg, auch angesichts des zu erwartenden finanziellen Bedarfs der Schule und wegen Kompetenzstreitigkeiten 62 Vgl. für die einzelnen Umgestaltungen Krusch, Bergakademie, passim; Dobbert, Chronik, passim; und Nottebohm, Chronik, passim. 63 Vgl. dazu Manegold, École Polytechnique sowie Schütt, Pläne. 64 Vgl. Manegold, École Polytechnique, S. 188. Nach Schütt, Pläne, S. 120, stand auch König Friedrich Wilhelm III. der Idee ablehnend gegenüber. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 37 zwischen Kultus- und Handelsministerium. Letztlich kann dieses Scheitern wiederum als Indiz dafür verstanden werden, dass das bestehende System der höheren technischen Bildung in Preußen den Bedürfnissen ausreichend gerecht wurde und in diesem Sinne funktionierte. 1.2.1 Die Bergakademie Gemeinhin wird das Jahr 1770 als Gründungsdatum der Berliner Bergakademie, der ältesten der drei Akademien, genannt.65 Erstmals erteilten in diesem Jahr insgesamt fünf Dozenten im Auftrag des Königs in verschiedenen Fächern technischen Unterricht. Die Entscheidung, etwas Derartiges zu finanzieren, war nicht ohne Kontext. Zum einen war zwei Jahre zuvor im Zuge einer Neustrukturierung der preußischen Bergverwaltung das Bergwerks- und Hüttendepartement als VII. Abteilung des Generaldirektoriums eingerichtet worden.66 Zum anderen muss die Einrichtung des Oberbaudepartements, ebenfalls im Jahr 1770, in engem Zusammenhang mit dem Beginn des bergtechnischen Unterrichts in Berlin gesehen werden. Minister Ludwig Philipp vom Hagen hatte König Friedrich II. nach vorangegangenen Erörterungen im April dieses Jahres einen „Summarischen Plan wie das in denen sämtlichen Provintzien so sehr negligirte Bau-Wesen, auf einen beßeren Fuß zu setzten seÿ“ vorgelegt, in dem einerseits die Funktion des Oberbaudepartements umrissen wurde, und in dem es andererseits weiter hieß: „Damit auch außerdem junge Leute, die sich auf das Bau-Wesen, die Forst-Sachen, und den Bergbau legen wollen, eine bequeme Gelegenheit haben mögen, sich zum künftigen Dienst, gründlicher zu qualifizieren, so würde es sehr gut seÿn, wenn alhier Gelegenheit verschafft würde, die hierzu nötigen Wissenschaften, gründlich und practisch zu erlernen, da die Membra der hiesigen Academie der Wissenschaften, sich mit dem docieren gar nicht abgeben, die meisten Professores aber auf Universitäten mehr speculativ, als practisch sind.“67 Ein noch umfangreicheres Programm wird in der Zeitungsanzeige formuliert, mit der Minister Hagen im Oktober 1770 der Öffentlichkeit die neue Unterrichtsmög65 Zur Geschichte der Berliner Bergakademie vgl. v. a. Krusch, Bergakademie. Die Arbeit von Strunz „Von der Bergakademie zur Technischen Universität Berlin“ (1970) fußt im Wesentlichen auf der knapp 70 Jahre älteren Darstellung von Krusch, ist jedoch ergänzt um einen umfangreichen biographischen Anhang zu einer großen Zahl der Lehrenden der Bergakademie bzw. der Bergbauabteilung der Technischen Hochschule. Bruch, Bergakademie, erörtert recht kompakt die Entwicklung der Akademie im Kontext der „tiefgestaffelte[n] Hochschullandschaft“ (S. 269), die in Berlin neben der Universität existierte. 66 Heckl, Oberbergamt, S. 34. 67 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 43, 7. April 1770. Die eigentliche Instruktion zur Errichtung des Oberbaudepartements datiert vom 17. April 1770. Zur Geschichte des Oberbaudepartements vgl. v. a. Strecke, Bauverwaltung, S. 55ff.; Lammert, Akten. Auch Strecke erörtert den „Summarischen Plan“ und die darin aufgeführten Überlegungen zur Beamtenausbildung, stellt jedoch den Bezug zur späteren Bergakademie nicht her (Strecke, Bauverwaltung, S. 69f.). Nach Speitkamp, Einfluß, S. 557, spielte die „Effizienz administrativer Herrschaft“ sowohl in Preußen als auch in den übrigen deutschen Staaten eine zentrale Rolle bei der Gestaltung des Bildungssektors. 38 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lichkeit bekannt machte: Gesprochen wird von „Landbau-, Bergwerks-, Landwirtschafts-, Forst- und allen andern Cameral- und Finantz-Sachen.“68 Der angestrebte Unterricht, die bequeme Gelegenheit, beschränkte sich also keineswegs auf das Bergwesen allein, sollte vielmehr auch Forstwissenschaft und architektonische Fächer enthalten und ist somit als Teil eines umfassenden Bemühens zu verstehen, die Sachkenntnis unter den Beamten zu erhöhen und so letztendlich eine technische Beamtenschaft erst zu schaffen. Nach den beiden Schlesischen Kriegen, der Eroberung Schlesiens und der erfolgreichen Verteidigung des Gewonnenen im Siebenjährigen Krieg, war dieses Bedürfnis sicher am drängendsten im Bergbau, da dieser hauptsächlich eine Angelegenheit des Staates war. Im Bauwesen zählten Chaussee- und Kanalbau zu den zentralen Aufgaben sowie öffentliche Bauten – beispielsweise Kirchen, Schulen oder staatliche – beziehungsweise königliche – Fabriken. Dem Oberbaudepartement oblag die Prüfung der Baupläne und die Überwachung der Bauaktivitäten sowie bald eine Zulassungsprüfung für zukünftige Baubeamte; es war angehalten, darauf zu achten, dass die Bauten solide, aber nicht zu kostspielig seien und vor allem, dass „zu Schonung derer Forsten der Massiv-Bau successive introduciret und allgemein gemacht werde.“69 Vor dem Hintergrund der als vordringlich erachteten sparsamen Holzverwendung erscheint der Einschluss der Forstwissenschaft in das Programm der bequemen Gelegenheit nur konsequent.70 Vorangegangen waren dem zitierten Summarischen Plan, den Friedrich II. nur zwei Tage später genehmigte, Schriftwechsel und Beratungen auf verschiedenen Ebenen der Verwaltung.71 Schon Anfang des Jahres hatte der Oberbergrat und spätere Direktor der Bergakademie Karl Abraham Gerhard72 in ministeriellem Auftrag einen Studien- und Kostenplan „zu einer vollständigen Berg-Information“73 entworfen. Im März wurde Gerhard beauftragt, nach Freiberg in Sachsen zu reisen, um die Verhältnisse des bergtechnischen Unterrichts kennenzulernen, der dort seit knapp fünf Jahren erteilt wurde. Gerhard empfand die Situation „noch als sehr unvollkommen“74: Insgesamt sechs Bergkadetten studierten bei zwei Lehrenden Metallurgie, Hüttenkunde, Mechanik, Geometrie und Zeichnen. Die Kosten für den zweijährigen Kursus übernahm – wie auch in Frankreich an den Écoles d’Application – die Staatskasse, da die Absolventen in den Staatsdienst übernommen werden sollten. 68 Zit. bei Krusch, Bergakademie, S. X. 69 Zit. bei Strecke, Oberbaudepartement, S. 77. 70 Vgl. Lammert, Akten, S. 145: „die Holzersparnis [war] eine alle Aufgabenbereiche betreffende strikte Anforderung“. Vgl. auch Strecke, Bauverwaltung, S. 87ff. 71 Vgl. Krusch, Bergakademie, S. IIIff. 72 Karl Abraham Gerhard (1738–1821), studierte in Frankfurt an der Oder Medizin und wurde dort 1760 promoviert. Im Jahre 1770 berief man ihn als Oberberg-, Bau- und Rechnungsrat nach Berlin; 1786 wurde er zum Geheimen Oberfinanz-, Kriegs- und Domänenrat befördert. Vgl. ADB 8, S. 772f.; NDB 6, S. 274f. 73 Krusch, Bergakademie, S. IV. 74 Krusch, Bergakademie, S. VII. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 39 Über geeignete Lehrkräfte hatte Hagen sich mit Etat- und Justizminister Karl Freiherr von Fürst und Kupferberg beraten, der ihm Dozenten für die einzelnen Fächer – mit Ausnahme der „Architectura civili“ – vorgeschlagen hatte.75 Im Einzelnen war ein Unterricht in den Bereichen Mathematik, Physik (Mechanik und Hydraulik), Chemie, Berg- und Hüttenwesen sowie Forstwesen vorgesehen – für letzteres Fach empfahl Fürst den Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch, der „wie er Mich versichert, von je her dies als sein Lieblings-Studium tractiert.“76 Der Unterricht begann im Herbst 1770. Im Januar 1771 ersuchte Oberbaurat Friedrich Holsche den König um Erlaubnis, die „Civil-Baukunst“ öffentlich unterrichten zu dürfen und erhielt diese auch kurz darauf, so dass mit einigen Monaten Verspätung auch dieser Punkt des Summarischen Plans berücksichtigt war.77 Paul Krusch, seit 1901 selbst Dozent an der Bergakademie und ihr erster ‚Biograph‘, stellte auf der Grundlage eines Berichts von Holsche über seinen Unterricht von 1773 fest: „Es unterliegt also keinem Zweifel, daß die Bauakademie ursprünglich nur ein kleiner Teil der sogenannten Bergschule war.“78 Allerdings erscheint es so, dass hier ein späterer Zustand zurückprojiziert wird: Auch wenn der Bergbau von Anfang an im Zentrum der bequemen Gelegenheit stand, setzte sich erst Ende der 1770er Jahre eine Konzentration auf die Bergfächer durch, der auch der forstwissenschaftliche Unterricht in dem Sinne zum Opfer fiel, dass dieser nun aus einem anderen Fonds zu finanzieren war.79 Hinsichtlich der Finanzen war die Verwaltung schon bei der Planung auf Sparsamkeit bedacht. Auch bei der Wahl der Dozenten spielte dies eine Rolle: Fürst ergänzte seinen Vorschlag für das Fach Physik – Professor Johann Gottlieb Walter vom Collegium Medico Chirurgicum – um den Hinweis, dass dieser „auch die, sonst seltenen und kostbaren Instrumente zur Experimental-Physic schon besitzt.“80 Die Dozenten erhielten ein nicht pensionsfähiges Honorar von jährlich 100 Talern und durften von ihren Hörern Unterrichtsgeld verlangen. Ein Laboratorium oder ein Hörsaal wurden nicht eingerichtet; die Lehrer unterrichteten in ihren Wohnungen. Wie die Mitglieder des erwähnten Oberbaudepartements ihr Amt als Nebenamt innehatten, so hatten die ursprünglich fünf Dozenten lediglich einen kündbaren Lehrauftrag, besaßen in diesem Sinne also kein Lehramt oder gar eine feste Stelle. Der neue Unterricht war für sie eine Verpflichtung unter mehreren, und musste sich teilweise anderen Dingen unterordnen: Bergrat Gerhard war 75 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 27–30, 4. März 1770. 76 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 27–30, 4. März 1770, hier Bl. 29. 77 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 165f., 28. Januar 1771. Für die Antwort vgl. ebd., Bl. 172, 21. Februar 1771. 78 Krusch, Bergakademie, S. XIII. Paul Krusch (1869–1939) war Dozent für Lagerstättenkunde und erhielt 1906 den Titel ‚Professor‘. Von 1923 bis 1933 war er Präsident der Preußischen Geologischen Landesanstalt. Vgl. Strunz, Bergakademie, S. 63. 79 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 2, Bl. 92, 4. Januar 1778. 80 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 27–30, 4. März 1770, hier Bl. 28. 40 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts es beispielsweise nur möglich, in den Wintermonaten zu unterrichten, da er während des Sommers dienstlich auf Reisen war.81 Auch in den folgenden Jahren war man bemüht, die Kosten gering zu halten: Zwar waren 1774 neben der Wohnung Gerhards Räume für ein kleines Labor angemietet worden; als jedoch ein Jahr später die Einrichtung eines größeren und moderner ausgestatteten Laboratoriums beim Hüttendepartement beantragt wurde, lehnte der König mit der Begründung ab, dass „es in Berlin genug Chemiker mit eigenen Laboratorien“82 gebe. Auf der Schülerseite lassen sich bei den Erörterungen um die Konzeption des Unterrichts zwei Zielgruppen ausmachen. Der zitierte Summarische Plan spricht von den „jungen Leuten, die sich auf das Bau-Wesen, die Forst-Sachen, und den Bergbau legen wollen“83, also von zukünftigen staatlichen Beamten. Fürst betont darüber hinaus die Notwendigkeit, die sich „schon im Dienst befindenden“84 Staatsdiener zu unterrichten. Modern formuliert sollte es sich also um eine Ausund Fortbildungsanstalt handeln. Wie erwähnt erfuhr die Öffentlichkeit von der neuen Einrichtung durch eine Zeitungsanzeige. Sie wurde zwei Wochen vor dem geplanten Vorlesungsbeginn zunächst in den Berliner Zeitungen und im Intelligenzblatt veröffentlicht, sodann auch in den einzelnen Provinzen.85 Angesprochen waren all „diejenigen, welche zu ihrem eigenen Glück und künftigen weiteren Fortkommen von diesen landesväterlich heilsamen Veranstaltungen Nutzen ziehen wollen.“ Sie sollten sich bei den in der Anzeige genannten Dozenten „selbst melden und von ihnen sowohl ihre respektiven Vorlesungs-Stunden, als auch die Plans ihrer Lehrarbeiten und das Honorarium vernehmen.“86 Die Rückmeldung war unterschiedlich: Der Dozent für Mathematik Fréderic de Castillon bat am 8. November darum, „ob nicht das Avertissement wegen diese Collegii nochmals in den Zeitungen zu wiederholen seyn möchte“87, da sich nur drei Teilnehmer gemeldet hätten, mit denen er den Unterricht am 15. Oktober aufgenommen habe. Kurz darauf meldete Valentin Rose, Apotheker und Dozent für Chemie, dass er seine Vorlesung noch nicht begonnen habe, da „sich kein numerus gefunden“88 hätte. Mit 22 beziehungsweise 21 Hörern waren die Veranstaltungen Gerhards (Bergwerkswissenschaften) und Walters (Physik) erfolgreicher.89 Entsprechend der offenen Formulierung in der Bekanntmachung war die Hörerschaft recht heterogen und blieb dies auch in den 81 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 27–30, 4. März 1770, hier Bl. 29. 82 Krusch, Bergakademie, S. XIV. 83 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 43, 7. April 1770. 84 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 27–30, 4. März 1770, hier Bl. 28. 85 Vgl. Krusch, Bergakademie, S. X. 86 Zit. bei Krusch, Bergakademie, S. X. 87 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 142f., 8. November 1770, hier Bl. 142. 88 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 146f., ohne Datum, hier Bl. 146. 89 Vgl. die Berichte von Gerhard, GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 140f., 5. November 1770, bzw. Walter, ebd., Bl. 149f., 12. November 1770. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 41 folgenden Jahren: Kriegsräte, Architekten, Ärzte, Studierende der Medizin, der Rechtswissenschaften und der Theologie tauchen in den Berichten der Dozenten auf. Oft beklagen sie hier den Mangel an Hörern, insbesondere würden keineswegs alle Bergeleven oder Bergbeamten am Unterricht teilnehmen.90 Es erscheint also zweifelhaft, in den Anfangsjahren von der bequemen Gelegenheit zum Studium der technischen Fächer schon als einer Bergakademie oder gar als einer „reinen Hochschule“91 zu sprechen, wie Krusch dies tat. Die Gründungssituation von 1770 stellt sich als sehr informell, gleichsam improvisiert dar: Zwar gab es einen Direktor – Karl Abraham Gerhard – aber die Studierenden schrieben sich nicht zentral zu einem Studium ein, sondern meldeten sich lediglich bei einzelnen Dozenten zu einzelnen Veranstaltungen an; die Vorlesungen selbst fanden unabhängig voneinander statt, in einem eher privaten Rahmen; sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer war der Unterricht eine Nebensache. Man kann also im eigentlichen Sinne weder von einer Lehrerschaft noch von einer Studierendenschaft noch von einem auch nur vage umrissenen Studiengang sprechen – und damit also kaum von einer Bergakademie. Das Undeutliche der Situation brachte auch Hagen 1770 in einem Schreiben an de Castillon zum Ausdruck. Dieser hatte im Zusammenhang mit der Übernahme des Mathematikunterrichts um ein Diplom als Professor gebeten, was Hagen aus zwei Gründen ablehnte: Zum einen, „da der Herr Professor beÿ der Académie militaire bereits in dieser Qualität engagiert, mithin mit einer gehörigen Bestallung wohl werden versehen sein“ und zum anderen, „da die gegenwärtig veranlaßte Docierung verschiedener practischer Wissenschaften, eben kein neues Institutum, sondern nur bloß der Zweck dabeÿ ist, daß jungen Leuten in solchen nützlichen Wissenschaften, die bisher noch zu sehr verabsäumt worden, Unterricht ertheilt und dem Staat dadurch brauchbare Subjecta zugezogen werden.“92 Möglicherweise spielte an dieser Stelle auch eine Rolle, finanziellen Forderungen de Castillons aus dem Weg zu gehen. Andererseits war die Situation eben so, dass die realen Verhältnisse die Ansicht, hier werde kein neues Institutum gegründet, nicht widerlegten. Zwar wurde später die Existenz der Bergakademie als Institut nicht mehr bestritten. Aber letztlich bleibt der Eindruck, dass das Aufkommen des Begriffs kaum eine Folge einer institutionellen Verfestigung der bequemen Gelegenheit war, sondern vielmehr aus der Notwendigkeit entstand, die Situation kurz und kompakt benennen zu können. In den Quellen erscheint dieser Begriff „Berg-Academie“ erstmals im Jahre 1774 in einem „Circular an die Lehrer vom Bergwerks-Departement“. Es sei darauf hingewiesen, dass es eben nicht als Schreiben an die ‚Lehrer der Bergakademie‘ bezeichnet wurde. Gelegentlich wird so das Jahr 1774 als Gründungsjahr der Akademie genannt – das Jahr also, in dem neben der Wohnung Gerhards zu 90 Vgl. die Berichte der Lehrenden in GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bdd. 1–7, passim. Vgl. zusammenfassend auch Krusch, Bergakademie, S. XIff. 91 Krusch, Bergakademie, S. VIII. 92 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 1, Bl. 111f., 24. September 1770, hier Bl. 111. 42 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Unterrichtszwecken ein kleines Laboratorium eingerichtet worden war, die Bergakademie so gleichsam erstmals sichtbarer Ort wurde.93 In diesem Circular wird dazu aufgefordert, „anzuzeigen, wieviel Auditores in der letzten Vorlesung […] gewesen, wer ihre Eltern, und wo sie gebürtig sind, auch wie selbige sich appliciret haben, nicht minder wann derselbe seine Vorlesungen hinwiederum anfangen wird, auch ob, und was für Auditores sich dazu gemeldet.“94 Die Verwaltung ließ sich regelmäßig informieren und war offensichtlich mit der Entwicklung des Unterrichts nicht zufrieden. Denn vier Jahre später schrieb Minister Friedrich Anton von Heynitz, er sehe sich genötigt, „mit dem Instituto der etablirten Berg-Academie eine zweckmäßigere Einrichtung zu treffen, um sonderlich darin zu Berg- und Hütten-Sachen recht kundige Leute anzuziehen.“95 Es erscheint also, dass gerade bei der Ausbildung künftiger Bergbeamter die Akademie nicht ausreichend funktionierte. Daher ging man dazu über, die Bergeleven finanziell zu unterstützen und auch für andere Beamte Erleichterungen einzuführen – so war Franz Carl Achard, seit 1779 Dozent für Chemie und Physik, verpflichtet, Beamte des Bergwerks- und Hüttendepartements ohne Unterrichtshonorar an seinen Vorlesungen teilnehmen zu lassen.96 Darüber hinaus wurde nach Vorschlägen Gerhards 1783 für die Bergeleven ein verbindlicher Studiengang eingeführt.97 Auch wenn die Klagen über den bescheidenen Besuch der Kollegien nicht abrissen, gewannen die Konturen der Bergakademie gut zehn Jahre nach dem Beginn der Vorlesungen an Schärfe. Diese Deutlichkeit verschwand jedoch fast völlig in den Jahren nach der Reform der preußischen Verwaltung – von unmittelbarer Bedeutung war hier die Auflösung des Berg- und Hüttendepartements – und der Gründung der Berliner Universität. Sichtbarstes Zeichen dieser Veränderungen war, dass nach der Pensionierung von Karl Abraham Gerhard kein neuer Direktor für die Bergakademie ernannt wurde.98 Zudem wurde die seit 1781 aufgebaute Mineraliensammlung der neuen Universität übergeben; der Mineraloge Christian Samuel Weiß, bis zu seinem Wechsel nach Berlin im Jahre 1810 Ordinarius an der Universität Leipzig, erhielt seine Besoldung zwar zu zwei Dritteln aus einem Fonds der neuen Sektion für den Bergbau im Innenministerium, war aber letztlich Professor an der Universität und hielt seine Vorlesungen dort. Die Bergeleven konnten seinen mineralogi- 93 94 95 96 Vgl. Krusch, Bergakademie, S. XIVff. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 2, Bl. 45, 29. Juni 1774. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 2, Bl. 62, 4. Januar 1778. Vgl. Krusch, Bergakademie, S. XVII und XLIXff. Insgesamt genossen die Bergeleven seit 1803 freien Unterricht (vgl. S. XXVIII). 97 Vgl. Krusch, Bergakademie, S. XX. 98 Vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 41, der die Jahre von 1810 bis 1860 als „Interregnum“ bezeichnet. Die Funktion des aufgelösten Bergwerks- und Hüttendepartement übernahm 1808 eine Sektion im Innenministerium, ein Jahr später wurde die General-Bergbau-Direction (später Oberberghauptmannschaft) eingerichtet, deren Ressortierung mehrfach zwischen Innen- und Finanzministerium wechselte, vgl. Heckl, Oberbergamt, S. 37 und 41f. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 43 schen Unterricht besuchen, ohne ein Honorar zahlen zu müssen.99 Seit 1831 verzichtete das Ministerium auf die Beschäftigung eines besonderen Lehrers für Physik, „da die Eleven an den physikalischen Vorlesungen welche bei der Universität gehalten werden“100 teilnehmen könnten; ihr Unterrichtshonorar wurde aus dem Etat der Bergbausektion gezahlt.101 Insgesamt lässt sich die Entwicklung des von der Bergbauverwaltung betreuten Unterrichts dahingehend zusammenfassen, dass man Fächer, die an der Universität gelesen wurden, nicht mehr gesondert anbot. Zudem lässt sich erkennen, dass nunmehr ein ausschließliches Interesse daran bestand, den eigenen Behördennachwuchs auszubilden. Die Quellen sprechen nun lediglich vom „Unterricht der Bergwerks- und Hütten Eleven“102 oder den „auf der hiesigen Universität studierenden Berg-Expectanten.“103 Die Hörerzahl der weiterhin angebotenen Fachkurse blieb eher gering: Ein Professor Doeltz, Dozent für Zeichnen und Feldmessen, nannte 1823 sieben Namen und fügte seinem Bericht an, dass ihm „der größtentheils so unregelmäßige Besuch der Stunden aufgefallen ist“104; der einige Jahre später eingestellte Physikunterricht kam schon 1824 nicht zustande, denn „unter den wenigen, die sich gemeldet hatten, war ein einziger Berg-Eleve.“105 Bis Ende der 1840er Jahre kann man davon ausgehen, dass die Zahl der Bergbaubeflissenen jährlich kaum 20 erreichte.106 Seit Mitte der fünfziger Jahre ist jedoch ein deutlicher Anstieg spürbar: Am Anfang des Wintersemesters meldeten sich 14 „Berg-Expectanten“ in der Geheimen Registratur, im folgenden Sommer 38, ein Jahr später 71; jeweils knapp 40 Prozent von ihnen war ohne Abitur.107 Nicht zuletzt diese Frequenzsteigerung ebnete den Weg zu einer Neubegründung der Bergakademie im Jahre 1860. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Gründung der Berliner Universität zu einem Bruch in der Geschichte der institutionellen Verfestigung des bergtechnischen Unterrichts in Berlin führte.108 Die Bergakademie kehrte so 99 Vgl. Krusch, Bergakademie, S. XXXIf. Krusch betont, dass die Sektion für den Bergbau Weiß als Lehrer der Bergakademie betrachtete, ihn deswegen direkt bezahlte und einen Antrag der Sektion für Öffentlichen Unterricht ablehnte, „die 1000 Thlr. an die Hauptkasse der wissenschaftlichen Anstalten zu zahlen“ (S. XXXII). Vgl. auch GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 3, Bl. 128f., ohne Datum. 100 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 4, Bl. 142, 12. Februar 1831. 101 Vgl. z. B. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 4, Bl. 133, 2. Februar 1831, in dem Sigismund Friedrich Hermbstaedt aufgefordert wird, „uns die Zahl der B[er]gund Hütten Eleven welche gegenwärtig gratis Ihre Vorlesungen über die Physik besuchen, und den Betrag des Honororair dafür anzeigen zu wollen.“ 102 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 4, Bl. 133, 2. Februar 1831. 103 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 6, Bl. 21, 24. November 1852. 104 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 4, Bl. 48–50, 9. Januar 1823. 105 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 4, Bl. 93, 30. November 1824. 106 Vgl. u. a. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 10, Bd. 1, Bl. 5, ohne Datum [1852]. 107 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 6, Bl. 129, ohne Datum [1855]; ebd., Bl. 49, ohne Datum [1857] und ebd., Bl. 92f., ohne Datum [1858]. 108 Bruch, Bergakademie, S. 270, resümiert: „Allzu mächtig war nun die universitäre Konkurrenz“ und betont überdies, dass neben Berlin „auch Halle, Breslau und Bonn bergbauliche Spezialkollegs“ (S. 271) anboten. 44 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den fünf Jahrzehnten zwischen 1810 und 1860 zurück zu ihrer Gründungssituation. Sie lässt sich als eine von der Bergbauverwaltung nur lose koordinierte Anzahl eher unabhängig voneinander abgehaltener Fachkurse mit in der Regel geringer Teilnehmerzahl beschreiben. Noch Mitte der 1830er Jahre unterrichteten einige Dozenten in ihrer eigenen Wohnung, so dass mit einigem Recht von staatlich geförderten Privatvorlesungen gesprochen werden kann.109 Selbst über den Namen der Einrichtung herrschte zur Mitte des Jahrhunderts Unklarheit – als der Dozent für Mathematik Ernst Daniel Friedrich Meißel im Jahre 1856 zum Direktor der Provinzial-Gewerbeschule in Iserlohn berufen wurde, bat er im Ministerium um die Auflösung seines Vertrages hinsichtlich seiner „Lehr-Stellung an der hiesigen Bergschule“. Um seine Nachfolge bewarben sich drei Personen, die in ihren jeweiligen Bewerbungsschreiben vom „Königlichen Hauptbergwerks-Eleveninstitut“, von der „hiesigen Berg-Akademie“ beziehungsweise vom „Bergwerkseleveninstitut“ sprachen.110 1.2.2 Die Bauakademie Die zweite der hier zu behandelnden Einrichtungen, die Bauakademie, wurde im Jahre 1799 gegründet.111 Die Initiative hierzu ging aus von dem bereits erwähnten Oberbaudepartement, dem seit 1773 nicht mehr nur die Begutachtung der Pläne für öffentliche Bauten oblag, sondern auch die Prüfung der staatlich beschäftigten Baubedienten. Während so Vorsorge getroffen worden war, dass nur genügend befähigte Beamte eingestellt würden, so war doch kaum geregelt, wie die Kandidaten das für die Prüfungen notwendige Wissen erwerben könnten; das Bemühen ging wenig über die Finanzierung der genannten Vorlesungen des Oberbaurats Holsche hinaus. Nachdem ein gleichsam halbprivater Versuch einiger Mitglieder 109 Vgl. z. B. GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 6, Bl. 20, 18. November 1852: Rechnungsrat Loew erwähnt in einem Schreiben an das Handelsministerium, dass er seinen Unterricht, den er 1836 aufgenommen habe, „Anfangs in meiner eigenen Wohnung ertheilte.“ 110 GStA PK, I. HA Rep. 121, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 6, Bl. 146, 23. November 1856; ebd., Bl. 148, 3. Oktober 1856; ebd., Bl. 150f., 3. Oktober 1856; ebd., Bl. 153, 1. Oktober 1856. Auch in der Verwaltung selbst herrschte Unklarheit darüber, was genau das Bergwerkseleveninstitut war bzw. ob es existiere. Man kam zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um ein Institut im eigentlichen Sinne handelte, sondern um einen Unterstützungsfonds für die in Berlin auszubildenden Bergeleven. Bergakademie und Bergeleveninstitut bestanden also nebeneinander (vgl. Krusch, Bergakademie, S. XLIXff.). 111 Vgl. zur Entwicklung der Bauakademie Dobbert, Chronik, S. 19–71, Konter, Bau-Akademie sowie gerade zur Gründungssituation Lammert, Akten. Allgemeiner zur Bauverwaltung vgl. Bolenz, Baubeamte sowie den Ausstellungsband „Mathematisches Calcul und Sinn für Ästhetik“. Ausführlich zur Vor- und Gründungsgeschichte im Kontext der preußischen Bauverwaltung auch Strecke, Bauverwaltung, S. 117ff., der in seiner Darstellung jedoch 1799 abbricht und die weitere Entwicklung der Bauakademie nicht erörtert. Einen leicht zugänglichen Überblick über zentrale Aktenbestände zur Bauakademie bietet mittlerweile das „Inventar zur Geschichte der preußischen Bauverwaltung 1723–1848“ (bes. Inventar, Bd. 2, S. 589–769). 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 45 des Oberbaudepartements, einen umfangreicheren Unterricht zu organisieren, Mitte der 1790er Jahre gescheitert war112, wandte man sich mehrfach an König Friedrich Wilhelm III. Das Oberbaudepartement empfahl in einem Schreiben vom Februar 1798 die Einrichtung eines Instituts, „worin angehende Baukünstler wichtige Kenntniße zu ihrem Metier öffentlich und systematisch erlangen können.“ Ein derartiger Plan, so erläuterte die Behörde, könne in zwei verschiedene Richtungen verwirklicht werden: Einerseits könne man sich bemühen, „dem Staate darin solche Subjecte zu ziehen, die gleich zu wichtigen Baubedienungen angestellt werden“; andererseits könne man sich auf das beschränken, „was wenigstens seÿn müßte“ und dem Schüler nur so viel beibringen, dass er sich sodann „selbst weiter helfen und vervollkommnen kann.“113 Taktisch geschickt stellte das Oberbaudepartement fest, dass der erste Weg, für den ein fünfjähriger Kursus als notwendig erachtet wurde, als zu teuer abzulehnen sei. Angesichts einer sehr angespannten Finanzlage – Friedrich Wilhelm II., gestorben 1797, hatte eine Staatsschuld von 50 Millionen Talern hinterlassen114 – übte sich die Behörde in Bescheidenheit. Sie empfahl, den zweiten Weg einzuschlagen und zudem das neue Institut nicht zu groß zu planen, „sondern lieber nur nothdürftig anzufangen“115, um es erst auszubauen, wenn sich dies als notwendig und finanziell möglich erweisen sollte. Etwas später regte der Architekt David Gilly an, der Bauakademie ein Monopol für Herstellung und Vertrieb kleiner Zollstöcke zu gewähren, um so die Kassen des Instituts zu füllen.116 Nach einem Schreiben von Friedrich Leopold Freiherr von Schrötter, Staatsminister und Chef des Oberbaudepartements, Anfang Dezember 1798, räumte Friedrich Wilhelm III. ein, dass die „Klagen über den durchgehends stattfindenden Mangel guter Bau Bedienten […] sehr gegründet und die Abhelfung dieses Mangels […] von dem höchsten Gewichte“ sei. Auch im Bezug auf die Ursachen – schlechte Bezahlung und mangelnde Ausbildung der Beamten – stimmte der König mit seinem Minister überein und versprach in beiden Punkten Verbesserungen. Allerdings wollte er nicht die Einrichtung eines neuen selbständigen Instituts befehlen. Vielmehr stellte er fest: „Die Fundamente der Pracht- und Oeconomie Baukunst sind dieselben, und da diese schon in der Lehr-Anstalt der Academie gelehrt werden, so bedarf es dazu nicht neuer Lehrer mit neuen Gehältern; sondern es wird nur darauf ankommen einige neue Lehrstellen für den Oeconomie- und Landbau dabeÿ zu errichten, die dazu erforderlichen Instrumente, Modelle pp. anzuschaffen, solchergestalt die schon bestehende Anstalt zu erweitern und einen zweckmäßigen Plan für den Unterricht zu machen.“117 112 Vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 88ff.; Dobbert, Chronik, S. 21f.; Strecke, Bauverwaltung, S. 127f.; Calcul, S. 31f. 113 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 2f., 15. Februar 1798, hier Bl. 2. 114 Vgl. Treue, Wirtschaft, S. 495. Bei Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. 1786 hatte der Staatsschatz 50 Millionen Taler betragen. 115 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 2f., 15. Februar 1798, hier Bl. 2. 116 Vgl. Inventar, Bd. 2, S. 638. 117 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 80, 15. Dezember 1798. 46 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gemeint ist hier die architektonische Lehranstalt, die bei der 1696 gestifteten Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften bestand und an der 1798 drei Lehrer und ein Zeichner unterrichteten.118 Auch räumlich sollte das erweiterte Institut in die Akademie der Künste integriert werden: Schrötter teilte dem Minister und Kurator der Akademie Heynitz mit, dass sich der König für die „Aufsetzung einer zweiten Etage auf der halben Front des Academie Gebäudes“119 ausgesprochen habe. Beiden Ministern trug Friedrich Wilhelm III. auf, das weitere Vorgehen nun gemeinsam zu koordinieren. Umgehend beriefen sie eine zehnköpfige Kommission aus Mitgliedern des Oberbaudepartements und der Kunstakademie, um die Einzelheiten der Umgestaltung der architektonischen Lehranstalt zu klären. Sie sollte fortan den Namen Königliche Bau-Akademie tragen und „zu einer allgemeinen Bau-Unterrichts-Anstalt erhoben werden.“120 Auf die bauliche Erweiterung des Akademiegebäudes verzichtete man schließlich, und die Bauakademie bezog nach einigen Provisorien zusammen mit dem Oberbaudepartement mehrere Räume in der Neuen Münze am Werderschen Markt. Die Verbindung mit der Akademie der Künste war dergestalt, dass dem neuen Institut ein Kuratorium vorstand, welches sich aus den jeweiligen Chefs von Oberbaudepartement und Akademie zusammensetzte, also 1799 aus den beiden Ministern Schrötter und Heynitz. Zumindest die strukturelle Verknüpfung erscheint also recht lose. Zur unmittelbaren Leitung der Akademie setzten die Minister ein Direktorium aus vier Dozenten ein. Die personelle Erweiterung der alten architektonischen Lehranstalt war beträchtlich: Mit dem Datum vom 20. April 1799 finden sich in den Akten Berufungsschreiben für insgesamt 16 Dozenten. Sie erhielten ein jährliches Honorar von 100 bis 400 Talern. Vier von ihnen hatten bereits am Institut der Kunstakademie unterrichtet.121 Der notdürftige Anfang, den das Oberbaudepartement dem König ursprünglich empfohlen hatte, schien also durchaus ambitioniert auszufallen. Die Lehrer der Bauakademie unterrichteten bis zur Mitte des Jahrhunderts ausschließlich nebenbei und von einem Lehramt kann in dieser Zeit nur unter Vorbehalt gesprochen werden. In einem Schreiben aus dem Jahre 1831 wies der damalige Direktor der Akademie Christian Peter Wilhelm Beuth einen potentiellen Dozenten ausdrücklich darauf hin, „daß es ein Irrthum ist, wenn Sie glauben, daß die Ertheilung des Unterrichts bei der Bauakademie mit einem Amte verbunden sei. Sie geschieht nur im Wege des Vertrags gegen Honorar.“122 Unter den 16 Lehrern von 1799 waren sieben königliche Bauinspektoren, vier Geheime Ober- 118 Vgl. Dobbert, Chronik, S. 21. Allgemeiner zur Entwicklung der Akademie vgl. kurz Wefeld, Ingenieure, S. 21ff. 119 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 51f., 20. Dezember 1798, hier Bl. 51. 120 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 56–67, 14. Februar 1799, hier Bl. 56. Für die Gutachten der einzelnen Kommissionsmitglieder vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 2. 121 Für die Berufungsvereinbarungen vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 134–159, 20. April 1799. Vgl. auch Dobbert, Chronik S. 21 und 29ff. 122 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 2, Bl. 41, 14. Mai 1831. Für die Bewerbungsschreiben vgl. ebd., Bl. 16, 6. März 1831 und Bl. 38, 10. Mai 1831. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 47 bauräte und ein Oberhofbaurat; mehrere von ihnen waren gleichzeitig im Oberbaudepartement beschäftigt. Am 25. April 1799 wurde in den Berliner Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen die Gründung der Akademie offiziell bekannt gegeben. Ihr Zweck sei „die theoretische und praktische Bildung tüchtiger Feldmesser, Land- und Wasser-Baumeister, auch Bau-Handwerker, vorzüglich für die Königl. Staaten, wobei jedoch, in sofern es ohne Nachtheil der Inländer geschehen kann, auch Ausländer zugelassen werden sollen.“123 Diese Zielsetzung, die Struktur des Lehrkörpers und die räumliche Situation unterstreichen die enge Bindung der Akademie an die Bauverwaltung und heben ihren Charakter als Baubeamtenschule hervor. Ein „Tabellarisches Verzeichnis derjenigen Baubeflissenen so im Ersten halben Jahre vom 1. Oktober 1799 bis Ende März 1800 zur Königlichen Bau-Akademie aufgenommen sind und bey derselben studirt haben“, umfasst insgesamt 120 Namen, unter ihnen auch Karl Friedrich Schinkel.124 Lediglich zehn von ihnen mussten eine Unterrichtsgebühr entrichten, bei den übrigen handelte es sich um „Eleven, denen die Immatriculationsgebühren erlassen wurden.“125 Im Wintersemester 1801/02 hatte die Bauakademie insgesamt 124 Schüler, 17 von ihnen kamen nicht aus Preußen und 49 hatten ihr Studium in diesem Semester begonnen.126 Die Zahl der Schüler stieg bis 1806 weiter, fiel dann ab, und im Studienjahr 1808/09 immatrikulierten sich nur noch elf Eleven. Nach einem neuen Höhepunkt von 160 Schülern im Wintersemester 1826/27 sank die Frequenz wieder rapide ab auf nur 26 Schüler Mitte der dreißiger Jahre. In den folgenden Jahren schwankte ihre Zahl jeweils zwischen 40 und 50, stieg seit Anfang der 1840er wieder stark an.127 Die Baueleven mussten mindestens 15 Jahre alt sein, grundlegende Kenntnisse in Latein, Französisch und im Rechnen besitzen sowie „eine gut leserliche Hand schreiben und […] einen orthographisch richtigen Aufsatz verfertigen können.“128 Zwei Jahre nach der Einrichtung der Bauakademie waren die Minister Heynitz und Schrötter aufgefordert, dem König über die Entwicklung der Anstalt Bericht zu erstatten. In seinem Antwortschreiben bemängelte Friedrich Wilhelm III. in erster Linie zwei Dinge: Zum einen, „daß die Gegenstände des Unterrichts zu sehr zerstückelt“ seien und zum anderen, „daß bei der Aufnahme der jungen Leute nicht mehr darauf geachtet wurde, daß sie die gehörigen Vorkenntnisse besitzen.“ Darüber hinaus ermahnte der König seine Minister „vorzüglich nie zu vergessen, daß practische Baubeamte und keine Professoren in der Academie gezogen wer123 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 126f., 25. April 1799, hier Bl. 127. 124 Inventar, Bd. 2, S. 1161–1175. Das Verzeichnis enthält neben Name, Alter und Vaterberuf auch kurze Einschätzungen zur jeweiligen Leistung der Schüler. 125 Dobbert, Chronik, S. 30. Die Unterrichtsgebühr betrug zehn Taler pro Jahr und Schüler. Unklar scheint der genaue Termin des Vorlesungsbeginns: Dobbert spricht vom 21. April 1799, was mit den Dozentenverträgen korrespondiert. Konter, Bau-Akademie, S. 130, und Lammert, Akten, S. 151, nennen den Oktober 1799, was mit dem zitierten Schülerverzeichnis korrespondiert. 126 Vgl. Dobbert, Chronik, S. 38f. 127 S. u., Graphik 1, S. 61. 128 Dobbert, Chronik, S. 26. 48 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den sollen“129 und wies sie an, die Mängel des Instituts in diesem Sinne zu beheben. Die Antwort des Direktoriums legt einen gewissen Zielkonflikt hinsichtlich der Funktion der Akademie offen. Anfangs vorsichtig formulieren die Bauräte: „es ist gewiß nicht ganz unnütz, wenn sich ebenfalls architektonische Professoren bilden, weil ja doch die Dauer der Akademie mit davon abhängt.“ Im Folgenden argumentieren sie grundsätzlicher und beschreiben den Nachteil einer nur praktischen Ausbildung: „Die wissenschaftlichen Collegia können wir aber nicht entbehren, weil diese allein nur gründliche Vortheile und Angaben bei dem Baumeister erzeugen können, der Mangel derselben aber ihn zum Empiriker, von dem Baumeister zum Bauhandwerker herab setzt, welcher bei vorkommenden neuen Fällen nicht neue zweckmäßige Mittel zu erfinden verstehet.“130 Allerdings treten auch Unstimmigkeiten innerhalb des Direktoriums zu Tage: Lediglich die Oberbauräte Heinrich August Riedel, David Gilly und Johann Albert Eytelwein unterzeichneten das Schreiben – Oberhofbaurat Friedrich Becherer war mit dem Inhalt nicht einverstanden und verweigerte die Unterschrift.131 Die Umgestaltungen, welche die Akademie 1801 erfuhr, beendeten ihre Gründungsphase. Der Bezug zum Oberbaudepartement wurde weiter verstärkt, indem die Dozenten nun von einer akademischen Deputation dieser Behörde beaufsichtigt wurden; der Lehrstoff wurde unter „Auslaßung der blos gelehrten und theoretischen Partien“132 neu geordnet. Insgesamt erscheint die Akademie nun schulischer. Weitergehende akademische und wissenschaftliche Ambitionen für das neue Institut, wie sie Riedel, Gilly und Eytelwein formuliert hatten, waren vorerst gestoppt.133 Insgesamt wirkt die Bauakademie zwei Jahre nach ihrer Einrichtung weiter entwickelt, als dies eine Generation früher bei der entstehenden Bergakademie der Fall gewesen war. Von Beginn an lagen hier genaue Studienpläne vor und dementsprechend konkreter lässt sich eine Studentenschaft erkennen; Unterrichtsräume existierten ebenfalls. Allerdings ist auch in der Gründungssituation der Bauakademie deutlich, dass gewissermaßen ausprobiert wurde: Bei aller Anerkennung der Notwendigkeiten hatte Friedrich Wilhelm III. schon 1798 eingeschränkt, er könne sich „nicht gleich zu einer eigenen gantz neuen Anstalt entschließen“134; vielmehr solle Bestehendes erweitert werden. Das gedruckte Publikandum spricht 1799 zudem lediglich von der „vorläufigen Einrichtung“ der Akademie.135 Allerdings zeigt gerade die Gestalt, welche das Institut 1801 bekam, dass hier durchaus eine ganz neue Anstalt entstanden war. Dass Ansätze zu einer 129 130 131 132 133 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 173f., 28. Februar 1801. GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 3, 23. März 1801 (ohne Paginierung). Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 3, 23. März 1801 (ohne Paginierung). Zit. bei Lammert, Akten, S. 154. Dobbert charakterisiert die Bauakademie nach 1801 als „streng schulmäßig“ (Dobbert, Chronik, S. 36). Lammert, Akten, S. 155, resümiert sehr scharf, die Umgestaltung „beendet eine mehr als zweijährige Probephase, in der eine moderne Ingenieurschule angestrebt wurde, mit einer ganz unbedeutenden Beamtenausbildung.“ Vgl. auch Gispen, Profession, S. 30. 134 GStA PK, I. HA Rep. 76 alt IV Nr. 1, Bl. 80, 15. Dezember 1798. 135 Zit. bei Lammert, Akten, S. 149. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 49 stärker akademischen Gestaltung des Unterrichts zu Gunsten einer mehr praktischen Orientierung auf die Baubeamtenausbildung bewusst verworfen wurden, kann auch so verstanden werden, dass die junge Bauakademie ihre an den Bedürfnissen der Ökonomie und Land-Bau Kunst ausgerichtete Zweckbestimmung der alten architektonischen Lehranstalt gleichsam aufzwang. Das Oberbaudepartement setzte sich gewissermaßen gegenüber der Akademie der Künste durch. Am augenfälligsten ist dies vielleicht in der Überwachung der Lehrer und ihres Unterrichts durch die akademische Deputation der Baubehörde, über die sich Dozenten mitunter beklagten.136 Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Mitglieder dieser Deputation und des Oberbaudepartements zum Teil auch selbst Lehrer an der Bau- und Mitglieder der Kunstakademie waren, so dass es keineswegs klare Konfliktlinien zwischen den beiden Akademien und der Behörde gab. Vielmehr bestand ein eher dichtes Geflecht, in dem nicht zuletzt persönliche Neigungen und Abneigungen eine Rolle gespielt haben mögen. Überblickt man die fünf Jahrzehnte bis zur Jahrhundertmitte, so wird deutlich, dass trotz anderer Optionen und Ansätze Verschulung und Orientierung an den Bedürfnissen der Beamtenausbildung die Leitmotive der weiteren Entwicklung der Königlichen Bauakademie blieben. Im Zuge der preußischen Reformen kam das Institut zur Abteilung für öffentlichen Unterricht in der Sektion für Kultusund Unterrichtsangelegenheiten im Innenministerium. Der enge Bezug zur Bauverwaltung war damit für einige Jahre gelockert und gleichzeitig derjenige zur Akademie der Künste gestärkt.137 Eine Neuorientierung weg von einer Beamtenschule hin zu einer umfassenderen technischen Lehranstalt fand jedoch nicht statt – eher das Gegenteil. Im Jahre 1824 wurde die Akademie gleichsam in zwei Teile zerschnitten: Die Abteilung für Höhere Baukunst, die für die ästhetischen und bauhistorischen Fächer zuständig war, wurde zu einem Teil der Akademie der Künste und blieb mit dieser im Zuständigkeitsbereich des mittlerweile eingerichteten Kultusministeriums. Die Bauakademie war somit auf die Abteilung für die Technik des Bauwesens beschränkt und sollte sich auf die „Ausbildung gewöhnlicher Feldmesser und praktischer Baubedienter“138 konzentrieren, also auf eher mittlere Beamtenlaufbahnen vorbereiten. Für sie war nun das Ministerium für Handel, Gewerbe und Bauwesen zuständig. Eine umfassende Architektenausbildung war somit nur möglich, wenn die Eleven beide Akademien besuchten. Die Teilung der Akademie im Jahre 1824 war das Ergebnis einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Diskussion zwischen Kultus- und Handelsministerium.139 Ausgangspunkt war der noch immer attestierte Mangel an gut ausgebilde- 136 Vgl. beispielsweise Lammert, Akten, S. 155. 137 Vgl. Dobbert, Chronik S. 40. Die Verbindung der beiden Akademien bestand darin, dass beide von einem Direktor geleitet wurden, 1816 bis 1824 war dies Johann Gottfried Schadow. Vgl. auch Konter, Bau-Akademie, S. 132. 138 Zit. bei Lundgreen, Techniker, S. 35. 139 Vgl. dazu Lundgreen, Techniker, S. 32ff.; kurz auch Dobbert, Chronik, S. 41. Eytelwein, der 1801 noch gegen die Beschränkung auf die Beamtenausbildung protestiert hatte, war Verhandlungsführer des Handelsministeriums. Den Vorschlag zur Teilung machte Kultusminister 50 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ten Baubeamten und die Unzufriedenheit mit dem Zustand der Akademie – Altenstein sprach vom „Verfall des Unterrichts.“140 Während das Kultusministerium den Ausbau der Akademie zu einer allgemeinen mathematisch-technischen Lehranstalt ins Auge fasste, war die Bauverwaltung lediglich an einer effizienter gestalteten Beamtenschule für den eigenen Bedarf interessiert und dementsprechend nicht bereit, einen weitergehenden Plan mitzufinanzieren. Da ein Kompromiss nicht gefunden werden konnte, kam es zur Teilung, und das Kultusministerium zog sich weitgehend aus dem Bereich der höheren technischen Bildung zurück. Damit wurde zugleich noch einmal die Andersartigkeit dieser gegenüber der klassischen höheren Bildung an den Universitäten unterstrichen. Die Abtrennung der „höheren Bildung eigentlicher Architekten“141 von der Bauakademie erwies sich jedoch als wenig erfolgreich – die Abteilung für Höhere Baukunst an der Kunstakademie verkümmerte bald, „weil die jungen Architekten es am fleißigen Besuch des Unterrichts fehlen ließen.“142 Überdies bestand an der Bauakademie der Bedarf an Veranstaltungen in den ästhetischen Fächern offensichtlich weiter, denn schon 1828 wurde mit Entwerfen und Zeichnen von Gebäuden das erste entsprechende Fach wieder angeboten. So konnte, wie Dobbert formulierte, „der Übelstand, der in einer solchen Zersplitterung des Gesamtgebietes der architektonischen Ausbildung lag“143, schnell überwunden werden. Eine weitere Verschulung des Unterrichts brachte das Jahr 1831, als Christian Peter Wilhelm Beuth neben der Technischen Schule, der späteren Gewerbeakademie, auch die Leitung der nunmehr als Allgemeine Bauschule bezeichneten Lehranstalt übernahm. Anders als Nebenius in Baden, dem es bei der kurze Zeit später erfolgten Reform des Karlsruher Polytechnikums nicht zuletzt um die Einrichtung eines „streng wissenschaftlichen Unterrichts“144 ging, hielt Beuth wenig von der Akademisierung der technischen Schulen. Auch bereitete die Personalunion hinsichtlich der Leitung der beiden Schulen keineswegs den Weg zu ihrer institutionellen Vereinigung. Vielmehr bezog sich die Umgestaltung eher auf die detailliertere Regelung der Studienpläne und stand unter dem Vorzeichen einer effizienteren Ausbildung im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung der zukünftigen Anstellung der Schüler. Beuth setzte auch den Kollegzwang durch.145 Trotz der Ablehnung einer akademischen Gestaltung in anderen Punkten orientierte sich die Reform der Prüfungsbestimmungen an den Regelungen für Juristen: Die Prüfung wurde zweigeteilt in ein Bauführer- und ein Baumeisterexamen; dazwischen 140 141 142 143 144 145 Altenstein bereits 1820, darauf folgte ein vierjähriger „Kleinkrieg um Ressort- und Etatfragen“ zwischen Handels- und Kultusministerium (Lundgreen, Techniker, S. 35). Zit. bei Lundgreen, Techniker, S. 33. Zit. ebd., S. 35. Damm, Hochschulen, S. 3. Dobbert, Chronik, S. 44. Nebenius, Lehranstalten, S. 100. Vgl. Dobbert, Chronik, S. 45ff. und Lundgreen, Techniker, S. 35. Es waren Studiengänge für Baumeister (Land- und Wegebau) und für Bauinspektoren (Wasserbau und/oder Stadt- und Prachtbau) vorgesehen. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 51 lag eine üblicherweise zwei Jahre umfassende praktische Tätigkeit in der staatlichen Bauverwaltung.146 Beuth blieb für vierzehn Jahre, bis 1845, Direktor der Schule. Sein Wirken bestimmte ihre Form solange, bis es um die Jahrhundertmitte zu einer Neuorientierung in eine eher akademische Richtung kam. Vor dem Hintergrund dieser späteren Entwicklung und aus der Perspektive eines etatmäßigen Professors einer Technischen Hochschule äußerte sich Dobbert entsprechend kritisch über diese Jahre: „In einem eigenthümlichen Contrast steht zu dem Umstande, daß so bedeutende Männer durch Beuth berufen wurden, die durchaus schulmäßige Verfassung, die er der Anstalt gegeben hatte. Man sollte denken: jungen Männern, denen man zutraute, die Unterweisung solcher Lehrer in Kunst und Wissenschaft sich ganz zu Nutzen zu machen, mußte auch das Vertrauen geschenkt werden, daß sie ohne Collegienzwang den Unterricht besuchen würden. Vor allem aber mußte die individuelle Entwicklung des Einzelnen und die künstlerische Seite des Baufaches darunter leiden, daß alle ‚Zöglinge‘ den im Hinblick auf die Staatsprüfungen festgesetzten Lehrplan in gleichmäßiger Weise absolvieren mußten.“147 Dobbert bezieht sich hier unter anderem auf die Lehrtätigkeit von Karl Friedrich Schinkel, Friedrich Stüler oder Peter Gustav Lejeune-Dirichlet. Die Neugestaltung der Lehrpläne und Prüfungsbestimmungen von 1831 hatte auch zur Folge, dass im März 1831 die Verträge fast aller Dozenten gekündigt wurden.148 Der Zeichenlehrer Meinecke beklagte sich in einem Brief an Beuth bitter über seine Entlassung: Seit 49 Jahren in königlichen Diensten sei er nun „ein Greis von 72 Jahren“ und sehe sich jetzt „dem äußersten Mangel und einer trostlosen Zukunft Preÿß gegeben“149, wenn er auf die Einkünfte aus seiner Lehrtätigkeit an der Bauakademie verzichten müsse. Sein Schreiben blieb offensichtlich unbeantwortet. Zusammen mit drei weiteren Dozenten wandte er sich einige Wochen später mit der Frage nach einer Pension an den Minister selbst. Gut drei Monate darauf informierte sie das Ministerium, dass sie „von einem unrichtigen Gesichtspunkt“ ausgingen, denn aus einem Unterricht gegen „Honorar im Wege des Vertrages ist kein Anrecht auf Pension zu begründen.“150 Auch inwieweit die Dozenten bei Dienstunfähigkeit eine Unterstützung aus der Staatskasse erhielten, wurde von Fall zu Fall neu entschieden: Samuel Rösel, ebenfalls Zeichenlehrer und Mitglied der Akademie der Künste, hatte sich im August 1839 bei einem Unfall den rechten Arm derart verletzt, dass er den Unterricht nach den Sommerferien nicht pünktlich beginnen konnte. In einem Brief an Beuth schrieb er: 146 Vgl. Bolenz, Baubeamte, S. 93. 147 Dobbert, Chronik, S. 53. 148 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 2, Bl. 6–14, 8. März 1831, enthält neun Kündigungen; der Preußische Hof- und Staatskalender für das Jahr 1831 listet bei der Bauakademie insgesamt 13 Lehrer auf. 149 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 2, Bl. 22f., 5. April 1831. 150 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 2, Bl. 73, 7. September 1831. Das Gesuch findet sich ebd., Bl. 72, 28. Mai 1831. Die Akten enthalten darüber hinaus weitere Bittschreiben von den Dozenten Meinecke und Gruson. 52 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts „Zwar thaten 12 Blutegel ihre Pflicht, aber es trat schon in der ersten Nacht eine totale Armgeschwulst ein, die am dritten Tage feuerrot wurde […] In dieser Noth wende ich mich mit meiner linken Hand an meinen großgütigen Herrn Director: um mir ärmsten noch eine Woche Urlaub zu vergönnen! Es ist hart genug: daß ich in der schönen Ferienzeit statt in Sanssouci zu schwelgen und mich zu erholen, hier in enger Haft sitzen muß und leiden!“151 Obwohl Rösel seinen Unterricht zeitweise wieder übernehmen konnte, zwangen ihn die Nachwirkungen des Unfalls schließlich, seine Lehrtätigkeit ganz aufzugeben. Für ihn konnte Beuth beim Ministerium erreichen, dass ihm das bisherige Honorar von jährlich 250 Talern für seine „übrige Lebenszeit“152 weiter gezahlt würde. Beispielhaft illustrieren diese beiden Fälle die vergleichsweise unsichere materielle Stellung all jener Dozenten, die nicht über eine anderweitige feste Anstellung mit einem pensionsfähigen Gehalt verfügten. Diese Situation war an allen technischen Schulen die gleiche. Dementsprechend findet sich in den Akten eine Vielzahl von Gesuchen ehemaliger Lehrer oder deren Hinterbliebener, mit Bitten um Pensionszulagen, einmalige Zuwendungen oder Gnadenpensionen. Nachdem die Königliche Bauakademie schon bei ihrer Gründung schärfer konturiert war als die ältere Bergakademie, erscheint sie auch in ihrer weiteren Entwicklung stabiler. Zwar gab es auch hier mit der Abtrennung der eigentlichen Architektenausbildung 1824 eine Situation, die mit der Beschränkung des bergtechnischen Unterrichts auf jene Fächer, die nicht an der Universität gelehrt wurden, vergleichbar war. Die Bauakademie jedoch überstand diese Krise ohne größeren Schaden und konnte sich gerade unter Beuth als zentrale, schulmäßig organisierte Ausbildungsstätte für die preußische Bauverwaltung konsolidieren. Exkurs: Über Schinkels Bauakademie Es sei ein Bauwerk, „dessen Größe nicht imponirt, dessen Form nicht besticht, und welches dennoch immer auf’s Neue mit stiller Gewalt uns anzieht.“153 So charakterisierte 1869 Friedrich Adler in seinem Festvortrag zum jährlichen Schinkelfest das Gebäude der Bauakademie.154 In den Jahren 1832 bis 1836 wurde am Kupfergraben – gegenüber dem Schloss und nahe der Friedrich-Werderschen-Kirche – nach Entwürfen und unter der Leitung Karl Friedrich Schinkels ein Bau errichtet, der die Allgemeine Bauschule, das Oberbaudepartement, Schinkels Woh- 151 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 3, Bl. 202, 15. August 1839. 152 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 4, Bl. 58, 15. März 1842. Für die Genehmigung vgl. ebd., Bl. 64, 23. März 1842. Rösel verstarb im Jahre 1843; er war schon seit 1835 häufiger von seinem späteren Nachfolger Karl Eduard Biermann (1803–1892) vertreten worden, vgl. Dobbert, Chronik, S. 52ff. 153 Adler, Bauschule, Sp. 472. Adler war Schüler Schinkels und selbst Lehrer an der Bauakademie. 154 Für einen Überblick zur architekturhistorischen Einordnung der Bauakademie vgl. die Publikationen zu den beiden Ausstellungen „Karl Friedrich Schinkels Berliner Bauakademie“ (1996) und „Mythos Bauakademie“ (1998/99). 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 53 nung sowie verschiedene Geschäfte beherbergen sollte. Die Einnahmen aus der Vermietung der Ladenflächen dienten nachträglich der Finanzierung des Baus.155 Schinkel war seit 1830 Direktor des Oberbaudepartements und stand damit an der Spitze des preußischen Bauwesens. Er war also gleichsam Architekt und Bauherr in einer Person, was ihm die Möglichkeit gab, kompromissloser als bei anderen Projekten zu planen, wodurch der Bau eine besondere Stellung in seinem Werk einnimmt. Er zeichnete nicht nur sämtliche Pläne für den Bau selbst, sondern entwarf auch das Bildprogramm für die verzierenden Terrakottatafeln, die unterhalb der Fenster im ersten Hauptgeschoß angebracht waren.156 Die Reaktionen auf das neue Bauwerk in der Mitte Berlins waren geteilt; Alexander von Humboldt bezeichnete es als „admirable“, der Berliner Volksmund reimte „Kasten dieser Stadt, ringsum glatt und platt“157 und König Friedrich Wilhelm IV. entwarf später Kolonnaden, um den Bau aus dem Blickfeld des Schlosses verschwinden zu lassen.158 Auch die zeitgenössische Druckgraphik konnte sich mit der Bauakademie nicht anfreunden; das Alte Museum und die Neue Wache waren weitaus beliebtere Motive.159 Nach der Fertigstellung des Denkmals für Wilhelm I. vor dem Schloss 1897 wurde verschiedentlich der Abriss des Schinkelbaus gefordert. Die „Deutsche Bauzeitung“ machte daraufhin den vermittelnden Vorschlag, das Gebäude auf Rollen zu setzen und um gut 60 Meter zu verschieben: „Das Denkmal würde durch Fernrücken der gewaltigen schlichten Baumasse nicht mehr beengt sein und die Pietät gegen ein achtbares Stück Berliner Baugeschichte käme auch zu ihrem Recht.“160 Weniger pietätvoll handelte man in den 1960er Jahren: Die Bauakademie wurde abgerissen, um Platz für das neue Außenministerium der DDR zu schaffen. Auch heute wird der Bau unterschiedlich eingeschätzt. Häufiger wird er als „sehr großes Meisterwerk“161 bezeichnet und zu den „Inkunabeln der modernen Architekturgeschichte“162 gezählt; vereinzelte kritische Stimmen sprechen unter anderem vom „tektonischen Debakel am Gebäude der Bauschule.“163 155 Vgl. Klinkott, Bauakademie, S. 11. Vgl. auch Blauert, Nutzungsgeschichte, S. 41: „Die Läden waren Berlins erste und eine überaus beliebte ‚Ladenstraße‘.“ 156 Vgl. Bergdoll, Bauakademie, S. 17. Bergdoll weist darauf hin, dass Schinkel dies „mehrere Jahre nicht mehr getan hatte“ und stellt fest, dass Schinkel die Bauakademie „als sein größtes realisiertes Werk“ betrachtete. 157 Zit. bei Adler, Bauschule, Sp. 472. 158 Vgl. Peschken, Einleitung, S. 9. 159 Vgl. Gramlich, Ansichten S. 109f. Während sich zwölf Blätter mit der Bauakademie finden lassen, existieren für die Neue Wache 31, für das Alte Museum 40. 160 Deutsche Bauzeitung 44 (1897), S. 279, Reprint in Fouquet-Plümacher, Ausstellungskatalog, S. 69. 161 Peschken, Einleitung, S. 9. 162 Bergdoll, Bauakademie, S. 17. 163 Heinisch, Zwölfruthenhaus, S. 75. Heinisch fasst kritisch zusammen: „Wäre das Gebäude das, wofür die nachpreußische Hagiographie es hält, es müßte anders aussehen, und nicht nur das, es müßte auch auf eine andere Weise gebaut sein“ (S. 86). 54 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 164 Abbildung 1: Eduard Gaertner, Die Bauakademie, Öl auf Leinwand, 63 x 82 cm, 1868 Bei der Bauakademie handelte es sich um einen quadratischen, unverputzten Ziegelbau mit Innenhof. Über einem sockelhaften Erdgeschoß erhoben sich in der Höhe abnehmend zwei Hauptgeschosse und ein Dachgeschoß (Abbildung 1). Abgesehen von den Eingangstüren waren die vier Seiten des Baus gleich gestaltet, selbst das Bildprogramm der Terrakottatafeln unter den Fenstern des ersten Hauptgeschosses wiederholte sich auf jeder Seite. Die Fassaden waren achtachsig mit für die Zeit ungewöhnlich großen Fenstern. Lisenen betonten die Vertikale des ansonsten eher horizontal wirkenden Baukörpers. Zusammen mit den Gesimsen oberhalb der einzelnen Stockwerke bildeten sie das Rasterhafte der Baukonstruktion ab. Allein das Kranzgesims griff über die Lisenen hinweg, wurde jedoch von ihnen auch gleichsam durchstoßen: Sie fanden ihre Fortsetzung in kleinen Postamenten, zwischen denen niedrige Gitter montiert waren. Rote Ziegel verblendeten das Gebäude. In regelmäßigen Abständen wurden die Backsteinschichten von einer Lage blauvioletter, glasierter Ziegel unterbrochen, „um eine architektonische Ruhe“165 zu gewinnen, wie Schinkel formulierte. Im Erdgeschoss liefen diese horizontalen Linien auch über die Lisenen hinweg. In den drei anderen 164 bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders. Weitere Gemälde der Bauakademie existieren u. a. von Friedrich Wilhelm Klose (1836) und Carl Wilhelm Freydanck (1838), vgl. Gramlich, Ansichten, S. 112ff. 165 Schinkel, Bau-Schule, S. 16. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 55 Stockwerken waren diese mit quadratischen und hochrechteckigen Rahmungen aus ebenfalls glasierten Ziegeln verziert. Stilistisch lässt sich die Bauakademie nur schwer einordnen. Es finden sich Elemente, die in verschiedene Richtungen weisen.166 Allerdings war sie weit davon entfernt, ein eklektizistisches Sammelsurium zu sein – „sie ist und bleibt Originalwerk“167, wie Friedrich Adler meinte. Schinkels Bau war gleichsam auf dem Weg in die Moderne. Diese Modernität findet ihren Ausdruck auf verschiedenen Ebenen. Die Bauakademie war der erste Skelettbau in Preußen. Die Fassadengliederung mit Lisenen und Gesimsen repräsentierte die innere Konstruktion des Baus nach außen. Die großen Fenster im Hauptgeschoß, die für die ausreichende Belichtung der Hör- und Zeichensäle sorgten, betonten die Auflösung der Wand als tragende Struktur.168 Allerdings darf diese Abbildung der inneren Struktur auf der äußeren Hülle nicht überbetont werden. Dies wird besonders an den Gewölben deutlich. Die flachen Kappengewölbe überspannten nicht eine Achse, wie es die Fassadengliederung nahe legte, sondern jeweils zwei; zudem implizierte die Gleichartigkeit der Fassaden eine entsprechende Regelmäßigkeit der Gewölbestruktur, die in den Eckräumen des Gebäudes nicht durchzuhalten war.169 Letztlich war die innere Konstruktion also nicht das bestimmende, sondern vielmehr ein inspirierendes Moment für die äußere Gestaltung. Am augenfälligsten sind die modernen Elemente der Bauakademie vielleicht im Verzicht auf eine repräsentative Schauseite: Der Eingangsbereich war in die Fassadengliederung eingeordnet und kaum hervorgehoben. Hier erscheint der Bau sachlich und wenig auf die bei öffentlichen Gebäuden sonst übliche Repräsentation bedacht. Eigentümlich war zudem, dass ein zentral positionierter Eingang nur durch seine Verdoppelung möglich war – denn in der Mitte jeder Fassade stand ein tragender Pfeiler. Dementsprechend erhielt das Gebäude nebeneinander zwei Eingangsportale: Eines führte zur Bauschule, das andere zum Oberbaudepartement. Weitere moderne Elemente waren die industrielle Fertigung des Baumaterials – bis hin zu den dekorativen Terrakottatafeln – sowie die Ausstattung mit Wasserleitungen und Zentralheizung.170 Auch hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung als Zuhause für eine höhere Schule war Schinkels Bauakademie etwas Neues in der preußischen Hauptstadt. Bisher waren die verschiedenen Institutionen höherer Bildung in ursprünglich für andere Zwecke errichteten Gebäuden untergebracht worden. Unter diesem Gesichtspunkt 166 Vgl. Klinkott, Bauakademie, S. 16ff. 167 Adler, Bauschule, Sp. 473. 168 Vgl. u. a. Bergdoll, Bauakademie, S. 30f.; Klinkott, Bauakademie, S. 17. In der Allgemeinen Bauzeitung beschrieb Emil Flaminius, ein Mitarbeiter Schinkels, die Bauarbeiten: „Erst nachdem die Pfeiler das ganze vertikale Gewicht, welches sie tragen sollten, erhalten, und mit ihrer größten Höhe zugleich einen bedeutenden Grad von Festigkeit erlangt hatten, sollten die Fenster mit ihren Bögen, Sturzen und Brüstungen allmählich angebracht, und das sämmtliche feinere Verblendungsmaterial der Gesimse und Ornamente eingesetzt werden“ (Flaminius, Bau, S. 4). 169 Vgl. Bergdoll, Bauakademie, S. 30, detaillierter Peschken, Aufruf, S. 4f. 170 Vgl. Blauert, Nutzungsgeschichte, S. 41. 56 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts scheint das Fehlen einer repräsentativen Geste noch einmal bedeutsam. Der bewusste Verzicht auf etablierte – und damit legitimierende – Formen strahlt Selbstbewusstsein aus. Es ist gerade dieses Selbstbewusstsein der Schinkelschen Bauakademie, welches sechs Jahrzehnte später dem Hauptgebäude der Technischen Hochschule mit seiner unbeholfenen Aufnahme der traditionellen cour d’honneur Disposition so völlig fehlen sollte.171 1.2.3 Das Gewerbeinstitut In mehrfacher Hinsicht steht die Gründung der letzten hier zu erörternden Akademien für etwas Neues. Erstmals in Preußen war die Zielsetzung dieses technischen Unterrichts nicht die Ausbildung von Staatsbeamten, sondern – in Anknüpfung an die erwähnten Institute in Prag und Wien – die Ausbildung von Technikern für das private Gewerbe. Demzufolge lassen sich in geringerem Ausmaß als beispielsweise bei der Bauakademie direkte oder indirekte Vorläufer ausmachen. Zudem war die 1821 eröffnete Technische Schule – den Namen Gewerbeinstitut erhielt sie 1827 – in stärkerem Maße Teil eines breiter angelegten Planes. Zusammen mit den seit 1820 eingerichteten Provinzial-Gewerbeschulen entstand hier neben den bestehenden Bildungs- und Ausbildungsstätten ein neues Schulsystem zur Förderung des Gewerbes.172 Schon Dobbert hielt 1899 fest, dass die Zusammengehörigkeit von Provinzial-Gewerbeschulen und Gewerbeinstitut „den Kern der Pläne Beuths“173 darstellte. Entwürfe für die konkrete Umsetzung dieser Gewerbeförderung durch Bildung konzipierte Beuth erstmals 1817, als Kultus- und Handelsministerium auch über die Neuordnung der Bauakademie verhandelten. Anlass war die vom Kultusministerium angestrebte Reform des Kunstschulwesens im Sinne einer Einbindung von Ausbildungsangeboten für Handwerker und Gewerbetreibende. Da die beiden Ressorts in diesem Punkt keine Einigung erzielten, zog sich im Jahre 1820 auch hier das Kultusministerium zurück, und Altenstein trat dem Handelsministerium die Kompetenz ab, „Spezialschulen für mechanische Gewerbe“174 einzurich- 171 Peschken nennt den Bau unter diesem Gesichtspunkt „verkrampft, Dokument eines Minderwertigkeitskomplexes“ (Peschken, Baugeschichte, S. 174). Vgl. zur Baugeschichte der Technischen Hochschule und ihrer Vorgängerinstitutionen ausführlich Brachmann & Suckale, Bauten. Dort wird der Schinkel-Bau als „ein Gestalt gewordenes Bau- und Hochschulmanifest“ bezeichnet (S. 15). 172 Vgl. zur Entwicklung des Gewerbeinstituts Nottebohm, Chronik; Lundgreen, Techniker, bes. S. 54ff. Zu den Provinzial-Gewerbeschulen vgl. ebd., S. 41ff. Nach Lundgreen kann das Gewerbeinstitut „am besten vor dem Hintergrund der Provinzial-Gewerbeschulen verstanden werden“ (S. 54). 173 Dobbert, Chronik, S. 78. 174 Zit. bei Lundgreen, Techniker, S. 39. Aufgrund dieser doppelten Resignation Altensteins – er überließ dem Handelsministerium die technische Abteilung der Bauakademie und die Zuständigkeit für die Ausbildung der Gewerbetechniker – resümiert Lundgreen, Techniker, S. 34: „Das Jahr 1820 leitete dann den großen Rückzug des Kultusministeriums vom Gebiet 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 57 ten. Außerhalb der Zuständigkeit des Unterrichtsministeriums begann so der Aufbau eines Ausbildungssystems für Gewerbetechniker. Als bestimmende Figur im Handelministerium trat dabei der schon mehrfach genannte Christian Peter Wilhelm Beuth auf. Die Berliner Technische Schule als höhere technische Bildungsanstalt war nicht der Ausgangspunkt seines Konzepts; vielmehr entwarf er zuerst Pläne für Handwerksschulen, die in den einzelnen Regierungsbezirken eingerichtet werden sollten. Anfangs als Abend- und Sonntagsschulen konzipiert, entschied das Handelsministerium 1821 eine Umorientierung hin zu Vollzeitschulen, die bei aller regionalen Verschiedenheit der seit Mitte der 1820er Jahre als ProvinzialGewerbeschulen bezeichneten Lehranstalten der Regelfall wurde.175 Hier sollte „der angehende Fabrikant und Handwerker […] gerade so viel Vorkenntnisse erwerben, als zum gewöhnlichen Betriebe eines technischen Gewerbes nöthig sind.“176 Die besten Absolventen erhielten die Möglichkeit, ihre Ausbildung in Berlin fortzusetzen. Die Provinzial-Gewerbeschulen bekamen somit einen doppelten Auftrag: zum einen eine vollständige niedere oder mittlere Ausbildung gewähren und zum anderen auf den Besuch der Berliner Technischen Schule vorbereiten. Mit diesem zweistufigen System nahm Beuth das vorweg, was Nebenius ein gutes Jahrzehnt später in Baden forderte. Im Jahr 1833 bezeichnete dieser die Gründung niederer technischer Schulen als eines der „dringendsten Bedürfnisse des Landes“177, rechtfertigte jedoch gleichzeitig die bereits erfolgte Einrichtung einer höheren technischen Schule mit dem Hinweis darauf, dass die badische Regierung sie ausdrücklich „als eine Pflanzschule für die Lehrer an den niedern technischen Anstalten“178 bezeichnet hatte. Eine derartige Aufgabe hatte Beuth für das preußische Institut nicht vorgesehen. Hier konzentrierte man sich auf die praktische Ausbildung von Technikern und schloss die Lehrerbildung, die einen mehr akademischen Kursus erfordert hätte, von Anfang an von der Zweckbestimmung des Instituts aus. Wie auch bei Berg- und Bauakademie lässt sich bei der Technischen Schule eine enge Bindung an die entsprechende Abteilung innerhalb des Ministeriums erkennen. Die Leitung lag beim Dirigenten der technischen Deputation. Die Lehrer waren in der Regel Mitglieder dieser Deputation, und das Gebäude, welches das Handelsministerium 1821 zur Unterbringung des neuen Instituts in der Klosterstraße erwarb, trug den Namen „Diensthaus der technischen Deputation.“179 Auch die Anstellung der Dozenten erfolgte so, wie im Berliner technischen Unterrichtswesen mittlerweile üblich. Beuths Organisationsplan vom April 1821 endet 175 176 177 178 179 der ‚Spezialbildung‘ ein.“ Gispen, Profession, S. 25, betont, dass letztlich Budgetkürzungen verantwortlich für diesen Rückzug waren. Für eine Übersicht über die einzelnen Schulen vgl. Lundgreen, Techniker, S. 51. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 8. Das Zitat ist dem Organisationsplan der Technischen Schule in Berlin entnommen und beschreibt die Zielsetzung der unteren Klasse dieser Lehranstalt, die jedoch der Zielsetzung der Provinzial-Gewerbeschulen entsprach, vgl. Lundgreen, Techniker S. 55. Nebenius, Lehranstalten, S. XII. Ebd., S. XIII. Nottebohm, Chronik, S. 10. 58 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Feststellung: „Da kein besonderer Etat für diese Schule gemacht werden kann: so bedarf es nur einer Remuneration für die Lehrer, im Wege des Abkommens für bestimmte Zeiträume.“180 In seinem Lehrplanentwurf nahm Beuth zudem ausdrücklich Rücksicht darauf, dass die Dozenten nur nebenamtlich lehrten und beschränkte den täglichen Unterricht auf vier Stunden, damit „den Lehrern für ihre Dienstarbeiten Zeit bliebe.“181 Trotz eines durchdachten Schulplans und eines detaillierten Lehrplans scheint auch hier ein Element der Improvisation durch – oder, positiv formuliert, eine geschickte Ausnutzung von Synergien. Der Kursus des Gewerbeinstituts war ursprünglich auf zwei Jahre angelegt, wobei die untere Klasse, die ein Jahr umfasste, den Provinzial-Gewerbeschulen entsprechen sollte, auch wenn dies in Beuths Organisationsplan nicht ausdrücklich so formuliert war.182 Allerdings traten die Absolventen der Gewerbeschulen, die nach Berlin kamen, nur selten sofort in die obere Klasse des Instituts ein. Fünf Jahre nach der Gründung der Schule machte die Erweiterung des Unterrichtsstoffes eine dritte Klasse notwendig, die sogenannte Suprema. Sie dauerte vorerst nur ein Semester, wurde aber Anfang der 1840er Jahre auf zwei Semester ausgeweitet, so dass der gesamte Kursus nun drei Jahre dauerte.183 Wie auch bei den anderen technischen Akademien waren die „Requisite für die Aufnahme“ eher gering: Die Schüler sollten zwischen 12 und 16 Jahren alt sein, sie sollten in Preußen geboren sein oder ihr Vater zumindest dort wohnen, sie sollten „eine gute Handschrift“ haben und „Kenntnisse des Einmaleins und der sogenannten vier Spezies“ besitzen; zuletzt sollten sie nicht durch „anderweiten Verhältnisse oder durch andern Unterricht“184 daran gehindert werden, regelmäßig an den Vorlesungen und Übungen teilzunehmen. Die Lehrveranstaltungen begannen im November 1821 mit 13 Schülern. Vier Mitglieder der technischen Deputation unterrichteten sie in Mathematik, Chemie, Physik und Zeichnen. Im folgenden Jahr stieg die Gesamtschülerzahl auf 43, und die obere Klasse wurde eingerichtet. Während an der Bauakademie von Anfang an mehr als 100 Eleven studierten, wuchs das Gewerbeinstitut deutlich langsamer und erst seit 1840 lag die Schülerzahl jenseits der 100. Diese Kleinheit war eine gewollte. Schon in seinem Organisationsplan stellte Beuth fest: „Überfüllung der Klassen ist das Nachtheiligste für den Unterricht“185 und legte ein Maximum von 30 Schülern pro Klasse fest. Einen ähnlichen Standpunkt vertrat der Handelsminister Ludwig Graf von Bülow hinsichtlich der Provinzial-Gewerbeschulen: Wichtig sei nicht eine hohe Schülerzahl; vielmehr ginge 180 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 12. Der Organisationsplan ist gedruckt bei Nottebohm, Chronik, S. 3ff. 181 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 10. 182 Lundgreen, Techniker, S. 56, spricht der unteren Klasse des Gewerbeinstituts eine von Beuth gewollte „normierende Wirkung“ auf die Provinzial-Gewerbeschulen zu. 183 Vgl. Nottebohm, Chronik, S. 10 und 15ff. (Lectionsplan vom 1. Oktober 1842). 184 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 7. 185 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 7. 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen 59 es darum „weniger aber vorzügliche Subjecte auszubilden.“186 Der Elitegedanke, der hier anklingt, kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Direktor das Recht hatte, „jeden nachlässigen oder faulen Schüler kurz und gut zu entfernen.“187 Nottebohm bezeichnete den Kursus des Gewerbeinstituts vor diesem Hintergrund als „Purgatorium der jungen Techniker; wer am Schlusse desselben mit dem Zeugniss der Reife ausschied, war wohl ausgerüstet für den industriellen Wettkampf, der im praktischen Leben seiner harrte.“188 Bis einschließlich 1850 erhielten insgesamt 650 Schüler des Instituts dieses Zeugnis, also grob gesprochen zwei Drittel aller Schüler, wenn man von einer jährlichen Immatrikulationsfrequenz von 30 bis 40 ausgeht.189 Der von Nottebohm attestierte Fegefeuercharakter des Gewerbeinstituts muss hinsichtlich der wissenschaftlich-theoretischen Seite des Unterrichts relativiert werden. Wie die Vorbildungsanforderungen schon angedeutet haben, blieb der wissenschaftliche Anspruch trotz sukzessiver Erweiterung des Lehrstoffes bescheiden. Zudem orientierte man sich bei dieser Erweiterung nicht an wissenschaftsimmanenten Entwicklungen, sondern daran, was hinsichtlich der zukünftigen Stellung der Absolventen als nützlich erschien.190 Der Unterricht war weit weniger theoretisch als praktisch und dementsprechend besaß das Berliner Institut „wohl die grösste Lehrwerkstatt“191, wie der Prager Professor Carl Ko istka nach seinem Besuch Anfang der 1860er Jahre notierte. Auch diese Bescheidenheit in wissenschaftlicher Hinsicht, die klare Positionierung der technischen Ausbildung außerhalb eines universitären Milieus, war von Anfang an Beuths Programm: „Wer mehr lernen will, thut es auf der Universität. Dieses Mehr schließe ich von der technischen Schule deshalb aus, weil ich es mehr für eine Zierde, als von wesentlichem Einflusse auf das Gedeihen der Gewerbe und auf ihre Blüthe halte.“192 Die Erfahrung lehrte ihn, an diesem Grundsatz festzuhalten. Im Jahre 1840 schrieb er in einem Brief an Redtenbacher, den Direktor des Karlsruher Polytechnikums: „Im Gewerbeinstitut sind oft die Schüler die Ausgezeichnetesten, die eine ganz mangelhafte Schulbildung genossen und in einer Gewerbeschule nicht durch einen lang gesponnenen Kur186 Zit. bei Lundgreen, Techniker, S. 43. Im Jahre 1849 hatte die Provinzial-Gewerbeschule in Hagen mit 75 die höchste Schülerzahl, während die in Frankfurt an der Oder kaum zehn zählte (vgl. S. 51). 187 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 9. 188 Nottebohm, Chronik, S. 24. 189 Vgl. Nottebohm, Chronik, S. 80ff. Nottebohm gibt jeweils nur die Gesamtfrequenz an, so dass eine genaue Berechnung der Abschlussquote nicht möglich ist. Seine Zahlen zeigen jedoch, dass die angenommenen jährlichen Immatrikulationszahlen realistisch sind. Sie entsprechen zudem ungefähr dem von Beuth gesetzten Maximum der Klassengröße. Vgl. auch die Überlegungen zur Gesamtzahl der Schüler des Gewerbeinstituts bis 1850 bei Lundgreen, Techniker, S. 115f. 190 Vgl. Blankertz, Bildung, S. 85. 191 Ko istka, Unterricht, S. 65. Vgl. zu Einrichtung und Zielsetzung des Werkstattunterrichts auch Dobbert, Chronik, S. 78. 192 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 7. 60 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sus eingeschläfert wurden; sie sind meine Paradepferde, während ich Schüler als unbrauchbar aus der 2. Klasse entlassen muß, die das Zeugnis der Reife für die Universität mitbrachten.“193 Während das Alter der Schüler deutlich höher war als in Beuths Organisationsplan vorgesehen – Lundgreen berechnet für die drei Jahrzehnte bis 1850 ein durchschnittliches Eintrittsalter von 19 Jahren194 – folgte die Realität dem Plan in einem anderen Punkt genauer: Bis zur Jahrhundertmitte war das Gewerbeinstitut tatsächlich eine ausschließlich preußische Angelegenheit. Erst im Jahre 1849 lassen sich die ersten beiden ausländischen Schüler nachweisen.195 Das Institut unterschied sich in dieser Hinsicht sehr deutlich von den Polytechnika in Karlsruhe und Hannover, deren europäisches Format sich in einem deutlich höheren Ausländeranteil ausdrückte. So waren im Studienjahr 1861/62 von den insgesamt 784 Schülern des Karlsruher Polytechnikums nur 37,5 Prozent Landeskinder, knapp acht Prozent kamen aus Preußen, gut sechs aus Österreich-Ungarn, 25,5 aus den übrigen Staaten des Deutschen Bundes, vier Prozent aus der Schweiz, 6,5 aus Russland, knapp zehn aus dem restlichen Europa und immerhin 2,5 Prozent aus Amerika. Im gleichen Jahr studierten am Berliner Gewerbeinstitut insgesamt 419 Schüler und Hospitanten, von denen weniger als drei Prozent als Ausländer geführt wurden.196 Auch die benachbarte Bauakademie zeigte sich in dieser Hinsicht schon früh offener. Bereits im Studienjahr 1801/02 lag hier der Ausländeranteil bei knapp 14 Prozent (17 von 124).197 Die Technische Schule war 1821 ohne einen besonderen Etat eingerichtet worden. So war das Handelsministerium auf der Seite der Dozenten bemüht, die Kosten gering zu halten und beschritt mitunter andere Wege zur Entlohnung: Ein Antrag von 1835 auf Verleihung des Professorentitels für den Mathematiker Ferdinand Wolff und den Zeichenlehrer Johann Matthäus Mauch betont neben der langjährigen Tätigkeit beider am Gewerbeinstitut, dass diese Ehre „ihnen bei dem verhältnismäßig geringen Honorar, welches sie empfangen, zur Aufmunterung gereichen“198 würde. Weitaus freigebiger zeigte man sich im Gegensatz dazu gegenüber den Schülern. Der Unterricht war für alle kostenlos und zudem erhielten bis einschließlich 1850 rund 80 Prozent der Studierenden ein stattliches Stipendium von 300 Talern pro Jahr.199 Das Konzept der Industrie- beziehungsweise Gewerbeförderung durch Bildung erfuhr hier also in dem Sinne eine Erweiterung, dass die Attraktivität des Bildungsangebotes durch die Kostenübernahme für die 193 194 195 196 Zit. bei Reihlen, Beuth, S. 87. Vgl. Lundgreen, Techniker, S. 56. Vgl. Nottebohm, Chronik, S. 80f. Vgl. zu den Karlsruher Angaben Ko istka, Unterricht, S. 36 und zu Berlin Nottebohm, Chronik, S. 82ff. In Hannover lag der Anteil der Landeskinder 1862/63 bei knapp 60 Prozent (253 von 432), vgl. Ko istka, Unterricht, S. 77. 197 Vgl. zu den absoluten Zahlen Dobbert, Chronik, S. 39. 198 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 2, Bl. 50, 30. Oktober 1835. 199 Vgl. Nottebohm, Chronik, S. 80. Der weitaus größte Teil waren Staatsstipendien (ca. 90 Prozent), die übrigen die vom Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes vergebenen von Seydlitzschen Stipendien. Vgl. zu diesen ausführlich Lundgreen, Techniker, S. 104ff. 61 1.2 Institutionelle Vielfalt: Die Entwicklung in Preußen Studierenden beträchtlich gesteigert wurde. Besonders wichtig ist dies vor dem Hintergrund, dass die Schüler des Instituts in einem erwerbsfähigen Alter waren und für sie das Studium in Berlin nicht zuletzt einen – mindestens kurzfristigen – Verdienstausfall bedeutete. 200 Graphik 1: Schülerzahl an Bauakademie und Gewerbeinstitut bis 1850 500 450 400 Studierende 350 300 250 200 150 100 50 0 1801/02 1806/07 1811/12 1816/17 1821/22 1826/27 1831/32 1836/37 1841/42 1846/47 Bauakademie Gewerbeinstitut gesamt Formal vergleichbar ist dieses Stipendienwesen mit den Gehaltszahlungen, welche die Studierenden der Écoles d’Application in Frankreich erhielten. Allerdings handelte es sich dort aus der Sicht des Staates um eine Investition, die sich mit der Übernahme der Absolventen in den Staatsdienst direkter und kurzfristiger bezahlt machte. Die preußische Politik der Gewerbeförderung mit Hilfe von Ausbildungsstipendien für zukünftige Gewerbetreibende lässt sich eher als mittel- bis langfristige Investition charakterisieren, die sich zudem eher indirekt für den Staat auszahlte. Um so verständlicher ist Beuths Klage, dass es ihm „schon mit mehreren der ausgezeichnetsten Zöglinge“ so ergangen sei, dass „sie an der Cholera, Schwindsucht, in dem Augenblick starben, so das auf sie verwendete Capital hätte Zinsen tragen sollen.“201 Noch Anfang der 1860er Jahre, als der Umfang der Stipendien bereits um ein Drittel gekürzt worden war, resümierte Ko istka nach einer kurzen Übersicht über die verschiedenen Förderungsmöglichkeiten, dass die Berliner 200 Es handelt sich nicht um die Immatrikulationsfrequenzen, sondern um die Zahl der jeweils im Wintersemester eingeschriebenen Schüler. Zahlen seit 1821 nach Damm, Hochschulen, S. 191f., davor nach Dobbert, Chronik, S. 38f. Die Werte für die Semester 1804/05–1808/09 sind Schätzungen auf der Grundlage der dort genannten Immatrikulationszahlen. Für die Jahre zwischen 1810 und 1820 liegen keine Angaben vor. Auch für die Bergakademie existiert kein zuverlässiges Zahlenmaterial, vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 42. 201 Zit. bei Lundgreen, Techniker, S. 276. 62 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Akademie in dieser Hinsicht „wohl unter allen technischen Schulen am reichsten bedacht ist.“202 Von den drei hier kurz erörterten Akademien verlief die Entwicklung des Gewerbeinstituts bis zur Jahrhundertmitte zweifelsohne am geradlinigsten; auch seine Schülerzahl entwickelte sich kontinuierlicher und weniger sprunghaft als die der Bauakademie (Graphik 1). Hinsichtlich seiner Zielsetzung und der intensiven finanziellen Förderung seiner Schüler war es zudem deutlich innovativer und progressiver als die beiden anderen Akademien. Obwohl das Handelsministerium beim Aufbau eines Ausbildungssystems für Gewerbetechniker gleichsam bei Null beginnen musste, waren in den drei Jahrzehnten nach 1821 keine grundlegenden Reformen für nötig erachtet worden. Dies mag nicht zuletzt daran gelegen haben, dass zuerst die Konzeption und dann bis 1845 die Leitung dieses Zweiges des technischen Unterrichtswesens im Wesentlichen in der Hand von Beuth konzentriert waren. Wenn hinsichtlich des Erfolgs der Gewerbeförderung durch Bildung in den deutschen Staaten bis zur Jahrhundertmitte eine eher negative Bilanz gezogen werden muss, so stellt sich die Situation in Berlin etwas anders dar. Lundgreens Analyse des späteren Werdegangs eines Teils der Absolventen des Gewerbeinstituts hat gezeigt, dass die Beuthsche Gründung keine Fehlinvestition war. Zwar gingen selten selbständige Unternehmer aus der Schule hervor, wie es Beuths Konzeption entsprochen hätte. Jedoch war ein Bedarf nach „Kenntnissen ohne Kapital“ vorhanden und der Arbeitsmarkt für die Absolventen des Gewerbeinstituts dementsprechend „im ganzen von aufnahmebereiter Nachfrage“203 gekennzeichnet. Es werden nicht zuletzt der bescheidene wissenschaftliche Anspruch und Beuths Streben nach einer engen Bindung an die Praxis und einer Orientierung an ihren Bedürfnissen gewesen sein, die für diesen Erfolg verantwortlich waren. 1.3 NEBENEINANDER UND MITEINANDER: BERLIN ALS STANDORT HÖHERER TECHNISCHER BILDUNG 1.3 NEBENEINANDER UND MITEINANDER: BERLIN ALS STANDORT HÖHERER TECHNISCHER BILDUNG Wenig ist bisher über das Zusammenwirken der einzelnen Bildungs- und Ausbildungsstätten in Berlin gesagt worden. Das Wenige – die zumindest zeitweilige gegenseitige Ergänzung hinsichtlich des Lehrangebotes zwischen Bergakademie und Universität beziehungsweise zwischen Bauakademie und Akademie der Künste – deutete bereits an, dass die einzelnen Einrichtungen nicht als monolithisch nebeneinander stehend begriffen werden können. Die verschiedenen Berliner Bildungsstätten – große und kleine, private und staatliche, universitäre und nichtuniversitäre – bildeten vielmehr zusammen ein sehr offenes und wenig strukturiertes, aber dennoch ein ineinandergreifendes und letztlich zusammenwirkendes Miteinander, dessen Einzelteile aus sich selbst heraus und ohne Rücksicht auf andere Teile kaum zu verstehen sind. Die Zusammenschau von Bergakademie, 202 Ko istka, Unterricht, S. 67. 203 Lundgreen, Techniker, S. 274 und 275. 1.3 Nebeneinander und Miteinander: Berlin als Standort höherer technischer Bildung 63 Bauakademie und Gewerbeinstitut ist also nicht lediglich ex post aus ihrem späteren Zusammenschluss in der Technischen Hochschule heraus zu begründen, sondern gleichfalls mit ihrem stets vorhandenen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägten zeitgenössischen Zusammenwirken. Dieses lässt sich in je unterschiedlicher Weise auf verschiedenen Ebenen ausmachen: erstens auf der konzeptionellen Ebene, zweitens auf der Ebene der Dozenten und drittens auf der Ebene der Schüler und Studierenden.204 In seinem Organisationsplan für die Technische Schule nahm Beuth 1821 explizit Bezug auf den schon bestehenden technischen Unterricht in der preußischen Hauptstadt, um einzelne Überlegungen zur Konzeption der Schule zu begründen. Die Abgrenzung zur Universität und die damit verbundene Verortung des Instituts unterhalb der universitären Ebene wurde bereits zitiert; darüber hinaus hielt Beuth fest: „Da Berlin eine besondere Bau-Akademie hat, so habe ich dasjenige, was besondere Beziehung auf das Feldmessen, auf Planzeichnen u. s. w. hat, absichtlich hier weggelassen.“205 Der Aspekt der Abgrenzung steht wiederum im Vordergrund. Bezug auf eine eher private Ausbildungsmöglichkeit nahm Beuth an anderer Stelle seines Organisationsplans: „Was ferner die Anwendung der Chemie auf einzelne Gewerbe bis in jede Einzelheit betrifft, so bleibt hier dem vorbereiteten Schüler das Besuchen der Vorlesungen offen, welche Herr Hermbstädt für Färberei, Gerberei u. s. w. lieset, und diese Vorlesungen reihen sich sehr gut an die allgemeinen der technischen Schule an und werden mit größerem Nutzen besucht werden.“206 Die zitierten Passagen des Organisationsplans von Beuth erscheinen nicht zuletzt als vorbeugende Rechtfertigungen von Punkten, die in seiner Konzeption als mangelhaft kritisiert werden könnten. Andererseits belegt die Tatsache, dass eine Abgrenzung zu Bestehendem als notwendig erachtet wurde, ein Bewusstsein dafür, dass hier nicht etwas grundsätzlich Anderes errichtet wurde; vielmehr etwas, das sich vernünftig in das Bestehende einordnen ließ. Auch ein gegenseitiges Ergänzen und die Vermeidung von Konkurrenz kann letztlich als Zusammenwirken verstanden werden. Denn mit dieser Vermeidung von Doppelstrukturen konnten nicht zuletzt Kosten gespart werden. An dem von Beuth erwähnten Chemiker Sigismund Friedrich Hermbstaedt lässt sich beispielhaft skizzieren, welche Möglichkeiten der Standort Berlin einem Dozenten bot.207 Hermbstaedt war nicht allein Privatlehrer, sondern auch Beamter, unter anderem zeitweise königlicher Hofapotheker, später Mitglied der Technischen Deputation sowie Mitglied des Obercollegium sanitatis. Wenn auch sicher nicht hinsichtlich der großen Zahl seiner Ämter, so kann er doch dahingehend als ein typischer Lehrer angesehen werden, dass er mehrere Beschäftigungen 204 Brocke, Wissenschaftszentrum, S. 168, formuliert summarisch, dass die einzelnen Institutionen „auf vielfältige Weise miteinander verflochten“ waren. Ebenso allgemein spricht Laitko von „institutionellen Wechselbeziehungen“ (Laitko, Wissenschaft, S. 4). Vgl. auch Schalenberg & Bruch, Zentren, S. 688f. 205 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 9. 206 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 1, Bl. 7–12, 18. April 1821, hier Bl. 10. 207 Vgl. zum Folgenden und ausführlich zu Hermbstaedt Mieck, Hermbstaedt. 64 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kombinieren musste, um in der preußischen Hauptstadt ein Auskommen finden zu können. Seit den späten 1780er Jahren bot Hermbstaedt Privatvorlesungen an und institutionalisierte diese bald in einer „Pensionsanstalt für Jünglinge, die sich zu praktischen Chemikern bilden wollen.“208 Im Jahre 1790 kam eine Professur am Collegium Medico Chirurgicum hinzu, und seit 1794 hielt er für die königlichen Bergeleven kostenlose Vorlesungen über Experimentalphysik – in der Hoffnung, Minister Heynitz werde „nur dereinst, wenn es die Umstände erlauben, einen selbst beliebigen Gehalt dafür auszusetzen, gnädigst geruhen.“209 Seit 1801 erteilte er auf Anregung der Technischen Deputation jene Chemiekurse für Gewerbetreibende, die Beuth in seinem Organisationsplan erwähnt. Bei Gründung der Universität 1810 wurde Hermbstaedt auf eine außerordentliche Professur berufen, nur ein Jahr später konnte er ein Ordinariat übernehmen, seit 1820 unterrichtete er auch an der Allgemeinen Kriegsschule. Das Lehren an verschiedenen Institutionen ist dabei nicht räumlich zu verstehen; vielmehr wohnte und unterrichtete Hermbstaedt seit 1802 in einem Diensthaus, das für ihn in der Georgenstraße erbaut worden war und neben der eigentlichen Wohnung auch einen Hörsaal und ein Laboratorium besaß. Auch diese Situation – der Unterricht in der eigenen Wohnung – ist, wie im Zusammenhang mit der Bergakademie erörtert, als typisch für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts anzusehen. Bis zum Jahr 1849 unterrichteten an Bergakademie, Bauakademie und Gewerbeinstitut mindestens 131 Dozenten.210 Berücksichtigt man neben den genannten Lehranstalten auch die Universität, dann lehrte ein gutes Fünftel von ihnen an zwei Instituten und dies in der Regel parallel. Insgesamt vier Dozenten unterrichteten an drei Instituten. Am häufigsten gab es Überschneidungen zwischen den 40 Dozenten des Gewerbeinstituts und den 75 der Bauakademie: Insgesamt 13 Dozenten waren an beiden Anstalten tätig.211 Jeweils zehn Prozent der Lehrenden dieser beiden Anstalten unterrichtete auch an der Universität; von den Dozenten der Bergakademie waren es gut 20 Prozent. Ebenso wie die Nähe zwischen Bergakademie und Universität größer war, bestanden hier auch engere Beziehungen zur Akademie der Wissenschaften. Betrachtet man alle 131 Dozenten, so waren knapp 15 Prozent von ihnen Mitglieder der Societas Scientiarum Brandenburgica. 208 Zit. bei Mieck, Hermbstaedt, S. 334. Die Anstalt bestand bis Ende der 1790er Jahre, vgl. ebd., S. 341. 209 GStA PK, I. HA Rep. 121 Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 3, Bl. 91, 12. März 1794. Ab 1797 erhielt Hermbstaedt ein jährliches Honorar von 100 Talern (ebd., Bl. 98, 29. April 1797). 210 Die Bezeichnung „Dozent“ umfasst alle Lehrenden der Akademien. Eine genaue Gliederung nach Statusgruppen ist aufgrund der noch wenig verfestigten Situation der technischen Akademien nicht möglich. Eine Übersicht über die Dozenten von Bergakademie, Bauakademie und Gewerbeinstitut bietet Wefeld, Dozentenverzeichnis. Vereinzelt konnten anhand der Akten des GStA PK weitere Namen ergänzt werden; von einer hundertprozentigen Vollständigkeit ist jedoch nicht auszugehen. Insgesamt entfielen 31 Dozenten auf die Bergakademie, 75 auf die Bauakademie und 40 auf das Gewerbeinstitut. 211 Zwei von ihnen, Ludwig Lohde und Karl Pohlke nahmen ihr jeweils zweites Lehramt jedoch erst nach 1849 auf. Zwei weitere, Wilhelm Severin und Carl Bötticher, lehrten nicht gleichzeitig, sondern nacheinander an den beiden Akademien. 1.3 Nebeneinander und Miteinander: Berlin als Standort höherer technischer Bildung 65 Für die Bergakademie war dieser Anteil fast dreimal so hoch: 13 ihrer 31 Dozenten waren Akademiemitglieder. Bezieht man darüber hinaus die Akademie der Künste in die Betrachtung mit ein, so wird noch deutlicher, dass die fachliche Spezialisierung der technischen Akademien diese Unterschiede bedingte: Während keiner der Dozenten der Bergakademie und nur zwei des Gewerbeinstitutes Mitglieder der Kunstakademie waren, waren es knapp 30 Prozent der Lehrer der Bauakademie. Da für die Dozenten vor 1849 lediglich die Lehrtätigkeiten an den technischen Akademien und der Universität sowie die Mitgliedschaft in der Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Künste systematisch erfasst wurden, handelt es sich hier nur um einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtgefüge Wissenschaftsstandort Berlin.212 Insgesamt erscheint es jedoch mindestens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts als sehr untypisch, dass ein Lehrer seinen Lebensunterhalt lediglich mit dem Unterricht an einer der technischen Akademien bestritt – oder eher bestreiten konnte. Aus der Perspektive der Dozenten lässt sich die preußische Hauptstadt also einerseits als Ort verstehen, an dem eine große Nachfrage nach technischem Unterricht bestand, und es demgemäß vielfältige Möglichkeiten für einen Lehrer dieser Fächer gab. Die Anziehungskraft, die Berlin damit besaß, führte jedoch andererseits unweigerlich zu einem großen Angebot und einer dementsprechend ausgeprägten Konkurrenzsituation; beispielhaft illustriert dies Hermbstaedts zitiertes Angebot, Bergeleven zu unterrichten, ohne ein Gehalt oder ein Honorar dafür zu verlangen.213 Es war auch diese Situation, die es der Verwaltung ermöglichte, auf eine Festanstellung der Dozenten gänzlich zu verzichten und sie lediglich mit recht kurzfristig kündbaren Verträgen und ohne Pensionsansprüche zu beschäftigen. Nottebohm sah darin in der Rückschau ein Mittel, dem Gewerbeinstitut „die geistige Frische“ zu erhalten; denn „ein Lehrer, der am Schlusse eines jeden Semesters die Kündigung seines Dienstverhältnisses zu befürchten hat, wird stets und mehr als ein definitiv angestellter Lehrer bemüht sein.“214 Die finanziellen Vorteile für die Staatskasse spielten jedoch eine vermutlich wichtigere Rolle. Auch bei der Einführung fester Gehälter für einen Teil der Lehrerschaft nach 1850 war man auf Sparsamkeit bedacht und ging davon aus, dass die Dozenten höhere Gehälter aus anderen Beschäftigungen erhielten und „ein wenn auch nur mäßiges Lehrhonorar 212 Neben den anderen Schulen und Lehranstalten blieb beispielsweise der gesamte Komplex jener staatlichen Ämter unberücksichtigt, die sich nicht als Lehrtätigkeiten charakterisieren lassen. Damit wird nicht zuletzt die Frage ausgeklammert, welchen Stellenwert ein Lehramt an einer oder an mehreren der technischen Akademien im Selbstverständnis dieser 131 Dozenten einnahm. 213 In ähnlicher Weise erhielt Friedrich Christian Accum 1824 die Erlaubnis, Vorlesungen an der Bauakademie zu halten, wenn er „ohne anderweitige Entschädigung“ lediglich ein Hörergeld von den Eleven verlange, GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 1, Bl. 31, 4. März 1824. 214 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 7, Bl. 377–381, 13. Januar 1866, hier Bl. 377. 66 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer eine willkommene Zubuße sein“215 werde. Noch 1916 stellte das Finanzministerium fest, dass an der nunmehrigen Technischen Hochschule besonders hohe Professorengehälter nicht notwendig seien, „weil in Groß-Berlin den Professoren dieser Anstalt in beträchtlichem Maße Gelegenheit zu privatem Erwerb geboten ist.“216 Dieser aus Sicht der Verwaltung finanzielle Vorteil des Standortes Berlin – besonders ausgeprägt in der Frühzeit des technischen Unterrichts – sollte sich jedoch tendenziell in einen Nachteil verkehren, als sich im Zuge einer fortschreitenden Angleichung der unterschiedlichen höheren technischen Lehranstalten in den deutschen Staaten auch ein überregionaler Markt für die Lehrenden technischer Fächer zu entwickeln begann. Mitunter ergaben sich nun attraktivere Optionen. Johann Matthäus Mauch skizzierte 1839 in einem Schreiben an Beuth seine Situation als Lehrer der Technischen Schule folgendermaßen: „Es hat mich die pflichtgemäße Rücksicht auf meine Familie beim Blick auf die Zukunft, die precaire Stellung, in welcher ich mich hier befinde, oft mit bangen Sorgen erfüllt. Obgleich mir bewußt, daß ich mit aller Treue, mit aller Gewißenhaftigkeit und Liebe meiner Pflicht genügte, habe ich mir doch nicht verhehlen können, daß die Möglichkeit, mit einem Male und unverschuldet außer Thätigkeit und Brod gesetzt zu werden, vorhanden sei. Um so eifriger bin ich bemüht gewesen, mir Ansprüche auf die Zufriedenheit meiner hohen Vorgesetzten zu verdienen, um durch Ihr Wohlwollen zu einer festen etatsmäßigen Anstellung zu gelangen.“217 Nottebohms Überlegungen zum Effekt der recht kurzfristig kündbaren Verträge waren also anscheinend berechtigt. Allerdings war Mauch bereits seit 18 Jahren Lehrer der Technischen Schule, als er dieses Schreiben an Beuth richtete. Man konnte offensichtlich seine Dozenten nicht beliebig lange vertrösten. „Was mir bisher hier nicht zu Theil werden konnte, wird mit jetzt von auswärts geboten“, fuhr Mauch fort, und da Beuth ihm keine feste Stelle bieten konnte, wechselte er an das Polytechnikum in Stuttgart – nicht ohne „den lebhaften Schmerz“218 zu betonen, der ihn bei dieser Entscheidung befiele. Die Einrichtung fester Stellen an den Berliner technischen Akademien kann also nicht zuletzt als Reaktion auf äußere Entwicklungen verstanden werden: Man war gezwungen, die Situation der Dozenten zu verbessern, „um tüchtige Lehrkräfte zu gewinnen und sie dauernd an das Lehramt zu fesseln.“219 Hinzu kam die gerade an der Bauakademie seit der Mitte der 1840er Jahre schnell steigende Studierendenzahl, die es zunehmend erschwerte, den Unterricht an den technischen 215 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 6, Bl. 240–245, 20. Januar 1854, hier Bl. 240. 216 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. 11, 25. März 1916 (ohne Paginierung). Im Zusammenhang mit dem ersten Versuch, Hans Poelzig für die TH Berlin zu gewinnen, hatte das Kultusministerium um die Genehmigung eines überdurchschnittlichen Gehalts gebeten. Laitko, Wissenschaft, S. 20, stellt zusammenfassend fest: „Es scheint beinahe, als sei die […] Sparsamkeit die erste aller Tugenden der Wissenschaft in Berlin gewesen.“ 217 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 2, Bl. 94f., 14. Februar 1839, hier Bl. 94. 218 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. 2, Bl. 94f., 14. Februar 1839, hier Bl. 95. 219 Damm, Hochschulen, S. 6. 1.3 Nebeneinander und Miteinander: Berlin als Standort höherer technischer Bildung 67 Akademien als Nebenamt zu übernehmen – nach der Jahrhundertmitte wurde es häufiger notwendig, Parallelkurse einzurichten. Dies führt kurz zur dritten Ebene des Miteinanders der Berliner technischen Akademien, den Schülern. Aus ihrer Perspektive erscheint Berlin ebenfalls als Ort vieler Optionen. Deutlich wird auch hier, dass die einzelnen Institute nicht trennscharf nebeneinander gestellt werden können – erinnert sei nur an die Bergeleven, die mindestens die Lehrangebote von Universität und Bergakademie kombinieren mussten, um ein vollständiges Studienprogramm absolvieren zu können. Eine Zeitungsannonce Friedrich Christian Accums von 1822 illustriert überdies, dass auch Veranstaltungen außerhalb des institutionellen Rahmens der Berliner Lehranstalten in die Ausbildung der Techniker integriert waren: „Die öffentlichen Vorlesungen über angewandte Chemie im Laboratorium des Königl. Gewerbe-Instituts, nehmen den 25. November ihren Anfang. […] Die Berg-Eleven und Studenten der hiesigen Universität, und auch die Mitglieder des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen haben den Zutritt frei, jedoch nicht ohne eine Einlaßkarte.“220 Ein weiteres Beispiel mag illustrieren, dass der Abstand zwischen den technischen Akademien und der Universität in einigen Punkten geringer war als mitunter angenommen: Hermbstaedt las als Professor der Universität über Technologie und ergänzte seine Vorträge wöchentlich mit „technologischen Exkursionen in die hiesigen Fabrik- und Manufakturanstalten.“ Seine Hörer sollten so die Gelegenheit erhalten, sich „auch mit dem praktischen Gange der technischen Gewerbe anschaulich bekannt machen zu können.“221 – Ein derartig anwendungsbezogenes Exkursionskonzept wäre am stärker utilitaristisch ausgerichteten Gewerbeinstitut eher zu erwarten als an der Universität, die sich im Geiste des Neuhumanismus auf die Zweckfreiheit der Wissenschaft berief. Hinsichtlich der Studieninhalte erscheint es vor diesem Hintergrund aus der Perspektive der Schüler nicht in erster Linie wichtig, an welcher Institution man studierte, sondern dass man in Berlin studierte. Die zunehmende Durchlässigkeit der Berliner Situation – seit 1848 konnten auch die Schüler der höheren Klassen des anfangs so wenig akademischen Gewerbeinstituts Vorlesungen an der Universität besuchen – ließ somit die Frage, welches Fach man bei welchem Lehrer hörte, zur entscheidenderen werden. Bei aller Betonung des Miteinanders der einzelnen höheren Bildungsstätten bleibt natürlich ein aus ihren je unterschiedlichen Zweckbestimmungen heraus resultierendes klar geschiedenes Nebeneinander unbestritten. Inhaltlich ist dies am deutlichsten in den Kernbereichen der jeweiligen Institutionen: juristische oder theologische Vorlesungen waren den technischen Akademien selbstverständlich genauso fremd wie Universität, Gewerbeinstitut und Bergakademie die Vorträge über Wegebau an der Bauakademie. Vereinfachend könnte man formulieren, dass das Miteinander zum Rand hin stärker wurde. Formal unterschieden sich die Aka220 Abschrift in GStA PK, I. HA Rep. 121 Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101, Bd. 4, Bl. 42, 24. Oktober 1822. 221 Zit. bei Mieck, Hermbstaedt, S. 366. Hermbstaedt lieferte diese Beschreibung seines Unterrichts im Vorbericht seines 1831 erschienenen „Kompendiums der Technologie“. 68 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts demien hinsichtlich der Abschlüsse, die sie gewährten – das Nebeneinander trat damit letztlich auch auf der sozialen Ebene deutlich zu Tage: Berg- und Bauakademie öffneten den Weg in den Staatsdienst, das Gewerbeinstitut nicht. Daraus resultierte ein höheres soziales Ansehen der Schüler und Lehrer der beiden Akademien, welches jedoch noch weit hinter dem Sozialprestige der Universitäten zurückblieb; gerade auf diesen Punkt wird noch genauer einzugehen sein.222 Graphik 2: Lehrkörperstruktur an Bergakademie, Bauakademie und Gewerbeinstitut bis 1849 100% 90% 80% 12 34 5 3 7 22 18 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 6 10 7 Bergakademie (31 Dozenten seit 1770) 16 Bauakademie (75 Dozenten seit 1799) Dozenten mit Professorentitel und Promotion Dozenten allein mit Promotion 6 Gewerbeinstitut (40 Dozenten seit 1821) Dozenten allein mit Professorentitel Dozenten ohne einen akademische Titel Als Hintergrundfolie für die späteren Entwicklungen stehen abschließend noch einmal die Lehrenden der technischen Akademien bis zur Jahrhundertmitte im Vordergrund. Betrachtet man die Zusammensetzung des Lehrkörpers hinsichtlich der akademischen Titel, so zeigt sich, dass jeweils deutlich über die Hälfte der Dozenten den Doktor- oder Professorentitel führte beziehungsweise beide (Graphik 2). Dieser Blick auf den Lehrkörper der technischen Akademien aus gleichsam universitärer Perspektive kann als ein – wenn auch grober – Indikator für die Nähe zur Universität verstanden werden. Wenn man den Ratstitel in ähnlicher Weise als Indikator für die Nähe zur staatlichen Verwaltung heranzieht, so fällt ein klarer Unterschied auf: Lediglich einem knappen Viertel der Dozenten war der Titel etwa eines Baurats, Bergrats oder Regierungsrats verliehen worden. Am offensichtlichsten und auch am wenigsten überraschend an diesem Befund ist die Heterogenität des Lehrkörpers – symptomatisch für die offene und noch wenig verfestigte oder professionalisierte Situation des technischen Unterrichtswesens. Nebeneinander lehrten der promovierte Universitätsprofessor und der Zeichenlehrer, dessen theoretische Ausbildung sich auf die Volksschule be222 Vgl. Schnabel, Geschichte, S. 309: „die Bauakademie und die Baubeamten dünkten sich viel vornehmer als Gewerbeinstitut und Maschinenbauer.“ Vgl. auch Lundgreen, Ausbildung, S. 29. S. u., Exkurs: Die Hundertjahrfeier von 1899, S. 123. 1.3 Nebeneinander und Miteinander: Berlin als Standort höherer technischer Bildung 69 schränken mochte. Eher heterogen ist auch die Bedeutung des Professorentitels selbst zu verstehen. Die Patente für Dozenten, die diese als Ordinarius an der Universität erhielten, waren vom König unterzeichnet, ihr Professorentitel war mit dem Amt verbunden und repräsentierte eine besondere Rechtsstellung. Wurde einem der übrigen Dozenten die Professorenwürde verliehen, so unterzeichnete, wie bei den Extraordinarien der Universität, der zuständige Minister das Patent, und insgesamt erscheint sie eher als Ehrentitel – erinnert sei an die Verleihung an Wolff und Mauch.223 Andererseits verweigerte das Ministerium den Titel jedoch mitunter mit dem Hinweis auf fehlende Wissenschaftlichkeit. So scheiterten 1825 die Bemühungen des Bauinspektors und Dozenten für Situationskartenzeichnen Julius um den Professorentitel, da „in der Regel dieser Titel nur denjenigen Lehrern beigelegt werde, welche Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände halten.“224 An Julius’ Bemühen wird nicht zuletzt deutlich, dass der soziale Bezugspunkt für die Dozenten der technischen Akademien schon früh das universitäre Milieu war. Der Anteil der promovierten Dozenten reichte von 25 Prozent an der Bauakademie über 30 Prozent am Gewerbeinstitut bis hin zu 39 Prozent an der Bergakademie und reflektiert damit die Nähe des jeweiligen Fächerkanons zu dem der Universität. Allerdings war es durchaus möglich, auch ohne Promotion Mathematik oder Naturwissenschaften zu unterrichten, was wiederum die Offenheit der technischen Akademien in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens verdeutlicht. Typischer war es jedoch auch schon damals, dass promovierte Dozenten diese Fächer unterrichteten. Wenn die technischen Akademien während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer Konzeption in Zweckbestimmung und Anspruch außerhalb des universitären Milieus standen, so waren sie formal auch in diesem Zeitraum schon – wie die Universitäten – dem tertiären Bildungssektor zuzuordnen. Berücksichtigt man zudem den universitären Hintergrund eines großen Teils der Dozenten dieser Akademien sowie den engen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Status und universitärer Bildung in den deutschen Staaten225, so kann es wenig verwundern, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Bemühen um Gleichberechtigung mit den alten Hochschulen einsetzte. Ein ähnlicher Prozess lässt sich im Bereich der sekundären Bildung beobachten. Hier waren es die Realschulen – sie gewährten modernen Sprachen und Naturwissenschaften auf Kosten von Latein und Griechisch einen breiteren Raum –, die nach 223 S. o., S. 60. Zu der unterschiedlichen Bedeutung des Professorentitels vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 1, Bd. 1, 23. Dezember 1842 (Abschrift, ohne Paginierung); vgl. für die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 57ff. und 87ff. 224 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. 1, Bl. 90, 5. März 1825. Auch der Hinweis, dass sein Unterricht durchaus „wissenschaftliche Kenntniße“ erfordere, stimmte das Ministerium nicht um. Auch fanden seine Bemühungen keine Unterstützung bei Eytelwein, dem Direktor der Bauakademie. 225 Vgl. McClelland, University, S. 252: „[…] Germany, where social status had been tied directly to university education throughout history.“ 70 1. Höhere technische Bildung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gymnasialen Privilegien strebten. Abstrakt kann man formulieren, dass nach der Sicherung des unmittelbaren Überlebens der höheren technischen Schulen und nach dem Erreichen einer gewissen Konsolidierung zur Jahrhundertmitte, nun mit Hilfe einer Statuserhöhung eine längerfristige Etablierung und Existenzsicherung erreicht werden sollte. 2. ZUR GESCHICHTE DER INSTITUTIONEN UND IHRES UMFELDS, 1850 BIS 1945 2. RAHMENBEDINGUNGEN: ZUR GESCHICHTE DER INSTITUTIONEN UND IHRES UMFELDS, 1850 BIS 1945 Addiert man die Studierendenzahlen der drei Berliner technischen Akademien, so war die preußische Hauptstadt schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum größten Standort höherer technischer Bildung im Reich geworden. Ein halbes Jahrzehnt zuvor hatten Karlsruhe, Hannover und München jeweils noch mehr Studierende gehabt. Es war im Wesentlichen das schnelle Wachstum der Bauakademie, welches Berlin an die Spitze führte. Insgesamt studierten 1850 gut 550 Schüler an Bauakademie und Gewerbeinstitut. In Karlsruhe waren es rund 300, in Hannover 290.1 Über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg hatten die Berliner technischen Akademien, und nach 1916 die Technische Hochschule allein, einen Anteil an der Gesamtzahl der technischen Studierenden in den deutschen Staaten, der selten unter einem Fünftel lag. Am stärksten ausgeprägt war diese quantitative Führungsrolle zwischen 1885 und 1900, als die Werte rund 40 Prozent betrugen – mit einer Spitze von 45 Prozent im Studienjahr 1893/94.2 Es verwundert daher nicht, dass die Berliner Verhältnisse regelmäßig der quantitativen Entwicklung des Technischen Hochschulwesens im gesamten Reich entsprachen.3 Im Vergleich mit den Besucherzahlen der deutschen Universitäten verhielt sich die Frequenz der Technischen Hochschulen oft antizyklisch. Während die Zahl der Universitätsbesucher in den zwei Jahrzehnten nach 1850 eher stagnierte, wuchs die Zahl der Studierenden an den höheren technischen Schulen stetig an. Den sinkenden Studierendenzahlen der Technischen Hochschulen seit Mitte der 1870er Jahre stand daraufhin eine wachsende Universitätsfrequenz gegenüber. Als Ende der achtziger Jahre der Universitätsbesuch wieder zurückging, hatten sich die Technischen Hochschulen bereits erholt und expandierten bis zur Jahrhundertwende weiter. Nach dem Ersten Weltkrieg näherten sich die Kurven an, ohne jedoch zur Deckung zu kommen; bis 1919 gab es ein gemeinsames Wachstum, ab 1923 ein gemeinsames Schrumpfen und auch ab 1930 zeigen beide Kurven einen Abwärtstrend, der nach 1933 besonders deutlich ist. Insgesamt waren die Schwankungen bei den Technischen Hochschulen jedoch geringer ausgeprägt als bei den 1 2 3 Angaben nach Damm, Hochschulen, S. 191f.; Lexis, Hochschulen, S. 229f. Für die Bergakademie liegen keine verlässlichen Zahlen vor (s. o., S. 61). Die Angaben zur Gesamtfrequenz bei Pfetsch, Wissenschaftspolitik, S. 186 und Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 28f., weichen zum Teil deutlich voneinander ab. Grundlage der Berechnung hier waren die Werte bei Titze. Zur Quelle der Berliner Daten s. u. S. 76, Anmerkung zu Graphik 4. Allerdings wurden hier aus Gründen der Vergleichbarkeit lediglich die Studierenden in die Berechnung einbezogen, nicht auch die Hörer und Gäste. Vgl. Pfetsch, Wissenschaftspolitik, S. 175; Jarausch, Universität, S. 315. 72 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Universitäten.4 Der kurze Wiederanstieg der Studierendenzahlen nach 1937 fand an den Universitäten keine Entsprechung. 2.1 QUANTITATIVE ENTWICKLUNGSTRENDS, 1850 BIS 1945 Die Studierendenzahl des Technischen Hochschulwesens in Berlin entwickelte sich vor dem Hintergrund eines stetigen Bevölkerungswachstums. Während der Expansionsphasen der Hochschule wuchs die Zahl ihrer Studierenden jedoch im Verhältnis deutlich schneller als die preußische Bevölkerung. Trotz des Frequenzrückgangs in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre hatte sich so der relative Hochschulbesuch schon zur Jahrhundertwende gegenüber 1850 knapp verfünffacht: Studierten damals je 100.000 Einwohner gut 3 an einer der höheren technischen Schulen in Berlin, so waren es 50 Jahre später fast 15 (Graphik 3). Dementsprechend ist bis 1930, unbeschadet zeitweiliger Rückgänge, das Frequenzwachstum als eine Grundbedingung der Entwicklung der Charlottenburger Hochschule anzusehen.5 Trotz der Probleme, die ein rasches Frequenzwachstum mit sich brachte, empfand man sinkende Studierendenzahlen als erklärungsbedürftige Krise. In seinem Jahresbericht für das Studienjahr 1907/08 schrieb der damalige Rektor Otto Kammerer angesichts des seit fünf Jahren anhaltenden Frequenzrückgangs: „Die Frage nach den Ursachen der stetigen Verminderung ist so oft gestellt worden, daß der Versuch einer Auskunft nicht unterbleiben darf.“6 Kammerer führte im Wesentlichen zwei Gründe an: Zum einen sei es bemerkenswert, dass „der Beginn der Besuchsverminderung genau zusammenfällt mit der Forderung der Reifeprüfung für alle Studierenden“; zum anderen verglich er die Frequenz mit der industriellen Entwicklung, „da die Technischen Hochschulen ganz und gar in der Industrie wurzeln.“ Neben der Parallelität von Frequenz und industrieller Produktionsmenge attestiert Kammerer einen verringerten Bedarf an Arbeitskräften, den er auf Konzentrationsprozesse und Standardisierung zurückführt. Ähnliche Bedingungen lassen sich ebenfalls während des Frequenzabschwungs am Ende der 1870er Jahre beobachten: Auch zu dieser Zeit waren die Vorbildungsanforderungen erhöht worden, und die wirtschaftliche Entwicklung befand sich seit 1873 in einer schweren Krise.7 4 5 6 7 Vgl. Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 34. Vgl. auch Jarausch, Universität, S. 315; Pfetsch, Wissenschaftspolitik, S. 173f. Vgl. allgemein zum Frequenzwachstum im Hochschulwesen Jarausch, Universität, S. 314ff.; Titze, Hochschulen, S. 209ff.; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 463f. Zit. in der Chronik der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin im Anhang des Vorlesungsverzeichnisses 1908/09, S. 177. Die beiden folgenden Zitate ebd., S. 177f. Zur Wirtschaftsentwicklung vgl. u. a. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 100ff. und bes. S. 547ff. Zum Einfluss dieser Entwicklung auf die Frequenz der Technischen Hochschulen vgl. u. a. Jarausch, Universität, S. 316; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 1227. Für Pfetsch, Wissenschaftspolitik, S. 178, ist die Wirtschaft der „wichtigste Erklärungsfaktor“ für die Hochschulfrequenz. Vgl. auch McClelland, University, S. 241 und 73 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 Graphik 3: Bevölkerungsentwicklung in Preußen 8 und Frequenzwachstum des Technischen Hochschulwesens in Berlin, 1850 bis 1939 Studierende TH Berlin 1940 1935 1930 1925 1920 1915 0 1910 0 1905 3 1900 1000 1895 6 1890 2000 1885 9 1880 3000 1875 12 1870 4000 1865 15 1860 5000 1855 18 1850 6000 Bevölkerung Preußens in 10.000 Studierende TH Berlin je 100.000 Einwohner Der Konjunkturaufschwung, der gleichsam pünktlich zur Gründung der Hochschule 1879 eingesetzt hatte, aber schon 1882 wieder endete, war hingegen zu kurz, um in der Frequenzentwicklung deutliche Spuren zu hinterlassen.9 Neben der Konjunkturkrise ist für die Daten um die Jahrhundertwende sicher auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass der formalen Statusanhebung der Technischen Hochschulen durch die Verleihung des Promotionsrechts das höhere soziale Ansehen ihrer Absolventen oder die höhere Bezahlung im Beruf nicht auf dem Fuße folgte.10 Auch die Gründung der Technischen Hochschulen in Danzig und Breslau Ringer, Education, S. 51: „The technical institutes also prospered markedly from the 1850s to the mid-1870s. In contrast to the Gymnasien and the universities, they responded directly and positively to increased opportunities in the economy“ und ebd., S. 52: „Although its [i. e. the great depression of 1873–96] impact was not felt immediately, it eventually produced a sharp contraction of enrollments at the technical institutes from about 1876 to the mid-1880s.“ 8 Daten zur preußischen Bevölkerung nach Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 76f. Die absoluten Zahlen (Studierende TH Berlin und Bevölkerung Preußens in 10.000) sind links an der Primärachse abzulesen, der relative Hochschulbesuch rechts an der Sekundärachse. Die Werte berücksichtigen Studierende, Hörer und Gäste. 9 Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 567, betont zudem, dass die Zuversicht nur „zögernd“ zurückkehrte und „gedämpfte Erwartungen“ den „verhaltenen Aufschwung“ begleiteten. 10 Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 352: „In der Industrie war man keineswegs bereit, die höheren Kosten des akademischen Studiums sowie das größere allgemeine und theoretische Wissen der Diplom-Ingenieure ohne weiteres zu honorieren. Die stagnierenden Zuwachsraten bei den Besucherzahlen der deutschen Technischen Hochschulen seit 1903 dürften nicht zuletzt eine Folge dieser Diskrepanz zwischen dem sozialen Anspruch der Hochschulingenieure und 74 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 wird dazu beigetragen haben, dass die Frequenz der Charlottenburger Hochschule nach der Jahrhundertwende weiter sank – waren diese doch nicht zuletzt gegründet worden, um Berlin zu entlasten.11 Nach der kriegsbedingten Entwicklung der Frequenz sind in den 1920er Jahren – wiederum mit zeitlicher Verzögerung – die Einschnitte der Inflation und der Weltwirtschaftskrise 1929 deutlich zu erkennen. Der starke Frequenzrückgang nach 1930 war ein Phänomen, welches Technische Hochschulen und Universitäten gleichermaßen erfasste. Ein zentraler Grund hierfür war sicherlich eine allgemeine Verschlechterung der Berufsaussichten für Hochschulabsolventen, nicht nur für Techniker. Das starke Frequenzwachstum der vorangegangenen Jahre hatte in den Augen der Zeitgenossen zu einem deutlichen Überangebot an Akademikern und mittlerweile in wachsendem Umfang auch Akademikerinnen geführt.12 Man sprach von „Schrumpfung des Lebensraums“13, von „Vermassung“ und „akademischer Berufsnot“14, denn das Angebot an Hochschulabsolventen übertraf die Nachfrage um das Zwei- bis Dreifache.15 Speziell für den ingenieurwissenschaftlichen Bereich kritisierten die Zeitgenossen zudem, dass „die Industrie bereits den 45 bis 50 Jahre alten Ingenieur als ‚zu alt‘“16 ablehne. Dies führe dazu, dass die Söhne dieser Ingenieure sich nach anderen Berufsmöglichkeiten umsähen und kein technisches Studium begännen. Hinzu kamen geburtenschwache Jahrgänge und nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ein Gesetz zur Beschränkung des Hochschulzugangs: Lediglich 15.000 Abiturienten des Jahrgangs 1934 durften studieren, also rund 40 Prozent. Im Februar 1935 wurde das Gesetz jedoch zurückgenommen.17 Der geförderte 11 12 13 14 15 16 17 deren tatsächlicher beruflichen Situation gewesen sein.“ Vgl. auch Gundler, Braunschweig, S. 76ff.; Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 569. Deutlich zu erkennen ist in Graphik 3 der Rückgang des Berliner Anteils an der preußischen Gesamtfrequenz nach der Gründung der Technischen Hochschulen in Danzig (1904) und Breslau (1910): Die bislang fast deckungsgleichen Kurven (technische Studierende Berlin und technische Studierende Berlin je 100.000 Einwohner) haben nun einen klaren Abstand. An der Charlottenburger TH konzentrierte sich das Frauenstudium auf die Abteilungen für Architektur, Chemie und Allgemeine Wissenschaften, blieb jedoch insgesamt eher unbedeutend: Den höchsten Anteil an der Gesamtfrequenz erreichten die Frauen im Untersuchungszeitraum 1916 mit knapp 5,5 Prozent, üblich war ein Wert zwischen einem und drei Prozent. An den Universitäten hingegen machten Frauen Anfang der dreißiger Jahre fast 20 Prozent der Studierendenschaft aus (vgl. Titze, Hochschulen, S. 211; zu den Werten für die TH Berlin vgl. Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 570f.). Zit. bei Titze, Hochschulen, S. 223. Beides zit. bei Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 465. Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 465. Titze spricht von „Wechsellagen auf dem Arbeitsmarkt“ (Titze, Hochschulen, S. 231). Romberg & Steinmetz, Fragen, S. 37. Vgl. Titze, Hochschulen, S. 231. Die Teilnehmer der Dresdener Hochschultagung hatten sich 1928 gegen die Einführung von Studienbeschränkungen ausgesprochen, da die Überfüllung „1933 infolge des Rückgangs der Geburtenzahlen von selber aufhören werde“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 2 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 154, 1. Dezember 1928), s. u. S. 136. Vgl. auch Ludwig, Technik, S. 273: „Anscheinend hatte die Bürokratie zunächst übersehen, daß die geburtenschwachen Weltkriegsjahrgänge die Zahl der Reifeprüfungskandidaten automatisch absinken ließen.“ 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 75 Frequenzrückgang zeitigte nun einen Nachwuchsmangel, der für den technischen Bereich in der 1937 erschienenen Denkschrift „Der Mangel an Ingenieur-Nachwuchs“ von Karl Friedrich Steinmetz und Friedrich Romberg analysiert wird.18 Gezielte Werbung führte dazu, dass die Frequenz der Technischen Hochschulen 1938 kurz anstieg19, mit Kriegsausbruch gingen die Zahlen jedoch wieder zurück, und erst im Wintersemester 1956/57 erreichte und übertraf die Charlottenburger Hochschule die Studierendenzahlen von 1930. Um den Platz der Charlottenburger Institution innerhalb des preußischen beziehungsweise gesamtdeutschen technischen Hochschulwesens genauer bestimmen zu können, ist neben der Erörterung der absoluten Zahlen auch ein Blick auf den relativen Hochschulbesuch notwendig. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war die Entwicklung in Berlin tonangebend für Preußen und das gesamte Reich. In den Wachstumsphasen während der Weimarer Republik zeigen sich jedoch Unterschiede. Zwar konnte die Hochschule in absoluten Zahlen den Spitzenwert der Jahrhundertwende bis 1930 mehrmals übertreffen; berücksichtigt man jedoch die Bevölkerungsentwicklung, so blieb Berlin zurück. Der Wert von knapp 15 Studierenden je 100.000 Einwohner Preußens wurde nur minimal überschritten. Für das gesamte höhere technische Bildungswesen im Reich hingegen lag der Wert des relativen Hochschulbesuchs 1930 um 75 Prozent höher als zur Jahrhundertwende, nachdem er 1922 und 1923 fast doppelt so hoch gewesen war.20 Hier wird deutlich, dass während der Weimarer Republik das quantitative Übergewicht der Berliner Hochschule zumindest zeitweise nivelliert wurde. Der Rückgang des Berliner Anteils an der Gesamtfrequenz der technischen Fächer – er lag während der ersten Hälfte der zwanziger Jahre unter 20 Prozent – unterstreicht diese Entwicklung. Gleiches lässt sich für Preußen zeigen: 1901 waren je 100.000 Einwohner gut 20 Studierende immatrikuliert, gut 14 davon in Berlin, 1923 von insgesamt 28 nur noch knapp 13; 1930 hatte die Hochschule ihre Position wieder ausbauen können – während der relative Hochschulbesuch in Preußen auf 26 gesunken war, war er in Charlottenburg auf fast 15 angestiegen.21 18 Steinmetz und Romberg verteidigen darin die „scharfen Einschränkungsmaßnahmen“ (Romberg & Steinmetz, Fragen, S. 34) von 1933 als notwendig, um der „Minderung an allgemein geistigem Niveau und fachlicher Leistungsfähigkeit“ (S. 35) begegnen zu können. Neben der erwähnten Tendenz der Industrie, Ingenieure schon mit 45 als zu alt anzusehen, sehen Steinmetz und Romberg in der „Ungeregeltheit des Ingenieurberufs“ (S. 60, ‚Ingenieur‘ ist keine geschützte Berufsbezeichnung) und in einem mangelnden sozialen Ansehen der Ingenieure die wesentlichen Gründe für den Frequenzrückgang. Friedrich Romberg war Professor an der TH Berlin und Vorsitzender des Verbandes Deutscher Diplom-Ingenieure, Karl Friedrich Steinmetz Schriftleiter der Zeitschrift „Kultur und Technik“. 19 Ludwig spricht von „einer groß angelegten Nachwuchswerbung für die technischen Berufe“ (Ludwig, Technik, S. 283). 20 Vgl. Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 70f. 1901 studierten je 100.000 Einwohner des Reiches 20,88 an den Technischen Hochschulen, 1923 waren es 41,27 und 1930 dann 35,17 (ohne Gäste und Hörer). 21 Daten berechnet nach Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 48f. und 77. Die Werte berücksichtigen Studierende, Hörer und Gäste. 76 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Bezieht man die quantitative Entwicklung des Lehrkörpers mit in die Betrachtung ein, so führt dies deutlich vor Augen, warum die Zeitgenossen um die Jahrhundertwende und Mitte der 1920er Jahre von einer Überfüllung der Hochschulen sprachen. Bei einem Vergleich der Zahl der Studierenden mit jener der Lehrenden an den technischen Akademien und der Technischen Hochschule in Berlin fällt als Erstes auf, dass sie sich selten gleichförmig entwickelten (Graphik 4). Während des stärksten Anstiegs der Studierendenfrequenz zwischen 1885 und 1901, als jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich zehn Prozent zu einem Wachstum um fast 400 Prozent führten, wuchs die Zahl der etatmäßigen Professoren lediglich um gut 50 Prozent, die der übrigen Dozenten um rund 90 Prozent. Graphik 4: Quantitative Entwicklung des Technischen 22 Hochschulwesens in Berlin: Studierende und Lehrende, 1850 bis 1945 6000 250 5000 200 4000 150 3000 100 2000 50 1000 Lehrstuhlinhaber Dozenten 1945 1940 1935 1930 1925 1920 1915 1910 1905 1900 1895 1890 1885 1880 1875 1870 1865 1860 1855 0 1850 0 Zahl der Studierenden 7000 300 Zahl der Lehrenden 350 Studierende Das zwangsläufige Ergebnis war eine drastische Verschlechterung der Betreuungsrelation, also des numerischen Verhältnisses von Lehrenden und Studieren- 22 Die Zahl der Lehrstuhlinhaber und Dozenten ist an der linken y-Achse abzulesen. Wichtigste Quellen zur Berechnung der Daten für die Studierenden sind: Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 567ff.; GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 43; Lexis, Fachgebiete, S. 13; Programm der Bergakademie 1908/09, S. 14 und 1915/16, S. 11; Damm Hochschulen, S. 191f. sowie Strunz, Bergakademie, S. 140. Die Zahl der Studierenden enthält auch Gasthörer und Beurlaubte. Die Daten zu den Dozenten stammen von Schröder, Lehrkörperstruktur, S. 605ff. und Wefeld, Dozentenverzeichnis, S. 580ff., die Dozenten der Bergakademie zwischen 1879 und 1916 wurden nicht berücksichtigt. Unter „Dozenten“ sind die nichtetatmäßigen Mitglieder der Abteilungen und Fakultäten zusammengefasst: u. a. nichtetatmäßige Professoren, außerordentliche Professoren, Honorarprofessoren, remunerierte Dozenten und Privatdozenten – unberücksichtigt blieben Assistenten und Konstruktionsingenieure. 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 77 den.23 Während 1879 auf einen etatmäßigen Professor knapp 39 Studierende kamen, waren es 1901 mehr als doppelt so viele, nämlich 87. Lässt man die Bergakademie außer Acht, so fallen die Werte noch schlechter aus: Im Jahre 1879 betreute ein Professor gut 41 Studierende, 1901 gut 102. Schon zur Zeit ihrer Gründung lag die Berliner Hochschule damit weit über dem Durchschnitt der anderen Technischen Hochschulen, an denen das Verhältnis rund 1 zu 20 betrug, in Braunschweig gar nur 1 zu 8.24 Auch wenn die Dozentenschaft unterhalb der Ordinarienebene mit berücksichtigt wird, hatte sich die Betreuungsrelation zur Jahrhundertwende deutlich verschlechtert: Ein Hochschullehrer betreute 1879 gut 17 Studierende, 1901 war er für knapp 33 zuständig. Vor diesem Hintergrund stellte Alois Riedler 1899 in seiner Rektoratsrede über „Die Technischen Hochschulen und ihre wissenschaftlichen Bestrebungen“ für die Charlottenburger Hochschule fest: „das Drückendste ist die Ueberlastung der Lehrkräfte.“25 Er illustrierte dies anhand eines Vergleichs mit der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Die dortige juristische Fakultät „mit ihrem außerordentlich einfachen Unterrichtsbetrieb“ habe 2.072 Hörer und 26 Lehrende, darunter 13 Ordinarien; an der medizinischen Fakultät, die „nach der Art ihres Unterrichts unserer Hochschule am nächsten steht“ waren 1.238 Hörer eingeschrieben, die von 138 Dozenten, darunter 21 Ordinarien, unterrichtet wurden. Im Gegensatz dazu habe die Abteilung für Maschinenbau mit „ihrem außerordentlich verwickelten Unterrichtsgange“ insgesamt 1.429 Hörer und lediglich 21 Dozenten, darunter acht etatmäßige Professoren. Diese indirekte aber deutliche Aufforderung, die Technischen Hochschulen – eventuell auch auf Kosten der Universitäten – bei der Mittelvergabe stärker zu berücksichtigen, um ihnen damit eine Vergrößerung des Lehrkörpers zu ermöglichen, war angesichts der Frequenzentwicklung sicher nicht ungerechtfertigt.26 Die Verringerung der Studierendenzahl nach der Jahrhundertwende brachte eine Verbesserung der Unterrichtssituation. Dies wurde noch dadurch verstärkt, dass die Zahl der Lehrenden stetig weiter wuchs. So lag die Betreuungsrelation 1922 und 1930 mit Werten von 80 und 84 Studierenden pro Ordinarius deutlich unter dem Spitzenwert von 115 nach der Jahrhundertwende. Zudem vergrößerte sich der Lehrkörper gerade im Mittelbau. Schon seit Mitte der 1890er Jahre wurden Konstruktionsingenieure angestellt, die den Professoren während der Übun23 Zur Betreuungsrelation an den deutschen Universitäten zwischen 1830 und 1941 vgl. die Erörterungen bei Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/2, S. 62ff. 24 Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 206. 25 Riedler, Bestrebungen, S. 13. Die folgenden Zitate ebd. 26 Vgl. Laitko, Wissenschaft, S. 285: „Nicht selten mußte ein TH-Professor zwei- bis dreimal mehr Studenten ausbilden als sein Kollege an der Universität.“ Zur Entwicklung des Haushalts der Technischen Hochschule vgl. Hofmann, Probleme, S. 156f. Hofmanns Angaben enthalten jedoch nur den konsumtiven Etat, investive Mittel sind nicht aufgeführt. Nach Lundgreen, Bildung, S. 111, lagen die öffentlichen Ausgaben in Preußen pro Student 1911 für die TH bei 1.156 Mark, für die Universitäten bei 857 (in Preisen von 1913). Ein Jahrzehnt zuvor lagen die Werte bei 558 beziehungsweise 1.096 Mark. Ein Vergleich mit der Entwicklung der Frequenz zeigt deutlich, dass der Grund für diese Veränderung eher diese Frequenzentwicklung war denn eine verstärkte finanzielle Förderung der Technischen Hochschulen. 78 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 gen in den einzelnen Laboratorien als Hilfslehrer zur Seite standen.27 Nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Zahl der Dozenten dann geradezu sprunghaft an. Hier tritt die wachsende Bedeutung des akademischen Mittelbaus für das Funktionieren der Hochschule deutlich zu Tage. Der verstärkte Ausbau dieses Teils der Hochschullehrerschaft lag dabei nicht nur im finanziellen Interesse des Staates. Vielmehr waren auch die Ordinarien darauf bedacht, ihre eigene Zahl nicht übermäßig wachsen zu lassen, da jeder neue Lehrstuhl das relative Gewicht der schon vorhandenen im Gesamtgefüge der Hochschule verringerte.28 Gegenüber der Jahrhundertmitte, als die ersten elf etatmäßigen Stellen an den Berliner technischen Akademien eingerichtet worden waren, hatte sich ihre Zahl bis zum Jahr 1879 reichlich verdreifacht. Am Ende des Untersuchungszeitraums lehrten insgesamt 81 Ordinarien in Charlottenburg, nachdem ihre Zahl Mitte der dreißiger Jahre kurzzeitig auf 91 angestiegen war. Insgesamt verlief das Wachstum recht stetig, es lassen sich jedoch zwei Phasen beschleunigter Expansion feststellen: zum einen nach der Jahrhundertwende, was als verspätete Reaktion auf das Ansteigen der Studierendenzahl angesehen werden kann; zum anderen die Jahre nach 1933, Ausdruck der Förderung, welche die Charlottenburger Hochschule während der NS-Zeit erfuhr. Die auffällige Verringerung der Zahl der ordentlichen Professoren Anfang der 1920er Jahre hatte externe Gründe. Sie ist auf die Einführung einer Dienstaltersgrenze für Ordinarien zurückzuführen.29 Zwischen 1920 und 1922 wurden neun Professoren der Charlottenburger Hochschule emeritiert, fünf weitere verstarben und drei verließen die Hochschule. Diese Stellen konnten nicht alle sofort wieder besetzt werden, so dass mehrere Emeriti ihre Lehrstühle vertretungsweise weiter versahen. Um ein differenziertes Bild der Expansion der Hochschule entwerfen zu können, wird im Folgenden die quantitative Entwicklung von ihrer Gründung 1879 bis zu ihrer Schließung 1945 noch einmal getrennt nach Abteilungen betrachtet. Die Technische Hochschule gliederte sich bei ihrer Gründung in fünf Abteilungen – die Abteilung I für Architektur, Abteilung II für Bauingenieurwesen, Abteilung III für Maschineningenieurwesen, Abteilung IV für Chemie und Hüttenkunde sowie die Abteilung V für Allgemeine Wissenschaften. Zahl und Zuschnitt der Abteilungen änderten sich jedoch über den Untersuchungszeitraum hinweg mehr- 27 Vgl. Damm, Hochschulen, S. 33. 28 Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 569, spricht in diesem Zusammenhang von den „Zunft- und Monopolinteressen der ‚Ordinarien‘, die keine Parallellehrstühle wollten und neue Teilfächer lieber in Minderpositionen beließen.“ 29 Vgl. Preußische Gesetzsammlung 1920, S. 621. Gleich den richterlichen Beamten, die „mit dem auf die Vollendung des 68. Lebensjahres zunächst folgenden 1. April oder 1. Oktober kraft Gesetz in den Ruhestand“ traten, wurden zum gleichen Zeitpunkt „die Lehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen von ihren amtlichen Verpflichtungen entbunden.“ Wie die Universitätsordinarien wurden die TH-Professoren also von nun an emeritiert und nicht mehr pensioniert. Das Beamten-Diensteinkommensgesetz vom 17. Dezember 1920 verfügte in § 21 dementsprechend folgende Änderung von § 6 des Zivilruhegesetzes: „Auf die Lehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen ist dies Gesetz nicht anwendbar“ (Preußische Gesetzsammlung 1921, S. 146). 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 79 fach.30 Die Sektion für Schiffbau, die innerhalb der Abteilung für Maschineningenieurwesen bestand, wurde 1894 zur Abteilung IV für Schiff- und Schiffsmaschinenbau, die Nummerierung der anderen Abteilungen verschob sich entsprechend. Im Jahre 1916 kam die Bergakademie als Abteilung für Bergbau hinzu. Sechs Jahre später wurden die nunmehr sieben Abteilungen der Hochschule zu vier Fakultäten zusammengefasst: Die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften wurde zur Fakultät für Allgemeine Wissenschaften, insbesondere für Mathematik und Naturwissenschaften; die Abteilungen für Architektur und für Bauingenieurwesen wurden zur Fakultät für Bauwesen vereinigt; die neue Fakultät für Maschinenwirtschaft fasste die Abteilungen für Maschineningenieurwesen und für Schiff- und Schiffsmaschinenbau zusammen, gleichzeitig wurde innerhalb dieser Fakultät eine neue Abteilung für Elektrotechnik eingerichtet. Die Abteilungen für Bergbau und für Chemie und Hüttenkunde schließlich wurden zur Fakultät für Stoffwirtschaft. Da die Abteilungen jedoch innerhalb der Fakultäten fortlebten31, ist eine getrennte Erhebung der Zahl der Lehrstühle und der Frequenz teilweise auch über das Jahr 1922 hinaus möglich. Im Jahre 1933 kam die Fakultät für Allgemeine Technologie hinzu, die seit 1935 den Namen Wehrtechnische Fakultät trug. Die Fakultät für Bauwesen wurde 1943 wieder geteilt in eine Fakultät für Architektur und eine für Bauingenieurwesen. Den folgenden Einzelbetrachtungen liegt die Fakultätsordnung von 1922 zugrunde, in den einzelnen Diagrammen sind jedoch, soweit dies möglich war, auch die Daten für die früheren Abteilungen verzeichnet.32 Dies ermöglicht, ein zugleich allgemeines und differenziertes Bild der Entwicklung der Hochschule zu zeichnen, das sowohl der je unterschiedlichen Abteilungsgliederung als auch einer langfristigeren Betrachtung gerecht wird. Die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften wurde 1879 mit acht etatmäßigen Stellen eröffnet und hatte am Ende des Untersuchungszeitraums zwölf Lehrstühle, nachdem 1935 zeitweise 16 Professoren an ihr gelehrt hatten (Graphik 5).33 Ihr Wachstum blieb damit weit hinter dem der gesamten Hochschule zurück. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte die Abteilung keine eigenen Studiengänge; vielmehr wurden an ihr Kenntnisse vermittelt, die grundlegend waren für das Stu30 Für einen Überblick vgl. die schematische Darstellung der Abteilungsentwicklung in Rürup, Wissenschaft, Bd. 2, S. 274ff. Die Bergakademie wird an dieser Stelle erst ab ihrer Integration in die TH berücksichtigt. 31 Vgl. Predeek, Berlin, S. 39: „Innerhalb der Fakultäten blieben die Abteilungen mit eingeschränkten Rechten bestehen.“ 32 Die nach 1940 neu eingerichteten Abteilungen, u. a. für Vermessungswesen, für Wirtschaftswissenschaften, für Geologie, für Chemie, für Mathematik und Physik wurden nicht berücksichtigt, vgl. Rürup, Wissenschaft, Bd. 2, S. 274ff. 33 Bei der Gründung der Technischen Hochschule 1879 wurde noch nicht von Lehrstühlen, sondern von etatmäßigen Stellen gesprochen. Die schrittweise Angleichung an universitäre Formen und Begriffen, die für die etatmäßigen Lehrer eine Statuserhöhung über den etatmäßigen Professor hin zum ordentlichen Professor bedeutete, brachte auch an dieser Stelle eine Vereinheitlichung. Da eine Vergleichbarkeit zwischen etatmäßigen Stellen und Lehrstühlen besteht, wird im Folgenden nicht begrifflich getrennt (vgl. Schröder-Werle, Chronik, S. 10). Allgemein zur Entwicklung der Allgemeinen Abteilungen vgl. Hänseroth, Luxushunde, bes. S. 117–123. 80 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 dium an den übrigen Abteilungen.34 Sie spielte damit die Rolle, welche die École Polytechnique im technischen Bildungswesen Frankreichs innehatte. Dementsprechend nahmen die mathematischen Fächer die zentrale Stellung in der Abteilung ein. Vier der acht Lehrstühle waren der Mathematik gewidmet. Die weitere Entwicklung zeigt, dass damit an der Hochschule anfangs ein mathematisches Überangebot bestand: Lediglich zwei Professuren wurden über den Untersuchungszeitraum hinweg kontinuierlich wiederbesetzt. Die beiden anderen wurden umgewandelt in einen Lehrstuhl für Theoretische Physik und einen für Darstellende Geometrie. Der Grund für das mathematische Überangebot bestand zum einen darin, dass Mathematik bis 1879 zentraler Lehrgegenstand an beiden technischen Akademien gewesen war. Zum anderen fanden die Lehrveranstaltungen im ersten Jahrfünft der Hochschule, also vor der Fertigstellung des Hochschulgebäudes in Charlottenburg, noch an verschiedenen Orten statt. Eine effizientere Gestaltung der Lehre war also noch nicht möglich. Der schrittweise Abbau des Überangebotes konnte so erst später beginnen. Die Entwicklung der Studierendenzahlen machte es erst 1927 nötig, die Zahl der mathematischen Lehrstühle wieder zu vergrößern. Graphik 5: Quantitative Entwicklung der Allgemeinen Wissenschaften 2800 24 2400 20 2000 16 1600 12 1200 8 800 4 400 0 0 Zahl der Studierenden 3200 28 Zahl der Professoren 32 1879 1884 1889 1894 1899 1904 1909 1914 1919 1924 1929 1934 1939 1944 Prof. Allgemeine Wissenschaften Stud. Allgemeine Wissenschaften Neben der Mathematik entwickelte sich die Physik zu einem zweiten Schwerpunkt an der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften. Anfangs nur mit einem Lehrstuhl vertreten, kam 1900 ein zweiter hinzu. Mit der erwähnten Umwidmung eines der mathematischen Lehrstühle in einen für Theoretische Physik wurde das Lehrgebiet weiter ausgebaut, und 1905 kam ein vierter physikalischer Lehrstuhl 34 Vgl. u. a. Lexis, Hochschulen, S. 49. 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 81 dazu. Im Jahre 1903 wurde zudem das Physikalische Institut eingerichtet und in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre bedeutend erweitert. Im Jahre 1920 erhielt die Abteilung mit der Integration des Ballistischen Laboratoriums der nach dem Ersten Weltkrieg geschlossenen Militärtechnischen Akademie einen weiteren physikalischen Lehrstuhl.35 Mit der Professur für Nationalökonomie erhielt im Jahre 1897 erstmals ein neues Fachgebiet einen eigenen Lehrstuhl an der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften. Das wirtschaftswissenschaftliche Angebot blieb jedoch lange bescheiden und erfuhr erst im Rahmen der Hochschulreform während der Weimarer Republik eine weitere Förderung. Die Abteilungen für Allgemeine Wissenschaften an den Technischen Hochschulen waren in doppelter Hinsicht in einer schwierigen Position. Aufgrund ihres Fächerspektrums standen sie bei der Berufung von Lehrkräften in direkter Konkurrenz mit den Universitäten und litten dementsprechend stärker unter dem Gefälle zwischen den beiden Hochschultypen.36 Andererseits war ihre Situation innerhalb der Technischen Hochschulen ebenfalls problematisch. Die Einschätzung Alois Riedlers aus dem Jahre 1898 ist, abgesehen von der gewohnten Riedlerschen Schärfe und Polemik, symptomatisch: Was die „allgemeinen Abtheilungen“ anböten, sei „unzureichend“; sie gehörten „nicht zum Wesen der Hochschule“; sie stellten eher „eine Vorbereitungsschule oder eine unvollständige naturwissenschaftlich-mathematische Fakultät“37 dar. Während des Kaiserreichs waren die preußischen Abteilungen für Allgemeine Wissenschaften Abteilungen ohne eigene Studierende, da sie von der Lehrerausbildung ausgeschlossen waren, was sie gleichsam auf Zuarbeiten für die Fachabteilungen beschränkte. Ihre Lage verbesserte sich auch 1899 nicht, weil das Promotionsrecht auf die technischen Abteilungen beschränkt blieb.38 Eine Aufwertung erlebten die Allgemeinen Abteilungen erst in der Weimarer Republik. Die preußischen Technischen Hochschulen erhielten nun das Recht, Lehrer für die Fächer Mathematik, Physik und Chemie auszubilden. So konnten in Charlottenburg erstmals eigene Hauptstudiengänge an der Abteilung eingeführt 35 Zum physikalischen Institut der Berliner Hochschule vgl. Westphal, Institut; Cassidy, Institut sowie Päsler, Skizzen. 36 Hänseroth, Luxushunde, S. 132, zitiert einen Tagebucheintrag Victor Klemperers, an dem das Unbehagen über ein Lehramt an einer TH deutlich wird: „O technische Hochschule. Geistige Tiefschule könnte man auch sagen. Ich bin hier Luxushund. Aber gut bezahlter.“ Klemperer war 1920 an die TH Dresden berufen worden. Vgl. auch Baumgartens Einschätzung: „Vordergründig scheinen also die Ordinariate der Technischen Hochschulen mit den Extraordinariaten der Universitäten gleichbehandelt worden zu sein“ (Baumgarten, Hochschullehrer, S. 54). 37 Riedler, Hochschulen, S. 11 und 77. Vgl. auch Lexis, Hochschulen, S. 49: „Überhaupt aber ist die allgemeine Abteilung während der letzten Jahrzehnte an vielen Hochschulen durch die mächtig sich entwickelnden Fachabteilungen stark in den Hintergrund gedrängt worden.“ 38 Besser ging es den Allgemeinen Abteilungen in Dresden und München, die schon früh Lehramtsstudenten aufnehmen durften (vgl. Hänseroth, Luxushunde, S. 120, speziell zu Dresden S. 123ff.). In München war auch das Promotionsrecht nicht eingeschränkt (vgl. S. 122). 82 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 werden, was 1924 für die Fächer Mathematik und Physik geschah.39 Später kamen auch Diplom-Studiengänge hinzu, und eine weitere Ausdehnung erfuhr das Lehrangebot 1927 mit der Einrichtung des Studiengangs ‚Wirtschaftsingenieur‘. Damit waren die Voraussetzungen für Wachstum und Ausbau der Fakultät geschaffen: Seit Mitte der zwanziger Jahre stieg sowohl die Zahl der Studierenden als auch die der Ordinarien. Die Übernahme der Chemie aus der Abteilung für Chemie und Hüttenkunde und deren Ausbau während der ersten Hälfte der dreißiger Jahre, vergrößerte die Fakultät nochmals. Ihr Anteil am Wachstum der gesamten Hochschule blieb jedoch marginal. 40 Graphik 6: Quantitative Entwicklung des Bauwesens 2800 24 2400 20 2000 16 1600 12 1200 8 800 4 400 0 Zahl der Studierenden 3200 28 Zahl der Professoren 32 0 1879 1884 1889 1894 1899 1904 1909 1914 1919 1924 1929 1934 1939 1944 Prof. Architektur Prof. Bauingenieurwesen Prof. Bauwesen Stud. Architektur Stud. Bauingenieurwesen Stud. gesamt Mit sieben etatmäßigen Stellen an der Abteilung für Architektur und sechs an der für Bauingenieurwesen bildete das Bauwesen hinsichtlich der Ausstattung mit Ordinarien 1879 zweifelsohne das Zentrum der Berliner Technischen Hochschule (Graphik 6). Die Bauakademie drückte der neuen Hochschule gleichsam ihren Stempel auf. Am Ende des Untersuchungszeitraumes gab es an der Fakultät für Bauwesen 23 Professuren. Nimmt man die Zahl der Ordinarien als Indikator, lässt sich also ein relativer Bedeutungsverlust der Fakultät innerhalb der Hochschule feststellen, da die Wachstumsraten der beiden Abteilungen deutlich unterhalb des 39 Vgl. Predeek, Berlin, S. 38 und Schröder-Werle, Chronik, S. 17f. Die Forderung nach einem Anteil an der Lehrerausbildung bestand schon lange, vgl. Riedler, Hochschulen, S. 13. 40 Die Säulen (Zahl der Professoren) in diesem und den folgenden Diagrammen sind gestapelt, das heißt im Jahre 1879 unterrichteten sieben Professoren an der Abteilung für Architektur und sechs an der für Bauingenieurwesen, zusammen also 13. Da die Linien (Zahl der Studierenden) nicht gestapelt sind, wurde eine zusätzliche Datenreihe (Stud. gesamt) abgebildet. 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 83 Durchschnitts lagen. Auch bezüglich des Anteils an der Gesamtstudentenschaft verlor die Fakultät an Bedeutung: Im Jahre 1883 lag er bei gut 32 Prozent und 1938 bei knapp 26 Prozent.41 Das nach Abteilungen differenzierte Bild zeigt, dass die Verluste in erster Linie die Architektur betrafen.42 Ende der 1930er Jahre standen den sechs Architekturlehrstühlen 16 des Bauingenieurwesens gegenüber; hinsichtlich der Studierendenzahlen lag die Abteilung für Bauingenieurwesen schon seit 1887 vorn. Betrug der Anteil der Architekturstudenten an der Gesamtzahl der Hörer 1883 gut 19 Prozent, waren es 1938 nur noch rund acht. Der Anteil der Studierenden der Bauingenieurwissenschaften hingegen stieg im gleichen Zeitraum von 13 auf gut 17,5 Prozent. Eine gezielte Förderung erfuhr die Architekturabteilung noch Anfang der vierziger Jahre. In einem Schreiben des Reichserziehungsministers Bernhard Rust heißt es, er habe sich „entschlossen, in Abweichung von der für die übrigen Technischen Hochschulen des Reiches einheitlich auch in Zukunft geltenden Regelung unter besonderer Berücksichtigung des für Berlin vorgesehenen außergewöhnlichen Ausbaus der Architektur-Abteilung zugedachten Aufgaben, die Fakultät für Bauwesen in 2 Fakultäten aufzuteilen.“43 Die Abteilung sollte maßgeblich an der Neugestaltung der Reichshauptstadt beteiligt werden, und dementsprechend weitreichend waren die Pläne für ihre Erweiterung. In einer Aktennotiz vom Januar 1944 vermerkte Ministerialrat Otto von Rottenburg, dass sich Albert Speer beim preußischen Finanzministerium um die Einrichtung von insgesamt 24 neuen Professuren bemüht habe, nachdem die Zahl der Ordinariate schon Anfang der 1940er Jahre vergrößert worden war. Der Finanzminister bewilligte schließlich vier ordentliche und zwei außerordentliche Professuren.44 Auch die Studierenden profitierten von der Förderung der Architekturabteilung: Noch im September 1944 konnten höhere Semester sich vom Kriegsdienst befreien lassen – ebenso wie Mathematiker, Physiker, Ballistiker, Hochfrequenz- und Fernmeldetechniker.45 41 Im Studienjahr 1883/84 hatte die TH 897 Studenten, 175 von ihnen studierten Architektur, 116 Bauingenieurwesen; im Jahre 1938/39 betrug die Gesamtzahl der Studierenden 2.745, davon entfielen 228 auf die Architektur sowie 481 auf die Bauingenieurwissenschaften (vgl. Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 570). 42 Vgl. auch Krahe, Architektenausbildung, S. 194: „Der Anteil der Lehrkräfte in der Architektur am Lehrkörper der Hochschule ist seit 1891 eigentlich immer rückläufig gewesen.“ 43 BA L, R 4901/14927, Bl. 198, 14. Dezember 1942. 44 BA L, R 4901/14927, Bl. 277, 27. Januar 1944. Die 24 Professuren sollten sich aus zehn Ordinariaten und 14 Extraordinariaten zusammensetzen. Aus einem Schreiben vom 21. März 1945 geht hervor, dass auch die genehmigten sechs Professuren nicht eingerichtet wurden. Das Finanzministerium betonte, es sei „ratsam den Lehrkörper der Architekturabteilung der Technischen Hochschule Berlin nur nach den Bedürfnissen zu ergänzen, die sich aus dem Studium ergeben“ (Bl. 273). 45 Vgl. Ludwig, Technik, S. 299. Für Studierende anderer Fächer bestand diese Möglichkeit nicht. 84 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Ein Vergleich der Entwicklung der Zahl der Ordinarien für Architektur mit der Zahl der Studierenden dieses Faches zeigt kaum parallele Entwicklungen.46 Während die Studierendenzahl seit 1885 stetig wuchs, alternierte die Zahl der Ordinarien in der Regel zwischen acht und neun; als die Studierendenzahl seit 1902 zuerst stagnierte und dann absank, wurde der Lehrkörper auf elf Ordinarien erweitert. Trotz steigender Studierendenzahlen blieb die Zahl der Professuren bis Ende der zwanziger Jahre unverändert. Aufgrund der kaum aufeinander bezogenen Entwicklungen der Studierendenschaft und des Lehrkörpers weist die Betreuungsrelation starke Schwankungen auf. Verglichen mit dem Gesamtdurchschnitt der Hochschule, waren die Verhältnisse in der Architekturabteilung stets besser: 1883 kamen auf einen Professor 22 Studierende – ein Wert, der auch Mitte der 1920er Jahre noch einmal erreicht wurde, da die Frequenz seit Anfang des Jahrhunderts fast kontinuierlich gesunken war. Mit dem sprunghaften Anstieg der Zahl der Studierenden Ende der 1920er Jahre änderten sich die Verhältnisse: 1930 betreute ein Professor 72 Studenten; die Abteilung Architektur lag damit jedoch weiterhin unter dem Wert der gesamten Hochschule, der im gleichen Studienjahr 82 betrug.47 Deutlich anders verhielt es sich in der Abteilung für Bauingenieurwesen. Erst als sich die Zahl der Studierenden fast verfünffacht hatte, stieg die Zahl der Ordinarien im Studienjahr 1900 auf sieben. Bis 1904 kam jährlich eine weitere Professur hinzu. Da es sich hier in der Regel nicht um die Etablierung neuer Fächer handelte – 1900 wurde eine zweite Professur für Wasserbau eingerichtet, 1901 eine zweite für Baukonstruktion und 1903 eine zweite für Eisenbahnwesen – ist diese Erweiterung eindeutig als Reaktion auf die steigenden Studierendenzahlen zu verstehen. Vor diesem Hintergrund bemerkte ein Mitarbeiter des Kultusministeriums 1907, man habe in Charlottenburg „eigentlich eine Doppelhochschule.“48 Die Betreuungsrelation von 1883 – auf einen Professor kamen gut 19 Studierende – wurde jedoch nicht wieder erreicht: 1904 lag das Verhältnis bei 1 zu 55. Dieser Wert wurde während der folgenden zwei Jahrzehnte nicht überschritten. Da die Zahl der Studierenden seit Mitte der zwanziger Jahre an der Abteilung für Bauingenieurwissenschaften noch schneller stieg als an der Architekturabteilung, kamen dort im Studienjahr 1930 auf einen Professor 109 Studierende, ein weitaus schlechteres Verhältnis als im Durchschnitt der Hochschule. Mit nur fünf etatmäßigen Stellen war die Abteilung für Maschineningenieurwissenschaften 1879 zusammen mit der Abteilung für Chemie und Hüttenkunde die kleinste der Technischen Hochschule. Sie erlebte allerdings den stärksten Ausbau: Am Ende des Untersuchungszeitraums hatte sie 29 Ordinarien (Graphik 7). Schon seit 1902 lehrte ein Drittel aller Ordinarien der Hochschule hier. Ihr Anteil 46 Vgl. auch Krahe, Architektenausbildung, S. 197: „Die Studentenzahlen [verhielten] sich völlig anders […] als die Zahlen der hauptamtlichen Hochschullehrer.“ 47 Vgl. Krahe, Architektenausbildung, S. 197, der für die Zeit zwischen 1900 und 1907 von einer Unterbetreuung in „schwacher Form“, für 1927 bis 1945 in „extremer Form“ spricht. Letzterem ist für die Betreuung durch Ordinarien nur bedingt zuzustimmen, da das Verhältnis seit Mitte der dreißiger Jahre bei durchschnittlich 1:40 lag. 48 Zit. bei Rürup, Grundzüge, S. 15. 85 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 an der Gesamthörerzahl betrug im gleichen Jahr über 40 Prozent und stieg weiter. Während der Weimarer Republik studierten regelmäßig mehr als die Hälfte aller Studierenden an der Fakultät für Maschinenwirtschaft – mit Spitzenwerten von jeweils 57 Prozent in den Jahren 1924 und 1926. Augenfällig ist der dementsprechend fast identische Kurvenverlauf, den ein Vergleich der Frequenz der gesamten Hochschule mit der der Maschinenbauabteilung zeigt. Die Fakultät hatte sich zweifellos zum Zentrum der Hochschule entwickelt, war dies jedoch keinesfalls schon 187949 – allerdings verweist die Tatsache, dass mit Hermann Wiebe ein Maschinenbauer zum Gründungsrektor der Hochschule berufen wurde, gleichsam auf die zukünftige Bedeutung der Abteilung. Neben den fünf ursprünglichen etatmäßigen Stellen verzeichnet die für die Festschrift 1979 zusammengestellte „Chronik zur Geschichte der Technischen Universität Berlin“50 über 40 Lehrstuhlneugründungen an der Fakultät während des Untersuchungszeitraums. Dieser Ausbau des Maschinenbaus stand nicht wie die Expansion der Bauingenieurwissenschaften unter dem Vorzeichen der ‚Doppelhochschule‘. Vielmehr kann die Entwicklung als Ausfächerung oder Spezialisierung bestehender Professuren und als Erschließung neuer Fachgebiete verstanden werden. Graphik 7: Quantitative Entwicklung des Maschinenwesens 2800 24 2400 20 2000 16 1600 12 1200 8 800 4 400 0 0 Zahl der Studierenden 3200 28 Zahl der Professoren 32 1879 1884 1889 1894 1899 1904 1909 1914 1919 1924 1929 1934 1939 1944 Prof. Maschinenwesen Prof. Schiffbau gesamt Stud. Maschinenwesen Stud. Schiffbau Stud. gesamt 49 Vgl. dagegen Rürup, Grundzüge, S. 15: „Das Zentrum der Hochschule bildete jedoch während der gesamten Zeit des Kaiserreichs unbestritten der Maschinenbau.“ Laut Rürup verfügte die Abteilung „durchweg über rund ein Drittel aller Ordinariate der Hochschule.“ Eine derartige Dominanz ist jedoch erst ab 1902/03 feststellbar. 50 Vgl. Schröder-Werle, Chronik, S. 1ff. 86 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 So entwickelte sich beispielsweise der Schiffbau zu einem Schwerpunkt in Forschung und Lehre an der Berliner Technischen Hochschule.51 Nachdem 1886 ein erstes Ordinariat eingerichtet worden war, wurde die Sektion für Schiffbau 1894 – obgleich der Lehrstuhl zu diesem Zeitpunkt nicht besetzt war – aus der Maschinenbauabteilung herausgelöst und hatte bis 1922 selbst Abteilungsstatus. Ihr erstes Ordinariat erhielt die neue Abteilung 1897, in dem Jahr, als Alfred Tirpitz Staatssekretär im Reichsmarineamt wurde.52 Während der nächsten drei Jahrzehnte wurde die Abteilung in zwei Schüben weiter ausgebaut: Bis 1902 kamen drei Lehrstühle hinzu und zwischen 1910 und 1913 noch einmal drei.53 Laut der Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Hochschule waren „fast alle um die Jahrhundertwende in der kaiserlichen Marine sowie auf Werften und Reedereien tätigen höheren Baubeamten“54 an der Abteilung für Schiffbau in Charlottenburg ausgebildet worden. Auffällig ist, dass besonders die Ausbauphase kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs in keinem Zusammenhang zur Entwicklung der studentischen Frequenz stand. Seit 1897 wurden die Studierenden des Schiffbaus getrennt von jenen der Maschineningenieurwissenschaften geführt.55 Bis 1903 war ihre Zahl stetig gestiegen; darauf folgte ein ebenso stetiger Abfall bis 1915, als an der Abteilung sieben Professoren lehrten und 164 Studenten eingeschrieben waren, was einem Verhältnis von 1 zu 23 entspricht. Im Durchschnitt der gesamten Hochschule kamen im gleichen Jahr knapp 40 Studierende auf einen Ordinarius. Die Vergrößerung der Abteilung lag also kaum in der Entwicklung der Studierendenzahlen begründet; vielmehr war sie Ausdruck des politischen Willens zum forcierten Ausbau sowohl der Handels- als auch der Kriegsflotte des Reiches. In diesem Zusammenhang ist 1904 auch die Wahl Danzigs zum Standort der vierten Technischen Hochschule in Preußen zu verstehen.56 Während also seit 1910 die Betreuungsrelation im Schiffbau mit Werten zwischen 23 und 42 Studierenden je Professor deutlich besser war als im Gesamtdurchschnitt der Hochschule (zwischen 36 und 80), so verhielt es sich im Maschinenwesen anders. Hier war die Belastung der Lehrkräfte stets höher als an den übrigen Abteilungen. Im Jahre 1883 betreute ein Professor 52 Studierende. Da die Frequenz im folgenden Jahrzehnt stark anstieg, die Zahl der Lehrstühle jedoch fast konstant blieb, waren es 1895 rund 177. Während der Weimarer Republik lagen die Werte zwischen 93 und 158. Eine deutliche Verbesserung der Lehrsituation brachte der Frequenzeinbruch, der an der Abteilung schon 1928 einsetzte. 51 Bereits 1801 war „wegen Mangels an geschickten Schiffsbauern“ (Inventar, Bd. 2, S. 635) ein schiffbautechnischer Unterricht an der Bauakademie angeregt worden. Nach der Ausarbeitung eines Unterrichtsplans für „Schiffsbauer und Schiffszimmerleute“ wurde der Unterricht ab 1804 jedoch an der Baugewerkschule erteilt. 52 Vgl. Manegold, Danzig, S. 22. 53 Vgl. Rürup, Grundzüge, S. 15, der von einem „forcierten Ausbau“ der Abteilung spricht. 54 Herrmann, Universität, S. 26. Herrmann gibt jedoch nicht an, auf welcher Basis diese Aussage ruht. Vgl. auch Rürup, Grundzüge, S. 15f. 55 Vgl. Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 570ff. 56 Vgl. Rürup, Grundzüge, S. 15 und Manegold, Danzig, S. 22. 87 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 Vor Kriegsausbruch kamen auf einen Professor lediglich noch 40 Studierende. Neben dem Schiffbau hatten sich mittlerweile auch die Elektrotechnik und der Luftfahrzeugbau zu zentralen Forschungsgebieten der Abteilung entwickelt.57 Graphik 8: Quantitative Entwicklung der Stoffwirtschaft 2800 24 2400 20 2000 16 1600 12 1200 8 800 4 400 0 0 Zahl der Studierenden 3200 28 Zahl der Professoren 32 1879 1884 1889 1894 1899 1904 1909 1914 1919 1924 1929 1934 1939 1944 Prof. Chemie Stud. Chemie Prof. Bergbau Stud. Bergbau Prof. Hüttenwesen Stud. gesamt Die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften außer Acht gelassen, war die Abteilung für Chemie und Hüttenkunde gemessen an der Zahl der Studierenden über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg die kleinste Abteilung der Technischen Hochschule (Graphik 8). Im Jahre 1883 waren die sechs Ordinarien der Abteilung für 45 Studierende zuständig. Die Betreuungsrelation von 1 zu 8 lag damit weit unter dem Durchschnittswert der Hochschule von 1 zu 28. Kurz nach der Jahrhundertmitte, als die Hochschule am stärksten unter der Überfüllung litt, und die Abteilung einen bis nach dem Ersten Weltkrieg bestehenden Hörerrekord aufwies, war ein Professor für 60 Studierende zuständig. Auch dieser Wert lag weit unterhalb des Durchschnitts von 115. Eine Annäherung an den Gesamtdurch57 Der 1886 eingerichtete Lehrstuhl für Elektrotechnik war der zweite seiner Art im Reich und wurde von der Berliner Elektroindustrie sowohl finanziell als auch mit technischer Ausstattung unterstützt. Die engen Beziehungen des Lehrstuhls zur Industrie werden auch dadurch illustriert, dass die AEG die Forschungen zur drahtlosen Funkverbindung kommerziell nutzen konnte – anfangs allein, später in Kooperation mit Siemens und Halske, die zu diesem Zweck gemeinsam die Telefunken AG gründeten (Vgl. Laitko, Wissenschaft, S. 243; Herrmann, Universität, S. II; Gundlach, Hochfrequenztechnik, S. 134). Neben Stuttgart und Braunschweig sollte Berlin Mitte der dreißiger Jahre zu einem „Luftfahrtlehrzentrum“ (BA L, R 4901/14484, Bl. 9, 15. Juni 1935) ausgebaut werden. Vgl. darüber hinaus Koelle, Luft- und Raumfahrt, der jedoch nicht auf den Einfluss des Reichsluftfahrtministeriums auf diesen Ausbau eingeht. 88 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 schnitt lässt sich Anfang der zwanziger Jahre erkennen: 1923 betreute ein Ordinarius der Fakultät für Stoffwirtschaft gut 62 Studierende, der Durchschnitt der Hochschule lag bei 78. Erst 1939 hatten sich die Verhältnisse verändert, da der Frequenzaufschwung hier länger anhielt. Im Durchschnitt betrug die Betreuungsrelation 1 zu 30, an der Fakultät für Stoffwirtschaft 1 zu 38. Nach den Studienrichtungen differenziert zeigt sich, dass es nach 1916 im Wesentlichen die als Abteilung für Bergbau an die Hochschule übernommene Bergakademie war, die für die günstige Betreuungsrelation verantwortlich war. Zwar gab es hier Anfang der zwanziger Jahre wie auch in den anderen Fächern einen Frequenzanstieg, allerdings sanken die Studierendenzahlen seit 1924 derart ab, dass ein Jahrzehnt später lediglich sechs Studierende auf einen Professor kamen. Die eher nachrangige Stellung der Fakultät für Stoffwirtschaft im Gesamtgefüge der Hochschule wird auch an der Zahl der Rektoren deutlich, die sie stellte. Von den 55 Rektoraten zwischen 1879 und 1933 entfielen 20 auf die Fakultät für Bauwesen, 18 auf die für Maschinenwesen und lediglich neun auf die für Stoffwirtschaft. Aus der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften kamen acht Rektoren.58 Graphik 9: Quantitative Entwicklung der Wehrtechnik 80 12 60 8 40 4 20 0 0 Zahl der Studierenden Zahl der Professoren 16 Prof. an Wehrtechnischer und anderer Fakultät Prof. nur an Wehrtechnischer Fakultät Stud. Wehrtechnik 1934 1936 1938 1940 1942 1944 Im Jahr 1933 wurde an der Charlottenburger Hochschule eine neue Fakultät eingerichtet, deren Ausstattung auf den ersten Blick beeindruckend erscheint. Sie erhielt sieben Ordinarien und elf weitere Lehrkräfte.59 Allerdings gehörte nur einer der ordentlichen Professoren ausschließlich der Fakultät für allgemeine Technologie an, die 1935 in Wehrtechnische Fakultät umbenannt wurde. Die übrigen unterrichteten teilweise schon seit mehreren Jahren an einer der anderen Fakultäten (Graphik 9). Auch hinsichtlich der Zahl der Studierenden waren die Verhältnisse bescheiden, von anfangs 19 stieg sie auf 79 im Jahre 1935, um dann schnell wie58 Die Rektorate zwischen 1934 und 1945 wurden nicht berücksichtigt, da keine Wahlen mehr stattfanden. 59 Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 473, zählen acht Lehrstühle, da sie den emeritierten Ballistiker Carl Cranz zu den Ordinarien rechnen. 2.1 Quantitative Entwicklungstrends, 1850 bis 1945 89 der zu sinken, so dass 1939 insgesamt 23 Studierende immatrikuliert waren. Da jedoch für alle Studierenden der Hochschule Pflichtvorlesungen in Wehrwissenschaften eingeführt wurden, lag die Teilnehmerzahl an den einzelnen Veranstaltungen deutlich höher.60 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass hinsichtlich der Zahl der Studierenden die Abteilung für Maschinenwesen das Zentrum der Charlottenburger Hochschule war. Von 1885 bis 1906 und wieder von 1911 bis 1941 war sie die größte der vier Fakultäten; in den anderen Zeiträumen lag sie knapp hinter dem Bauwesen auf Platz zwei. Betrachtet man jedoch neben den Anteilen der einzelnen Fakultäten an der Hochschule insgesamt auch deren jeweiliges Wachstum, so entsteht ein anderes Bild. Die Werte von 1883 als einhundert Prozent gesetzt, war es die Abteilung für Stoffwirtschaft, die am stärksten expandierte. Aufgrund des geringen Ausgangsniveaus machte sich dieses Wachstum jedoch erst in den 1920er Jahren auch in einem deutlich gestiegenen Anteil der Fakultät an der Gesamtfrequenz der Hochschule bemerkbar. Ein Vergleich mit der Entwicklung an den übrigen Technischen Hochschulen hebt wiederum die Bedeutung des Maschinenbaus in Charlottenburg hervor. Im Durchschnitt verneunfachte sich die Zahl der Studierenden des Bergbaus zwischen 1870 und 1918, die Zahl der Bauingenieure versechsfachte, die der Maschinenbauer verfünffachte sich, während sich die Architekten nur knapp verdreifachten.61 Bezüglich der Bergingenieure lag die Charlottenburger Hochschule im Trend: Zwischen 1883 und 1918 hatte sich die Zahl der Studierenden der Fakultät Stoffwirtschaft ebenfalls verneunfacht. Im gleichen Zeitraum lag sie jedoch sowohl bei den Architekten unterhalb des Durchschnitts (kaum verdoppelt) als auch bei den Bauingenieuren (knapp verfünffacht). Im Gegensatz dazu versechsfachte sich die Frequenz an der Fakultät für Maschinenwirtschaft, womit Charlottenburg den Durchschnitt übertraf.62 Nach dieser den gesamten Untersuchungszeitraum in den Blick nehmenden Erörterung der quantitativen Entwicklungslinien widmen sich die folgenden vier Abschnitte einigen zentralen Ereignissen und Entwicklungsbedingungen der Geschichte der Hochschule – zunächst bis zu ihrer Gründung 1879, sodann in Kaiserreich, Weimarer Republik und „Drittem Reich“. 60 Vgl. Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 474. 61 Vgl. Jarausch, Universität, S. 316. Jarausch folgert daraus, dass „das Wachstum also hauptsächlich von Bau- und Bergingenieuren vorangetrieben wurde.“ Betrachtet man ausschließlich die Wachstumsraten, ist diese Schlussfolgerung nachvollziehbar. Für eine angemessene Einschätzung der Entwicklung ist jedoch die Berücksichtigung der verschiedenen Ausgangsniveaus, also der absoluten Zahlen, notwendig. Dementsprechend ist für die TH in Charlottenburg festzuhalten, dass die Abteilung für Maschinenwesen einen deutlich größeren Anteil am Wachstum der Hochschule hatte als die Abteilung für Stoffwirtschaft. 62 Vgl. auch Hertwig, Wandel, S. 14: „Besonders stürmisch verlief das Hochschulleben in der Abteilung für Maschinenbau und Elektrotechnik.“ 90 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 2.2 EIN „WAHRES RIESENINSTITUT“. DER WEG ZUR GRÜNDUNG DER KÖNIGLICH TECHNISCHEN HOCHSCHULE ZU BERLIN 2.2 EIN „WAHRES RIESENINSTITUT“, 1850 BIS 1879 Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts riss die Kette der Umgestaltungen der Berliner technischen Akademien nicht ab. Bis zur Vereinigung von Bauund Gewerbeakademie erhielt letztere ungefähr im Zehnjahrestakt ein neues Regulativ. Stärker jedoch als zuvor ging das Bemühen um Reform nun von den Akademien selbst und von ihren Absolventen aus. Für die Lehrenden stand dabei die Verbesserung ihres beamtenrechtlichen Status und damit ihrer gesellschaftlichen Stellung im Vordergrund.63 Die aktiven und ehemaligen Studierenden traten für eine freiheitlichere Gestaltung der Akademien ein und hatten mit der Orientierung an den Universitäten letztlich ebenfalls die Hebung ihrer gesellschaftlichen Stellung im Blick. Nicht zuletzt waren es äußere Faktoren wie die Revolution von 1848/49 oder die Gebietserweiterung Preußens nach dem Deutschen Krieg von 1866, die als Katalysatoren die Entwicklung und Reform der Institute beschleunigten. Während der Revolution 1848 schlossen sich die Studierenden der Berliner technischen Akademien genauso wie jene der Universität dem Corps der Künstler an.64 Friedrich Nottebohm bemerkt in seiner Chronik der Gewerbeakademie: „Die politischen Bewegungen des Jahres 1848 blieben natürlich nicht ohne Einfluß auf das Gewerbe-Institut. Die auftauchenden Freiheits-Ideen passten wenig zu der bis dahin aufrecht erhaltenen strengen Disciplin der Anstalt, die nunmehr als Tyrannei verschrieen wurde.“65 Im Revolutionsjahr erhielten die Schüler der oberen Klasse des Gewerbeinstituts die Erlaubnis, Vorlesungen an der Universität zu besuchen. Die an der Bauakademie erhobene Forderung nach Lernfreiheit, also dem Wegfall des Kollegienzwangs, wurde mit den neuen Prüfungsbestimmungen im August 1849 erfüllt.66 Die Gewerbeschüler hatten größere Schwierigkeiten, ihre entsprechende Forde63 Vgl. Lundgreen, Techniker, S. 63f. Nach Lundgreen spielten die Lehrer der Gewerbeakademie bei der Reorganisation 1850 „eine große, wenn nicht die entscheidende Rolle“ (S. 64). 64 Vgl. Dobbert, Chronik, S. 84. Zu den Ereignissen in Berlin während der Revolution 1848/49 vgl. kurz Nipperdey, Bürgerwelt, S. 598ff.; Clark, Kingdom, S. 468ff. 65 Nottebohm, Chronik, S. 23. 66 Dies führte in den folgenden Jahren zu verschiedenen Problemen. Zum einen habe sich „die Zahl der Bauschüler, welche an einzelnen Unterrichtszweigen sich betheiligen“ stark vergrößert, was die Anstellung von Hilfslehrern notwendig machte (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. V, Bl. 73, 8. Mai 1849). Zum anderen empfahl die Technische Baudeputation 1854, „daß die den Studierenden der Bau-Akademie […] überlassene völlig ungebundene Studierfreiheit wenigstens in diejenigen Grenzen zurückgeführt wird, welche den Studierenden sämtlicher deutscher Universitäten vorgezeichnet sind und welche von allen Prüfungsbehörden für Staatsbeamte als nöthig erachtet werden, um das sÿstematische Studium wenigstens einiger Fachdisziplinen sicher zu stellen.“ Diese Empfehlung der zuständigen Prüfungsbehörde deutet an, dass die Leistungen der Studierenden gesunken waren. Dementsprechend schloss sich das Direktorium der Bauakademie dieser Forderung an und betonte darüber hinaus, dass dies „auch zur Aufrechterhaltung und Hebung des Rufes der Akademie als eine wesentliche Bedingung angesehen werden muß“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 244, 20. Januar 1854). 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 91 rung durchzusetzen. Der Besuch der Veranstaltungen wurde auch im folgenden Jahrzehnt streng kontrolliert. Anfang 1860 „agitirten und demonstrirten“67 die Gewerbeschüler derart heftig dagegen, dass die Schließung der beiden unteren Klassen beschlossen wurde, woraufhin die dritte Klasse sich aus Solidarität ebenfalls auflöste. Nottebohm, der zu dieser Zeit Direktor des Gewerbeinstituts war, spricht in seiner Festschrift von 1871 lediglich von „bedauerlichen Störungen im Unterricht.“68 Die Studierenden trugen ihr Anliegen dem Minister vor und erreichten die Gewährung der Lernfreiheit. Zudem beschloss das Ministerium „in Anbetracht der Richtigkeit des Princips, für welches die studirende Jugend eingetreten war […] von den begangenen Verstößen gegen die Ordnung abzusehen und den Studirenden den Wiedereintritt zu gestatten.“69 Allerdings blieb die freie Fächerwahl jeweils auf eine Abteilung beschränkt.70 Nottebohm führt mehrere Gründe für die studentischen Proteste an. Zum einen waren Umfang und Anzahl der Stipendien verringert sowie Unterrichtshonorare eingeführt worden, und zum anderen hätte ihre Vorbildung einem großen Teil der Gewerbeschüler auch gestattet, die Universität zu besuchen. Somit sei „das bis dahin obwaltende patriarchalische Verhältniss zwischen Anstalt und Zöglingen unhaltbar geworden.“71 Inwieweit die universitäre Lernfreiheit auch für die technischen Fächer förderlich war, blieb jedoch umstritten. Max Maria von Weber72 beurteilte sie 1877 als verhängnisvoll und forderte stattdessen eine „durch Gehorchen Befehlen lehrende Schul- und Studien-Disciplin.“73 Gleichzeitig erkannte er an, dass die Lernfreiheit eingeführt wurde „im redlichsten Bestreben, der Stellung 67 68 69 70 Dobbert, Chronik, S. 88. Nottebohm, Chronik, S. 38. Dobbert, Chronik, S. 88. Vgl. Dobbert, Chronik, S. 54 und 57; Damm, Hochschulen, S. 6 und 22; Nottebohm, Chronik, S. 37. Neben der Allgemeinen technischen Abteilung hatte das Gewerbeinstitut 1860 eine Abteilung für Mechanik, eine für Chemie und Hüttenkunde sowie eine für Seeschiffahrt, vgl. § 3 des „Regulativs für die Organisation des Königlichen Gewerbe-Instituts“ vom 23. August 1860, gedruckt bei Nottebohm, Chronik, S. 38–43. 71 Nottebohm, Chronik, S. 37. Der Umfang der Stipendien war schon 1848 von 300 auf 200 Taler reduziert worden. 1855 wurde ihre Anzahl auf 26 beschränkt und zwei Jahre später für alle Nichtstipendiaten ein Honorar von 40 Talern jährlich eingeführt, vgl. ebd., S. 24 und 33. Während Anfang der 1830er Jahre praktisch alle Schüler des Gewerbeinstituts ein Stipendium erhalten hatten, waren es drei Jahrzehnte später lediglich noch zehn bis zwölf Prozent (berechnet nach den Angaben bei Nottebohm, Chronik, S. 80ff.). 72 Max Maria von Weber (1822–1881), ein Sohn des Komponisten Carl Maria von Weber, studierte am Dresdner Polytechnikum und an der Universität Berlin. 1845–1870 war er als Eisenbahningenieur im sächsischen Staatsdienst tätig, 1870–1875 im österreichischen und 1878–1881 im preußischen Handelsministerium. Vgl. ADB 41, S. 349–352; DBA I 1337, 148–163; DBA II 1371, 237–250; DBA III 969, 341f. 73 Weber, Techniker, S. 31. Für Weber gehörte zu den wesentlichen Fähigkeiten eines Technikers „die zu leiten, zu befehlen“ (S. 15). 92 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 der Technik einen eminenten Dienst zu leisten.“74 Als Teil des universitären Habitus war sie für die meisten Techniker gleichsam nicht verhandelbar.75 Wesentliche Veränderungen erfuhren die Akademien nach 1848 auch hinsichtlich der Dienstverhältnisse ihrer Dozenten. In einem Schreiben vom 10. September 1848 teilte der Minister für Handel und Gewerbe den Lehrern des Gewerbeinstituts mit, dass er eine Kommission einberufen habe, „welche die gegenwärtigen Einrichtungen und Leistungen der Anstalt einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen, eine etwaige Umgestaltung derselben zu berathen“ habe. Auch sei nicht klar, ob alle Lehrer weiter beschäftigt werden könnten: „Um daher für jeden Fall bei zu treffenden neuen Einrichtungen freie Hand zu haben, sehe ich mich in der Nothwendigkeit, den Herren Lehrern des Instituts die zur Zeit bestehenden Verabredungen mit denselben für den 1ten April 1849 hiermit aufzukündigen.“76 Da derselbe Minister auch für die Bauakademie zuständig war, verwundert es nicht, dass dort nach dem gleichen Schema verfahren wurde. Zehn Tage später erhielten die dortigen Lehrer ebenfalls ein Schreiben, in dem ihnen erst für ihren Eifer gedankt und dann ebenfalls zum 1. April 1849 gekündigt wurde, um „bei der Feststellung des anderweiten Planes [für die Bauakademie] nicht durch Rücksichten auf die zur Zeit bestehenden Engagements beschränkt zu sein.“77 In den Akten finden sich auffällig wenige Klagen über diese abrupten Entlassungen. Lediglich Ernst Schubarth, Lehrer am Gewerbeinstitut, und Adolf Brix, der an beiden Akademien unterrichtete, protestierten aus formalen Gründen gegen ihre Entlassung. Ersterer betonte, er habe seinen Kursus seit „27, schreibe sieben und zwanzig, Jahren“78 abgehalten. Die Kündigungen wurden jedoch nicht rückgängig gemacht. Die Entscheidungsfindung über die zukünftige Gestalt der beiden Akademien zog sich länger hin als erwartet, und so wurden die Dozenten auch nach dem 1. April 1849 wie bisher auf halbjährlicher Basis weiterbeschäftigt. Vermutlich im Bemühen, ein Abwandern zu verhindern, teilte das Ministerium im September 1849 einigen Lehrern der Bauakademie schon im Voraus mit, dass sie für feste Stellen vorgesehen seien. Diese Ankündigungen waren allerdings mit dem Zusatz 74 Weber, Techniker, S. 15. 75 Vgl. z. B. Grashof, Principien, Sp. 614f., der die Lernfreiheit und die damit „in engster Beziehung stehende Freiheit der Lehre“ (Sp. 615) als wesentliche Elemente des Hochschulcharakters versteht. 76 Beide Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. III, Bl. 145, 10. September 1848. 77 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. V, Bl. 31, 20. September 1848. 78 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. III, Bl. 146, 25. September 1848 (Hervorhebungen im Original). Schubarth stellte zudem fest, dass er einen einjährigen Kursus unterrichte und ihm nur ein halbes Jahr vor dessen Ablauf gekündigt werden könne, also frühestens zum 1. Oktober 1849. Brix machte geltend, dass mit ihm eine einjährige Kündigungsfrist vereinbart worden sei (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. III, Bl. 158a, 8. Dezember 1848). Auch er betonte seine fast „21jährige Wirksamkeit“. Brix erhielt 1851 eine feste Stelle an der Bauakademie, Schubarth wurde weiter auf Honorarbasis beschäftigt. 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 93 versehen, dass „eine bestimmte Zusicherung“79 nicht gegeben werden könne, da endgültige Entscheidungen noch ausstünden. Im Oktober legte der Handelsminister seinen Plan beim König vor, und begründete die Festanstellung damit, dass „es nur in diesem Wege erreichbar erscheint, für die verschiedenen Fächer des Unterrichts möglichst tüchtige Männer zu gewinnen und der Anstalt dauernd zu erhalten.“80 Obgleich die Genehmigung schnell erfolgte, verzögerte sich die Umsetzung weiter. Erst im Juni 1851 versandte das Ministerium die insgesamt fünf Bestallungen. Die Lehrer erhielten je nach Stundenzahl ein Gehalt zwischen 600 und 1.000 Talern sowie ein Viertel der Hörergelder.81 Hierbei wurde berücksichtigt, wie das Direktorium der Bauakademie 1854 erklärte, dass die Mehrzahl der Dozenten „aus anderen Amtsverhältnissen feste Gehälter einnahmen, welche meistens höher waren, als die Beträge ihres Einkommens bei der Akademie, und dass für solche Beamte ein wenn auch nur mäßiges Lehrhonorar immer eine willkommene Zubuße“82 sei. Ähnlich betrieb das Handelsministerium die Dinge am Gewerbeinstitut. Im März 1850 wurden die etatmäßigen Stellen angekündigt, und im Juni 1851 die sechs Verträge verschickt. Die Gehälter lagen höher als an der Bauakademie, zwischen 700 und 1.700 Talern, da zu diesem Zeitpunkt am Gewerbeinstitut noch kein Unterrichtshonorar verlangt wurde.83 Die praktische Bedeutung der Festanstellung kommt in einem Schreiben von Wilhelm Stier, Lehrer für Antike Baukunst, an das Ministerium zum Ausdruck: Er verband den Dank für den Vertrag mit der Frage nach dem Modus der Pensionierung.84 In erster Linie ging es um eine finanzielle Absicherung auch über das Ende der Lehrtätigkeit hinaus. Denn entgegen der zitierten Erwägung über die Höhe der Gehälter waren im Jahre 1854 drei der fünf etatmäßig angestellten Lehrer hauptsächlich auf ihre Einkünfte an der Bauakademie angewiesen.85 Bis zur Gründung der Technischen Hochschule 1879 wurden 21 weitere Lehrer an die Gewerbeakademie berufen und 22 an die 79 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. V, Bl. 86 und 87, September 1849. 80 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. V, Bl. 93, 11. Oktober 1849. Allerdings waren die vorgesehenen Gehälter dazu kaum geeignet – Eduard Schwarz, der 1851 als ordentlicher Lehrer für Wasserbaukunst angestellt wurde, erhielt gleichzeitig eine Stelle als technischer Hilfsarbeiter im Handelsministerium – „Hauptsächlich weil ein Gehalt von dem Betrage, wie zu seiner Hierherziehung erforderlich war, zu seiner Zeit aus dem Fonds der Bau-Akademie allein nicht flüssig gemacht werden konnte“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. III, 12. Januar 1865). 81 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 55–57, 13. Juni 1851. 82 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 240, 20. Januar 1854. 83 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. III, Bl. 222–226, 22. März 1850 und ebd., Bd. IV, Bl. 77–79, 26. Juni 1851. 84 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 103–105, 7. Juli 1851. Süle, Bürokratietradition, S. 73, betont die Bedeutung der „potentiellen Rundum-Versorgung“, welche die Beamten, zu denen die Lehrer der technischen Akademien im weiteren Sinne zu rechnen sind, genossen. Beamtentum impliziere „pekuniäre und im erweiterten Sinn soziale Sicherheit“ (ebd.). 85 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 241, 20. Januar 1854. Es handelte sich um Wilhelm und Gustav Stier sowie um Carl Bötticher. 94 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Bauakademie; drei waren an beiden Instituten fest angestellt. Eine kontinuierliche Wiederbesetzung einmal geschaffener Stellen lässt sich nicht beobachten. War ein Lehrgebiet auch nach dem Ausscheiden des ordentlichen Lehrers ausreichend abgedeckt, so wurde mitunter von der Neubesetzung abgesehen und das Geld verwandt, um „wiederum einige der noch auf Kündigung angenommenen Lehrer, deren Fixierung im Interesse der Akademie liegt, fest anzustellen.“86 Dabei war nicht zuletzt das Dienstalter entscheidend und zu Gunsten eines jüngeren Kollegen übergangen zu werden, wurde als Zurücksetzung empfunden, da – wie der Mathematiker Julius Weingarten bemerkte – in höherem Alter „die Unsicherheit der amtlichen Stellung mit dem Makel der Untüchtigkeit behaftet zu sein pflegt.“87 Im Zusammenhang mit der Reform der Akademien war das Handelsministerium im Januar 1851 auch bemüht, die Frage nach dem Rang der ordentlichen Lehrer an der Bauakademie zu klären und ihnen so ihren Platz in der preußischen Beamtenhierarchie zuzuweisen. Anspruch und Bezugspunkt waren hierbei klar: In einem Schreiben an das Unterrichtsministerium wurde vorgeschlagen, sie wie die Ordinarien der Universität zu behandeln. Der Kultusminister bat daraufhin, ihn „zuvor durch geneigte Aeußerung über die, den verschiedenen Classen der Lehrer gestellten Anforderungen, rücksichtlich ihrer wissenschaftlichen oder künstlerischen Bildung und Leistungsfähigkeit, eventualiter auch durch gefällige Mittheilung der betreffenden Reglements oder Lectionsverzeichnisse, zur näheren Beurtheilung der Sache in Stand setzen zu wollen.“88 Mehrere Monate vergingen, bevor das Kultusministerium Anfang Oktober mitteilte, dass die Bauakademie „den Universitäten nicht gleich gestellt, sondern dieselbe, wie die Kunst-Akademien und andere ähnliche Institute nur zu den höheren Spezialschulen gezählt werden kann.“89 Dementsprechend sei den etatmäßigen Lehrern, gemäß der Allerhöchsten Order vom 23. Dezember 1842, derselbe Rang zuzuweisen wie den außerordentlichen Professoren der Universitäten.90 Wenn man die Bauakademie als Beamtenschule begreift, an der gleichsam der Nachwuchs des Handelsministeriums ausgebildet wurde, so ist der Versuch, ihre Leh86 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. III (ohne Paginierung), 31. Juli 1864. Die Bezeichnung „ordentlicher Lehrer“ erscheint erstmals in der Bestallung Karl Finks (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. IV, Bl. 257, 30. September 1854). Nicht wiederbesetzt wurde beispielsweise die Stelle des Bildhauers Christian Krick am Gewerbeinstitut, da sein Assistent Ferdinand Boy „zur Fortsetzung des Unterrichts befähigt“ war (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 274, 15. April 1865). 87 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV (ohne Paginierung), 3. Januar 1874. Eine feste Anstellung erhielten 1864 Karl Pohlke und Heinrich Strack, da sie die ältesten der gegen Remuneration beschäftigten Lehrer waren, vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. III (ohne Paginierung), 31. Juli 1864. 88 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 61, 30. Januar 1851. Rangklassen hatten nicht zuletzt konkrete Bedeutung für die Höhe der zu gewährenden Reise- und Umzugskosten sowie Wohngeldzuschüsse. 89 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 169, 5. Oktober 1851. 90 Eine Abschrift der Order findet sich in GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 1, Bd. I (ohne Paginierung). In der Order ist auch geregelt, dass lediglich die Ordinarien der Universität vom König zum Professor ernannt werden. In allen anderen Fällen ist der Minister zuständig. 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 95 rer den Universitätsprofessoren gleichzustellen, als Standespolitik zu verstehen. Ein weiteres Element dieser Standespolitik war das Bemühen, die Vorbildungsanforderungen ebenfalls nach universitärem Vorbild zu regeln. Beides zielte darauf, über eine Statusanhebung der Ausbildungsstätte die Grundlage für eine Verbesserung der Karrierechancen der Baubeamten gegenüber ihren Kollegen, den juristisch ausgebildeten Verwaltungsbeamten, zu schaffen. Eine den Universitäten gleiche Stellung wurde zudem als Garant für ein höheres Sozialprestige verstanden. Dementsprechend wehrten sich die Baubeamten Ende der 1870er Jahre dagegen, die Bauakademie auch für Absolventen lateinloser Oberrealschulen zu öffnen.91 Trotz intensiver Bemühungen blieb der höhere Verwaltungsdienst den Baubeamten jedoch weitgehend verschlossen, und auch das soziale Gefälle zu den Juristen hatte Bestand.92 In ähnlicher Weise existierte auch ein Gefälle zwischen den staatlich beschäftigten Baubeamten und den privat angestellten Gewerbetechnikern.93 Dies spiegelt sich auch in der Position der Lehrer des Gewerbeinstituts wider. Als dessen Direktor 1865 im Handelsministerium anfragte, zu welcher Rangklasse sie zu zählen seien, erhielt er die Antwort, dass „reglementarische Bestimmungen über den Rang der beim Gewerbe-Institut angestellten Professoren nicht existiren.“94 Der vergebliche Versuch, den Rang der Lehrer der Bauakademie im Sinne des Handelsministeriums festzuschreiben, hatte wohl dazu geführt, dass es derartige Bemühungen für das Gewerbeinstitut erst gar nicht in die Wege leitete. Vielmehr war dort neben der Rang- auch die Titelfrage unklar. Von den sechs 1851 angestellten Lehrern besaßen nur drei ein Professorenpatent. Als 1853 der Direktor des Instituts den Titel für den Maschinenbaulehrer Hermann Wiebe und den Zeichenlehrer Ludwig Lohde erbat, beendete er seinen Antrag mit der Überlegung, „ob es nicht zweckmäßig sein müßte den definitiv angestellten Lehrern des Gewerbe-Instituts ohne Ausnahme das Prädikat des Professors beizufügen.“95 Ein Blick auf die weiteren Berufungen zeigt, dass diese Bitte nicht erfüllt wurde – es kam mehrfach vor, dass ein Lehrer erst mehrere Jahre nach seiner Anstellung ein Professorenpatent erhielt. Der Mitte der 1860er Jahre aus der aufgelösten Musterzeichenschule zuerst vorläufig übernommene Zeichenlehrer Albert Grell stell91 Vgl. Bolenz, Baubeamte, S. 93f., der die Lateinfrage als ein „konstitutives Identifikationsmerkmal“ bezeichnet, „das die Baubeamten den Verwaltungseliten zuordnete“ (S. 94). Vgl. auch Ringer, Education, S. 19: „The status of a curriculum defined the status of a profession, rather than the other way around.“ 92 Noch der Ministerialdirektor Friedrich Althoff bezeichnete es im frühen 20. Jahrhundert „in seiner derben Weise als einen Skandal, daß kein mathematisch und technisch vorgebildeter Beamter“ im Kultusministerium angestellt sei (Sachse, Althoff, S. 306). 93 Bolenz, Baubeamte, S. 87, attestiert eine „soziale Leitfunktion der Baubeamten“ innerhalb der technischen Berufe. Vgl. auch Lundgreen, Ausbildung, S. 29. 94 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 309, 18. November 1865. Nottebohms Anfrage (ebd., Bl. 308, 7. November 1865) rührte von einer Erkundigung des Kreisgerichts Frankfurt an der Oder her, „welche Reisekosten und Diäten sie [i. e. die Lehrer des Gewerbeinstituts Wiebe und Werner] in amtlichen Angelegenheiten zu liquidieren berechtigt seien.“ 95 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. IV, Bl. 185f., 14. April 1866. 96 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 te im Juli 1874 schließlich selbst einen Antrag auf den Titel. Der damalige Direktor der Akademie, Franz Reuleaux, befürwortete das Gesuch, obwohl er wenige Jahre zuvor noch festgestellt hatte, Grell sei keine „geeignete Persönlichkeit“ für eine ordentliche Stelle als Zeichenlehrer: „seinen Arbeiten fehlt einerseits der Schwung, welcher den Schüler geistig anzieht, andererseits die Sicherheit der Vorstellung, welche auch bei mangelndem Schwung noch bewundernswerth bleibt.“96 Das Ministerium schloss sich Reuleauxs früherer Einschätzung an, indem es Grells Leistungen als „nicht ausreichend um die Verleihung der gedachten Auszeichnung genügend zu rechtfertigen“97 einschätzte und lehnte den Antrag demzufolge ab. Ein erneutes Gesuch ein Jahr später blieb ebenso erfolglos. Im Jahre 1877 bemühte sich Reuleaux im Zusammenhang mit der Titelverleihung an einen Kollegen wieder um Grell, da die Ernennung eines „im Lehrfach gleichstehenden, im Dienstalter bedeutend jüngeren Lehrers sehr kränkend für ihn sein würde.“98 Nachdem etwas zögerlich auch das Kultusministerium sein Einverständnis gegeben hatte, erhielt Grell mit dem Datum vom 24. Dezember 1877 schließlich sein Professorenpatent.99 Darüber hinaus gab es sowohl an Bau- als auch an Gewerbeakademie ordentliche Lehrer, die während ihrer Tätigkeit nie den Professorentitel erhielten. Dies ist jedoch nicht unbedingt als Indiz für Geringschätzung oder mangelnde Qualifikation zu verstehen. Vielmehr konnte auch eine ordentliche Lehrstelle an einer der technischen Akademien lediglich ein Nebenamt sein. So war Johann Wilhelm Schwedler in erster Linie im Ministerium für öffentliche Arbeiten tätig, wo er 1868 zum Vortragenden Rat berufen wurde; Wilhelm Tuckermann lehrte nur ein Jahr an der Gewerbeakademie, bevor er 1875 als Postbaurat in den Reichsdienst wechselte. Im Gegensatz zu Karl Freiberg, der wie Grell viele Jahre am Gewerbeinstitut unterrichtete, jedoch nie zum Professor ernannt wurde, wird in diesen Fällen das Fehlen des Titels nicht als Zurücksetzung verstanden worden sein.100 96 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. X, Bl. 46, 26. April 1871. Vgl. auch Kubiak, Grell, S. 6, der den Maler angesichts seiner Hallenser aquarellierten Bleistiftzeichnungen aus den späten 1850er Jahren zu den „zahlreichen bescheidenen Freizeitkünstlern“ zählt. 97 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIII, Bl. 10, 16. August 1874. Antrag Grells ebd., Bl. 8f. 98 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIV, Bl. 233, 7. Juli 1877. 99 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XV, Bl. 47, 24. Dezember 1877. Grells beamtenrechtliche Stellung an der Gewerbeakademie erscheint etwas unklar. Laut seiner Pensionsanweisung (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. III, Bl. 119f., ohne Datum [1891]) war er „nach Aufhebung der Musterzeichenschule etatsmäßiger Lehrer an dem Königlichen Gewerbeinstitut bzw. Gewerbeakademie.“ Reuleaux hingegen bemerkte 1871: „die Beschäftigung [Grells] an der Anstalt aber hat ihren Charakter der Vorläufigkeit behalten“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. X, Bl. 44, 26. April 1871). Neben Grell mussten auch die 1872 berufenen Lehrer Paul Consentius und Ernst Kossak sowie der 1874 berufene Richard Doergens mehrere Jahre auf ihr Professorenpatent warten. 100 Neben den genannten blieben auch Adolf Brix und Ludwig Franzius ohne Professorentitel. Johann Wilhelm Schwedler wurde anlässlich seines 70. Geburtstags 1893 zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Rang der Räte I. Klasse ernannt. 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 97 Wie schon im Fall Grell angedeutet, waren wissenschaftliche Leistungen zentrale Voraussetzung für die Verleihung des Professorentitels. Bei entsprechenden Anträgen verlangte das Ministerium regelmäßig Auskunft darüber, ob der Kandidat „neben seiner Lehrthätigkeit sich noch durch selbständige wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet hat.“101 Erst mit der Gründung der Technischen Hochschule 1879 wurde der Professorentitel zur Amtsbezeichnung der Lehrstuhlinhaber. Während Gewerbeakademie und Bauakademie mit der Etablierung etatmäßiger Stellen einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht hatten, fristete die Bergakademie auch nach der Jahrhundertmitte eine bestenfalls schattenhafte Existenz. Symptomatisch dafür ist 1860 der Bericht des Handelsministers August von der Heydt an den König, in dem es heißt: „Bei den im preußischen Staate zur Ausbildung junger Leute für die verschiedenen Zweige der Technik und der Industrie bestehenden Anstalten ist bisher auf diejenigen keine Rücksicht genommen worden, welche sich dem Staatsdienste im Berg-Hütten- und Salinenwesen widmen oder sich für die Leitung größerer Berg und Hüttenwerke vorbereiten wollen.“102 Der Bericht enthält lediglich den Hinweis, dass im Etat des Ministeriums ein Fond zur Finanzierung der Ausbildung künftiger Bergbeamter existiere. Dementsprechend wurde die von Heydt betriebene Einrichtung der Berliner Bergakademie von 1860 lange als Neugründung und nicht als Wiedereinrichtung verstanden: Im Jahre 1904 schloss Paul Krusch seine Geschichte der Akademie mit der Feststellung, er glaube „den Nachweis geführt zu haben, daß das Gründungsjahr der Berliner Bergakademie nicht das Jahr 1860, sondern das Jahr 1770 ist.“103 Vorangegangen waren der Initiative von 1860 umfangreiche Recherchen des Handelministeriums. Die Bergämter in Bonn, Breslau, Halle und Dortmund waren zu Gutachten über die Einrichtung einer Bergakademie aufgefordert worden und befürworteten das Anliegen.104 Zusammengefasst finden sich die Argumente in dem schon zitierten Bericht Heydts. Es sei kein Zustand, dass diejenigen, die sich „eines so wichtigen Zweiges der einheimischen Industrie widmen, an auswärtigen Lehr-Anstalten“105 studieren müssten. Zudem stünde in Clausthal und Freiberg eher der Erzbergbau im Vordergrund und weniger der für Preußen wichtige Steinkohlebergbau und das Eisenhüttenwesen. Die Bergakademie war in erster Linie als Beamtenschule konzipiert. Dementsprechend empfahl Handelsminister Heydt den Standort Berlin nicht nur wegen „der wissenschaftlichen Hülfsmittel und Sammlungen“, sondern auch wegen der dadurch gegebenen „Beaufsichtigung durch die Abtheilung meines Ministeri101 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIII, Bl. 137, 31. März 1875. Vgl. auch GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. V (ohne Paginierung), 26. Mai 1875. 102 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 1, 23. September 1860. 103 Krusch, Bergakademie, S. LIII. Die Gründung von 1770 war jedoch nicht völlig in Vergessenheit geraten. In einer Diskussion über die Bergakademie im Parlament erwähnt der kommissarische Direktor der Akademie, Bergrat Heinrich Lottner, das ältere Institut und stellte fest: „So setzt gewissermaßen die Akademie nur fort, was das Central-Bergwerks-Institut angestrebt hat“ (HdA, 32. Sitzung, 9. April 1861, S. 666). 104 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 18, Bd. I, passim. 105 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 1, 23. September 1860. 98 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 ums.“106 Der dritte wesentliche Grund, der für Berlin sprach, waren die Kosten. Der Etat der neuen Akademie sollte die vorhandenen Mittel zur Ausbildung der Bergexpektanden nicht überschreiten, und so beschränkte sich der Lehrplan auf die berg- und hüttentechnischen Fachgegenstände, während unter anderem Mineralogie, Geologie und Mathematik an der Universität gehört werden sollten. An der Bergakademie wurden lediglich ergänzende Repetitorien auf diesen Gebieten angeboten.107 Beziehungen bestanden auch zur Gewerbeakademie. Seit 1861 durften die Gewerbeschüler, die eine Unterrichtsfreistelle hatten, an den Veranstaltungen der Bergakademie ebenfalls unentgeltlich teilnehmen.108 Untergebracht war das neue Institut mit anfangs 44 Schülern im alten Börsengebäude am Lustgarten.109 Verärgerung löste die Errichtung der Bergakademie in der Budget-Kommission und im Haus der Abgeordneten aus. Dem Handelsminister wurde vorgeworfen, er wolle „durch eine vollendete Thatsache das Haus kaptiveren.“110 Die Akademie war ohne Konsultation des Parlaments eingerichtet worden, und erst ein Jahr später standen die entsprechenden Fonds im Haushaltsplan, um abgesegnet zu werden – neben den laufenden Kosten von gut 7.500 Talern auch ein Betrag von 20.000 Talern zum Bau eines Akademiegebäudes in Berlin. Im Wesentlichen weil „das Institut durch eine Eigenmächtigkeit des Herrn Handels-Ministers ins Leben getreten ist“111, empfahl die Budget-Kommission, beide Fonds zu verweigern. Da die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Bergakademie jedoch vielfach anerkannt wurde, genehmigte das Abgeordnetenhaus schließlich die laufenden Kosten, verlangte aber die Vorlage eines detaillierten Planes für die Ausgestaltung des Instituts, über den zu gegebener Zeit zu befinden sei. Dementsprechend wurde die Bergakademie als eine provisorische Anstalt angesehen. Die Baukosten bewilligte das Haus nicht, da zum einen der Betrag nicht ausreiche, 106 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 2, 23. September 1860. Vgl. auch Strunz, Bergakademie, S. 19. 107 Vgl. Strunz, Bergakademie, S. 20. Gustav Rose erhielt ein Honorar von 500 Talern für die Repetitorien Geographie und Mineralogie an der Bergakademie, vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. I, 30. März 1860, 23. August 1860 und 27. August 1860 (ohne Paginierung). Vgl. auch die Feststellung des Direktors der Bergakademie Hauchecorne 1867: „Die hiesige Königliche Bergakademie ist ihrem Zweck und ihrer Organisation nach eine rein technische höhere Lehranstalt für das Berg- und Hüttenfach. Der Lehrplan geht von der Voraussetzung aus, daß die Studierenden dasjenige Maß positiver naturwissenschaftlicher Kenntnisse, welche das Fachstudium erfordert, entweder bereits durch Universitätsstudien erlangt haben oder sich mit der Erlangung derselben auf der hiesigen Universität zugleich mit dem technischen Studium bei der Bergakademie beschäftigen“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. II, 23. November 1867 (ohne Paginierung)). 108 Vgl. Nottebohm, Chronik, S. 44. 109 Vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 43. 110 Abgeordneter Georg Freiherr von Vincke (altliberal), HdA, 32. Sitzung, 9. April 1861, S. 664. Der Widerstand des Abgeordnetenhauses gegen die Gründung der Bergakademie wird in den bisherigen Arbeiten zu ihrer Geschichte nicht erwähnt. Detailliert geht Andernach, Einfluß, S. 75ff., auf die Angelegenheit ein. 111 Abgeordneter Gustav Karsten (liberal), HdA, 32. Sitzung, 9. April 1861, S. 667. Vincke (altliberal) sprach schärfer von der „ungesetzlichen Weise“ der Gründung (S. 665). 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 99 zum anderen eine Genehmigung auch die Zustimmung zur Etablierung der Akademie in Berlin bedeute.112 Der Preußische Staatskalender für das Jahr 1861 verzeichnet neben dem kommissarischen Direktor Bergrat Heinrich Lottner acht weitere Dozenten an der Bergakademie, drei von ihnen unterrichteten gleichzeitig an der Friedrich-Wilhelms-Universität.113 Die Lehrer waren nach dem alten Modell angestellt, auf Honorarbasis mit einem halbjährlichen, beiderseitigen Kündigungsrecht. Eine Festanstellung war nicht zuletzt wegen der fehlenden Zustimmung des Parlaments noch nicht möglich. Als dort 1862 das Thema wieder auf der Tagesordnung stand und der Statutenvorschlag des Handelsministers für unzureichend befunden wurde, beklagte sich der Ministerialdirektor Otto Ludwig Krug von Nidda auch aus diesem Grund über die daraus folgende Verlängerung des Provisoriums: „denn so lange eine solche Anstalt eine provisorische ist, ist die Regierung nicht in der Lage, die Lehrer definitiv anzustellen und zweckmäßige Einrichtungen für die Dauer zu treffen.“114 Insgesamt erscheint der Streit über Etat und Etablierung der Berliner Bergakademie gleichsam als Fußnote des preußischen Verfassungskonflikts Anfang der 1860er Jahre.115 Rückblickend stellte Rudolf Virchow 1876 fest, man hätte die Angelegenheit während der „Konfliktszeit“ im Auge behalten und immer wieder „die Kriegführung angesetzt an die Bergakademie“, aber das Haus habe „von Jahr zu Jahr immer mehr nachgegeben“116, womit das Institut letztendlich als nachträglich genehmigt angesehen werden konnte. Im Jahre 1868 wurden die ersten Lehrer etatmäßig angestellt. Äußerer Anlass dafür waren die Folgen des Deutschen Krieges von 1866, der an allen drei technischen Akademien einen Entwicklungsschub herbeiführte. Mit der Annexion des Königreichs Hannover fielen auch die Bergakademie in Clausthal und das Polytechnikum in Hannover an Preußen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die Verhältnisse an den nunmehr fünf höheren technischen Schulen im Sinne einer Vereinheitlichung neu zu regeln. Schon vor dem Krieg hatte sich Nottebohm, Direktor des Gewerbeinstituts, um eine Namensänderung bemüht, da die Schule „inzwischen mit den in anderen Staaten unter dem Namen ‚Polytechnikum‘ errichteten technischen Hochschulen in Konkurrenz getreten ist.“117 Da Polytechnikum nicht angemessen sei – sein Institut umfasse nur „eine beschränkte 112 Vgl. HdA, 32. Sitzung, 9. April 1861, S. 662ff. Mehrere Abgeordnete regten an, die Akademie in den preußischen Bergbaugebieten einzurichten, um den Kontakt zur Praxis zu gewährleisten. Vereinzelt wurde auch insgesamt die Nützlichkeit einer Bergakademie bezweifelt. 113 Gustav Rose war Ordinarius an der Universität, während Ernst Beyrich und Karl Friedrich Rammelsberg 1860 als außerplanmäßige Professoren unterrichteten. 114 HdA, 38. Sitzung, 18. August 1862, S. 1269. Am vorgeschlagenen Statut kritisierten die Abgeordneten vor allem die starke Position des Handelsministers, der, wie der Abgeordnete Virchow (nationalliberal) formulierte, „in vollständig militärischer Weise über die Anstalt verfügt“. Virchow forderte dagegen, „die Lehrer in gewisser Weise unabhängig zu stellen“ (S. 1268). 115 Vgl. dazu kurz Schulze, Verfassungsstaat, S. 327ff. Andernach spricht von „einem ‚kleinen‘ Verfassungskonflikt“ (Andernach, Einfluß, S. 76). 116 HdA, 29. Sitzung, 17. März 1876, S. 742. 117 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 370f., 14. Januar 1866. 100 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Zahl der Wissenschaften und Künste“118 – schlug er analog zu Bau- und Bergakademie den Namen Gewerbeakademie vor. Das Handelministerium leitete den Antrag befürwortend an König Wilhelm I. weiter, der ihn im April 1866 genehmigte.119 An dieser Namensänderung lässt sich die Neupositionierung der ursprünglich nur mit Blick auf die preußischen Bedürfnisse gegründeten Akademie in einem über Preußen hinausreichenden Kontext ablesen. Das Hinzutreten des Hannoveraner Polytechnikums bedeutete für die Bauakademie den Verlust des Ausbildungsmonopols für staatliche Baubeamte und für die Technische Oberbaudeputation eine Einschränkung ihrer Kontrolle über diese Ausbildung. Die Studiengänge und Prüfungsvorschriften für Baubeamte wurden „in Rücksicht auf die Einrichtung an der Polytechnischen Schule in Hannover“120 geändert.121 Im Gegenzug war die Bauakademie jedoch mit Verweis auf ihre Rolle als Ausbildungsstätte allein für den Staatsdienst erfolgreich darum bemüht, eine gewisse Sonderstellung und Exklusivität zu erhalten. Sie erkannte weder die an den preußischen Polytechnika in Hannover oder seit 1870 in Aachen erbrachten Studienleistungen an, noch die der polytechnischen Schulen der übrigen deutschen Staaten.122 Auch der sonst üblichen Aufteilung des Baufachs in einen Studiengang für Architekten und einen für Bauingenieure verweigerte sich die Berliner Akademie mit Unterstützung der Oberbaudeputation.123 Eine umfassende Vereinheitlichung des technischen Bildungswesens im Reich, und damit auch das Ende des preußischen „Sonderwegs“124, konnte erst nach 1879 verwirklicht werden. Während die Bauakademie nach 1866 nur mit Mühe ihre herausgehobene Stellung erhalten konnte, setzte sich die Berliner Bergakademie ohne große Probleme gegenüber der Clausthaler durch. In einem gemeinsamen Schreiben von Handels- und Finanzminister an den König im Dezember 1867 legten beide dar, dass für die preußischen Bedürfnisse eine Bergakademie ausreiche. Zweifelsohne sei Berlin dafür der geeignetere Ort, und die Clausthaler Akademie solle „allmälig in schonender Weise […] auf ihre ursprüngliche Bestimmung einer Lehranstalt für Betriebsbeamte und Steiger zurückgeführt“125 werden. Ein erster Schritt dahin 118 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 371, 14. Januar 1866. 119 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VIII, Bl. 1–4, 8. April 1866 und ebd., Bl. 19f., 14. April 1866. Vgl. auch Nottebohm, Chronik, S. 49. 120 Damm, Hochschulen, S. 7. 121 Vgl. Damm, Hochschulen, S. 7; Wefeld, Ingenieure, S. 73; Konter, Bau-Akademie, S. 135f. Unter anderem wurde der Lehrgang für Bauführer nach Hannoveraner Vorbild von zwei auf drei Jahre ausgedehnt. Ein weiteres Studium als Voraussetzung für die Baumeisterprüfung wurde nicht mehr verlangt, dafür eine zweijährige praktische Tätigkeit. 122 Vgl. Konter, Bau-Akademie, S. 136. Die Proteste der anderen Polytechnika blieben erfolglos: „Im Interesse der zuständigen Behörden, des Lehrerkollegiums und der Studierenden sollte die Bauakademie eine hervorgehobene Ausbildungsstätte vorrangig der technischen Staatsbeamten bleiben.“ 123 Vgl. Gispen, Profession, S. 87ff. 124 Rürup, Grundzüge, S. 10. 125 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. II, Bl. 130, 12. Dezember 1867. Als Argumente für Berlin wurden im Wesentlichen die gleichen wie 1860 angeführt, nämlich sein „Reichthum an wissenschaftlichen Lehrkräften und Hülfsmitteln“ (Bl. 129). 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 101 sei der Wechsel des Clausthaler Professors für Hüttenkunde, Bruno Kerl, nach Berlin. Im gleichen Schreiben erbaten die Minister zudem für die Lehrer der Bergakademie „eine Vergünstigung, welche auch anderen bleibend beschäftigten Docenten höherer Lehranstalten“126 gewährt würde, nämlich die Festanstellung mit einem pensionsfähigen Gehalt. Neben Kerl erhielten ab Januar 1868 auch Rudolph Finkener und Hermann Wedding eine feste Stelle. Im Oktober kam mit Adolf Hörmann, ebenfalls von der Clausthaler Akademie, ein vierter etatmäßiger Lehrer hinzu.127 Hinsichtlich der Titelfrage der ordentlichen Lehrer an der Bergakademie verhielten sich die Dinge dort anfangs ähnlich wie an den beiden anderen Berliner Akademien. Im Jahre 1868 führte lediglich einer den Titel ‚Professor‘, ein Jahr später wurde er zwei weiteren „in Anerkennung der erfolgreichen Leistungen als Lehrer“128 verliehen. Auch im Statut der Bergakademie von 1875 wird lediglich von ordentlichen und außerordentlichen Lehrern gesprochen, die vom Minister ernannt werden.129 Eine Verbindung von ordentlichem Lehramt und Titel gab es auch hier nicht. Die Neuetablierung der Bergakademie schien 1860 das preußische Konzept institutionell getrennter Spezialschulen für die technischen Fächer zementiert zu haben. Allerdings war gerade die Diskussion über diese dritte technische Akademie im Preußischen Abgeordnetenhaus der Anlass, erneut die Gründung einer umfassenderen technischen Schule zu erwägen, „so daß also der allgemein wissenschaftliche Unterricht auch ein gemeinsamer wäre, wie es die Aufgabe eines Polytechnikums ist, und das demnächst der technische Unterricht für das spezielle Fach ertheilt würde, z. B. für das Baufach, für das allgemeine Gewerbefach, Bergfach und vielleicht für noch andere technische Zwecke.“130 Im August 1862 beschlossen die Abgeordneten auf Anregung der Budget-Kommission, die Regierung aufzufordern, Pläne zur baldigen „Errichtung einer großen, reichlich ausgestatteten, hinreichend unabhängigen polytechnischen Anstalt“131 vorzulegen. Die Vorbilder, die während der Diskussion mehrfach erwähnt wurden, waren die Einrichtungen in Karlsruhe und Zürich. Schon drei Wochen vor der Beratung im Abgeordnetenhaus hatte das Finanzministerium im Handelsressort um eine Stellungnahme hinsichtlich dieser Pläne gebeten. Dort war man nicht begeistert; es scheine „kein Anlaß vorzuliegen, an die Stelle ganz bewährter Einrichtungen eine solche […] zweifelhaften Nutzens zu setzen.“132 Regelmäßig sprachen in den folgenden Jahren Parlamentarier das Thema wieder an, ohne dass 126 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. II, Bl. 131, 12. Dezember 1867. 127 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. II, Bl. 147, 27. August 1868. 128 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. II, Bl. 158, 17. April 1869 und ebd., Bl. 159, 17. April 1869. 129 Vgl. Hauchecorne, Gründung, S. XLIX. 130 Abgeordneter Vincke (altliberal), HdA, 32. Sitzung, 9. April 1861, S. 666. Vgl. auch GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 4, 15. November 1860. Die Pläne waren im Ministerium zuletzt 1850 erwogen und letztlich wegen Finanzierungsschwierigkeiten fallen gelassen worden, vgl. Manegold, École polytechnique, S. 195. 131 HdA, 38. Sitzung, 18. August 1862, S. 1273. 132 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VI, Bl. 297, 6. August 1862. 102 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 jedoch ein entscheidender Fortschritt erreicht wurde. Die Abgeordneten fuhren fort, die vom Ministerium vorgelegten Etats für die einzelnen technischen Akademien zu genehmigen, auch wenn die Debatten länger wurden.133 Aber nicht nur das Parlament diskutierte die Frage eines Berliner Polytechnikums. Der Karlsruher Professor und Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Franz Grashof, veröffentlichte 1864 in der Zeitschrift des VDI eine Rede über die Prinzipien, die der Organisation einer polytechnischen Schule zugrunde liegen sollten. Der VDI war 1856 aus dem Ehemaligenverein ‚Hütte‘ des Gewerbeinstituts hervorgegangen und hatte sich schnell zur maßgeblichen und wortführenden Technikervereinigung in den deutschen Staaten entwickelt.134 Entsprechend der Standespolitik des VDI empfahl Grashof für die Polytechnika eine hochschulmäßige Verfassung – dies sei „eine Lebensfrage der polytechnischen Schulen.“135 Auch seine Forderung nach der Vereinigung der Berliner Akademien ist vor diesem Hintergrund zu sehen: Die Integration von Bau- und Gewerbeakademie sollte den Ansehensunterschied zwischen der Ausbildung für Staatsbeamte und der für Zivilingenieure beseitigen helfen.136 Grashof war, bevor er 1863 nach Karlsruhe wechselte, selbst zehn Jahre Lehrer am Gewerbeinstitut gewesen und kannte die Berliner Verhältnisse.137 Die einflussreiche Position des VDI ist daran ablesbar, dass Mitte der 1860er Jahre ausgehend von Karlsruhe eine Reorganisation der Polytechnika in den deutschen Staaten einsetzte, die sich sehr stark an Grashofs Principien orientierte.138 In Preußen konnten die Baubeamten ihre Sonderstellung jedoch noch ein gutes Jahrzehnt behaupten. Eine dritte maßgebliche Kraft, die auf die Gründung eines Polytechnikums in der preußischen Hauptstadt hinwirkte, kam aus dem Berliner Architektenverein.139 133 Für einen kompakten Überblick über die diesbezügliche Diskussion im Abgeordnetenhaus zwischen 1860 und 1879 vgl. Andernach, Einfluß, S. 74ff. 134 Vgl. Manegold, Universität, S. 61: „Den hier [im VDI] vertretenen Auffassungen kann in besonderer Weise eine weitgehend repräsentative Geltung für die gesamte Technikerschaft zugesprochen werden.“ Zur Geschichte des VDI vgl. ausführlich Ludwig, Technik. 135 Grashof, Principien, Sp. 594. 136 Vgl. Grashof, Principien, Sp. 593. Grashof spricht recht vorsichtig von dem „fälschlich mit dem Begriffe der Ueber- und Unterordnung verbundenen Gegensatze der auf der Bau-Akademie und dem Gewerbe-Institut gebildeten Techniker.“ Gispen, Profession, S. 66, attestiert dem VDI eine „strategy of professionalization through educational reforms that aimed at eliminating the invidious distinction between technical training for government positions and training for private industry.“ 137 Grashof war am Gewerbeinstitut nicht fest angestellt und arbeitete nebenbei als Direktor des Eichungsamtes. Der Wechsel nach Karlsruhe bedeutete für ihn nicht nur eine bedeutende Gehaltsverbesserung, sondern auch die Möglichkeit, „sich ausschließlich mit der Wissenschaft zu beschäftigen, ohne durch Verwaltung von Neben-Ämtern seine Zeit zu zersplittern“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 44, 6. Juli 1863). 138 Vgl. Jarausch, Universität, S. 320. Wichtig war in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der 1855 eröffneten Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, die von Anfang an eine hochschulmäßige Verfassung hatte, vgl. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 483 und Manegold, Universität, S. 55f. 139 Nach Gispen handelte es sich um „the loudest and most effective agitation for reform“ (Gispen, Profession, S. 86). Zum Verein vgl. ebd., S. 91; Bolenz, Baubeamte, S. 96f. 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 103 Dieser Verein, 1824 gegründet, stand der staatlichen Bauverwaltung sehr nahe und so einem Polytechnikum eigentlich ablehnend gegenüber. Es waren einige jüngere Mitglieder, die 1866 die „Deutsche Bauzeitung“ gründeten und sich damit ein Sprachrohr für die Reform der Baubeamtenausbildung schufen. Im Mittelpunkt stand dabei zum einen die Forderung nach einer Gleichberechtigung von Bau- und Verwaltungsbeamten, also der Abschaffung des sogenannten Juristenmonopols; zum anderen verlangten sie die Trennung der Fächer, also die Gliederung der Bauakademie in eine Abteilung für Architektur und eine für Bauingenieurwesen. Dies würde die Voraussetzung für die Vereinigung von Bau- und Gewerbeakademie schaffen und damit die Übernahme eines in den übrigen deutschen Staaten bereits bewährten Modells ermöglichen.140 Obwohl diese drei Kräfte seit Mitte der 1860er Jahre Position bezogen hatten, und obwohl 1870 mit dem Aufbau einer polytechnischen Schule in Aachen begonnen wurde, tat sich in Berlin vorerst wenig. Die Gewerbeakademie erhielt 1871 bei ihrer 50-Jahrfeier neue Statuten. Im ersten Paragraphen heißt es dort: „Die Königliche Gewerbe-Akademie ist eine technische Hochschule.“141 In einem Schreiben des Direktors der Bauakademie an den Handelsminister aus dem Jahre 1872 betonte jener nachdrücklich, dass die Bauakademie „hoch über allen anderen technischen Hochschulen stehen muß“142, und im April des gleichen Jahres rief das Handelsministerium eine Kommission zusammen, die Pläne für Erweiterungsbauten sowohl für die Gewerbe- als auch für die Bauakademie ausarbeiten sollte.143 Im Jahre 1873 begann der Bau eines Gebäudes für Bergakademie und Geologische Landesanstalt, 1874 genehmigte das Parlament die erste Rate für einen Filialbau gegenüber der Bauakademie, und 1875 bewilligte es nach langer Diskussion über einen geeigneten Bauplatz auch die Mittel für einen Neubau für die Gewerbeakademie.144 Bewegung kam in die Berliner Situation erst 1876. Entschiedener als zuvor setzte sich die Budgetkommission im Parlament für einen Kurswechsel ein.145 In 140 Gispen, Profession, S. 91ff., zeichnet die Kampagne der Deutschen Bauzeitung, die im Wesentlichen von deren Redakteur Karl Otto Emil Fritsch bestimmt wurde, detailliert nach. Die Trennung der Fächer fand auch Fürsprecher im Haus der Abgeordneten; anlässlich der Diskussion über eine Mehrausgabe für Reisestipendien für angehende Architekten kritisierte u. a. der Koblenzer Abgeordnete Peter Reichensperger (Zentrum) 1872 die „Vielwisserei“ und forderte „daß man das Ingenieurwesen vom Architekturgebiete […] trennt.“ Zum sogenannten Juristenmonopol vgl. auch Süle, Bürokratietradition, S. 83f.; Hortleder, Gesellschaftsbild, S. 76ff.; Anderson, Universities, S. 123. 141 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. X, Bl. 170, 1. November 1871. 142 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 20. Februar 1872 (ohne Paginierung). 143 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. X, Bl. 337, 21. April 1872. 144 Vgl. HdA, 21. Sitzung, 1. März 1875, S. 495ff. und HdA, 23. Sitzung, 5. März 1875, S. 531ff. Vgl. auch Andernach, Einfluß, S. 79. 145 Zuvor waren alle Etattitel, die mit den Berliner technischen Akademien zu tun hatten, auf Antrag der Nationalliberalen an die Budgetkommission verwiesen worden, „um sie insgesamt beraten zu können“ (Andernach, Einfluß, S. 79). 104 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 einem langen Vortrag erläuterte der Abgeordnete Wilhelm Wehrenpfennig146, der spätere Referent für das technische Unterrichtswesen erst im Handels- und dann im Kultusministerium, den Antrag der Kommission. Die technischen Akademien in Berlin seien zurückgeblieben und über Jahre hinweg „in kümmerlicher Gestalt weiter erhalten“147 worden. So seien beispielsweise die gut 100.000 Mark, die jährlich für die Bauakademie aufgewandt würden, „nur wenig mehr als das, was die Stadt Berlin für eine einzige Realschule ausgiebt.“ Zudem kritisierte er die Struktur der Akademie: „Das ganze System der Verbindung von Verwaltungsbeamten und Praktikern mit dem wissenschaftlichen Unterricht muß aufgegeben werden, weil es der Natur der Dinge widerspricht, weil derselbe Mensch nicht alles zugleich sein kann.“148 Sowohl die räumliche Erweiterung der Akademien als auch die innere Reform gerade der Bauakademie seien also dringend notwendig, eine Integration der beiden Institute „aus wissenschaftlichen und finanziellen Gründen“149 naheliegend. Da beide Neubauten noch nicht begonnen waren, sei eine Neuorientierung auch in dieser Hinsicht kein Problem. Wehrenpfennig beendete seine mit Bravorufen beantworteten Ausführungen mit dem Wunsch, dass Preußen das bekommen solle, „was alle deutschen Staaten haben: anstatt zersplitterter Anstalten eine einzige der Einheit der Wissenschaft entsprechende technische Hochschule.“150 Es ist auffällig, dass die Bergakademie bei diesen Überlegungen keine Rolle spielte. Zu erklären ist dies damit, dass sie seit 1873 mit der Preußischen Geologischen Landesanstalt verbunden war, deren Neubau schon weit vorangeschritten war. In seiner Antwort auf Wehrenpfennigs Vortrag warnte Handelsminister Achenbach zwar vor „einem wahren Rieseninstitut“151, betonte jedoch mehrfach, dass er der Entscheidung des Parlaments folgen würde, und dass er ein Votum für das Polytechnikum nicht als Eingeständnis früherer Fehlentscheidungen verstehen wolle, da schließlich „sehr oft das Beste der Feind des Guten“152 sei. Wenn er dies auch nicht explizit formulierte, stellte sich der Handelminister damit recht offen hinter den Antrag der Budgetkommission, obwohl dieser sich letztlich gegen den von seinem Ministerium vorgelegten Etatentwurf wandte. Deutlich wird dies auch daran, dass Achenbach bereits eine Woche vor dem Parlamentsbeschluss eine Kommission mit der Ausarbeitung eines Lehrplans und den daraus folgenden An- 146 Wilhelm Wehrenpfennig (1829–1900) studierte an den Universitäten Jena und Berlin. Er war Abgeordneter der Nationalliberalen und trat 1877 als Geheimer Regierungsrat in das Handelsministerium ein und war dort für das technische, gewerbliche und kunstgewerbliche Unterrichtswesen verantwortlich. 1879 wurde sein Dezernat ins Kultusministerium übernommen. Vgl. Kultusminister, S. 80; DBA II 1375, 352f. 147 HdA, 29. Sitzung, 17. März 1876, S. 735. 148 Beide Zitate: ebd., S. 734. 149 Ebd., S. 735. 150 Ebd., S. 736. 151 Ebd., S. 738. 152 Ebd., S. 739. 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 105 forderungen für ein Hochschulgebäude beauftragt hatte.153 Da Ministerium und Parlament nun an einem Strang zogen, konnte auch der Widerstand der Technischen Oberbaudeputation das Polytechnikum nicht mehr verhindern.154 Neben den Berichterstattern Wehrenpfennig und Hammacher sprachen sich auch die nationalliberalen Abgeordneten Eduard Lasker und Rudolf Virchow für die Annahme des Antrags aus; ablehnende Stimmen wurden nicht laut und die Anträge der Kommission angenommen.155 Die Regierung wurde darin nicht nur zum Bau eines Polytechnikums aufgefordert, sondern sollte zwischenzeitlich auch die Bauakademie „den Zwecken und Zielen einer Hochschule gemäß“156 entwickeln. Letztlich verdankt die Bauakademie damit ihre Verfassung vom November 1875, die nach dem Vorbild der Statuten der Gewerbeakademie gestaltet wurde, ebenfalls dem Haus der Abgeordneten. Die wesentlichen Neuerungen waren die Trennung der Fächer Architektur und Bauingenieurwesen sowie die Einführung einer kollegialischen Organisation, die dem Lehrerkollegium zusammen mit dem aus seinen Reihen zu wählenden Senat und Direktor die Leitung der Akademie übertrug. Dies bedeutete eine weitere Stärkung der Unabhängigkeit der Akademie, nachdem schon 1873 die enge Verbindung zur Technischen Oberbaudeputation gelöst worden war, und mit Richard Lucae erstmals ein Direktor aus dem Kreis der ordentlichen Lehrer bestimmt wurde.157 Nachdem 1876 die Gründung eines Polytechnikums in Berlin beschlossen worden war, stand das Thema ein Jahr später wieder auf der Tagesordnung. Der schon erwähnte Abgeordnete Wehrenpfennig stellte den Antrag, nicht auf die Fertigstellung des Neubaus zu warten, sondern beide Akademien schon jetzt zu vereinigen. Auch dieser Antrag war erfolgreich.158 Nach seiner Berufung ins Handelsministerium war es schließlich Wehrenpfennig selbst, der das vorläufige Verfassungsstatut der Technischen Hochschule ausarbeitete.159 Dass die Gründung 153 Vgl. HdA, 20. Sitzung, 14. Februar 1877, S. 531. Vgl. dagegen die Einschätzung bei Andernach, Einfluß, S. 79: „Mit der Idee eines den Universitäten vergleichbaren und entsprechend teuren technischen Riesen-Instituts konnte er [i. e. Achenbach] sich durchaus noch nicht befreunden.“ 154 Vgl. Gispen, Profession, S. 98: „Backed by the legislature and supported by the Staatsministerium, in the next few years he [i. e. Achenbach] forced the technische Hochschule down the throats of the stalwarts of the corps of engineers and architects.“ Vgl. auch Konter, BauAkademie, S. 139. 155 Andernach betont „das etattechnische und etatrechtliche Novum, daß das Abgeordnetenhaus die Zweckbestimmung der zweiten Rate für den Neubau der Gewerbe-Akademie umänderte“ (Andernach, Einfluß, S. 80). 156 HdA, 29. Sitzung, 17. März 1876, S. 745. 157 Vgl. Dobbert, Chronik, S. 65. Vgl. auch Konter, Bau-Akademie, S. 138f.; Gispen, Profession, S. 97. 158 Vgl. HdA, 20. Sitzung, 14. Februar 1877, S. 528ff. Am 10. Dezember 1877 diskutierte das Parlament anlässlich der zweiten Rate für den Bau des Polytechnikum noch einmal über das Thema. Kritisiert wurde die Wahl des Bauplatzes, da dieser zu weit vom Zentrum Berlins entfernt sei. Allerdings stimmte nur eine Minderheit für eine erneute Erörterung der Frage in der Budgetkommission (vgl. HdA, 32. Sitzung, 10. Dezember 1877, S. 842ff.). 159 Vgl. Konter, Bau-Akademie, S. 140. 106 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 erst 1879 zustande kam, lag nicht zuletzt an Widerständen innerhalb der beiden Akademien. Zwei Beispiele mögen die schwierige Zusammenarbeit illustrieren: 1876 forderte das Handelsministerium die Direktoren von Gewerbe- und Bauakademie, Reuleaux und Lucae, auf, gemeinsam einen Lehrer für Baukonstruktion vorzuschlagen. Während Reuleaux um Aufschiebung der Angelegenheit bat und in seinem Schreiben nie von Bauakademie, sondern stets von „einer anderen Eurer Excellenz unterstehenden Anstalt“160 sprach, musste Lucae nach vier Monaten daran erinnert werden, mit Reuleaux „baldigst in Verbindung zu treten.“161 Ein gemeinsamer Vorschlag findet sich in den Akten nicht. Lucae empfahl die Berufung Emil Oskar Winklers vom Wiener Polytechnikum, der ab 1877 an der Bauakademie Brückenbau und mathematische Baukonstruktion unterrichtete. Reuleaux hingegen stimmte für den Baurat Carl Schwatlo beim Kaiserlichen General-Postamt, der ebenfalls berufen wurde und ebenfalls ab 1877 Baukonstruktionslehre las, allerdings an beiden Akademien.162 Ein Jahr später waren Reuleaux und Lucae aufgefordert, sich zur beabsichtigten Verleihung des Geheimratstitels an Hermann Wiebe und Siegfried Aronhold zu äußern, die jeweils an beiden Akademien eine ordentliche Lehrstelle innehatten. Auch hier konnten sich die Direktoren nicht einigen. Während Reuleaux einverstanden war, wollte Lucae der Auszeichnung Aronholds nur zustimmen, wenn auch die Lehrer an der Bauakademie Friedrich Adler und Hermann Spielberg diese Auszeichnung bekämen: Es sei eine „Ehrensache“ für die Akademie, „zwei ihrer bewährtesten Lehrer in dem vorliegenden Falle nicht zurückgesetzt zu sehen“ – unproblematisch wäre es, wenn nur Wiebe den Titel bekäme, da „derselbe wenn nicht der älteste, so doch jedenfalls einer der ältesten Lehrer an beiden Anstalten ist.“163 Aronhold hingegen, dies mag den Ausschlag für Lucaes Ablehnung gegeben haben, lehrte zwar seit 1864 an der Gewerbeakademie, erst seit 1874 aber an der Bauakademie. Offenbar um eine Konfrontation zu vermeiden, wurde schließlich nur Wiebe geehrt, allerdings musste dieser dem Ministerium nach Erhalt des Patents mitteilen, dass sein Vorname nicht Heinrich, sondern Hermann laute.164 Es erscheint vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass 1877 auch hinsichtlich der Vereinigung der beiden Akademien zwischen Lucae und Reuleaux keine Einigung erzielt werden konnte. Konkreter Anlass des Scheiterns war 160 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIV, Bl. 46, 4. März 1876. 161 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIV, Bl. 55, 25. März 1876. Die Erinnerung findet sich in GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. V, 12. Juli 1876 (ohne Paginierung). 162 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. VI, Bl. 1–7, 11. August 1876, und GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. VI, Bl. 17, 2. Oktober 1876. 163 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XV, Bl. 35, 19. September 1877 (Hervorhebung im Original). 164 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XV, Bl. 48, 20. Dezember 1877. Der Entwurf für das Patent auf den Namen „Heinrich Wiebe“ findet sich ebd., Bl. 42, 10. Dezember 1877. Wiebe hatte seit 1860 eine feste Stelle an der Bauakademie, an der Gewerbeakademie seit 1851. Adler war seit 1866 an der Bauakademie etatmäßig angestellt, Spielberg seit 1868. 2.2 Ein „wahres Rieseninstitut“, 1850 bis 1879 107 die Frage des Wahlrektorats: Lucae wollte es sofort einführen; Reuleaux lehnte dies ab, da er eine Führungsrolle der zahlenmäßig größeren Bauakademie verhindern wollte.165 Die Berliner Hochschule war von Anfang an als größte ihrer Art konzipiert: 2.000 Studierende sollten von 50 ordentlichen und 15 außerordentlichen Professoren in 79 Lehrgegenständen unterrichtet werden. Zudem wurde mit 25 Privatdozenten und 35 bis 50 Assistenten gerechnet.166 Der Neubau sollte monumental sein – der Abgeordnete Roeckerath äußerte, er hätte „gewünscht, daß das Gebäude noch mehr den Charakter eines monumentalen Gebäudes erhalten hätte, als das im Plan vorgesehen ist.“167 Zudem stellte der Abgeordnete Loewe fest, „wir bedürfen in diesem Lehrerkollegium eines starken, wenn Sie mir den Ausdruck erlauben wollen ‚Korpsgeistes‘ in demselben, damit die Lehrer mit Stolz auf ihre Stellung blicken und mit dem Gefühl der eigenen Würde bei ihrer Thätigkeit beseelt sind.“168 Während das 1884 fertiggestellte Hauptgebäude der Hochschule in der Tat monumentaler ausfiel, als in den Plänen von Lucae vorgesehen, war die Ausstattung mit Lehrstühlen bescheidener: Insgesamt 31 etatmäßige Professoren unterrichteten in diesem Jahr. Überblickt man die Gründungsgeschichte der Technischen Hochschule, so wird schnell deutlich, dass die entscheidende Kraft letztlich das Parlament war. Schon Handelsminister Achenbach meinte 1877: „wenn irgendeine zukünftige Schöpfung des Staats so recht Eigenthum dieses Hauses wäre, so würde es das Polytechnikum sein.“169 Die Selbstwahrnehmung freilich war eine andere. Anlässlich der 100-Jahrfeier 1899 betonte der damalige Rektor Alois Riedler: „Von Anbeginn stand unsere Hochschule unter dem glorreichen Stern, unter dem mächtigen Schutze des Hohenzollernhauses.“170 Die Vereinigung der einzelnen technischen Akademien, dem „unvergänglichen Markstein in unserer Entwickelung“, erläuterte Riedler weiter, sei der „glorreichen Regierung“171 Kaiser Wilhelms I. zu danken. Die besondere Förderung der Technischen Hochschulen, welche sie zweifelsohne durch Wilhelm II. erfuhren, wurde hier zurückprojiziert und machte die bürgerlich-liberalen Wurzeln der Hochschule vergessen. Zwar erwähnt auch Dobbert in seiner Chronik von 1899 das Parlament, jedoch nicht als entscheidende, sondern lediglich als beratende Instanz: „Im Frühjahr 1877 regte das Abgeordne165 Vgl. Konter, Bau-Akademie, S. 140. 166 Vgl. HdA, 32. Sitzung, 10. Dezember 1877, S. 843, und HdA, 20. Sitzung, 14. Februar 1877, S. 531. 167 Abgeordneter Roeckerath (Zentrum), HdA, 32. Sitzung, 10. Dezember 1877, S. 843. 168 Abgeordneter Loewe (Fortschrittspartei), HdA, 20. Sitzung, 14. Februar 1877, S. 538. 169 HdA, 32. Sitzung, 10. Dezember 1877, S. 845. Vgl. auch Rürup, Grundzüge, S. 11. Andernach, Einfluß, S. 80, resümiert: „Nach alledem muß man zu dem Schluß gelangen, daß die Haltung des Abgeordnetenhauses bei dieser Entwicklung entscheidendes Gewicht hatte.“ Ganz anders stellte Wilhelm II. in seiner Rede bei der 100-Jahrfeier der Hochschule mit Blick auf seinen Großvater Wilhelm I. fest, dass die Hochschule als „Seine eigenste Schöpfung zu betrachten“ sei (Meyer, Hundertjahrfeier, S. 56). 170 Meyer, Hundertjahrfeier, S. 49. 171 Ebd., S. 51. 108 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 tenhaus den Gedanken an“172, dass schon vor der Fertigstellung des gemeinsamen Gebäudes die beiden Akademien vereinigt werden sollten. Und noch in dem 1987 zur 750-Jahrfeier der Stadt Berlin herausgegebenen Bänden „Wissenschaften in Berlin“ ist nachzulesen: „Doch erst mit der tatkräftigen Unterstützung Kaiser Wilhelms I. entstand 1879 durch Zusammenlegung von Gewerbeinstitut und Bauakademie die Technische Hochschule in Berlin.“173 Das im Handelsministerium ausgearbeitete vorläufige Verfassungsstatut der neuen Hochschule trat im März 1879 in Kraft, und ab dem 1. April dieses Jahres ging das technische Unterrichtswesen in den Zuständigkeitsbereich des Kultusministers über, während die Bergakademie weiter dem Handelsministerium unterstand. Neben der Vorbereitung auf die technischen Berufe für Staat und Wirtschaft erhielt die Hochschule den Auftrag, die Wissenschaften und Künste zu pflegen. Das 1882 erlassene definitive Verfassungsstatut wies nur wenige Änderungen auf. Zweifelsohne traf Eduard Dobberts Bemerkung zu: „Die Bestimmung des neuen Statuts, wonach die etatmäßigen Professoren von Seiner Majestät dem König ernannt werden, gereichte der Hochschule zu freudiger Genugthuung.“174 2.3 DES KAISERS TREUE TECHNIKER, 1879 BIS 1918 2.3 DES KAISERS TREUE TECHNIKER. DIE TECHNISCHE HOCHSCHULE IM KAISERREICH In seinem 1922 erschienenen Buch „Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878–1918“ widmete der ehemalige Kaiser Wilhelm II. auch der Wissenschaft und Kunst ein kurzes Kapitel. Dort heißt es: „Besondere Freude hat mir die Förderung der Technischen Hochschulen bereitet. […] und die Leistung der dort tätigen Lehrer wie der aus jenen hervorgehenden jungen Ingenieure brachten dem deutschen Namen in der Welt immer neue Ehre.“175 Auch im Abschnitt über die Flotte findet „das vorzügliche technische Können der deutschen Ingenieure“176 Erwähnung. Unter den Professoren der Charlottenburger Hochschule war es insbesondere der Professor für Elektrotechnik Adolf Slaby der dem Kaiser nahe stand und ihn in technischen Fragen beriet.177 Es entging den 172 Dobbert, Chronik, S. 102. 173 Buddensieg et al., Wissenschaften, Bd. 1, S. 151. 174 Dobbert, Chronik, S. 102. Das Verfassungsstatut von 1882 ist gedruckt bei Damm, Hochschulen, S. 55–73. 175 Wilhelm II., Gestalten, S. 163. 176 Ebd., S. 198. 177 Vgl. Wilhelm II., Gestalten, S. 163: „Slaby ist mir viel gewesen.“ Per Telegramm war 1913 der Kultusminister August von Trott zu Solz aufgefordert worden, den Kaiser und König Wilhelm II. bei der Beerdigung Slabys zu vertreten und „in Allerhöchstihrem Namen eine Kranzspende am Sarge niederzulegen“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XI, Bl. 155, 7. April 1913). Vgl. auch Manegold, Forschung, S. 297, der Slaby zum Kreis der engsten Vertrauten Wilhelms zählt und von diesem „im Gegensatz zu vielen von dessen Fachkollegen, für einen der bedeutendsten deutschen Techniker“ gehalten wurde. Allerdings ist Slabys (abgelehnter) Ruf nach Karlsruhe auf den Lehrstuhl, den zuerst Redtenbacher und 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 109 Professoren auch nicht, dass Wilhelm II. die Technische Hochschule öfter besuchte als die Friedrich-Wilhelms-Universität. Auch hier waren es gerade die Experimentalvorlesungen Slabys, die den Kaiser interessierten.178 Anlässlich eines derartigen Vortrags verteilte Wilhelm II. 1896 sehr freigebig Orden und Auszeichnungen: Slaby erhielt den Kronenorden II. Klasse, sein erster Assistent den RotenAdler-Orden IV. Klasse, der zweite Assistent den Professorentitel, zwei weitere Assistenten den Kronenorden IV. Klasse. Dem Mechaniker wurde das Allgemeine Ehrenzeichen verliehen, dem Hauszimmermann die Kronenorden-Medaille und der Laboratoriumsdiener Brohme erhielt ein Geldgeschenk von 60 Mark.179 Kaiserliche Anerkennung erfuhren die Techniker jedoch auch in größerem Maßstab: Mit der Berufung jeweils eines Professors der Aachener, Hannoveraner und Berliner Hochschule ins Preußische Herrenhaus 1898 oder mit der Verleihung des Promotionsrechts ein Jahr später. Beides habe er, so schrieb Wilhelm II., „gegen den klassisch-wissenschaftlichen Gelehrtenstolz“180 durchgesetzt – also gegen den Willen der Universitätsprofessoren. Das Kaiserreich wird gemeinhin als die Zeit angesehen, in der die deutsche Wissenschaft „Weltgeltung“ besaß.181 Auch für die Charlottenburger Hochschule sind die Jahrzehnte um die Jahrhundertwende zu den Blütezeiten zu zählen. Im Jahre 1872 hatte der liberale Abgeordnete Karsten noch bemängelt, dass der Etat der Bauakademie trotz steigender Studierendenzahl über Jahre hinweg unverän- 178 179 180 181 dann Grashof innegehabt hatte, als Indiz für eine hohe Anerkennung – zumindest Anfang der 1890er Jahre – auch in der Fachwelt zu werten (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. II, Bl. 231f., 20. Januar 1892). Weniger kritisch hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten ist Manegold im Lebensbild des Ingenieurs (Manegold, Slaby, bes. S. 309). Nach König wurde Slaby seit Mitte der 1890er Jahren immer stärker zum Wissenschaftsmanager, so dass seine Verdienste „nicht in der Wissenschaft und auch nur eingeschränkt in der Technik, sondern mehr in der Wissenschafts- und Technikpolitik“ lagen (König, Wilhelm II., S. 177). Zum Verhältnis Slabys zu Wilhelm II. vgl. ebd., S. 171ff.: Der Ingenieur brachte „alles mit, was der Kaiser an Personen seiner nächsten Umgebung schätzte: die ‚rechte‘ nationale Gesinnung, ein gewisses Maß an fachlicher Autorität, eine zur Schau getragene schmeichlerische Ergebenheit sowie die Fähigkeit, den Monarchen und seine Familie zu unterhalten“ (S. 174). Ausführlich schildert König auch Wilhelms Unterstützung bei Slabys funktechnischen Versuchen (vgl. S. 52ff.). Vgl. Manegold, Forschung, S. 297 und Dobbert, Chronik, S. 134. Vgl. auch König, Wilhelm II., S. 115: „Seit Mitte der 1890er Jahre war Wilhelm als Kaiser regelmäßig Gast an der Hochschule. […] An der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität wurde der Kaiser dagegen viel seltener gesichtet. Die wissenschaftliche Öffentlichkeit nahm von diesen Präferenzunterschieden aufmerksam Notiz.“ Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. V, Bl. 319, 11. Februar 1896 und Bl. 321f., 12. Februar 1896. Die jeweils im Anhang des Vorlesungsverzeichnisses veröffentlichte Chronik der TH verzeichnet weitere kaiserliche Besuche der Vorlesungen Slabys in den Jahren 1897, 1898, 1899 und 1903. Vgl. auch GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 22, Bd. I, passim. Wilhelm II., Gestalten, S. 164. Wilhelm II. wählte diese Formulierung im Zusammenhang mit der Berufung der Techniker ins Herrenhaus. Nach König, Wilhelm II., S. 119, lag dieser Behauptung „vermutlich eine Verwechslung mit dem Promotionsrecht zugrunde.“ Jarausch, Universität, S. 313. Vgl. auch Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 568ff. 110 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 dert niedrig geblieben sei.182 Mittlerweile investierte der Staat mehr in die technische Bildung: Lässt man die außerordentlichen Ausgaben – hauptsächlich Baumittel – außer Acht, so lag der Anteil für das technische Unterrichtswesen an den gesamten Wissenschaftsausgaben des Kultusministeriums 1879 bei gut zehn Prozent, stieg seit 1890 recht kontinuierlich an, um ab 1902 stets über 20 Prozent zu liegen, mit einem Spitzenwert von 25 Prozent im Jahre 1913.183 Verglichen mit den Wissenschaftsausgaben im Reichsdurchschnitt scheint Preußen also auch im Bereich der technischen Bildung etwas sparsamer gewesen zu sein.184 Trotz der sowohl absolut als auch relativ steigenden Mittel, konnte der Staat den Finanzbedarf der Hochschule nicht decken. Gerade für die Finanzierung der neuen Laboratorien, die besonders seit der zweiten Hälfte der 1890er Jahre eingerichtet wurden, war man in Charlottenburg gezwungen, andere Geldquellen zu erschließen. Das elektrotechnische Laboratorium beispielsweise, schon 1884 eröffnet, wurde hauptsächlich von Siemens & Halske, der AEG und anderen Berliner Elektrotechnikfirmen finanziert.185 Zwei Jahrzehnte später, als sich die Abteilung für Maschinenbau um ein Laboratorium für Verbrennungsmaschinen und Dampfturbinen bemühte, teilte das Abteilungskollegium dem Kultusminister mit, Professor Riedler habe erklärt, „alle erforderlichen Versuchsmaschinen der Hochschule kostenfrei zur Verfügung zu stellen und als Geschenk zu überlassen.“186 Der Finanzbedarf verringere sich damit um ein Drittel. Die laufenden Kosten des Laborato182 Vgl. HdA, 17. Sitzung, 13. Januar 1872, S. 353ff. 183 Berechnet nach den Angaben bei Pfetsch, Datenhandbuch, S. 404ff. Kritisch zur Qualität der von Pfetsch gesammelten Daten äußert sich Ullman, Ponderare, S. 160, Anm. 3. In der Tat erscheinen diese für eine Analyse, die über allgemeine Entwicklungstrends hinausgeht, ungeeignet. Speziell zum Etat der TH Berlin vgl. Hofmann, Probleme, bes. S. 156f. 184 Vgl. Pfetsch, Wissenschaftspolitik, S. 60: „Zwischen 1850 und 1880 dürfte der Anteil [der auf die Technischen Hochschulen entfiel] durchschnittlich zwischen acht und zehn Prozent liegen. In den 80er Jahren erhöht er sich um [sic] fast das Doppelte auf 18–20%, zwischen 1905 und 1914 erreicht er etwa 25% der gesamten Hochschulausgaben.“ Berücksichtigt man für Preußen allerdings auch die Ausgaben für den Bau der Charlottenburger Hochschule, so lag der Anteil in Preußen zwischen 1879 und 1884 mit Werten zwischen 25 und 38 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Zur Problematik von Budgetvergleich und Etatanalyse vgl. Ullmann, Ponderare, S. 162ff. Vgl. auch Rasch, Thesen, S. 241: „Unter den großen Flächenstaaten des Deutschen Reiches bildete Preußen mit seinen Wissenschaftsausgaben ohnehin fast immer das Schlußlicht.“ Vgl. auch Berghahn, Kaiserreich, S. 87. 185 Vgl. Laitko, Wissenschaft, S. 285. Guagnini, Technik, S. 510, stellt generell fest: „Die Laboratorien für die nach 1890 aufkommende Elektrotechnik verdankten ihre Entstehung ausschließlich privaten Stiftungen.“ König, Wilhelm II., S. 53f., weist darauf hin, dass Slaby, Vorsteher des elektrotechnischen Labors, anfangs stärker mit Siemens & Halske kooperierte, diese Zusammenarbeit aber nach Patentstreitigkeiten 1899 abbrach und sich der AEG zuwandte. 186 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. X, Nr. 29, Bd. I, Bl. 6, 26. Juni 1903. Riedler befand sich zur gleichen Zeit in Berufungsverhandlungen mit der österreichischen Unterrichtsverwaltung, da ihm ein Lehrstuhl in Wien angeboten worden war. Dass Wilhelm II. ausdrücklich seinen Verbleib in Berlin wünschte, mag Riedlers Position in der Verhandlung über das neue Laboratorium weiter gestärkt haben (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VII, Bl. 299, 26. Juli 1903 und ebd., Bd. VIII, Bl. 19–21, 19. Dezember 1903). Ebenso urteilt König, Wilhelm II., S. 179. 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 111 riums wurden später zu einem großen Teil mit den Einnahmen aus den Gebühren für Fahrzeug- und Führerscheinprüfungen gedeckt – zwischen 1910 und 1913 rund 60.000 Mark jährlich. Dementsprechend heftig bekämpfte Riedler Versuche des Dampfkesselüberwachungsvereins, diese Prüfungen zu übernehmen und in Berlin eine Fahrschule einzurichten.187 Die nach dem Ersten Weltkrieg im Laboratorium begonnenen Versuche „als Vorbereitung für die betriebsbrauchbare Gestaltung“188 neuer Maschinen wurden von der Industrie finanziert, so dass 1921 lediglich zwei Prozent der Jahresausgaben aus dem Etat des Kultusministeriums gedeckt werden mussten.189 Sowohl die Nähe zur Wirtschaft als auch die Nähe zum Staat ermöglichten es der Hochschule also, Finanzquellen zu erschließen. Wie bereits dargelegt, erlebte das Berliner technische Hochschulwesen während des Kaiserreichs sein größtes Wachstum: Aus 36 Lehrstühlen 1879, davon fünf an der Bergakademie, wurden bis 1918 insgesamt 70; die Zahl der Studierenden stieg im gleichen Zeitraum von 1.394, davon 110 an der Bergakademie, auf 3.593, wobei der Spitzenwert mit 5.071 Studierenden 1901 erreicht worden war. Die innere Entwicklung des Hochschulwesens lässt sich dabei im Wesentlichen als Differenzierung charakterisieren.190 Die Verdopplung der Anzahl der Lehrstühle legt dies schon nahe. Allerdings wurde eine zunehmende Zahl an neuen Fächern von Nichtordinarien unterrichtet. Gerade ab Mitte der 1880er Jahre stieg die Zahl der Lehrkräfte unterhalb der Ebene der etatmäßigen Professoren schnell an, eine Entwicklung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg noch verstärkte. Die erwähnte Einrichtung von Versuchs- und Forschungslaboratorien gerade im Maschineningenieurwesen hatte Anfang der 1890er Jahre zu Auseinandersetzungen in den Technischen Hochschulen im Reich geführt. Zwei Protagonisten dieses sogenannten Methodenstreits der Technikwissenschaften, Franz Reuleaux und Alois Riedler, waren beide Lehrstuhlinhaber in Charlottenburg. Sie bildeten gleichsam Antipoden und dementsprechend heftig verlief der Streit in Berlin.191 Reuleaux war 1865 aus Zürich als Professor für Maschinenbaukunde und Kinematik an das Gewerbeinstitut berufen worden, der 20 Jahre jüngere Riedler kam 187 Vgl. u. a. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. X, Nr. 29, Bd. I, Bl. 300–302, 30. Juni 1910; ebd., Bd. II, Bl. 95–98, 7. Dezember 1911, ebd., Bl. 256, ohne Datum. Das Kultusministerium setzte schließlich einen Kompromiss durch: Die Prüflinge würden jeweils zur Hälfte der TH und dem Dampfkesselüberwachungsverein zugewiesen, und sobald die jährlichen Einnahmen des Laboratoriums 80.000 Mark erreicht hätten, sollten dort keine weiteren Prüfungen abgenommen werden (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. X, Nr. 29, Bd. II, Bl. 205, 31. Mai 1913). 188 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. X, Nr. 29, Bd. II, Bl. 359, 26. April 1919. 189 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. X, Nr. 29, Bd. III, Bl. 80, 7. Juli 1921. Die Nutzung und das Angewiesensein auf außerstaatliche Finanzquellen war keine Ausnahme. Berghahn, Kaiserreich, S. 89, stellt fest, „daß der Staatshaushalt mitunter nur 20% der von den Technischen Hochschulen verbrauchten Mittel bereitstellte und der Betrieb daher ohne Forschungsaufträge und Spenden nicht aufrechtzuerhalten gewesen wäre.“ 190 Nach Jarausch, Universität, S. 322, verlief die Differenzierung in den technischen Fächern schneller als an den Universitäten. 191 Vgl. König, Paradigmenwechsel, S. 296: „Reuleaux [trat] für eine möglichst weit getriebene Theoretisierung [ein] und Riedler für eine weitgehende Praxisorientierung.“ 112 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 1888 als Professor für Maschinenbau von der Aachener Hochschule nach Berlin.192 In einem Lebenslauf von 1896 erklärte Riedler, es sei ihm in verschiedenen Bereichen des Maschinenwesens gelungen, „auf Grund wissenschaftlicher Versuche erhebliche technische Fortschritte zu erzielen.“193 Reuleauxs Ansatz war ein gänzlich anderer: „Es handelt sich darum, die Maschinenwissenschaft der Deduktion zu gewinnen. Es handelt sich darum, deren Lehrgebäude so zu gestalten, daß es sich auf wenige, ihm eigentümlichen Grundwahrheiten erhebt. Auf deren Ernst und Einfachheit muß der ganze Gestaltreichtum zurückführbar sein, aus ihnen muß er umgekehrt entwickelbar sein.“194 In diesem theoretischen Konzept war kein Platz für praktisches Experimentieren in einem Maschinenbaulaboratorium. Die Einrichtung eines solchen Labors, die Riedler in Berlin forderte, stellte für Reuleaux einen Rückfall in die Zeit des bloßen Ausprobierens dar, also einen Rückfall des Maschinenbaus in ein vorwissenschaftliches Stadium.195 Riedler andererseits hatte 1893 anlässlich der Weltausstellung in Chicago Maschinenbaulaboratorien in den USA besucht und sah in der stark praxisorientierten Ausbildung den Grund für die Qualität der ausgestellten amerikanischen Produkte.196 Oft als Theorie-Praxis-Streit charakterisiert, waren die Auseinandersetzungen Anfang der 1890er Jahre eher die Suche nach einem Kompromiss. In einem größeren zeitlichen Rahmen betrachtet, stellten sie mit der methodischen Emanzipation gewissermaßen den vorläufigen Endpunkt der Verwissenschaftlichung der technischen Fächer dar. Das Ergebnis war eine „theoriegeleitete empirische Forschung“197, in der Mathematik und Naturwissenschaften nunmehr stärker den Rang von Hilfswissenschaften einnahmen.198 Hier lässt sich auch ein gewachsenes Selbstbewusstsein der jungen Technischen Hochschulen gegenüber den älteren Universitäten erkennen. Sicher blieben diese weiterhin Vorbild – gerade hinsicht- 192 Zu Reuleaux vgl. Braun, Reuleaux und zu Riedler vgl. Manegold, Riedler. Zum Methodenstreit vgl. kurz König, Paradigmenwechsel. Weniger heftig verlief der Streit in München und Dresden, vgl. Dienel, Münchner Weg, bes. S. 108ff.; Mauersberger, Maschinenwesen, bes. S. 45ff. 193 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. III, Bl. 381, 24. April 1896. 194 Zit. bei Schneider, Reuleaux, S. 175. 195 Vgl. Schneider, Reuleaux, S. 177. 196 Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 328. Manegold, VDI, S. 146, betont, dass die „amerikanischen Anregungen“ auf „begonnene Entwicklungen“ trafen, also eher als Katalysator denn als Auslöser anzusehen sind. Manegold bezieht sich auf chemische Laboratorien und Versuchslaboratorien u. a. zur Materialprüfung, die jedoch selten zu Ausbildungszwecken genutzt wurden. Vgl. auch Guagnini, Technik, S. 505. 197 Lundgreen, Ausbildung, S. 21. 198 Manegold, Forschung, S. 292, charakterisiert die Entwicklung der technischen Forschung als Suche nach dem richtigen Weg „zwischen der Scylla der bloßen Erfahrung und der Charybdis reiner Theorie.“ Vgl. auch Dienel, Münchner Weg, S. 96f. Dienel differenziert zwischen der Antimathematikerbewegung und der Laboratoriumsbewegung, stellt jedoch fest, dass beide eng verbunden waren, und dass in beiden Riedler als Wortführer anzusehen ist. 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 113 lich des sozialen Prestiges – aber wissenschaftlich-methodisch gingen jene nun zumindest teilweise eigene Wege.199 Die Einrichtung des Berliner Maschinenbaulaboratoriums nahm Reuleaux zum Anlass, seine Pensionierung zu erbitten, und erst 1923 beantragte die Hochschule eine Neubesetzung des kinematischen Lehrstuhls.200 Riedler konnte seinen Einfluss in der Maschinenbauabteilung langfristig ausbauen, und da diese im Gesamtgefüge der Hochschule an Gewicht gewann, kann Riedler um die Jahrhundertwende mit Recht als einer der mächtigsten Charlottenburger Professoren angesehen werden.201 Im Jahre 1896 wurde nicht nur das Maschinenbaulaboratorium eingerichtet, sondern auch vier neue etatmäßige Professuren. Das Schreiben mit den Berufungsvorschlägen der Abteilung illustriert die neuen Machtverhältnisse. Gesprochen wird dort von einer „vollständigen Neugestaltung des maschinentechnischen Unterrichts“ und der Notwendigkeit, „nur junge Kräfte von größter Leistungsfähigkeit, welche ihr Fach wissenschaftlich und praktisch vollständig beherrschen und längere Zeit in leitender, verantwortlicher praktischer Thätigkeit sich bewährt haben“202 nach Charlottenburg zu holen. Drei der Berufenen kamen direkt aus der Praxis: Johannes Stumpf war Ingenieur bei Fraser & Chalmer in Chicago, Otto Kammerer bei der Hamburger Eisenwerke AG, Emil Josse arbeitete bei der AEG in Berlin und war bereits Privatdozent an der Hochschule. Ernst Reichel schließlich war Ordinarius in Darmstadt, hatte aber bis 1893 als technischer Direktor bei der Eisenwerke AG in Hamburg gewirkt. Entsprechend Riedlers Prioritäten wurde der praktischen Erfahrung größeres Gewicht eingeräumt als dem wissenschaftlichen Werdegang – Josse beispielsweise war 1894 für seine Habilitation vom „Nachweis einer bestandenen Prüfung“203 dispensiert worden und vermerkte zwei Jahre später in seinem Lebenslauf: „Für die Veröffentlichung grösserer Arbeiten fehlte es mir bisher an Zeit.“204 Wie sehr Riedler die Berufungsverfahren steuerte, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass mit Stumpf, Reichel und Josse drei seiner Schü- 199 Vgl. König, Paradigmenwechsel, S. 199: „Die Technischen Hochschulen und die Hochschullehrer orientierten sich einerseits an der rechtlichen und sozialen Stellung der Universitäten, andererseits theoretisch und methodologisch an den Standards der etablierten Universitätswissenschaften, im Falle von Franz Grashof besonders an der Mathematik und von Franz Reuleaux besonders an der Philosophie.“ 200 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. V, Bl. 328, 9. April 1896 und ebd., Bd. XIII, 20. Juli 1923 (ohne Paginierung): „Eine Zeit lang war die Bedeutung der Kinematik durch die eigenartige Entwicklung des Maschinenbaus in den Hintergrund gedrängt worden.“ 201 König, Wilhelm II., S. 179, schreibt zusammenfassend: „Fachlich genoss Riedler in den Technikwissenschaften, in der preußischen Kultusbürokratie sowie beim Kaiser hohes Ansehen.“ 202 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. V, Bl. 349, 23. April 1896. 203 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. V, Bl. 168, 26. Januar 1894, Dispens ebd., Bl. 169, 9. Februar 1894. Die Habilitationsordnung sah den Nachweis einer bestandenen Staats- oder Diplomprüfung vor. 204 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. V, Bl. 353, 25. März 1896. 114 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 ler Lehrstühle erhielten.205 Rückblickend charakterisierte der Professor für Elektromaschinenbau, Max Kloß, diese Jahre als eine Zeit, in der „Herr Riedler an der Hochschule als Diktator herrschte“; unter Kollegen habe man im Hinblick auf die Maschinenbauabteilung vom „Zirkus Riedler“206 gesprochen. Die Einrichtung der Maschinenbaulaboratorien war nicht zuletzt eine Voraussetzung für Promotionen in den technischen Fächern, da hier eine technische Forschung konkret möglich wurde.207 Die Gewährung des Promotionsrechtes war das zentrale Ereignis in der Entwicklung der Technischen Hochschulen während des Kaiserreiches. Auch in diesem Prozess spielten die Charlottenburger Professoren von Anfang an maßgebliche Rollen. Bereits Grashof hatte 1864 in seinen Principien „Techniker-Diplome“ gefordert, die „gar bald im Publicum eine wenigstens nicht mindere Achtung sich erwerben und in nicht geringerem Grade dem Inhaber eine gewisse gesellschaftliche Stellung sichern werden, wie z. B. die von Universitäten ausgestellten Doktordiplome.“208 Die erste Konferenz der deutschen Technischen Hochschulen 1880 in Berlin erneuerte diese Forderung. Während man die Laboratoriumsbewegung als eine innovative und emanzipatorische Kraft verstehen kann, die nach einer den technischen Wissenschaften angemessenen Methodik in Abgrenzung zu den etablierten Naturwissenschaften strebte, ging das als Technikerbewegung bezeichnete Streben nach dem Doktortitel in eine andere Richtung.209 Entscheidend waren nicht innere, sondern äußere Gründe. Sehr deutlich sprach dies Riedler 1898 in seinem vielbeachteten Buch „Unsere Hochschulen und die Anforderungen des zwanzigsten Jahrhunderts“ aus: „Bei praktischen Ingenieuren wird der Doktortitel allerdings wenig Anklang finden; er hat aber sozialen Werth.“210 Die massive Kritik der Universitäten setzte nicht zuletzt an diesem Punkt an: Ein technisches Promotionsrecht entwerte den Doktortitel und wäre zudem eine Beeinträchtigung universitärer Rechte. Da die angewandte Wissenschaft der Technischen Hochschulen – oder „Fachschulen“211, wie der Rektor der Berliner Friedrich-Wilhelms-Uni205 Alle drei waren zeitweise Assistent bei Riedler gewesen. Kammerer studierte 1888–1889 an der Berliner TH und damit vermutlich auch bei Riedler. Predeek, Berlin, S. 33, spricht dementsprechend von der „durch Riedler und seine Schule“ eingeleiteten neuen und modernen Entwicklung des Maschinenbauwesens. 206 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. 1, Bl. 66, 19. Februar 1919. 207 Vgl. Manegold, Forschung, S. 294. 208 Grashof, Principien, Sp. 609f. 209 Detailliert erörtert werden die Auseinandersetzungen u. a. bei Manegold, Forschung, bes. S. 294–300; Manegold, Universität, S. 249–305 sowie bei Albrecht, Braunschweig, S. 294– 298 und 333–350. Insgesamt zur Entwicklung akademischer Grade vgl. Boehm, Grade, zum technischen Promotionsrecht ebd. S. 32ff., speziell zum 19. Jahrhundert vgl. Hammerstein, Interesse. 210 Riedler, Hochschulen, S. 82. Nach König war vor 1900 neben den „requirements of the public service“ die zweite treibende Kraft in der Entwicklung der technischen Hochschulen „striving for social prestige“ (König, Heterogeneity, S. 65). 211 Zit. bei Manegold, Universität, S. 254. Vgl. auch Albrecht, Braunschweig, S. 344. Sachse, Althoff, S. 305, hält zum Streit um das Promotionsrecht fest: „Die deutschen Universitäten hatten aber einmütig Einspruch erhoben.“ 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 115 versität Wilhelm Waldeyer sie bezeichnete – die reine Wissenschaft der Universität voraussetze, sei jene dieser nachgeordnet und hätte somit keinen Anspruch auf den gleichen akademischen – und damit auch sozialen – Status.212 Besonders seit Anfang der 1890er Jahre hatten die Universitäten mit ansehen müssen, wie ihre Privilegien an Exklusivität verloren: Ein kaiserlicher Erlass von 1891 erlaubte dem Rektor der Berliner Technischen Hochschule, bei festlichen Anlässen wie seine Kollegen von den Universitäten eine goldene Amtskette zu tragen.213 Ein Jahr später regelte ein weiterer Erlass die Rangverhältnisse neu und orientierte sich dabei ebenfalls am universitären Vorbild: Der Charlottenburger Rektor bekam den Rang eines Rates der zweiten Klasse, die etatmäßigen Professoren den vierter Klasse. Im Staatsministerium hatte es gegen den letzten Punkt Widerstände gegeben, da die betreffenden Lehrer „zum großen Theil keine Universitätsstudien“214 absolviert hätten, aber Kultusminister Gustav von Goßler konnte sich durchsetzen. Wiederum ein Jahr später erhielten die Mitglieder der Abteilungskollegien Amtstracht und Barett.215 Mit den bereits erwähnten Berufungen von Vertretern ins Preußische Herrenhaus zogen die Technischen Hochschulen 1898 auf einem weiteren Gebiet mit den Universitäten gleich.216 Aus uni212 Vgl. Szöllösi-Janze, Science, S. 346: „Abstract knowledge was more prestigious than practical skill.“ Nach Szöllösi-Janze waren die Universitäten um 1900 „the socially recognized site of knowledge production“ (ebd.). Hammerstein, Interesse, S. 183, hält fest, dass die Promotion im 19. Jahrhundert „zu einer Art prestigiöser sozialer Auszeichnung“ wurde. Vgl. auch Rasche, Geschichte, S. 320. 213 Wilhelm II. nahm maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der Amtskette, deren Medaille ein Doppelporträt Wilhelms I. und Wilhelms II. ziert. 1897 erhielten auch die Rektoren der Aachener und der Hannoveraner Hochschule eine Amtskette (vgl. König, Wilhelm II., S. 116). 214 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 1, Bd. 1, 28. Februar 1892 (ohne Paginierung). Ursprünglich war im Kultusministerium diese Rangangleichung schon 1884 angestrebt worden, denn „durch die mangelnde Rangstellung wird der Austausch mit auswärtigen Lehrern dieser Kategorie, sowie mit den Professoren der Universitäten sehr erschwert“, wie Goßler seinen Kabinettskollegen mitteilte (ebd., 4. Oktober 1884). Der Antrag wurde jedoch zurückgezogen, da ihm die übrigen Minister die Unterstützung versagten. Auch 1892 verhielt sich u. a. der Finanzminister ablehnend, da „die Feststellung der Rangverhältnisse vielfache ungerechtfertigte gesteigerte Ansprüche auf Erhöhung der Besoldung hervorrufen“ könnten (ebd., 13. Februar 1892). Den Rektoren der THs in Aachen und Hannover wurde lediglich der Rang eines Rates der dritten Klasse zugebilligt (ebd., 20. April 1892). 215 Vgl. Manegold, Universität, S. 82. Laitko, Wissenschaft, S. 284, bemerkt dazu: „Die Statuserhöhung erfolgte in kleinen, manchmal nur symbolischen Schritten.“ Es ist jedoch davon auszugehen, dass sowohl auf Seiten der Technischen Hochschulen als auch auf Seiten der Universitäten diese Symbolik sehr ernst genommen wurde. König, Wilhelm II., S. 116, spricht von „damals ganz und gar nicht unwichtigen“ Äußerlichkeiten. Vgl. auch Sachse, Althoff, S. 304. Für die übrigen Technischen Hochschulen in Preußen wurde eine Amtstracht erst 1910 eingeführt (vgl. König, Wilhelm II., S. 117). 216 König, Wilhelm II., S. 117ff., betont, dass de jure keine Gleichberechtigung bestand, da die Technischen Hochschulen kein gesetzlich fixiertes Präsentationsrecht erhielten, ihre Vertreter vielmehr „kraft allerhöchsten Vertrauens“ berufen wurden (zit. S. 117). Dies resultierte in einer de facto Gleichstellung – „Ja, die persönlichen Ernennungen durch den König konnten sogar als besonderer Gnadenbeweis interpretiert werden“ (S. 119). 116 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 versitärer Perspektive war das technische Promotionsrecht somit ein weiteres Glied in einer Kette von Niederlagen. Zwar wurde in der Auseinandersetzung immer wieder das Ideal der reinen Wissenschaft bemüht, allerdings lagen die Gründe für den Widerstand wohl eher in der Befürchtung, dass die Ausweitung von Privilegien auf die Technischen Hochschulen eine Bedeutungsminderung der eigenen Position nach sich ziehe. Nicht zuletzt standen die beiden Hochschultypen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften nun direkter in Konkurrenz um Studierende, Lehrende und letztlich auch um finanzielle Mittel.217 Angesichts dieser Entwicklung war der Allerhöchste Erlass vom 12. Februar 1894 sicher kaum mehr als ein Trostpflaster. Wilhelm II. gestattete „denjenigen Universitätslehrern, welche das Prädikat ‚Professor‘ besitzen […], sich, so lange sie in ihrer Stellung zu der Universität verbleiben, als ‚Universitäts-Professor‘ zu bezeichnen.“218 Im Auftrag des Ministerialdirektors im Kultusministerium Friedrich Althoff hatten die vier Charlottenburger Professoren Guido Hauck, Heinrich Müller-Breslau, Alois Riedler und Adolf Slaby einen Entwurf für eine Promotionsordnung erarbeitet, der zusammen mit einem Antrag auf Gewährung des Promotionsrechts im Januar 1899 der preußischen Regierung überreicht wurde. Zwar gelang es den Universitäten, Kultusminister Robert Bosse auf ihre Seite zu ziehen. Allerdings unterstützte zum einen Althoff das Anliegen der Techniker, und zum anderen konnte Riedler bei einem gemeinsamen Frühstück mit dem Kaiser und anderen geladenen Gästen für das Promotionsrecht werben. Auch Slaby nutzte vermutlich seinen direkten Draht zu Wilhelm II., und so fällte dieser die Entscheidung selbst und im Sinne der Technischen Hochschulen.219 Auf der glanzvollen Centenarfeier der Charlottenburger Hochschule verlas der neue Kultusminister Konrad von Studt den entsprechenden Erlass. Gleichzeitig erhielt der Rektor den Titel Magnifizenz.220 Wilhelm II. nahm an der Feier teil, gekleidet in der Uniform des Ingenieurkorps. In einer kurzen Ansprache proklamierte er gleichsam die Gleichstellung der Technischen Hochschulen, die sich „ebenbürtig den obersten Bildungs217 Nach McClelland waren die Universitätsprofessoren „motivated by a fear of status loss and a stubborn conservatism“ (McClelland, University, S. 307) Szöllösi-Janze spricht von der „immobility and rigidity of the universities“ (Szöllösi-Janze, Science, S. 344). Der Anteil der naturwissenschaftlichen Hochschullehrer, die ihr Fach an einer TH unterrichteten, lag zwischen 1900 und 1931 bei rund einem Viertel (berechnet nach den Angaben bei Ringer, Sociography, S. 254f.). 218 GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. I, Bl. 142, 12. Februar 1894. 219 Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 345f. Treue bezeichnet die Entscheidung als „Hochschul-, Bildungs- und Gesellschaftspolitik in höchster Potenz“ (Treue, Geleit, S. 25). Vgl. auch König, Wilhelm II., S. 121ff. Insgesamt urteilt König vorsichtiger und sieht Wilhelms II. Verdienst zu Recht darin, dass „er mächtigen Zeitströmungen zum Durchbruch verhalf und ohnehin stattfindende Entwicklungen beschleunigte“ (S. 136). Der Rücktritt von Kultusminister Bosse kurz nach der Entscheidung stand nach Manegold, Forschung, S. 298, nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage des technischen Promotionsrechts. Vgl. auch Andernach, Einfluß, S. 157, die Regelung des Promotionsrechts „ging im wesentlichen ohne Einflußnahme des Abgeordnetenhauses vor sich.“ 220 Vgl. Meyer, Hundertjahrfeier, S. 46f. Die Rektoren der Technischen Hochschulen in Aachen und Hannover erhielten diesen Titel 1903 (vgl. König, Wilhelm II., S. 117). 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 117 stätten des Landes, unseren Universitäten, an die Seite gestellt“221 hätten. Einige Schwierigkeiten hatte auch die Entscheidung bereitet, wie der zu verleihende Titel genau lauten sollte: Die Vorschläge reichten von Doktor rerum technicarum, Doktoringenieur, Duktor, Tector, Meister der Technik bis hin zu Technosoph. Althoff beendete die Diskussion schließlich zu Gunsten des Doktoringenieurs, wohl nach dem italienischen Vorbild des ‚dottore ingegnere‘. Abgekürzt war der neue Titel als Dr.-Ing. zu schreiben, in Fraktur und mit Bindestrich, um seinen nichthumanistischen Ursprung zu betonen. Dementsprechend wurde der Ehrendoktortitel nicht mit h. c. gekennzeichnet, sondern mit ehrenh., ebenfalls in Fraktur. Trotz dieser Feinheiten war der Titel jedoch nahe genug an den traditionellen universitären Doktortiteln, um den Studierenden und Lehrenden der Technischen Hochschulen auf diesem Gebiet das Gefühl zu nehmen, zweitklassig zu sein.222 Abgesehen von Bayern – dort wurde der Titel ‚Dr. rer. techn.‘ eingeführt – schlossen sich die deutschen Staaten der preußischen Regelung an. Tröstlich mag für die Universitäten gewesen sein, dass die Allgemeinen Abteilungen, die ihnen gleichsam am nächsten standen, das Promotionsrecht nicht erhielten. Gewisse Statusunterschiede blieben also weiterhin bestehen, da somit die Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge in diesen Fächern verneint wurde. Zudem konnten die Universitäten das Monopol der Lehrerausbildung erfolgreich verteidigen. Im Chronikteil des Programms der Charlottenburger Hochschule berichtete der Prorektor jeweils über die Ereignisse des vergangenen Jahres. Im Studienjahr 1900/01 widmete sich Riedler nicht nur ausführlich der Hundertjahrfeier, sondern beschrieb auch die Feier zum Beginn des neuen Jahrhunderts am 9. Januar 1900, anlässlich derer das erste Mal die Würde eines Doktoringenieurs ehrenhalber verliehen wurde, nämlich an den Prinzen Heinrich von Preußen, den Bruder Wilhelms II.223 Schon einen Monat zuvor hatten die drei Rektoren der preußischen Technischen Hochschulen Wilhelm II. bei einem Empfang persönlich ihren Dank für die Verleihung des Promotionsrechts ausgesprochen. Die Erwiderung Wilhelms zeigt, dass es nicht allein die oft erwähnte Technikbegeisterung des Kaisers war, die ihn in der Entscheidung über die Promotionsfrage beeinflusste. Vielmehr sprach er die Erwartung aus, dass die Hochschulen nicht lediglich technische Fragen zu lösen hätten, sondern auch soziale: 221 Meyer, Hundertjahrfeier, S. 56. 222 Vgl. Manegold, Universität, S. 298f.; Treue, Verhältnis, S. 234f.; Boehm, Grade, S. 33f. Gleiches galt für die Titel Dipl.-Ing. und Dipl.-Ing. ehrenh. Laut Sachse, Althoff, S. 305, wies der Göttinger Mathematiker Felix Klein Althoff „auf den italienischen Titel dottore ingegnere“ hin. Die Abkürzung in deutscher Schrift versteht Sachse als Zugeständnis an die Universitäten. König, Wilhelm II., S. 122, weist darauf hin, dass das Kultusministerium die Zustimmung verschiedener Ingenieurprofessoren – u. a. Riedler und Slaby – zum Titel Doktoringenieur einholte. 223 Zu Heinrich von Preußen vgl. in diesem Zusammenhang kurz König, Wilhelm II., S. 81 und 205f. 118 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 „Die Sozialdemokratie betrachte ich als eine vorübergehende Erscheinung; sie wird sich austoben. Sie müssen aber ihren Schülern die sozialen Pflichten gegen die Arbeiter klar machen und die grossen allgemeinen Aufgaben nicht ausser Acht lassen.“224 Das Promotionsrecht stärkte die Position der Technischen Hochschulen nicht nur gegenüber den Universitäten, sondern hob sie auch über die übrigen technischen Lehranstalten hinaus: Den Bergakademien, den Forst- und Landwirtschaftsakademien war dieses Recht nicht verliehen worden. Erfolglos bemühte sich der Direktor der Berliner Bergakademie und Mitglied der Freikonservativen Partei, Karl Adolf Schmeißer, im Abgeordnetenhaus darum, dies zu ändern.225 Auch in anderer Hinsicht bekam die verglichen mit der Hochschule recht kleine Akademie die Konkurrenz zu spüren. Schmeißer schrieb im Dezember 1905 an Handelsminister Clemens von Delbrück, wies darauf hin, dass sein Institut seit 1770 das Eisenhüttenwesen unterrichte, und beklagte sich darüber, dass „man es an der Technischen Hochschule zu Charlottenburg überhaupt für zulässig hielt, dieses Lehrgebiet sich anzugliedern“ – dies sei „ein unnötiger und unerfreulicher Wettbewerb.“226 Allgemein wurde anerkannt, dass der Ausbau des Fachgebietes aus Kostengründen nur an einer der beiden Berliner Anstalten erfolgen konnte. Diskutiert wurde dabei nicht nur der Anschluss der Bergakademie an die Technische Hochschule. Vielmehr nahm Schmeißer Kontakt mit der Abteilung für Chemie und Hüttenkunde auf und erklärte dem Handelsminister, dass der gerade berufene Professor Walther Mathesius „gern bereit sei, mit dem Hüttenwesen an die Bergakademie überzusiedeln.“227 Auch der Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller verwendete sich beim Kultusminister für die Bergakademie. Ein großer Teil der in diesem Verein vertretenen Ingenieure hatte selbst einmal die Akademie besucht, und daher sei es eine „selbstverständliche Dankespflicht […] für diese älteste Technische Hochschule Preußens einzutreten und sie in ihrem Besitzstande zu schützen.“228 Im Abgeordnetenhaus war es hauptsächlich der nationalliberale Abgeordnete Heinrich Macco, der sich für die Bergakademie einsetzte.229 Ähnlich wie Anfang der 1870er Jahre bei Bau- und Gewerbeakademie, waren Anfang des 20. Jahrhunderts auch an der Bergakademie die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichend – Handelsminister Delbrück sprach 1907 von einem „unwürdigen Zustand.“230 Über die Art und Weise, wie Abhilfe geschaffen werden sollte, herrschte jedoch Uneinigkeit, und die Diskussion über die Zukunft des bergtechnischen Unterrichtes in Berlin zog sich in die Länge. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass sich drei Ministerien – Handel, Kultus und Finanzen – einigen mussten. Zudem stand gleichzeitig der Ausbau des Lehrgebietes an anderen Standorten auf der Tagesordnung, so dass zeitweilig erwogen wurde, „im Hinblick auf die schwerköstige Einrich224 225 226 227 228 229 Vorlesungsverzeichnis, 1900/01, S. 126. Vgl. Andernach, Einfluß, S. 158. Vgl. auch Bruch, Bergakademie, S. 272. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 25, 14. Dezember 1905. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 26, 14. Dezember 1905. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 3, 23. Juni 1904. Vgl. Andernach, Einfluß, S. 162f.; HdA, 36. Sitzung, 5. März 1906, Sp. 2586f.; HdA, 20. Sitzung, 26. Februar 1907, Sp. 1390f.; HdA, 25. Sitzung, 5. Februar 1908, Sp. 1728f. 230 HdA, 20. Sitzung, 26. Februar 1907, Sp. 1398. 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 119 tung der Institute in Aachen und Breslau von dem weiteren Ausbau der Einrichtungen für den Unterricht im Eisenhüttenwesen in Berlin“231 ganz abzusehen. Durchsetzen konnte sich schließlich das Finanzministerium. Schon 1907 hatte es einen Neubau für die Bergakademie als zu teuer abgelehnt, und drei Jahre später plädierte es vehement für die Vereinigung der beiden Hochschulen, da dies „voraussichtlich wesentliche Ersparnisse zur Folge haben“232 werde. Das Kultusministerium erklärte sich einverstanden, im Februar des folgenden Jahres auch das Handelsministerium.233 Die Bergakademie sollte als selbständige Abteilung für Bergbau der Technischen Hochschule angegliedert werden. Die eigentliche Vereinigung kam jedoch erst 1916 zustande, da auch in Charlottenburg zuerst ein Erweiterungsbau errichtet werden musste. Den finanziellen Aufwand dafür nahm das Kultusministerium 1914 noch einmal zum Anlass zu betonen, dass die Eingliederung der Bergakademie „nicht einer Anregung der Unterrichtsverwaltung“ entspreche. Nachdrücklich wies es das Finanzministerium darauf hin, dass es unter den Charlottenburger Professoren „geradezu als eine Zurücksetzung empfunden“ würde, „wenn im Extraordinarium für 1915 keines der schon seit langer Zeit bestehenden Raumbedürfnisse der Technischen Hochschule berücksichtigt würde.“234 Die neue Abteilung hatte 1916 insgesamt 115 Studierende und übernahm neun der zehn etatmäßigen Professuren von der Bergakademie, wobei ein Lehrstuhl als ‚künftig wegfallend‘ bezeichnet wurde. Wie die Universitätsprofessoren waren auch ihre Kollegen an den Technischen Hochschulen mehrheitlich konservativ und kaisertreu.235 Eine Ausnahme war an dieser Stelle Heinrich Herkner. Er unterstützte im Winter 1897 öffentlich den Hamburger Hafenarbeiterstreik und schrieb 1924 rückblickend: „Oft, wenn sich im Reiche Vorgänge vollzogen, die mich tief verletzten, wie z. B. die berüchtigte Rede des Kaisers vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven bei der Besichtigung der nach China abgehenden Truppen, faßte ich den Entschluß, die deutsche Staatsangehörigkeit aufzugeben, aber diese Entschlüsse kamen niemals zur Ausführung.“236 Mitunter kam die professorale Kaisertreue sehr konkret zum Ausdruck. Die Architekturabteilung berief sich explizit auf Wilhelm II., als sie 1905 einen Berufungs231 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 39, 26. Juni 1907. 232 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 64, 25. Juni 1910. 233 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 92, 25. Februar 1911. Vgl. auch Andernach, Einfluß, S. 163. 234 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 204f., 17. Mai 1914 235 Vgl. Bruch, Professoren, S. 18, der von einem „staatskonformen Mehrheitskonsens“ bzw. einem „mehrheitsfähigen liberal-konservativen und zudem protestantisch dominierten Konsens“ spricht. Hammerstein charakterisiert die Professorenschaft als „staatsfromm, national, kaisertreu und obrigkeitshörig“ (Hammerstein, Antisemitismus, S. 52). Vgl. auch Laitko, Wissenschaft, S. 13: „Der typische Ordinarius des wilhelminischen Berlin war aus eigenem Antrieb kaisertreu.“ 236 Herkner, Lebenslauf, S. 104. Zum Hafenarbeiterstreik vgl. ebd., S. 97f. Herkner war nach eigenem Bekunden auch bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs skeptisch: „Ich hatte vor der englischen Macht viel zu großen Respekt, um unter diesen Umständen noch auf einen Sieg Deutschlands hoffen zu können.“ Allerdings hatte auch er im Oktober 1914 die „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“ unterzeichnet (vgl. Erklärung, S. 4). 120 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 vorschlag des Ministeriums beantwortete: „mit Rücksicht auf die bekannte Ansicht Seiner Majestät des Kaisers über die modernen Architektur-Bestrebungen, die sich mit den Anschauungen der Abteilung deckt“237, müsse sie den Kandidaten ablehnen. Die Abteilung war derart konservativ, dass in der Volks-Zeitung im September 1911 von „Versteinerung“ die Rede war und der Wunsch ausgesprochen wurde, dass die Hochschule auch „mit ihrer Architekturabteilung endlich den Anschluß an die neue Zeit gewinnt, und daß nie mehr an ihr ein Architekt lehren möge, der es fertig bringen konnte, ein Bauwerk von der künstlerischen Verfehltheit des Berliner Doms zu schaffen!“238 Änderung brachte hier erst die Weimarer Republik. Mit der Aufhebung der Epochenbindung der Lehrstühle Anfang der zwanziger Jahre und ihrer Umwandlung „in freie Entwurfskollegs“239 wurde der Weg für eine Reform der Architektenausbildung frei. Nicht zuletzt die Berufung Hans Poelzigs im Oktober 1923, die das Kultusministerium schon 1916 angestrebt hatte, damals jedoch am Widerstand der Abteilung und des Finanzministeriums gescheitert war, führte zu einer verhaltenen Modernisierung der Abteilung.240 Innovativer hatte sich die Hochschule auf dem Gebiet des Städtebaus gezeigt. Der Architekt Felix Genzmer gründete zusammen mit dem Bauingenieur Joseph Brix 1906 das Seminar für Städtebau. Diese abteilungsübergreifende Kooperation sollte künstlerische und technische Aspekte des Städtebaus verknüpfen: „Gerade hier ist das Zusammenarbeiten des Architekten und des Ingenieurs sowohl lehrend als auch ausübend ersprießlich“241, formulierten Genzmer und Brix in ihrer ersten gemeinsamen Veröffentlichung. 237 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. IX, 14. Juli 1905 (ohne Paginierung). Zu Wilhelms Ansichten in Kunst und Architektur vgl. kurz König, Wilhelm II., S. 137ff. 238 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. X, Bl. 109, 1. September 1911. Die Berufung des Dombaumeisters Julius Raschdorff kann der Abteilung allerdings nicht angelastet werden, da er 1878 oktroyiert wurde. Den Unwillen darüber machte der Direktor der Bauakademie Hermann Wiebe in einem Schreiben an den Handelsminister sehr deutlich: „Da der angeführte hohe Erlaß sich nicht darüber ausspricht, welche der vacanten etatmäßigen Stellen dem p. Raschdorff verliehen worden ist, und da bei der Berufung des p. Raschdorff auch von Ausführung der Bestimmung des § 3 in der Verfassung des Lehrkörpers der Königlichen Bau-Akademie vom 10. November 1875 Abstand genommen worden ist, wonach über die Berufung neuer Lehrkräfte für vacante Lehrstühle die betreffende Fach-Abtheilung gutachtlich zu berathen haben soll, so ist es mir zweifelhaft, in welcher der vacanten etatsmäßigen Stellen der Fach-Abtheilung für Architektur, nämlich: Geschichte der Baukunst […] Mittelalterliche Baukunst […] Projectieren umfangreicher Gebäude und farbiger Innenräume […] der p. Raschdorff aufgeführt werden soll“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. VII, Bl. 184f., 6. September 1878). 239 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 5. März 1921 (ohne Paginierung). 240 Poelzig war gleichsam die ideale Wahl für die konservativen Verhältnisse in Charlottenburg. Zweifelsohne war er ein moderner Architekt, allerdings können seine Bauten treffend charakterisiert werden als „Bauwerke, deren Modernität von drastischen Reminiszenzen an historische Stile beeinträchtigt wurde“ (Bartetzko, Moderne, S. 26). 241 Zit. bei Frick, Entwicklung, S. 216. Schabe, Genzmer, S. 19, bescheinigt dem Seminar „bahnbrechende Bedeutung“ und hält fest, dass es sich „sich außerordentlich hoher Teilnehmerzahlen“ erfreute. 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 121 An der Kaisertreue der Professoren änderte auch der Beginn des Ersten Weltkriegs nichts; die Kriegsbegeisterung machte 1914 keinen Bogen um die Charlottenburger Hochschule. Drei Viertel der Lehrstuhlinhaber an Bergakademie und Technischer Hochschule unterzeichneten die von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf formulierte „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“ vom 16. Oktober 1914, die mit der Feststellung endet: „Unser Glaube ist, daß für die ganze Kultur Europas das Heil an dem Siege hängt, den der deutsche ‚Militarismus‘ erkämpfen wird, die Manneszucht, die Treue, der Opfermut des einträchtigen freien Volkes.“242 Ebenso wie die übrige akademische Welt im Reich gaben sich die Techniker siegesgewiss und waren zudem von dem Bewusstsein erfüllt, dass gerade Industrie und Technik in diesem Krieg von entscheidender Bedeutung seien.243 Otto Kammerer, seit 1896 Professor für Maschinenbau, beschäftigte sich in einem kurzen Beitrag in der „Internationalen Monatsschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik“ mit diesem Thema. Er ging dabei weniger auf die Waffentechnik ein; vielmehr stellte er zum einen fest: „Eisenbahnen sind die Grundbedingungen für einen Krieg mit Millionenheeren.“244 Zum anderen: „Der ungeheure Munitionsbedarf der jetzigen Feuerwaffen könnte ohne Kraftwagen nicht gedeckt werden; auch die Verpflegung der Millionenheere wäre ohne dieses Mittel unmöglich.“245 Kammerer betont also jene Bereiche, die zu den zentralen Lehrgebieten der Hochschule zählten. Noch deutlicher tritt das Selbstverständnis als Garant eines deutschen Sieges darin hervor, dass er bemerkt, es käme nicht allein darauf an, die „technischen Kriegsmittel“ zu besitzen, sondern vielmehr, sie auch zu beherrschen. Die Voraussetzung dafür sei, „in jahrzehntelanger Friedensarbeit technische Wissenschaften gepflegt und technisches Verständnis in weiten Schichten“246 der Bevölkerung geweckt zu haben. Ein Vergleich der Zahl der Analphabeten unter den Soldaten der einzelnen Länder führt Kammerer schließlich zu der Schlussfolgerung: „Es ist also ein Krieg gegen die Unwissenheit und Unbildung, den Deutschland zu führen hat.“247 Stärkeres Augenmerk auf die Rolle der Industrie legte sein Kollege, der Schiffbauingenieur Oswald Flamm. Er plante ein Buch mit dem Titel „Die Deutsche Großindustrie im Kriege“ und suchte im Kriegsministerium um Erlaubnis nach, Photos und Beschreibungen zu sammeln, „die nicht der Erinne242 Vgl. Erklärung, S. 5f. Otto Krigar-Menzel, Eugen Meyer, Robert Pschorr und Max Zimmermann, die auch an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität unterrichteten, sind dort aufgeführt. Carl Dolezalek steht unter den Lehrern der TH Hannover, an der er bis 1907 gelehrt hatte. 243 Zur Position der Akademiker während des Ersten Weltkrieges vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 590ff., bes. S. 601; Winkler, Weg, S. 337ff. Einen kompakten Überblick zu Professoren und Studenten im Ersten Weltkrieg gibt Maurer, Professors. Böhme beschränkt sich bei seiner Zusammenstellung „Aufrufe und Reden deutscher Professoren im Ersten Weltkrieg“ auf Universitätsprofessoren (Böhme, Aufrufe). 244 Kammerer, Technik, Sp. 457. 245 Ebd., Sp. 459. 246 Ebd., Sp. 471. 247 Ebd., Sp. 471. 122 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 rung, sondern dem augenblicklichen, kraftvoll pulsierendem Leben entnommen sind.“248 Das Ministerium informierte Flamm jedoch, dass es seiner Bitte „im Interesse der Landesverteidigung“249 nicht nachkommen könne. Ein gutes Jahr später erregte der gleiche Flamm den Unwillen der Kaiserlichen Gesandtschaft in Bern. Er hatte in einem Zeitungsartikel erläutert, dass der uneingeschränkte U-Boot-Krieg umso wirksamer sei, „je weniger Mannschaften von den Besatzungen der versenkten neutralen Schiffe gerettet werden, am besten wäre es, wenn die vernichteten Schiffe mit allen Lebenden an Bord spurlos verschwinden würden.“ Wenn so die „durch den ‚Terror‘ des U-Boot-Krieges […] gewünschte Wirkung rascher eintritt“250, käme auch der Krieg schneller zu einem Ende. Dieser Beitrag fand ein Echo in der Schweizer Presse. Resümierend wurde dort festgestellt: „Ein glänzendes Beispiel deutschen Spezialistentums: Solche Leute und solche Reden bringen Deutschland um den Rest seines guten Rufes.“251 Der Lehrbetrieb an der Hochschule unterlag während der Kriegsjahre starken Einschränkungen. Mehrere Professoren meldeten sich „zu freiwilligen Dienstleistungen während der Kriegszeit“252 und konnten ihr Lehramt in der Regel nicht parallel dazu versehen. Seit dem Studienjahr 1916/17 waren jeweils rund 20 Prozent der etatmäßigen Professoren und rund 40 Prozent aller Dozenten im Militärdienst oder in der Militärverwaltung tätig. Von den Studierenden waren in den 248 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. IV, 9. Januar 1916 (ohne Paginierung). 249 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. IV, 28. Januar 1916 (ohne Paginierung). Einige Monate später beklagte sich Ecksteins Biographischer Verlag beim Kultusministerium. Man habe sich bemüht, Flamm als Herausgeber für ein Werk über die deutsche Industrie im Kriege zu gewinnen und nachdem dies gescheitert sei, betreibe Flamm das Projekt nun selbst (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. IV, 18. November 1916 (ohne Paginierung)). 250 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. IV, 28. Juni 1917 (ohne Paginierung) und ebd., 27. Juli 1917. Der Artikel erschien im Juni 1917 in der „Woche“ unter dem Titel „Deutschlands geistige und wirtschaftliche Weltstellung. Deutschlands Schiffbau eine Grundlage unserer Weltstellung“. 251 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. IV, 28. Juni 1917 (ohne Paginierung). Der Ausschnitt stammt aus „Die Freie Zeitung“ vom 23. Juni 1917. 252 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XI, 31. August 1914 (ohne Paginierung). Die Formulierung stammt aus dem Schreiben des Maschinenbauers Emil Heyn, der sich beim Reichsmarineamt gemeldet hatte. Weitere Beispiele sind u. a. sein Kollege Paul Krainer, der ein halbes Jahr später beim Kultusminister um die Erlaubnis bat, sich zur „freiwilligen, unentgeltlichen Dienstleistung bei der Kaiserlichen Marine“ melden zu dürfen (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. IV, 19. Februar 1915 (ohne Paginierung, Hervorhebung im Original)) oder der Chemiker Hermann Reisenegger, der seit November 1916 in der Kriegsrohstoffabteilung arbeitete und bereits nach einer Woche seine Beurlaubung an der TH beantragte (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. IX, 20. November 1916 und ebd., 28. November 1916 (ohne Paginierung)). 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 123 Kriegsjahren jeweils 70 bis 80 Prozent beurlaubt.253 Charlottenburg unterschied sich in dieser Hinsicht also nicht signifikant von anderen Hochschulen und Universitäten des Reiches.254 Auch nach dem Kriegsende 1918 blieb das Selbstverständnis der technischen Professoren unerschüttert.255 Nicht zuletzt, da die Niederlage nicht als eine militärische empfunden wurde, konnte man Selbstzweifel von sich weisen. Auch dem abgedankten Kaiser blieb man dankbar und treu; in der Festrede zum 125jährigen Bestehen der Hochschule bemerkte Moritz Weber, Professor für Mechanik: „In Dankbarkeit gedenken wir des Kaisers, der heute nicht unter uns weilt.“256 Exkurs: Die Hundertjahrfeier von 1899 Die viertägige Centenarfeier der Charlottenburger Hochschule begann am Abend des 18. Oktobers 1899 im Königlichen Operntheater mit der Aufführung eines Festspiels. Der Chronist der Feierlichkeiten, Alfred Meyer, berichtet dazu: „Sehr glücklich aber trat in ihm eine leichte humoristische Färbung hinzu.“257 Das Stück begleitet den Festausschuss der Hochschule – einige Studenten, zwei Professoren und einen Regierungsbauführer – auf ihrem Weg zum Olymp, wo sie „die rechte Weihe für die Jubelfeier“258 einholen wollen. Unterwegs begegnen sie Prometheus, der an einem Plan schmiedet, nach dem Feuer nun auch „das vielgepriesene Glück, die Weisheit und die Wissenschaft der Götter von den geheimen Kräften der Natur“ zu stehlen. Der Ausschuss überzeugt ihn, dass er dieses Ziel leichter durch ein Studium an der Technischen Hochschule erreichen könne – hätten die „Heroen der Elektrotechnik“ doch gar „des Blitzes wilde Kraft“ gebändigt. Die kleine Gruppe wandert weiter, muss aber kurz vor ihrem Ziel feststellen, dass der Weg zu den Höhen des Olymps auf dem letzten Stück nicht mehr ohne weiteres zu passieren ist. „Er ist erbaut und darum in der Hand von einer hochansehnlichen Gemeinde, zu der der Mensch mit Dank und Ehrfurcht aufblickt, weil sie auf dem von ihr gebahnten Wege ihm allzeit unermeßlich reichen Segen vom Himmel holte und das helle Licht der reinen Wissenschaft erstrahlen liess.“ 253 Die Werte für die Dozenten sind berechnet nach den Angaben in den Personal- und Vorlesungsverzeichnissen. Für die Angaben zu den Studierenden vgl. Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 570. 254 Vgl. Maurer, Professors, S. 213 und 217. 255 Rürup bemerkt über die Berliner Hochschule: „Ihr Ansehen hatte im Krieg nicht gelitten“ (Rürup, Grundzüge, S. 21). 256 Festschrift, S. 17. Vgl. auch Rürup, Grundzüge, S. 4. König, Wilhelm II., S. 188, zitiert aus einem Brief Heinrichs von Preußen, der an den Feierlichkeiten teilgenommen hatte, an seinen Bruder Wilhelm: „Unsere technischen Hochschulen im allgemeinen, sowie Charlottenburg im Speziellen, können als Hort monarchischer Gesinnung bezeichnet werden.“ 257 Meyer, Hundertjahrfeier, S. 12. Zur Entstehung der modernen Jubiläumskultur im Kontext der protestantischen Universitäten in der Frühen Neuzeit vgl. Müller, Erinnern, bes. S. 84ff. Festspiele zählten von Anfang an zum Repertoire von Jubiläumsfeiern. 258 Alle Zitate aus dem Festspiel bei Meyer, Hundertjahrfeier, S. 14ff. 124 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Ob es neben diesem einen Pfad noch andere gäbe, sei eine „Doktorfrage, weit komplizierter, als die oft genannte vom neuen ‚Doctor rerum technicarum‘.“ Die beiden Professoren allerdings sind sich einig, dass durchaus mehrere Wege existieren, die „den Aufstieg zu der höchsten Geisteshöhe erschließen, und in gar nicht ferner Zeit wird droben in dem Licht der ew’gen Wahrheit ein Friedensbündnis feierlich vereinen die alte und die neue Wissenschaft!“ Der Festausschuss erhält schließlich den Segen Athenes und kehrt zurück. „Das Schlussbild zeigte die Abgesandten wieder in der Heimat: der Lichthof der Hochschule in Charlottenburg vereint sie mit zahlreichen Ehrengästen, Professoren und Studenten um die Kolossalbüste des Kaisers, während ‚Heil Dir im Siegerkranz‘ ertönt.“259 Nicht nur dem Festspiel drückte das Streben der Technischen Hochschulen nach Anerkennung, Legitimation und Gleichberechtigung mit den Universitäten seinen Stempel auf. Schon die Entscheidung, das Gründungsdatum der Bauakademie als Gründungsdatum der Technischen Hochschule selbst anzusehen, ist von Bedeutung. Mit diesem Rückgriff auf 1799 verschafften sich die Charlottenburger einen Traditionsvorsprung vor der erst 1809/10 eröffneten Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Die eigentlich jüngere Hochschule wurde gleichsam zur älteren.260 Mit „liebenswürdigem Ernst“, schreibt Meyer, habe sich das Festspiel dem „Verhältnis der ‚angewandten‘ zur ‚reinen‘ Wissenschaft“261 gewidmet. Kultusminister Studt sprach in seinem Trinkspruch beim offiziellen Festmahl offener von „Meinungskampf“ und „Streit“, verkündete jedoch gleichzeitig: „Lis finita est!“262 Allerdings hallten wie im Festspiel auch in den zahlreichen Festreden die vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen Universität und Technischer Hochschule immer wieder nach. Wilhelm Waldeyer, ein erbitterter Gegner des technischen Promotionsrechts, überbrachte die Gratulation der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Er räumte zwar ein, dass der Eindruck falsch sei, eine Akademie, „die Wissenschaften ohne Rücksicht auf deren Verwendung“ pflege, könne „am ersten in der Reihe der Glückwünschenden entbehrt werden“263; aber in seiner Begründung betonte er die Abhängigkeit der Technik von der Wissenschaft – ohne diese verharre jene „in ewigem Einerlei“264 – und sprach der Technik damit letztlich ab, selbst eine Wissenschaft zu sein. Alois Riedler hingegen, Rektor in Charlottenburg, sprach von „technischen Wissenschaften“ und davon, dass Uni259 Ebd., S. 20. 260 Gleichzeitig ermöglichte dieser Anknüpfungspunkt die Betonung des monarchischen Moments in der Geschichte der Hochschule, während der entscheidende Einfluss des gewählten Abgeordnetenhauses vernachlässigt wurde. Vgl. zu dieser bewussten Traditionsbildung der TH Charlottenburg Rürup, Grundzüge, S. 3f. Nach Rürup fiel die Hundertjahrfeier nicht zuletzt deshalb so prunkvoll aus, da „im Jahre 1899 einfach ein Bedürfnis nach einer großen und eindrucksvollen Demonstration zum Ruhme der Technik und der technischen Wissenschaften in Deutschland“ bestand (S. 3). 261 Meyer, Hundertjahrfeier, S. 17. 262 Zit. ebd., S. 65. 263 Zit. ebd., S. 95. 264 Zit. ebd., S. 96. 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 125 versität und Technische Hochschule nun Einrichtungen „mit gleichem wissenschaftlichen Gepräge“265 seien. Lazarus Fuchs wiederum, Rektor der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, unterstrich eher, wie unterschiedlich die Aufgaben und Methoden der beiden Hochschulen seien: Auf der einen Seite die Universitäten, die in „stiller wissenschaftlicher Arbeit“ die menschliche Erkenntnis der Natur erweiterten und auf der anderen die Technischen Hochschulen, die diese Erkenntnisse „den Zwecken des menschlichen Lebens dienstbar“266 machten. Der angedeutete Gegensatz zwischen zweckgebundener und anwendungsbezogener Ausbildung einerseits und im neuhumanistischen Sinne zweckfreier Menschenbildung andererseits verschwieg, dass mit dem Studium für Lehrer, Richter und Ärzte auch praxisorientierte Berufsausbildung seit langem ihren Platz in der Universität hatte. Ein Dualismus mit der Wissenschaft des Erkennens bei den Universitäten und der Wissenschaft des Handelns bei den Technischen Hochschulen, also ein Nebeneinander zweier Kulturen, vereinfachte die Dinge zu sehr.267 Ein flüchtiger Blick auf die Wurzeln der Universitäten im späten Mittelalter zeigt, dass letztlich andere Gründe für ihre Gestalt ausschlaggebend waren. Zwar unterschieden schon mittelalterliche Autoren zwischen den artes liberales und den artes mechanicae, aber diese zeitgenössischen Wissenschaftssysteme nahmen nicht unmittelbar Einfluss auf den universitären Fächerkanon. Zu den artes liberales zählten unter anderem die Grammatik, die Rhetorik, die Arithmetik oder die Musik, zu den artes mechanicae die Baukunst, der Handel, die Landwirtschaft oder die Medizin.268 Während die beiden Gruppen beispielsweise im 12. Jahrhundert bei Hugo von Sankt Viktor als gleichberechtigt angesehen werden, findet sich ein Jahrhundert später bei Thomas von Aquin eine Gewichtung: Die artes mechanicae seien den artes liberales untergeordnet, da sie eben nicht frei seien, sondern mit ihrem Ziel des praktischen Nutzens zum unfreien Teil des Menschen, zum Leib, gehörten. Die artes liberales seien frei, da sie nur die Erkenntnis zum Ziel hätten. Allerdings ist diese Systematik eben nicht in dem Sinne mit der realen Gestalt der Universität zur Deckung zu bringen, dass die eine Gruppe universitären Status verdient und die andere nicht. Zwar hatten die artes liberales an der artistischen – später philosophischen – Fakultät ihren festen Platz in der Universität, aber die stets zu den artes mechanicae gezählte Medizin ebenfalls. Darüber hinaus lassen die mittelalterlichen Wissenschaftssystematiken die juristischen Studien unberücksichtigt. Die Gründe für den universitären Fächerkanon liegen letztlich anderswo: 265 266 267 268 Zit. ebd., S. 98. Zit. ebd., S. 93. Vgl. auch Treue, Verhältnis, S. 235. Vgl. Treue, Verhältnis, S. 232 und Nipperdey, Bürgerwelt, S. 482. Vgl. dazu Rüegg, Probleme, S. 41f. Die Einteilung der Wissenschaften bei Hugo von Sankt Viktor findet sich in seiner Schrift „Didascalicon“, Thomas von Aquin beschäftigt sich mit der Frage in seinem Kommentar „Super Boetium de Trinitate“. Die Baukunst bildet bei Sankt Viktor nicht eine eigenständige ars, sondern ist zusammen mit Töpferei, Bergbau, Stein- und Metallbearbeitung Bestandteil der armatura, was Rüegg mit „Zurüstung“ übersetzt. 126 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 „Nur dort entwickelten sich Fakultäten, wo vorher Schulen existierten, die Wissen als öffentliches Gut vermittelten und deren Besuch infolgedessen grundsätzlich jedem Studierfähigen offenstand.“269 Dies war bei den artes mechanicae, beispielsweise im Bereich des Bauwesens, häufig nicht der Fall, da hier der Zugang zur Ausbildung zunftmäßig begrenzt war. Das zudem die einzelnen Fakultäten im spätmittelalterlichen Reich unter dem gemeinsamen Dach einer Universität vereinigt wurden, hatte im Wesentlichen praktische Gründe. Stifter dieser neuen Vierfakultäten-Universitäten – die erste entstand 1348 in Prag – waren in der Regel Landesherren, seltener Städte. Der Gedanke, die gerade in ihrer sozialen Zusammensetzung recht unterschiedlichen Fakultäten zusammenzufassen, entsprang in erster Linie landesherrlicher Sparsamkeit.270 Betrachtet man Humboldts unvollendete Denkschrift „Über die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“ als eine Basis für die neuhumanistische Universitätsreform im frühen 19. Jahrhundert, so finden sich auch hier kaum Gründe für den Ausschluss bestimmter Disziplinen von der Universität. Wesentlich ist für Humboldt lediglich das Forschen und „das Princip zu erhalten, die Wissenschaft als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes zu betrachten.“271 Zu den höheren wissenschaftlichen Anstalten rechnete er die Universitäten, die Akademien der Wissenschaften und die der Künste. Ihre unterschiedlichen Aufgaben grenzte er folgendermaßen ab: „Die Universität nemlich steht immer in engerer Beziehung auf das praktische Leben […] die Akademie aber hat es rein nur mit der Wissenschaft an sich zu thun.“272 Auch hier wird also sehr deutlich, dass der universitäre Widerstand gegen eine Aufwertung der Technischen Hochschulen nicht inhaltlich motiviert war; vielmehr ging es um die Verteidigung der eigenen Privilegien und der eigenen elitären Position. Das Selbstverständnis als Hort der reinen und zweckfreien Wissenschaft war dabei eine Überhöhung der Universität, die aus der historischen Entwicklung nicht abgeleitet werden kann. Folgerichtig findet sich als Gegenbewegung auf der anderen Seite auch eine Überhöhung der Technik. Besonders deutlich wird dies bei Riedler, der 1898 einen neuen Kulturbegriff einforderte: „Die Kulturgeschichte der Menschheit beginnt mit der Geschichte der Werkzeuge, beim ‚tool making animal‘, und die Schaffung von Werkzeugen im weitesten Sinne ist das Wesen der Technik und die Voraussetzung der gegenwärtigen Kultur.“273 269 Rüegg, Probleme, S. 44. 270 Vgl. Schwinges, Prestige, S. 6f. Schwinges bezeichnet die Vierfakultäten-Universität als „deutschen Typ“ und spricht von „elitären Juristen“, „minderrangigen Theologen“ und „sozial diffusen Artisten“ (S. 7). Vgl. auch Moraw, Aspekte, S. 9ff. 271 Humboldt, Organisation, S. 362. Die Denkschrift entstand in den Jahren 1809/10. 272 Ebd., S. 365. 273 Riedler, Hochschulen, S. 28. Vgl. auch Treue, Verhältnis, S. 235, der zusammenfasst, dass Riedler die „Entwicklung einer neuen Kulturauffassung auf der Basis der Technik“ forderte. 2.3 Des Kaisers treue Techniker, 1879 bis 1918 127 Er begriff die Technik als älteste Wissenschaft und wies darauf hin, dass die Epochenbegriffe für die frühe Geschichte der Menschen – Stein-, Bronze und Eisenzeit – sich an technischen Innovationen orientierten.274 Riedler bestritt nicht, dass die Technik auf der Naturwissenschaft aufbaue, wie Waldeyer und Fuchs in ihren Grußworten ausdrücklich betonten. Allerdings zog er daraus andere Schlüsse: „Wirthschaftlich richtiges Schaffen ist die höhere Stufe, welche die technische Richtigkeit als nächste und die wissenschaftliche Einsicht als erste Vorstufe voraussetzt.“275 In diesem Sinne erscheint die Universität gleichsam als Vorbereitungsanstalt für die Technische Hochschule. Mit Blick auf die einflussreichere Stellung der Universitätsabsolventen in Verwaltung und öffentlichem Leben stellte Riedler fest: „Eine Mandarinenordnung, welche den unpraktisch Erzogenen und unwirthschaftlich Denkenden über den wirthschaftlich Thätigen setzt, wird den drohenden wirthschaftlichen Gefahren nicht begegnen können.“276 Bei aller Kritik wird aber die Stellung der Universität implizit anerkannt und akzeptiert, indem darum gerungen wird, als peer aufgenommen zu werden. Wichtiger als alle Polemik war der Wille dazuzugehören. Auch vor diesem Hintergrund war die Centenarfeier in Charlottenburg bedeutsam. Zwar fühlten sich ihre Rektoren und Abgesandten „wie die gefangenen Könige im Zuge eines Triumphators“277, aber keine Universität des Reiches leistete es sich, der Feier fernzubleiben. Unbeschadet ihres Unbehagens sind ihre Teilnahme an den Festlichkeiten und die Überbringung der Glückwunschadressen und Festgaben letztlich als implizite Anerkennung der Ebenbürtigkeit der neuen Hochschulen zu werten, die Wilhelm II. mit der Verleihung des Promotionsrechts proklamiert hatte. Die Geschenke der Industrie taten ein Übriges, die Hundertjahrfeier zu einer Siegesfeier der Technischen Hochschulen geraten zu lassen. Der Verein Deutscher Ingenieure stiftete zusammen mit dem Verein deutscher Eisenhüttenleute und dem Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller ein Erzstandbild von Al274 Vgl. Riedler, Hochschulen, S. 40f. Riedler merkt an, dass diese Begriffe gewählt wurden „lange bevor die gewaltigen Leistungen der modernen Technik unseren Gebildeten zum Bewusstsein kamen“ (ebd., S. 40). 275 Riedler, Hochschulen, S. 6. 276 Ebd., S. 34. In Ringers Buch „Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine“ findet sich kein Verweis auf Riedler. Vielmehr bemerkt Ringer: „Mein Entschluß, diesen Begriff [i. e. Mandarine] auf die Klasse der Akademiker in Deutschland anzuwenden, wurde wahrscheinlich durch Max Webers überzeugende Schilderung der chinesischen Literaten beeinflußt. Für den europäischen Raum würde ich das ‚Mandarinentum‘ einfach als eine gesellschaftliche und kulturelle Elite definieren, welche ihren Status in erster Linie ihren Bildungsqualifikationen und nicht Reichtum oder vererbten Rechten verdankt“ (Ringer, Mandarine, S. 15). 277 Hertwig, Wandel, S. 16. Hertwig paraphrasiert eine Rede des Heidelberger Rektors auf dem großen Kommers. Bei Meyer ist die Rede nicht dokumentiert, dort heißt es lediglich: „Prof. Osthoff, Prorektor der Universität Heidelberg, hielt eine mit grossem Beifall aufgenommene Ansprache, in der er die Freiheit der Wissenschaft feierte“ (Meyer, Hundertjahrfeier, S. 159f.). 128 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 fred Krupp und eines von Werner von Siemens, die vor der Charlottenburger Hochschule aufgestellt wurden. Außerdem verkündete der Berliner Industrielle Ernst Borsig die Gründung der „Jubiläums-Stiftung der deutschen Industrie zur Förderung der technischen Wissenschaften“ mit einem Stiftungskapital von rund 1,5 Millionen Mark.278 Diese dreifache öffentliche Anerkennung ihrer Leistungen von staatlicher, universitärer und industrieller Seite war aus der Perspektive der Technischen Hochschule das Wesentliche der Hundertjahrfeier. Auch die Ehrentafel beim offiziellen Festmahl trug dieser Konstellation Rechnung: Um den Rektor der Charlottenburger Hochschule versammelten sich mehrere Staatsminister, der Rektor der Berliner Universität als Vertreter der „alten Hochschulen“279, der Rektor der Münchner Technischen Hochschule sowie die Söhne von Werner von Siemens und Alfred Krupp. Die erwähnte Darbringung der Glückwünsche, eine Festsitzung, ein Kommers und ein Essen bei den Ältesten der Berliner Kaufmannschaft füllten die nächsten Tage der Feierlichkeiten, die am Abend des 21. Oktober mit einem Fackelzug der Studenten endeten. 2.4 TECHNIK, WIRTSCHAFT, GEISTESWISSENSCHAFTEN, 1918 BIS 1933 2.4 TECHNIK, WIRTSCHAFT, GEISTESWISSENSCHAFTEN. DIE TECHNISCHE HOCHSCHULE IN DER WEIMARER REPUBLIK Das für die Technischen Hochschulen im Kaiserreich beherrschende Thema der Hochschulpolitik war, wie erörtert, ihr Verhältnis zu den Universitäten. Daran änderte sich auch in der Weimarer Republik nichts.280 Zwar hatte Wilhelm II. bei der Verleihung des technischen Promotionsrechts die Gleichberechtigung der beiden Hochschultypen proklamiert, allerdings blieben Statusunterschiede bestehen. So 278 Vgl. Meyer, Hundertjahrfeier, S. 26 und 88f. Jede TH und jede Bergakademie hatte einen Sitz im Kuratorium der Stiftung, in dem die TH Charlottenburg „auf alle Zeiten den Vorsitz“ innehaben sollte. 279 Meyer, Hundertjahrfeier, S. 71. Zum Festmahl vgl. ebd., S. 63ff. 280 Vgl. Düwell, Neugestaltung, S. 221. Die Feststellung von Manegold, Universität, S. 305, die „letzten organisatorischen und amtlichen Unterschiede“ zwischen TH und Universität fielen 1918, ist etwas ungenau. Vgl. auch Hänseroth: Das Erreichen des technischen Promotionsrechts „gilt als formaler Abschluß der Emanzipationsbewegung der Ingenieure und ihrer höheren Bildungsstätten“ (Hänseroth, Luxushunde, S. 110). Treue spricht vom „letzten Schritt zur vollständigen äußeren Gleichberechtigung mit den Universitäten“ (Treue, Verhältnis, S. 234). Derartige Beurteilungen unterschätzen zum einen die nach 1899 weiter bestehenden Unterschiede und zum anderen die Wahrnehmung dieser Unterschiede gerade durch die Professoren der TH. In finanzieller und rechtlicher Hinsicht waren sie auch nach 1899 schlechter gestellt als Universitätsordinarien (vgl. ausführlich Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 87ff.; kurz Rürup, Grundzüge, S. 19). Schließlich können diese Feststellungen auch als Unterschätzung der Hochschulreform in der Weimarer Republik verstanden werden. Wittwer, Hochschulpolitik, S. 318, wiederum überschätzt den innovativen Charakter der Reformen: „Um die Stellung der Hochschulen zu befestigen, wurde […] eine erfolgreiche Entwicklung zur Gleichstellung der Technischen Hochschulen zu den Universitäten eingeleitet.“ Büttner, Weimar, S. 262, bemerkt am Rande, dass „die Institutionen der höheren Bildung in ihrer Struktur im wesentlichen unberührt“ blieben. 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften, 1918 bis 1933 129 hatten die Abteilungen für Allgemeine Wissenschaften mit ihrem in erster Linie naturwissenschaftlichen Fächerkanon kein Promotionsrecht. Auch war den Allgemeinen Abteilungen in Preußen das Recht versagt, Lehrer auszubilden. Wie im Kaiserreich, fielen die Entscheidungen in diesen Fragen während der Weimarer Republik im Sinne der Techniker. Die noch vorhandenen formalen Unterschiede zwischen Universitäten und Technischen Hochschulen – Emeritierungsrecht, Dienstbezeichnungen und Fakultätsverfassung – verschwanden im Zuge der Hochschulreform. Zudem fand mit „wissenschaftliche Hochschule“ nun ein Sammelbegriff Verwendung, der die Unterscheidung auch sprachlich aufhob.281 Allerdings zeigten sich die Techniker der Republik gegenüber weniger dankbar als dem Kaiser. In ihren Vorbehalten gegenüber der jungen Demokratie glichen sie ihren Kollegen an den Universitäten.282 Die Notwendigkeit einer Reform des technischen Hochschulwesens wurde bereits vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gesehen. Der bereits erwähnte Otto Kammerer stellte 1912 fest, der an einer Technischen Hochschule ausgebildete Ingenieur müsse „die wirtschaftlichen Verknüpfungen seiner Arbeit“ und „die kulturelle Bedeutung seines Tuns“ verstehen, um so „den Anschluß an das Geistesleben der Gesamtheit“283 suchen zu können. Gerade mit seiner Betonung der geisteswissenschaftlichen Bildung der technischen Studierenden knüpft Kammerer an eine längere Tradition an. In Grashofs Principien von 1864 heißt es, dass „solche Fächer dem Lectionsplane möglichst vollständig einzuverleiben“ seien. Grashof versprach sich von diesen Vorträgen, „welche in der Regel auf die Nachmittags- und Abendstunden zu legen sein werden, eine veredelnde Anregung, eine wohlthätige Erholung für strebsame junge Männer.“284 Ebenso trat Max Maria von Weber ein gutes Jahrzehnt später für eine „Hebung des Geistes und der allgemeinen Bildung“285 unter den Ingenieuren ein. Konkreter waren die Bemühungen der Charlottenburger Abteilung für Allgemeine Wissenschaften, die sich 1908 an das Kultusministerium wandte und eine ordentliche Professur für Philosophie und Pädagogik sowie eine für Geschichte und Deutsch beantragte. Damit sollten die Studierenden „durch Vorträge in den Geisteswissenschaften Aufklärung über die 281 Vgl. Wende, Grundlagen, S. 4ff. Der Begriff findet jedoch nicht, wie Wende angibt, erstmals im Beamten-Diensteinkommensgesetz vom 17. Dezember 1920 Verwendung, sondern taucht bereits in der Fassung dieses Gesetzes vom 7. Mai 1920 auf, in dessen § 1,2 von „den wissenschaftlichen Hochschulen (Universitäten, Technischen, Landwirtschaftlichen, Tierärztlichen Hochschulen, Berg- und Forstakademien)“ gesprochen wird (Preußische Gesetzsammlung 1920, S. 191). 282 Gay, Außenseiter, S. 19, resümiert pointiert: „Die Universitäten, mit denen sich die Deutschen voller Stolz brüsteten, waren Brutstätten eines wirrköpfigen militaristischen Idealismus und Mittelpunkt des Widerstandes gegen alles Neue in Kunst oder Sozialwissenschaften.“ Vgl. auch Wittwer, Hochschulpolitik, S. 318f: „Auch Hoffnungen bezüglich eines der Republik wohlwollenden Klimas an den Technischen Hochschulen erfüllten sich […] nicht.“ 283 Kammerer, Hochschulreform, S. 24. 284 Beide Zitate: Grashof, Principien, Sp. 601. 285 Weber, Techniker, S. 30. Kammerer zitiert in seiner Denkschrift Weber mit den Worten: „Es kann niemand ein ganzer Techniker werden, der nicht vorher schon ein ganzer Mensch war“ (Kammerer, Hochschulreform, S. 24). 130 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Fragen […] erhalten, welche alle gebildeten Kreise unserer Zeit bewegen.“286 Der Antrag jedoch blieb erfolglos. Während der letzten Kriegsmonate war es wiederum Alois Riedler, der von Kultusminister Friedrich Schmidt-Ott um eine Denkschrift zum Zustand der Technischen Hochschulen gebeten wurde. Riedler attestiert darin eine schwere Krise, die auch im Ausland wahrgenommen werde: „In England z. B. wurde vor der Jahrhundertwende und immer eindringlicher ein ‚Charlottenburg‘ verlangt. Der Ruf ist seither verstummt.“287 Die Gründe für diese Krise beschreibt er ähnlich wie Kammerer: „Ganze Abteilungen kümmern sich nicht um die Betriebe oder um die Wirtschaft, noch weniger um das Leben und die großen allgemeinen Fragen.“288 Zudem gebe es zu wenig Berührung zwischen den einzelnen Abteilungen, auch die eigentlich gemeinsamen Grundwissenschaften würden getrennt unterrichtet. Ein weiteres Problem sah Riedler in der zunehmenden Differenzierung und in der Konzentration auf die Vermittlung von Fachwissen; diese sei „aussichtslos, weil endlos.“289 Seine Reformvorschläge blieben jedoch reichlich vage. Er forderte eine „richtige zusammenfassende Lehre“, und stellte darüber hinaus fest: „Alles muß von Grund aus erst geschaffen werden, selbst der technische Inhalt der Lehre. Eine Riesenarbeit, weil die Vorarbeiten, Baugrund wie Bausteine fehlen, und weil die Nachwirkungen der blöden Trennungsbestrebungen zu bekämpfen sind, die zwei Jahrzehnte lang mit stärksten Mitteln am Werk waren.“290 Riedlers scharfer Ton missfiel seinen Kollegen in Charlottenburg. Acht der 15 Ordinarien der Abteilung für Maschineningenieurwesen verfassten zusammen eine Antwort, die sie in Auszügen in der „Zeitschrift des VDI“ veröffentlichten.291 Sie wiesen daraufhin, dass Riedler für einen etwaigen Niedergang der Hochschule seit der Jahrhundertwende mitverantwortlich sei, da er zu dieser Zeit einer der maßgeblichen Professoren war: „Die Zusammensetzung der Abteilung hinsichtlich ihrer Mitglieder für allgemeinen Maschinenbau ist heute noch so, wie sie Herr Riedler veranlaßt hatte.“292 Zwar erkannten sie an, dass Reformen notwendig seien, allerdings bestritten sie „die Berechtigung der Behauptung Herrn Riedlers, 286 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. X, 25. Februar 1908 (ohne Paginierung). 287 Riedler, Zerfall, S. 6. Der vollständige Titel der Denkschrift lautet: „Zerfall der Technischen Hochschule und Neubau der Hochschule“. 288 Ebd., S. 54. 289 Ebd., S. 7. 290 Ebd., S. 55. Vgl. auch Düwell, Neugestaltung, S. 224f. König, Wilhelm II., S. 178, resümiert zu Riedler: „Mit der Zeit wurde Riedler ein nörgelnder, in vielfältige Auseinandersetzungen verstrickter Eigenbrötler, dem die gesamte Entwicklung der Hochschulen nicht passte.“ 291 Der Beitrag erschien 1919 in den Nummern 14 und 15 der Zeitschrift des VDI und war unterzeichnet von den ordentlichen Professoren Karl Brabbée, Emil Heyn, Emil Josse, Max Kloß, Eugen Meyer, Ernst Orlich, Ernst Reichel, Wilhelm Wedding sowie dem Dozenten Wehage. 292 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 470, Juli 1919. Erst 1908 habe sich Riedler, nachdem im Abgeordnetenhaus Kritik an seinen Methoden geübt worden war, aus den „Geschäften der Abteilung“ (ebd.) zurückgezogen. Vgl. auch Manegold, Riedler, S. 306. 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften, 1918 bis 1933 131 vom Zerfall der Hochschule und der Tatenlosigkeit ihrer Mitglieder.“293 Es wird deutlich, dass der nunmehr fast 70jährige Riedler seine beherrschende Stellung in der Abteilung eingebüßt hatte. Konkreter Anlass für die Schrift gegen seine Reformpläne war, dass das Unterrichtsministerium trotz der Kritik aus der Abteilung an ihnen festhielt. Im März 1919 beantragte es im Finanzministerium die Mittel für die Einrichtung einer Parallelabteilung. „Wenn die Erfolge der neuen Abteilung offen zu Tage liegen werden und, wie nicht zweifelhaft ist, wenn schließlich alle Lehrer den neuen Methoden und Zielen folgen werden, dann ist das Ziel erreicht und die Einheit der Abteilung kann wieder hergestellt werden.“294 Diese „Kampfabteilung“ verurteilten Riedlers Kollegen, betonten ihren Willen zur Zusammenarbeit und ihre Ablehnung jeder „einseitigen Diktatur.“295 Die etwas seltsam anmutenden Pläne des Kultusministeriums scheiterten jedoch sehr schnell am Einspruch des Finanzministeriums, da „für kostspielige Erprobungen neuer Unterrichtsmethoden in gegenwärtiger Zeit schlechterdings die Mittel fehlen.“296 Am Ende der hochschulpolitischen Aktivitäten Riedlers in der Weimarer Republik stand 1921 eine Aktennotiz des Referenten im Kultusministerium Rottenburg. Riedler habe erklärt, „er könne im Rahmen der z. Z. betriebenen Reformen nicht mitarbeiten, er sei aber bereit, als Emeritus Vorlesungen zu halten, in denen er zeigen wolle, wie eine ‚Zusammenfassung‘ technischer Fachgebiete zu verwirklichen sei.“297 In der Auseinandersetzung um Riedlers Reformvorschläge hatten auch die Charlottenburger Professoren Karl Brabbée und Ludwig Gümbel Denkschriften zur zukünftigen Gestaltung der Technischen Hochschulen verfasst.298 In ihrer Analyse des Zustandes glichen sie Riedler. Auch Brabbée sah die Hochschulen nur noch als eine „Summe von Fachschulen“299 an und Gümbel bemerkte: 293 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 474, Juli 1919. Lediglich von dem emeritierten Professor für Elektrische Konstruktionslehre, Walter Reichel, findet sich in den Akten ein Schreiben, in dem die Notwendigkeit einer Reform verneint wird. Da die Absolventen der Hochschulen „bisher in der Lage waren, die ihnen in der Praxis gestellten Aufgaben richtig anzufassen und zu erledigen“, stellte Reichel fest, „dass eine Notwendigkeit nicht vorliegen kann, tiefgehende Aenderungen oder gar eine völlige Umwälzung im Unterricht herbeizuführen“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. II, Bl. 3–12, 13. Januar 1920, hier Bl. 3 und 5, (Hervorhebung im Original)). 294 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 183, 14. März 1919. 295 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 474, Juli 1919. Vgl. auch Gümbel, Wirklich Blinde, S. 4, der kritisiert, dass „Die Durchführung dieses Reformprogramms […] von Herrn Riedler hinter dem Rücken der Abteilung betrieben“ wurde. 296 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 303, 5. Juni 1919. 297 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. IV, Bl. 282, 22. Januar 1921. 298 Vgl. Karl Brabbée: „Denkschrift über die Ausgestaltung der Preussischen Technischen Hochschulen, insbesondere der Technischen Hochschule Berlin“ (1918), GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 103–116, und Ludwig Gümbel: „Ziele und Wege der akademischen Ingenieurausbildung“ (Dezember 1918), ebd., Bl. 212–222 (gedruckt in: Gümbel, Wirklich Blinde, S. 12–22). 299 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 101, 1918. 132 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 „Was man vor 20 Jahren in einem gutgeschriebenen Kollegheft über die Einzelheiten irgend eines Spezialgebietes der Technik nach Hause trug, ist heute veraltet. Wenn der Inhalt dieses Kollegheftes die ganze Frucht des Studiums war, wäre sie heute wertlos geworden. Dauernd wertvoll bleibt nur das, was zum geistigen Eigentum des Menschen geworden ist.“300 Eine radikale Neugestaltung des Unterrichts, wie sie Riedler mit seiner „zusammenfassenden Lehre“ andeutete, forderten sie jedoch nicht. Allerdings traten auch sie für eine Stärkung der „einigenden exakten Wissenschaften“301 und den Ausbau der Allgemeinen Abteilungen ein. Es erscheint folgerichtig, dass die Reformbemühungen in der Maschinenbauabteilung begannen, da diese während des Kaiserreichs am stärksten gewachsen und die Zersplitterung in Teildisziplinen hier besonders spürbar war. Der Mitarbeiter im preußischen Kultusministerium und spätere Kultusminister Carl Heinrich Becker beteiligte sich mit seinen „im Revolutionswinter 1918/19“302 entstandenen Gedanken zur Hochschulreform ebenfalls an der Debatte und trug sie gleichzeitig in eine größere Öffentlichkeit. Sein Ansatz war in dem Sinne grundlegender, als er nicht allein die Technischen Hochschulen, sondern auch die Universitäten in den Blick nahm. Im Wesentlichen argumentierte er jedoch ähnlich wie Riedler, Gümbel und Brabbée: Die zunehmende Differenzierung und Spezialisierung sei verantwortlich für die Krise. Daraus folgerte er: „Die Parole muß lauten: Wiederanschluß der Technischen Hochschulen und aller anderen Hochschulen an die Universität.“ Allerdings zeigt schon der folgende Satz, dass er dieses Projekt letztlich für nicht durchführbar hielt. „Ist das organisatorisch nicht mehr zu erreichen, dann müssten wenigstens der Geist der Verwaltung, die Grundsätze bei Berufungen die gleichen sein, dann muß etwas vom Geist jeder Hochschule auf die andere übergehen.“303 Wenn auch die Vereinigung von Technischer Hochschule und Universität Utopie blieb, so wurden doch mehrere kleinere Spezialhochschulen während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts integriert.304 Beckers Kritik beschränkte sich jedoch nicht auf das wissenschaftliche und organisatorische Gebiet. Er bemängelte, dass die Hochschulen „keine wissenschaftlichen Vollmenschen und ganz gewiß keine 300 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 213, Dezember 1918. 301 Brabbée, GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. I, Bl. 103, 1918. Vgl. auch Gümbel: „Das allen Ingenieurfächern Gemeinsame muss im Unterricht vorangestellt und hervorgehoben werden, so dass der Studierende fähig ist, nach dem Hochschulstudium nach kurzer Zeit spezieller Einarbeitung auf jedem Gebiet der weitverzweigten Technik sich zurecht zu finden“ (ebd., Bl. 213). 302 Becker, Gedanken, S. X. Die einzelnen Kapitel erschienen, bevor sie 1919 in Buchform veröffentlicht wurden, in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ (vgl. ebd., S. XI). 303 Beide Zitate: Becker, Gedanken, S. 8. Nach Treues zweifellos richtiger Einschätzung, war es bereits im späten 19. Jahrhundert zu spät für eine Vereinigung der beiden Hochschultypen – zum einen wegen „der Furcht der Universitäten vor der Beeinträchtigung der reinen Wissenschaft“ und zum anderen wegen des „Selbstbewußtseins der Technischen Hochschule“ (Treue, Verhältnis, S. 233). 304 Vgl. Titze, Hochschulen, S. 209, der die „Integration der unterschiedlichen Hochschultypen“ als ein Charakteristikum der Entwicklung des Hochschulwesens im 20. Jahrhundert bezeichnet. 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften, 1918 bis 1933 133 Staatsbürger“305 erzogen hätten. Er sprach die Erwartung aus, dass die Hochschulen „Forscherschulen, Berufsschulen und Staatsbürgerschulen“306 zugleich sein müssten. Beckers Reformprogramm erscheint insgesamt detaillierter und konkreter als das der bisher zitierten Denkschriften. Er forderte unter anderem die Einführung einer Altersgrenze für Professoren, eine stärkere Stellung der Dozenten und Studierenden im Gesamtgefüge der Hochschule und eine Kolleggeldreform. Derartige Vorschläge, die die Besitzstände der Ordinarien angriffen, finden sich in den Denkschriften von Riedler, Brabbée und Gümbel nicht. Offizielleren Charakter erhielt die Diskussion im Mai 1919, als Kultusminister Konrad Haenisch die Universitäten und Technischen Hochschulen aufforderte, sich zu den zentralen Fragen der angestrebten Hochschulreform zu äußern.307 Dazu zählte er die zukünftige Stellung der außerordentlichen Professoren, der Privatdozenten und die Frage, inwieweit den Studierenden ein Mitspracherecht in den Angelegenheiten der Hochschulen einzuräumen sei. Während sich das Ministerium bisher in den Reformfragen im Wesentlichen von den Charlottenburger Professoren beraten ließ, führte dieser Erlass zu einer Erweiterung des Beraterkreises. Wichtige Diskussionsbeiträge kamen aus Dresden, Darmstadt, Danzig und Breslau.308 Auch der Autor der Denkschrift, die schließlich als Blaupause für das Reformprogramm diente, kam nicht von der Charlottenburger, sondern von der Danziger Hochschule. Im Oktober 1920 berief Carl Heinrich Becker den Diplomingenieur und Professor für Maschinenbau Heinrich Aumund zur „Beratung in technischen Fragen als Hilfsarbeiter“309 in das Kultusministerium. Ein Jahr später fasste er in seiner Schrift „Die Hochschule für Technik und Wirtschaft. Maßnahmen zur Reform der Technischen Hochschulen“ den Diskussionsstand zusammen und legte ein detailliertes Programm vor, das auch den Entwurf für eine neue Hochschulverfassung enthielt.310 Letztes Ziel der Hochschulentwicklung blieb auch für Aumund die Vereinigung von Universität und Technischer Hochschule. Konkreter war jedoch das Projekt der Integration der Landwirtschaftlichen und der Handelshochschulen. In Charlottenburg scheiterten jedoch auch diese Versuche; die Landwirtschaftliche Hochschule ging schließlich 1934 in der Berli305 Becker, Gedanken, S. 5. 306 Ebd., S. 29. Den staatsbürgerlichen Auftrag der Universitäten betonte auch Kultusminister Haenisch. Er wollte „die demokratischen Bestrebungen unter den Studenten stärken und ihnen eine gewisse emotionale Bindung an die neue Regierungsform vermitteln“ (Ringer, Mandarine, S. 69). Vgl. auch Wende, Grundlagen, S. 5. 307 Der Erlass (U I Nr. 1046 U I T vom 17. Mai 1919) ist gedruckt bei Becker, Gedanken, S. 67ff. 308 Vgl. Düwell, Neugestaltung, S. 222, der Adolf Nägel (Dresden), Enno Heidebroel (Darmstadt), Gerhard Schulze-Pillot (Danzig) und Adolf Schilling (Breslau) als eine „Auswahl der wichtigsten“ bezeichnet. Bei Düwell findet sich auch eine Erörterung der verschiedenen Positionen in der Reformdiskussion. 309 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. III, Bl. 32, 21. September 1920. 310 Nach Düwell, Neugestaltung, S. 230, verdankte die Schrift ihren großen Erfolg einer „sorgfältigen Registrierung aller Vorschläge […], die vielen Parteien und Interessengruppen das Gefühl gab, ihre Wünsche […] gewahrt zu sehen.“ Detailliert zu Aumunds Denkschrift vgl. ebd., S. 228ff. 134 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 ner Universität auf.311 Der staatsbürgerliche Auftrag der Hochschulen, den Becker noch stark betont hatte, taucht bei Aumund nicht mehr auf. In den Vordergrund trat inhaltlich der Ausbau der Wirtschaftswissenschaften und formal natürlich die Gleichberechtigung mit den Universitäten hinsichtlich der Rechte der ordentlichen Professoren, der Lehrerausbildung und des Promotionsrechts in den naturwissenschaftlichen Fächern. Dem Wunsch nach Überwindung der zunehmenden Zersplitterung und fachlichen Differenzierung trug er Rechnung mit der Forderung nach einer „Vereinheitlichung des Studiums in den grundlegenden Fächern bei den verschiedenen Fachrichtungen“312 und der Vereinigung einzelner Abteilungen zu größeren Fakultäten. So sollten beispielsweise die Abteilungen für Architektur und Bauingenieurwesen zur Fakultät für Bauwesen vereinigt oder der Schiffbau in die Maschinenbauabteilung integriert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt in Aumunds Konzept war, dass sich sowohl die Professoren als auch die Lehrinhalte „den Forderungen des praktischen Lebens enger als bisher anschließen.“313 Das Reformprojekt des Kultusministeriums war ehrgeizig. Dementsprechend groß waren die Widerstände. Die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität erkundigte sich besorgt, ob tatsächlich der Name „Universität für Technik und Wirtschaft“ als neue Bezeichnung für die Technischen Hochschulen erwogen würde. Dies empfände man als „völlig geschichtsfremde Umdeutung eines uralten ehrwürdigen Symbols“ und zudem widerspräche „Universität für“314 dem Sprachgefühl. In einer Aktennotiz ist vermerkt, dass der Staatssekretär den Rektor der Berliner Universität empfangen habe und ihn dahingehend beruhigen konnte, dass keine Pläne dieser Art existierten.315 An den Verhandlungen über die Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Maschinenlehre an der Abteilung für Bergbau lässt sich zudem beispielhaft zeigen, dass auch die einzelnen Abteilungen zurückhaltend waren, wenn es um Strukturreformen ging. Im Januar 1919 war der 1916 von der Bergakademie übernommene Professor Richard Vater gestorben. Nachdem die Abteilung die übliche Vorschlagsliste zur Wiederbesetzung vorgelegt hatte, erfuhr sie, dass im Kultusministerium erwogen wurde, die Stelle vakant zu lassen und die entsprechenden Veranstaltungen fortan der Abteilung für Maschinenbau zu übertragen. Sie protestierte, warnte vor „schwersten Schädigungen“ und betonte, dass für den Bergbau 311 Vgl. Wefeld, Ingenieure, S. 160 und Rürup, Grundzüge, S. 23. Die Vereinigung von TH und Hochschule scheiterte am Finanzministerium, das „die langfristige Belastung des Staatshaushalts durch Übernahme eines kostspieligen Apparates des Handelshochschule“ fürchtete, wenn sich nach der Zusammenlegung die Handelskammer schließlich aus der Finanzierung zurückziehen würde (Ebert, Wirtschaftsingenieur, S. 357). 312 Aumund, Hochschule, S. 4. 313 Ebd., S. 18. 314 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. IV, Bl. 364, 20. März 1923. 315 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. IV, Bl. 366, 23. März 1923. Zum Widerstand der Universitäten gegen die Schul- und Hochschulreformprojekte während der Weimarer Republik vgl. kurz Ringer, Mandarine, S. 74f. 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften, 1918 bis 1933 135 „unbedingt erforderliche wichtige maschinentechnische Sonderkenntnisse“316 vermittelt werden müssten. Von der in den verschiedenen Denkschriften immer wieder auftauchenden Forderung nach abteilungsübergreifender Zusammenfassung der Grundlagenfächer war hier nicht mehr die Rede. Gerade angesichts der „bitterernsten Finanzlage unseres Staates“ drängte das Kultusministerium auf der anderen Seite darauf, nach der Eingliederung der Bergakademie in die Hochschule den „Vorteil dieser Zugehörigkeit nutzbar“317 zu machen. Hinzu kam, dass mit Fritz Schmidt jemand die Liste anführte, dessen wissenschaftliche Qualifikation umstritten war. In einem externen Gutachten heißt es über seine Arbeiten: es „ist alles richtig und alles selbstverständlich, interessiert keinen Fachmann, ist aber für Laien geschickt zusammengestellt.“318 Auch politische Fragen scheinen eine Rolle gespielt zu haben. So wandte sich der Honorarprofessor für Gewerbehygiene an der Charlottenburger Hochschule, Benno Chajes, an Kultusminister Haenisch und plädierte für Schmidt, „da er einen Gewinn für die Stärkung des schwachen fortschrittlichen Flügels unter der überaus reaktionären Lehrerschaft der Technisch. Hochschule bedeuten würde.“319 Die Angelegenheit zog sich noch bis 1925 hin und kam mit der Berufung des zuständigen Ministerialreferenten Heinrich Aumund auf den Lehrstuhl zu einem eigenartigen Abschluss.320 Sicher suchte die Abteilung nicht allein aus Gründen der Besitzstandswahrung die Auflösung des Lehrstuhls zu verhindern. Vielmehr deutet diese Episode an, dass sich die zunehmende Differenzierung und Spezialisierung der Fächer zwar in Denkschriften trefflich beklagen, praktisch jedoch nicht rückgängig machen ließ.321 Das zentrale Problem all jener Punkte der Reform, die auf die Erweiterung des Fächerspektrums zielten, war die Finanzierung. In einem Schreiben der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften an das Kultusministerium im August 1920 beantragte diese unter anderem ein Ordinariat für Philosophie, eines für Geschichte und eins für Versicherungswesen. Die Begründung war entsprechend der bereits angeführten Argumente formuliert: Es sollten „nicht nur brauchbare Ingenieure, sondern auch Kulturmenschen mit geistigem Innenleben und Männer mit 316 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. I, 12. Juli 1919 (ohne Paginierung). Auch der Studierendenausschuss der Abteilung reichte eine entsprechende Eingabe ein (vgl. ebd., 8. Juli 1919). 317 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. I, 29. September 1919 (ohne Paginierung). 318 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. I, 21. Juni 1920 (ohne Paginierung). 319 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. I, ohne Datum (ohne Paginierung). 320 Nachdem im März 1925 wiederum Gutachten zu Schmidt eingeholt worden waren (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. II (ohne Paginierung)), setzte die nunmehrige Fakultät für Stoffwirtschaft Aumund auf Listenplatz eins (vgl. ebd., 10. Juli 1925). Inwieweit das Ministerium auf die Erstellung der Liste Einfluss genommen hat, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Aumund erhielt seine Bestallung zum 17. Dezember 1925 und am gleichen Tag wurde Schmidt außerordentlicher Professor. Drei Jahre später wurde er zum persönlichen Ordinarius ernannt und übernahm 1935 nach der Emeritierung Aumunds doch noch den Lehrstuhl Vater (vgl. Ebert, Expulsion, S. 168, Anm. 51). 321 Langewiesche nennt das Kritisieren der Spezialisierung in der Wissenschaft eine „Dauerklage bis heute“ (Langewiesche, Rektoratsreden, S. 48). 136 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 staatsbürgerlichem Empfinden“322 ausgebildet werden. In den Akten findet sich eine Vielzahl entsprechender Anträge des Kultusministeriums an das Finanzministerium, die dort jedoch regelmäßig mit Hinweis auf die Haushaltslage abgelehnt wurden.323 Der Kultusminister konnte sich nicht durchsetzen und wies nur immer wieder darauf hin, dass „der Grundsatz, keine neuen Stellen zu schaffen, für wachsende […] Organismen, wie es die Technischen Hochschulen sind, von geradezu katastrophaler Wirkung“324 sei. Die Entschließung, die der Verband Deutscher Diplom-Ingenieure (VDDI) auf seiner Jahrestagung 1926 fasste, illustriert das nur langsame Fortkommen der Reformen. Der VDDI forderte, dass „die Technischen Hochschulen die Ausbildung von Wirtschaftern auf der Grundlage einer tiefgehenden allgemeinen technischen Bildung vornehmen, wozu entsprechende zusammenfassende Vorlesungen geschaffen werden müssen.“325 Auf der Hochschultagung 1928 in Dresden, an der unter anderem Vertreter des Verbandes technisch-wissenschaftlicher Vereine, des Deutschen Ausschuss für technisches Schulwesen und des Vereins Deutscher Ingenieure teilnahmen, stand das Reformthema wiederum auf der Tagesordnung. Neben den üblichen Reformfragen sprach Ministerialrat Otto von Rottenburg, der das preußische Kultusministerium vertrat, auch die Überfüllung der Hochschulen an. Aufnahmeprüfungen oder andere Studienbeschränkungen lehnten die Tagungsteilnehmer jedoch ab, da „die Überfüllung im Jahre 1933 infolge des Rückgangs der Geburtenzahlen von selber aufhören werde.“326 In seinem Bericht über die Tagung gibt Rottenburg die Diskussionszusammenfassung des Charlottenburger Professors George Henry de Thierry folgendermaßen wieder: „Das Spezialistentum sei zu bekämpfen; wirtschaftliche Gesichtspunkte müßten überall berücksichtigt werden […] Die Ingenieure müßten eine bessere Allgemeinbildung erhalten, aber auch die Technik müsse in die allgemeine Bildung des Volkes übergehen. Die Überfüllung werde mit der Zeit voraussichtlich von selber schwinden. Die Schulen müßten die Studierenden auf die Hochschule besser vorbereiten. Die Kolleggeldfrage sei eine ernste und müsse 322 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. IV, Bl. 14, August 1920. 323 Vgl. u. a. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XII, Bl. 275–280, 25. September 1920; ebd., Bl. 289–293, 17. Januar 1921; ebd., Bl. 304–306, 28. Juli 1921; ebd., Bl. 366f., 30. Juli 1923; ebd., Bl. 369–373, 3. August 1923; ebd., Bl. 377, 26. September 1923; ebd., Bd. XIII, Bl. 2f., 3. August 1925; ebd., Bl. 5, 5. August 1925; GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 364–367, 19. Juli 1928. Vgl. auch Düwell, Neugestaltung, S. 238ff. 324 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 256, 5. Oktober 1927. Düwell, Neugestaltung, S. 239, zitiert ein Schriftstück des Kultusministeriums, in dem von der „Bildungsfeindlichkeit des preußischen Finanzministers“ die Rede ist. 325 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 2 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 24, 18. September 1926. Vgl. auch die Zustandsanalyse, die der Charlottenburger Professor Friedrich Romberg auf der folgenden Jahrestagung des VDDI vortrug, ebd., Bl. 105–116, 1. Oktober 1927. Ähnlich ist Rombergs Denkschrift „Hochschulreform. Ihre praktische Durchführung im Maschinenbau“ von 1928 (vgl. Romberg & Steinmetz, Fragen, S. 7–32). Vgl. auch Predeek, Berlin, S. 41. 326 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 2 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 154, 1. Dezember 1928. 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften, 1918 bis 1933 137 einmal gelöst werden. Die Forschungsinstitute der Hochschulen müßten ausgebaut werden.“327 Wesentliche Kritikpunkte, die schon Riedler, Gümbel oder Brabbée ein Jahrzehnt früher geäußert hatten, waren offensichtlich noch immer nicht gelöst. Allerdings wäre es falsch, eine gänzlich negative Bilanz zu ziehen. Im Jahre 1922 führte Kultusminister Otto Boelitz eine Fakultätsstruktur ein, die er gegenüber den anderen Staatsministern ausdrücklich damit begründete, dass dadurch „die Gleichstellung der Technischen Hochschulen und Universitäten deutlicher hervorgehoben“328 werde. In Charlottenburg bestanden seitdem vier Fakultäten: für Allgemeine Wissenschaften, für Bauwesen, für Maschinenwirtschaft sowie für Stoffwirtschaft. Innerhalb dieser Fakultäten existierten die früheren Abteilungen weiter und behielten eine gewisse Selbständigkeit. Ebenso erhielten der akademische Mittelbau und die Studierenden gewisse Mitwirkungsrechte in den Gremien der Hochschulen. Die relativ schnelle Umsetzung dieser Reformpunkte hing wohl nicht zuletzt damit zusammen, dass sie keine finanzielle Mehrbelastung für den preußischen Staat bedeuteten. Darüber hinaus waren es gerade die Fakultäten für Allgemeine Wissenschaften, die von den Reformen profitierten. Schon 1921 verfügte der Kultusminister, „dass die preussischen Technischen Hochschulen für die Ausbildung der Lehrer mathematisch-naturwissenschaftlicher Fachkräfte an höheren Schulen den Universitäten gleichgestellt werden.“329 Neben den Lehramtsstudiengängen konnten seit 1924 auch Diplomstudiengänge eingerichtet werden, was zu einem deutlichen Anstieg der Studierendenzahlen an der Abteilung führte.330 Außerdem lässt sich auch ein Ansehensgewinn der Allgemeinen Wissenschaften erkennen, den man für Charlottenburg anhand der Inhaber physikalischer Lehrstühle gut illustrieren kann: Als Otto Krigar-Menzel 1903 etatmäßiger Professor wurde, blieb er weiterhin Privatdozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität; Heinrich Rubens verließ 1906 die Hochschule, um Ordinarius an eben dieser Universität zu werden; Friedrich Dolezalek war vor seiner Berufung 1907 außerordentlicher Professor an der Universität Göttingen gewesen; Max Volmer, der 1922 auf den inzwischen an die Abteilung für Chemie und Hüttenkunde verlegten Lehrstuhl für Physikalische Chemie berufen wurde, war zuvor Ordinarius an der Universität Hamburg331; Gustav Hertz schließlich, der 1928 einen Ruf an die Technische Hochschule annahm, war erst zwei Jahre vorher auf eine ordentliche Professur an der Universität Halle berufen worden und hatte 1925 327 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 2 Tit. I Nr. 10, Bd. I, Bl. 154, 1. Dezember 1928. 328 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. IV, Bl. 87, 10. April 1922. Vgl. auch Düwell, Neugestaltung, S. 241; Wittwer, Hochschulpolitik, S. 319. 329 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 304, 28. Juli 1921. Die entsprechenden Erlasse wurden am 30. Juni und am 5. Juli 1921 herausgegeben. Vgl. Düwell, Neugestaltung, S. 235f. 330 S. o., S. 80. Vgl. auch Rürup, Grundzüge, S. 24. 331 Vgl. Herrmann, Universität, S. 39: „Schließlich wurde mit Max Volmer aus Hamburg ein bedeutender Forscher an die TH berufen, der mit seinen vielseitigen Arbeiten u. a. selbst mit einem Walter Nernst konkurrieren konnte.“ 138 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 zusammen mit James Franck den Nobelpreis für Physik erhalten.332 Die Berufung seines Nachfolgers Hans Geiger, der Ordinarius in Tübingen war, ist ein weiterer Beleg für die zunehmende Konkurrenzfähigkeit der Charlottenburger Hochschule.333 Auch die Wirtschaftswissenschaften erfuhren in der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften eine gewisse Förderung, die jedoch weit hinter Aumunds Projekt einer Hochschule für Technik und Wirtschaft zurückblieb. Eine eigene Fakultät für Volks- und Einzelwirtschaft, die das Kultusministerium 1922 für Berlin angekündigt hatte, kam nicht zustande.334 Allerdings wurde der seit 1897 bestehende Lehrstuhl für Nationalökonomie 1925 durch einen für Betriebswirtschaft ergänzt. Auch hier wird deutlich, dass die Finanzierung die letztlich entscheidende Frage war: Es wurde keine eigentlich neue Stelle geschaffen, vielmehr wurde die nach der Emeritierung von Carl Cranz erledigte Professur für Technische Physik und Ballistik umgewidmet.335 Der aus Köln auf diesen Lehrstuhl berufene Willi Prion konzipierte den im Jahre 1927 eingeführten Diplomstudiengang für Wirtschaftsingenieure.336 Verglichen mit den Wirtschaftswissenschaften erging es den Rechts- und Geisteswissenschaften bedeutend schlechter. Die Einführung mehrerer Lehrstühle war geplant, wurde aber im Finanzministerium wiederholt abgelehnt. Für die Professur Wirtschafts- und Arbeitsrecht hatte die Fakultät 1926 bereits eine Vorschlagsliste unterbreitet, die der zuständige Referent im Kultusministerium mit dem Vermerk versah: „Die Prof. besteht an sich noch nicht.“337 Da neue Stellen nicht durchsetzbar waren und erledigte Professuren in der Regel nicht umgewidmet werden konnten, musste sich die Hochschule mit einigen Lehraufträgen begnügen. Beispielsweise wurde 1919 einer für Sozialistische Theorien genehmigt – 332 Vgl. Cassidy, Institut, S. 374. Für Rürup symbolisieren der Neubau des physikalischen Instituts und die Berufung Hertz’ die Gleichrangigkeit der TH mit der Universität „auch im Bereich der Forschung“ (Rürup, Grundzüge, S. 24). Westphal, der seinerzeit selbst außerordentlicher Professor am Physikalischen Institut war, schrieb im Rückblick: „Alsbald nach dem Amtsantritt von Hertz begann am Institut ein ungewöhnlich reges und vielseitiges physikalisches Leben, das dem Institut eine große Anziehungskraft auf den Nachwuchs verlieh und die Hochschule bald zur größten Physikerausbildungsstätte Deutschlands machte“ (Westphal, Institut, S. 556, Hervorhebung im Original). 333 In einem Schreiben an die Universität Tübingen begründete Geiger seine Entscheidung damit, dass „dem Physiker der enge Kontakt mit der Technik, der nur in der Großstadt möglich ist, eine Bereicherung bedeutet, und daß ihm die Leitung eines neu erbauten großen Instituts eine besonders reizvolle Aufgabe ist.“ Eine gewisse Ernüchterung trat bald ein: „Leider hat sich herausgestellt, daß das hiesige Institut in apparativer Hinsicht weit hinter dem Tübinger zurücksteht. Selbst Apparate, die nach allgemeinem Urteil zum Grundbestand eines arbeitsfähigen Institutes gehören, fehlen hier ganz“ (beide Zitate bei Swinne, Geiger, S. 76). 334 Vgl. Düwell, Neugestaltung, S. 242. Ausführlich zur Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften an der TH Charlottenburg vgl. Ebert, Wirtschaftsingenieur, bes. S. 357ff. Nach Ebert kann die Hochschule Mitte der zwanziger Jahre „hinsichtlich der engeren Wirtschaftswissenschaften als leidlich ausgebaut gelten“ (ebd., S. 357). 335 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XII, Bl. 439, 8. Dezember 1924. 336 Vgl. Ebert, Wirtschaftsingenieur, S. 358f. 337 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 273, 17. Dezember 1926. 2.4 Technik, Wirtschaft, Geisteswissenschaften, 1918 bis 1933 139 die Initiative dazu ging nicht von der Hochschule, sondern vom Ministerium aus – und 1925 einer für Philosophie.338 Darüber hinaus galt für die gesamte Zeit der Weimarer Republik eine Bemerkung des Kultusministeriums aus dem Jahre 1921: „In Berlin und Breslau wird man sich zur Not wenigstens für den Augenblick mit einer engeren Zusammenarbeit mit den dortigen Universitäten behelfen können.“339 In Berlin scheiterte dies nicht zuletzt an der räumlichen Entfernung der beiden Hochschulen. Insgesamt kann man mit Rürup von einer „steckengebliebenen Hochschulreform“340 sprechen, die in erster Linie wegen Finanzierungsschwierigkeiten nicht weiter vorankommen konnte.341 Weniger öffentlich als die Diskussion über den Ausbau der Hochschule im Bereich der Wirtschafts- und Geisteswissenschaften existierten auch Pläne für eine Erweiterung in eine ganz andere Richtung. Mit der erwähnten Übernahme des Ballistischen Laboratoriums und seines Leiters Carl Cranz an die Hochschule im Jahre 1920 fasste hier eine letztendlich militärische Forschungs- und Ausbildungseinrichtung Fuß.342 Seit Sommer 1921 kommandierte die Reichswehr jeweils eine kleine Gruppe aktiver Offiziere zum Studium bei Cranz ab.343 Nach seiner Emeritierung 1925 blieb er auch weiterhin Leiter des Laboratoriums, seine Professur jedoch wurde für den Betriebswirtschaftler Willi Prion umgewidmet. Schnell setzten daraufhin Bemühungen ein, die Technische Physik wieder mit einem ordentlichen Lehrstuhl an der Hochschule zu etablieren. Dies stieß auf verschiedene Schwierigkeiten. In Aussicht genommen war, in Abstimmung mit der Reichswehr, der Ingenieur bei der Firma Krupp, Eduard von Eberhard. In einem persönlichen Schreiben teilte Gustav Krupp von Bohlen und Halbach Ministerialrat Rottenburg mit: „Wir haben der Militärbehörde vorgeschlagen, uns mit M 3,000.- an dem Gehalt des Herrn von Eberhard zu beteiligen, solange die militärischen Stellen ihrerseits einen Beitrag leisten. 338 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XII, Bl. 125, 19. Januar 1919; ebd., Bl. 153, 20. März 1919; ebd., Bl. 204, 7. Juli 1919 und GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 3, 28. April 1925. 339 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XII, Bl. 292, 17. Januar 1921. August Hertwig, von 1923 bis 1937 und von 1946 bis 1951 Ordinarius in Charlottenburg, zog 1950 eine weitgehend negative Bilanz hinsichtlich der Geisteswissenschaften an der TH: Das Ziel, „ganze Menschen“ zu bilden sei nicht erreicht worden und „nur wenige Studenten kümmerten sich um die sog. Allgemeinbildenden Fächer“ (Hertwig, Wandel, S. 17). 340 Rürup, Grundzüge, S. 23. 341 Vgl. auch Düwell, Neugestaltung, S. 243f. und Wittwer, Hochschulpolitik, S. 321f. 342 Schon im Vorfeld der Gründung der Militärtechnischen Akademie (MTA) 1903, zu der das Institut Cranz ursprünglich gehört hatte, gab es Überlegungen, an der TH eine militärtechnische Ausbildung einzurichten (vgl. Ciesla, Meister, S. 275). Zur MTA vgl. kurz Wefeld, Ingenieure, S. 288ff. Ciesla bezeichnet das Ballistische Laboratorium als „Herzstück der MTA“ (Ciesla, Meister, S. 276). 343 Vgl. Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 470: „Die genaue Zahl der Ingenieur-Offiziersabsolventen der TH während der Weimarer Republik ist nicht bekannt. Sie kann allerdings nicht besonders hoch gewesen sein.“ Vgl. auch Ciesla, Meister, S. 273. 140 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Wir haben uns auch bereit erklärt, uns mit einem Beitrag von 20% an der Pension zu beteiligen.“344 Das Militär hingegen konnte eine Kostenübernahme nur jeweils für kürzere Zeiträume garantieren. Nach Rücksprache mit der Marine schrieb Eberhard an das Kultusministerium „Um etatsrechtliche Schwierigkeiten, Erklärungen im Reichstagsausschuß über den eigentlichen Zweck der Stelle aus leichtverständlichen Gründen zu vermeiden, müßten die Beiträge aus einem anderen Fond entnommen werden, so daß eine Festlegung auf Jahre hinaus unmöglich sei.“345 Ein weiteres Problem bestand darin, dass der zuständige Mitarbeiter bei der Reichswehr, der spätere Dekan der Wehrtechnischen Fakultät Karl Becker, selbst Interesse an dem Lehrstuhl an der Charlottenburger Hochschule hatte. Allerdings musste er sich „belehren lassen, daß er für diese Aufgabe nicht genügend vorgebildet sei, und der persönlich sehr ehrgeizige Mann hat die Enttäuschung noch nicht verwinden können.“346 Eberhard nahm an, dass Becker nun seine Berufung behindere. Das Reichswehrministerium informierte im Juli 1927 schließlich den Kultusminister, dass in der Angelegenheit „unüberwindliche Schwierigkeiten“347 bestünden, worauf dieser beim Finanzministerium die Etatanmeldung zurückzog. Die Episode um Eberhard stellt ein frühes Beispiel für den Versuch dar, im Interesse der Rüstung eine Kooperation zwischen dem militärischen, dem industriellen und dem akademischen Bereich zu etablieren und einheitlich zu koordinieren. Diese Bemühungen setzte Karl Becker während des „Dritten Reiches“ als Dekan der Wehrwissenschaftlichen Fakultät, als Vorsitzender des Reichsforschungsrates (RFR) und als Chef des Heereswaffenamtes (HWA) fort, scheiterte jedoch letztlich wiederum.348 344 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 113, 11. September 1926. 345 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 111, 11. September 1926. Das Interesse der Reichswehr in dieser Frage ist im Zusammenhang mit den seit 1924 entwickelten Plänen zur Wiederaufrüstung zu sehen, vgl. Ciesla, Meister, S. 265. 346 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 114, 14. September 1926. 347 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 236, 27. Juli 1926. Vgl. auch Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 470. Ein weiterer Versuch, die Stelle zu besetzen, scheiterte 1928 ebenfalls (vgl. ebd., S. 488, Anm. 9). Erfolgreicher war die Zusammenarbeit von Militär und KWG: „Tatsächlich waren fast alle einschlägigen Institute der KWG seit Mitte der zwanziger Jahre mit ‚schwarzer‘, d. h. nach den Bedingungen des Versailler Vertrags illegaler Rüstungsforschung befaßt, hatten Offiziere in Zivil die Gelder für diese Forschungsprojekte der Generalverwaltung persönlich überbracht.“ (Hachtmann, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 25). 348 Vgl. Ciesla, Meister, S. 279: „Beckers Versuche, die einheitliche Lenkung der Forschung und Lehre unter Oberhoheit des Heeres durchzusetzen, scheiterten kläglich.“ Vgl. auch Ludwig, Technik, S. 222. Hachtmann, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 26, weist auf ähnliche Überlegungen Albert Vöglers hin, des späteren KWG-Präsidenten. Ciesla sieht Beckers Konzept, „die ‚akademische‘ Komponente im militärisch-industriellen Rüstungssektor des ‚Dritten Reiches‘ zu etablieren“ als die Grundlage für das System an, welches US-Präsident Dwight Eisenhower 1961 „als Military-Industrial Complex bezeichnete“ und vor dem er in seiner „Farewell Address to the Nation“ eindringlich warnte (ebd., S. 271f., Hervorhebung im Origi- 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 141 2.5 WEHRTECHNIK ALS NEUES ZENTRUM? DIE TECHNISCHE HOCHSCHULE IM „DRITTEN REICH“ 2.5 WEHRTECHNIK ALS NEUES ZENTRUM? 1933 BIS 1945 In seinen „Erinnerungen“ schreibt Albert Speer, in den frühen dreißiger Jahren Assistent des Architekturprofessors Heinrich Tessenow, über diese Zeit: „Unsere Technische Hochschule war inzwischen zu einem Zentrum nationalsozialistischer Bestrebungen geworden.“349 Die Erfolge des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB) bei den Wahlen zum Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) belegen diese Einschätzung. Im Jahre 1928 gewann der NSDStB lediglich vier von 30 Sitzen, 1929/30 schon 14 und im Wintersemester 1930/31 erreichte er mit 20 von 30 eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Zum gleichen Zeitpunkt hatte der Studentenbund an der TH München zwölf von 30 Sitzen inne, in Braunschweig fünf von 20 und in Hannover drei von 20.350 Zusammen mit den Universitäten Erlangen und Greifswald zählte die Berliner Technische Hochschule damit zu den Hochschulen, an denen sich der NSDStB schon früh durchsetzen konnte.351 Die Meinungen darüber, ob die Nationalsozialisten eher an den Universitäten oder eher an den Technischen Hochschulen dominierten, divergieren.352 Eine Summierung der Ergebnisse der AStA-Wahlen zwischen 1928 und 1933 spricht jedoch für ein höheres nationalsozialistisches Potential unter den technischen Studierenden.353 Die sehr unterschiedlichen Ergebnisse an den einzelnen Hochschulen deuten andererseits an, dass letztlich andere Kriterien für das erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Abschneiden des NSDStB entscheidend waren: An den stark von katholischen Verbindungen geprägten Hochschulen in Aachen, Hannover und Stuttgart konnte sich der Studentenbund auch 1932 nicht als stärkste Kraft etablie- 349 350 351 352 353 nal). Becker war seit 1933 Dekan, seit 1937 Präsident des RFR und seit 1938 Chef des HWA. Er beging aus ungeklärten Gründen im April 1940 Selbstmord, vgl. ebd., S. 280f. Speer, Erinnerungen, S. 31. Für Berlin vgl. Gizewski, Studentenschaft, S. 133. Die Wahlbeteiligung in diesen Jahren war rückläufig. Vgl. auch Ebert, Expulsion, S. 157. Im WS 1932/33 verlor der NSDStB einen Sitz. Die Zahl der Sitze für München ist berechnet nach Grüttner, Studenten, S. 496. Für die Hochschulen in Braunschweig und Hannover vgl. Niemann, Spannungsfeld, S. 83. Vgl. Titze, Hochschulen, S. 216 und Rürup, Grundzüge, S. 25. Einen Überblick über die Ergebnisse der AStA-Wahlen an den Universitäten und Technischen Hochschulen zwischen 1928 und 1933 findet sich bei Grüttner, Studenten, S. 496. Auch an der Universität Breslau lag der Anteil des NSDStB 1930 bereits bei 70 Prozent, allerdings bei geringer Wahlbeteiligung (vgl. ebd., S. 57). Vgl. Seier, Hochschulpolitik, S. 72, der die Ansicht vertritt, dass die Studenten an den THs sich der NSDAP „zögernder als an den Universitäten“ zuwandten. Ebenso urteilt Ludwig, Technik, S. 105. Vgl. auch Wengenroth, Aufruhr, S. 220: „Die Wortführer unter den rechtsradikalen Münchner Studenten kamen weniger von der TH als von der Universität.“ Vgl. dagegen Grüttner, Studenten, S. 59: „Wie die Analyse der Mitgliederstruktur des NSDStB ergab, verfügte der Studentenbund an den Technischen Hochschulen über wesentlich mehr Anhänger als an den Universitäten.“ Grüttner zitiert ebd., auch einen „nationalsozialistisch[en] Aktivist[en]“ der Münchner Universität, der die dortige TH als einen „gewissen Hort“ bezeichnet. Vgl. Grüttner, Studenten, S. 56. In der Summe erzielte der NSDStB an den THs stets bessere Ergebnisse als an den Universitäten (vgl. ebd., Tab. 2). 142 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 ren.354 Da insgesamt der Anteil der Katholiken unter den Studierenden der Technischen Hochschulen geringer war als unter denen der Universitäten, liegt hier ein Erklärungsansatz für die dort höheren Stimmenanteile des Studentenbunds. Hinzu kommt, dass an den Technischen Hochschulen der Anteil der Frauen geringer war, die an den Universitäten ebenfalls seltener den NSDStB wählten.355 Die Unterstützung für die NSDAP beschränkte sich in Charlottenburg jedoch keineswegs auf die Studierenden. Auch unter den Ordinarien der Hochschule fanden sich früh Sympathisanten. Der Professor für Elektromaschinenbau Max Kloß zählte zu den Unterzeichnern eines Wahlaufrufes für Adolf Hitler, der am 3. April 1932 im Völkischen Beobachter erschien.356 Sein Engagement vermerkte Kloß auch im Fragebogen für die Kartei aller Hochschullehrer: Er sei „1932 für Hitlers Ideen in der T.H. eingetreten, ohne eingeschriebenes Mitglied der Partei zu sein.“357 Von den bereits vor 1933 berufenen Ordinarien war der Professor für Fernmeldetechnik Rudolf Franke der erste, der in die NSDAP eintrat, am 1. Dezember 1932. Er hatte bereits zu den Unterzeichnern des „Aufrufs der 51“ gezählt, publiziert zwei Tage vor der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932.358 Waren es in den Wahlaufrufen von 1932 nur jeweils ein oder zwei Charlottenburger Professoren, welche Hitler und die NSDAP unterstützen, lag die Zahl 1933 deutlich höher. Unter den Unterzeichnern des Aufrufs vom 3. März 1933 finden sich 13 aktive Ordinarien der Technischen Hochschule.359 Bezieht man auch die übrigen Dozenten in das Bild ein, so unterstützten 1932 mit 37 von insgesamt 410 Hochschullehrern bereits knapp zehn Prozent des Lehrkörpers öffentlich die Partei Hitlers.360 Offenes Auftreten gegen die Nationalsozialisten war hingegen selten. Der damalige Prorektor Daniel Krencker versuchte im März 1933 den Privatdozenten Ernst Storm verhaften zu lassen, als dieser auf dem Gebäude der Hochschule eine 354 Vgl. Kalkmann, Aachen, S. 215. In Aachen waren rund 60 Prozent der Studierenden katholisch (vgl. S. 208). 355 Vgl. Grüttner, Studenten, S. 60: „Jene Studentengruppen, die sich nicht oder nur schwer für den Nationalsozialismus begeistern ließen, waren an den Technischen Hochschulen schwächer vertreten als an den Universitäten.“ 356 Vgl. Heiber, Hakenkreuz, Bd. 1, S. 14f. Nach Heiber war Kloß als einziger der Unterzeichner „wirklich aktiver Ordinarius“ (S. 15). Kloß findet sich neben dem Professor für Wasserbau, Adolf Ludin, auch unter den Unterstützern des erst nach den Landtagswahlen erschienenen Wahlaufrufs vom 30. April 1932 (S. 567). 357 BA L, R 4901/13268, Karteikarte Kloß. 358 Vgl. Heiber, Hakenkreuz, Bd. 1, S. 567. Auch der Hüttenkundler Georg Stauber zählte zu den Unterzeichnern. 359 Es handelt sich dabei um Robert Durrer, Wilhelm Eitel, Rudolf Franke, Heinrich Gröber, Heinrich Hanemann, Josef Hanner, Max Kloß, Adolf Ludin, Oskar Niemczyk, Erich Riebensahm, Friedrich Romberg, Georg Stauber und Albert Weiß. Mindestens weitere neun Unterzeichner – Ernst Biesalski, Otto Birkenstock, William Guertler, Ernst Kirst, Arthur Mäkelt, Leo von zur Mühlen, Otto Poppenberg, Ernst Storm und Friedrich Drescher-Kaden – wurden nach 1933 auf einen ordentlichen Lehrstuhl in Charlottenburg berufen. Ob es sich bei dem von Heiber weiterhin genannten „Prof. Dr. Müller, Berlin“ um den Charlottenburger Wilhelm Müller handelt, ist nicht klar. Als einziger Emeritus unterzeichnete Oswald Flamm (vgl. Heiber, Hakenkreuz, Bd. 1, S. 568ff.). 360 Vgl. Ebert, Expulsion, S. 157. 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 143 Hakenkreuzfahne hissen wollte. Auch legte er bei Reichserziehungsminister Bernhard Rust Protest gegen die Durchsuchung der Diensträume Professor Georg Schlesingers ein, der als einer der ersten jüdischen Dozenten der Hochschule beurlaubt und entlassen wurde. Krencker beschwerte sich besonders darüber, dass auch Studierende an der Durchsuchung beteiligt waren, betonte, dass Schlesinger „zu den hocherfahrenen, in seinem Fache fast unersetzbaren besten Kräften des Lehrkörpers“ zähle und verlangte darüber hinaus, dass SA- oder SS-Männer „klare unzweideutige Ausweise seitens der Polizeiverwaltung“361 erhielten, wenn sie an Ermittlungen beteiligt seien. Von Anfang an war Krencker auch gegen den NSDStB aufgetreten, so dass Willi Willing als Führer der Dozentenschaft 1934 beim Rektor seine Dienstentlassung beantragte.362 Allerdings blieb Krencker bis zu seiner Emeritierung 1939 im Amt, und im Kontext der Wiederbesetzung schrieb der gleiche Willing an das Reichserziehungsministerium (REM): „Nach der Machtübernahme wurde ich selbst mehr als einmal von alten Parteigenossen angegriffen, weil ich die Hochschule nicht von der ‚Systemgröße Krencker‘ befreite. Ich habe mich aber schützend vor Krencker gestellt, da ich persönlich die Anschauung vertrat, daß Krencker ein anerkannter Wissenschaftler ist und man ihm bei seinem Alter seine politischen Entgleisungen nicht übelnehmen dürfe.“363 Genauso deutlich, allerdings weniger öffentlich, kritisierte Gabriel Becker, Professor für Kraftfahrzeuge und Leichtmotoren, die NS-Politik. Nach einem längeren Aufenthalt in den USA wurden ihm bei seiner Rückkehr im Mai 1933 der Fragebogen über die Rassenzugehörigkeit seiner Großeltern vorgelegt. Sein Assistent, Dr.-Ing. Alfred Kauffmann, war bereits wegen jüdischer Abstammung entlassen worden. Becker erklärte daraufhin den Verzicht auf seine Professur und 361 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. II, Bl. 269f., 18. März 1933. Bezüglich SA und SS teilte Krencker außerdem mit: „Heute früh erschien z. B. ein S.A.-Mann in Uniform und verlangte ohne besonderen Ausweis das Recht zur Untersuchung eines Tisches in einem Saal der Hochschule, der einem Kommunisten gehören sollte. Als er keinen Ausweis vorlegte und ich meinerseits die Genehmigung ablehnte, nahm er von seinem Begehren Abstand“ (Bl. 270). Gegen die Hinzuziehung der Studierenden protestierte er in einem gesonderten Schreiben einige Tage später. Diese Tatsache, schrieb Krencker, sei „für die Disziplin unserer Hochschule so unerträglich, daß ich glaube, sie dem Herrn Minister nachträglich mitteilen zu müssen“ (ebd., Bl. 260, 22. März 1933). Schlesinger wurde vorgeworfen, „im Zusammenhang mit umfangreichen UdSSR-Geschäften […] Hochverrat begangen zu haben“ (Benad-Wagenhoff, Schlesinger, S. 112), er wurde jedoch im November 1933 aus der Haft entlassen, da sich die Anschuldigungen als haltlos erwiesen hatten und emigrierte daraufhin (vgl. ebd., sowie Ebert, Expulsion, S. 166 und BA L, R 4901/12877, Bl. 103f., 17. Januar 1939). Grüttner, Studenten, S. 63, bezeichnet die Studierenden, „die häufig schon auf eine mehrjährige Tätigkeit im Dienste der Partei hinweisen konnten“ als „Motor der Gleichschaltung“ an den Hochschulen. 362 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 1, Beiheft, 8. März 1934 (ohne Paginierung). In dem Antrag heißt es: „Ein Rektor, der sich in der Art und Weise gegen den nationalsozialistischen Stundentenbund und somit gegen den Nationalsozialismus gewandt hat, ist im nationalen Staat nicht möglich.“ 363 BA L, R 4901/14927, Bl. 15, 24. April 1940. Zu Krencker vgl. auch Ebert, Expulsion, S. 157. Über Krencker hält Speer fest, dass er ihn genauso wie Tessenow „sehr schätzte“ (Speer, Erinnerungen, S. 27). 144 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 erläuterte diesen Schritt in einem ausführlichen Schreiben an das Kultusministerium. Er wies unter anderem darauf hin, dass Kauffmann mit ihm „an den nach meinen Patenten und Ideen fuer die Reichsmarine gebauten Hochleistungs-Torpedomotoren“ mitgearbeitet hätte und stellte mit Blick auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums fest: „Die uebergeordnete Wirkung dieses Gesetzes ueber staatliche Dienstvertraege zerstoert das Vertrauen und die Zuversicht zu staatlichen Bindungen.“ Weiter schrieb Becker: „Es gelingt mir menschlich nicht, mich mit den besonderen Haerten des Gesetzes abzufinden, welche deutsch geborenen und deutsch gesinnten Staatsbuergern juedischer Abstammung gleiches staatsbuergerliches Recht entziehen.“ Das Schreiben Beckers trägt den Bleistiftvermerk „Sofort entlassen.“364 Trotz dieser Einzelbeispiele erscheint es durchaus gerechtfertigt, die Technische Hochschule Berlin als „nationalsozialistische Hochburg“365 zu bezeichnen. Dem entspricht, dass mit rund 25 Prozent der Anteil der nach 1933 entlassenen Hochschullehrer deutlich über dem Durchschnitt der Technischen Hochschulen lag.366 364 Alle Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. II, Bl. 280–285, 18. Mai 1933. Erst kurz zuvor war es der preußischen Kultusverwaltung gelungen, Becker zur Rückkehr auf seinen Lehrstuhl zu bewegen, den er aus Protest gegen die Preußische Sparverordnung vom 12. September 1931 aufgegeben hatte, da aufgrund dieser der Großteil der Einnahmen der von ihm geleiteten Versuchsanstalt für Verbrennungsmaschinen und Kraftfahrzeuge an den Staat abzuführen waren. Da die Versuchsanstalt jedoch praktisch ohne staatliche Zuschüsse finanziert wurde – neben dem von der Hochschule angestellten Becker, einem Oberingenieur und zwei Assistenten waren weitere 35 Mitarbeiter privat angestellt – gefährdete dies laut Becker den Fortbestand des Laboratoriums. Das Kultusministerium ermöglichte schließlich eine Ausnahmeregelung für das Institut und Becker wollte sein Lehramt zum 1. November 1933 wieder aufnehmen (vgl. u. a. ebd., Bl. 114–118, 31. Oktober 1931; Bl. 141–146, 8. Dezember 1931; Bl. 156–159, 31. Dezember 1931; Bl. 217f., 9. Juni 1932; Bl. 247f., 27. Januar 1933; Bl. 256, 20. Februar 1933). Eine ähnliche Argumentationslinie wie Becker verfolgte die medizinische Fakultät der Heidelberger Universität, die im April 1933 gegen die Entlassung jüdischer Kollegen protestierte: „The central plea […] was for the protection of legality and the integrity of the civil service“ (Remy, Heidelberg, S. 18). Auch dieser Protest war jedoch eine Ausnahme (vgl. ebd.). 365 Titze, Hochschulen, S. 234. Vgl. auch Ebert, Expulsion, S. 170: Die TH Berlin „was in the forefront of the movement that led to the National Socialist take-over of the universities and higher education.“ 366 Vgl. Seier, Hochschulpolitik, S. 73, der von durchschnittlich zehn bis 20 Prozent an den THs ausgeht. Titze, Hochschulen, S. 226, gibt für die Jahre 1933–36 für die THs 10,7 Prozent an. Nach Ebert, Expulsion, S. 160, wurden in Charlottenburg bis 1934 insgesamt 94 akademische Lehrer entlassen. Insgesamt waren die THs von den Entlassungen weniger betroffen als die Universitäten, an denen nach Titze bis 1936 16,6 Prozent des Lehrkörpers entlassen wurde (Titze, Hochschulen, S. 226). Insgesamt geht Titze davon aus, dass während des „Dritten Reiches“ ein Drittel der Hochschullehrer aus rassischen und politischen Gründen entlassen wurden (S. 225). Grüttner & Kinas, Vertreibung, S. 147, haben für die Universitäten – Technische Hochschulen blieben unberücksichtigt – eine „Verlustquote“ von knapp 20 Prozent errechnet, wobei die Bandbreite von vier Prozent in Tübingen bis 36,5 Prozent in Frankfurt am Main reichte (ebd., S. 140). Zur Rechtsgrundlage der Entlassungen vgl. Fijal, Rechtsgrundlagen, bes. S. 106ff. 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 145 Unter den Ordinarien traf dies neben den schon erwähnten Georg Schlesinger und Gabriel Becker den Nationalökonomen Goetz Anton Briefs und den Statiker Hans Reißner. Alle vier emigrierten und konnten im Ausland an verschiedenen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ihre Arbeit fortsetzen.367 Vorzeitig emeritiert wurden im Jahre 1935 Hugo Wach, Professor für Ornamentzeichnen, und Heinrich Aumund.368 Obwohl Mitglied der NSDAP, wurde Karl Willy Wagner, Professor für Schwingungslehre, 1936 entlassen, da er weiterhin jüdische Mitarbeiter am Heinrich-Hertz-Institut beschäftigte; die Einrichtung selbst wurde umbenannt in Institut für Schwingungsforschung. Im gleichen Jahr musste Richard Becker, Professor für Theoretische Physik, die Hochschule verlassen und nahm unter Androhung von Zwangsversetzung einen Ruf nach Göttingen an. Sein Lehrstuhl wurde aufgelöst.369 Bereits ein Jahr zuvor hatte der Nobelpreisträger Gustav Hertz, der in den Augen der Nationalsozialisten als „Vierteljude“ galt, seine Ämter niedergelegt. Allerdings blieb er in Berlin, erhielt eine Entlassungsurkunde „mit grosser Dankesformel“370, und Siemens stellte ihn als Leiter eines firmeneigenen Forschungsinstituts ein. Zudem beantragte die Hochschule, Hertz zum Honorarprofessor zu ernennen, was mit Zustimmung des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring auch geschah. Noch im Jahre 1939 weigerte sich Rektor Ernst Storm, Hertz zur Aufgabe der Professur zu bewegen und bestand darauf, dass er der Hochschule erhalten bliebe. Dieser Auffassung schlossen sich schließlich auch die Referenten im REM an. In einem internen Vermerk heißt es dort: „Nach meiner persönlichen Kenntnis ist H. ein wertvoller und anständiger Mensch, ein ausgezeichneter Wissenschaftler (Nobelpreisträger 1926), Kriegsteilnehmer, schwer verwundet (Bauchschuss), der s. Zt. von sich aus freiwillig aus seiner Professur in Anerkennung der n.s. Bestrebungen an der Hochschule ausgeschieden ist.“371 367 Vgl. Düwell, Emigration, S. 133, der die vergleichsweise geringeren Probleme der Ingenieurwissenschaftler in der Emigration nicht zuletzt auf das hohe Ansehen der deutschen Technischen Hochschulen im Ausland zurückführt. Speziell zur Charlottenburger Hochschullehrerschaft führt er aus: „Im Falle der aus der technischen Hochschule Berlin stammenden emigrierten Wissenschaftler fällt auf, daß sie in den meisten Fällen im Ausland die Hochschullaufbahn fortführen konnten.“ 368 Bei den Verhandlungen um die Nachfolge Krencker argumentierte Dozentenbundführer Willing in seinem Gutachten gegen einen Kandidaten, da der „Jude Wach“ und die „Systemgröße Krencker“ ihn habilitiert hätten (BA L, R 4901/14927, Bl. 14–17, 24. April 1940). Zu Aumund vgl. Ebert, Expulsion, S. 168, Anm. 51. 369 Vgl. Laitko, Wissenschaft, S. 539f. Beckers faktische Versetzung ist im Zusammenhang mit dem „Höhepunkt der Offensive der ‚deutschen Physik‘“ (Cassidy, Institut, S. 376) zu sehen (vgl. ebd., S. 379). 370 BA L, R 4901/13306, 19. Juli 1939 (ohne Paginierung). U. a. hatte sich Johannes Stark, Präsident der DFG und prominenter Vertreter der „Deutschen Physik“, für den Verbleib von Hertz an der TH eingesetzt, um „die vorhandenen sehr kostspieligen Einrichtungen“ des physikalischen Instituts nicht ungenutzt zu lassen (Cassidy, Institut, S. 378). 371 BA L, R 4901/13306, 19. Juli 1939 (ohne Paginierung, Hervorhebungen und Abkürzungen im Original). Hertz selbst formulierte in einem Schreiben an das REM, er sei „der Ueberzeugung, dass ich in allen wesentlichen Erbanlagen durch meine arischen Vorfahren bestimmt 146 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 Im August 1939 wurde die Angelegenheit dem Amtschef Wissenschaft Rudolf Mentzel vorgelegt, eine Entscheidung ist jedoch nicht vermerkt. Hertz ist allerdings auch im Vorlesungsverzeichnis für das Studienjahr 1940/41 noch unter den Honorarprofessoren aufgeführt und blieb bis 1945 in Berlin. Insgesamt verlor die Hochschule also rund zehn Prozent ihrer Ordinarien.372 Die Wiederbesetzung dieser und anderer Stellen führte zu einer weiteren Stärkung der Nationalsozialisten an der Hochschule. Die Berufungen Achim von Arnims (Wehrwissenschaft) und Ernst Storms (Berg- und Volkwirtschaftslehre) im April 1933 sind symptomatisch dafür. In einem Schreiben an das Finanzministerium mit der Bitte um eine Gehaltserhöhung für die mittlerweile zu Rektor und Prorektor ernannten, wies Theodor Vahlen, Referent im REM, ausdrücklich darauf hin: „Beide sind alte Kämpfer der Bewegung und gerade aus diesem Grunde ausgesucht worden.“373 Mit Rudolf Mentzel (Wehrchemie) und Arnold Proebsting (Rechtswissenschaft) erhielten zwei weitere altgediente Parteigenossen einen Ruf nach Charlottenburg; beide waren schon 1925 in die NSDAP eingetreten. Außerdem wurde dem Autor des Parteiprogramms, Gottfried Feder, 1934 eine Honorarprofessur für Raumordnung verliehen.374 bin, was nach den Vererbungsgesetzen durchaus möglich ist“ (ebd., 30. April 1939). Anlass zur Erörterung der Angelegenheit war die Bearbeitung des „Verzeichnisses der am 1. Januar 1938 noch im Dienst befindlichen Hochschullehrer, die Mischlinge oder jüdisch versippt oder mit Mischlingen verheiratet sind“ (ebd., 11. Juni 1938). 372 Während die TH bei Betrachtung des ganzen Lehrkörpers hinsichtlich der Entlassungen über dem Durchschnitt lag, weicht sie hinsichtlich der Ordinarien nicht signifikant ab: Seier, Hochschulpolitik, S. 64, geht reichsweit von elf Prozent der Ordinarien aus. 373 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 13a, Bd. I, 25. Mai 1934 (ohne Paginierung). Vahlen schrieb weiter: „Sie sind mehr, als das früher der Fall war, meine Vertrauensmänner und setzen noch heute ihre politische Tätigkeit zur Befestigung des Staates nach nationalsozialistischen Grundsätzen fort. Sie müssen deshalb nach den vielen Opfern, die sie früher freiwillig gebracht haben, m. E. in ihren Bezügen so gestellt werden, daß sie nunmehr als Rektor und stellvertretender Rektor nicht weiter gezwungen werden, Opfer auf sich zu nehmen, ohne daß der Aufwand an Arbeit und Zeit abgegolten wird.“ Die für den Nationalsozialismus typische Vermischung von Staat und Partei wird hier beispielhaft auf der praktisch-finanziellen Ebene deutlich. Zu Storm vgl. auch Heiber, Hakenkreuz, Bd. 1, S. 554ff. 374 Vgl. Sieg, Strukturwandel, S. 257: „An der Begünstigung von Parteimitgliedern [bei Berufungen] bestand in den ersten Jahren der NS-Herrschaft kein Zweifel.“ Vgl. auch Seier, Hochschulpolitik, S. 73: „In die frei gewordenen Stellen rückte NS-orientierter Nachwuchs ein, dessen Qualifikation nicht immer außer Zweifel stand.“ So scheiterte Mentzel zunächst mit seiner Habilitation in Göttingen, bevor er im Juli 1933 in Greifswald erfolgreich war. Allerdings fiel auch dort das Gutachten wenig schmeichelhaft aus: „Der Verfasser ist Empiriker […] Dort, wo die Ursachen der beobachteten Erscheinungen zur Erörterung gelangen, geschieht dies mit verhältnismäßig primitiven Vorstellungen“ (zit. bei Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 131). Allerdings wäre es eine unzulässige Verallgemeinerung, die während der NS-Zeit an die TH Charlottenburg berufenen Professoren insgesamt als wissenschaftlich zweitrangig zu charakterisieren. Die Berufungen des Experimentalphysikers Hans Geiger 1936 oder des Hochfrequenztechnikers Abraham Esau 1939 illustrieren dies. Ähnlich hält Hachtmann fest, dass aus einzelnen politisch motivierten Berufungen nicht geschlossen werden darf, „daß nach 1933 meritokratische Kriterien […] außer Kraft gesetzt wurden“ (Hachtmann, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 22). 147 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 375 Graphik 10: Anteil der NSDAP-Mitglieder unter den Ordinarien 100% 90% 70 71 71 67 65 65 56 49 48 44 40 39 39 38 38 37 46 43 43 45 44 44 80% 70% 60% 50% 40% 37 30% 38 42 30 20% 20 10% 26 12 NSDAP-Mitglied 19 45 19 44 19 43 19 42 19 41 19 40 19 39 19 38 19 37 19 36 19 35 19 34 19 33 19 32 19 31 19 30 0% nicht NSDAP-Mitglied Auch der wachsende Anteil der Parteimitglieder unter den ordentlichen Professoren der Hochschule veranschaulicht, wie schnell der Einfluss der NSDAP in Charlottenburg wuchs (Graphik 10). Bereits 1934 besaß fast ein Viertel der Ordinarien das Parteibuch. Recht kontinuierlich stieg der Anteil weiter an, bis er sich ab 1940 bei gut 53 Prozent stabilisierte. Leicht unter diesem Spitzenwert lag die Berliner Universität: Im Wintersemester 1942/43 waren dort 47 Prozent der Ordinarien NSDAP-Mitglieder. Die Universitätsordinarien traten aufgrund der zeitweiligen Aufnahmesperre im Wesentlichen in zwei Schüben – 1933 und 1937 – in die Partei ein.376 Seit 1938 waren reichsweit rund 50 Prozent der Ordinarien in der NSDAP, die Charlottenburger Hochschule weicht hier also nicht signifikant vom Durchschnitt ab.377 Betrachtet man den gesamten Lehrkörper der Hochschule, so liegen die Werte noch etwas höher: Im Jahre 1941 gehörten mindestens 57 Prozent zur NSDAP.378 Während der zwölf Jahre des „Dritten Reiches“ nahmen insgesamt 72 Personen einen Ruf auf einen ordentlichen Lehrstuhl in Berlin-Charlottenburg an. Rund 63 Prozent gehörten zum entsprechenden Zeitpunkt bereits der NSDAP an, gut 375 Die Graphik beruht auf der Auswertung der NSDAP-Ortskartei sowie der NSDAP-Zentralkartei. In den Säulen sind die absoluten Werte angegeben. Dabei ist zu beachten, dass einige Parteieintritte nach Lockerung und Aufhebung der Aufnahmesperre auf das Datum des Antrags zurückdatiert wurden. Vgl. beispielsweise Stoff, Arbeitsstätte, S. 15: „Belegt ist, daß [Wilhelm] Eitel seit 1935, rückdatiert auf den Zeitpunkt des Antrages am 1. Mai 1933, Parteimitglied […] war.“ 376 Vgl. Seier, Hochschullehrerschaft, S. 264f. 377 Vgl. Sieg, Strukturwandel, S. 257. 378 Vgl. Ebert, Expulsion, S. 157. 148 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 elf Prozent traten später ein.379 Mit diesen Werten lag die Berliner Hochschule über dem Durchschnitt.380 Ein weiteres Charakteristikum der Charlottenburger Hochschule während des „Dritten Reiches“ waren ihre engen personellen Beziehungen zum Reichserziehungsministerium. Damit setzte sich die Tradition einer gewissen Nähe zur Macht fort, die sich auf personaler Ebene für das Kaiserreich beispielsweise bei Adolf Slaby und für die Weimarer Republik bei Heinrich Aumund zeigen lässt. Mit Heinrich Nipper, Franz Bachér und Rudolf Mentzel arbeiteten drei Charlottenburger Ordinarien an maßgeblicher Stelle im REM; Bachér von 1935 bis 1937 als Leiter der Hochschulabteilung, Nipper von 1937 bis 1945 als Referent für die Technischen Hochschulen sowie Mentzel seit 1934 als Referent für Naturwissenschaften und ab 1939 als Amtschef Wissenschaft. Mentzel war zudem von 1937 bis 1945 Präsident der Deutschen Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung, der heutigen Deutschen Forschungsgemeinschaft.381 Eng waren auch die Verbindungen zum 1937 eingerichteten Reichsforschungsrat (RFR): Karl Becker, Dekan der Wehrtechnischen Fakultät, wurde Präsident, und mit Rudolf Beyschlag als Leiter der Fachsparte Berg- und Hüttenwesen und Adolf Fry als Leiter der Fachsparte Eisen und Stahl standen zwei Charlottenburger Ordinarien 379 Insgesamt 45 der 72 waren bereits Parteimitglieder, acht weitere traten nach ihrer Berufung ein. Die in der Literatur in diesem Zusammenhang mehrfach zitierte Feststellung Eberts, von 200 Berufungsvorschlägen, die während des „Dritten Reiches“ an der TH Charlottenburg gemacht wurden, hätten sich nur fünf auf Kandidaten bezogen, die nicht der NSDAP oder einer NS-Organisation angehörten (vgl. Titze, Hochschulen, S. 234; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 827) beruht auf einem mehrfachen Missverständnis. Eberts Angaben beziehen sich auf ganz Deutschland, und in der Übersetzung seines Beitrags für die Festschrift von 1979 wurde „appointment“ fälschlich mit „Berufungsvorschlag“ anstatt mit „Berufung“ übersetzt (Ebert, Nationalsozialismus, S. 463). Im Original lautet die Passage: „There certainly is no room for doubt as to the political reliability – in the Nazi sense – of all scholars and scientists appointed to university posts in Germany between 1933 and 1944. In fact, the present author has been able to peruse files referring to about 200 such appointments. Only five of the candidates concerned were not members of the Party or one of its affiliated organisations“ (Ebert, Expulsion, S. 167). 380 Vgl. Seier, Universität, S. 157. Von den deutschlandweit zwischen 1937 und 1938 berufenen Ordinarien gehörte die Hälfte nicht zur NSDAP. Vgl. auch Remy, Heidelberg, S. 238: „Membership in the party could enhance a scholar’s prospects, but it was possible to pursue a successful career without it.“ Noch deutlicher als die Charlottenburger Hochschule lag die TH Aachen über dem Durchschnitt: Von den insgesamt 29 Professoren, die zwischen 1933 und 1945 auf einen ordentlichen Lehrstuhl berufen wurden, gehörten nur vier nicht der NSDAP an (vgl. Kalkmann, Aachen, S. 69). 381 Hammerstein betrachtet Mentzel als „eigentlichen Kopf des Ministeriums“ und „einflußreichsten Organisator der Hochschulen, Wissenschaften und gelehrten Institutionen im Dritten Reich“ (Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 130). Ebenso urteilt Flachowsky, Reichsforschungsrat, S. 148. Zu Nipper vgl. auch Kalkmann, Aachen, S. 55f., der ihn als „den aus der Sicht der Nationalsozialisten idealen jungen Hochschullehrer, der sich engagiert für die Partei einsetzte und sich als guter Wissenschaftler einen Namen machte“ bezeichnet (S. 56). Auch der spätere Ordinarius der TH Charlottenburg Willi Willing arbeitete von 1935 bis 1937 im REM, als nebenamtlicher Referent im Bereich Technik der Forschungsabteilung. Gleichzeitig war er als Oberingenieur an der TH tätig. 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 149 an der Spitze von zwei der anfangs 13 Fachgliederungen des RFR. Mit Abraham Esau kam zwei Jahre später ein dritter hinzu.382 Einen Stellenabbau hat es an der Charlottenburger Hochschule während des „Dritten Reiches“ nur unterhalb der Ebene der Ordinarien gegeben. Da dieser jedoch mit schneller sinkenden Studierendenzahlen zusammenfiel, kam es nicht zu einer Verschlechterung der Betreuungsrelation. Zwischen 1933 und 1939 sank die Zahl der Studierenden von 3.653 auf 2.612 und die der Dozenten von 302 auf 250.383 Die Zahl der Ordinarien stieg hingegen auch nach 1933, so dass mit 91 im Jahre 1935 der Spitzenwert während des Untersuchungszeitraums erreicht wurde.384 Zu erklären ist dies damit, dass die Berliner Technische Hochschule während des „Dritten Reiches“ in mehrfacher Weise eine besondere Förderung erfuhr.385 Bereits im Oktober 1933 wurde auf Anweisung Bernhard Rusts die Fakultät für Allgemeine Technologie eingerichtet. Wie erörtert konnte Rust hier auf Vorarbeiten aus der Zeit der Weimarer Republik zurückgreifen.386 Aufgabe der neuen Fakultät sei es, 382 Zum RFR vgl. ausführlich Flachowsky, Reichsforschungsrat, bes. Kapitel 5 und 6. Zur Ernennung der Fachspartenleiter vgl. S. 235ff. Vgl. auch kurz Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 205ff. Fry, Esau und Beyschlag schätzt Hammerstein als „solide, gern die Möglichkeiten der Aufrüstung nützende Fachmänner“ ein. Ausführlich zu Esau vgl. Hoffmann & Stutz, Grenzgänger, zu seinem Wirken in Berlin bes. S. 157ff. Hoffmann & Stutz bezeichnen Esau als einen „führenden deutschen Forschungsmanager im Vorhof der Macht“ (S. 137) und sehen Mentzel und Becker Ende der dreißiger Jahre als die „seinerzeit einflußreichsten Forschungspolitiker des ‚Dritten Reiches‘“ an (S. 157). 383 Vgl. Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 570 und Schröder, Lehrkörperstruktur, S. 605ff. Unter Dozenten sind hier zusammengefasst: außerordentliche Professoren, Honorarprofessoren, Dozenten, Prädikatsprofessoren, Privatdozenten, Lehrbeauftragte und Lektoren. 384 Auch insgesamt waren die Technischen Hochschulen hinsichtlich der Ordinarien kaum von einem Stellenabbau während des „Dritten Reiches“ betroffen: Ihre Zahl sank von 297 auf 294 und ist somit nicht als signifikant anzusehen (vgl. Seier, Hochschullehrerschaft, S. 256). Vgl. auch Sieg, Strukturwandel, S. 259: „Die Ausrichtung der Wissenschaft auf den Krieg führte zu einem Aufschwung der Technischen Universitäten.“ Auch die KWG gehörte hier zu den Profiteuren, vgl. Hachtmann, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 28f. 385 Dies korrespondiert mit den von Hachtmann, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 50, attestierten „wissenschaftlichen Präferenzen des NS-Regimes“, die zu einer „Privilegierung der technikund naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen“ führten, hinter der die „triviale Einsicht“ stand, „daß es neben moderner Wirtschaft und Technik auch Wissenschaften bedarf, die auf der Höhe der Zeit stehen, um erfolgreich Kriege führen zu können.“ 386 In einem Schreiben Rusts an den Reichswehrminister vom April 1933 heißt es: „Vor mehreren Jahren wurde von meinem Sachbearbeiter mit dem damaligen Obersten Becker von der Inspektion für Waffen und Geräte gesprächsweise der Gedanke erörtert, nach dem Beispiel der Technischen Hochschule Zürich eine militärtechnische Fachabteilung an der Technischen Hochschule in Charlottenburg zu errichten. Es wäre zu erwägen, ob eine Verfolgung dieses Gedankens zweckmäßig erscheint. Ich möchte annehmen, daß die Ausbildung an einer Technischen Hochschule derjenigen an einer Spezialanstalt (Militärtechnische Akademie) im allgemeinen überlegen sein dürfte“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. II, Bl. 106, 5. April 1933). 150 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 „diejenigen angewandten und technischen Wissenschaften zu pflegen, die für die Interessen der Allgemeinheit, insbesondere für die Hebung der technischen Leistungsfähigkeit des Gesamtvolkes von besonderer Bedeutung sind.“387 Deutlicher sind die Aussagen in den Aktenvermerken, welche der Gründung vorangingen. So hielt Rottenburg im Juli 1933 fest, in der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften bestünde „bereits inoffiziell seit längerer Zeit ein aus Prof. Cranz, Prof. Hamel und Prof. Becker zusammengesetzter Ausschuss, der sich mit dem Ausbau der militärtechnischen Einrichtungen befasst und als Kern einer militärtechnischen Fachabteilung fungieren kann.“388 Auch die Ernennung des im Juli zum persönlichen Ordinarius für Allgemeine Wehrtechnik berufenen Generalmajors Karl Becker zum Dekan der Fakultät machte deren Zweckbestimmung deutlich. Es verwundert daher nicht, dass dieser Ausbau der wehrtechnischen Fächer auch im Ausland bald wahrgenommen wurde. Im März 1934 beantwortete das britische Außenministerium eine dahingehende Frage im Unterhaus damit, dass es einen Lehrstuhl an der Universität Heidelberg und einen an der Technischen Hochschule Berlin gebe. Mit einer gewissen Genugtuung hielt das Auswärtige Amt fest: „Es ist bemerkenswert, dass der Geheimsiegelbewahrer Eden in seiner Antwort Wehrwissenschaft mit ‚science of defence‘ nicht wie in früheren englischen Verlautbarungen mit ‚military science‘ übersetzt hat. Dies geht auf Ausführungen zurück, die einem Mitglied der Englischen Botschaft im Auswärtigen Amt gemacht worden sind.“389 Knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung schließlich erhielt die neue Abteilung im September 1935 den sprechenderen Namen Wehrtechnische Fakultät.390 Wie bereits erwähnt, unterrichtete die Mehrzahl ihrer Ordinarien auch an anderen Fakultäten. Schon aus finanziellen Gründen war dies nicht anders möglich, da neue Stellen nicht ohne weiteres geschaffen werden konnten. Dementsprechend wurden unbesetzte Stellen, auch Extraordinariate, umgewidmet, und die neuen Stelleninhaber vorerst zu persönlichen Ordinarien ernannt, bis sie bei Freiwerden eines planmäßigen Ordinariats aufrücken konnten. Auf diese Weise erhielten beispielsweise Ernst Storm und Achim von Arnim 1933 ihre Professuren.391 Doch noch im gleichen Monat findet sich ein Vermerk in den Akten des Kultusministeriums, dass der 387 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 13a, Bd. I, 14. Oktober 1933 (ohne Paginierung). 388 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. II, 11. Juli 1933 (ohne Paginierung, Hervorhebung und Abkürzungen im Original). 389 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. II, Bl. 161, 23. März 1934. 390 Zur Entwicklung der Fakultät vgl. Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, bes. S. 472ff. Die Umbenennung 1935 erfolgte im Kontext der Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ausführlich zu Becker vgl. Ciesla, Becker. 391 Vgl. für Storm: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 8. Mai 1933 (ohne Paginierung) und zu Arnim: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. II, Bl. 117, 10. April 1933 und ebd., Bl. 119, 2. Mai 1933. Persönliche Ordinarien waren rechtlich, aber nicht finanziell den planmäßigen Ordinarien gleichgestellt. 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 151 „Bestand an Professuren durch Abgabe an die neue Fakultät und eine Reihe anderer Maßnahmen praktisch bereits so weit aufgebraucht ist, daß wir für die eigentlichen Hochschulpläne kaum noch Stellen zur Verfügung haben […] Es wird äußerst schwierig sein, überhaupt noch über das bisher bewilligte irgendwo neue Professuren zuzusagen.“392 Ein Mittel, diese Engpässe zu umgehen, war die Verlegung von Lehrstühlen anderer Hochschulen nach Charlottenburg. Im November 1933 erhielten die beiden Referenten im Reichswehrministerium Hans Winkhaus und Kurt Möller ihre Bestallungen als Extraordinarien der neuen Fakultät. Finanziert wurden ihre Stellen mit zwei unbesetzten Extraordinariaten der juristischen Fakultät in Berlin, die ab 1934 in den Etat der Technischen Hochschule übergingen.393 Um 1939 Abraham Esaus Professur für Militärische Fernmeldetechnik zu finanzieren, verlegte der Reichserziehungsminister den ordentlichen Lehrstuhl für Neutestamentliche und Systematische Theologie der Universität Bonn nach Charlottenburg.394 Im Vergleich zu den anderen räumte der Kultusminister der Wehrtechnischen Fakultät einige Sonderrechte ein. Der vom Minister ernannte Dekan konnte sich direkt an das Ministerium wenden, musste den Rektor lediglich über die Tatsache informieren, aber nicht über den Inhalt der Angelegenheit. Bereits bei der Gründung 1933 wurde zudem bestimmt, dass das Fakultätskollegium dem Dekan lediglich beratend zur Seite stehe, und er selbst über die Zulassung der Studierenden befinden könne.395 Auch in Berufungsfragen war die Fakultät unabhängiger, wie eine Notiz Rottenburgs illustriert: 392 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 13a, Bd. I, 18. Oktober 1933 (ohne Paginierung). Auch im Zusammenhang der Einrichtung einer weiteren Professur für Luftfahrt wies Rottenburg in einem Vermerk daraufhin, dass dies im Moment schwierig sei, „da das, was an freien Professuren erübrigt werden konnte, für die Fakultät für allgemeine Technologie Verwendung gefunden hat“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 6a, Bd. I, Bl. 388, 9. April 1934). Vgl. dagegen die Einschätzung von Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 473: „Mit Beginn der ‚Arisierung‘ der deutschen Universitäten bestanden aber für das preußische Kultusministerium und seit 1934 für das RWEVb kaum Schwierigkeiten, die ‚neugeschaffenen‘ Planstellen zu finanzieren.“ 393 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 13a, Bd. I, 15. November 1933 (ohne Paginierung). Es handelte sich um die Stellen des 1932 ausgeschiedenen Hermann Heller und des 1931 vom persönlichen zum planmäßigen Ordinarius beförderten Heinrich Titze. 394 Vgl. BA L, R 4901/14927, Bl. 256, 23. März 1942. Der Lehrstuhl wurde nach dem Wechsel Esaus an die Physikalisch-Technische Reichsanstalt an die Abteilung für Architektur weitergereicht. Auch andere Fakultäten profitierten von Lehrstuhlverlegungen. So kam 1939 nach der Zwangsemeritierung von Erhard Tornier, Ordinarius für Mathematik an der Berliner Universität, die entsprechende Professur in den Etat der Fakultät für Maschinenwirtschaft und wurde 1940 von Rudolf Berthold, Professor für Zerstörungsfreie Prüfverfahren, übernommen. 395 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 13a, Bd. I, 14. Oktober 1934 (ohne Paginierung). Vgl. auch Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 473, die von „Vorwegnahme des ‚Führerprinzips‘“ sprechen. Der Umstand, dass in Rusts Erlass vom 14. Oktober im Zusammenhang mit den Sonderregelungen von „versuchsweise eingeführten Abweichungen“ die Rede ist, legt nahe, dass die Fakultät für Allgemeine Technologie gleichsam als Versuchsfeld genutzt wurde. 152 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 „Dr. Braunsfurth ist von der Fakultät für Allgem. Technologie als besonders hervorragender Fachmann auf dem Gebiet der Sprengstoffphysik in Vorschlag gebracht. Voten sind, wie in gleichgelagerten Fällen bei dieser Fakultät, nicht eingeholt.“396 Diese selbständige und starke Stellung der Fakultät erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass ihr Verbleib im Gesamtgefüge der Hochschule durchaus zur Debatte stand, gerade wegen ihrer engen Beziehung zur Wehrmacht.397 In einem Schreiben des preußischen an das Reichsfinanzministerium heißt es: „Es hat von vornherein Klarheit darüber bestanden, daß es sich bei den wehrtechnischen Anstalten um eine militärische und damit um eine Reichsangelegenheit handelt und daß die Anlehnung an die Technische Hochschule nur aus allgemeinen Gründen einstweilen aufrecht erhalten werden sollte. […] Es ist wohl anzunehmen, daß die weitere Entwicklung schließlich zu einer Loslösung aus dem Verbande der Technischen Hochschule führen wird.“398 Auch an der Bauplanung für die Fakultät war das Kriegsministerium beteiligt. Insgesamt waren sechs Institute geplant: für Technische Physik und Ballistik, für Sprengstoffchemie, für Militärische Erkundungsmittel, für Waffenbau, für Pionier- und Festungsbau sowie für Militärische Nachrichtentechnik. Die Kosten schätzte man im Kriegsministerium 1936 auf knapp zehn Millionen Reichsmark. Drei der Institute sollten bis Dezember 1937 fertiggestellt sein, die übrigen drei bis Oktober 1938.399 Die Entscheidung Hitlers, die Technische Hochschule, die Universität, die Kliniken und die Militärärztliche Akademie beiderseits der Heerstraße zu konzentrieren, machten eine völlige Neugestaltung der Pläne notwendig, die unter anderem die geschätzten Kosten auf gut 37 Millionen Reichsmark anwachsen ließ.400 Die Wehrtechnische Fakultät war nun als Zentrum der neuen Hochschulstadt gedacht, die Speer in den Ausschreibungsunterlagen als „das große westliche Tor der Reichshauptstadt“401 bezeichnete. Die Grundsteinlegung 396 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 13a, Bd. I, 27. September 1934 (ohne Paginierung). 397 Die erwähnten Berufungen von Winkhaus und Möller, die später beide Ordinarien wurden, sind nur ein Beispiel für die personellen Verflechtungen zwischen Wehrmacht und Wehrtechnischer Fakultät, vgl. Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 473f. 398 BA L, R 4901/12769, Bl. 305, 3. September 1937. 399 BA L, R 4901/12868, 9. Dezember 1936 (ohne Paginierung). Als Bauplatz war das Grundstück Franklinstraße 27–29 unweit der TH vorgesehen. In einem Schreiben des Kultusministeriums werden die Kosten deutlich geringer mit 3,6 Millionen RM veranschlagt (vgl. ebd., 22. Dezember 1936). 400 Vgl. Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 477f. Spätere Kostenberechnungen beliefen sich auf bis zu 80 Millionen RM. 401 BA L, R 4901/14920, Bl. 6, 1937. Mit German Bestelmeyer waren ein ehemaliger, mit Hanns Dustmann und Hans Freese zwei zukünftige Ordinarien der Charlottenburger Hochschule zum Wettbewerb eingeladen. Das Raumprogramm sah 77.500 m² für den geisteswissenschaftlichen Teil der Universität vor, 78.000 m² für den naturwissenschaftlichen, 52.350 m² für die Kliniken, 101.800 m² für die Militärärztliche Akademie und 126.200 m² für die TH vor. Ein optionaler Versammlungsplatz für alle Studierenden sollte Raum für 15.000 Menschen bieten. Der Wettbewerb wurde jedoch nicht entschieden (vgl. BA L, R 4901/14927, Bl. 242, 17. April 1942). Die Erläuterungen Speers zur Ausschreibung: „Konstruktionen und Werkstoffe sind so zu wählen, daß die neuen Bauten jetzt und in naher Zukunft nicht nur ihren unmittelbaren Zweck erfüllen, sondern daß sie darüber hinaus späteren Jahrhunderten als 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 153 nahm Hitler am 27. November 1937 selbst vor. Die Wehrtechnische Fakultät solle „ein Denkmal werden der deutschen Kultur, des deutschen Wissens und der deutschen Kraft.“402 Die Bauarbeiten wurden 1941 als nicht kriegswichtig eingestuft und gestoppt. Bei Bombenangriffen 1943 wurden die Rohbauten beschädigt. Nach einer entsprechenden Bitte der Feuerschutzpolizei genehmigte das Kultusministerium im Januar 1944, Teile der noch intakten Kellergeschosse zur Lagerung von Löschsprengladungen zu nutzen.403 Wegen der geringen Studierendenzahl an der Wehrtechnischen Fakultät war das Fehlen eigener Räumlichkeiten weitgehend unproblematisch. Lediglich Hermann Kändler, Leiter des Instituts für Waffenbau, wandte sich 1940 an das Ministerium, da ein „plötzlicher erheblicher Raumbedarf“ entstanden sei: Eine „große Anzahl von Beutewaffen für Lehrzwecke“404 müsse untergebracht werden. Auf einem Grundstück an der Franklinstraße konnte nach einigen Verzögerungen 1941 ein Provisorium eingerichtet werden.405 Die externe Einflussnahme auf die Belange der Hochschule, wie sie im Falle der Wehrtechnischen Fakultät erfolgreich von Wehrmacht und Kriegsministerium ausgeübt wurde, war kein Einzelfall. Ähnliches lässt sich für das Reichsluftfahrtministerium im Bezug auf den Ausbau der Hochschulen in Charlottenburg, Stuttgart und Braunschweig zu „Lehrzentren der Luftfahrt“406 zeigen. Schon die Initiative dazu ging 1934 von diesem Ministerium aus. Zu dem später mit Heinrich Triebnigg besetzten Lehrstuhl für Flugmotoren heißt es in einem Aktenvermerk: „Bis zur Schaffung der Professur soll die noch vorzuschlagende Persönlichkeit, die für sie in Frage kommt, aus Mitteln des Luftfahrtministeriums bezahlt werden.“407 In Braunschweig und Stuttgart bestanden enge personelle Verbindungen zwischen den Hochschulen und den Forschungsstellen des Ministeriums. Die Charlottenburger Hochschule kooperierte zeitweise mit der Lufttechnischen Akademie beziehungsweise der Luftkriegsakademie in Berlin-Gatow, die der Offizierausbildung dienten.408 Die Vorlage für die Pläne zur Gestaltung und Ausstattung 402 403 404 405 406 407 408 Bauwerke Zeugen einer großen Vergangenheit sind“ (BA L, R 4901/14920, Bl. 6, 1937) zeigen, dass auch bei diesem Projekt auf die sogenannte Ruinenwerttheorie Rücksicht genommen werden sollte (Vgl. u. a. Thamer, Reichsparteitage, S. 364; Speer, Erinnerungen, S. 69). BA L, R 4901/14920, Bl. 4, 27. November 1937. BA L, R 4901/12868, 7. Januar 1944 und 25. Januar 1944 (ohne Paginierung). BA L, R 4901/2317, Bl. 2, 7. Oktober 1940. BA L, R 4901/2317, Bl. 81, 18. Juni 1941. Vgl. auch Ebert & Rupieper, Rüstungspolitik, S. 480. BA L, R 4901/14484, Bl. 2, 15. Juni 1935. Zum Verhältnis des REM zur Luftwaffe Görings vgl. kurz Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 246. Kalkmann, Aachen, S. 445, bezeichnet die Luftfahrtforschung als den einzigen Bereich „dem eine planwirtschaftliche Arbeitsteilung zwischen den deutschen Forschungseinrichtungen […] zugrunde lag.“ Weiter heißt es dort: „Federführend war dabei das neu gebildete Reichsluftfahrtministerium, das die Luftfahrtforschung nicht nur finanziell unterstützte, sondern auch die Forschungsinhalte maßgeblich bestimmte.“ GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 6a, Bd. I, Bl. 389, 13. April 1934. Paul Utecht, Professor für Chemie, Franz Moeller, Professor für Elektrotechnik und Funkwesen, sowie Bartels, Professor für Werkstoffprüfung, wurden in den Jahren 1936 bis 1938 im Vorlesungsverzeichnis als Ordinarien der TH Charlottenburg geführt. Utecht hielt seine Vorlesungen nur in der Lufttechnischen Akademie, Moeller und Bartels waren dort Institutsleiter. 154 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 der drei Luftfahrtlehrzentren arbeitete 1935 Wilhelm Hoff, Ordinarius für Luftfahrzeugbau in Charlottenburg und gleichzeitig Leiter der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Adlershof, aus. Hoff bemerkte in seinen Erörterungen, die „durch die einheitliche Reichsführung auf dem Gebiete des Unterrichts gegebenen Möglichkeiten legen den Gedanken nahe, von Anfang an eine enge Verbindung zwischen allen Luftfahrtlehrstühlen und ihren Instituten herzustellen.“409 Von dieser hochschulübergreifenden Kooperation versprach er sich vielfältige Vorteile in Forschung und Lehre. Im Oktober 1940 betrachtete man im Kultusministerium das Berliner Lehrzentrum für „personell im wesentlichen ausgebaut.“ Ähnlich wie bei der Wehrtechnischen Fakultät waren die geplanten Gebäude noch nicht errichtet, doch seien „einige Ersatzeinrichtungen geschaffen worden.“410 Bei der Erörterung der quantitativen Entwicklung der Fakultät für Bauwesen ist bereits auf die Einflussnahme des Generalbauinspektors für die Neugestaltung der Reichshauptstadt Albert Speer hingewiesen worden.411 Als Minister Rust im Dezember 1942 anordnete, in Berlin wieder eine selbständige Fakultät für Architektur einzurichten, erklärte er, er folge damit „dem besonderen Wunsche des Herrn Reichsminister Professor Speer.“412 Da die Fakultät eng in die Neugestaltung der Hauptstadt einbezogen werden sollte, setzte Speer Anfang der vierziger Jahre eine personelle Erweiterung durch und nahm maßgeblichen Einfluss auf die Berufungen. Nachdem das Ministerium 1941 einen Kandidaten der Abteilung abgelehnt, und Karl Caesar sich bei Rust persönlich über diesen Eingriff in die Fakultätsangelegenheiten beschwert hatte, erläuterte Rust seine Beweggründe. Damit die Einbindung gelinge, „müssen die Lehrer an der Berliner Architekturabteilung eine gewisse gleiche ‚Abstimmung‘ aufeinander und auf Professor Speer und seine sonstigen Mitarbeiter besitzen, sie müssen eine homogene Gemeinschaft bilden.“413 Letztlich war die Fakultät damit auf dem Weg, zu einer Abteilung des Baubüros Speer zu werden. Auf seinen Wunsch wurden Friedrich Tamms, Hans Freese, 409 410 411 412 413 Die Lufttechnische Akademie ging 1937 in der Luftkriegsakademie auf (vgl. Richhardt, Offiziere, S. 215 und 246). BA L, R 4901/14484, Bl. 6, 15. Juni 1935. BA L, R 4901/14486, Bl. 26, Oktober 1940. S. o., S. 82. Nach Speer war der Titel das Ergebnis einer Suche „nach einer volltönenden, Respekt heischenden Bezeichnung“ (Speer, Erinnerungen, S. 90). BA L, R 4901/14927, Bl. 198, 14. Dezember 1942. BA L, R 4901/14927, Bl. 4, 7. Juni 1941. Anlass war die Besetzung des Lehrstuhls Tessenow. Die Abteilung hatte Ernst Otto Schweizer vorgeschlagen, Professor an der TH Karlsruhe. Caesar meint in seinem Brief an Rust, Schweizer habe „Wien das schönste Stadion der Welt geschenkt. Wohl nicht im Sinne von Speer. Aber muß denn alles nach einem Sinne laufen“ (ebd., Bl. 1, 19. Mai 1941). Nach einem Aktenvermerk Rottenburgs wünschten „sowohl Prof. Speer wie auch der Führer selbst“ eine Berufung Schweizers nicht (ebd., Bl. 91, 7. März 1941). 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 155 Kurt Dübbers und Hanns Dustmann auf ordentliche Lehrstühle in Charlottenburg berufen.414 Den drei hier kurz erörterten Beispielen nationalsozialistischer Hochschulpolitik ist gemein, dass sie nicht aus wissenschaftsimmanenten Gründen heraus motiviert waren. Interessen von Forschung und Lehre waren sekundär; primär ging es darum, die Hochschule im Sinne einer unmittelbaren Nützlichkeit zu gestalten – zum einen für militärische Zwecke und zum anderen für die bauliche Neugestaltung Berlins.415 Dies wurde intern gesehen und mitunter deutlich ausgesprochen und kritisiert, gerade wenn es um die stets problematische Finanzierung der stets großzügigen Pläne ging. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Luftfahrttechnik hielt Rottenburg Reichsbeihilfen für gerechtfertigt, da „es sich zwar formal um Unterrichtsangelegenheiten handelt, in Wirklichkeit aber um die Schaffung von Einrichtungen, die im wesentlichen den Interessen der Landesverteidigung dienen.“416 Geradezu ungehalten reagierte das preußische Finanzministerium auf die monumentalen Pläne für die Architekturabteilung und fühlte sich genötigt, gegenüber dem Kultusministerium auf den Zweck einer Hochschule hinzuweisen: „Sache der Hochschullehrer und der Fakultäten ist nicht die Bewältigung irgendwelcher außerhalb der Hochschule liegender Aufgaben, sondern die Vertretung einzelner Fächer in Lehre und Forschung innerhalb der Hochschule.“417 Es ist charakteristisch, dass die Quelle der hochschulpolitischen Bemühungen nicht immer das Reichserziehungsministerium war, vielmehr eine externe Einflussnahme stattfand. Dies war durchaus nicht neu. Schon im 19. Jahrhundert war es die Industrie, die auf die Etablierung elektrotechnischer Lehrstühle und Laboratorien an den Technischen Hochschulen drängte.418 Und auch an der Vorgeschichte der Wehrtechnischen Fakultät in der Weimarer Republik konnte der Einfluss von Industrie und Reichswehr gezeigt werden. Allerdings resultierte daraus 414 BA L, R 4901/14927, Bl. 91, 7. März 1941 (Freese, Tamms), ebd., Bl. 166, 1. Juli 1941 und Bl. 175, 9. Januar 1942 (Dübbers) sowie ebd., Bl. 140, 12. März 1940 (Dustmann). Im Fall Dustmann lässt sich die Vorgehensweise bei der Lehrstuhlbesetzung verfolgen: Nachdem das Büro Speer dem Kultusministerium seinen Wunsch mitgeteilt hatte, informierte Rottenburg die Abteilung, die dann eine entsprechende Vorschlagsliste vorlegte (vgl. ebd., Bl. 141, 13. März 1942 und Bl. 242f., 27. April 1942). Gleichsam um sicher zu gehen, nannte die Fakultät lediglich Kandidaten, die „sämtlich beauftragte Architekten des Generalbauinspektors“ waren. 415 Generell zur Wissenschaft im Nationalsozialismus stellt Sieg, Strukturwandel, S. 265, fest: „Das Kriterium der ‚Machbarkeit‘ dominierte die Innovationskultur.“ Vgl. auch Flachowsky, Reichsforschungsrat, S. 247f. 416 BA L, R 4901/14486, Bl. 37, ohne Datum [1935]. 417 BA L, R 4901/14927, Bl. 273, 21. März 1945. 418 Vgl. Treue, Verhältnis, S. 231, der einen Brief Siemens’ zitiert: „Bisher ist das Studium der Elektrotechnik in Deutschland noch nicht vollständig organisiert. Auf meine Anregung sind zwar an mehreren Stellen – Berlin, Stuttgart, München, Aachen und Hannover – elektrotechnische Professuren an den polytechnischen Schulen errichtet, doch haben diese erst jetzt ihre Kurse eröffnet, und die Laboratorien sind meist noch nicht vollendet.“ Vgl. auch Hertwig, Wandel, S. 10f. 156 2. Zur Geschichte der Institutionen und ihres Umfelds, 1850 bis 1945 im „Dritten Reich“, dass jeweils nur Teile der Hochschule in den Blick genommen wurden, wie an den drei erörterten Beispielen deutlich geworden ist. Dem REM gelang es nicht während der sechs Friedens- und der sechs Kriegsjahre, die das „Dritte Reich“ dauerte, diese Einzelprojekte zu einer realisierbaren Gesamtkonzeption zusammenzufassen. In diesem Sinne ist es also auch für den Bereich der Technik richtig, dass es kein „klares nationalsozialistisches Wissenschaftsprogramm“419 gab. Auch auf die Anfang 1940 geführte Diskussion über den Niveauverfall der Hochschulbildung folgten keine nennenswerten Maßnahmen des Erziehungsministeriums. Anlass für die Erörterung der Frage war ein Schreiben William Guertlers an Hitler.420 Guertler war seit 1933 Ordinarius an der Charlottenburger Hochschule, wechselte 1936 nach Dresden, blieb aber Leiter des Instituts für angewandte Metallkunde in Berlin. In seinem Brief attestierte er ein „katastrophales Absinken der Kenntnisse“ unter den Studierenden, im Wesentlichen verursacht „durch Arbeitsdienst und Wehrdienst, durch Erntedienst und soziale Hilfeleistungen und viele, den ruhigen Fortgang des Studiums zerreißende Nebenwirkungen der an sich so beglückenden Ereignisse der Wiedererstehung Großdeutschlands.“421 Die Reichskanzlei holte daraufhin verschiedene Gutachten zum Zustand der Hochschulen ein, die alle zu dem gleichen Ergebnis kamen: Guertlers Kritik sei begründet und tatsächlich gebe es einen Niveauverfall an Universitäten und Hochschulen. Die einzige Reaktion des Erziehungsministeriums war, das kurz zuvor zur Verkürzung der Studienzeiten während des Krieges eingeführte Trimesterjahr wieder abzuschaffen.422 419 Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 118. Angelastet wird dies in der Regel der mangelnden Kompetenz des Reichserziehungsministers Bernhard Rust. Hammerstein nennt ihn den „Wissenschaftsminister ohne Vorstellung von Wissenschaft“ (S. 119), Seier spricht abfällig vom „braunschweigischem Studienrat“ (Seier, Hochschulpolitik, S. 68), der dabei scheiterte, sein Ministerium zur entscheidenden Instanz in hochschulpolitischen Fragen zu machen. Nach Titze begann sich erst „im Zusammenhang des Vierjahresplans von 1936 […] das Konzept einer Forschungsplanung abzuzeichnen“ (Titze, Hochschulen, S. 236). Ludwig spricht – zu vereinfachend – von der „wissenschaftsabstinenten Atmosphäre des Dritten Reiches“ (Ludwig, Technik, S. 222). Nach Sieg lag die Stärke des REM „in der Eingespieltheit seiner Bürokratie“ (Sieg, Strukturwandel, S. 259). Ähnlich urteilt Nagel, Anspruch, S. 260: „Das Ministerium besaß gute personelle Voraussetzungen, aber deutlich schlechtere politische“, um seinen Anspruch auf „Dominanz im Bereich Wissenschaft“ durchzusetzen. Insgesamt war nicht zuletzt die Kürze der Zeit ein entscheidender Grund dafür, dass sich kein geschlossenes NS-Wissenschaftsprogramm entwickeln konnte. Vgl. auch Hachtmann, KaiserWilhelm-Gesellschaft, S. 20: „Statt ‚das‘ Verhältnis ‚des‘ Nationalsozialismus zu ‚der‘ Wissenschaft aus der Vogelperspektive zu betrachten, ist es sinnvoller, eine wissenschaftliche Institution exemplarisch in den Blick zu nehmen.“ 420 Vgl. dazu detailliert Seier, Niveaukritik, bes. S. 231ff. Vgl. auch Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 331f. 421 Zit. bei Seier, Niveaukritik, S. 231. 422 Vgl. Hammerstein, Forschungsgemeinschaft, S. 332. Zur Verkürzung der Studienzeiten vgl. auch Ludwig, Technik, S. 287: „Die Skrupellosigkeit dieser gerade für die damalige Wissenschaftsauffassung typischen Politik zeigte sich wieder in der kurzfristigen Ankündigung [der Studienzeitverkürzung], die für hochschuldidaktischer Reformen überhaupt keine Zeit ließ.“ 2.5 Wehrtechnik als neues Zentrum? 1933 bis 1945 157 Die Zerstörung eines Großteils der Hochschule bei Bombenangriffen im November 1943 führte im Erziehungsministerium zu Überlegungen, den sowieso stark eingeschränkten Lehrbetrieb ganz einzustellen. Im Sommer 1944 wurde auch das Physikalische Institut zerstört, der Unterricht jedoch weiterhin fortgesetzt. Im Wintersemester 1944/45 hatte die Hochschule noch rund 700 Studierende.423 Geschlossen wurde sie erst Ende April 1945. Bereits Anfang Juni des gleichen Jahres begannen die Vorbereitungen zur Wiedereröffnung, die ein knappes Jahr nach Schließung mit der Gründung der Technischen Universität Berlin am 9. April 1946 verwirklicht werden konnte.424 423 Brandt, Wiederaufbau, S. 495. 424 Vgl. Rürup, Grundzüge, S. 29f. Der „Arbeitsausschuß zur Vorbereitung der Wiedereröffnung der Technischen Hochschule“ hatte im Juni 1945 die Dienstsverhältnisse aller Mitglieder der TH für erloschen erklärt, was Rürup als „rechtlich höchst zweifelhafte, aber politisch eindeutige Erklärung“ (S. 30) wertet. 3. HERKUNFT UND WERDEGANG DER LEHRSTUHLINHABER 3. HERKUNFT UND WERDEGANG DER LEHRSTUHLINHABER 3. HERKUNFT UND WERDEGANG DER LEHRSTUHLINHABER DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE UND IHRER VORGÄNGERAKADEMIEN Zwischen 1851 und 1945 wurden insgesamt 302 Rufe auf Lehrstühle an der Technischen Hochschule oder einer ihrer Vorgängerakademien angenommen. Da das höhere technische Unterrichtswesen in Berlin hier jedoch als Einheit betrachtet wird, verringert sich die Personenzahl. Hermann Wiebe, Eduard Jacobsthal, Siegfried Aronhold und Carl Schwatlo waren zeitweise sowohl an der Bau- als auch an der Gewerbeakademie als etatmäßige Lehrer angestellt. Zudem wechselte Fritz Kötter im Jahre 1900 von seinem Lehrstuhl an der Bergakademie auf einen an der Technischen Hochschule. Die Grundgesamtheit dieser Untersuchung verringert sich somit auf 297. Karl Caesar ist dabei zweimal berücksichtigt; er war von 1909 bis 1916 Professor für Ländliche Baukunst, ging dann nach Karlsruhe und kehrte 1935 als Professor für Baukonstruktion und Entwerfen zurück nach Berlin, wo er 1941 emeritiert wurde. Legt man auch hier die Fakultätsstruktur von 1922 zugrunde, so entfallen 99 Professoren auf das Bauwesen, 75 auf die Maschinenwirtschaft, 61 auf die Stoffwirtschaft und 53 auf die Fakultät für Allgemeine Wissenschaften.1 Hinzu kamen nach 1933 insgesamt neun Professoren, die nur an der späteren Wehrtechnischen Fakultät unterrichteten. Doppelmitgliedschaften sind hier und im Folgenden nicht berücksichtigt; entscheidend für die Zuordnung war die jeweils erste Fakultätszugehörigkeit. Bei der folgenden Erörterung werden die einzelnen Aspekte – die geographische und soziale Herkunft, der Bildungs- und Berufsweg sowie die Tätigkeit in Charlottenburg – jeweils für den gesamten Zeitraum in den Blick genommen, um so Entwicklungslinien deutlich hervorheben zu können. Als Hintergrund ist dabei stets mitzudenken, dass sich die rechtliche Lage der Dozenten über das betrachtete Jahrhundert hinweg wandelte. Die Inhaber der ersten festen Stellen an den Berliner technischen Akademien waren unmittelbare Staatsbeamte und konnten auf Antrag pensioniert werden. In ihrer Lehre waren sie nicht frei, sondern mussten sich an die „lectionsplanmässigen Unterrichtsgegenstände“2 halten. Allerdings waren die Verhältnisse nicht mehr so, wie während der ersten Jahre der Bauakademie, als die Räte der dem Oberbaudepartement unterstellten akademischen Deputation zu wöchentlichen Besuchen in allen Veranstaltungen verpflichtet waren, 1 2 Die Professoren von Bau-, Gewerbe- und Bergakademie sind dabei entsprechend ihrer späteren Abteilungszugehörigkeit an der TH zugeordnet. Bei jenen, die nie an der TH unterrichteten, wurde die Fakultätszugehörigkeit nach ihrem Lehrfach entschieden – so sind die Mathematiker beispielsweise bei der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften berücksichtigt, die Professoren der Bergakademie bei der Fakultät für Stoffwirtschaft. Nottebohm, Chronik, S. 48. 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber 159 um sowohl Schüler als auch Lehrer zu kontrollieren.3 Einen besonderen Amtstitel führten die Dozenten der technischen Akademien 1851 noch nicht. Erhielten sie einen Professorentitel, wurde dieser vom Kultusminister verliehen. Mit der Gründung der Technischen Hochschule 1879 wurden die Lehrstuhlinhaber zu etatmäßig angestellten Mitgliedern ihrer jeweiligen Abteilung. Sie erhielten von Amts wegen den Titel ‚Professor‘, und der König unterzeichnete die entsprechenden Bestallungsurkunden. Seit 1892 waren die etatmäßigen Professoren hinsichtlich der Rangklasse den Universitätsprofessoren gleichgestellt, die angestrebte Übernahme der im universitären Bereich gebräuchlichen Bezeichnung ‚ordentlicher Professor‘ scheiterte während des Kaiserreichs jedoch stets. Die Technischen Hochschulen führten dabei alle erdenklichen Argumente an. In einem Brief der Charlottenburger an das Kultusministerium vom Februar 1913 heißt es: „Ausserdem muss noch im Hinblicke darauf, dass gegenwärtig von allen Seiten in erfreulicher Weise auf Verbesserung und Reinhaltung des deutschen sprachlichen Ausdruckes auch im amtlichen Verkehr und ganz besonders im Amtsbereich des Ministeriums für geistliche und Unterrichts-Angelegenheiten hingewiesen und hingearbeitet wird, Gewicht darauf gelegt werden, dass das Wort ‚etatsmäßig‘, das als Zusammenziehung aus einem entbehrlichen Fremdworte mit einem deutschen Eigenschaftswort geradezu hässlich gebildet ist, aus dem Sprachgebrauch entfernt werde.“4 Umstritten war, inwieweit die Professoren sich auf die verfassungsmäßige Freiheit der Wissenschaft berufen konnten. Während der Handelsminister schon 1877 in einem Schreiben an das Kultusministerium von „Lehr- und Lernfreiheit“5 an den technischen Akademien spricht, findet sich 1901 bei Conrad Bornhak6 eine gänzlich andere Einschätzung: Soweit „die Lehre der Wissenschaft den Gegenstand ihrer Lehrthätigkeit“ bilde, könnten die Professoren die gleichen Rechte wie die Universitätsordinarien beanspruchen. Weiter führt er aus: „Die Technik setzt ihrerseits die Wissenschaft voraus, ist aber selbst nicht solche, sondern Kunst in Anwendung auf die Bedürfnisse des praktischen Lebens. Die Technik wird daher durch die verfassungsmäßige Freiheit der Wissenschaft nicht mit gedeckt.“ Aus dieser Feststellung folgert Bornhak: „Die Vertreter der Technik unterliegen unbeschränkt den Anweisungen der Aufsichtsbehörde in demselben Maße, wie jeder Gymnasiallehrer für seinen Unterricht mit Weisungen versehen werden kann.“7 3 4 5 6 7 Vgl. Dobbert, Chronik, S. 36. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 1, Bd. I, 4. Februar 1913 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 24, Bd. I, Bl. 1, 28. Februar 1877. Conrad Bornhak (1861–1944) studierte 1879–1882 an der Universität Berlin Jura, wurde 1885 in Göttingen promoviert und habilitiere sich 1887 wiederum an der Universität in Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Amtsrichter (bis 1900) unterrichtete er an der Universität und wurde 1896 zum a. o. Prof. ernannt. Vgl. DBA I 128, 165; DBA II 157, 123–127; DBA III 101, 249f. Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 90. 160 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Spätestens die Zusammenfassung von Universitäten und Technischen Hochschulen unter dem Oberbegriff „wissenschaftliche Hochschulen“, die sich im Beamtenbesoldungsgesetz von 1920 findet, brachte hier Klarheit. Außerdem fand nun einheitlich die Bezeichnung ‚ordentlicher Professor‘ Verwendung, und die Ordinarien der Technischen Hochschulen wurden nicht mehr pensioniert, sondern lediglich von ihren Pflichten entbunden.8 Das heißt, sie bezogen bis zum Lebensende ihr volles Gehalt und behielten ihre Prüfungs- und Lehrberechtigung. Im Dezember 1920 trat zudem das Gesetz über die Einführung einer Altersgrenze in Kraft, die bei 68 Jahren lag.9 Die Ernennung der Professoren vollzog in der Weimarer Republik „der Unterrichtsminister namens des Staatsministeriums.“10 Dies änderte sich im „Dritten Reich“. Im Jahre 1936 verfügte Minister Rust: „Die Übernahme in das Dienst- und Treueverhältnis des Staates durch die Ernennung zum planmäßigen Professor erhält eine ihrer besonderen Bedeutung für den Ernannten entsprechende äußere Form dadurch, daß die schmuckhaft ausgestattete Ernennungsurkunde durch den Führer unterzeichnet wird. Ich halte es für geboten, daß auch die Aushändigung der Urkunde, die fortan vom Rektor vorzunehmen ist, in entsprechend würdiger Form geschieht.“11 Insgesamt erfuhren die Rechte der Hochschullehrer während des „Dritten Reiches“ verschiedene Einschränkungen. Im Januar 1935 wurde die Altersgrenze auf 65 Jahre gesenkt, und gleichzeitig die Versetzung und die vorzeitige Emeritierung von Ordinarien ermöglicht, „wenn es das Reichsinteresse im Hinblick auf den Neuaufbau des deutschen Hochschulwesens erfordert.“12 Allerdings setzte das Finanzministerium durch, dass von dieser Regelung nur selten Gebrauch gemacht wurde, um eine deutliche Vergrößerung der Pensionslasten zu vermeiden.13 Wenige Monate später hieß es in einem weiteren Runderlass des Erziehungsministeriums, emeritierte Hochschullehrer seien „nicht ohne weiteres befugt, ihre Lehrtätigkeit fortzusetzen.“14 Der Rektor habe dies zu genehmigen.15 Im August 1936 wies das Ministerium überdies darauf hin, dass „nach den für alle Universitäten und Hochschulen geltenden Grundsätzen, entpflichtete Professoren an den Prüfungen nicht mehr zu beteiligen sind.“16 Faktisch wurden die Ordinarien also nicht mehr nur entpflichtet, sondern – wie auch die übrigen Staatsbeamten – in den Ru- 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Vgl. Preußische Gesetzsammlung 1920, S. 191, 200 und 241. Vgl. auch Wende, Grundlagen, S. 4ff. Vgl. Preußische Gesetzsammlung 1920, S. 621f. Wende, Grundlagen, S. 71. Kasper et al., Hochschulverwaltung, S. 40 (Runderlass vom 4. März 1935). RGBl. I 1935, S. 24. Vgl. Kleinberger, Hochschulpolitik, S. 12. Kasper et al., Hochschulverwaltung, S. 11 (Runderlass vom 15. Mai 1935). Die Kriterien für Gewährung bzw. Ablehnung eines Antrags wurden ebenfalls genannt: „Die Genehmigung ist nur zu erteilen, wenn der Antragsteller die Gewähr dafür bietet, daß er sich in die im jungen Geiste sich erneuernde Universität hineinfügt, und daß seine politische Haltung die nationalsozialistische Erziehungsarbeit an der akademischen Jugend nicht gefährdet“ (Kasper et al., Hochschulverwaltung, S. 11). Kasper et al., Hochschulverwaltung, S. 11 (Runderlass vom 6. August 1936). 3.1 Geographische Herkunft 161 hestand versetzt.17 Letztlich zeigt sich also, dass die Weimarer Republik den Professoren der Technischen Hochschulen die umfassendsten Rechte und Vorteile einräumte. 3.1 GEOGRAPHISCHE HERKUNFT Als Indikator für die geographische Herkunft der Charlottenburger Professoren dient hier der Geburtsort, der für 99 Prozent der Untersuchungsgruppe ermittelt werden konnte. Das Interesse gilt dabei nicht nur der regionalen Basis der Hochschullehrerschaft. Vielmehr geht es auch darum, die Professoren hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem eher ländlichen, klein-, mittel- oder großstädtischen Milieu zu beschreiben. Zwar ist nicht in jedem Einzelfall die Sicherheit gegeben, dass der Geburtsort dem Ort entspricht, an dem die jeweilige Person aufgewachsen ist. Rechercheaufwand und Einheitlichkeit des Kriteriums rechtfertigen jedoch, den Geburtsort als hinreichend zuverlässigen Indikator zu akzeptieren. Zudem schützen die darüber hinaus erhobenen Daten vor Fehleinschätzungen. Bei der Interpretation der Daten zur geographischen Herkunft der Professoren ist zu berücksichtigen, dass sie Rückschlüsse in verschiedene Richtungen zulassen. Zum einen können sie als Ausdruck einer etwaigen nationalen oder internationalen Offenheit der Hochschule verstanden werden. Zum anderen jedoch sind sie auch ein Gradmesser für ihre regionale oder überregionale Anziehungskraft und Attraktivität, da es letztendlich die Professoren selbst waren, die sich dafür entschieden, den Ruf in die preußische Hauptstadt anzunehmen. Unterscheidet man die Charlottenburger Professoren zunächst grob hinsichtlich der staatlichen Zugehörigkeit ihrer Geburtsorte, so zeigt sich, dass knapp 58 Prozent von ihnen Landeskinder waren. Über den Untersuchungszeitraum hinweg sank dieser Anteil von über 80 auf gut 50 Prozent (Graphik 11). Die Entwicklung verlief jedoch nicht kontinuierlich. Gerade in den Ausbauphasen lassen sich gegenläufige Tendenzen beobachten, und der preußische Anteil an der Professorenschaft wuchs wieder. Dies war zwischen 1866 und 1875 der Fall, zwischen 1900 und 1905 sowie zwischen 1930 und 1935. Getrennt nach Fakultäten betrachtet zeigt sich nur in der Maschinenwirtschaft eine deutliche Abweichung vom Gesamtdurchschnitt. Insgesamt waren hier 50 Prozent der Professoren in Preußen geboren, Anfang der zwanziger Jahre lediglich 36 Prozent.18 Verglichen mit der Bevölkerungszusammensetzung des Deutschen Bundes waren die Preußen unter den Professoren zu Beginn des Untersuchungszeitraums also deutlich überrepräsentiert: Zwischen 1816 und 1865 stieg der preußische Anteil an der Bundesbevölkerung von rund 32 auf 37 Prozent.19 Für die große 17 Kleinberger, Hochschulpolitik, S. 12, spricht von der „Entrechtung“ der Hochschullehrer. 18 An den Fakultäten für Bauwesen und Stoffwirtschaft lag der Anteil der preußischen Professoren jeweils bei gut 60 Prozent, an der für Allgemeine Wissenschaften wie im Gesamtdurchschnitt bei 58 Prozent. 19 Vgl. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 103f. Bei der Bevölkerungszahl Preußens und des Deutschen Bundes sind die Einwohner der außerbündischen preußischen Provinzen Westpreußen, Ost- 162 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Zahl der gebürtigen Preußen unter den Charlottenburger Professoren zur Mitte des 19. Jahrhunderts – zum gleichen Zeitpunkt lag ihr Anteil am ordentlichen Lehrkörper der benachbarten Universität lediglich bei 40 Prozent – lassen sich verschiedene Gründe anführen. Anders als bei der Gründung der Berliner Universität 1810 spielten bei den technischen Akademien national-deutsche Überlegungen keine Rolle. Es ging nicht um die „Bildung der Nation“20, sondern um die Ausbildung preußischer Beamter und Gewerbetreibender. Diese enge Bindung an die staatliche Verwaltung wirkte lange nach, und um 1850 kann das Lehramt an einer der technischen Akademien noch eher als Teil einer preußischen Beamtenlaufbahn verstanden werden, denn als Karrierestation eines überregional agierenden Wissenschaftlers. 21 Graphik 11: Anteil der gebürtigen Preußen an der Professorenschaft in Preußen Geborene außerhalb Preußens Geborene 1945 (81) 1940 (86) 1935 (91) 1930 (70) 1925 (67) 1920 (71) 1915 (74) 1910 (71) 1905 (67) 1900 (50) 1895 (41) 1890 (39) 1885 (38) 1880 (37) 1875 (33) 1870 (23) 1865 (16) 1860 (14) 1855 (12) 1851 (11) 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% unbekannt Zudem bestanden auch in den übrigen deutschen Staaten derartige Verbindungen zwischen den Verwaltungen und den Polytechnika, waren diese in ihrer jeweiligen Struktur auf die Bedürfnisse des Trägerstaates zugeschnitten. Aufgrund dieser Heterogenität existierte noch kein „überregionaler Arbeitsmarkt“22 für die Dozenpreußen und Posen hinzugerechnet, jedoch nicht die außerbündischen Territorien ÖsterreichUngarns. Lässt man Österreich vollkommen außer Acht, stieg der preußische Anteil an der Bundesbevölkerung zwischen 1816 und 1865 von 44 auf 50 Prozent. 20 Lenz, Geschichte, Bd. 1, S. 170. Eine nationale Bedeutung der jungen Universität strebten insbesondere Schleiermacher und Humboldt an. 21 In Klammern ist die jeweilige Gesamtzahl der Professoren angegeben. Entscheidend für die Zuordnung war die staatliche Zugehörigkeit im Jahr der Geburt. 22 Albrecht, Braunschweig, S. 207. Albrecht sieht den Beginn der Entwicklung hin zu diesem „überregionalen Arbeitsmarkt“ Ende der 1860er Jahre. Anderson spricht von einem „regional 3.1 Geographische Herkunft 163 ten höherer technischer Lehranstalten. Dementsprechend waren auch zwei Drittel der zwischen 1862 und 1877 an das Braunschweiger Polytechnikum berufenen Lehrer Landeskinder.23 Die zunehmende Vereinheitlichung – äußeres Zeichen war die sukzessive Umbenennung der verschiedenen Anstalten in ‚Technische Hochschule‘ – beförderte ihre überregionale Ausrichtung. So sank zwischen 1877 und 1914 in Braunschweig der Anteil der Landeskinder am Lehrkörper auf ein Drittel. In Charlottenburg entsprach ihr Anteil mit rund 63 Prozent erstmals im Jahre 1895 ungefähr dem Anteil Preußens an der Reichsbevölkerung, der zwischen 1871 und 1945 recht konstant bei rund 60 Prozent lag. Nach dem Ausbau der Hochschule um die Jahrhundertwende waren 1905 wieder fast 70 Prozent der Professoren gebürtige Preußen, ein Wert, der fortan nicht wieder überschritten wurde. Von Anfang der zwanziger Jahre bis zum Ende des Untersuchungszeitraums lag der preußische Anteil recht kontinuierlich bei gut 50 Prozent. Diese Dominanz ist auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass zuerst drei der neun und später nach den Gründungen in Danzig (1904) und Breslau (1910) fünf der nun elf Technischen Hochschulen des Reiches auf preußischem Gebiet lagen. In der Universitätsgeschichte gilt der sinkende Anteil der Landeskinder an der Professorenschaft als Indikator zum einen für eine wachsende Öffnung der jeweiligen Hochschule über die Landesgrenzen hinaus und zum anderen für einen Wandel im Berufungswesen.24 Dieser Berufungswandel vollzog sich im 19. Jahrhundert und kann als Ausdruck des Übergangs vom vorklassischen zum klassischen Zeitalter der deutschen Universitäten interpretiert werden: Die familiären Strukturen der Landesuniversitäten schwanden und bei der Auswahl der Professoren spielten leistungsbezogene Kriterien nun eine größere Rolle.25 Die Verbreiterung der regionalen Basis des Lehrpersonals der Technischen Hochschulen, die für Berlin und Braunschweig beobachtet werden kann, steht jedoch, wie erörtert, unter anderen Vorzeichen, nämlich der Vereinheitlichung des höheren technischen Bildungswesens in den deutschen Staaten. Familienuniversitäre Strukturen entwickelten sich an den Polytechnika nicht mehr: Als Julius Raschdorff, selbst auf kaiserlichen Wunsch berufen, sich bei Wilhelm II. auch um einen Lehrstuhl für seinen Sohn Otto bemühen wollte, teilte der Minister des Königlichen Hauses seinem Kollegen im Kultusministerium mit: „Von dem Antrage des Dombau- network of Technical High Schools, which took on a common shape in the 1860s“ (Anderson, Universities, S. 143). Vgl. auch Parak, Hochschule, S. 65. 23 Gundler, Sozialgeschichte, S. 64. Gundler betrachtet alle Hochschullehrer und differenziert nicht zwischen etatmäßig und nichtetatmäßig angestellten. Der Anteil des Herzogtums Braunschweig an der Reichsbevölkerung lag 1871 bei rund 0,8 Prozent. 24 Vgl. etwa Baumgarten, Professoren, S. 22ff. und 119f.; Willet, Sozialgeschichte, S. 65; Paletschek, Tradition, S. 287 und 319. 25 Vgl. Moraw, Aspekte, S. 7f. und 39ff. Für die vorklassische Universität hält Moraw fest: „Statt der nicht immer leicht nachweisbaren Befähigung wird man lieber das soziale Moment betonen, also in der nicht ungefährlichen Kombination ‚Gelehrtenfamilie‘ lieber das Element ‚Familie‘ als dasjenige des ‚Gelehrten‘“ (S. 40). Baumgarten spricht von der „Anwartschaft auf eine Professur an der Landesuniversität“ (Baumgarten, Professoren, S. 102). 164 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber meisters, die Angelegenheit zur Kenntnis seiner Majestät zu bringen, habe ich Abstand genommen.“26 27 Tabelle 1: Herkunftsregionen der Professoren Preußen Berlin Rheinprovinz Provinz Brandenburg Provinz Schlesien Provinz Westfalen Provinz Sachsen Provinz Ostpreußen Provinz Westpreußen Provinz Pommern Provinz Hannover Provinz Posen Provinz Hessen Provinz Schleswig-Holstein Provinz Südpreußen 34 25 16 16 13 11 10 10 9 9 8 6 4 1 Summe Russland Großbritannien Italien Schweden Deutsche Staaten Kgr. Bayern Hessische Staaten Ghzm. Baden Kgr. Württemberg Kgr. Hannover Thüringische Staaten Kgr. Sachsen Ghzm. Mecklenburg Reichsland Elsass-Lothringen Hamburg Bremen Ghzm. Oldenburg Hzm. Schleswig-Holstein Hzm. Braunschweig Fsm. Anhalt Kfsm. Köln Kgr. Westfalen 172 4 1 1 1 Summe 20 11 8 8 8 7 7 6 6 5 4 3 2 2 1 1 1 100 Österreich-Ungarn Schweiz 14 1 unbekannt 3 Eine Differenzierung der Professorenschaft nach Herkunftsregionen illustriert die regionale Verwurzelung der Hochschule im preußisch-norddeutschen Raum (Tabelle 1). Gut elf Prozent der Professoren waren Berliner, weitere fünf Prozent Brandenburger. Darüber hinaus waren die bevölkerungsreichen und industriell geprägten Provinzen Rheinland (acht Prozent) und Schlesien (fünf Prozent) von herausragender Bedeutung. Die außerhalb Preußens geborenen Professoren verteilten sich zu knapp 20 Prozent auf die norddeutschen und zu 15 Prozent auf die süddeutschen Staaten einschließlich Elsass-Lothringen. Deutlich dominierend war in 26 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. IX, 13. Juli 1905 (ohne Paginierung). 27 Entscheidend für die Zuordnung der Orte zu den Regionen war die staatliche Zugehörigkeit im Jahr der Geburt. Abgewichen wurde von diesem Prinzip lediglich im Fall von Carl Bötticher, geboren 1806 in Nordhausen, und Albert Rhodius, geboren 1821 in Altenkirchen: Die Geburtsorte wurden zur Vereinfachung den jeweils erst später eingerichteten preußischen Provinzen Sachsen bzw. Rheinland zugeordnet. 3.1 Geographische Herkunft 165 dieser Gruppe das Königreich Bayern, der bevölkerungsreichste Staat Süddeutschlands. Berücksichtigt man die staatliche Zugehörigkeit der Herkunftsregionen der Professoren nicht nur zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Geburt, sondern vielmehr bei ihrer Berufung, so erscheinen die Berliner technischen Akademien noch abgeschlossener. Von den acht Hannoveranern wurde lediglich einer vor 1866 berufen, der erste Hesse aus einem Gebiet, welches auch nach 1866 nicht preußisch war, kam 1892 nach Berlin, und die beiden im Herzogtum Schleswig-Holstein Geborenen wurden 1881 und 1913 berufen. Professoren aus Territorien, die nie unter preußischer Herrschaft standen, erhielten in nennenswerter Größenordnung erst seit der Mitte der 1890er Jahre Lehrstühle in Berlin: Der erste Thüringer kam 1894, der erste Bayer 1896, der erste Mecklenburger 1900; die Badener wurden hauptsächlich nach 1897 berufen, die Württemberger nach 1900, die Sachsen nach 1901.28 Im gleichen Zeitraum öffnete sich die Charlottenburger Hochschule auch dem übrigen deutschsprachigen Raum. Die 14 Österreicher, rund fünf Prozent der Untersuchungsgruppe, kamen hauptsächlich nach 1896 in die preußische Hauptstadt. Davor war im Jahre 1888 lediglich der in Graz geborene Alois Riedler berufen worden. Es handelte sich hier jedoch nicht unbedingt um eine gewollte Abschließung der technischen Akademien gegenüber nicht-preußischen Lehrkräften. Vielmehr ist die Zusammensetzung ihres Lehrkörpers eher als Symptom für die lange Zeit schwierige Position der Charlottenburger Hochschule und ihrer Vorgängerinnen neben ihren süddeutschen, österreichischen sowie schweizerischen Schwesteranstalten zu verstehen. Im Mai 1877 teilte das Handels- dem Kultusministerium mit, dass es schwierig sei, die „tüchtigsten Lehrkräfte“ für Berlin zu gewinnen, „weil die Titel- und Rangverhältnisse der Lehrer […] weniger günstig geordnet“ seien. Resümierend wird festgestellt: „Es bleibt Preußen nichts anderes übrig, als in diesem Punkte dem gegebenen Beispiel zu folgen gerade so, wie es nicht umhin gekonnt hat, die an den anderen Orten bewilligten Gehälter zu berücksichtigen, um die vorhandenen Lehrkräfte den technischen Hochschulen zu erhalten und neue heranzuziehen.“29 Aber auch noch Anfang der 1890er Jahre war Berlin nur bedingt konkurrenzfähig. Für den Lehrstuhl für Technische Chemie wünschte die Abteilung die Berufung eines Professors aus Zürich und forderte „daß die Vortheile, welche das schweizer Polytechnikum dem Professor Lunge bietet, demselben von dem größten deutschen Polytechnikum“30 ebenfalls geboten würden. Die Berufung scheiterte jedoch an Gehaltsfragen.31 Die Verbreiterung der regionalen Basis des Professoren28 Ausnahmen bilden der 1877 berufene Württemberger Guido Hauck, der 1883 berufene Badener Heinrich Weber und der 1885 berufene Sachse Hermann Rietschel. 29 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. IV Bd. 24, Bl. 9-12, 25. Mai 1877. Vgl. auch ebd., Bl. 1–3, 18. Februar 1877. 30 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. II, Bl. 273, 9. August 1890. 31 Mit Bleistift vermerkte der zuständige Referent im Ministerium auf dem Schreiben der Abteilung, dass für Prof. Dr. Georg Lunge ein Gehalt von 10 bis 15.000 M notwendig wäre. Der schließlich berufene Otto Witt erhielt ein Grundgehalt von 5.000 M und eine Zulage von 166 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber kollegiums seit der Jahrhundertwende erscheint somit weniger als Ausdruck einer größeren Offenheit als vielmehr einer gestiegenen Attraktivität. Professoren aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland kamen nur vereinzelt an die Hochschule. Zudem zeigt ein genauerer Blick, dass sie in der Regel nicht als Ausländer zu werten sind. Vier der Charlottenburger Professoren wurden in Russland geboren: Eduard Dobbert und Otto Witt kamen in Sankt Petersburg zur Welt, Georg von Knorre in Nikolajew und Leo von zur Mühlen in Dorpat. Alle vier sind nicht als Russen zu zählen, sondern gehörten zur deutschen Minderheit in Russland. Die Daten zu Familie und Werdegang belegen dies. Dobbert besuchte die deutschsprachige Sankt-Petri-Schule in seiner Heimatstadt, Knorres Großvater war außerordentlicher Professor an der ebenfalls deutschsprachigen Universität in Dorpat und Mühlen studierte ebenda. Witt schließlich war Schweizer Staatsbürger und schrieb kurz vor seiner Berufung an den Personalreferenten im Ministerium: „Ich habe Russland nie als meine Heimath betrachtet, habe dieses Land mit meinen Eltern im Jahre 1859 verlassen und bin, mit Ausnahme eines kurzen Aufenthaltes daselbst im Jahre 1863 nie wieder dort gewesen.“32 Auch die Familie des 1883 in Croydon bei London geborenen Heinrich Hanemann kehrte schon 1888 nach Deutschland zurück, Hanemann besuchte später ein Gymnasium in Saarbrücken und studierte dann an der Technischen Hochschule in Berlin. Albert Grell kam 1814 in Stralsund zur Welt, das zu diesem Zeitpunkt noch unter schwedischer Verwaltung stand und ist somit nicht als Schwede, sondern als Pommer zu zählen. Der 1862 in Genua geborene George Henry de Thierry schließlich erfuhr seine Ausbildung, abgesehen von zwei Schuljahren in England, ebenfalls im deutschsprachigen Raum: Er legte seine Reifeprüfung in Sankt Gallen ab und studierte in Zürich und Dresden.33 Diese sieben im nichtdeutschsprachigen Ausland geborenen Professoren sind also spätestens mit Beginn ihrer Schulbildung einem deutschsprachigen Umfeld zuzuordnen. In sehr viel stärkerem Maße als die Gesamtbevölkerung entstammten die Professoren der Charlottenburger Hochschule und ihrer Vorgängerinstitutionen einem städtischen Milieu (Graphik 12). In seinem Buch über „Die höheren technischen Schulen“ stellte Friedrich Schoedler 1847 fest, dass diese in größeren Städten angesiedelt wären, während die Universitäten, an denen es „in Deutschland erwiesenermaßen einen Überfluß“34 gebe, eher in kleinen Städten beheimatet seien. „Während die Musen eher der Stille ländlicher Städte sich zuwenden, erstarken 660 M (Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. II, Bl. 273, 9. August 1890 und ebd., Bl. 332, 23. April 1891). 32 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. II, Bl. 298, 5. April 1891. 33 Im Abteilungsvorschlag zur entsprechenden Lehrstuhlbesetzung heißt es recht ungenau: „De Thierrÿ ist etwa 40 Jahre alt, in England geboren, in Belgien erzogen und hat auf der Technischen Hochschule zu Dresden sein Diplomexamen gemacht. Ferner mußte er vor seiner definitiven Anstellung in Bremen – bei welcher Gelegenheit er naturalisiert worden ist, ein dem preußischen Regierungs-Baumeister-Examen entsprechendes Examen in Bremen ablegen“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. V, 9. Juni 1903 (ohne Paginierung)). 34 Schoedler, Schulen, S. 9. 167 3.1 Geographische Herkunft die Techniker nur am Gewühl und Geräusch eines bewegten industriellen Lebens“35 – so suchte er diesen Gegensatz zu erklären. In der Tat lassen sich unter den Charlottenburger Professoren in diesem Sinne idealtypische Lebensläufe finden: Fritz Horn erblickte 1880 das Licht der Welt im westpreußischen Elbing, einem gerade expandierenden Zentrum der preußischen Schiffbauindustrie36, studierte in Berlin-Charlottenburg Schiffbau und folgte nach einer ersten Lehrtätigkeit an der Danziger Technischen Hochschule 1928 einem Ruf auf den Lehrstuhl für Dynamik und Theorie der Schiffe in Charlottenburg. Bereits hingewiesen wurde auf die Bedeutung der industriell geprägten Provinzen Rheinland und Schlesien als Rekrutierungsraum für die Berliner Hochschule. Nicht zuletzt war Berlin selbst ein industrielles Zentrum, im späten 19. Jahrhundert besonders der Elektroindustrie und der chemischen Industrie. 37 38 Graphik 12: Einwohnerzahl der Geburtsorte 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% Land (weniger als 2.000) Landstadt (2 bis 5.000) Kleinstadt (5 bis 20.000) Mittelstadt (20 bis 100.000) Großstadt (mehr als 100.000) 1945 (81) 1940 (86) 1935 (91) 1930 (70) 1925 (67) 1920 (71) 1915 (74) 1910 (71) 1905 (67) 1900 (50) 1895 (41) 1890 (39) 1885 (38) 1880 (37) 1875 (33) 1870 (23) 1865 (16) 1860 (14) 1855 (12) 0% 1851 (11) 10% unbekannt Als im späten 18. Jahrhundert die ersten Professoren der Untersuchungsgruppe geboren wurden, lebten knapp 90 Prozent der Deutschen auf dem Land, in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern. Die übrigen verteilten sich zu fünf 35 Ebd., S. 11. 36 Vgl. Treue, Wirtschaft, S. 578. Weitere wichtige Werften befanden sich in Stettin, Pillau und Kiel. 37 Zur Bedeutung der Rheinprovinz und Schlesiens als Wirtschaftsregionen Preußens vgl. Treue, Wirtschaft, S. 536ff. und 566ff. Zu Berlin vgl. S. 569: Um 1895 arbeiteten „in Berlin etwa ein Drittel der in Deutschland in dieser Industrie Beschäftigten“; vgl. auch Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 237. 38 In Klammern ist die jeweilige Gesamtzahl der Professoren angegeben. Entscheidend für die Zuordnung war die Einwohnerzahl im Jahr der Geburt. 168 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Prozent auf die Kleinstädte (5.000 bis 20.000 Einwohner), zu knapp vier Prozent auf die mittleren Städte (20.000 bis 100.000 Einwohner) und zu zwei Prozent auf die drei Großstädte Wien, Berlin und Hamburg (über 100.000 Einwohner).39 Im Jahre 1907, als mit Willi Willing der letzte der Professoren zur Welt kam, wohnten noch gut 50 Prozent der Deutschen auf dem Land, jeweils rund 14 Prozent in kleinen und mittleren Städten sowie gut 20 Prozent in Großstädten.40 Im Gegensatz dazu kamen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg ein gutes Drittel der Professoren aus ländlichen Gebieten, jeweils ein Fünftel aus Klein- und Mittelstädten und ein Viertel aus Großstädten. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung waren also sämtliche Stadtkategorien überrepräsentiert. Dies deckt sich mit den Befunden für die Professoren der Braunschweiger Technischen Hochschule. Von den dort zwischen 1877 und 1914 Berufenen kamen ein Fünftel aus Gemeinden mit weniger als 2.000 und die Hälfte aus Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern.41 Dies entspricht recht genau den Werten für die zwischen 1879 und 1914 nach Charlottenburg berufenen Professoren. Zwar sollten die Werte während der ersten Jahrzehnte aufgrund der kleinen Gesamtzahlen nicht überinterpretiert werden; allerdings ist auffällig, dass gerade in den Anfangsjahren die Professorenschaft sehr großstädtisch geprägt war. In den Folgejahren kam es zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Professoren aus ländlichen Regionen. Im Jahre 1880 stammte mehr als die Hälfte der Professoren aus Ortschaften mit weniger als 5.000 Einwohnern. Von diesem Zeitpunkt an ist ein recht klarer Trend gleichsam hin zu einer Verstädterung der Professorenschaft zu erkennen. Der Anteil der mittel- und großstädtischen Geburtsorte wuchs recht kontinuierlich von gut 20 auf 60 Prozent am Ende des Untersuchungszeitraums an. Seit der Jahrhundertwende verlief diese Entwicklung recht ausschließlich auf Kosten der kleinstädtischen Herkunft, da der Anteil der Professoren aus einem ländlichen oder landstädtischen Milieu bei knapp 30 Prozent stabil blieb. Signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Fakultäten lassen sich nicht erkennen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Professorenschaft der Technischen Hochschule Berlin und ihrer Vorgänger stets preußisch dominiert war. Erst seit der Wende zum 20. Jahrhundert kamen Professoren aus anderen deutschen Staaten in größerer Zahl nach Berlin. Dies kann zum einen als Ausdruck einer größeren Homogenität der einzelnen Technischen Hochschulen im Reich verstanden werden und zum anderen als Ausdruck einer gestiegenen Attraktivität eines Lehrstuhls in Charlottenburg. Auffällig sind darüber hinaus die städtische Prägung der Professorenschaft und die Bedeutung industrieller Regionen wie der Rheinprovinz oder Schlesiens als Rekrutierungsräume. Die wichtige 39 Vgl. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 112. Entsprechend Nipperdeys Einschätzung „Gemeinden unter 2000 wachsen auf über 2000 und kommen dadurch in die Stadt-Kategorie, obwohl sie Land bleiben“ (ders., Geschichte, Bd. 1, S. 34) sind diese Landstädte hier zur ländlichen Bevölkerung gezählt. Willet, Sozialgeschichte, S. 80, verwendet abweichende Ortsgrößenklassen (Land/Kleinstadt: 2.000 bis 10.000, Mittelstadt: 10.000 bis 100.000). 40 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 34f. In Gemeinden unter 2.000 Einwohnern lebten 1910 noch 40 Prozent der Deutschen, in den Landstädten rund zehn Prozent. 41 Vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 65. 3.2 Soziale Herkunft 169 Rolle der Städte als Herkunftsmilieu entspricht und steht in engem Zusammenhang mit der festen Verwurzelung der Charlottenburger Professoren in den bürgerlichen Schichten. 3.2 SOZIALE HERKUNFT Als Indikator für die soziale Herkunft der Professoren dient der Beruf des Vaters, der in gut 80 Prozent der Fälle ermittelt werden konnte.42 Die im Folgenden genannten Werte sind also immer als Mindestwerte zu verstehen.43 Bei den Fakultäten für Maschinenwirtschaft und für Allgemeine Wissenschaften ist die Datenlage mit 86 und 90 Prozent besser als an den Fakultäten für Bauwesen und für Stoffwirtschaft, wo jeweils rund 75 Prozent der Vaterberufe bekannt sind. Gerade für die ersten Jahrzehnte fehlen die Angaben häufig. Dies mag zum einen für die eher bescheidene Herkunft der Professoren sprechen. Zum anderen auch dafür, und dies vielleicht in stärkerem Maße, dass ihre Position von den Zeitgenossen noch nicht als derart bedeutend angesehen wurde, und die Professoren dementsprechend seltener Eingang in biographisches Schrifttum fanden. Deutlich unproblematischer gestaltet es sich beispielsweise im gleichen Zeitraum, die Vaterberufe der Berliner Universitätsprofessoren zu ermitteln.44 Die Frage nach der sozialen Herkunft ist zentral, um entscheiden zu können, ob die Übernahme eines Lehramtes an den technischen Akademien oder später an der Technischen Hochschule aus Sicht der Lehrstuhlinhaber einen sozialen Aufstieg bedeutete. So sind Aussagen über eine etwaige Offenheit oder Abgeschlossenheit des Kollegiums möglich. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Position der technischen Professorenschaft im sozialen Gefüge der Gesellschaft während der hier betrachteten knapp 100 Jahre änderte. Im vorangegangenen Kapitel wurde der rechtliche Aufstieg der Berliner technischen Akademien erörtert – von der Einrichtung etatmäßiger Lehrstühle um 1850 über die Rangerhöhung der Professoren vier Jahrzehnte später und die Verleihung des Promotionsrechtes 1899 bis hin zur Einführung des Titels ‚ordentlicher Professor‘ nach dem Ersten Weltkrieg. Daraus resultiert natürlich, dass die gesellschaftliche Stellung eines Lehrers am Gewerbeinstitut zur Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich verschieden war von der eines Professors der Technischen Hochschule in den 42 Vgl. Lenger, Nationalstaatsgründung, S. 180f. und Willett, Sozialgeschichte, S. 92: „Als Indikator, der im Hinblick auf diese wichtige Sozialisationsinstanz am besten operationalisierbar ist, hat sich der Beruf des Vaters durchgesetzt.“ Vgl. auch ausführlich Ferber, Entwicklung, S. 163 und Schröder, Sozialforschung, S. 11. Für 54 der 297 Professoren (18,2 Prozent) konnte der Beruf des Vaters nicht ermittelt werden. 43 Sofern nicht anders angegeben lag der Berechnung der Prozentzahlen die Gesamtheit der 297 Professoren als 100 Prozent zugrunde. 44 Vgl. demnächst Wagner, Beharrliche Einheit. Auch Ferber beklagt den „Mangel an veröffentlichtem Material über die Hochschullehrer der technischen Fächer“ (Ferber, Entwicklung, S. 170). Beispielsweise konnte für lediglich 18 der 1.182 von Ferber erfassten technischen Hochschullehrer die Konfession ermittelt werden (vgl. Ringer, Sociography, S. 276). 170 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Stand jener höchstens am Rand des gesellschaftlich hochangesehenen Bildungsbürgertums, so gehörte dieser eher zu dessen Zentrum.45 Es liegt nahe zu vermuten, dass sich dieser Wandel in einem über den Untersuchungszeitraum hinweg veränderten Rekrutierungsmuster spiegelt. Andererseits war das soziale Prestige der Bildungsbürger während der Weimarer Republik im Vergleich zum Kaiserreich niedriger und sank während des „Dritten Reiches“ weiter.46 Ein erster Blick auf die nach Berufsgruppen zusammengefassten Vaterberufe der Professoren zeigt, dass die Technische Hochschule und ihre Vorgänger eine bürgerliche Angelegenheit waren (Tabelle 2).47 Lediglich fünf der Professoren stammten aus einem bäuerlichen Milieu sowie vier weitere, Ferdinand und Achim von Arnim, August von Borries sowie Leo von zur Mühlen, aus einem adligen. Zwar könnte auch Hans Poelzig, der 1869 als Sohn der thüringischen Gräfin Carla Henriette von Poelzig geboren wurde, zum Adel gerechnet werden. Allerdings wuchs er nach dem frühen Tod seiner Mutter in der Familie eines Dorfkantors auf. Zudem herrscht eine gewisse Unklarheit in der Vaterfrage: Der Engländer George Acland Ames, bis 1870 mit der Gräfin verheiratet, bestritt die Vaterschaft, und Poelzig selbst bezeichnete sich als den „Sohn der Gräfin Poelzig und eines Lastkutschers.“48 Entsprechend des Berufs seines Pflegevaters und damit gemäß der Umwelt, in der er aufwuchs, wird Poelzig zum Kleinbürgertum gerechnet. 45 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 382, der für das Kaiserreich feststellt: „Die Bildungsbürger genießen soziales Ansehen, sie gehören zu den höheren Schichten, sie sind in der Nähe der kulturellen, sozialen, ja auch politischen Macht angesiedelt.“ Lenger spricht von „prestigeträchtiger Bildung“ (Lenger, Nationalstaatsgründung, S. 182). Vgl. auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 115. Kritisch zum Begriff Bildungsbürgertum vgl. Kocka, Gesellschaft, S. 60f. 46 Vgl. Fattmann, Bildungsbürger, S. 231ff., der den akademisch gebildeten Beamten, einer wichtigen Teilgruppe des Bildungsbürgertums, für die Zeit zwischen 1914 und 1933 einen „in seinem Tempo wohl beispiellosen ökonomischen und sozialen Niedergang“ bescheinigt. Laut Fattmann befanden sich die akademischen Beamten 1933 in einem „Zustand defensiver Resignation“ (S. 236). Grüttner, Hakenkreuz, S. 89, spricht von der „demonstrative[n] Verachtung der Intellektuellen durch das NS-Regime“, das zu einem Ansehensverlust der Universitäten und Hochschulen führte. Im Zusammenhang mit der Nutzbarmachung des wissenschaftlichen Potentials für den Krieg Anfang der vierziger Jahre stellt Grüttner fest: „Um die Wissenschaft zu Höchstleistungen zu motivieren, versuchte der von Goebbels organisierte Propagandaapparat des Regimes die anti-intellektuellen Ressentiments früherer Jahre vergessen zu machen“ (ebd., S. 100). 47 Grundlegend zur Geschichte des deutschen Bürgertums in europäischer Perspektive vgl. die einzelnen Beiträge in Kocka, Bürgertum. Vgl. auch Nipperdey, Bürgerwelt, S. 255ff.; ders., Geschichte, Bd. 1, S. 374f. 48 Zit. bei Posener, Poelzig, S. 29. Vgl. zu Poelzig auch Heuss, Poelzig. 171 3.2 Soziale Herkunft 49 Tabelle 2: Vaterberufe der Neuberufenen 1851-1878 9% Beamte (Höherer Dienst) 5 Richter, Staatsanwälte 2 3,5% 9% Beamte (Mittlerer und Unterer Dienst) 5 Hochschullehrer Gymnasiallehrer Freie Berufe (Architekten, Ingenieure) Freie Berufe (Ärzte, Apotheker) 3 5,5% Freie Berufe (Rechtsanwälte, Notare) 2% Pfarrer 1 2% Künstlerische Berufe 1 Gutsbesitzer 2% Leitende Angestellte 1 Offiziere Unternehmer 2 3,5% Lehrer 9% Gewerbe, Handwerk 5 9% Kaufleute 5 2% Angestellte 1 Bauern Unbekannt 24 44% 55 1879-1918 1919-1932 1933-1945 9 8% 5 8,5% 11 15% 2 2% 1 1,5% 3 4% 3 3% 4 7% 9 12,5% 7 6,5% 1 1,5% 4 5,5% 3 3% 3 5% 6 8% 3 3% 3 3% 2 3,5% 2 2,5% 2 2% 2 3,5% 5 4,5% 3 5% 5 7% 4 3,5% 1 1,5% 5 4,5% 2 3,5% 1 1,5% 3 3% 2 3,5% 3 4% 2 2% 1 1,5% 16 14,5% 7 12% 5 7% 3 3% 4 7% 3 4% 8 7% 6 10% 6 8% 9 8% 9 15,5% 6 8% 1 1% 1 1% 2 3,5% 2 2,5% 22 20% 6 10% 5 7% 110 59 73 Sicher ist die Zuordnung der Väter der zwischen dem späten 18. und dem frühen 19. Jahrhundert geborenen Professoren zu Berufsgruppen nicht immer unproblematisch. Mitunter werden recht heterogene Berufe unter einem Begriff subsumiert – so reicht die Bandbreite der Kategorie ‚Beamte (Höherer Dienst)‘ theoretisch von Ministern bis hin zu Bauinspektoren.50 Bei den 30 zu dieser Gruppe gezählten Vätern fällt auf, dass es sich weniger um juristisch gebildete Verwaltungsbeamte handelte, als eher um höhere Beamte in den Fachbehörden, beispielsweise Regierungsbauräte. Aufgrund der Nähe zwischen der staatlichen Bauverwaltung und der Bauakademie verwundert dies kaum. Als Nichtjuristen gehörten diese Väter also zu der unteren Schicht der höheren Beamtenschaft, und gerade in den Anfangsjahren des Untersuchungszeitraums kann bei ihnen ein akademisches Studium nicht unbedingt vorausgesetzt werden.51 Ebenso unscharf ist die Kategorie 49 Die Abweichungen von 100 Prozent bei Summierung der einzelnen Prozentangaben ergeben sich aus der Rundung auf einen halben Prozentpunkt genau. 50 Vgl. Süle, Bürokratietradition, S. 111ff. Auch bei Ferber, Lehrkörper, S. 177f., sind die Beamten der Verwaltung und des technischen Dienstes zusammengefasst. 51 Vgl. Süle, Bürokratietradition, S. 83f. 172 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber ‚Kaufleute‘. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei eher um kleinere Kaufleute handelte, da andernfalls die Quellen in der Regel darauf hinweisen.52 Über den Gesamtzeitraum betrachtet kamen jeweils rund zehn Prozent der Professoren aus Unternehmerfamilien, aus höheren Beamtenfamilien und aus Kaufmannsfamilien. Mit gut acht beziehungsweise sieben Prozent spielten selbständige Handwerker und Gewerbetreibende sowie mittlere Beamte eine etwas geringere Rolle. Alle übrigen Berufsgruppen blieben unter fünf Prozent, nennenswert sind hier noch die Pfarrer mit 4,5 sowie die Hochschul- und Gymnasiallehrer mit jeweils vier Prozent. Klammert man den Zeitraum von 1851 bis 1878 aufgrund der hohen Zahl unbekannter Vaterberufe aus, so lässt sich beobachten, dass der Anteil der Professoren aus höheren und mittleren Beamtenfamilien sowie aus Lehrerfamilien tendenziell steigt. Auch der Anteil der Pfarrerssöhne wächst leicht. Eher uneinheitlich entwickeln sich die Zahlen bei den Kaufleuten und Handwerkern, während der Anteil der Unternehmersöhne unter den Professoren überraschend stark abfällt. Für eine Beurteilung und Einordnung dieser Befunde bieten sich zwei Vergleiche an: Zum einen mit den von Gundler untersuchten Hochschullehrern der Technischen Hochschule in Braunschweig und zum anderen mit den von Ferber zusammengetragenen Daten für die Gesamtheit der deutschen Hochschullehrer. Die beiden in ihrer Größenordnung recht unterschiedlichen Technischen Hochschulen in Braunschweig und in Charlottenburg zeigen klare Übereinstimmungen hinsichtlich der sozialen Herkunft ihrer Professoren. Auch in Braunschweig zählten zwischen 1862 und 1945 in ähnlichen Größenordnungen höhere Beamte, Unternehmer, Kaufleute sowie Handwerksmeister zu den wichtigsten Vaterberufen der Hochschullehrer.53 Auffällig ist, dass der Anteil der Professoren aus Unternehmerfamilien in Braunschweig ebenfalls während des Kaiserreichs deutlich höher lag als in der Weimarer Republik oder während des „Dritten Reiches“. Fasst man für die Charlottenburger Hochschule die Daten der beiden letzten Tabellenspalten zusammen, um zu ähnlichen Zeiträumen wie Gundler zu gelangen, so wird deutlich, dass die beiden Gruppen im zeitlichen Verlauf auch einige Unterschiede aufweisen. Zwar steigt in Charlottenburg der Anteil der Professoren aus Familien höhere Beamter und Kaufleute ebenfalls. Aber während in Braunschweig der Prozentsatz der Professoren mit einem familiären Hintergrund 52 Vgl. Ferber, Entwicklung, S. 173. Der Begriff Kaufmann reicht laut Ferber „vom Einzelhändler auf dem Dorf bis zu den Spitzenpositionen im Import-Exporthandel“ und umfasst so „ökonomisch und bildungsmäßig voneinander stark unterschiedene Schichten“ (ebd.). Neben der Kategorie ‚Kaufleute‘ verwendet Ferber auch jene der ‚Großkaufleute‘ (vgl. S. 178). 53 Vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 69. Gundler untersuchte nicht nur die ordentlichen Professoren, sondern alle Hochschullehrer der TH Braunschweig, konnte jedoch nur für gut 70 Prozent die Vaterberufe ermitteln (285 von 400). Ihre Prozentangaben – jeweils 11,2 Prozent aus höheren Beamtenfamilien und Handwerkerfamilien, jeweils 10,2 Prozent aus Unternehmerfamilien und mittleren Beamtenfamilien sowie 9,5 Prozent aus Kaufmannsfamilien – beziehen sich auf die 285 Personen, für die der Beruf der Väter ermittelt werden konnte. Sie sind also nicht direkt mit den Prozentangaben für Charlottenburg zu vergleichen, da – wie erwähnt – hier die tatsächliche Zahl der Professoren Grundlage der Prozentangaben bildet. 3.2 Soziale Herkunft 173 im kleinen und mittleren Beamtentum oder im Handwerkertum rückläufig ist, konnten diese Gruppen ihre Position in Charlottenburg weiter ausbauen. Gleiches gilt, in kleinerem Maßstab jedoch, für die Pastorensöhne. Insgesamt ergibt sich also der Eindruck, dass die Technische Hochschule in Charlottenburg eine leichte Tendenz zu einer größeren sozialen Offenheit aufwies als jene in Braunschweig. Dies ist um so bemerkenswerter, als die hier untersuchte Gruppe hinsichtlich ihres beamtenrechtlichen Status exklusiver ist, da in den Braunschweiger Daten neben den Ordinarien auch die übrigen Hochschullehrer berücksichtigt sind. Ein Vergleich mit den Daten Ferbers bedarf zunächst einiger methodischer Anmerkungen. Auch er beschränkt sich bei seiner Untersuchung nicht auf die ordentlichen Professoren, sondern bezieht Extraordinarien, Privatdozenten und alle darüber hinaus habilitierten Dozenten mit ein. Allerdings lässt Ferber die Vertreter der technischen Wissenschaften, die er eigentlich ab 1900 berücksichtigt, an dieser Stelle gänzlich außen vor, da für sie nicht genügend Angaben ermittelt werden konnten.54 Demzufolge beschreiben Ferbers Daten auch für das 20. Jahrhundert eher den universitären Durchschnitt als den Gesamtdurchschnitt aller wissenschaftlichen Hochschulen. Von den Lehrkräften der Technischen Hochschulen fließen in seine Untersuchung hier lediglich die Naturwissenschaftler und die wenigen Geisteswissenschaftler mit ein.55 Zudem gruppiert er die Daten nach Habilitationsjahrgängen. Letztlich ist es also auch hier nur möglich, relative Größenordnungen und Entwicklungstendenzen zu vergleichen. Rechnet man die Daten Ferbers zusammen, so zeigt sich, dass zwischen 1860 und 1944 die beiden wichtigsten Vaterberufe unter den habilitierten Hochschullehrern mit jeweils knapp 12,5 Prozent Hochschullehrer und Kaufmann waren. Darauf folgen mit gut acht Prozent Ärzte und mit jeweils rund 6,5 Prozent höhere und mittlere Beamte sowie mit sechs Prozent Pastoren. Aus Unternehmerfamilien kamen gut 4,5 Prozent der Professoren, aus Handwerkerfamilien gut drei Pro- 54 Vgl. Ferber, Entwicklung, S. 170 und 177f. Ferber bezieht die Technischen Hochschulen ab 1900 in seine Untersuchung mit ein, da sie erst ab diesem Zeitpunkt die Kriterien für eine wissenschaftliche Hochschule – Staatlichkeit, Rektoratsverfassung, Promotions- und Habilitationsrecht – voll erfüllen (S. 35, vgl. zur Definition einer wissenschaftlichen Hochschule auch Wende, Grundlagen, S. 4ff.). Auch Gundler, Sozialgeschichte, S. 71, weist darauf hin, dass Ferbers Daten „im wesentlichen durch die Hochschullehrerschaft der Universitäten geprägt“ sind. Für eine neuere Analyse von Ferbers Daten vgl. Ringer, Sociography, S. 263ff. Ringer berücksichtigt die technischen Professuren, warnt jedoch insgesamt vor „relatively high proportions of ‚unknowns‘ in this portion of the data“ (S. 263): Die entsprechenden Prozentsätze bewegen sich zwischen 26,3 und 48,8 (S. 267). Ringer fährt fort: „there is bound to be a bias in the ‚knowns‘ toward the more successful academics, and perhaps also toward those from traditionally distinguished, wealthy, or powerful families“ (S. 268). Bei seinen Prozentangaben legt er, wie auch Ferber, jeweils die Zahl der Professoren „from known social backgrounds“ (ebd.) zugrunde. 55 Nach den von Ferber, Lehrkörper, S. 195ff., angeführten Daten arbeiteten zwischen 1900 und 1938 jeweils rund ein Drittel der naturwissenschaftlichen Ordinarien an einer Technischen Hochschule. Bei den geisteswissenschaftlichen Ordinarien lag der Anteil 1900 bei gut zehn Prozent und 1938 bei knapp 6,5 Prozent. 174 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber zent.56 Es zeigen sich also klare Unterschiede zu den Charlottenburger Professoren. Der Grad der Selbstrekrutierung im engeren Sinne – also nicht Akademiker, sondern lediglich Hochschullehrer – war hier deutlich geringer; der Anteil der Unternehmer- und Handwerkerväter hingegen deutlich höher. Stärker als die Universitäten rekrutierte sich die Professorenschaft der Technischen Hochschule in Charlottenburg, und auch der in Braunschweig, aus den mittleren und unteren Schichten des Bürgertums, der größere Anteil von Professoren aus mittleren und kleinen Beamtenhaushalten oder aus Handwerkerhaushalten ist dafür symptomatisch. Die beiden Technischen Hochschulen können somit als sozial offener angesehen werden, ohne jedoch den nicht-bürgerlichen Schichten in nennenswertem Umfang Zugang zu gewähren.57 Die Gründe dafür sind in erster Linie darin zu suchen, dass es sich bei den Technischen Hochschulen – verglichen mit den Universitäten – um recht junge, in ihren Rekrutierungsmustern noch nicht verfestigte Institutionen handelte. Da hier keine aus althergebrachten Gebräuchen resultierende Widerstände zu überwinden waren, keine „Universitätsfamilien“ oder „Wissenschaftlerdynastien“58 bestanden, die gleichsam Anspruch auf die Professuren erhob, konnte im technischen Bereich früher und stärker leistungsbezogen berufen werden. Ein Blick auf die Daten im zeitlichen Verlauf zeigt besonders seit der Jahrhundertwende eher Parallelentwicklungen und Annäherungen als Unterschiede zwischen den beiden Rekrutierungsmustern. Sowohl die universitär geprägten Angaben bei Ferber als auch die Werte für die Technische Hochschule Charlottenburg weisen einen steigenden Anteil von Professoren aus kleinen Beamtenfamilien auf, während Unternehmersöhne seltener werden. Der Prozentsatz der Pastoren und Gymnasiallehrer unter den Vätern nähert sich bei unterschiedlicher Entwicklung an, wobei in beiden Fällen die Werte für Charlottenburg den Gesamtdurchschnitt schließlich übertreffen. Verschiedene Trends lassen sich bei den Kaufmannssöhnen erkennen: Während ihre Zahl im universitären Sektor nach dem Ersten Weltkrieg rückläufig war, entwickelten sich die Zahlen an der Technischen Hochschule uneinheitlich. Unterschiedlich verhielten sich die Dinge auch bei den Professoren aus höheren Beamtenfamilien: An den Universitäten blieb ihr Anteil konstant, in Charlottenburg hingegen stieg er bei höherem Ausgangsniveau weiter an. Zusammenfassend wird also deutlich, dass die Technische Hochschule in Charlottenburg ihre Professoren stärker aus den wirtschaftlich orientierten Gruppen des Bürgertums rekrutierte. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass ein technischer Lehrstuhl gerade in den beiden Jahrzehnten nach der Gründung der Hochschule 1879 für die bildungsbürgerlichen Schichten attraktiver wurde. Lässt man jene Professoren außer Acht, für deren Väter der Beruf nicht ermittelt werden 56 Berechnet nach Ferber, Lehrkörper, S. 177f. 57 Vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 71, die feststellt, dass „die Zusammensetzung des Braunschweiger Lehrkörpers im 19. Jahrhundert im Vergleich zu den Universitäten […] weniger exklusiv“ war. 58 Baumgarten, Universitäten, S. 93. Zu den Begriffen vgl. ebd., S. 93ff. 175 3.2 Soziale Herkunft konnte, kamen um die Jahrhundertwende gut die Hälfte der Charlottenburger Lehrstuhlinhaber aus einem bildungsbürgerlichen Haushalt (Graphik 13). Diese Professoren werden sich kaum als „Emporkömmlinge im Völkerleben“ verstanden haben, wie Max Maria von Weber die „Berufsclasse der Techniker“59 bezeichnet hatte. Hier wird deutlich, dass die Bemühungen um eine Statusanhebung der Technischen Hochschulen im späten 19. Jahrhundert aus Sicht eines Großteils ihrer Professoren zugleich ein Bemühen um Statuswahrung bedeutete. 60 Graphik 13: Sozialstruktur der Professorenschaft, 1851 bis 1945 100% 90% 3 60% 4 9 6 3 3 9 9 1885 (60%) 3 40% 15 14 16 15 19 24 30 34 34 15 11 33 33 33 13 50% 15 17 14 15 3 16 16 10 1 2 30% 2 3 3 10% 4 11 13 18 22 27 24 25 23 5 1875 (64%) 2 3 1870 (65%) 20% 10 1945 (93%) 3 11 1940 (95%) 3 11 1880 (62%) 70% 11 1935 (95%) 10 80% 21 Bildungsbürgertum Adel Wirtschaftsbürgertum Militär 1930 (93%) 1925 (93%) 1920 (82%) 1915 (80%) 1910 (82%) 1905 (79%) 1900 (68%) 1895 (63%) 1890 (64%) 1865 (56%) 1860 (50%) 1855 (42%) 1851 (45%) 0% Kleinbürgertum Bauern Die in Graphik 13 dargestellte Sozialstruktur der Professorenschaft zu regelmäßigen Stichjahren hebt noch einmal Gemeinsames und Andersartiges gegenüber der universitären Situation hervor. Hier wird lediglich recht grob zwischen Kleinbürgertum, Wirtschaftsbürgertum und Bildungsbürgertum unterschieden.61 Letzteres 59 Weber, Techniker, S. 5. Weber fährt fort: „Die uralten Stände, der Nähr-, Lehr-, und Wehrstand, wissen sie nicht recht in ihre Reihen einzurangiren, die Facultäts-Wissenschaften betrachten sie als Eindringlinge, den Regierungen ist sie ein unbequemes Neu-Element im Staatsmechanismus.“ 60 Berücksichtigt sind in diesem Diagramm lediglich jene Professoren, für die der Beruf des Vaters ermittelt werden konnte. Die Vollständigkeit der Daten ist jeweils in Klammern hinter den Stichjahren angegeben. In den Säulen sind die absoluten Werte vermerkt. 61 Vgl. Kocka, Gesellschaft, S. 11ff. Nipperdey spricht nicht vom Kleinbürgertum, sondern von einer „bürgerlichen Zwischenschicht“ (Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 374) bzw. vom Alten und Neuen Mittelstand – „Marxisten sprechen von ‚Kleinbürgern‘, und Intellektuelle und Künstler haben das übernommen, aber der inflationäre Gebrauch hat diesem Begriff jede wirkliche Substanz genommen“ (S. 380). Die Verwendung des Begriffs etwa bei Lenger, Nationalstaatsgründung, u. a. S. 183f., bei Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, bes. S. 130ff. 176 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber wird zudem im engeren Sinne verstanden – also nicht all jene, die höhere oder akademische Bildung besaßen, sondern nur jene, die davon lebten. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung des Reiches zählten rund fünf Prozent zum gehobenen Bürgertum, also zu den Bildungs- und Wirtschaftsbürgern, wobei erstere knapp ein Prozent ausmachten. Weitere acht bis zehn Prozent lassen sich zum Kleinbürgertum rechnen.62 Die Rekrutierungsbasis der Technischen Hochschule und darüber hinaus der gesamten Hochschullehrerschaft des Reiches war also recht schmal. Gemeinhin wird für das Reich davon ausgegangen, dass es lediglich geringe Überschneidungen zwischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum gab, also nur wenige akademisch gebildete und zugleich wirtschaftlich orientierte Bürger.63 Im Verlauf des hier betrachteten Jahrhunderts nahm dieser Anteil jedoch zu, nicht zuletzt, da der bildungsbürgerliche Lebensstil mehr und mehr Leitbild des Wirtschaftsbürgertums wurde.64 Die Technischen Hochschulen stellten dabei gleichsam eine Schnittstelle zwischen den beiden Kernformationen des Bürgertums dar, die dazu beitrug, die Grenze zwischen ihnen undeutlicher werden zu lassen. Schon unter den Vätern der Professoren finden sich entsprechende Beispiele: Der Vater des 1829 in Berlin geborenen Richard Lucae war Apotheker und Mineralwasserfabrikant; 1891 kam Otto Witt als Sohn eines Unternehmers und Professors für Chemie zur Welt, und der Vater des 1894 geborenen Franz Bachér war promovierter Chemiker und Fabrikdirektor. In der Untersuchungsgruppe selbst gehören jene Professoren der Fakultät für Bauwesen, die gleichzeitig als selbständige Architekten arbeiteten oder die Maschinenbauer, die eigene Ingenieurbüros leiteten, ebenfalls in beide Kontexte.65 Die trennscharfe Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen des gehobenen Bürgertums wird also im zeitlichen Verlauf problematischer. Trotzdem lässt sich festhalten, dass die Wirtschaftsbürger als Rekrutierungsbasis für die Technische Hochschule in Charlottenburg wichtiger waren als im universitär dominierten Gesamtdurchschnitt. Nach einem Anstieg bis 1900 nahm 62 63 64 65 und 750ff. oder bei Berghahn, Kaiserreich, u. a. S. 106, zeigt, dass sich Nipperdeys Kritik der Terminologie nicht allgemein durchgesetzt hat. Vgl. Kocka, Gesellschaft, S. 12 und Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 712f. und ebd., Bd. 4, S. 285f. Zum Begriff Bürgertum vgl. Kocka, Gesellschaft, bes. S. 14ff. Vgl. auch Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 393f. Vgl. Lenger, Nationalstaatsgründung, S. 171. Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 390: „Die Wirtschaftsbürger übernehmen die Wertund Sinninterpretationen der Bildungsbürger.“ Vgl. Kocka, Gesellschaft, S. 60: „Die Abgrenzung zwischen Wirtschafts- und Bildungsbürgertum war überdies unsauber und problematisch; die Zone ihrer Überschneidung nahm im Laufe des 19. Jahrhunderts zu.“ Vgl. auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 290: „Bei den Manager-Unternehmern stieg diese Akademikerquote [während der Weimarer Republik] sogar auf fast 80 Prozent an.“ Nach Wehler beförderte die gemeinsame Bildungsidee die „soziale und mentale Vereinheitlichung der oberen Bürgerklassen“ (Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 767). Vgl. Klinge, Universitätslehrer, S. 120, der den Technischen Hochschulen des späten 19. Jahrhunderts eine „soziale Brückenfunktion zwischen Industrie, Bank- und Börsenwesen auf der einen, der Welt der Wissenschaft auf der anderen Seite“ attestiert. 3.2 Soziale Herkunft 177 die Bedeutung der Bildungsbürger ab. Dies korreliert mit der Entwicklung an den Universitäten. Im Gegensatz zum Durchschnitt stieg in Charlottenburg der bildungsbürgerliche Anteil nach 1933 jedoch wieder an. Die augenfälligste Eigenheit der Technischen Hochschule ist jedoch die durchweg größere Rolle der kleinbürgerlichen Schichten als Rekrutierungsbasis. Sicher sind die Angaben mindestens in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums aufgrund der teilweise recht geringen Datenbasis wenig zuverlässig. In der besser dokumentierten zweiten Hälfte kommen seit der Mitte der zwanziger Jahre recht kontinuierlich genauso viele Professoren aus dem Klein- wie aus dem Bildungsbürgertum. Im Gesamtdurchschnitt der deutschen Hochschullehrer hatten zwischen 1920 und 1933 noch fast 50 Prozent einen bildungsbürgerlichen Hintergrund, während knapp 30 Prozent einem kleinbürgerlichen Milieu entstammten.66 Betrachtet man die Hochschule nicht als Einheit, sondern differenziert nach Fakultäten, so zeigen sich einige Unterschiede. An der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften, an der fast nur Fächer unterrichtet wurden, die man auch an einer Universität studieren konnte, war der Anteil der Professoren aus bildungsbürgerlichen Familien höher und der aus wirtschaftsbürgerlichen niedriger als im Gesamtdurchschnitt. Auch in ihrem Sozialprofil war diese Fakultät also gleichsam universitärer.67 Am niedrigsten war die Zahl der Professoren aus dem Bildungsbürgertum an der Fakultät für Stoffwirtschaft, während sie an den Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft recht genau dem Durchschnitt entsprach. Gleichermaßen überdurchschnittlich war der Anteil der Professoren aus kleinbürgerlichen Familien an den Fakultäten für Allgemeine Wissenschaften und für Maschinenwirtschaft. Mit ihrem stärker wirtschafts- und kleinbürgerlichen Hintergrund unterschied sich diese letztgenannte Fakultät am deutlichsten von der universitären Situation. Es liegt nahe, dies mit ihrem Fächerspektrum zu erklären: Im Gegensatz zu den anderen Fakultäten gab es hier keine Überschneidungen mit den Universitäten. Allerdings zeigen sich, differenziert man die Gruppe der Professoren nach ihren jeweiligen Lehr- und Forschungsgebieten, hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft keine signifikanten Unterschiede zwischen den Technikwissenschaftlern auf der einen und den Mathematikern und Naturwissenschaftlern auf der anderen Seite. Es waren also nicht die jungen Wissenschaften, die sich durch eine größere Offenheit auszeichneten; vielmehr ist die Technische Hochschule zu Berlin in all ihren Abteilungen als sozial offener anzusehen als die deutschen 66 Berechnet nach den Angaben bei Ferber, Entwicklung, S. 177f. Zum Bildungsbürgertum wurden die dort in Rubrik 1 zusammengefassten akademischen, künstlerischen und publizistischen Berufe gerechnet. Zum Kleinbürgertum wurden gezählt: Kleingewerbetreibende und Handwerker, Kaufleute, Hoteliers und Gastwirte, Makler und Handelsvertreter, Beamte sowie Lehrer. 67 Im Gesamtdurchschnitt kamen gut 30 Prozent der Professoren aus dem Bildungsbürgertum und gut 15 Prozent aus dem Wirtschaftsbürgertum. Da wie bereits erwähnt die Vaterberufe eines knappen Fünftels der Professoren nicht ermittelt werden konnten, handelt es sich hier um Mindestwerte. An der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften lagen die Werte bei knapp 40 Prozent und gut 13 Prozent. 178 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Hochschulen insgesamt.68 Zwar ist aufgrund der unvollständigen Datenlage in der ersten Hälfte des hier untersuchten Jahrhunderts Vorsicht geboten, jedoch legt das vorhandene Material nahe, dass die soziale Zusammensetzung der Charlottenburger Professorenschaft von 1851 bis 1900 sukzessive exklusiver wurde – der Anteil der Bildungs- und Wirtschaftsbürger stieg, während der der Kleinbürger rückläufig war. Dies korrespondiert mit der rechtlichen Besserstellung der technischen Akademien und der Technischen Hochschule. Während der Jahre der Weimarer Republik hingegen stiegen die Berufungschancen für Kandidaten mit kleinbürgerlichem Hintergrund wieder. Diese Entwicklung ist auch an den Universitäten zu beobachten und sicher nicht zuletzt mit dem quantitativen Ausbau zu erklären, den das akademische Lehrpersonal in diesen Jahren erfuhr.69 Zwar wuchs die Zahl der ordentlichen Professoren trotzdem vergleichsweise langsam, allerdings war wegen der deutlich angewachsenen Schar der außerordentlichen Professoren und der Privatdozenten nun der Kreis jener größer und heterogener, aus dem die Ordinarien in der Regel ausgewählt wurden.70 Zur Erörterung der sozialen Herkunft der Professoren gehört auch ein kurzer Blick auf ihre Konfession. Diese konnte in gut 80 Prozent der Fälle ermittelt werden, wobei hier noch stärker die schlechte Quellenlage für das erste Halbjahrhundert des Untersuchungszeitraums betont werden muss: Die Vollständigkeit der Daten bleibt zu einigen Stichjahren deutlich unter 50 Prozent, während sie nach 1900 regelmäßig über 90 Prozent liegt. Zudem ist zu bedenken, dass die bloße Konfessionsangabe kaum Aussagekraft über die Bedeutung von Glaube oder Kir68 Gundler vertritt in ihrer Untersuchung der Braunschweiger Hochschullehrer die These, dass „den ‚Ingenieurprofessoren‘ respektive -wissenschaftlern […] die Qualität eines neuen Sozialtypus unter den Hochschullehrern zuzuschreiben [ist], der auch der Technischen Hochschule ihr spezifisches soziales Profil verlieh“ (Gundler, Sozialgeschichte, S. 72). Diese unterschieden sich laut Gundler deutlich von den Naturwissenschaftlern und Mathematikern „in ihrem Sozialprofil aber auch in ihren Bildungsmustern und Werdegängen“ (ebd.). Allerdings ist das Kriterium, nach dem Gundler die beiden Gruppen differenziert, nicht das jeweilige Lehr- und Forschungsgebiet. Vielmehr waren „technische Vorbildung bzw. Ingenieur-Diplom“ auf der einen und „ein naturwissenschaftliches Studium [… und ein] Studienabschluß bzw. eine Promotion in einer philosophischen respektive naturwissenschaftlichen Fakultät“ auf der anderen Seite entscheidend für die Zuordnung. Gerade die von Gundler attestierten Unterschiede in den Bildungsmustern sind also methodisch bedingt. Sinnvoller erscheint die hier vorgenommene Differenzierung nach Lehrfach, wobei insgesamt 15 Professoren unberücksichtigt blieben, die u. a. Kunstgeschichte, Betriebswirtschaftslehre und Nationalökonomie lehrten. Von den Technikwissenschaftlern stammten 30,5 Prozent aus dem Bildungsbürgertum, 15 Prozent aus dem Wirtschaftsbürgertum und 31,5 Prozent aus dem Kleinbürgertum. Bei den Mathematikern und Naturwissenschaftlern waren es in der gleichen Reihenfolge 33, 14 und 32 Prozent. Bei 21 Prozent der Technikwissenschaftler sowie bei 16,5 Prozent der Mathematiker und Naturwissenschaftler konnte kein Vaterberuf ermittelt werden. 69 In seiner Analyse der quantitativen Entwicklung der Hochschullehrerschaft zwischen 1864 und 1938 beschreibt Ringer, Sociography, S. 256, „the interval between 1920 and 1931 as the most remarkable“, da ihre Größe um mehr als ein Drittel wuchs. Dies, erläutert Ringer, „certainly represents a very high rate of change in an academic system“ (ebd.). 70 Vgl. Ringer, Sociography, S. 258: „The number of senior faculty was augmented at an extraordinarily slow pace.“ 3.2 Soziale Herkunft 179 che für den einzelnen Professor besitzt. Vielmehr ist sie als weiteres Charakteristikum ihres soziokulturellen Hintergrunds zu verstehen. Insgesamt stammten 189 der Professoren aus einem protestantischen Milieu (79 Prozent jener, für die die Religionszugehörigkeit ermittelt werden konnte), 37 (15,5 Prozent) aus einem katholischen und sieben (3 Prozent) aus einem jüdischen.71 Verglichen mit der konfessionellen Zusammensetzung der Reichsbevölkerung – knapp zwei Drittel waren protestantisch, rund ein Drittel katholisch und rund ein Prozent jüdisch – waren Protestanten und Juden also über- und Katholiken unterrepräsentiert.72 Dies ist kein überraschender Befund. Selbst in den katholisch geprägten Gebieten des Reiches – in Bayern, Baden, Elsass-Lothringen und den preußischen Provinzen Westpreußen, Posen, Schlesien, Westfalen und Rheinland – waren die Katholiken in Gymnasium und Hochschule unterrepräsentiert.73 Umgekehrt lag der jüdische Anteil unter den Gymnasiasten und Studierenden deutlich über ihrem Bevölkerungsanteil. Zudem zählten die Juden mehrheitlich zum mittleren und gehobenen Bürgertum, also den wesentlichen Rekrutierungsmilieus der Hochschullehrerschaft.74 71 Hinzu kommen ein Mennonit, ein Freireligiöser, ein Religionsloser sowie vier Gottgläubige. Unter den von Baumgarten untersuchten Professoren des 19. Jahrhunderts waren 15,6 Prozent der Naturwissenschaftler katholischen Glaubens bei einer Vollständigkeit der Daten von 75 Prozent. Mit 18,8 Prozent (Vollständigkeit: 87 Prozent) war ihr Anteil bei den Geisteswissenschaftlern etwas höher. Die Werte für die Professoren jüdischen Glaubens liegen bei den Naturwissenschaftlern bei 6,8 Prozent und bei den Geisteswissenschaftlern bei 1,3 Prozent (vgl. Baumgarten, Professoren, S. 116 und 143f.). 72 Zur konfessionellen Zusammensetzung der Reichsbevölkerung vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 435 sowie Berghahn, Kaiserreich, S. 162f. und 168f. Der jüdische Anteil an der Bevölkerung sank zwischen 1871 und 1914 von 1,25 auf 0,95 Prozent (vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 396). Zur konfessionellen Zusammensetzung der preußischen Beamtenschaft vgl. Fattmann, Bildungsbürger, S. 67ff: 1910 waren „fast vier Fünftel aller planmäßig angestellten preußischen Staatsbeamten“ Protestanten (S. 68). Mit 84,2 Prozent war der protestantische Anteil unter den preußischen Ordinarien im gleichen Jahr noch höher (vgl. S. 69). 73 Vgl. Berghahn, Kaiserreich, S. 162f. Berghahn attestiert den Katholiken eine „eher ‚vorindustrielle‘ Berufsauffassung“ (S. 163). Auch Nipperdey zählt sie „überproportional zur traditionellen, agrarisch-mittelständischen, vormodernen, vorkapitalistischen, vorindustriellen Sozialwelt“ (Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 449). Wehler spricht von einem katholischen „Bildungsrückstand“ (Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 394). Zur Situation katholischer Hochschullehrer vgl. kurz Hammerstein, Antisemitismus, S. 27ff. Vgl. zudem Dowe, Bildungsbürger, S. 241f: „In den Debatten um eine Unterrepräsentation der Katholiken in Wissenschaft, Kultur und Verwaltung, die auch in den Organen der katholischen Studentenverbände geführt wurden, räumte ein Teil der Diskutanten ein, dass nicht nur langfristige negative Folgen der Säkularisation und eine gezielte staatliche Diskriminierungspolitik Ursachen für die statistisch nachweisbare katholische Unterrepräsentation seien, sondern auch generelle Vorbehalte katholischer Kreise gegen höhere Bildung mit Ausnahme des Theologiestudiums.“ Dowe stellt überdies fest: „Deutlich stärker als unter den Studierenden scheinen im Deutschen Kaiserreich antikatholische Vorbehalte in Teilen der Professorenschaft vorhanden gewesen zu sein“ (S. 301). 74 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 398. Auch der jüdische Anteil unter den Ärzten und Rechtsanwälten lag über ihrem Bevölkerungsanteil (vgl. Berghahn, Kaiserreich, S. 172f.). Vgl. auch Ringer, Sociography, S. 277. Hammerstein, Antisemitismus, S. 47, hält zusammen- 180 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Der überproportionale Anteil der Professoren jüdischer Herkunft darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufstieg in das höchste akademische Amt für sie mit Hindernissen versehen war.75 Zwei von ihnen – Hans Reißner und Siegfried Aronhold – konvertierten vor ihrer Berufung zum evangelischen Bekenntnis, Julius Wolf trat in die katholische Kirche ein.76 Als 1856 über die Besetzung des mathematischen Lehrstuhls an der Gewerbeakademie verhandelt wurde, bemerkte deren Direktor Nikolaus Druckenmüller über den vorgeschlagenen Aronhold, dass dieser „übrigens erst kürzlich zum Christenthum übergetreten“77 sei und empfahl dem Handelministerium, den Katholiken Karl Weierstraß zu berufen. Erst acht Jahre später bekam Aronhold eine Stelle – als Nachfolger von Weierstraß. In seinem Lebenslauf, den er im Zusammenhang mit dieser erfolgreichen Bewerbung einreichte, erwähnte er seinen Religionswechsel nicht.78 Aronhold war gleichzeitig der erste Professor aus einem jüdischen Elternhaus, der an einer der technischen Akademien fest angestellt wurde. Der 1873 an die Gewerbeakademie berufene Chemiker Carl Liebermann war sodann der erste Lehrstuhlinhaber jüdischer Herkunft, der nicht konvertierte. Die 37 Katholiken unter den Professoren kamen erwartungsgemäß hauptsächlich aus Schlesien, dem Rheinland, Österreich-Ungarn sowie Bayern und überwiegend aus Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern. Mit jeweils reichlich 21 Prozent hatten sie zwischen 1910 und 1920 ihren größten Anteil am Charlottenburger Ordinarienkollegium.79 An der benachbarten Friedrich-Wilhelms-Universität lag dieser Wert im gleichen Zeitraum etwas niedriger, bei rund 15 Pro- 75 76 77 78 79 fassend fest: „Viele Juden teilten also die zeitgenössische, bildungsbürgerlich-kulturprotestantische Mentalität. Sie brachten schließlich dafür höchst günstige Voraussetzungen mit. Der Großteil jüdischer Bevölkerung lebte in Städten.“ Sehr deutlich wird dies daran, dass um 1910 unter allen Hochschullehrern des Reiches zwölf Prozent der Privatdozenten und 8,8 Prozent der Extraordinarien Juden waren, aber lediglich 2,5 Prozent der Ordinarien (vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 400). Insgesamt war die Beamtenlaufbahn für Juden nur schwer zugänglich (vgl. ebd.). Zur Habilitations- und Berufungspraxis vgl. Hammerstein, Antisemitismus, S. 68ff. Nach Hammerstein war offensichtlich „eine Art Grundkonsens vorhanden“ (S. 70), jüdische Gelehrte nur selten zu berücksichtigen. Vgl. auch Pawliczek, Kontinuität sowie das von Ebert präsentierte Material zur konfessionellen Zusammensetzung der preußischen Universitätslehrer 1870 bis 1924, dass auf zeitgenössischen Erhebungen des preußischen Kultusministeriums beruht (bes. Ebert, Hochschullehrer, S. 550f., Tab. 15). Vgl. Kiesewetter, S. 196. Wann genau Wolf konvertierte, ist nicht bekannt – bei seiner Promotion 1884 ist als Religion noch jüdisch vermerkt (vgl. ebd., S. 58, Anm. 181), bei seiner Berufung nach Breslau 1897 war er bereits Mitglied der katholischen Kirche. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. V, Bl. 54, 8. Mai 1856. Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen im Zusammenhang einer Berufungsangelegenheit religiöse Fragen explizit erwähnt werden. Vgl. auch Pawliczek, Kontinuität, S. 83. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 163f., ohne Datum. Der Lebenslauf ist gedruckt bei Lampe, Mathematik, S. 35ff. Vgl. auch Clark, Kingdom, S. 425, der mit dem Mathematiker David Unger, dem König Friedrich Wilhelm III. persönlich die Konversion empfahl, ein ähnliches Beispiel aus den Anfangsjahren der Bauakademie anführt. Der Zeitraum zwischen 1851 und 1900 bleibt hier wegen der äußerst schlechten Datenlage unberücksichtigt. 3.2 Soziale Herkunft 181 zent.80 Dieser Befund überrascht. In der Regel wird davon ausgegangen, dass der katholische Bildungsrückstand gerade in den Natur- und Technikwissenschaften besonders ausgeprägt war, und dieser auch bestehen blieb, als er auf anderen Gebieten schwand.81 Mit Franz Reuleaux, Alois Riedler oder Heinrich Müller-Breslau zählten bekannte und einflussreiche Professoren zur Gruppe der Katholiken in Charlottenburg. Die Vermutung liegt nahe, dass sie in der Lage waren, katholische Bewerber erfolgreich zu unterstützen. Ein Indiz hierfür ist die wesentlich von Riedler gesteuerte Besetzung der vier neuen Lehrstühle an der Fakultät für Maschinenwirtschaft im Jahre 1896 – drei der Berufenen waren Angehörige der katholischen Kirche. Nach 1920 sank der katholische Anteil an der Professorenschaft auf den ‚Normalwert‘ von 15 Prozent ab und blieb bis 1945 auf diesem Niveau. Getrennt nach Abteilungen unterrichtete ein Drittel der Katholiken an der Fakultät für Bauwesen und eines an der für Maschinenwirtschaft. Das übrige Drittel verteilte sich zu ungefähr gleichen Teilen auf die Fakultät für Stoffwirtschaft und die für Allgemeine Wissenschaften. Auch aus der Perspektive der Konfessionszugehörigkeit ihrer Professoren zeichnet sich die Technische Hochschule zu Berlin verglichen mit der benachbarten Friedrich-Wilhelms-Universität also zeitweise durch eine leicht größere Offenheit aus. Dies war besonders deutlich in den Jahren zwischen 1910 und 1920, als der Anteil der protestantischen Professoren in Charlottenburg bei 70 Prozent lag und jener der Katholiken bei über 20. An der Friedrich-Wilhelms-Universität lagen im gleichen Zeitraum die entsprechenden Werte bei 80 und 15 Prozent. Es bietet sich an, einige Jahre vorauszuschauen und kurz auf die Eheschließungen der Professoren einzugehen. Die Datenlage ist hierbei jedoch eher lückenhaft. Zwar konnte zum einen für 77 Prozent der Professoren ermittelt werden, dass sie mindestens einmal verheiratet waren und zum anderen, dass 2,5 Prozent von ihnen nie vor den Traualtar traten. Aber schon das Heiratsalter ließ sich nur noch für 60, der Beruf des Schwiegervaters nur für knapp 24 Prozent ermitteln. Im Durchschnitt waren die Professoren bei ihrer ersten Trauung gut 31 Jahre alt. Dieser Wert liegt über dem für die Gesamtbevölkerung.82 Die Bandbreite war jedoch groß. Während sich der Bauingenieur Heinrich Müller-Breslau schon im Alter von 21 Jahren mit Auguste Schläfke, der Tochter eines Architekten, vermählte, fanden die Kaufmannstochter Adelheid Spandau und der Professor für Maschinenkunde Otto Kammerer erst zusammen, als dieser 46 Jahre alt war. Ein Blick auf jene 70 Professoren, für die sowohl Vater- als auch Schwiegervaterberuf ermittelt werden konnten, zeigt sowohl Kontinuitäten als auch Verschiebungen. Der Professor für Wehrverfassung Achim von Arnim, Sohn des preußischen Generals der Infanterie Hans von Arnim, heiratete 1920 Marie-Valeska, Tochter des königlich preußischen Kammerherrn und Zeremonienmeisters 80 Vgl. dazu demnächst Wagner, Beharrliche Einheit. 81 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 450f. Vgl. auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 395. 82 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 21. Im Jahre 1871 lag das durchschnittliche Heiratsalter bei der ersten Heirat für Männer bei 28,8 Jahren, 1920 bei 27,9. 182 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Friedrich von Oppen und der Marianne Gräfin von Itzenplitz. Auch Hans Geiger blieb seinem Milieu treu: Der Sohn eines Professors der Indologie vermählte sich mit der Tochter eines Professors der Pharmakologie. Der Bäckersohn und Chemiker Max Volmer hingegen ließ seine kleinbürgerliche Herkunft hinter sich und ehelichte Lotte Pusch, Tochter eines Geheimen Justizrates. Ebenso heirateten einige Professoren bildungsbürgerlicher Herkunft in eher wirtschaftsbürgerliche Kreise. Ferdinand Kurlbaum war der Sohn des Oberlandesgerichts- und Wirklichen Geheimen Regierungsrates Karl Kurlbaum, seine Frau Elisabeth die Tochter des später geadelten Bankiers Georg Siemens. Georg Madelung, dessen Vater als Ordinarius der Chirurgie an der Rostocker Universität lehrte und forschte, heiratete die Tochter des Weingroßhändlers Ferdinand Messerschmitt. Insgesamt waren unter den Vätern dieser 70 Professoren die Anteile der Bildungsbürger und Kleinbürger mit 41 beziehungsweise 34 Prozent höher als unter den Schwiegervätern. Dort lagen die entsprechenden Werte bei 33 und 26 Prozent. Umgekehrt verhielt es sich mit dem Wirtschaftsbürgertum. Rund 20 Prozent der Väter, aber 33 Prozent der Schwiegerväter stammte aus diesem Milieu. Dies unterstreicht den Befund, dass die Professoren der Technischen Hochschule gleichsam eine Schnittstelle zwischen den beiden Gruppen des gehobenen Bürgertums bildeten. 3.3 BILDUNG: SCHULE UND HOCHSCHULE Im gleichen Zeitraum, in dem mit Polytechnika und Technischen Hochschulen ein neuer Hochschultyp im Entstehen begriffen war, etablierte sich auch im höheren Schulwesen ein neuer Typus. In Gestalt der Oberrealschulen und Realgymnasien erwuchs den humanistischen Gymnasien eine Konkurrenz. Die realistische Bildung stellte die alten Sprachen – Griechisch und Latein – nicht mehr in den Mittelpunkt, sondern konzentrierte sich eher auf Naturwissenschaften und moderne Fremdsprachen. Allerdings verzichteten nur die Oberrealschulen, die in Preußen ab 1882 diesen Namen trugen und aus der Fusion der lateinlosen Realschule mit der Gewerbeschule entstanden waren, vollständig auf die alten Sprachen; an den in Preußen im Jahre 1859 eingeführten Realgymnasien hingegen wurde auch Latein unterrichtet, nicht zuletzt aus Gründen des Sozialprestiges.83 Der erfolgreiche Abschluss des Realgymnasiums berechtigte seit 1849 zum Studium des Bau- und Hüttenfaches, seit 1870 auch des Lehramtes für Mathematik, Naturwissenschaften und neuere Sprachen. Später wurden auch die Oberrealschulen entsprechend aufgewertet.84 Analog zum klassischen Bildungsweg der Universitätsprofessoren, welcher sich im 19. Jahrhundert entwickelt hatte und die Stationen humanistisches Gymnasium, Universitätsstudium, Promotion und Habilitation umfasste, bestand 83 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 549. Vgl. auch Jeismann, Knabenschulwesen, S. 162. Für eine kurze Charakterisierung der Schultypen und des Berechtigungswesens vgl. Albisetti & Lundgreen, Knabenschulen, S. 239ff. 84 Vgl. Albisetti & Lundgreen, Knabenschulen, S. 273. Der Abschluss der Oberrealschule berechtigte ab 1879 zum Studium des Baufachs, ab 1891 zum Studium des Bergfachs, der Mathematik oder der Naturwissenschaften und ab 1901 zum Studium der neueren Sprachen. 3.3 Bildung: Schule und Hochschule 183 damit nun ein alternativer Weg für die Professoren technischer Fächer. Er führte über das Realgymnasium oder die Oberrealschule an ein Polytechnikum oder später eine Technische Hochschule, setzte sich ab 1899 mit der Promotion zum Doktoringenieur fort und konnte auch eine Habilitation einschließen.85 Es wird deutlich, dass diese alternative Route noch viele Varianten aufwies, die technische Hochschullehrerschaft bezüglich der Einheitlichkeit des Curriculums also weniger professionalisiert war als die der Universitäten86; die Dinge waren noch unfertig und Entscheidungen noch nicht endgültig gefällt. Zudem setzte dieser Weg lange eine frühe Entscheidung über die zukünftige Laufbahn voraus, denn ähnlich den Universitäten, die ihr Promotionsmonopol gegenüber den Technischen Hochschulen bewahren wollten, verteidigten die humanistischen Gymnasien ihr Monopol, allein den vollständigen Zugang zum Hochschulstudium zu ermöglichen. Der Besuch eines humanistischen Gymnasiums bedeutete also das Offenhalten aller Möglichkeiten. Dies änderte sich ein Jahr nachdem die Technischen Hochschulen das Promotionsrecht erhalten hatten, als in Preußen die drei Typen höherer Schulen schließlich gleichgestellt wurden. Auch bei dieser Reform ging ein Großteil der Initiative von Friedrich Althoff aus. Allein das Studium der Theologie und der Altphilologie setzte weiterhin den Besuch des humanistischen Gymnasiums voraus.87 Allerdings war die freie Wahl zwischen humanistischer und realistischer Schulbildung häufig nur eine theoretische Möglichkeit. Im 19. Jahrhundert waren die älteren humanistischen Gymnasien in Preußen sehr viel weiter verbreitet als die realistischen Schulen, die Alternative der Realbildung teilweise praktisch nicht vorhanden.88 Und auch im 20. Jahrhundert war es in klei85 Gundler, Sozialgeschichte, S. 75, sieht „eine ‚technische‘ Alternative“ nach der Jahrhundertwende gegeben. Schon Schoedler, Schulen, bes. S. 6ff., hielt getrennte Bildungswege, die jeweils zur Universität beziehungsweise Technischen Hochschule führen sollten, für vorteilhaft. Allein die erste Station – die „Elementarschule“ – sollte beiden gemein sein. 86 Vgl. zum Professionalisierungsbegriff McClelland, Professionalisierung, S. 237. Nach McClelland ist die Entwicklung „institutionalisierter und einheitlicher Curriculum- und Prüfungsstandards“ (ebd.) ein wesentlicher Bestandteil der Professionalisierung. Eine „moderne profession (akademischer Beruf)“ versteht er als „Beruf, der andauernde, praktisch ausschließliche Arbeit im Dienstleistungssektor aufgrund langjähriger, spezialisierter Ausbildung auf tertiärer Ebene und nach Ausweisung eines entsprechenden kognitiven Wissens durch Examen verlangt“ (ebd.). Allerdings bleibt zu fragen, inwieweit die Bedingung der „praktisch ausschließlichen Arbeit im Dienstleistungssektor“ gerade bei den technischen Fächern angesichts der Forderung nach einem engen Bezug zur industriellen Praxis erfüllt werden konnte. McClellands Professionalisierungsbegriff erscheint an dieser Stelle lediglich für die akademischen Berufe innerhalb der Universitäten passend. 87 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 552. Die Lateinprüfungen der Juristen und Mediziner schlossen jedoch die Absolventen der Oberrealschulen realiter weiter aus (vgl. S. 553). Für einen kurzen Überblick zu den verschiedenen Positionen in diesem Schulstreit zwischen „realer“ und „ideeller“ Bildung vgl. S. 548ff. Die Entwicklung in den übrigen deutschen Staaten verlief in ähnlichen Bahnen (vgl. Jeismann, Knabenschulwesen, S. 162). 88 Nipperdey nennt für 1888 folgende Zahlen: Insgesamt „hatten 350 preußische Städte höhere Schulen, 160 nur, 103 auch humanistische Gymnasien, nur 87 lediglich ‚realistische‘ Anstalten“ (Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 550). Vgl. auch Albisetti & Lundgreen, Knabenschulen, S. 249, die davon ausgehen, dass man um 1900 in lediglich 50 Städten Preußens „das 184 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber neren und mittleren Städten kaum möglich, zwei oder gar drei verschiedene höhere Schulen zu unterhalten.89 Zudem mussten die neuen Schultypen ihre auf dem Papier festgeschriebene Gleichwertigkeit erst praktisch durchsetzen. Gustav Hertz, der 1906 am Realgymnasium des Johanneums in Hamburg seine Abiturprüfung abgelegt hatte, berichtete rückblickend, dass dies in einer Zeit geschehen war, zu der „allgemein noch der Besuch des humanistischen Gymnasiums als der gegebene Weg zum Hochschulstudium galt.“90 Allerdings verschoben sich die Anteile an der Gesamtschülerzahl seit 1885 zunehmend zu Gunsten der modernen Schultypen.91 Für 260 der 297 Professoren der Charlottenburger Hochschule konnten nähere Angaben zu ihrer Schulbildung ermittelt werden, dies entspricht rund 87,5 Prozent. Insgesamt 134 von ihnen, also 45,5 Prozent aller Professoren, machten ihren Abschluss an einem humanistischen Gymnasium; 124 hingegen (rund 42 Prozent) beendeten ihre Schulbildung an einem realistisch orientierten Institut, also einem Realgymnasium, einer Oberreal-, Real- oder Gewerbeschule. Wechsel zwischen den beiden Richtungen höherer Schulbildung waren selten und ließen sich lediglich bei sechs Prozent der späteren Professoren feststellen. Differenziert man zwischen Realgymnasium und Oberrealschule, so waren erstere mit 70 Abiturienten für die Untersuchungsgruppe von größerer Bedeutung als letztere mit 33. Heinrich Tessenow schließlich absolvierte lediglich die Volksschule und erhielt aufgrund einer Empfehlung seiner Lehrer an der Leipziger Baugewerkschule eine Ausnahmegenehmigung für ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in München. Betrachtet man die Schulbildung der Professoren im zeitlichen Verlauf, so zeigt sich erwartungsgemäß die größere Bedeutung der humanistischen Schulbildung während der ersten Jahrzehnte des Untersuchungszeitraums (Graphik 14). Bereits im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende war der Anteil der Neuberufenen mit realistischer Schulbildung jedoch auf deutlich über 50 Prozent gestiegen, also lange bevor die Gleichstellung der verschiedenen Schultypentypen im Jahre 1900 einen Effekt zeitigen konnte. Dies kann als Ergebnis der Anerkennung des realistischen Abiturs im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich seit dem Jahr 1870 gesehen werden, was wiederum eine recht frühe Entscheidung über die Richtung der zukünftigen Laufbahn unter den späteren Professoren andeutet. Entgegen des allgemeinen Trends des Schulbesuchs war der Anteil der Ordinarien mit humanistischer Schulbildung unter den Neuberufenen in den folgenden Jahrzehnten jedoch nicht weiter rückläufig. Vielmehr war mit rund 35 Prozent Abitur auf unterschiedlichen Schultypen machen“ konnte und dass „nur 20 Städte […] die Auswahl zwischen drei Typen“ ermöglichten. 89 Vgl. Zymek, Schulen, S. 173: „Die Einrichtung von höheren Knabenschulen als ‚reine‘ Gymnasien, Realgymnasien oder Oberrealschulen ist nur in Großstädten durchführbar.“ 90 Zit. bei Kuczera, Hertz, S. 12. 91 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 554f. Für detaillierte Zahlenreihen vgl. Müller & Zymek, Datenhandbuch, S. 152ff. 1885 lag im Deutschen Reich der Anteil der Gymnasien an der Gesamtzahl der höheren Schüler bei 61,3, der der lateinlosen Anstalten bei 18 Prozent; 1911 lauteten die Werte 41,5 bzw. 38 Prozent. 185 3.3 Bildung: Schule und Hochschule zwischen 1891 und 1900 schon der niedrigste Wert erreicht und bis zum Ende des Untersuchungszeitraums stieg er wieder auf rund 50 Prozent an. Mit dem zunehmenden Hochschulcharakter der früheren technischen Akademien gewann also auch der gleichsam klassische Weg zum Hochschulstudium für die Charlottenburger Professoren wieder an Bedeutung. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich an der Technischen Hochschule in Braunschweig beobachten, wo der Anteil gerade der technikwissenschaftlichen Professoren mit humanistischer Schulbildung nach 1914 stetig anstieg.92 93 Graphik 14: Schulbildung der Neuberufenen je Jahrzehnt, 1851 bis 1945 100% 2 90% 80% 70% 4 4 6 3 3 25 10 24 20 10 22 2 1 5 8 60% 50% 5 4 4 13 33 4 32 5 1 40% 30% 20% 7 9 14 8 8 10% 0% 1851-60 1861-70 1871-80 1881-90 1891-00 1901-10 1911-20 1921-30 1931-40 1941-45 (16) (17) (25) (17) (23) (49) (23) (50) (67) (10) Humanistische Schulbildung Realistische Schulbildung unbekannt Volksschule An der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften war die Zahl der Professoren, die ihre Abiturprüfung an einem humanistischen Gymnasium abgelegt hatten, mit fast 57 Prozent klar überdurchschnittlich. An den übrigen Fakultäten lag er zwischen 43 und 44 Prozent.94 Mit gut 48 Prozent finden sich unter den Mathematikern und Naturwissenschaftlern mehr humanistisch gebildete Professoren als mit knapp 43 Prozent unter den Vertretern der technischen Wissenschaften. Umgekehrt hat92 Vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 75. 93 In der Kategorie Humanistische Schulbildung sind auch jene Professoren gezählt, bei denen in den Quellen lediglich Gymnasium vermerkt war (34 Fälle). Unter realistischer Schulbildung sind Realgymnasien, Oberrealschulen, Realschulen und Gewerbeschulen zusammengefasst. An der x-Achse ist bei den Zeiträumen in Klammern die jeweilige Gesamtzahl der Neuberufenen angegeben. 94 Dabei ist anzumerken, dass zur Schulbildung der Professoren an den Fakultäten für Bauwesen und Stoffwirtschaft deutlich weniger Daten vorliegen: zu gut 15 bzw. 18 Prozent ließen sich keine Angaben ermitteln. An den Fakultäten für Allgemeine Wissenschaften und Maschinenwirtschaft liegen die entsprechenden Werte bei knapp acht bzw. gut neun Prozent. 186 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber ten knapp 44 Prozent der Techniker ein modernes Abitur erworben gegenüber knapp 39 Prozent der Mathematiker und Naturwissenschaftler. Allerdings erscheinen die Differenzen von jeweils rund fünf Prozent nicht signifikant genug, um auf der Ebene der Schulbildung von unterschiedlichen Bildungsmustern zu sprechen. Letztlich bot der Unterricht am Realgymnasium oder an der Oberrealschule potentiell eine bessere Vorbereitung sowohl für ein technisches als auch für ein mathematisch-naturwissenschaftliches Studium.95 Der seit der Jahrhundertwende wieder wachsende Anteil des klassischen Gymnasiums und die größere Bedeutung des lateinführenden Realgymnasiums gegenüber der gänzlich lateinlosen Oberrealschule deuten daraufhin, dass bei der sicher elterlichen Entscheidung über den zu wählenden Schultyp, die Frage des damit assoziierten Sozialprestiges eine wichtige Rolle spielte.96 Die große Mehrheit der späteren Charlottenburger Professoren absolvierte ein technisches Studium oder studierte an einer Universität. Lediglich für sechs Personen konnten keine Angaben ermittelt werden. Insgesamt drei besuchten nachweislich keine Hochschule und ließen zudem mit Promotion und Habilitation die auch im technischen Hochschulwesen bald üblichen akademischen Karriereschritte aus. Diese drei Professoren entfallen jedoch nicht allein auf die Anfangsjahre des Untersuchungszeitraums. Zwar zählt der seit 1865 fest angestellte und bereits mehrfach erwähnte Albert Grell zu ihnen, ebenso allerdings der 1931 berufene Walther Kucharski, der spätere Gründungsrektor der 1946 eröffneten Technischen Universität Berlin. Karl Küpfmüller schließlich kam 1935 nach Charlottenburg. Die beiden letztgenannten wechselten direkt aus der industriellen Praxis an die Technische Hochschule: Küpfmüller kam von Siemens & Halske, Kucharski von der Deutschen Werft in Hamburg. Bei ihm wies die Berufungskommission, die ihn auf Platz eins der Liste gesetzt hatte, darauf hin, dass die „äußeren Umstände seines Lebens- und Bildungsganges […] besonderer Art“97 seien: Da er wegen der geringen Pension seines Vaters seine Geschwister mitversorgte, musste er die Schule ohne Abitur abbrechen und konnte demzufolge keine Hochschule besuchen. Gut 45 Prozent (134) der späteren Charlottenburger Ordinarien studierten an mindestens einer Universität und 77 Prozent (228) an mindestens einer höheren technischen Schule, also einem Polytechnikum, einer Technischen Hochschule, einer Berg- oder Kunstakademie, einer Landwirtschaftlichen oder einer Handelshochschule. Ein knappes Viertel (74) wechselte während des Studiums zwischen universitärem und technischem Sektor. Einen Doktortitel erwarben 60 Prozent 95 Vgl. dazu beispielsweise die Stundenpläne der drei Schultypen zwischen 1882 und 1901 bei Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 553: Waren am Gymnasium während der neun Schuljahre 34 Wochenstunden Mathematik und 18 Naturwissenschaften vorgesehen, so lag die Stundenzahl am Realgymnasium bei durchschnittlich 43 für Mathematik und 30 für Naturwissenschaften, an der Oberrealschule bei durchschnittlich 48 für Mathematik und 36 für Naturwissenschaften. Vgl. auch Albisetti & Lundgreen, Knabenschulwesen, S. 261f. und detailliert 276f. 96 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 549. 97 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. II, Bl. 63, 11. Juli 1930. 3.3 Bildung: Schule und Hochschule 187 (176) der Professoren, 38 Prozent (112) an einer Universität und 22 Prozent (64) an einer Technischen Hochschule. Darüber hinaus waren knapp 40 Prozent (115) habilitiert. Vergleichsdaten zum akademischen Bildungsgang liegen für die 60 zwischen 1877 und 1914 an die Technische Hochschule in Braunschweig berufenen ordentlichen Professoren vor. Von ihnen hatten 43 Prozent an einer Universität studiert und 72 Prozent an einer Technischen Hochschule oder Bergakademie; 15 Prozent wechselten zwischen beiden Bereichen.98 Betrachtet man das Studium der 115 Professoren, die im gleichen Zeitraum einen Ruf nach Charlottenburg annahmen, so sind die Ergebnisse sehr ähnlich: 43 Prozent besuchten eine Universität, 77 Prozent eine Technische Hochschule, die Zahl derer, die wechselten war mit knapp 21 Prozent also etwas höher. Mit 35 Prozent in Braunschweig und knapp 37 Prozent in Charlottenburg war auch der Anteil der Habilitierten etwa gleich hoch. Hinsichtlich der Promotionen ist die Differenz größer. Während unter den Braunschweiger Professoren 55 Prozent einen Doktortitel führten, waren es in Charlottenburg lediglich 45 Prozent. Dies wird in erster Linie mit dem größeren Gewicht der maschinen-technischen Fächer an der Berliner Technischen Hochschule zu erklären sein.99 Die Professoren der beiden quantitativ so unterschiedlichen Hochschulen gleichen sich also nicht nur in ihrer sozialen Herkunft, sondern auch hinsichtlich ihres akademischen Bildungsgangs. Unter den Studienorten der Charlottenburger Professoren nahm Berlin eine herausragende Stellung ein: Knapp 58 Prozent (171) hatten hier studiert (Tabelle 3). Fast 44 Prozent (130) besuchten während ihres Studiums die Berliner Technische Hochschule oder eine ihrer Vorläuferinstitutionen. Dieser sehr hohe Wert wird etwas relativiert, wenn man den Anteil Charlottenburgs an der Gesamtfrequenz der deutschen Technischen Hochschulen berücksichtigt, der in der Regel zwischen einem und zwei Fünfteln lag.100 Zudem ist die Heterogenität der technischen Ausbildung in den deutschen Staaten bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein zu bedenken. Symptomatisch dafür ist, dass selbst an einer kleinen Hochschule wie Braunschweig der Grad der Selbstrekrutierung sehr hoch war.101 Hinzu kommt der Umstand, dass in Preußen bis 1866 das höhere technische Unterrichtswesen auf Berlin konzentriert war. Angesichts dessen, dass fast 60 Prozent der Professoren auch in Preußen geboren wurde, ist die große Bedeutung Berlins nur folgerichtig. 98 99 100 101 Berechnet nach den Angaben bei Albrecht, Braunschweig, S. 698. Vgl. die Übersicht über den Braunschweiger Fächerkanon bei Lexis, Hochschulen, S. 296ff. S. o., S. 71. Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 698. Vgl. auch Gundler, Sozialgeschichte, S. 75: „die Technischen Hochschulen Braunschweig, Berlin und München [belegten] die drei ersten Plätze unter den Studienanstalten.“ 188 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber 102 Tabelle 3: Studienorte der Professoren Technisches Studium Universitäres Studium Berlin Technische Hochschule Bauakademie Gewerbeakademie Bergakademie Akademie der Künste Landwirtschaftliche Hochschule Militärtechnische Akademie Handelshochschule 135 71 30 19 13 7 4 2 2 München Hannover Stuttgart Karlsruhe Aachen Dresden Darmstadt Danzig Freiberg Clausthal Breslau Braunschweig 31 27 12 12 11 10 8 6 4 3 2 2 Berlin München Göttingen Leipzig Straßburg Heidelberg Freiburg im Breisgau Breslau Halle Jena Tübingen Königsberg Bonn Erlangen Marburg Rostock Gießen Münster Kiel 70 18 16 10 10 8 7 6 6 6 5 5 5 3 3 2 2 2 2 4 3 2 2 3 Wien Graz Zürich 6 4 4 Zürich Wien Dorpat Genf unbekannt 1 unbekannt 102 Die in der Tabelle angegebene Gesamtzahl jener, die in Berlin ein technisches Studium absolvierten, ist geringer als die Summe der Studierenden an den Berliner Institutionen, da Doppelnennungen herausgerechnet wurden. Unter „Technisches Studium“ sind neben den für Berlin spezifizierten folgende Institutionen zusammengefasst: die Technischen Hochschulen und ihre Vorläufer in München, Hannover, Stuttgart, Karlsruhe, Aachen, Dresden, Darmstadt, Danzig, Breslau, Braunschweig, Wien, Graz und Zürich; die Hochschule für Welthandel in Wien; die Bergakademien in Freiberg und Clausthal; die Kunstakademien in Dresden, München und Nürnberg sowie die Artillerie- und Ingenieurschule in München. Nicht in der Tabelle aufgeführt sind die Orte, an denen jeweils nur ein Ordinarius studierte: Kassel, Nürnberg (Kunstakademien), Frankfurt am Main (Akademie für Handels- und Sozialwissenschaften und Universität), Leipzig (Handelshochschule), Erfurt (Universität), Leoben (Montanistische Hochschule) und Pola (KuK Marineakademie). 3.3 Bildung: Schule und Hochschule 189 Mit München und Hannover stehen die zweitgrößten Technischen Hochschulen des Reiches beziehungsweise Preußens auf den nächsten Plätzen. Die Frequenz der Münchner Hochschule lag zeitweise – nach der Gründung der Hochschulen in Danzig und Breslau sowie in der ersten Hälfte der 1920er Jahre – über der der Berliner.103 Auch bei den universitären Studienorten stand München an zweiter Stelle. Ebenso wie Berlin beheimatete die bayerische Hauptstadt sowohl eine Technische Hochschule als auch eine Universität. Bis zur Gründung der Technischen Hochschule in Breslau 1910 waren die beiden Hauptstädte die einzigen im Reich mit einem derartigen Doppelangebot. Von den 45 späteren Professoren, die in München studierten, besuchten jedoch lediglich vier beide Institutionen. In Berlin hingegen wurde dieses Doppelangebot deutlich stärker genutzt. In einem Nachruf für Julius Weingarten, der hier in den 1850er Jahren studierte, heißt es, er habe neben seinem Universitätsstudium auch das Gewerbeinstitut besucht, „um sich gründlichere Kenntnisse der Chemie zu erwerben.“104 Rund 20 Prozent der Charlottenburger Professoren, die für ihr Studium nach Berlin kamen, taten es Weingarten gleich und kombinierten universitäre und technische Studienangebote. An dritter Stelle der Universitäten steht Göttingen. Angesichts der Tatsache, dass diese Universität unter Friedrich Althoff zu einem „naturwissenschaftlichem Emporium“105 ausgebaut wurde und im Sinne einer wissenschaftlichen Schwerpunktbildung zum Zentrum der Mathematik und Physik werden sollte, überrascht dies wenig. Auch bei den Braunschweiger Hochschullehrern war Göttingen ein bevorzugter Studienort.106 Von den in den deutschen Staaten geborenen Charlottenburger Professoren studierten lediglich drei an einer österreichischen oder schweizerischen Technischen Hochschule. Dabei ist die zeitliche Verteilung auffällig. Ludwig Spangenberg besuchte von 1841 bis 1845 die Wiener Technische Hochschule; Wilhelm Stahl und Johann Friedrich Bubendey waren in den 1860er Jahren an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich eingeschrieben. Die Studienaufenthalte fallen also in den Zeitraum, als die Entwicklung der österreichischen und schweizerischen Polytechnika bereits weiter fortgeschritten war, als in den deutschen Staaten.107 103 Vgl. Gundler, Braunschweig, S. 571. Allerdings schließen die Zahlen für München die Studierenden „mit kleiner Matrikel“ mit ein und umfassen ab 1922 auch die Studierenden der ehemaligen Landwirtschaftlichen Hochschule in Weihenstephan. 104 Chronik der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin im Vorlesungsverzeichnis 1910/11, S. 157. 105 Zit. bei Brocke, System Althoff, S. 53. Die Formulierung stammt von Althoff selbst. Vgl. auch Sachse, Althoff, S. 277f. 106 Vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 74. Göttingen steht hier nach Berlin an zweiter Stelle. 107 McClelland, University, S. 23, weist darauf hin, dass die ETH in Zürich im 19. Jahrhundert ein Vorbild für die Entwicklung der deutschen Anstalten darstellte. Vgl. auch Manegold, Universität, S. 55f.; Schnabel, Anfänge, S. 40; Baumgarten, Hochschullehrer, S. 55 und Lexis, Hochschulen, S. 11: Die 1855 gegründete ETH Zürich „erhielt sogleich durch ihre Organisation in weitem Maße den Charakter einer Hochschule und nahm durch die glückliche Auswahl vorzüglicher Lehrkräfte von Anfang an eine hervorragende Stellung ein.“ 190 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Insgesamt 46 Prozent der Charlottenburger Professoren (138) absolvierten ihr gesamtes Studium an einer Hochschule. Knapp 29 Prozent (85) besuchten zwei, rund 18 Prozent (52) drei und vier Prozent (11) vier verschiedene Hochschulen. Hinzu kommen der Nationalökonom Heinrich Herkner und der Chemiker Alfred Stavenhagen, die während ihres Studiums je viermal wechselten. Herkner studierte zuerst an der Universität Wien, ging dann für ein Jahr nach Leipzig, verbrachte das nächste Semester in Berlin, ein weiteres in Freiburg, um dann zwei Jahre in Straßburg zu bleiben, wo er auch seine Promotion abschloss.108 Zur gleichen Zeit besuchte Stavenhagen die Technischen Hochschulen in Berlin und Karlsruhe sowie die Universitäten in Zürich, Freiburg und Genf. Deutliche Unterschiede zeigen sich, wenn diese Daten nach Abteilungen differenziert werden. Während an den Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft jeweils rund 60 Prozent der Professoren an nur einer Hochschule studiert hatten, waren es an der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften lediglich 20 und an der für Stoffwirtschaft gut 30 Prozent. Während sich also die Techniker einerseits und andererseits die Mathematiker und Naturwissenschaftler bei ihrer Schulbildung ähnelten, unterschieden sie sich in ihrem Studienverhalten recht klar.109 Gerade diejenigen, die während der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums auf eine technische Professur berufen wurden, waren in ihrer Studienzeit mit einem noch nicht standardisierten Studium an noch nicht vereinheitlichten höheren Schulen konfrontiert – erinnert sei nur an die Berliner Bauakademie, die noch in den späten 1860er und frühen 1870er Jahren die an Polytechnika erbrachten Studienleistungen nicht anerkannte.110 Im universitären Milieu war der Wechsel zwischen verschiedenen Hochschulen im Gegensatz dazu vergleichsweise problemlos, obwohl auch hier hinsichtlich der Prüfungsordnungen und Universitäts- beziehungsweise Fakultätssatzungen große Unterschiede bestanden.111 Bei erst 19 und später 22 Universitäten112 in den deutschen Staaten war die Möglichkeit eines Wechsels zudem in stärkerem Maße gegeben als bei neun beziehungsweise elf (seit 1910) Technischen Hochschulen. Dementsprechend war an den einzelnen Fakultäten der Anteil der Professoren, die an mehreren Hochschulen studiert hatten, umso höher, je größer dort die Zahl der universitären Fächer war. Dies wird auch gestützt durch die genauere Betrachtung der beiden Ordinarien der Fakultät für Bauwesen, die an vier verschiedenen Hochschulen studiert hatten: Eduard Dobbert las Kunstgeschichte und hatte dieses Fach an den Universitäten in Dorpat, Jena, Berlin und Heidelberg studiert; der Geodät Erich Brennecke besuchte während seines Studiums neben der Landwirtschaftlichen und der Technischen 108 Ausführlich schildert Herkner seine Studienjahre in einer 1924 erschienenen autobiographischen Skizze (Herkner, Lebenslauf, S. 86ff.). 109 Nach Fachgebieten getrennt besuchten gut 55 Prozent der Technikwissenschaftler nur eine Hochschule gegenüber 30 Prozent der Mathematiker und Naturwissenschaftler. 110 Vgl. Konter, Bau-Akademie, S. 136. Vgl. für die Mitte des 19. Jahrhunderts auch Schoedler, Schulen, S. 100. 111 Vgl. Brocke, System Althoff, S. 62. 112 Hinzu kamen 1872 Straßburg, 1902/12 Münster und 1914 Frankfurt am Main (vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 1211). 191 3.3 Bildung: Schule und Hochschule Hochschule in Berlin ebenfalls die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität sowie die Universität Leipzig. Im Verlauf des Untersuchungszeitraums lässt sich eine Tendenz hin zum Studium an mehreren Hochschulen feststellen. In den Jahrzehnten bis 1910 lag der Anteil derjenigen, die ihren Studienort nicht wechselten, regelmäßig zwischen 50 und 60 Prozent. Bis 1945 sank er auf 30 Prozent ab, wobei die Entwicklung jedoch nicht geradlinig verlief. Von den 67 zwischen 1931 und 1940 berufenen Professoren hatten 30 (45 Prozent) nur eine Hochschule besucht. Im Jahrzehnt davor, als insgesamt 50 Professuren neu besetzt wurden, hatte dieser Prozentsatz bei 34 gelegen. Die Ursachen für den Trend hin zu einem Studium an mehreren Hochschulen liegen nicht zuletzt in der zunehmenden Vereinheitlichung des höheren technischen Unterrichtswesens während des hier betrachteten Jahrhunderts, die den Wechsel zwischen den einzelnen Technischen Hochschulen erleichterte. Die Einführung von Lehramtsstudiengängen an den Allgemeinen Abteilungen der preußischen Technischen Hochschulen Anfang der zwanziger Jahre hingegen, die auch einen Wechsel zur Universität problemloser gestaltete, hatte kaum Auswirkungen. Graphik 15: Hochschulbesuch nach Fakultäten 100% 2 3 4 17 80% 19 3 23 12 5 60% 19 40% 79 29 54 20% 16 0% 3 Allgemeine Wissenschaften nur TH Stoffwirtschaft nur Universität Bauwesen TH & Universität Maschinenwirtschaft unbekannt/kein Studium Wie bereits angedeutet, kann man hinsichtlich des Hochschulbesuchs unter den Charlottenburger Professoren drei Gruppen unterscheiden: jene, die an einem Polytechnikum oder an einer Technischen Hochschule studierten; jene, die eine oder mehrere Universitäten besuchten und jene, die sowohl im technischen als auch im universitären Milieu studierten. Diese drei Gruppen waren an den einzelnen Fakultäten sehr unterschiedlich vertreten (Graphik 15). Auf der einen Seite steht wiederum die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften und auf der anderen die 192 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber für Bauwesen sowie die für Maschinenwirtschaft, während die Abteilung für Stoffwirtschaft eine mittlere Position einnimmt. Dies ist wiederum auf den jeweiligen Fächerkanon der einzelnen Fakultäten und dessen Nähe zur Universität zurückzuführen. Bei den drei Professoren an den Abteilungen für Architektur und Bauingenieurwesen beispielsweise, die nur im universitären Raum studierten, handelte es sich um die beiden Kunstgeschichtler Eduard Dobbert und Max Zimmermann sowie Fritz Kötter, der zuerst an der Bergakademie und später in Charlottenburg Mathematik und Technische Mechanik lehrte. Symptomatisch für die späte Gleichstellung der Allgemeinen Abteilungen ist, dass lediglich drei ihrer Professoren ausschließlich an einer Technischen Hochschule studierten und die Mehrheit aus dem universitären Milieu kam. Dieser strukturelle Unterschied zwischen den einzelnen Fakultäten setzt sich erwartungsgemäß in gleicher Weise bei den Promotionen fort. Ohne einen universitären Doktortitel bestand nur eine sehr geringe Chance, auf einen Lehrstuhl an der Allgemeinen Abteilung in Charlottenburg berufen zu werden. Lediglich drei Professoren waren nicht promoviert: Ferdinand Wolff, der von 1851 bis 1854 an der Gewerbeakademie Mathematik unterrichtete, sein Nachfolger Karl Weierstraß, dem allerdings die Universität Königsberg 1854 einen Ehrendoktortitel verliehen hatte, und der 1865 von der Berliner Musterzeichenschule übernommene Landschaftsmaler Albert Grell. Waren die Professoren ohne Doktortitel auf den Anfang des Untersuchungszeitraums konzentriert, so wurden Doktoringenieure erst gegen Ende berufen: der Wehrwissenschaftler Karl Becker 1933113, der Ordinarius für Elektrizitätswirtschaft Willi Willing 1940 und der Chemiker Heinrich Helberger 1942. Auch an der Fakultät für Stoffwirtschaft spielte der universitäre Doktortitel eine größere Rolle als der technische. Von den 41 nach 1900 berufenen Ordinarien waren mehr als die Hälfte an einer Universität promoviert worden, ein gutes Fünftel führte einen technischen Doktortitel, während die verbleibenden nicht promoviert waren. Gänzlich anders waren die Verhältnisse an den Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft: Dort hatten 72 beziehungsweise 43 Prozent der Professoren keinen Doktortitel (Tabelle 4). Unter den Architekten hatten sich mehrere Kunstgeschichtler an einer Universität promovieren lassen, bei den Bauingenieuren einige Vertreter der mathematik- und geographienahen Fächer, also Statiker und Geodäten. Allerdings ist der universitäre Doktortitel in den genannten Fächern kaum als Berufungsbedingung anzusehen: Zwar waren die 1878 und 1901 berufenen Baugeschichtler Eduard Dobbert und Max Zimmermann promoviert, der seit 1866 an der Bauakademie lehrende Friedrich Adler jedoch ebenso wenig wie der 1904 berufene Richard Borrmann oder Daniel Krencker, der 1922 nach Charlottenburg kam. Ähnliche Beispiele lassen sich für die anderen Gebiete finden: Emil Oskar Winkler, Ordina113 Becker war im August 1933 auf einen Lehrstuhl an der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften berufen worden und wurde im Oktober des gleichen Jahres zusätzlich Mitglied der späteren Wehrtechnischen Fakultät. Er blieb jedoch bis zu seinem Selbstmord 1940 weiterhin Mitglied der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften. 193 3.3 Bildung: Schule und Hochschule rius für Brückenbau und mathematische Baukonstruktion, war 1861 in Leipzig promoviert worden und lehrte seit 1877 in Berlin. Sein Nachfolger, Heinrich Müller-Breslau, besaß keinen Doktortitel. Lediglich unter den Geodäten hatte die Mehrheit – vier von sechs – den Doktor einer philosophischen Fakultät.114 Auffällig ist, dass das technische Doktorat während der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts keineswegs zu einer Voraussetzung für den Ruf auf eine bauwissenschaftliche Professur in Charlottenburg wurde. Erst zwischen 1931 und 1940 war der Doktortitel zum Regelfall geworden, was in erster Linie mit dem stärkeren Ausbau des Bauingenieurwesens zusammenhing. Unter den Architekten blieb die Promotion Ausnahme: Lediglich drei der 27 nach 1900 an die Abteilung für Architektur Berufenen waren Doktoringenieure; dem standen 15 der 31 an die Fachabteilung für Bauingenieurwesen berufenen Professoren gegenüber. Tabelle 4: Promovierte und Nicht-Promovierte unter den neuberufenen Professoren der Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft, 1851 bis 1945 Bauwesen Promovierte NichtPromovierte TH Uni Maschinenwirtschaft Promovierte NichtPromovierte TH Uni 1851-1860 1861-1870 1871-1880 1881-1890 1891-1900 1901-1910 1911-1920 1921-1930 1931-1940 1941-1945 2 3 12 1 3 1 1 1 3 1 - 9 7 9 8 4 12 7 8 3 4 3 4 10 15 - 1 1 1 2 5 1 3 1 3 2 6 9 1 4 2 1 Summe 18 10 71 32 11 32 Auch an der maschinenwirtschaftlichen Fakultät blieb der universitäre Doktortitel die Ausnahme. Adolf Slaby war der erste, der ihn hier führte – er war 1873 von der philosophischen Fakultät der Universität Jena in absentia promoviert worden. Im Jahre 1904 erhielten mit dem Elektrotechniker Walter Reichel und dem Professor für Werkzeugmaschinen und Fabrikanlagen Georg Schlesinger die ersten Doktoringenieure einen Ruf nach Charlottenburg. Ungefähr ab 1910 kann das technische Doktorat als Berufungsbedingung angesehen werden, allerdings blieb namentlich die Fachabteilung für Schiffbau offen für nicht promovierte Professoren.115 114 Promoviert waren Richard Doergens (1874 berufen), Otto Eggert (1925), Erich Brennecke (1928) und Heinz Schmehl (1937); keinen Doktortitel besaßen Wilhelm Werner (1902) und Karl Haußmann (1915). 115 Hier waren vier der acht seit 1910 berufenen Professoren nicht promoviert. 194 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Das Promotionsalter der späteren Professoren weist über den Untersuchungszeitraum hinweg nach einem anfänglichen Absinken eine eher steigende Tendenz auf. Die zwischen 1871 und 1880 berufenen Professoren waren bei ihrer Promotion durchschnittlich 28,4 Jahre alt gewesen. Zwischen 1891 und 1900 lag das Durchschnittsalter bei 24,8 Jahren, zwischen 1921 und 1930 bei 27,8 und zwischen 1931 und 1940 bei 29,3 Jahren.116 Der älteste Promovend war der Ordinarius für Mechanik Moritz Weber, der 1919 im Alter von 48 Jahren seine Doktorprüfung ablegte. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 15 Jahre lang ordentlicher Professor gewesen, seit 1904 in Hannover und seit 1913 in Berlin. Am anderen Ende der Skala stehen fünf Professoren, die ihren Doktorgrad im Alter von 21 Jahren an einer philosophischen Fakultät erlangten. Dies ist symptomatisch: In der Regel waren die Doktoringenieure bei ihrer Promotion älter als ihre universitären Kollegen. Zwischen 1921 und 1930 lag ihr Durchschnittsalter bei 29,9 Jahren, im folgenden Jahrzehnt bei 31. Bei den Universitätsdoktoren lauten die entsprechenden Werte 25,6 und 27,5 Jahre. Unter den 64 Doktoringenieuren finden sich lediglich acht, die im Alter von 25 Jahren bereits promoviert waren – unter den 112 Universitätsdoktoren sind es mit 62 mehr als die Hälfte. Zwei Gründe lassen sich hierfür anführen. Die Promotion zum Doktoringenieur war mit hohen Anforderungen verbunden, was sich nicht zuletzt daran erkennen lässt, dass von den zehn Technischen Hochschulen im Reich bis 1910 lediglich 1.274 Titel verliehen wurden – an den philosophischen Fakultäten der 21 deutschen Universitäten waren es allein im Studienjahr 1909/10 insgesamt 1.771.117 Auch wenn die technischen Studenten direkt nach ihrem Studium die Arbeit an einer Promotion aufnahmen, benötigten sie dafür regelmäßig mehr Zeit. Allerdings, und hier liegt der zweite und wesentlichere Grund, hatten mehr als zwei Drittel der nach Charlottenburg berufenen Doktoringenieure nach ihrem Studium zunächst eine Stellung in der Wirtschaft oder im technischen Staatsdienst angenommen, bevor sie dann die 116 Um bei den recht kleinen absoluten Zahlen allzu große Verzerrungen zu vermeiden, wurden hier lediglich berufungsstarke Zeiträume aufgezählt, in denen mindestens zehn promovierte Professoren berufen wurden (bei den Jahrzehnten nach 1900 jeweils mindestens zehn an einer Universität und zehn an einer TH Promovierte). Zwischen 1871 und 1880 sowie zwischen 1891 und 1900 wurden jeweils zwölf promovierte Professoren berufen, zwischen 1921 und 1930 insgesamt 36 (19 an einer Universität und 17 an einer TH Promovierte) und zwischen 1931 und 1940 insgesamt 56 (24 an einer Universität und 32 an einer TH Promovierte). 117 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 1226. Der Münchner Professor Karl von Amira, der sich in einem Referat für den V. Deutschen Hochschullehrertag 1913 sehr kritisch über die Qualität deutscher Doktorarbeiten äußerte – vieles sei „ganz mechanisch zusammengeschrieben“ und stehe tief unter dem „was eben noch druckenswert ist“ – hält fest, dass es daneben ebenfalls „Dissertationen aus gewissen juristischen und medizinischen Spezialfächern und aus bestimmten Fakultäten [gibt], die auch den strengsten Ansprüchen auf wissenschaftlichen Wert vollauf genügen. Dasselbe scheint auch von den z. Z. noch verhältnismäßig seltenen Inauguralabhandlungen aus technischen Wissenschaften zu gelten“ (Amira, Reform, S. 573). Laut Albrecht sollte die von Slaby, Riedler, Hauck und Müller-Breslau entworfene Promotionsordnung für die Technischen Hochschulen „mit ihren strengen Anforderungen von vornherein den erwarteten Bedenken der Universitäten entgegentreten“ (Albrecht, Braunschweig, S. 343). Zur Promotionsfrequenz der Universitäten vgl. Waentig, Reform, S. 40. 195 3.3 Bildung: Schule und Hochschule Promotion anstrebten. Der Bauingenieur Franz Dischinger beispielsweise trat nach seinem Studium in Karlsruhe 1912 als Ingenieur bei der Firma Dyckerhoff & Widmann in Wiesbaden ein und ließ sich erst 1929 in Dresden promovieren. Der Professor für Verbrennungsmaschinen Alfred Reinsch hatte bereits vor seinem Studium ein Jahr auf einer Hamburger Werft gearbeitet, studierte dann von 1905 bis 1910 in Berlin, trat hernach eine Stelle als Konstruktionsingenieur bei MAN in Nürnberg an und kam 1916 zurück nach Berlin, um bis 1925 bei der Daimler Motorengesellschaft zu arbeiten. In dieser Zeit bereitete er seine Doktorprüfung vor, die er 1923 in Charlottenburg bestand. Eine vergleichsweise typische universitäre Karriere wie die des Mathematikers Rudolf Rothe, der seit 1892 an der Universität in Berlin studierte und von der dortigen philosophischen Fakultät 1897 im Alter von 24 Jahren promoviert wurde, findet sich unter den Doktoringenieuren selten. 118 Tabelle 5: Promotionsorte der Professoren Technische Hochschule Universität Berlin München Dresden Hannover Aachen Stuttgart Karlsruhe Darmstadt 25 6 5 4 4 3 3 2 3 Berlin Göttingen Halle Jena Freiburg im Breisgau Heidelberg Leipzig Straßburg Breslau Tübingen Rostock Erlangen München Frankfurt am Main Bonn 29 17 11 5 5 5 5 4 4 4 3 3 2 2 2 Wien unbekannt 5 unbekannt 5 Unter den Promotionsorten der Charlottenburger Ordinarien steht – wie bei den Studienorten – abermals Berlin an der Spitze: Insgesamt 54 der späteren Professoren wurden hier promoviert, 25 an der Technischen Hochschule und 29 an der Friedrich-Wilhelms-Universität (Tabelle 5). München spielte als Promotionsort nur noch bei den technischen Doktoraten eine nennenswerte Rolle; an der philosophischen Fakultät der bayerischen Landesuniversität wurden lediglich zwei der 118 Nicht in der Tabelle aufgeführt sind die Orte, an denen jeweils nur ein Ordinarius promoviert wurde: Braunschweig, Breslau, Danzig und Graz (Technische Hochschulen) sowie Gießen, Marburg, Königsberg, Würzburg, Wien und Zürich (Universitäten). 196 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Charlottenburger Professoren promoviert. Dies korrespondiert mit einem allgemeinen Trend: Der Anteil der Münchner philosophischen Fakultät an den Studierenden der deutschen Staaten lag Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich über ihrem Anteil an den Promotionen.119 Nach Berlin waren die Universitäten Göttingen und Halle die wichtigsten Promotionsorte der späteren Professoren, wobei auffällt, dass Halle hier eine größere Rolle spielt als bei den Studienorten. Bei der Betrachtung der Promotionsorte ist zu berücksichtigen, dass Promotionen an den deutschen Universitäten während des Untersuchungszeitraums sehr unterschiedlich gehandhabt wurden.120 Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein waren an einigen Fakultäten Promotionen in absentia möglich, bei der der Promovend lediglich eine Arbeit einschickte, die Gebühren entrichtete und nach Begutachtung das Doktordiplom zugesandt bekam.121 Emil Oskar Winkler beispielsweise reichte am 7. März 1861 seine Abhandlung „Über den Druck im Inneren von Erdmassen“ bei der philosophischen Fakultät in Leipzig ein und war am 30. März bereits promoviert.122 Studiert hatte Winkler am Dresdner Polytechnikum. Zum Zeitpunkt der Promotion war er Lehrer an der Gewerbeschule in der sächsischen Hauptstadt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren schriftliche Arbeiten nicht überall Voraussetzung für eine Promotion.123 Eine mündliche Prüfung wurde als ausreichend angesehen – „eine ein- bis zweistündige Unterhaltung mit einigen liebenswürdigen alten Professoren“124, wie es in einer zeitgenössischen Polemik heißt. Im Gegensatz zu derartigen „milden Promotionsverfahren“125 war in Preußen seit 1821 die strenge Berliner Ordnung maßgebend, die ein Examen, eine lateinische Disputation und eine zu druckende Dissertation vorsah.126 Lediglich an der seit 1866 preußischen Universität in Göttingen waren bis 1876 Absenzpromotionen mög119 Vgl. Waentig, Reform, S. 39f. Im Studienjahr 1906/07 waren 11,58 Prozent aller an einer philosophischen Fakultät immatrikulierten Studierenden in München eingeschrieben, während dort nur 5,71 Prozent der Promotionen stattfanden. Im Studienjahr 1909/10 lagen die Werte bei 11,44 und 7,74 Prozent. 120 Vgl. Amira, Reform, S. 567ff.: „Die schon mit der Verschiedenheit der Statuten gegebene Verschiedenheit des Verfahrens wird aber verschärft durch die Verschiedenheit der Praxis“ (S. 568). Amiras Feststellung bezieht sich auf das frühe 20. Jahrhundert. Eine Zusammenstellung der Promotionsordnungen der philosophischen Fakultäten um 1878 findet sich bei Oberbreyer, Reform. Für eine Einschätzung des noch recht unbefriedigenden Forschungsstandes zum Promotionswesen vgl. Rasches Rezension zu Siegfried Wollgasts Buch „Zur Geschichte des Promotionswesens in Deutschland“: „Es gibt in der Universitäts- und Bildungsgeschichte eine Reihe von weißen Flecken und es gibt ausgedehnte weiße Flächen. Eine solche Fläche, die nicht mit ein paar Pinselstrichen ausgemalt werden kann, bildet auch die Geschichte des Promotionswesens“ (Rasche, Wollgast). 121 Ausführlich zu Absenzpromotionen vgl. Rasche, Geschichte, zum 19. Jahrhundert S. 308ff. 122 Vgl. Knothe & Tausendfreund, Winkler, S. 166. 123 Vgl. Amira, Reform, S. 570f. 124 Zit. bei Oberbreyer, Reform, S. 12. Das Zitat stammt aus einer Zuschrift an die Norddeutsche Allgemeine Zeitung, die diese am 19. Januar 1876 veröffentlichte. 125 Rasche, Habilitation, S. 132. 126 Vgl. ebd., S. 133f. Rasche resümiert: „Im Ergebnis bestanden im ganzen 19. und auch noch im frühen 20. Jahrhundert zwischen den preußischen und einem Teil der nichtpreußischen Universitäten erhebliche Diskrepanzen im Leistungsniveau einer Doktorpromotion“ (S. 177). 3.3 Bildung: Schule und Hochschule 197 lich. In diesem Jahr hatte der Berliner Althistoriker Theodor Mommsen in den Preußischen Jahrbüchern einen Beitrag mit dem Titel „Die deutschen Pseudodoctoren“ veröffentlicht, in dem er die Promotion in absentia scharf verurteilte.127 Nicht zuletzt angestoßen von dieser Kritik, die eine lang andauernde Debatte über die Qualität der Doktorprüfungen auslöste, reformierten die einzelnen Fakultäten ihr Promotionsordnungen – in Gießen bereits im Oktober 1876, in Leipzig erst 1897.128 Eine angemessene Beurteilung der einzelnen Promotionsleistungen der Charlottenburger Professoren setzt einen nicht zu rechtfertigenden Rechercheaufwand voraus. Absenzpromotionen wie die von Slaby und Winkler waren jedoch offensichtlich die Ausnahme: Insgesamt 54 Prozent der 112 Universitätsdoktoren wurden an einer preußischen Universität promoviert, und oft deuten Geburtsregion und Promotionsort an, dass ein möglicherweise leichteres Prüfungsverfahren nicht das entscheidende Kriterium bei der Wahl der Universität gewesen ist. In geringerem Maße als eine Promotion ist die Habilitation als Berufungsbedingung für einen ordentlichen Lehrstuhl an der Berliner Technischen Hochschule zu sehen: Mit knapp 58 Prozent war die Mehrheit der Professoren nicht habilitiert.129 Der zeitliche Verlauf zeigt, dass die Habilitation jedoch an Bedeutung gewann. Während der ersten beiden Jahrzehnte lag der Anteil der Habilitierten unter den berufenen Hochschullehrern bei rund zehn Prozent, bis zur Jahrhundertwende schwankte er zwischen 30 und 40, um dann bis zum Ende des Untersuchungszeitraums auf gut 60 Prozent anzusteigen. Die Differenzierung nach Fakultäten zeigt das schon bekannte Bild: 70 Prozent der Professoren an der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften hatten sich habilitiert, unter den Stoffwirtschaftlern noch knapp 51 Prozent und an den Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft waren es jeweils gut 30 Prozent. Ein knappes Drittel der Habilitierten hatte die venia legendi an einer Universität erhalten und war zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 30,9 Jahre alt; gut zwei Drittel wurden im Durchschnittsalter von 33,3 Jahren an einer Technischen Hochschule Privatdozent.130 Dies ist als Folge des ebenfalls höheren Promotionsalters anzusehen. 127 Mommsens Beitrag ist wieder abgedruckt bei Oberbreyer, Reform, S. 5ff. Oberbreyer dokumentiert auch eine Vielzahl von Reaktionen auf Mommsens Kritik. Vgl. auch Rasche, Habilitation, S. 176f. und ders., Geschichte, S. 325ff. 128 Vgl. ebd., S. 330f. 129 Da die Habilitation abgesehen von den Jahren des „Dritten Reiches“ nicht mit einem Titel verbunden war, ist dieser Wert jedoch mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Zu Entwicklung und Bedeutung der Habilitation als Berufungsvoraussetzung im universitären Bereich während des 19. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung Jenas vgl. Rasche, Habilitation, bes. S. 135ff. Vgl. auch kurz Bruch, Qualifikation. Noch stärker als bei den Promotionen variierten an den deutschsprachigen Hochschulen die mit einer Habilitation verbundenen Anforderungen. Eine Ausnahme ist allerdings sicher Julius Wolf, der 1885 an der Universität Zürich jenes Buch als Habilitationsschrift einreichte, für das ihn die philosophische Fakultät der Universität Tübingen ein Jahr zuvor den Doktorgrad verliehen hatte (vgl. Kiesewetter, Wolf, S. 58 und 64). 130 Der Chemiker Carl Liebermann, der Mathematiker Aloys Timpe und der Geodät Otto Eggert hatten sich sowohl an einer Universität und an einer Technischen Hochschule habilitiert. Zum 198 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Hinsichtlich der akademischen Ausbildung ihrer Professoren waren die Anforderungen der einzelnen Fakultäten und Fachabteilungen der Technischen Hochschule zu Berlin also sehr heterogen. Auf der einen Seite stand die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften, von deren Professoren ein Drittel ihr Studium und ihre akademischen Prüfungen – Promotion und Habilitation – ausschließlich im universitären Milieu absolvierten, ohne mit dem technischen Sektor in Berührung zu kommen. Auf der anderen Seite befanden sich die eher technischen Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft, deren Professoren in der Regel kaum Kontakt mit Universitäten hatten. Hier entwickelte sich das technische Doktorat seit 1910 zu einer Berufungsvoraussetzung – allerdings kam es nicht zu einer vollständigen Abschließung gegenüber nicht promovierten Seiteneinsteigern. Zudem bildeten die Architekten eine Sondergruppe, bei der die Promotion weiterhin eine untergeordnete Rolle spielte. Die Fakultät für Stoffwirtschaft nahm aufgrund ihres gemischten Fächerkanons zwischen den beiden Extremen eine Mittelposition ein. Anders könnte formuliert werden, dass sich hier die Gegensätze konzentrierten. Wenn die späteren Charlottenburger Professoren also die Wahl hatten, ein Fach an einer Technischen Hochschule oder an einer Universität zu studieren, fiel die Wahl in der Regel auf letztere. Ähnliches lässt sich auch bei den Braunschweiger Ordinarien beobachten.131 3.4 BERUF: WIRTSCHAFT, STAATSDIENST UND HOCHSCHULE Die Erörterung der beruflichen Laufbahn der etatmäßigen und ordentlichen Professoren der Technischen Hochschule zu Berlin und ihrer Vorläufer verfolgt verschiedene Ziele. Zusammen mit den bisher behandelten Fragen soll sie dazu beitragen, die Heterogenität der Gruppe der Ordinarien, die schon in der akademischen Bildung deutlich wurde, genauer zu charakterisieren und herauszuarbeiten, was an den einzelnen Fakultäten und Fachabteilungen als Berufungsbedingung angesehen werden kann. Die Laufbahnstationen vor dem Berliner Lehrstuhl geben zudem Hinweise darauf, welchen Stellenwert dieser in der Karriere der Professoren einnahm. Unter Berücksichtigung der Karrierestationen nach Berlin kann so auch die Position der Charlottenburger Hochschule im höheren Bildungssystem genauer beschrieben werden. Auch Fragen nach den Beziehungen zwischen der industriellen Praxis und der Hochschule gehören in diesen Kontext. Johann Wilhelm Schwedler, seit 1866 Professor für Konstruktionslehre und Brückenbau, arbeitete nach seiner Baumeisterprüfung im Jahre 1852 mehrere Jahre im technischen Staatsdienst, unter anderem als ausführender Baumeister bei durchschnittlichen Habilitationsalter im universitären Bereich während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vgl. Rasche, Habilitation, S. 179: Es lag bei steigender Tendenz im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zwischen 30 und 31 Jahren. 131 Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 208, der von dem „großen Stellenwert der traditionellen Universitätsausbildung für die Rekrutierung der Lehrkräfte“ spricht und feststellt: „Allein der Maschinenbau und die Bauwissenschaft bildeten eine Ausbildungsdomäne der höheren technischen Lehranstalten.“ 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 199 der Siegbrücke zu Siegburg und beim Bau der Bahnstrecke von Köln nach Gießen. Im Jahre 1858 kam er als Hilfsarbeiter in das Ministerium für öffentliche Arbeiten und begann gleichzeitig als Dozent an der Bauakademie zu unterrichten. Hier erhielt er 1866 eine feste Anstellung, blieb jedoch weiterhin im Ministerium tätig, ab 1868 als Vortragender Rat. Otto Kammerer, der 1896 als Professor für Maschinenkunde nach Charlottenburg kam, hatte nach seinem Studium 1889 eine Stelle als Ingenieur bei der Eisenwerke AG in Hamburg angenommen, wo er drei Jahre später zum Oberingenieur und Leiter des Konstruktionsbüros aufstieg. Goetz Briefs, 1926 auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie berufen, unterrichtete nach seiner Habilitation 1913 an der Universität Freiburg im Breisgau als Privatdozent. Da er auf dem rechten Auge blind war, wurde er nicht zum Militärdienst eingezogen, arbeitete während des Ersten Weltkrieges in verschiedenen Ministerien und verwaltete zudem von 1916 bis 1918 ein Ordinariat an der Universität Gießen. Im Jahre 1919 erhielt er den Ruf auf eine außerordentliche Professur an der Universität Freiburg, 1922 ging er als Ordinarius nach Würzburg und kehrte 1923 in gleicher Position nach Freiburg zurück, bevor er 1926 den Lehrstuhl an der Technischen Hochschule zu Berlin übernahm. Oskar Niemczyk, seit 1931 Ordinarius für Markscheidewesen und Bergschadenskunde, arbeitete nach seinem Studium an der Berliner Bergakademie seit 1909 in verschiedenen staatlichen Gruben in Oberschlesien. Im Jahre 1919 wurde er Abteilungsleiter bei der Schlesischen AG für Bergbau und Zinkhüttenbetrieb, 1922 neu gegründet als Schlesische Bergwerks- und Hütten-AG. Parallel dazu schlug er eine akademische Karriere ein, studierte an der Universität Breslau und unterrichtet seit 1925 an der dortigen Technischen Hochschule. Arnold Agatz schließlich, der 1931 den Lehrstuhl für Wasser- und Hafenbau übernahm, arbeitete nach seiner Promotion 1919 als Oberingenieur bei Siemens in Berlin und wurde drei Jahre später Hafenbaudirektor in Bremen. Er blieb jedoch auch im akademischen Bereich tätig und unterrichtete seit 1928 als Privatdozent an der Technischen Hochschule in Hannover. Vier Jahre nachdem er Ordinarius in Charlottenburg geworden war, eröffnete er ein eigenes Ingenieurbüro, lehrte jedoch weiterhin als ordentlicher Professor an der Charlottenburger Hochschule. Diese fünf Beispiele mögen die Vielgestaltigkeit der beruflichen Werdegänge der Professoren illustrieren. Gleichzeitig verdeutlichen sie, dass es kaum möglich ist, idealtypische Karrieremuster zu entwerfen, denen die einzelnen Ordinarien zugeordnet werden könnten. Zwar gab es auch Karrieren – wie die von Briefs – die sich recht ausschließlich im akademischen Bereich abspielten, aber oft waren die Laufbahnen der Professoren der Technischen Hochschule zu Berlin gleichsam bunter und selten geradlinig. Sinnvoller erscheint es, auf ausschließliche Kategorien zu verzichten und die Menge der beruflichen Stationen nach Gebieten zu ordnen, um so aussagen zu können, welche beruflichen Erfahrungen die Professoren nach Charlottenburg mitbrachten.132 Wie die Beispiele zeigen, bietet es sich an, 132 In ähnlicher Weise verfährt Gundler, Sozialgeschichte, S. 76, die zusammenfassend konstatiert „Auf den Gesamtzeitraum bezogen verfügten rund 65 Prozent der Ingenieurprofessoren 200 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber grob zwischen Staatsdienst außerhalb des höheren Bildungswesens, Tätigkeiten in der Wirtschaft sowie Arbeit im Hochschulbereich zu unterscheiden. Beim Staatsdienst ist es angebracht, weiter zu differenzieren: zwischen technischem Staatsdienst – also der Arbeit beispielsweise als Berginspektor, Stadtbaurat, Hafenbaudirektor oder als Ingenieur auf einer staatlichen Werft – technisch-wissenschaftlichem Staatsdienst – also Anstellungen etwa bei der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, der Geologischen Landesanstalt oder Teilnahme an archäologischen Expeditionen – sowie dem Schuldienst. Hinsichtlich der in der Wirtschaft Tätigen wird zudem zwischen Angestellten und Selbständigen differenziert. Eine detailliertere Aufschlüsselung ist hinsichtlich der Laufbahnstationen an einer Hochschule lohnenswert: Hier wird zum einen zwischen Universitäten und höheren technischen Schulen unterschieden, das heißt Technische Hochschulen sowie deren jeweilige Vorläufer, Handelshochschulen, Bergakademien, militärtechnische Akademien sowie den Akademien der Künste. Zum anderen wird nach Status getrennt, wobei jedoch auf Unsicherheiten hingewiesen werden muss, gerade was die eindeutige Zuordnung derer betrifft, die an den höheren technischen Schulen tätig waren. Hier findet sich eine Vielzahl von Bezeichnungen – ordentlicher Lehrer, etatmäßiger Lehrer, nichtetatmäßiger Lehrer, Professor, Dozent, Hilfslehrer, um nur einige zu nennen – deren Bedeutung sich zudem während der hier betrachteten Zeit wandelte.133 Am deutlichsten lässt sich erwartungsgemäß die in der hierarchischen Struktur an der Spitze stehende Gruppe der etatmäßigen Lehrer und Professoren ausmachen. Die Tabelle macht deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Ordinarien der Technischen Hochschule in Charlottenburg – knapp 85 Prozent – schon vor ihrem Ruf in die preußische Hauptstadt an einer Hochschule geforscht und gelehrt hatte (Tabelle 6). Am höchsten war dieser Anteil an der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften, wo lediglich der 1933 berufene Achim von Arnim keine Hochschulerfahrung mitbrachte. An der Fakultät für Maschinenwirtschaft war der Prozentsatz der Professoren mit akademischer Lehrerfahrung am niedrigsten, mit mehr als drei Vierteln allerdings immer noch hoch. Ein Blick auf die übrigen Berufsfelder – besonders den technischen Staatsdienst und die Wirtschaft – zeigt, dass Erfahrungen in diesen Bereichen an den technischen Fakultäten ebenfalls von zentraler Bedeutung waren. Allerdings variierte das Ausmaß dieser Erfahrung stark: Georg Meyer hatte zwei Jahrzehnte als Ingenieur erst bei der hannoverschen und dann bei der preußischen Eisenbahn gearbeitet, bevor er 1878 die Professur für Eisenbahnmaschinenbau an der Bauakademie übernahm. Hermann Schmidt hingegen war lediglich ein Jahr bei Siemens & Halske angestellt, wechselte dann zum Reichspatentamt, kam 1938 als außerordentlicher Professor nach über praktische Berufserfahrung im Staatsdienst, 56 Prozent über praktische Berufserfahrungen in der Industrie, rund 50 Prozent hatten im Verlauf ihrer Karriere des weiteren Erfahrungen als Assistenten oder Privatdozenten an einer Hochschule gewonnen.“ 133 Vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 203: „Das verwirrende Neben- und Durcheinander der Bezeichnungen, Titel und Zuordnungen innerhalb des Lehrkörpers am Braunschweiger Polytechnikum erschwert erheblich eine klare Einordnung der Lehrkräfte in eindeutig definierte Statusgruppen.“ 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 201 Charlottenburg, wo er 1944 den Lehrstuhl für Regelungstechnik übernahm. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass die in den Berufungsverfahren immer wieder auftauchende Forderung nach Kandidaten, die „neben einer wissenschaftlichen Befähigung eine umfangreiche praktische Erfahrung“134 hatten, an der Charlottenburger Hochschule nicht bloße Rhetorik war.135 Fasst man die drei genannten Berufsfelder zusammen, so verfügten fast 90 Prozent der Professoren an den Fakultäten für Maschinenwirtschaft und für Bauwesen über praktische Berufserfahrung in ihrem Lehrfach. Hinsichtlich der Berufsfelder hatten die einzelnen Fakultäten und Fachabteilungen ein recht spezifisches Profil. Der Prozentsatz jener, die vor ihrem Ordinariat in Charlottenburg schon einmal eine Anstellung in der Wirtschaft gehabt hatten, war an der Fakultät für Maschinenwirtschaft mit 73,5 Prozent am höchsten. Im Wesentlichen waren die späteren Ordinarien als Ingenieure oder Konstrukteure tätig, vor ihrer Berufung häufig in leitenden Positionen. Wilhelm Sturtzel, der 1941 einen Ruf auf den Lehrstuhl Entwerfen von Schiffen erhielt, hatte 1923 als Konstruktionsingenieur bei der Schichau-Werft in Elbing begonnen, war später Büroleiter, dann Oberingenieur und zum Zeitpunkt seiner Berufung Leiter der Abteilung für Handels- und Kriegsschiffbau. Hoch war mit 29 Prozent an dieser Fakultät auch der Anteil jener, die im technischen Staatsdienst tätig gewesen waren; hierbei handelte es sich hauptsächlich um Eisenbahningenieure, wie etwa August von Borries, von 1902 bis 1906 Professor für Verkehrsmaschinenwesen, der unter anderem etatmäßiger Maschineninspektor bei der preußischen Eisenbahn war und später Mitglied der preußischen Eisenbahndirektion in Hannover wurde. Am höchsten war die Zahl der Professoren, die zeitweise im technischen Staatsdienst gearbeitet hatten, jedoch an der Fakultät für Bauwesen. Dies illustriert noch einmal die enge Bindung gerade der Bauakademie an die staatliche Verwaltung, die an der Fakultät lange nachwirkte. Professoren wie der 1877 berufene Zivilingenieur und Privatbaumeister Eugen Brandt waren hier die Ausnahme. Der Regelfall waren Bauinspektoren und Regierungsbaumeister wie Ferdinand von Arnim, Hofarchitekt des Prinzen Carl von Preußen, der unter anderem mit Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius am Glienicker Schloss arbeitete und seit 1860 an der Bauakademie als etatmäßiger Lehrer fest angestellt war.136 Auch während der letzten 15 Jahre des Untersuchungszeitraums war die Mehrzahl der berufenen Architekten und Bauingenieure vorher zeitweise im Staatsdienst tätig gewesen, als dies an der Fakultät für Maschinenwirtschaft bereits zur Ausnahme geworden war.137 134 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. IX, 14. Juli 1921 (ohne Paginierung). 135 Gleiches stellt Gundler für die Hochschullehrer der TH Braunschweig fest: Die Hochschule habe „die zeitgenössische Forderung, vorzugsweise ‚Männer der Praxis‘ bzw. Professoren mit Industrieerfahrung zu berufen, in der Tat zur Maxime ihrer Berufungspolitik erhoben“ (Gundler, Sozialgeschichte, S. 76). 136 Ferdinand von Arnim war der Großvater des Professors für Wehrtechnik Achim von Arnim. 137 An die Fakultät für Bauwesen wurden zwischen 1930 und 1945 insgesamt 22 Professoren berufen, von denen 13 zeitweise im Staatsdienst waren. An der Fakultät für Maschinenwesen lauten die Werte 25 und drei. Auch Gundler stellt für die Braunschweiger Hochschullehrer 202 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber 138 Tabelle 6: Berufserfahrung der Professoren Bauwesen Maschinenwirtschaft Stoffwirtschaft Ordinarien 99 100% 75 100% 61 100% 53 100% 288 100% Hochschule 81 82% 59 78,5% 52 85% 52 98% 244 Staatsdienst (technisch) 75 75,5% 22 29% 18 29,5% 2 4% 117 40,5% Staatsdienst (technisch-wiss.) 9 9% 13 17% 11 18% 7 13% 40 14% Staatsdienst (Schule) 15 15% 6 8% 6 10% 13 24,5% 40 14% Staatsdienst (Sonstiges) 9 9% 6 8% 6 10% 11 21% 32 11% Wirtschaft (selbständig) 25 25% 6 8% 3 5% 2 4% 36 12,5% Wirtschaft (angestellt) 21 21% 55 73,5% 24 39,5% 5 9,5% 105 36,5% Sonstige 17 17% 5 6,5% 6 10% 3 5,5% 31 Allgemeine Wissenschaften Summe 85% 11% Ebenfalls am höchsten war an der Fakultät für Bauwesen der Anteil der selbständigen Unternehmer. Hier handelt es sich um Architekten, die häufig nicht nur im Staatsdienst aktiv waren, sondern gleichzeitig private Baubüros unterhielten. Insgesamt bedeutete die Übernahme eines Lehrstuhls in Charlottenburg für die Architekten keineswegs den Rückzug aus der baulichen Praxis. Wie bereits erwähnt, errichtete Julius Raschdorff den Berliner Dom; Hans Poelzig erbaute Ende der zwanziger Jahre für die I.G.-Farben ein neues Verwaltungsgebäude in Frankfurt fest, dass die Bedeutung des Staatsdienstes als Berufsfeld rückläufig war (vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 76). 138 Nicht in der Tabelle aufgeführt sind die neun Ordinarien, die ausschließlich an der Wehrtechnischen Fakultät lehrten. Kriterium für die Kategorie ‚Staatsdienst (technisch-wissenschaftlich)‘ war die Anstellung in einer Landes- oder Reichsanstalt (für einen kurzen Überblick über derartige Einrichtungen in Berlin vgl. Ruske, Forschungsanstalten, S. 231ff.), die Arbeit in einem Materialprüfungsamt oder die Teilnahme an wissenschaftlichen Expeditionen – Daniel Krencker war beispielsweise 1905/06 technischer Leiter einer Ausgrabung in Aksum, Äthiopien. Unter der Rubrik ‚Staatsdienst (Schule)‘ sind nicht nur Gymnasiallehrer erfasst, sondern auch die Lehrer von Gewerbeschulen. Lehrende der Höheren Gewerbeschulen Kassel sind jedoch unter dem Punkt ‚Hochschule‘ berücksichtigt, da diese Einrichtung zur Zeit der jeweiligen Tätigkeiten noch in den Kreis jener Institutionen gehört, die später zu Technischen Hochschulen wurden (vgl. Schoedler, Schulen). Hinter der hohen Zahl in der Kategorie ‚Sonstige‘ bei der Fakultät für Bauwesen verbergen sich hauptsächlich Tätigkeiten in Architekturbüros, bei denen nicht entschieden werden konnte, ob diese als staatliche oder private Büros angesehen werden müssen. 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 203 am Main; Wilhelm Tuckermann leitete von 1875 bis 1881 den Bau des von Carl Schwatlo projektierten Kaiserlichen Postfuhramtes an der Oranienburger Straße in Berlin – allerdings hatte Schwatlo als Privatarchitekt bereits 1872 der finanzielle Ruin ereilt.139 Auch Christoph Hehls Bautätigkeit war nicht immer erfolgreich: Ein Jahr vor seiner Berufung nach Berlin stürzte ihm 1893 ein Turm der Hannoveraner Garnisonkirche ein, deren Bau er als leitender Architekt betreute. Wegen „Vergehens gegen die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst“ verurteilte ihn das Landgericht Hannover deswegen drei Jahre später „zu einer Geldstrafe von 500 M, eventuell 50 Tagen Gefängnis.“140 In den Akten des Kultusministeriums findet sich ein anonymes Schreiben, in dem wegen dieses Einsturzes gegen die Berufung Hehls protestiert wird: „Nur Hehl nicht! das ist der aufrichtige Wunsch eines besonderen Freundes der technischen Hochschule.“141 Auch an der Fakultät für Stoffwirtschaft war der Anteil der zeitweise im technischen Staatsdienst beziehungsweise in der Wirtschaft Tätigen recht hoch. Bei der ersten Gruppe handelte es sich fast ausschließlich um technische Beamte des staatlichen Bergbaus im Ruhrgebiet und in Oberschlesien: Bergassessoren, Berginspektoren und Markscheider. Eine Ausnahme bildete hier der 1895 an die Bergakademie berufene Robert Scheibe, der auf einer Forschungsreise in Kolumbien – auf der Suche nach Smaragden – vom Ersten Weltkrieg überrascht und an der Rückreise gehindert wurde. Er arbeitete während des Krieges im Dienste der kolumbianischen Regierung als Direktor der Geologischen Landeskommission. In der zweiten Gruppe finden sich ebenfalls einige Bergleute, wie etwa der in Clausthal geborene Karl Glinz, der für verschiedene Förderanlagen- und Bergbaugesellschaften tätig war, bevor er nach Charlottenburg kam. In der Hauptsache handelte es sich jedoch um Chemiker, die in der Industrie angestellt waren. Hermann Reisenegger beispielsweise arbeitete nach Ende seines Studiums Mitte der 1880er Jahre bei den Höchster Farbwerken, war dort zuletzt stellvertretendes Vorstandsmitglied, bevor er an die Technische Hochschule zu Berlin wechselte. Bei den Ordinarien mit Erfahrungen im technisch-wissenschaftlichen Staatsdienst handelt es sich hauptsächlich um Mitarbeiter der Preußischen Geologischen Landesanstalt, die zeitweise mit der Bergakademie verbunden war.142 Der universitäre Fächerkanon der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften spiegelt sich in den beruflichen Laufbahnen ihrer Professoren, die sich auf den Hochschulbereich konzentrierten. Daneben war lediglich der Schuldienst von nennenswerter Bedeutung, und dies beschränkt sich zudem auf die ersten Jahrzehnte des Untersuchungszeitraums.143 Karl Weierstraß, der 1856 vom Gymnasium Braunsberg an die Gewerbeakademie berufen wurde und gleichzeitig ein Ex139 140 141 142 143 Vgl. Kieling, Baubeamte, S. 82. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 65, 4. November 1900. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. V, Bl. 4, 2. Oktober 1894. Vgl. Hauchecorne, Gründung, S. XXXVIIf. Insgesamt neun der 13 Professoren mit Erfahrungen im Schuldienst erhielten ihren Ruf vor 1890. In der Rubrik ‚Staatsdienst (Sonstiges)‘, die mit gut 20 Prozent ebenfalls einen hohen Anteil aufweist, sind recht heterogene Gebiete zusammengefasst – von Armeeangehörigen über Bankbeamte bis hin zu Ministerialreferenten. 204 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber traordinariat an der Friedrich-Wilhelms-Universität übernahm, ist hier sicher das prominenteste Beispiel. Die Aufschlüsselung der Professoren mit Hochschulerfahrung sowohl nach Status als auch nach Typ der jeweiligen Hochschule hebt wiederum die strukturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Fakultäten hervor, bedarf jedoch zunächst einiger methodischer Anmerkungen (Tabelle 7). Erst in der Weimarer Republik wurden an den preußischen Technischen Hochschulen Extraordinariate geschaffen – das Personalverzeichnis der Charlottenburger Hochschule notiert mit Rudolf Franke im Studienjahr 1920/21 den ersten außerordentlichen Professor. Zunächst unterschied man zwischen etatmäßigen und nicht etatmäßigen Mitgliedern der jeweiligen Abteilungen, seit 1908/09 fanden die Bezeichnungen ‚etatmäßige Professoren‘ und ‚Dozenten‘ Verwendung. Recht häufig verlieh das Kultusministerium den Lehrenden dieses nicht festangestellten Mittelbaus nach einigen Jahren das Prädikat ‚Professor‘. Strukturell kann diese Dozentur – mit oder ohne Professorentitel – als Äquivalent jener Karrierestufe angesehen werden, die im universitären Milieu das Extraordinariat darstellte.144 Dies illustriert auch das Schreiben des Kultusministers Haenisch an die Rektoren der preußischen Technischen Hochschulen vom April 1921: „Seit Inkrafttreten der neuen Reichsverfassung, die die Verleihung von Titeln ausschließt, hat auch die Vergebung des Professorentitels an Privatdozenten unterbleiben müssen […] Nach wie vor ist […] das Bedürfnis nach einer Hervorhebung bewährter Privatdozenten anzuerkennen. Ich habe mich deshalb entschlossen, in Uebereinstimmung mit einer auch in anderen deutschen Ländern bestehenden Praxis die Dienstbezeichnung als ‚außerordentlicher Professor‘ vorzunehmen.“145 Eine direkte Vergleichbarkeit zwischen den Dozenten der Technischen Hochschulen und den universitären Extraordinarien ist jedoch nicht gegeben, da der rechtliche Status ein anderer war: Erstere waren keine festangestellten Staatsbeamten, was sich nicht zuletzt auf die Pensionsberechtigungen auswirkte.146 Dementsprechend werden in Tabelle 7 die Gruppen ‚a. o. Prof.‘ und ‚Prof./Dozent‘ getrennt aufgeführt. 144 Allerdings ist dabei mitunter Vorsicht geboten: Das Personalverzeichnis der TH Charlottenburg führt beispielsweise auch den 1904 emeritierten Professor für elektrische Konstruktionslehre Walter Reichel fortan als Dozent. In Tabelle 7 sind jedoch lediglich Karrierestufen vor der Berufung an die TH berücksichtigt, derartige Fälle also ausgeschlossen. 145 BA L, R 4901/14176, Bl. 4ff., 15. April 1921. 146 Vgl. dazu auch das Schreiben der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften an das Kultusministerium aus dem Jahr 1904, in dem eine Verbesserung der Stellung der „vollbeschäftigten Dozenten“ gefordert wird, die sich an den Bestimmungen für die universitären Extraordinarien orientieren sollte: „unkündbar, feste Anstellung als Staatsbeamte mit den selbstverständlichen Folgen bezüglich der Pensionierung und der Reliktenversorgung“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. VIII, 8. Februar 1904 (ohne Paginierung)). 205 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 147 Tabelle 7: Laufbahnstationen im Hochschulbereich Bauwesen 99 Ordinarien TH o. Prof. a. o. Prof. Prof./Dozent Privatdozent Assistent Hon.-Prof. Maschinenwirtschaft 18 8 45 23 30 2 StoffWirtschaft 75 Univ. 2 1 Allgemeine Wissenschaften 61 Summe 53 TH Univ. TH Univ. TH Univ. TH 11 13 17 16 27 4 1 1 7 9 24 18 19 2 2 8 13 6 21 11 16 1 12 12 5148 21 11 1 49 37 106 69 92 9 8 12 16 288 Univ. 15 21 5 35 36 1 Die Professoren der beiden im Wesentlichen technischen Fakultäten hatten in ihrer beruflichen Laufbahn kaum Berührung mit dem universitären Milieu – und wenn, dann eher auf unterer Ebene als Assistent oder Privatdozent. Allein Heinrich Fassbender, seit 1935 Inhaber des Lehrstuhls für Hochfrequenztechnik, war zuvor Ordinarius an einer Universität gewesen: Von 1922 bis 1926 leitete er die Abteilung für Elektrotechnik und Maschinenbau an der Universidad Nacional de La Plata in Argentinien. Ein zweiter Sonderfall war der Mechanikprofessor Eugen Meyer, der als Extraordinarius von 1898 bis 1900 Direktor des Instituts für Technische Physik in Göttingen war. An der Fakultät für Stoffwirtschaft waren die Bezüge zur Universität schon deutlich stärker, allerdings lag auch hier der Schwerpunkt im technischen Hochschulbereich. Die Berufung eines Universitätsordinarius war die Ausnahme und kam erst im letzten Viertel des Untersuchungszeitraums vor. Im Jahre 1926 kam der Mineraloge Hermann Scheumann von Gießen nach Berlin, wechselte jedoch schon 1928 an die Universität Leipzig. Die „grosse Belastung durch Unterricht und Geschäftsführung“ veranlassten ihn, auf „die grossen Vorzüge des wissenschaftlichen Konnexes, der Wohnung und des angenehmen Kollegiums“149 zu verzichten. Sein Nachfolger wechselte 1930 von der Universität Tübingen an die Spree und blieb bis zu seinem Tod 1945. Ein Blick auf die Extraordinarien illustriert weiter, dass die Fakultät hinsichtlich ihrer Berufungschancen gegenüber dem universitären Sektor lange Zeit kaum konkurrenzfähig war. Karl Friedrich Rammelsberg, der seit 1851 eine feste Stelle an der Gewerbeakademie hatte, gab seine außerordentliche Professur an der Berliner 147 Auch die Kategorien dieser Tabelle sind nicht ausschließlich: Professoren, die sowohl an einer Universität als auch an einer Technischen Hochschule Ordinarius waren, sind in beiden Kategorien gezählt. Ebenso erscheinen jene Professoren, die mehrere Stationen durchliefen – etwa von einer Assistenz über Privatdozentur und Extraordinariat hin zum Ordinariat – in mehreren Kategorien. Unter ‚o. Prof.‘ sind auch die etatmäßigen Lehrer der technischen Akademien subsumiert, unter ‚TH‘ auch die übrigen höheren technischen Schulen. Nicht aufgeführt sind die neun Ordinarien der Wehrtechnischen Fakultät. 148 Bei diesen fünf Personen handelt es sich um Lehrbeauftragte und Titularprofessoren. 149 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. I, Bl. 227f., 31. Juli 1928. 206 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Universität nicht auf – genauso wenig wie der 1914 berufene Robert Pschorr. Fünf der acht Professoren, die vor ihrem Ruf an einer Universität Extraordinarius waren, kamen zudem erst nach 1920 an die Charlottenburger Hochschule. Hatte die Mehrheit der Professoren der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften noch an einer Universität studiert und auch dort promoviert, so ist im beruflichen Werdegang allmählich eine Verlagerung in den technischen Bereich zu erkennen. Allerdings waren die Unterschiede, gerade auf der Ebene des Ordinariats, nicht eben groß. Mitunter zeigen die Werdegänge, dass die Hinwendung zu den Technischen Hochschulen eher spät in der Karriere erfolgte, eventuell ein Ausweichen bedeutete, weil der gewünschte Ruf an eine Universität nicht erschallte. So war der Mathematiker Georg Hettner zwölf Jahre Extraordinarius an der Friedrich-Wilhelms-Universität, bevor er nach Charlottenburg ging. Hier blieb er bis zu seinem Tod 1914, gab jedoch seine außerordentliche Professur an der benachbarten Universität nie auf.150 Ein Hin- und Herwechseln zwischen Technischer Hochschule und Universität war unter den späteren Professoren der Fakultät eher eine Ausnahme. Der Nationalökonom Heinrich Herkner unterrichtete zunächst als Extraordinarius in Freiburg, war dann Ordinarius an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, erhielt später einen Ruf an die Züricher Universität, bevor er 1907 den Lehrstuhl in Charlottenburg übernahm. Insgesamt weisen die – verglichen mit der jeweiligen Gesamtzahl der Professoren – recht geringen Zahlen in den einzelnen Statusgruppen darauf hin, dass eine Laufbahn nach dem universitären Muster noch wenig ausgeprägt war. Dies trifft ebenfalls, wenn auch in geringerem Maße, für die Fakultät für Allgemeine Wissenschaften zu. In diesem Sinne kann die Charlottenburger Hochschule als eine eher offene Hochschule verstanden werden. Aufgrund des möglichen Wechsels zwischen gleichsam verschiedenen Karrieren könnte man die Hochschullehrerschaft – besonders der technischen Fächer – auch als wenig professionalisiert bezeichnen.151 Allerdings bleibt zu fragen, inwieweit ein derartiger Professionalisierungsbegriff für die akademisch-technischen Berufe geeignet ist: Die Forde150 Ebert vermutet hinsichtlich der Ordinarien der Mathematik generell, dass „die Technische Hochschule als mathematischer Arbeitsplatz nicht von Anfang an angestrebt wurde, daß hier aber im ‚Wartestand‘ und zumeist endgültig ein Auskommen gefunden werden konnte“ (Ebert, Mathematiker, S. 622). In den Akten findet sich ein Schreiben Hettners an den Kultusminister, in dem er dafür dankt, dass er die „außerordentliche Professur in der philosophischen Facultät der hiesigen Friedrich-Wilhelms-Universität unter Verzicht auf das bisher von mir bezogene Gehalt“ beibehalten dürfe (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. IV, 7. Juli 1894 (ohne Paginierung)). Im Nachruf, den sein Kollege Emil Lampe vor der Berliner Mathematischen Gesellschaft hielt, heißt es, Hettner habe als Extraordinarius „regelmäßig viel besuchte Vorlesungen“ gehalten (gedruckt im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 24 (1915)). Es werden also angesichts der Hörergelder nicht zuletzt finanzielle Erwägungen gewesen sein, die für das Festhalten am universitären Extraordinariat sprachen. 151 Vgl. McClelland, Professionalisierung, S. 237, der die Unmöglichkeit des Wechselns zwischen verschiedenen Berufen – „angesichts der steigenden Anforderungen an professionelle Kompetenz“ – für ein Kennzeichen der Professionalisiertheit eines akademischen Berufes versteht. 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 207 rung nach einer engen Verbindung mit der (industriellen) Praxis war gewissermaßen auch eine Forderung, die akademischen Berufe an den Technischen Hochschulen derart offen zu halten, dass ein personeller Austausch zwischen Theorie und Praxis möglich blieb.152 Unbeschadet dessen, dass die beruflichen Werdegänge der hier betrachteten Professoren zu vielgestaltig sind, als dass sie auf wenige Idealtypen reduzierbar wären, lassen sich doch einige Muster erkennen, die mehrfach auftreten. Häufig hatten die Professoren, die aus der Wirtschaft, dem technischen Staatsdienst oder dem Schuldienst an die Hochschule wechselten, kurz eine Dozentur inne, bevor sie einen Ruf erhielten. Adolf Goering beispielsweise war von 1864 bis 1877 im Eisenbahndienst, erhielt danach zunächst einen Lehrauftrag an der Bauakademie und ein Jahr später eine etatmäßige Stelle. Mitunter wurde eine derartige Dozentur explizit als Probezeit bezeichnet: Nachdem Richard Großmann „ein Jahr versuchsweise Lehrer“153 am Gewerbeinstitut gewesen war, empfahl dessen Direktor Nottebohm seine feste Anstellung. In anderer Weise kombinierten unter anderen Ernst Kohlmeyer, seit 1927 Ordinarius für Metallhüttenkunde, und Wilhelm Stäblein, seit 1936 Ordinarius für Telegraphentechnik, Hochschul- und Industrieerfahrung. Beide arbeiteten nach ihrem Studium als Assistent an einer Technischen Hochschule, gingen dann in die Wirtschaft und kehrten als ordentlicher Professor wieder zurück in den akademischen Bereich. Während der letzten beiden Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums begegnen darüber hinaus in allen Fakultäten häufiger Professoren, die eine ‚klassische‘ akademische Karriere mit Assistenz, Privatdozentur und Extraordinariat hinter sich hatten. Auffällig ist hier, dass Professoren wie Arthur Mäkelt (Bauwesen), William Guertler (Maschinenwirtschaft) oder Heinrich Nipper (Stoffwirtschaft) alle diese Stationen an einer Technischen Hochschule durchliefen – Mäkelt und Guertler in Berlin, Nipper in Aachen. Professoren, die im universitären Bereich Karriere machten, neigten hingegen eher dazu, die Hochschule zu wechseln: Arthur Schleede (Allgemeine Wissenschaften) war erst Assistent und Privatdozent in Berlin und Greifswald, erhielt dann einen Ruf auf ein Extraordinariat in Leipzig; Wilhelm Eitel (Stoffwirtschaft) habilitierte sich in Frankfurt am Main, ging dann als außerordentlicher Professor ebenfalls nach Leipzig, ein Jahr später in gleicher Position nach Königsberg. Ein Blick auf die Position unmittelbar vor der Berufung auf einen Lehrstuhl der Technischen Hochschule oder einer ihrer Vorläufer soll die Erörterung der beruflichen Werdegänge beschließen. Die hohe Zahl der Professoren mit Lehrerfahrung im Hochschulbereich deutete schon an, dass auch an den in erster Linie technischen Fakultäten für Maschinenwirtschaft und Bauwesen selten direkt aus der 152 Vgl. Schröder, Lehrkörperstruktur, S. 80, der resümiert: „Diese Rückkopplung von Wissenschaft, Lehre und Praxis ist gleichermaßen notwendig wie problematisch, dafür eine ausgewogene Lösung zu finden zählt bis heute zu den Kernfragen der Technischen Hochschule.“ 153 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 200f., 31. Juli 1864. Auch bei Adolf Goering heißt es in den Akten, dass „die feste Anstellung […] nach einer kurzen Probezeit wird erfolgen können“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. VI, Bl. 131, 16. Juli 1877). 208 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber Praxis berufen wurde. Insgesamt waren 42 Professoren (14 Prozent) unmittelbar vor ihrer Berufung in der Wirtschaft tätig, 22 (7,5 Prozent) im technischen Staatsdienst. Bei der ersten Gruppe lassen sich zwei Schwerpunkte erkennen. Zum einen ergingen im Jahrzehnt um die Jahrhundertwende verstärkt Rufe an Praktiker: Zwischen 1894 und 1904 kam dies zehn Mal vor. Dies korrespondiert mit dem Ausbau der Abteilung für Maschinenwirtschaft unter dem maßgeblichen Einfluss von Alois Riedler, der darauf drang, Lehrkräfte „aus der schaffenden Praxis“154 heranzuholen. Ein zweiter Schwerpunkt war das letzte Viertel des Untersuchungszeitraums, in dem mehr als die Hälfte der ‚Praktiker‘ berufen wurden. Umgekehrt spielte der technische Staatsdienst in den Jahren nach 1920 keine große Rolle mehr: Lediglich sieben Professoren wurden direkt aus diesem Berufsfeld nach Charlottenburg berufen. Knapp die Hälfte der Charlottenburger Professoren erhielten ihren Ruf, als sie auf einer mittleren Ebene im Hochschulbereich arbeiteten: 81 (27,5 Prozent) waren Dozent oder Professor, 43 (14,5 Prozent) Extraordinarius und 17 (5,5 Prozent) Privatdozent. Mit gut einem Drittel lag der Anteil der Hausberufungen dabei sehr hoch.155 Im zeitlichen Verlauf zeigen sich hier jedoch starke Schwankungen. Während der ersten drei Jahrzehnte des hier betrachteten Jahrhunderts gingen jeweils über 60 Prozent der etatmäßigen Stellen an Lehrende der jeweiligen Akademie. Als 1851 an Bau- und Gewerbeakademie Lehrstühle errichtet wurden, kam lediglich Eduard Schwarz von auswärts – er hatte zuvor am Polytechnikum in Hannover unterrichtet. Im Jahre 1864 wandte sich das Direktorium der Bauakademie mit der Bitte an das Handelministerium, „jetzt wiederum einige der noch auf Kündigung angenommenen Lehrer, deren Fixierung im Interesse der Akademie liegt, fest anzustellen“ und ergänzte: „Die ältesten dieser Lehrer sind die Professoren Pohlke und Strack.“156 In den folgenden Jahrzehnten sank der Anteil der Hausberufungen stark ab, was als Symptom der Akademisierung und Anpassung an universitäre Standards zu sehen ist. In den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gingen nur noch 16 beziehungsweise 13 Prozent der Rufe an eigene Dozenten. Danach stieg die Quote bis 1945 wieder auf 40 Prozent an.157 Dies korrespondiert auffällig mit der Einrichtung von Extraordinariaten an den preußischen Technischen Hochschulen – und in der Tat hatten 26 der 43 berufenen Extraordinarien ihre Professur in Berlin inne. Als die Fakultät für Maschi154 Riedler, Hochschulen, S. 95. 155 Die einzelnen technischen Akademien und die Technische Hochschule werden an dieser Stelle getrennt betrachtet, d. h. beispielsweise, dass die Berufung des Privatdozenten der TH Berlin Fritz Kötter auf den mathematischen Lehrstuhl der Bergakademie nicht als Hausberufung gerechnet wird. 156 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. III, 31. Juli 1864 (ohne Paginierung). Der Etat der Bauakademie enthielt noch freie Mittel, da die Stellen von Krick und Stier vakant waren. 157 Die Quoten je Jahrzehnt lauten wie folgt (in Klammern die Gesamtzahl der Berufungen): 1851–1860 (16): 87,5 Prozent; 1861–1870 (17): 64,7 Prozent; 1871–1880 (25): 60 Prozent; 1881–1890 (17): 52,94 Prozent; 1891–1900 (23): 39,13 Prozent; 1901–1910 (49): 16,33 Prozent; 1911–1920 (23): 13,04 Prozent; 1921–1930 (50): 28 Prozent; 1931–1940 (67): 32,84 Prozent; 1941–1945 (10): 40 Prozent. 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 209 nenwirtschaft dem Kultusministerium 1933 den auswärtigen Dr.-Ing. Ernst-August Cornelius als Nachfolger für den emeritierten Otto Kammerer vorschlug, fügte sie fast entschuldigend hinzu: „Wir sind uns der Verpflichtung bewusst, bei Neuberufungen auch verdiente ältere Nichtordinarien, wenn irgend möglich, zu berücksichtigen.“158 Ein gutes Fünftel der Professoren hatten vor ihrem Ruf nach Charlottenburg an einer anderen Hochschule einen ordentlichen Lehrstuhl inne, 15 von ihnen an einer Universität.159 Verglichen mit dem Braunschweiger Berufungsmuster erscheint die Berliner Hochschule in diesem Punkt etwas exklusiver: Dort hatten rund 16 Prozent der Berufenen zuvor einen Lehrstuhl innegehabt.160 Die Verteilung der Ordinarienberufungen über den Untersuchungszeitraum ist recht ungleich: Von den 94 vor 1900 berufenen Professoren kamen nur elf von einem Ordinariat. Erwartungsgemäß ist auch die Verteilung über die einzelnen Abteilungen sehr unterschiedlich. Bei den Allgemeinen Wissenschaften lag die Quote bei gut 40 Prozent. An den übrigen Fakultäten war sie mit Werten zwischen knapp 14 und gut 18 Prozent deutlich niedriger. In der Universitätsgeschichte wird gemeinhin der Anteil der Ordinarienberufungen als wichtiger Indikator für die Stellung der jeweiligen Hochschule im Universitätssystem angesehen.161 Aufgrund der Bedeutung, die der Erfahrung der Professoren in der technischen Praxis beigemessen wurde, kann dies nicht generell auf die Technischen Hochschulen übertragen werden. Zudem lässt sich auch im universitären Bereich erkennen, dass in den naturwissenschaftlichen Fächern Ordinarienberufungen eine geringere Rolle spielten, als in den Geisteswissenschaften.162 Ein aussagekräftiger Vergleich muss sich also letztlich auf die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften auf der einen und die universitären Naturwissenschaftler auf der anderen Seite beschränken, um den Ort der Charlottenburger Hochschule genauer charakterisieren zu können. Von den bis 1914 an die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften Berufenen hatte ein Drittel zuvor an einer anderen Universität oder Technischen Hochschule einen ordentlichen Lehrstuhl innegehabt. Damit waren die Berufungschancen der Charlottenburger Hochschule und ihrer Vorgänger deutlich besser als die der klei158 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. II, Bl. 326, 30. August 1933. 159 In drei Fällen erfolgte die Berufung nach Charlottenburg nicht direkt: Heinrich Aumund und Heinrich Nipper wechselten von ihren Lehrstühlen zunächst in das preußische Kultusministerium und erhielten später ein Ordinariat in Charlottenburg. Fritz Helm war bis 1916 Ordinarius in Braunschweig und sodann bis 1927 Direktor des Vereins Deutscher Straßenbahnen, Kleinbahnen und Privateisenbahnen. 160 Vgl. Gundler, Sozialgeschichte, S. 77. Gundler differenziert jedoch anscheinend nicht zwischen ordentlichen Professoren, außerordentlichen Professoren und Professoren: Nur wenn diese drei Gruppen zusammengefasst werden, sind ihre Prozentangaben nachvollziehbar (vgl. ebd., S. 62, Tab. 1). Dies heißt jedoch, dass ein Extraordinarius, der an die Braunschweiger TH wechselte, von Gundler ebenfalls als Lehrstuhlinhaber gerechnet wird. Die Werte sind letztendlich also nur schwer vergleichbar. 161 Vgl. Baumgarten, Professoren, S. 160ff. Vgl. auch Paletschek, Tradition, S. 329, und Willett, Sozialgeschichte, S. 176ff. 162 Vgl. Baumgarten, Professoren, S. 293, Graphik 5 und 6. 210 3. Herkunft und Werdegang der Lehrstuhlinhaber nen Universitäten in Gießen und Kiel, an denen zwischen 1848 und 1914 rund 13 beziehungsweise 19 Prozent der mathematisch-naturwissenschaftlichen Lehrstühle aus dem Ordinarienrang besetzt wurden. An der Universität Göttingen war die Quote mit 32 Prozent etwa genauso hoch wie in Charlottenburg; deutlich höher lag sie in München (41 Prozent), Heidelberg (48 Prozent) und Berlin (54 Prozent).163 Auf den ersten Blick waren die mathematisch-naturwissenschaftlichen Professuren in Charlottenburg also von mittlerer Attraktivität. Eine genauere zeitliche Differenzierung der Daten zeigt jedoch, dass es einen signifikanten Unterschied zwischen den drei technischen Akademien und der Technischen Hochschule gab. Jenen gelang nur eine Berufung aus dem Ordinarienrang – der Mathematiker Elwin Christoffel kam 1869 von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich an die Gewerbeakademie. Die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften hingegen berief sowohl zwischen 1879 und 1914 als auch zwischen 1915 und 1945 jeweils mehr als die Hälfte ihrer Professoren aus dem Ordinarienrang. Dabei gelang es der Abteilung über den Untersuchungszeitraum hinweg häufiger, ordentliche Professoren aus dem universitären Bereich zu berufen. Der erste war 1883 der Mathematiker Heinrich Weber von der Universität Breslau. Schon im folgenden Jahr jedoch ging er nach Marburg. Ein derart kurzes Intermezzo – die Technische Hochschule Charlottenburg erscheint hier lediglich als Durchgangsstation – war jedoch die Ausnahme. Bereits Webers Nachfolger Paul du Bois-Reymond, der von der Universität Tübingen nach Berlin wechselte, blieb bis zu seinem allerdings recht frühen Tod im Jahre 1889. Insgesamt hatte ein gutes Fünftel der Professoren der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften zuvor einen Lehrstuhl an einer Universität innegehabt und die Mehrheit verweilte bis zum Karriereende in Charlottenburg. Auffällig ist, dass die Hälfte von ihnen nach 1925 an die Charlottenburger Hochschule kam, also in dem Zeitraum, in dem es auch der Fakultät für Stoffwirtschaft erstmals gelang, aus dem Kreis der Universitätsordinarien zu berufen. Dies illustriert die zunehmende Attraktivität der Hochschule und ist zudem Indiz dafür, dass die proklamierte Gleichstellung mit den Universitäten langsam Wirklichkeit wurde. Die Mehrheit der Ordinarien, die nach Charlottenburg wechselten, hatten zuvor jedoch an einer preußischen Technischen Hochschule gelehrt: elf kamen aus Aachen, neun aus Hannover, vier aus Danzig, drei von der Clausthaler Bergakademie und einer aus Breslau. Unter den nicht-preußischen Hochschulen stand die Dresdner an erster Stelle: Insgesamt vier Professoren kamen von dort. Unbedeutend war mit einem Ordinarius die Braunschweiger Carolo-Wilhelmina und auch die süddeutschen Hochschulen spielten als Zubringer kaum eine Rolle: Zwei Ordinarien kamen aus Karlsruhe, zwei aus Darmstadt und einer aus München. Die 15 Universitätsordinarien kamen von zwölf verschiedenen Hochschulen nach Charlottenburg. Insgesamt vier wechselten aus Tübingen in die preußische Haupt163 Alle Angaben berechnet nach Baumgarten, Professoren, S. 276, Tabelle 2 und S. 293, Graphik 6. Vgl. auch S. 225ff. Allerdings lässt Baumgarten Berufungen von Technischen Hochschulen außer Acht und zählt lediglich die Universitätsordinarien. 3.4 Beruf: Wirtschaft, Staatsdienst und Hochschule 211 stadt: 1884 der Mathematiker Paul du Bois-Reymond, 1925 der Mathematiker Gerhard Hessenberg, 1930 der Mineraloge Walter Schmidt und 1936 der Physiker Hans Geiger.164 164 Paletschek weist in ihrer Untersuchung der Tübinger Professoren darauf hin, dass die Abwanderungsquote unter den philosophischen und naturwissenschaftlichen Ordinarien mit 45 Prozent deutlich höher war als bei den Theologen (zehn Prozent) oder den Juristen und Medizinern (je 30 Prozent) und erklärt dies mit „den zeitweise eher geringen Studierendenzahlen an der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät“ (Paletschek, Tradition, S. 336). 4. ALS LEHRSTUHLINHABER IN BERLIN UND CHARLOTTENBURG 4. ALS LEHRSTUHLINHABER IN BERLIN UND CHARLOTTENBURG 4. ALS LEHRSTUHLINHABER IN BERLIN UND CHARLOTTENBURG Im Jahre 1907 berief das preußische Kultusministerium den 44jährigen Heinrich Herkner auf die Professur für Nationalökonomie in Charlottenburg. Die Annahme dieses Rufs bedeutete für ihn, so schrieb Herkner rückblickend, „an einer der berühmtesten Lehrstätten der industriellen Welt“1 forschen und lehren zu können. Er blieb insgesamt sechs Jahre an der Technischen Hochschule, bevor er an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität wechselte. Während er hinsichtlich seines Berufungsalters recht genau dem Mittel entsprach – dies lag bei 43,8 Jahren – war seine Verweildauer eher kurz. Im Durchschnitt blieben die Professoren 16,4 Jahre. Bei beiden Werten war die Bandbreite recht groß. Carl Cranz wechselte 1920 im Alter von 62 Jahren mit seinem ballistischen Institut von der aufgelösten Militärtechnischen Akademie an die Technische Hochschule, und Christian Krick war schon 71, als er 1855 etatmäßiger Lehrer für Mathematik an der Bauakademie wurde. Friedrich Romberg, Siegmund Müller, Herbert Wagner, Emil Josse und Georg Schlesinger hingegen erhielten ihre Rufe bereits im Alter von 30 Jahren – Wagner war zudem schon ein Jahr Ordinarius in Danzig gewesen. Lässt man die Extremfälle außer Acht, so lag das Berufungsalter in der ersten Hälfte des hier betrachteten Jahrhunderts eher bei Anfang vierzig, in der zweiten Hälfte eher bei Mitte vierzig. Dieser Anstieg korrespondiert mit der zunehmenden Zahl der Ordinarienberufungen. Die Anzahl der Jahre, welche die Professoren in Berlin blieben, variierte ebenfalls stark. Der Mineraloge Julius Hirschwald und der Chemiker Carl Liebermann lehrten und forschten beide 41 Jahre lang an der Berliner Technischen Hochschule. Der Flugzeugbauer Georg Madelung hingegen verbrachte lediglich sechs Monate als ordentlicher Professor in Charlottenburg, bevor er einen Ruf nach Stuttgart annahm. Die Tendenz ging jedoch zu einer längeren Verweildauer: Fast 40 Prozent der Professoren blieben mehr als zwei Jahrzehnte in der preußischen Hauptstadt, lediglich 15 Prozent verließen die Hochschule nach weniger als fünf Jahren. Nicht einbezogen sind hier jene, die 1945 ausschieden. Rund die Hälfte der ordentlichen Professoren konnte wegen Mitgliedschaft in der NSDAP nach Kriegsende kein Lehramt an der neuen Technischen Universität übernehmen. Andere kehrten erst gar nicht nach Berlin zurück. Rund ein Fünftel erhielt bei der Neueröffnung 1946 wieder einen ordentlichen Lehrstuhl.2 1 2 Herkner, Lebenslauf, S. 104. Vgl. Brandt, Wiederaufbau, S. 506. Eine Übersicht über den Lehrkörper findet sich ebd., S. 508, allerdings sind die Angaben zur Zahl der Ordinarien 1944/45 nicht korrekt, da Brandt zum einen vakante Lehrstühle mitzählt und zum anderen Professoren, die mehreren Fakultäten angehörten, auch mehrfach berücksichtigt. Grundlage der genannten Prozentzahlen sind 213 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Da gerade in den Anfangsjahren des Untersuchungszeitraums die Fluktuation des Lehrkörpers gering war, stieg das Durchschnittsalter des Ordinarienkollegiums kontinuierlich an (Tabelle 8). Als 1920 die Altersgrenze für Professoren eingeführt wurde, hatte das durchschnittliche Alter der Ordinarien mit 57,1 Jahren seinen Höchstwert erreicht. Vergleicht man die einzelnen Fakultäten miteinander, so fällt auf, dass die Professoren der Fakultäten für Bauwesen und Allgemeine Wissenschaften in der Regel älter waren als jene der Fakultäten für Maschinenund Stoffwirtschaft, allerdings verringerten sich die Unterschiede über den Untersuchungszeitraum hinweg. Tabelle 8: Durchschnittsalter des Ordinarienkollegiums zu Stichjahren Gesamt 1851 1861 1871 1881 1891 1901 1911 1921 1931 1941 Bauwesen Maschinenwirtschaft 45,4 53,8 49,5 50 53,2 51,7 51,6 57,1 52,8 53 47,5 55,6 54,3 48,6 51,3 55,7 56,3 58,5 54,5 54,6 33 41,5 48,3 51,8 50,4 43,2 47,1 54,2 53,7 51,9 Allgemeine Stoffwirtschaft Wissenschaften 38 48 43 49,2 54,3 51,8 50 57,9 50,1 53,4 48 61,5 47,2 52,3 58,4 55,8 53,2 58,8 51 51,7 Anders als an anderen Hochschulen lässt sich in Charlottenburg nach 1933 keine signifikante Verjüngung des Ordinarienkollegiums feststellen.3 Von den 73 während des „Dritten Reiches“ Berufenen waren 66 Prozent jünger als 50 Jahre und 24 Prozent jünger als 40. Bei den 224 vor 1933 angestellten Professoren lagen die entsprechenden Werte bei 80 beziehungsweise 38 Prozent.4 Es kam also – abgesehen von der Fakultät für Maschinenwirtschaft – zu einer leichten Erhöhung des Durchschnittsalters. 3 4 jene 216 etatmäßigen und ordentlichen Professoren, die bis einschließlich 1944 aus dem Lehramt schieden. Vgl. Sieg, Strukturwandel, S. 265, der eine „gezielt betriebene Verjüngung“ des wissenschaftlichen Personals während des „Dritten Reiches“ attestiert. Vgl. auch Kalkmann, Aachen, S. 62, der die von Franz Bachér, Leiter des Amtes Wissenschaft im Erziehungsministerium, 1934 formulierten Richtlinien für Berufungsfragen zitiert, nach denen u. a. „jüngere Nachwuchskräfte“ zu bevorzugen seien. Die absoluten Zahlen lauten wie folgt: 48 der nach 1933 berufenen Professoren waren jünger als 50, 18 davon jünger als 40. Vor 1933 waren 179 der Berufenen jünger als 50 und 86 davon jünger als 40. 214 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg 4.1 ZUR BERUFUNGSPRAXIS Als der Handelsminister im Jahre 1851 die ersten etatmäßigen Stellen an den Berliner technischen Akademien besetzte, hatten die Lehrerkollegien dabei kein Mitspracherecht. Das Regulativ der Gewerbeakademie von 1850 sah lediglich einen Studienrat vor, der die „stetige Entwickelung“5 des Instituts sichern und dem Minister für Handel und Gewerbe gegebenenfalls Veränderungsvorschläge hinsichtlich Struktur und Unterrichtsgestaltung unterbreiten sollte. Diesem Studienrat gehörten unter anderen der Direktor der Akademie und zwei Lehrer an.6 War ein Lehrstuhl vakant oder sollte neu geschaffen werden, so zog in der Regel der Direktor Erkundigungen über geeignete Kandidaten ein und machte dem Handelsminister daraufhin einen Berufungsvorschlag. So bot beispielsweise Franz Reuleaux, von 1868 bis 1879 Direktor der Gewerbeakademie, Elwin Christoffel eine Professur für Mathematik an und beantragte nach dessen Zusage – Christoffel bedankte sich für die Möglichkeit, nun „am Centralpunkte deutscher Macht und Wissenschaft“7 unterrichten zu dürfen – im Handelsministerium die Einrichtung dieses Lehrstuhls. Gleichzeitig schlug er den in Zürich lehrenden Mathematiker für die Besetzung vor.8 Ähnlich lagen die Verhältnisse an der Bauakademie. Hier gab es seit 1849 ein Direktorium, bestehend aus dem Akademiedirektor und zwei Mitgliedern der Oberbaudeputation, „die für alle zu collegialischer Behandlung geeigneten Gegenstände dem Director zur Seite stehen.“9 Erst die neuen Verfassungsstatuten, die 1871 an der Gewerbeakademie und 1875 an der Bauakademie in Kraft traten, enthielten schließlich jeweils Bestimmungen, „welche der Lehrerschaft Antheil an der Leitung der Anstalt gewährten.“10 Dementsprechend betont Conrad Bornhak in seiner 1901 erschienenen Abhandlung über die Rechtsverhältnisse der preußischen Hochschullehrer, dass die technischen Akademien „von Hause aus nichts anderes als höhere Lehranstalten ohne genossenschaftlichen Charakter“11 seien. Obwohl das Procedere für eine Lehrstuhlbesetzung an einer Universität oder an einer Technischen Hochschule12 formal gleich war – die Kollegien der Fakultäten beziehungsweise Abteilungen machten Vorschläge, die dem Ministerium vorgelegt wurden – sieht Bornhak einen qualitativen Unterschied, da dieses Vorschlagsrecht an den Technischen Hochschulen kein ursprünglich korporatives Recht war: „Die Abteilung bildet 5 6 Nottebohm, Chronik, S. 32. Weitere Mitglieder waren ein Ministerialbeamter als Vorsitzender und zwei Männer „der Wissenschaft und Technik“ (Nottebohm, Chronik, S. 32). 7 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VIII, Bl. 249, 1. Juni 1868. 8 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VIII, Bl. 247f., 13. Juni 1868 und ebd., Bl. 249, 1. Juni 1868. 9 Zit. bei Dobbert, Chronik, S. 56. 10 Ebd., S. 65. Vgl. auch S. 92f. 11 Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 87. 12 In § 1 des Verfassungsstatuts von 1871 heißt es: „Die Königliche Gewerbeakademie ist eine technische Hochschule“ (Damm, Hochschulen, S. 25). Das Verfassungsstatut der Bauakademie ist abgedruckt ebd., S. 7f. 4.1 Zur Berufungspraxis 215 vielmehr nur einen kollegialen Personalienrat.“13 Üblicherweise nannten die Kollegien drei Namen, dem Kultusministerium oblag sodann die Aushandlung der Berufungskonditionen, teilweise die Klärung der Gehaltsfragen mit dem Finanzministerium und letztlich die Entscheidung. – Als die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften 1882 bei der Wiederbesetzung des mathematischen Lehrstuhls von Siegfried Aronhold bemerkte: „Jede, auf einen der Vorgeschlagenen fallende Bestätigung würde das Collegium als eine den Interessen der Technischen Hochschule dienlich ansehen“14, notierte der Referent ein „sic!“ neben „Bestätigung“. Vor der Entscheidung holten die Mitarbeiter des Kultusministeriums in der Regel Gutachten über die vorgeschlagenen Kandidaten ein. Im „Dritten Reich“ kamen Beurteilungen der politischen Eignung der Lehrstuhlkandidaten hinzu.15 Die jeweiligen Umstände der Berufungen waren jedoch vielgestaltig, ein Verfahren nach diesem grob skizzierten Muster keineswegs immer Voraussetzung für eine Berufung. Es blieb viel Raum für Lobbyarbeit in eigener Sache, für die ‚Beförderung‘ von Dozenten oder Extraordinarien ohne förmliches Verfahren, für informelle Absprachen zwischen Ministerium und Fakultät, für die Oktroyierung unliebsamer Kandidaten oder für Seperatvoten, wenn das Kollegium sich nicht einigen konnte. Zwar finden sich in den Akten nicht zu allen der knapp 300 Lehrstuhlbesetzungen Unterlagen, aber das vorhandene Material erlaubt einen guten Überblick über die Berufungspraxis. Die folgenden Beispiele informieren über die unterschiedlichen Beweggründe, Interessen und Strategien der verschiedenen Akteure, die wahlweise mit- oder gegeneinander arbeiteten und mit ihrem Handeln das Ordinarienkollegium, die zentrale Gruppe des Personenverbandes der Technischen Hochschule, letztlich entscheidend formten. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier den Argumenten, die für oder gegen einen Kandidaten angeführt wurden, die Frage also, wer gleichsam als ordinariabel und als der Hochschule würdig angesehen wurde. Umgekehrt bleibt zudem von Interesse, was Kandidaten zu Annahme oder Ablehnung des Rufs nach Charlottenburg veranlasste, die Frage also nach der Attraktivität der Berliner Situation. Gerade mit Rücksicht auf die Pensionssicherung bemühten sich besonders während der ersten Jahrzehnte bereits gegen Remuneration beschäftigte Dozenten selbst um eine Festanstellung an den technischen Akademien oder später an der Technischen Hochschule. Die angesprochene hohe Quote der Hausberufungen be13 Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 89. Bornhak weist darüber hinaus darauf hin, dass das Recht der Universitäten und Technischen Hochschulen, Vorschläge zur Neubesetzung ordentlicher Lehrstühle zu machen, in der „Verwaltungspraxis auch auf die Ernennung der außerordentlichen Professoren“ ausgedehnt wurde (S. 18). 14 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. I, Bl. 168, 15. November 1882. 15 Vgl. Kasper et al., Hochschulverwaltung, S. 38f. Im Mai 1938 erließ Reichserziehungsminister Rust Richtlinien für den Gang der Berufungsverfahren, die sich formal stark an der traditionellen Praxis orientierten. Bereits im Januar 1938 hatte er mitgeteilt, dass er „bei der Ernennung von planmäßigen und nichtplanmäßigen Beamten des höheren Dienstes meiner Verwaltung den Leiter der Parteikanzlei um Abgabe von politischen Beurteilungen bitten werde“ und dazu aufgefordert, „von unmittelbaren Anforderungen solcher Beurteilungen durch andere Dienststellen künftig abzusehen“ (ebd.). Vgl. zu Professorenberufungen während des „Dritten Reiches“ Nagel, Anspruch, S. 254ff. 216 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg legt ihren Erfolg. Im Jahre 1858 erbat Ferdinand von Arnim eine etatmäßige Stelle an der Bauakademie, zwei Jahre später gewährte der Handelsminister diese Bitte. Arnim war auch in der Hinsicht typisch für die frühen Lehrer der technischen Akademien, dass er nach seiner Festanstellung weiterhin nicht ausschließlich an der Bauakademie arbeitete. Als Mitglied der Hofbau-Kommission bezog er ein zweites festes Gehalt vom Ministerium des Königlichen Hauses.16 Der Mathematiker Julius Weingarten wandte sich Anfang Januar 1874 mit recht scharfen Worten direkt an den Minister. Ihm sei für das vorangegangene Jahr eine etatmäßige Beschäftigung versprochen worden, und mittlerweile sei er in einem Alter, „in dem“, wie bereits zitiert, „die Unsicherheit der amtlichen Stellung mit dem Makel der Untüchtigkeit behaftet zu sein pflegt“17; zudem sei ein jüngerer Kollege kürzlich fest angestellt worden. Bereits Mitte Januar erhielt Weingarten seine Bestallung.18 Die Beteiligung der Abteilungskollegien an der Stellenbesetzung machte die Intervention in eigener Sache schwieriger, sie kam jedoch weiterhin vor. Der Architekt Carl Schäfer gewann den Handelsminister als Fürsprecher, der im Januar 1884 den seit der Gründung der Technischen Hochschule verantwortlichen Kultusminister über Schäfers „dringenden Wunsch“19 nach einer Professur informierte. Als das Kultusressort mitteilte, dass Schäfers älterer Kollege Carl Elis zuvor berücksichtigt werden müsse, reichte Schäfer eine Zusammenstellung der Studierendenzahlen nach, mit der er seinen größeren Lehrerfolg zu belegen trachtete: Im Hauptunterricht habe Elis 36 Hörer, er selbst hingegen 219. Im Nebenunterricht lauteten die Zahlen 16 und 183. Nach Einschätzung Guido Haucks, des damaligen Rektors, war es Schäfer „in erster Linie um den Professoren-Titel zu thun.“20 Beide Architekten erhielten daraufhin ein entsprechendes Patent. Als ein Jahr später der Wechsel Johannes Otzens an die Akademie der Künste absehbar war, bewarb sich Schäfer um dessen Lehrstuhl, nun mit Unterstützung des Ministers für öffentliche Arbeiten. Noch bevor die Architekturabteilung dem Ministerium ihre Berufungsvorschläge schickte, schrieb Schäfer seinerseits, dass unter 16 Für die Bitte um Anstellung vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. II, 26. November 1858 (ohne Paginierung). Bevor Arnim angestellt wurde, holte das Handelsministerium das Einverständnis des Ministeriums des Königlichen Hauses ein, vgl. ebd., 9. Juni 1860; ebd., 19. Juli 1860; ebd., 30. August 1860. 17 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 4. Januar 1874 (ohne Paginierung). 18 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 15. Januar 1874 (ohne Paginierung). 19 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. I, Bl. 235, 28. Januar 1884. 20 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. I, Bl. 262f., 4. März 1884. Hauck erläutert hier, dass die von Schäfer genannten Zahlen zwar richtig seien, aber ungeeignet, „weitere Schlüsse daraus zu ziehen“, da beide Lehrer unterschiedliche Gebiete unterrichteten: „Schäfer mit seiner besonderen Gabe eines populären Vortrags hatte das von der großen Masse der Architecten und Ingenieuren besuchte Hauptcolleg, während Elis entsprechend seiner Art des tiefen Eindringens in das innere Wesen der Sache, die Specialgebiete tractierte“. Zudem seien beide in gleicher Weise für eine etatmäßige Professur qualifiziert, aber Elis’ „mildere Natur verschmäht ein Vorgehen wie dasjenige Schäfers.“ 4.1 Zur Berufungspraxis 217 seinen Kollegen die Ansicht herrsche, dass er der „sehr beliebten modern-gothischen Entwicklung der Backsteinbaukunst“ fremd gegenüberstehe. „Es berührt mich dies um so eigenthümlicher, als ich seit langen Jahren gewohnt bin, mich für den ersten selbständigen Erfinder der betreffenden spezifisch-modernen Richtung der Ziegelgothik zu halten.“ Gleichsam als Beleg fügte Schäfer einige Blätter eines Bauprojekts bei, die zum Teil wegen der „sehr beschränkten Zeit nach meinen Vorzeichnungen von Schülerhänden“21 ausgeführt waren. Die Abteilung setzte ihn schließlich auf den dritten Listenplatz. Dies sei darauf zurückzuführen, „daß Schäfers Persönlichkeit einem großen Theil der Abteilungsmitglieder unliebsam ist“22, merkte Wilhelm Wehrenpfennig, Vortragender Rat im Kultusministerium, in einer Stellungnahme an. Schäfers Lobbyarbeit war jedoch erfolgreich, und er erhielt den Lehrstuhl; der von der Abteilung an erster Stelle genannte Architekt Johannes Vollmer bekam einen bezahlten Lehrauftrag.23 In späteren Jahren waren es Extraordinarien, die mitunter ebenso nachdrücklich wie Schäfer auf die Erhebung ihres Fachs in den Rang eines ordentlichen Lehrstuhls drängten. In diesem Sinne schrieb Rudolf Schenck, Leiter des Forschungsinstituts für Straßenbau, im Mai 1933, knapp zwei Wochen nachdem er der NSDAP beigetreten war, an den Kultusminister und betonte: „Die grosse Bedeutung des Strassenbaus hat unserer Führer Adolf Hitler klar erkannt und den Strassenbau im Arbeitsbeschaffungsprogramm an erster Stelle genannt.“24 Schenck musste sich jedoch bis 1935 gedulden: Erst dann wurde die Professur eingerichtet und mit ihm besetzt. Nachdem 1931 die Errichtung eines ordentlichen Lehrstuhls für den Baukonstrukteur Otto Birkenstock gescheitert war, wandte sich dieser zwei Jahre später an das Kultusministerium, um seine Mitgliedschaft in der Kommission für die Nachfolge Hermann Boosts sicherzustellen, da er befürchte, dass andernfalls seine „eigenen Belange wieder nicht ausreichend berücksichtigt“25 würden. Auch verwies er darauf, dass die Nichtordinarien und die Studentenschaft seine Berufung wünschten.26 Zwar scheiterte Birkenstock mit diesem Anliegen, allerdings erhielt er kurz darauf im April 1933 seine Ernennung zum Ordinarius als Nachfolger von Adolf Frevert, kaum sechs Wochen nach dessen Tod.27 Anscheinend verzichtete man hier auf ein förmliches Verfahren zur Wiederbesetzung der Professur. Dies war bei der Berufung aus dem Kreis der Charlottenburger Dozenten oder Extraordinarien häufiger der Fall. Da die Einrichtung neuer Lehrstühle mitunter 21 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. II, Bl. 72f., 14. Juli 1885. Für das Schreiben des Handelsministers vgl. ebd., Bl. 13, 31. März 1885. 22 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. II, Bl. 86f., ohne Datum. 23 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. II, Bl. 103, 14. Oktober 1885 und ebd., Bl. 97, 10. Oktober 1885. 24 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 4a, Bd. III, 12. Mai 1933 (ohne Paginierung). 25 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 4a, Bd. II, Bl. 333f., 27. Januar 1933. 26 Ein früheres Votum der Nichtordinarien für Birkenstock findet sich in GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 4a, Bd. II, Bl. 287f., 3. Juni 1932. 27 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 4a, Bd. II, Bl. 353f., 28. April 1933. 218 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg am Widerstand des Finanzministeriums scheiterte, vergab das Kultusministerium vorerst Lehraufträge oder Dozenturen und wandelte diese in ordentliche Professuren um, wenn sich die Möglichkeit ergab. Der Ökonom Hermann Paasche übernahm 1895 die Dozentur in Charlottenburg nur unter der Bedingung einer „Anwartschaft auf definitive Anstellung an der Techn. Hochschule, sobald für dieselbe eine etatsmäßige Professur begründet sein wird.“28 Seine Bestallung zwei Jahre später war nur Formsache: Die Allgemeine Abteilung schlug ihn einstimmig „zur Besetzung der etatsmäßigen Professur für Nationalökonomie gehorsamst vor“29 und bat gleichzeitig, von weiteren Vorschlägen absehen zu dürfen. Ähnlich verhielt es sich bei der Berufung des Eisenbahningenieurs Wilhelm Cauer. Auf Bitten des Ministeriums für öffentliche Arbeiten beantragte das Kultusressort im August 1900 beim Finanzministerium die Einrichtung einer zweiten Professur für Eisenbahnwesen in Charlottenburg.30 Der Antrag war nicht erfolgreich. Trotz wiederholter Bitten beharrte der Finanzminister auf seiner Entscheidung. Mit einem etwas verärgert anmutenden Unterton schrieb er, er halte es „für dringend nothwendig, dass jetzt die Arbeiten für die Aufstellung des nächsten Staatshaushalts-Etats auf Grund des Ergebnisses der bisher stattgehabten Verhandlungen abgeschlossen werden, von dem Versuche, weitere Zugeständnisse zu erreichen, aber Abstand genommen wird.“31 Daraufhin beantragte die Abteilung für Bauingenieurwesen eine Dozentur und schlug dafür den Charlottenburger Privatdozenten und Hilfsarbeiter im Ministerium für öffentliche Arbeiten Wilhelm Cauer vor. Zwei Jahre später konnte das Kultusministerium bei den Etatverhandlungen die Professur durchsetzen, und die Abteilung setzte allein Cauer auf die Liste, wiederum verbunden mit der Bitte „bei der Eurer Excellenz bekannten Sachlage, von weiteren Vorschlägen in diesem Fall absehen zu dürfen.“32 Deutlich länger zog sich die Lehrstuhlfrage bei Rudolf Franke hin. Er war seit 1907 Privatdozent an der Berliner Technischen Hochschule. Im Jahre 1911 beantragte die Maschinenbauabteilung eine Professur für Schwachstromtechnik und legte eine Denkschrift Frankes mit einem Lehrplanentwurf bei. Einige Monate zuvor hatte bereits der Verband Deutscher Elektrotechniker dem Kultusminister nahegelegt, die Schwachstromindustrie mit der Einrichtung eines ordentlichen Lehr28 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. IV, 15. März 1895 (ohne Paginierung). 29 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. V, Bl. 187f., 17. Juni 1897. Für die Bestallung vgl. ebd., Bl. 200, 7. Oktober 1897. Paasche hatte sich 1895 an der Marburger Universität beurlauben lassen, da er in den Reichstag und in das Preußische Haus der Abgeordneten gewählt worden war. 30 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. IV, 27. August 1900 (ohne Paginierung). Für das Schreiben des Ministeriums für Handel und öffentliche Arbeiten vgl. ebd., 24. Februar 1900. 31 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. IV, 3. Dezember 1900 (ohne Paginierung). 32 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. V, 23. Februar 1903 (ohne Paginierung). 4.1 Zur Berufungspraxis 219 stuhls in Charlottenburg zu fördern.33 Franke erhielt daraufhin lediglich den Professorentitel und das Ministerium versprach, seine Dozentur besser auszustatten. Ein erneuter Antrag auf ein Ordinariat blieb 1914 ebenso erfolglos. Erst 1921 konnte der Plan verwirklicht werden, da wegen der Vakanz eines Aachener Lehrstuhls eine Mehrbelastung des Gesamthaushalts vermieden wurde.34 Das Kultusministerium informierte nach der Zusage des Finanzressorts Rektor und Senat der Hochschule darüber, dass Frankes Extraordinariat in ein Ordinariat umgewandelt würde. Am 9. November 1922 erhielt dieser seine Bestallung.35 Die zitierten Beispiele lassen die hohe Quote der Hausberufungen in einem etwas anderen Licht erscheinen. Gerade in den ersten Jahrzehnten fühlte das Handelsministerium eine Art Verpflichtung, langjährig auf Honorarbasis beschäftigte Dozenten fest anzustellen, wenn eine etatmäßige Stelle frei wurde. Eine fachliche Kontinuität des Lehrstuhls stand dabei nicht unbedingt im Vordergrund. Neben dieses alte System des Aufrückens – das wiederum an die Ursprünge der Akademien als Beamtenschulen erinnert36 – trat später die Ausdifferenzierung der Fächer. In der Regel wurden Vertreter neuer Disziplinen zunächst mit Lehraufträgen oder Extraordinariaten bedacht. Später stiegen sie und ihr Fach mitunter in den Rang eines Ordinariats auf. Nichtzuletzt die kleinere Zahl der Technischen Hochschulen und ihr teilweise variierende Fächerkanon führte so zu einer höheren Zahl von Hausberufungen, als sie im universitären Bereich mittlerweile üblich geworden war. Während der Jahre der Weimarer Republik und des „Dritten Reiches“ ernannten die jeweiligen Kultusminister auch eine Anzahl persönlicher Ordinarien. Etatrechtlich handelte es sich bei diesen Stellen um Extraordinariate, ihre Inhaber besaßen jedoch alle akademischen Rechte der ordentlichen Professoren. Im Falle Ernst Storms erhöhte das Kultusministerium 1934, ein Jahr nach der Verleihung des persönlichen Ordinariats, auch das Grundgehalt, womit „die Übertragung einer Planstelle als Ordinariat praktisch ihre Bedeutung“37 verliere. Ähnlich wie bei der Umwandlung von außerordentlichen in ordentliche Professuren war bei der Ernennung persönlicher Ordinarien ein formales Berufungsverfahren nicht immer 33 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. X, Bl. 169ff., 20. Dezember 1910 und ebd., Bl. 173f., 4. April 1911. 34 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XII, 28. September 1921 (ohne Paginierung). Für den Antrag von 1914 vgl. ebd., Bd. XI, Bl. 268f., 19. Februar 1914. Die Abteilung hob in diesem Schreiben hervor: „Die Schwachstromindustrie hat ihrerseits zur Förderung dieses Unterrichts auf Veranlassung des Dozenten Professors Franke diesem eine Sammlung von Lehrgegenständen zur Verfügung gestellt.“ Der Wert betrage rund 42.000 Mark, Spender waren u. a. Siemens & Halske sowie Mix & Genest (vgl. ebd., Bl. 270f.). 35 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XIII, 9. November 1922. In ähnlicher Weise war 1898 die Dozentur Georg von Knorres in eine ordentliche Professur für Elektrochemie umgewandelt worden (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. IV, Bl. 84f., 5. Mai 1898 und ebd., Bl. 89, 11. Mai 1898). 36 Vgl. zu den Karrieremöglichkeiten in der preußischen Verwaltung Süle, Bürokratietradition, u. a. S. 103 und 119. 37 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 15. März 1934 (ohne Paginierung). 220 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Voraussetzung. Für den Flugzeugbauer Georg Madelung beantragte die Abteilung 1929 den Titel und merkte an: „Schon zwei Mal hat er einen Ruf an andere Hochschulen und zwar auf neubegründete ordentliche Lehrstühle erhalten. Lediglich seine Verbundenheit mit den maßgebenden Berliner Luftverkehrsstellen hat ihn in Berlin zurückgehalten.“38 Seinen Kollegen Wilhelm Hoff, ebenfalls Professor für Flugzeugbau, wies das Kultusministerium bei seiner Ernennung zum persönlichen Ordinarius darauf hin, dass ihm „weder jetzt noch in Zukunft ein Anspruch auf ein besonderes Gehalt in Ihrer Eigenschaft als ord. Professor erwächst.“39 In gewisser Hinsicht ist der Titel also als Ehrentitel für besondere Verdienste anzusehen. Die Abteilung für Stoffwirtschaft erbat 1928 die Ernennung der Extraordinarien Fritz Schmidt und Erich Harbort „damit sie eine ihrer langjährigen wissenschaftlichen und pädagogischen Tätigkeit entsprechende Stellung innerhalb der Fakultät erhalten.“40 Gerade für die rechtliche Position der Betreffenden im Gesamtgefüge der Hochschule war die Verleihung also deutlich wichtiger als beispielsweise ein im Kaiserreich verliehener Geheimratstitel oder eine Titularprofessur. Darüber hinaus, und dies ist sicher der wichtigere Aspekt, verschaffte die Konstruktion des persönlichen Ordinariats dem Kultusressort größere Flexibilität. So entschied das Ministerium nach der Emeritierung Alois Riedlers 1921, sein Lehrgebiet aufzuteilen. Die beiden Ordinarien Ludwig Gümbel und Rudolf Drawe übernahmen Teile, und die Mittel für die Professur wurden angesichts „der schlechten Finanzlage des Staates“41 auf Vorschlag des Kultusministeriums für zwei Extraordinariate verwendet. Deren Inhaber, der erwähnte Wilhelm Hoff und Gabriel Becker, erhielten beide knapp drei Jahre nach ihrer Anstellung den Titel eines persönlichen Ordinarius. Bei der Besetzung der Dozentur für Lagerstättenkunde setzte die Fakultät für Stoffwirtschaft 1933 den Clausthaler Ordinarius Friedrich Karl Drescher, später Drescher-Kaden, auf Platz eins der Liste und bat nachdrücklich, „das Ministerium möge Wege finden, um Herrn Prof. Dr. Drescher die Annahme dieser Stelle zu ermöglichen.“42 Auch in diesem Fall griff man auf das persönliche Ordinariat zurück.43 Allerdings handelte es sich hier letztlich eher um eine politische denn eine fachliche Entscheidung: Ungefähr gleichzeitig mit 38 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 6a, Bd. I, Bl. 214, 27. März 1929. 39 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XIII, 15. April 1925 (ohne Paginierung). Vor der Berufung Hoffs zum Extraordinarius hatte die Fakultät eine übliche, drei Namen umfassende Liste vorgelegt, auf der Hoff an zweiter Stelle genannt war (vgl. ebd., 19. Oktober 1922). 40 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. I, Bl. 211f., 28. Februar 1928. 41 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XIII, 7. August 1922 (ohne Paginierung). 42 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 22. Dezember 1933 (ohne Paginierung). 43 Vgl. die Vereinbarung zwischen Drescher und Rottenburg, GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 5. April 1934 (ohne Paginierung). Zudem wurde ein Gehalt von 11.600 RM vereinbart; das Höchstgehalt lag 1934 bei 12.600 RM (ohne Wohngeld und Honorargarantie). 4.1 Zur Berufungspraxis 221 der Abteilung hatte sich die NSDAP an Joachim Haupt im preußischen Kultusministerium gewandt, der seinerzeit vertretungsweise die Hochschulabteilung leitete, und beklagt, dass die „mengenmässige Erfassung der deutschen Bodenschätze“ im Moment nicht möglich sei und dass „in ganz Deutschland nicht ein einziges selbständiges Institut für Lagerstättenkunde“ bestünde. Ohne „irgendwie auf die von Ihnen zu treffenden Massnahmen Einfluss nehmen zu wollen“44, wurde dem Ministerium die Berufung Dreschers, Teilnehmer des Kapp-Putsches und seit 1932 Parteimitglied, empfohlen. Auch die Fakultät hatte in ihrem Schreiben angemerkt: „Herr Prof. Drescher ist im Neuen Reich organisatorisch tätig und würde auch aus diesem Grunde in Berlin wohl besser am Platze sein.“45 In diesen Kontext gehören auch die Berufungen des technischen Chemikers Leo Ubbelohde und des Geologen Leo von zur Mühlen, für die sich namentlich Gottfried Feder, Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium und Autor des NSDAP Parteiprogramms, nachdrücklich einsetzte. Der Ausbau des mineralogischen Instituts in Charlottenburg sollte „den wirtschaftspolitischen Fragen der Rohstoffversorgung, die von größter Bedeutung für Deutschlands Zukunft sind“46, Rechnung tragen. Neben den bereits in Kapitel 2 angesprochenen Bereichen Rüstungsforschung und Luftfahrtwesen ist diese Autarkieforschung ein weiteres Gebiet, auf dem nach 1933 von außen wesentlich Einfluss auf die Gestaltung der Hochschule genommen wurde.47 Persönliche Ordinariate kamen dabei in allen drei Fällen regelmäßig zur Verwendung, da der Etat nicht beliebig vergrößert werden konnte. Als Ordinarien mit Sitz und Stimme im Kollegium hatten die neuen Professoren zudem die Möglichkeit, zukünftige Berufungen entscheidend zu beeinflussen. Sowohl für die Jahre des Kaiserreiches als auch der Weimarer Republik oder des „Dritten Reiches“ geht aus den überlieferten Akten hervor, dass die Referenten im Kultusressort keineswegs die Berufungsvorschläge der Abteilungen abwarteten, sondern häufig Einfluss auf die Zusammenstellung der Liste nahmen. Ein Brief des Chemikers Max Volmer an den Referenten Otto von Rottenburg aus dem Jahre 1927 illustriert das Vorgehen dabei: „Die von Ihnen genannten Herren Dr.-Ing. Herzog und Dr.-Ing. Durrer werde ich bei der nächsten Gelegenheit in Vorschlag bringen. Da ich dem Gebiet, das Herr Geheimrat Mathesius vertritt, doch etwas ferner stehe, so kann ich mich natürlich nicht mit dem Gewicht meiner eigenen Ueberzeugung für die genannten Herren einsetzen, wie ich es bei den beiden anderen aktuellen Berufungen zu tun in der Lage bin. Die Aufnahme von Hertz in die Physiker44 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 8a, Bd. III, Bl. 81f., 28. November 1933. 45 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 25. November 1933 (ohne Paginierung). An der Fakultät für Stoffwirtschaft war mit Ernst Storm seit April 1933 ein aktives NSDAP-Mitglied Ordinarius. Es ist davon auszugehen, dass er maßgeblichen Einfluss auf die Zusammenstellung der Berufungsliste nehmen konnte. 46 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 8a, Bd. III, Bl. 168f., 22. September 1933. Vgl. auch ebd., Bl. 167, 2. August 1933 und GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 16. Juni 1933. 47 Vgl. analog Hachtmann, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, S. 22, der darauf hinweist, dass „vor dem Hintergrund der NS-Autarkiepolitik […] die agrarwissenschaftlichen Institute der KWG erheblich an Bedeutung“ gewannen – u. a. das KWI für Züchtungsforschung in Müncheberg (Brandenburg) und das KWI für Tierzuchtforschung in Dummerstorf (Mecklenburg). 222 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg liste erfolgte mit Einstimmigkeit. Für Paneth werde ich mich mit aller Energie einsetzen, da er mit Abstand der beste in Frage kommende Mann ist. Doch sind bei der Bergbauabteilung zweifellos Schwierigkeiten vorhanden, insbesondere weil die Kommission höchst ungeschickt zusammengesetzt ist. Die allgemeine Fakultät beabsichtigt die Kandidatur Paneth energisch zu unterstützen, da sie auch erhebliches Interesse an einer guten Besetzung der Stavenhagen’schen Professur hat.“48 Während das Ministerium hier mit Hilfe eines Mittelsmanns in der Hochschule seinen Wünschen Geltung verschaffte, war die Einflussnahme in anderen Fällen direkter. Bei der Einrichtung des neuen Lehrstuhls ‚Wasserbau nach kulturtechnischer, gewerblicher und hygienischer Richtung‘ fügte der Referent 1901 der Bitte um eine Vorschlagsliste mehrere Namen von Kandidaten bei, die das Landwirtschaftsressort für die Professur empfohlen hätte. Die Abteilung für Bauingenieurwesen setzte einen der Genannten, Max Grantz, auf Listenplatz zwei und bat bei einem weiteren ausdrücklich darum, ihn nicht zu berufen – „mit Rücksicht auf die in den Jahren 1891/92 geführten Verhandlungen wegen des Louis Boissonnet-Stipendiums und den dabei gemachten Erfahrungen.“49 Der Ruf erging an Grantz, kaum eine Woche nachdem das Abteilungsgutachten über Rektor und Senat an das Ministerium weitergegeben worden war. Allerdings gab es auch den umgekehrten Fall. In einem Brief an den Personalreferenten Heinrich Aumund berichtete Max Kloß im Februar 1926 über eine Besprechung der elektrotechnischen Fachprofessoren hinsichtlich der anstehenden Nachfolge Wedding: „Ehe wir jedoch die entsprechenden Anträge offiziell durch die Fakultät an das Ministerium einreichen, wäre es erforderlich, festzustellen, ob die Voraussetzungen, von denen wir bei unseren Vorschlägen ausgehen müssen, sich werden verwirklichen lassen. Hierüber Klarheit zu gewinnen, ist Zweck dieses Schreibens“50 erläuterte Kloß. Zwei Monate später folgte das offizielle Schreiben: „Da nach Mitteilung des Herrn Professor Matthias die vom Unterrichtsministerium mit ihm gepflegten Verhandlungen zu beiderseitigem Einvernehmen geführt haben, beantragt hiermit die Fakultät, die am 1. Oktober d. J. durch Emeritierung des Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. W. Wedding freiwerdende ordentliche Professur in eine solche für Hochspannungstechnik umzuwandeln und diese dem Honorarprofessor Dipl.-Ing. Matthias zu übertragen.“51 Die räumliche Nähe zwischen Hochschule und Ministerium erleichterte es, Dinge mündlich und gleichsam inoffiziell zu klären – wiederholt finden sich in den Akten Verweise auf derartige Absprachen. Zwar legten die Referenten nach persönlichen Besprechungen gelegentlich Vermerke an – Heinrich Aumund protokol- 48 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 285, 27. November 1927. 49 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. IV, 1./12. März 1901 (ohne Paginierung). Das Louis Boissonnet-Stipendium war ein Reisestipendium für Architekten und Bauingenieure, vgl. Dobbert, Chronik, S. 251. 50 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. I, Bl. 25f., 18. Februar 1926. 51 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. I, Bl. 19, 17. April 1926. 4.1 Zur Berufungspraxis 223 lierte in einigen Zeilen eine „längere Unterredung“52 mit Hans Poelzig über die Besetzung der Architekturlehrstühle Mitte der zwanziger Jahre – aber letztlich muss unklar bleiben, in welchem Maße das Kultusministerium, einzelne Professoren oder andere Personen und Institutionen die Entstehung der jeweiligen Berufungsvorschläge beeinflussten. Im Schreiben zur Wiederbesetzung der Professur für Eisenbahnwesen an der Fakultät für Bauwesen heißt es 1932: „Maßgebende Herren der Reichsbahn-Hauptverwaltung haben den Berufungsausschuß durch ihren Rat in dankenswerter Weise unterstützt.“53 In einem weiteren Aktenvermerk Aumunds, in dem er die Berufung eines von der Hochschule nicht genannten Kandidaten empfiehlt, notierte er: „Mir ist bekannt, daß in der Fakultät [für Stoffwirtschaft] Widerstand nur bei Prof. Tübben vorhanden ist.“54 Auch dies verdeutlicht, dass nur ein Bruchteil der eigentlichen Verhandlungen und Erwägungen bei der Besetzung einer Professur aktenkundig wurde. Naturgemäß sind die Konfliktfälle besser dokumentiert. Aus den Akten geht jedoch hervor, dass keineswegs in jedem Fall, in dem Ministerium und Hochschule verschiedener Ansicht waren, sich ersteres durchsetzte oder durchsetzen wollte. Nach der Emeritierung Eugen Meyers formulierte die Fakultät für Maschinenwirtschaft im Schreiben an das Kultusministerium zunächst die Anforderungen an den Nachfolger: „Der Vertreter der Mechanik soll in seiner Wissenschaft Hervorragendes leisten und dabei zugleich hohe Lehrfähigkeit besitzen, derart daß er die Studierenden der ersten Semester in die Wissenschaft der Mechanik, welche grundlegend für alle Zweige der Technik ist, in lebendiger und fesselnder Weise einzuführen vermag. Um diese Aufgabe für den Maschineningenieur erfüllen zu können, soll er weiter eine vielseitige Erfahrung im praktischen Maschinenbau haben, und ausserdem soll er als Persönlichkeit fähig sein, in seinem Lehrfach die Fakultät nach aussen hin würdig zu vertreten.“55 Daraufhin erörterte die Abteilung mehrere Personalien. Zu Theodor von Kármán heißt es: Zwar bestehe „seitens des Ministeriums der Wunsch, ihn an die Technische Hochschule nach Berlin zu ziehen“, aber er passe wegen seiner Spezialisierung auf Fragen des Luftfahrtwesens nicht auf die Professur. Stattdessen setzte das Kollegium den Oberingenieur der Deutschen Werft in Hamburg Walther Kucharski auf Platz eins. Dieses Votum stellte das Ministerium nicht zufrieden. Vielmehr nannte es vier weitere Namen und forderte die Fakultät auf, diese bei der Überarbeitung der Liste zu berücksichtigen. Das Ordinarienkollegium blieb je- 52 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 3a, Bd. I, 29. Mai 1926 (ohne Paginierung). Im gleichen Berufungszusammenhang ist in einem Schreiben Poelzigs von den „mündlich erläuterten und schriftlich eingereichten Anträgen“ die Rede (ebd., 20. April 1926). 53 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 4a, Bd. II, Bl. 373f., 1. August 1932. 54 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. II, 24. Dezember 1924 (ohne Paginierung). Es handelte sich um die Nachfolge Georg Franke. Berufen wurde der von Aumund empfohlene Karl Glinz. 55 Beide Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. II, Bl. 60f., 11. Juli 1930. 224 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg doch bei seiner Entscheidung und bestand auf Kucharski, der daraufhin im Februar 1931 seinen Ruf erhielt.56 Bei der Besetzung des Extraordinariats Wirtschaftsgeographie 1929 konnte ein offener Konflikt ebenfalls vermieden werden. Das Ministerium bat die Allgemeine Abteilung um eine Stellungnahme zu Otto Quelle, worauf diese antwortete, sie werde „nach entsprechender Beratung die Vorschlagsliste vorlegen“ und setze voraus, „daß der Herr Minister dem Vorschlagsrecht der Fakultät nicht vorgreifen will.“57 Quelle bekam den zweiten Listenplatz, da „seine Lehrbegabung […] nicht ebenso günstig beurteilt“58 werde. Im März berief ihn der Kultusminister unter gleichzeitiger Ernennung zum persönlichen Ordinarius.59 Es waren auch vor 1933 nicht immer fachliche Gründe, die das Kultusressort bewogen, gegen ein Abteilungsvotum zu berufen. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Professur für Ornamentik zur Neubesetzung anstand, informierte das Ministerium die Hochschule, dass dafür Felix Genzmer, Stadtbaurat in Wiesbaden „in Aussicht genommen“ sei und fragte gleichzeitig nach, „ob hiergegen Bedenken bestünden.“60 Die Abteilung fand eindeutige Worte. Trotz Verspätung habe das Kollegium Genzmers Bewerbung seinerzeit begutachtet und ihn für gänzlich ungeeignet befunden. Zudem scheine er „niemals in einem fachlichen Gebiet lehrend als Assistent oder als Privatdozent tätig gewesen zu sein, sich nirgends mit Erfolg an irgendwelchen bedeutsamen Concurrenzen beteiligt und auch nicht den Staatsprüfungen als Regierungs-Bauführer und Regierungs-Baumeister sich unterzogen zu haben.“61 Dass er kürzlich den Zuschlag für den Neubau des Wiesbadener Kurhauses nicht bekommen habe, stelle darüber hinaus seiner „baukünstlerischen Befähigung“ ein schlechtes Zeugnis aus. Genzmer hatte jedoch mit dem preußischen General-Intendanten Georg von Hülsen und Kaiser Wilhelm II. gewichtige Fürsprecher. Allerdings war ihnen nicht in erster Linie am Wohl der Hochschule gelegen, denn: „In Folge der Anstellung des Herrn Genzmer entsteht das Bedürfnis, für die Vertretung der Ornamentik in anderer Weise zu sorgen“, wie Ministerialdirektor Friedrich Althoff dem Minister des Königlichen Hauses mitteilte. Vielmehr sollte Genzmer auf kaiserlichen Wunsch den „Neubau des Königlichen Opernhauses in Berlin“62 übernehmen. Bevor Althoff dem Oktroy zustimmte, versicherte er sich, dass Hülsen wirklich Genzmer für den „bestgeeigneten Architekten zur Durchführung seiner hochbedeutenden Pläne“63 halte. Auch ließ er sich die Unterstützung 56 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 5a, Bd. II, Bl. 78, 6. Februar 1931. Vgl. auch ebd., Bl. 71, 10. Dezember 1930 sowie ebd., Bl. 75ff., 9. Januar 1931. 57 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. I, Bl. 420, 4. Dezember 1929. Für das ministerielle Schreiben vgl. ebd., Bl. 419, 21. November 1929. 58 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. II, Bl. 17, 27. Januar 1930. 59 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a, Bd. II, Bl. 18, 7. März 1930. 60 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 262, 2. Februar 1903. 61 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 277, 13. Februar 1903. 62 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 287f., 6. März 1903. 63 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 281f., 2. März 1903. Zwar baute Genzmer in den Folgejahren das ursprünglich von Schinkel errichtete Königliche 4.1 Zur Berufungspraxis 225 des Ministeriums des Königlichen Hauses bei den anstehenden Verhandlungen mit dem Finanzressort zusagen: Zum einen für die Genehmigung des Lehrauftrags für Ornamentik und zum anderen für die Aufstockung des Etats für besondere Gehaltszulagen – sollte Genzmer eine „Erhöhung seines Gehalts auf etwa 7000-7200 M erhalten, so werden sich verschiedene schon längst an der Technischen Hochschule mit besten Erfolgen tätigen Professoren zurückgesetzt fühlen, wenn sie nicht ebenfalls eine Zulage erhalten.“64 Dabei verhehlte Althoff nicht, dass ihm auch aus anderen Gründen an der Erhöhung dieses Fonds gelegen war: Die Eröffnung der Technischen Hochschule in Danzig stand kurz bevor. Althoffs persönliches Eingreifen im Fall Genzmer war in doppelter Hinsicht eine Ausnahme. Zum einen nahm er ansonsten kaum Einfluss auf Berufungsfragen an den Technischen Hochschulen65; zum anderen waren es hier eben nicht fachliche und wissenschaftsimmanente Überlegungen, die Althoffs Entscheidung zugrunde lagen.66 Im Gegensatz zur Angelegenheit Genzmer stand bei der Oktroyierung Friedrich Seeßelbergs genau dies im Vordergrund. Rückblickend schrieb Seeßelberg, dass ihm seine Professur „nach einem von mir gehaltenen öffentlichen Vortrage, den Excellenz Althoff mit anhörte, als persönliche Kampfprofessur“ erwirkt worden sei. Er habe „damals gegenüber dem eingetrockneten Schäferianismus eine Belebung der Formenlehre und auch eine Verneuzeitlichung der Raumkunst versuchen“67 sollen. 64 65 66 67 Schauspielhaus um, die Pläne zum Bau der Oper konnten jedoch nicht verwirklicht werden. Vgl. zu Genzmers Berliner Zeit kurz Schabe, Genzmer, S. 19ff. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 281f., 2. März 1903. Neben seinem Gehalt von der TH bezog Genzmer auch einen Zuschuss aus dem Fond des Ministeriums des Königlichen Hauses, da Althoff befürchtete, dass es die „Mißstimmung der Technischen Hochschule noch erheblich steigern und die Stellung des Herrn Genzmer sehr erschweren [würde], wenn zu der Oktroyierung noch die Bewilligung eines im Verhältnis zu anderen mit Zustimmung der Technischen Hochschule erfolgten Berufungen ungewöhnlich hohen Anfangsgehaltes hinzukäme“ (ebd.). Vgl. kurz Sachse, Althoff, S. 303ff: „Mit den Technischen Hochschulen ist Althoff auf persönlichem Gebiete bis zu seiner Ernennung zum Ministerialdirektor nicht in nähere Berührung getreten und auch von da ab sehr viel weniger, als bei den Universitäten. Der verdienstvolle Referent für die Technischen Hochschulen war der Geheimrat Naumann, der Althoff 23 Jahre lang bis zuletzt zur Seite gestanden hat.“ Otto Naumann war 1884 von Althoff ins Ministerium geholt worden und leitete von 1907 bis 1920 die dortige Hochschulabteilung (vgl. Brocke, Wissenschaftsverwaltung, S. 10 und Manegold, Ministerium, S. 524). Manegold stellt fest, dass Althoff sich in Berufungsfragen „stets von sachlichen Gründen leiten ließ“ (Manegold, Ministerium, S. 521). Vgl. auch Brocke, Wissenschaftsverwaltung, S. 17: „In seiner Berufungspolitik ließ sich Althoff gleichermaßen sowohl von den Interessen der Wissenschaft als auch von denen des Staates leiten; der Abbau des Kulturkampfes und – durch Förderung der Sozialreform – des Klassenkampfes gehörten zu seinen wichtigsten innenpolitischen Zielen.“ GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 3a, Bd. I, 25. Juli 1933 (ohne Paginierung, Hervorhebung im Original). Eine ordentliche Professur erhielt Seeßelberg allerdings erst 1911, drei Jahre nach dem Tod Althoffs. Es ist anzunehmen, dass er sich hier auf die Übertragung einer Dozentur im Jahre 1907 bezieht, die das Kultusministerium 1911 in ein Ordinariat 226 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Eher fachliche Überlegungen bewogen das Kultusministerium anscheinend auch, Julius Wolf gegen den ausdrücklichen Wunsch der Abteilung zu berufen. In einem Schreiben an das Finanzressort heißt es, Wolf sei einer der „wenigen wissenschaftlichen Vertreter der Volkswirtschaftslehre, welche dem Arbeitgeberstandpunkte mehr Rechnung tragen. Es ist dringend erwünscht, daß auch diese Richtung an den Technischen Hochschulen zu Worte kommt.“68 Wolfs Vorgänger Heinrich Herkner hatte seinerzeit ebenfalls einen Ruf erhalten, ohne dass sein Name auf der Vorschlagsliste gestanden hätte. Während die Allgemeine Abteilung sich damals einverstanden erklärte, „da derselbe nach dem gemeinsamen Urteil seiner Fachgenossen durch wissenschaftliche Tüchtigkeit wie durch allgemeinpersönliche Eigenschaften für die nationalökonomische Professur sehr geeignet ist“69, protestierte sie gegen Wolf. Sie habe „aus den Zeitungsnachrichten“ von der Berufung erfahren und wolle noch einmal festhalten, „daß die ganze Art der Betätigung des Professors Wolf nicht hinreichende Gewähr für eine ausschließliche Widmung an das Lehramt in der Hochschule“70 biete. In einer außerordentlichen Senatssitzung stellte sich die Hochschule hinter das Votum der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften und betonte, dass „durch einen derartigen Vorgang […] das Ansehen der Hochschule nach aussen geschädigt“71 werde. Gerade der Umstand, dass der Ruf an Wolf ergangen war, bevor die Abteilung Gelegenheit erhielt, sich ausführlich über ihn zu äußern, wie dies in ähnlichen Fällen geschah, erregte Verärgerung. In einem autobiographischen Aufsatz aus der Mitte der zwanziger Jahre bemerkt Wolf lakonisch über die Umstände seiner Berufung: „Meine Berliner ‚Freunde‘ suchten zwar, zäh an der Politik der Diskreditierung meiner Person und meiner Leistungen […] festhaltend, mir auch den Weg nach Charlottenburg zu verlegen, doch ohne Erfolg.“72 Zum Zeitpunkt als Abteilung und Senat ihre Protestschreiben an das Ministerium schickten, hatte Wolf den Ruf bereits angenommen. In den Akten des Kultusministeriums finden sich auch einige Presseberichte über diese Angelegenheit, die sämtlich den Standpunkt der Hochschule einnehmen. Unter der Überschrift „Beschränkung akademischer Rechte“ schrieb die Kieler Zeitung beispielsweise, dass 68 69 70 71 72 umwandelte. Eine Mitwirkung der Architekturabteilung ist dabei nicht zu erkennen – das Ministerium bat den Rektor, sie über die „vorläufige Wahrnehmung“ dieser neuen Professur durch Seeßelberg in Kenntnis zu setzen (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. X, Bl. 45, 31. März 1911). In dem acht Wochen später gestellten Antrag auf königliche Bestallung heißt es dann, für den Lehrstuhl habe „die Technische Hochschule den bisherigen Inhaber der Dozentur, Professor Dr. Friedrich Seesselberg, in Vorschlag gebracht“ (ebd., Bl. 71f., 31. Mai 1911). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XI, Bl. 63f., 21. Januar 1913. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. IX, 14. Juni 1907 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XI, Bl. 74, 25. Januar 1913. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XI, Bl. 75, 25. Januar 1913. Wolf, Wolf, S. 239. 4.1 Zur Berufungspraxis 227 auf der Liste der Abteilung „in erster Linie sogar zwei von der Großindustrie geschätzte Namen“ standen und resümiert: „In dieser Haltung der Regierung liegt also eine durchaus unbegründete Mißtrauensbekundung gegen die Lehrkörperschaft der Charlottenburger Hochschule, ein Beschränkung ihrer akademischen Rechte, die nur verständlich wird, wenn man an die weitgehenden Einflüsse unserer Großindustrie auf die Regierung denkt.“73 Julius Wolf hatte 1889 den Lehrstuhl für Nationalökonomie an der Universität in Zürich übernommen und war 1897 nach Breslau gewechselt. Nach seiner Einschätzung wollte das preußische Kultusministerium damit Vorwürfen entgegentreten, es sei das „kathedersozialistische Hauptquartier“. In etwas selbstgefällig anmutendem Ton beschreibt Wolf die Szene folgendermaßen: Althoff, „unter dem Bosse Minister war“, habe per Telegramm anfragen lassen, ob er in Zürich sei. „Drei Tage später stand abends ein älterer Mann hilflos auf einem Bauhügel neben der von mir bewohnten Villa und rief Vorübergehende an, ob hier nicht Professor Wolf wohne. Wir trafen uns an der Pforte meines Gartens, und im Waldesdickicht, auf den Höhen des Zürichberges, wurde über die Berufung verhandelt. Etwas unsicher bot Althoff mir zunächst Greifswald an, was ich ausschlug. […] Eine Berufung nach Berlin, so ließ Althoff anklingen, würde von Schmoller nicht ertragen werden. So hoch gingen meine Ansprüche denn auch nicht. Althoff nannte Breslau.“74 Die Überlegungen, aus denen heraus Wolf 1913 den Lehrstuhl in Charlottenburg bekam, waren also anscheinend die gleichen, die ihm seinerzeit zur Professur in Breslau verholfen hatten. Den Vorgänger Wolfs in Charlottenburg, Heinrich Herkner, suchte Wilhelm Lexis mit dem Hinweis zu beruhigen, Julius Wolf sei „gar nicht der schlimmste der Antikathedersozialisten.“75 Den bisher erörterten Beispielen ist gemein, dass die jeweiligen Abteilungskollegien den Referenten im Ministerium einen gemeinsamen Vorschlag vorlegten. Dies war nicht immer der Fall. Nach einer Unterredung mit Hans Poelzig im Mai 1926 notierte Referent Heinrich Aumund: „Eine völlige Einigung über die Besetzung der Lehrstühle scheint in der Fakultät nicht erreichbar zu sein. Prof. 73 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XI, Bl. 105, (Kieler Zeitung Nr. 185 vom 22. April 1913). Auf der Vorschlagsliste vom Januar 1912 standen an erster Stelle die beiden Professoren der Kölner Handelshochschule Christian Eckert (1874–1952) und Kurt Weidenfeld (1871–1955), an zweiter Franz Eulenburg (1867–1943), Professor in Leipzig sowie Otto von Zwiedieneck-Südenhorst (1871–1957), Professor in Karlsruhe und an dritter Stelle schließlich Joseph Bergfried Esslen (1879–1935), Professor in Zürich sowie Robert Liefmann (1874–1941), Professor in Freiburg. Zudem sprach sich die Abteilung explizit gegen Ernst Troeltsch (1865–1923), Ordinarius in Marburg, aus, da er seit 1897 keine größeren Arbeiten mehr veröffentlicht habe und erhob bereits Bedenken gegen Julius Wolf, da es zweifelhaft sei, „ob eine Uebersiedelung nach Berlin in erster Linie gerade des Lehramts an der Technischen Hochschule wegen ins Auge gefasst würde“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XI, Bl. 42–47, 10. Januar 1912, Zitat Bl. 44). Vgl. zu Wolfs Berufung auch Kiesewetter, Wolf, S. 378ff. 74 Wolf, Wolf, S. 221. Vgl. ausführlich zu den Umständen von Wolfs Berufung nach Breslau Kiesewetter, Wolf, S. 195–211. 75 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XI, Bl. 48, 12. November 1912. 228 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Pölzig bat darum, das Ministerium möge nun von sich aus handeln.“76 Der Photochemiker Hermann Wilhelm Vogel verfasste 1891 ein Seperatvotum, da in der Stellungnahme der Abteilung zur Neubesetzung des Lehrstuhls von Rudolf Weber mit „auffallender Absichtlichkeit“ der augenblickliche Lehrstuhlvertreter Otto Witt unerwähnt bliebe. Dieser sei ein „hervorragender Chemiker“, ein „Praktiker“ und ein „vielseitig gebildeter Mann“77, der es verdiene, Webers Nachfolge anzutreten. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Ministerium bereits Kontakt zu Witt aufgenommen, und er erhielt wenige Tage später seine Bestallung.78 Als 1919 bereits die zweite Vorschlagsliste für den Lehrstuhl Ornamentzeichen, vormals Friedrich Laske, vorgelegt wurde, heißt es dort: „Auf verschiedentliche Anregungen hin, u. a. vonseiten des Leiters der Berliner Museen Exc. von Bode hat das Kollegium auch die Würdigkeit des Architekten Hugo Wach […] ausführlich geprüft.“79 Allerdings seien seine zeichnerischen Fähigkeiten nicht ausreichend und die Abteilung könne ihn daher „für die Besetzung des Lehrstuhles nicht empfehlen.“ Daraufhin bemühte sich German Bestelmeyer, seit kurzem Ordinarius für Architektur in Charlottenburg, Unterstützer für Wach zu mobilisieren: In den Akten finden sich Empfehlungsschreiben beispielsweise von dem Maler Max Liebermann und von dem Tierbildhauer August Gaul.80 Nachdem der Regierungsbaumeister Fritz Krischen, von der Architekturabteilung auf Platz eins gesetzt, nach Aachen gegangen war, forderte das Ministerium eine weitere Liste an, auf der Wach nun auf Platz zwei genannt wurde – mit dem Hinweis, dass lediglich Bestelmeyer für ihn eintrat und insgesamt „die Stimmung des Kollegiums gegenüber Wach als eine a b l e h n e n d e bezeichnet werden“81 müsse. Im September 1920 schließlich übernahm Wach den Lehrstuhl. In einer schwierigen Position befand sich bis zur Einführung eigener Studiengänge Anfang der zwanziger Jahre das Kollegium der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften. Die technischen Professoren sahen ihre Funktion als eine dienende an, die sich an den Bedürfnissen der übrigen Abteilungen zu orientieren habe. Im Sommer 1904 verfasste der Maschinenbauer Alois Riedler im Zusam- 76 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 3a, Bd. I, 29. Mai 1926. Einigkeit herrschte in der Abteilung lediglich über die Berufung Heinrich Tessenows – darüber hinaus waren zwei weitere Lehrstühle zu besetzen. 77 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. II, 7. April 1891. 78 Der von Weber als Nachfolger empfohlene Georg Lunge, Professor in Zürich, hatte bereits im Dezember 1890 abgesagt (vgl. die Randbemerkung des Referenten auf dem Abteilungsvotum in GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. II, Bl. 325f., 4. April 1891). 79 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 4. November 1919 (ohne Paginierung, Hervorhebung im Original). 80 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 2. Dezember 1919 (ohne Paginierung) und ebd., 12. Januar 1920. Sowohl Liebermann als auch Gaul betonen, dass sie Wach auf Bitten Bestelmeyers unterstützten. 81 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 3. Januar 1920 (ohne Paginierung, Hervorhebung im Original). 4.1 Zur Berufungspraxis 229 menhang mit der Wiederbesetzung des physikalischen Lehrstuhls von Adolf Paalzow in gewohnt scharfem Ton ein Schreiben an das Kultusministerium: „Es liegt ein trauriger Notstand vor, und es ist ein dringendes Bedürfnis, eine Lehrkraft zu berufen, die unsere Bedürfnisse kennt und der Physik, die gegenwärtig gar keine befruchtende Tätigkeit aufzuweisen hat, einen anderen Inhalt und Zuschnitt gibt. […] Die Vorschläge, die die Abteilung VI [für Allgemeine Wissenschaften] eingereicht hat, sind, wie stets, derart, dass uns ganz ungeeignete Lehrkräfte zugeführt werden würden. […] Unsere Hochschule ist doch kein Tummelplatz für Wissenschaftsgebiete, die ausschließlich an die Universitäten gehören und bei uns so wenig Zuhörer finden können wie Ingenieursvorlesungen unter Theologen. […] Die Abteilung VI ist nie auf unsere Bedürfnisse eingegangen, selbst wenn es augenscheinlich Lebensbedürfnisse waren. Wahrscheinlich fehlt ihr hierzu das Verständnis. Die Vorlesungen werden aber nicht für die Abteilung VI, sondern für die anderen Abteilungen gehalten.“82 Riedler scheute sich zudem nicht, Namen zu nennen: An der ein Jahr zurückliegenden Berufung des theoretischen Physikers Otto Krigar-Menzel sei zu erkennen, wie wenig sich die Allgemeine Abteilung um die Bedürfnisse der Maschinenbauer oder Chemiker kümmere. Krigar-Menzel war der Abteilung seinerzeit vom Kultusministerium empfohlen worden.83 Riedlers Protest zeitigte keine Folgen. Das Kultusressort hielt sich an die Vorschlagsliste: Nachdem die Berufung des von der Abteilung in erster Linie genannten Schweden Svante Arrhenius gescheitert war, erging der Ruf an den Zweitplatzierten, den Laborvorsteher in der Physikalisch Technischen Reichsanstalt Ferdinand Kurlbaum. Vorsichtiger und letztlich erfolgreicher nahm die Hüttenabteilung zwei Jahre später Einfluss auf die Besetzung des physikalischen Lehrstuhls, der nach dem Wechsel von Heinrich Rubens an die Berliner Friedrich-Wilhelms Universität vakant war. Sie erläuterte in einem Schreiben an das Ministerium, dass es aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre notwendig sei, an der Hochschule Veranstaltungen in physikalischer Chemie anzubieten. Ihr sei bekannt geworden, dass „als Nachfolger [für Rubens] auch die Person des Professors Dolezalek in Göttingen genannt worden“84 sei. Da er das fragliche Gebiet unterrichten könne, erbat sie seine Berufung. Die Allgemeine Abteilung wies zwar darauf hin, dass der Name Dolezalek zum ersten Mal falle – weder erscheine er in den Abteilungsvoten, noch sei er in den mündlichen Verhandlungen im Ministerium erwähnt worden – erklärte sich jedoch mit dem Gesuch der Hüttenabteilung einverstanden. Allerdings solle Dolezalek keinen förmlichen Lehrauftrag für physikalische Chemie erhalten, „da seine Zeit durch die Professur für Physik hinreichend in Anspruch genommen wird. Wohl aber wäre es wünschenswerth, ihm das Recht zu geben, 82 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. VIII, 7. Juli 1904 (ohne Paginierung). 83 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. VI, 11. Mai 1903 (ohne Paginierung). In dem Schreiben des Ministeriums wird um die Vorlage einer Vorschlagsliste für die Nachfolge Weingarten gebeten. Weiter heißt es: „Dabei gebe ich zur Erwägung, ob der Privatdozent an der hiesigen Universität Prof. Dr. Krigar-Menzel sich für die Stelle eignen würde.“ 84 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. IX, 18. Dezember 1906 (ohne Paginierung). 230 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg nach eigenem Ermessen Vorlesungen“85 auf diesem Gebiet zu halten. Im März 1907 nahm Friedrich Dolezalek den Ruf an. Es war wohl diese Entwicklung, die seinen Vater Carl Dolezalek bewog, im Mai des gleichen Jahres den im Februar noch abgelehnten Ruf nach Charlottenburg schließlich doch anzunehmen.86 In späteren Jahren ist eine engere Zusammenarbeit der Abteilungen zu beobachten. So setzte sich der Ausschuss zur Wiederbesetzung des nationalökonomischen Lehrstuhls 1923 aus drei Mitgliedern der Allgemeinen Abteilung und je einem der technischen Abteilungen zusammen.87 Bei der Erörterung der beruflichen Laufbahn der späteren Professoren wurde bereits gezeigt, dass an den technischen Fakultäten eine doppelte Erfahrung, nämlich im Bereich der Lehre und der Praxis, eine wichtige, wenn auch nicht unerlässliche Voraussetzung für eine Berufung war. Entsprechende Forderungen tauchen in den Stellungnahmen der Abteilungen immer wieder auf. Als die Schiffbauabteilung Paul Krainer für die Nachfolge Dieckhoff vorschlug, wies sie ausdrücklich darauf hin, dass dieser eine „hervorragende wissenschaftliche Befähigung, Erfahrung in der Lehrtätigkeit und ferner eine 14jährige, reiche praktische Erfahrung auf allen Gebieten des Schiffsmaschinen- und Schiffskesselbaus“88 habe. Sehr selbstbewusst stellte die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften bei der Nachfolge Aronhold darüber hinaus fest, dass „sich die Wahl nur auf Gelehrte von sowohl im Inlande wie im Auslande anerkannten Rufe zu richten habe.“89 Wie die Abteilung ihre Attraktivität einschätzte, wird auch daran deutlich, dass sich unter den insgesamt sechs vorgeschlagenen Kandidaten vier Universitätsordinarien befanden sowie ein Ordinarius der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und ein etatmäßiger Professor der Hannoveraner Hochschule.90 Nicht immer erfüllte das Finanzministerium die mit diesen Ansprüchen einhergehenden Gehaltsforderungen der Lehrstuhlkandidaten. Der Ingenieur und Abteilungsleiter bei der Vereinigten Stahlwerke AG Essen, Karl Oberste-Brink, lehnte den 1930 an ihn ergangenen Ruf ab, da „die Einbuße von fast der Hälfte meines jetzigen Einkommens, die ich bei Annahme der Professur erleide, zu groß ist.“91 Auch die ersten Bemühungen des Kultusressorts, Hans Poelzig nach Berlin 85 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. IX, 11. Januar 1907 (ohne Paginierung), vgl. auch ebd., 21. Dezember 1906. 86 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. VI, 8. Mai 1907 (ohne Paginierung), vgl. auch ebd., 11. Februar 1907. In seinem Telegramm vom Mai 1907 spricht Dolezalek von einer „Aenderung meiner Familienverhältnisse“. 87 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. XII, Bl. 391f., 3. April 1923. 88 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. III, 30. November 1905 (ohne Paginierung, Hervorhebung im Original). 89 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. I, Bl. 168, 15. November 1882. 90 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. I, Bl. 168ff., 15. November 1882. Es handelte sich um Heinrich Weber, Königsberg; Paul du Bois-Reymond, Tübingen; Georg Frobenius, Zürich; Leo Pochhammer, Kiel; Albert Wangerin, Halle und Ludwig Kiepert, Hannover. Berufen wurde der an erster Stelle genannte Weber. 91 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 13. Juni 1930 (ohne Paginierung). 4.1 Zur Berufungspraxis 231 zu ziehen, scheiterten 1916 an Gehaltsfragen: Ein erhöhtes Grundgehalt, Wohngeld und eine Kolleggeldgarantie sollten zusammen ein Jahreseinkommen von 18.000 Mark ergeben. Obwohl ihm die Stadt Dresden zur gleichen Zeit die Stelle als Stadtbaurat mit einem Einkommen von rund 20.000 Mark anbot, hätte Poelzig den Ruf angenommen. Das Finanzministerium jedoch genehmigte das Gehalt nicht.92 Bei der Besetzung der technischen Professuren standen dem Kultusministerium mit Industrie und Staat also letztlich zwei Wettbewerber gegenüber, denen es in Einkommensfragen nicht gewachsen war. Carl Heinrich Becker stellte 1919 zusammenfassend fest: „Dienstliche Bezüge, die wirklich konkurrenzfähig machen, sind in der Form von Gehältern einfach nicht zu zahlen.“93 – Um so wichtiger war das soziale Prestige einer Professur. Kurz nach der Gründung der Technischen Hochschule gewann das Ministerium im August 1880 Hermann Rietschel, Mitinhaber der Firma Rietschel & Henneberg, für die Professur Heizung und Ventilation. Bedingung war, dass er sich aus seinem Geschäft zurückziehe – die „nöthigen Schritte zur Lösung meines bisherigen geschäftlichen Verhältnisses“94 habe er bereits eingeleitet, teilte Rietschel dem Ministerium mit, wenige Tage nachdem ihn das Lehrstuhlangebot erreicht hatte. Reichlich ungeschickt bat der Kultusminister die Abteilung für Bauingenieurwesen erst vier Monate später um ein Gutachten zu Rietschel. Diese hatte bereits zwei Jahre zuvor Vorschläge gemacht und erklärte nun ausführlich, warum Rietschel nicht geeignet sei, das Lehrgebiet angemessen zu vertreten – ihm fehle die theoretisch-wissenschaftliche Erfahrung. In der Berufungskommission saß auch jeweils ein Vertreter der übrigen Abteilungen der Hochschule, da, so wurde erläutert, das Fach in andere Gebiete hineinreiche. Letztlich sollte dies wohl eher dem Ministerium verdeutlichen, dass nicht nur die Abteilung für Bauingenieurwesen Rietschel ablehnte, sondern das gesamte Professorenkollegium der Hochschule. Nachdem Rietschel erfahren hatte, dass der Kultusminister augenscheinlich nicht bereit war, sich gegen diesen Widerstand durchzusetzen – die Angelegenheit war auch an die Presse gelangt – bat er darum, „in einer anderen, einer Professur in socialer Beziehung gleichkommender Stellung im Staatsdienst“ beschäftigt zu werden. Schließlich habe er seine „ganze bürgerliche Existenz und die Aussicht auf eine glänzende Zukunft“95 geopfert, um die Professur antreten zu können. Als ihm das Ministerium daraufhin eine Dozentur in Charlottenburg anbot, betonte er wenige Tage später nochmals, dass ihm eine Position wichtig sei, die „in socialer Beziehung dem Range eines Professors gleich käme.“96 Erst 1885, nachdem der Lehrstuhl an die Abteilung für Architektur verlegt worden war, gelang die Berufung Rietschels. 92 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 21. März 1916 (ohne Paginierung), vgl. auch ebd., 25. März 1916. 93 Becker, Gedanken, S. 59. Für Becker war dies der zentrale Hinderungsgrund, die Kolleggelder unter gleichzeitiger Anhebung der festen Bezüge abzuschaffen (vgl. ebd., S. 56ff.). 94 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. I, Bl. 77, 16. August 1880. Ausführlich ist die Angelegenheit der Berufung Rietschel behandelt bei Knothe, Konflikt. 95 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. I, Bl. 93f., 4. Februar 1881. 96 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. I, Bl. 84f., 10. Februar 1881. 232 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Bei späteren Berufungen aus der Industrie legen die Akten eine Kooperation zwischen Ministerium und Hochschule nahe. Das erste Aktenstück zur Einstellung des Ingenieurs Walter Reichel ist ein Vermerk des Referenten Otto Naumann vom 18. Dezember 1903: „Es hat sich die überaus seltene Möglichkeit ergeben, einen ganz besonders hervorragenden z. Z. in der Industrie thätigen Elektro-Konstruktuer für die Technische Hochschule in Charlottenburg zu gewinnen.“97 Die Bereitstellung der notwendigen Mittel sei bereits mit dem Finanzressort geklärt.98 Am 21. Januar bat das Ministerium die Abteilung für Maschinenbau um eine Vorschlagsliste, und am 22. bot es Reichel die Professur an. Die Vorgehensweise gleicht also der im Falle Rietschels. Allerdings war die Abstimmung mit der Abteilung anscheinend besser: Auf der am 5. Februar eingereichten Liste stand Reichel auf Platz eins mit dem Hinweis: „Ueber dessen Befähigung und Bedeutung sind besondere Angaben nicht erforderlich, da er durch seine Leistungen: Erbauung der Berliner Hoch- und Untergrund-Bahn und der Schnellbahn-Lokomotiven in den weitesten Kreisen bekannt geworden ist.“99 Zwar finden sich noch zwei weitere Namen auf der Liste, offensichtlich jedoch nur aus formalen Gründen, denn es fehlen die sonst üblichen Begründungen und Lebensläufe. Umgekehrt fühlten auch die Abteilungen mitunter vor, ob eine Berufung im Bereich des Möglichen lag. In ihrem Schreiben zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Technische Chemie erläuterte die Abteilung für Chemie und Hüttenkunde 1915, dass es ein „lange gefühltes, dringendes Bedürfnis“ sei, „einen hervorragenden, in der chemischen Grossindustrie möglichst vielseitig erfahrenen Mann zu gewinnen.“ An erster Stelle empfahl die Abteilung Hermann Reisenegger, Chemiker und stellvertretendes Vorstandsmitglied bei Höchst, an zweiter einen Chemiker der BASF und an dritter einen der Farbenfabrik, vormals Friedrich Bayer & Co. Darüber hinaus heißt es „Wenn es schon aus pekuniären Gründen überaus schwer fällt, einen in leitender Stellung befindlichen, tüchtigen technischen Chemiker für den Dozentenberuf zu gewinnen, so ist es besonderen Umständen zu danken, dass eine so hervorragende Kraft, wie der Dr. Reisenegger, sich, zufolge vertraulicher Mitteilung nicht abgeneigt zeigen würde, einem etwaigen Ruf an unsere Hochschule Folge zu leisten.“100 Die Verhandlungen mit dem Finanzministerium gestalteten sich hier ebenfalls eher unproblematisch: Zwar erbat Reisenegger die Anrechnung von zehn Jahren außerhalb des Staatsdienstes bei der zukünftigen Festsetzung seiner Pensionsbe97 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VIII, Bl. 26, 18. Dezember 1903. 98 Die Verwendung der im Zusammenhang mit der Berufung Felix Genzmers zusätzlich durchgesetzten Mittel für den Unterricht in Ornamentik wurde vorerst zurückgestellt. Dafür genehmigte das Finanzministerium die neue Professur für Elektrotechnische Konstruktion (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VIII, Bl. 26, 18. Dezember 1903). 99 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VIII, Bl. 57, 5. Februar 1904. 100 Alle Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. IX, 25. Mai 1915 (ohne Paginierung). 4.1 Zur Berufungspraxis 233 züge, aber er begnügte sich „mit dem verhältnismäßig recht niedrigen Gehalt von 7500 M.“101 Die erörterten Beispiele zeigen erwartungsgemäß die Unterschiedlichkeit und die Vielgestaltigkeit der Berufungspraxis. Sie unterstreichen, dass der in den Statuten festgelegte Rahmen für das Verfahren reichlich Spielraum bot. Neben den offensichtlichen Akteuren – Hochschule und Kultusministerium – treten eine Anzahl weiterer auf – am häufigsten sicher das Finanzministerium, das regelmäßig Einspruch erhob gegen Gehaltsforderungen oder die Einrichtung neuer Stellen. Allerdings bemühten sich sowohl andere Fachministerien als auch Industrieverbände um Einfluss. Dies gemahnt an die doppelte Zielrichtung der Akademien und der Technischen Hochschule: Beamtenausbildung sowie Ausbildung für Wirtschaft und Industrie. Die Vielzahl der Beteiligten spricht zudem für den hohen Stellenwert der Charlottenburger Lehrstühle. Es war, mit anderen Worten, nicht gleichgültig, wer hier lehrte und forschte. Dem Kultusministerium fiel dabei die gewissermaßen koordinierende Rolle zu, die Einzelinteressen zu einem sinnvollen Gesamtkonzept für die Hochschule zusammenzufassen. Es ist davon auszugehen, dass nur ein Teil dieser Aushandlungsprozesse dokumentiert ist. Die Aktenüberlieferung gewährt zwar Einblicke in die Wege der Entscheidungsfindung, aber letztendlich ist vieles, gerade mündlich Geklärtes, nicht aktenkundig geworden. Die genauen Kräfteverhältnisse müssen somit unklar bleiben. Unter Berücksichtigung auch der hier nicht näher beschriebenen Verfahren entsteht insgesamt der Eindruck, dass die jeweiligen Personalreferenten des Ministeriums die Zusammenstellung der Vorschlagslisten häufig intensiv beeinflussten, es aber in der Regel vermieden, klar gegen die Fakultätsvoten zu berufen. Eher waren sie bemüht, durch Nennung weiterer Kandidaten, Rücksendungen der Listen oder Einflussnahme von Vertrauensleuten innerhalb der Hochschule eine Überarbeitung in ihrem Sinne zu erreichen. Der formale Rahmen des Berufungsverfahrens war hierfür flexibel genug. Waren sich alle Akteure einig, konnte das Verfahren reduziert und abgekürzt werden – unter Verzicht auf ausführlich begründete Vorschlagslisten oder externe Gutachten – und hatte dann lediglich eine legitimierende Funktion. Gerade wenn bei der Errichtung neuer Lehrstühle auf Charlottenburger Dozenten oder Extraordinarien zurückgegriffen wurde, war dies der Fall. Im Vordergrund stand dabei durchaus das Interesse der Hochschule. Allerdings ergingen während des hier betrachteten Jahrhunderts auch mehrfach Rufe, bei denen wissenschaftliche Erwägungen nicht den Ausschlag gaben: Lehrstühle der Technischen Hochschule oder einer ihrer Vorgängerakademien dienten mitunter auch zur Versorgung von Personen, die aus anderen Gründen nach Berlin geholt werden sollten. Besonders augenfällig ist dies in der Architekturabteilung: Raschdorff und Genzmer kamen auf kaiserlichen Wunsch, Albert Speer beeinflusste später die Berufungen von Dustmann, Tamms, Freese und Dübbers. 101 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. IX, 10. Juni 1915 (ohne Paginierung). 234 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg 4.2 ZUM EINKOMMEN Friedrich Adler, Leiter des Dezernats Kirchenbau im Ministerium der öffentlichen Arbeiten und ehemaliger Lehrer der Bauakademie, erinnerte in seiner Rede beim offiziellen Festmahl zur Hundertjahrfeier der Charlottenburger Hochschule an deren Vorläufer: „Die beiden Institute, aus denen sie erwuchs, die Bauakademie und das Gewerbe-Institut, haben mehr als einmal daran gedacht, ihren Geburtstag zu feiern, aber es blieb ein frommer Wunsch. Denn das gemeinsame Vaterhaus war ein sparsames – die Lehrergehälter bezeugen es urkundlich – und höheren Ortes war man mehr für saure Wochen als für frohe Feste.“102 Die in den Akten enthaltenen Übersichten zu den Einkommensverhältnissen der Professoren erlauben zwar keine lückenlose Rekonstruktion über die knapp hundert Jahre des Untersuchungszeitraums, aber sie ermöglichen recht genaue Einblicke in recht gleichmäßigen Abständen. Daten liegen vor für 1851, für 1874, für 1897/99, für 1923/24 und für 1929/30. Allerdings beschränken sich diese Angaben im Wesentlichen auf die festen Bezüge an den Akademien und der Hochschule. Für die Lehrer der Bauakademie existiert darüber hinaus für 1874 eine Übersicht zu weiteren staatlichen Dienstverhältnissen; für 1899 und 1929 finden sich durchgängig Angaben zu den Honorareinnahmen an der Technischen Hochschule. Im Dunkeln bleiben demzufolge Einkünfte aus anderen Nebentätigkeiten: beispielsweise Vortrags- und Publikationshonorare sowie Verdienste als Gutachter, als Architekt oder als Zivilingenieur.103 Die Rekonstruktion dieser Einnahmen ist angesichts von Quellenlage und Rechercheaufwand wenn überhaupt dann nur in Einzelfällen möglich. Dies ist als ein Grundproblem der summarischen Analyse von Einkommensverhältnissen einer größeren Professorengruppe anzusehen.104 102 Meyer, Hundertjahrfeier, S. 69. Zumindest die Kosten für die 50-Jahrfeier der Gewerbeakademie – 3.541 Taler, 29 Groschen und 2 Pfennige – waren 1872 jedoch aus dem Fond für allgemeine Handels- und gewerbliche Zwecke erstattet worden (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. X, Bl. 223, 9. Februar 1872). 103 Eine derartig detaillierte Analyse der Einkommensverhältnisse muss Einzelstudien vorbehalten bleiben. Vgl. beispielhaft Lenger, Sombart, S. 58ff. und 175ff. Allerdings müssen auch Lengers Beobachtungen punktuell bleiben, da Sombart „keine umfassende Haushaltsbuchführung hinterlassen“ hat (S. 59). 104 Vgl. Lenger, Sombart, S. 59: „Zwar liegen recht differenzierte Aufstellungen von Professorengehältern vor, zwar ist bekannt, daß nicht selten Familienvermögen die regelmäßigen Bezüge ergänzte, doch weiß man wenig Genaues über die Bedeutung und Höhe der Kolleggelder, der Publikationshonorare oder der Vortragsvergütungen.“ Daraus resultiert nach Lenger, dass „die Informationen über die materielle Basis von Gelehrtenexistenzen bislang gänzlich unzulänglich sind“ (ebd.). Paletschek, Tradition, S. 476ff., beschränkt sich im Wesentlichen auf Grundbesoldung und Zulagen, Angaben zur Höhe der Honorareinnahmen finden sich nicht. Detaillierter ist Jansen, Karriereverläufe, S. 51ff., der für 1930 ein Zusammenstellung der Einkommensverhältnisse der Heidelberger Ordinarien vorlegt, die neben Grundgehalt und Zulagen auch Unterrichts- und Prüfungsgelder enthält. Gleiches gilt für Wagenbreth, Freiberg, S. 601f. und 607f., der neben den festen Gehältern der Freiberger Professoren im 19. Jahrhundert auch die „nur sehr fragmentarisch überliefert[en]“ (S. 600) Honorare zusammengetragen hat. 4.2 Zum Einkommen 235 Das feste Einkommen der Lehrer an der Bauakademie orientierte sich 1851 an der Zahl der unterrichteten Stunden. Der Statiker Adolf Brix gab wöchentlich 15 Stunden und bezog ein jährliches Gehalt von 3.000 Mark.105 Eduard Schwarz, Lehrer für Wasserbau, las neun Stunden und erhielt dafür 1.800 Mark. Hinzu kam jeweils ein Viertel der Kolleggeldeinnahmen, und in der ersten Hälfte der 1870er Jahre führte der preußische Staat für seine Beamten zudem Wohnungsgeldzuschüsse ein.106 Die in den folgenden Jahren angestellten Lehrer hatten ein etwas höheres Einkommen. Adler, der 1866 die Baugeschichte übernahm, bezog bei 14 Wochenstunden ein Gehalt von 3.900 Mark.107 Am Gewerbeinstitut waren die Verhältnisse ähnlich. Da der Unterricht hier jedoch unentgeltlich war, es somit keine Hörergelder gab, lagen die fixen Bezüge im Mittel über denen an der Bauakademie. Zudem machen die Verträge deutlich, dass es keinen Besoldungsplan gab, sondern die Gehälter individuell verhandelt wurden. Dem Mathematiker Ferdinand Wolff bot das Handelministerium bei einem Lehrdeputat von 10 bis 16 Stunden 5.100 Mark an. Der Zeichenlehrer Ludwig Lohde hingegen, mit 45 nur drei Jahre jünger als Wolff, sollte für 15 bis 20 Wochenstunden lediglich 2.700 Mark erhalten.108 Auch hinsichtlich der Einkommen war die hier untersuchte Personengruppe also recht heterogen. Während Wolff deutlich mehr verdiente als ein Regierungsrat in der allgemeinen Verwaltung – dieser bezog 1850 durchschnittlich 3.600 Mark – verdiente Lohde deutlich weniger. Das mittlere Einkommen an Bauakademie und Gewerbeinstitut lag 1851 bei 3.200 Mark. Aufgrund dieser Heterogenität müssen verallgemeinernde Aussagen vage bleiben. Verglichen mit der allgemeinen Verwaltung lagen die Einkommen der Lehrer der technischen Akademien im weiten Bereich zwischen den oberen Rängen der mittleren Beamten, also Regierungssekretäre und Buchhalter, mit einem 105 Die in den Quellen genannten Talerbeträge sind im Verhältnis von 1:3 in Mark umgerechnet worden. Zu Währungsfragen in den deutschen Staaten vgl. allgemein Kellenbenz, Zahlungsmittel, bes. S. 936ff. 106 Vgl. Süle, Bürokratietradition, S. 108. Die Lehrer der Bauakademie erhielten 1874 jeweils 900 Mark Wohnungsgeld, der Direktor 1.200 (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, März 1874 (ohne Paginierung)). 107 Vgl. die einzelnen Verträge in GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 11, Bd. VI, Bl. 97ff., passim. 108 Vgl. die einzelnen Verträge in GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. III, Bl. 222ff., passim. Die eigentliche Anstellung erfolgte erst im Juni 1851, und Lohde erhielt schließlich 3.000 Mark jährlich (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. IV, Bl. 77f., 26. Juni 1851). Auch nach Einführung von Hörergeldern wurden die etatmäßigen Lehrer nicht direkt an diesen Einnahmen beteiligt. Die Mittel wurden zur Finanzierung der festen Gehälter verwendet: Als Finanz- und Handelsminister 1864 für Franz Reuleaux beim König die Einrichtung eines neuen Lehrstuhls am Gewerbeinstitut beantragten, merkten sie an: „Eine Erhöhung des, für den Unterhalt des Gewerbe-Instituts aus Staatsfonds zu leistenden Zuschusses wird hierdurch voraussichtlich nicht herbeigeführt werden, da die Einnahmen an Unterrichts-Honorar beträchtlich gestiegen sind“ (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VII, Bl. 220f., 12. November 1864 (Abschrift)). 236 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg durchschnittlichen Jahresgehalt von 2.250 Mark109, und den unteren Rängen der höheren Beamten, den erwähnten Regierungsräten. Ein Regierungspräsident, der zu der oberen Schicht der höheren Beamten zählte, verdiente 1850 mit 9.000 Mark mehr, Kanzleibeamte und Assistenten mit 1.425 beziehungsweise 1.325 Mark weniger. Kleine Beamte, Pförtner oder Boten beispielsweise mussten mit 720 Mark auskommen. Das durchschnittliche Nominaleinkommen von Arbeitern in Industrie und Handwerk belief sich 1851 in den deutschen Ländern auf jährlich 323 Mark, während das Pro-Kopf-Einkommen in Preußen im gleichen Jahr 248 Mark betrug.110 Im Mittel verdiente ein Professor an den Berliner technischen Akademien 1851 also rund zehnmal soviel wie ein Arbeiter – unberücksichtigt sind hier allerdings Kolleggelder und Nebeneinnahmen. Die Berliner technischen Professoren waren damit besser gestellt als ihre Kollegen an der sächsischen Bergakademie in Freiberg: Dort lagen die Gehälter 1850 zwischen 1.500 und 3.150 Mark.111 Genauso wie das Anfangsgehalt der Professoren individuell festgelegt wurde, mussten auch Gehaltserhöhungen einzeln beantragt werden. Zwar regte der seinerzeitige Direktor der Bauakademie 1878 in einem ausführlichen Bericht über die Besoldungsverhältnisse der etatmäßigen Lehrer an, einen Normalbesoldungsplan aufzustellen, der „den Lehrern die Möglichkeit gewährt, im Laufe ihrer Dienstzeit ordnungsmäßig nach ihrem Dienstalter im Gehalt aufzurücken“112, aber der Handelminister lehnte diesen Vorschlag ab. Wie im universitären Bereich waren auch an den technischen Akademien auswärtige Rufe eine willkommene Gelegenheit, neu über die Bezüge zu verhandeln.113 Das Jahr 1874 war in diesem Sinne ein sehr lukratives für den Mathematiker Siegfried Aronhold. Im Juni lehnte er eine Professur an der Dresdener Technischen Hochschule ab und erhielt eine Gehaltserhöhung von 1.500 Mark, knapp 30 Prozent seiner bisherigen Bezüge. Bereits im November des gleichen Jahres musste sich Franz Reuleaux, Direktor der Gewerbeakademie, wiederum an den Handelsminister wenden. Aronhold sei nach Heidelberg berufen und fordere abermals eine Steigerung seines Einkommens um 1.500 Mark. Schließlich war er jedoch auch mit 900 Mark zufrieden.114 109 Vgl. für diese und die folgenden Gehaltsangaben Süle, Bürokratietradition, S. 109. Süles Daten sind Durchschnittswerte der bei Hohorst et al., Arbeitsbuch II, S. 109 genannten Anfangsund Endgehälter. 110 Vgl. Nipperdey, Bürgerwelt, S. 237 und Hohorst et al., Arbeitsbuch II, S. 101. 111 Vgl. Wagenbreth, Freiberg, S. 608. Auch hier handelt es sich lediglich um die festen Bezüge. Die Vorlesungshonorare betrugen nach Wagenbreth „etwa 30 bis 100 Prozent des festen Gehalts“ (S. 600). Die von ihm zusammengestellten Beispiele (vgl. S. 607f.) reichen von neun bis 160 Prozent. 112 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. VII, Bl. 78ff., 27. Januar 1878. Die Ablehnung findet sich ebd., Bl. 92f., 30. März 1878. 113 Vgl. etwa Paletschek, Tradition, S. 476f., die insbesondere auf die Auswirkungen der Gründung der Universität Straßburg 1873 hinweist, an der „auf einen Schlag um die 60 Lehrstühle zu besetzen waren“ (S. 476). 114 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XII, Bl. 253f., 8. Juni 1874 und ebd., Bl. 256, 12. Juni 1874. Vgl. auch GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, 4.2 Zum Einkommen 237 Seine Gehaltsverbesserungen zeitigten eine Art Welleneffekt: Am 20. Juni beantragte Hermann Wiebe, Professor für Maschinenlehre, am 31. Oktober der Mathematiker Ernst Kossak und am 22. November Richard Großmann, ebenfalls Professor für Maschinenlehre, eine Anhebung ihrer Bezüge.115 Reuleaux leitete Wiebes Antrag mit einem ausführlichen Begleitschreiben an das Handelministerium weiter. Er wies darauf hin, dass „das Mittelgehalt der Dozenten der Königlichen Gewerbe-Akademie – 1300 Thlr. – heute beträchtlich unter dem Normalgehalt des Gymnasial-Oberlehrers – 1700 Thlr. – steht […] Freilich würde man, wenn man diesen Gründen hier Folge gäbe eine ganze Reihe von Ansprüchen bei den übrigen Mitgliedern des Lehrerkollegiums, die ihren Aufgaben mit Eifer und Erfolg obliegen, wach rufen, wie ich denn auch nicht umhin kann, das vorliegende Gesuch zum Theil auf eine jüngst erfolgte, einen auswärtigen Ruf paralysierenden Gehaltserhöhung zurückzuführen.“116 Hier spielt Reuleaux zweifelsohne auf die erste Steigerung der Aronholdschen Bezüge an, die der Handelminister am 12. Juni genehmigt hatte. Schwieriger war die Lage der gegen Remuneration beschäftigten Lehrer und ihrer Familien. Wilhelm Holz, von 1850 bis zu seinem Tod 1873 Dozent an der Bauakademie, hinterließ „eine Witwe mit zwei erwachsenen, aber noch unversorgten Töchtern in der bedrängtesten Lage“117 und ohne Ansprüche auf eine staatliche Versorgung. Die Witwe bemühte sich zuerst mit Unterstützung des Direktors der Bauakademie Richard Lucae um eine Gnadenpension – der Handelsminister lehnte mit dem Hinweis ab, Holz habe „in keinem Beamtenverhältniß“118 gestanden – und wandte sich dann direkt an den König. Das Polizeipräsidium berichtete daraufhin über die Lebensverhältnisse: Die jüngere der beiden Töchter sei mittlerweile mit dem „Landwehrlieutenant Sommer“ verheiratet, der „mit einem kleinen Vermögen hier eine Hagel-Versicherungs-Gesellschaft gründen“ wolle. Die Mutter und die ältere Tochter lebten in einer Dreizimmerwohnung, deren jährliche Miete 720 Mark betrage und demnächst aufgegeben werden müsse, da sich kein Untermieter finde. Einziges Einkommen seien die Zinsen eines Vermögens des Verstorbenen, die rund 300 Mark im Jahr betrugen. Mit dem Verkauf 115 116 117 118 Bd. XIII, Bl. 89ff., 16. November 1874, ebd., Bl. 105, 20. November 1874 und ebd., Bl. 106, 4. Dezember 1874. Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIII, Bl. 15f., 20. Juni 1874; ebd., Bl. 99, 31. Oktober 1874 und ebd., Bl. 103f., 22. November 1874. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIII, Bl. 17f., 20. Juli 1874 (Abschrift). Reuleauxs Schreiben ist kaum als Befürwortung von Wiebes Antrag zu werten: „Der Antragsteller ist seinen Anlagen nach keine lebhaft voranstrebende Natur. Indem er den Kreis seines Lehrstoffes intensiv allseitig und gründlich erforschte, hat er dessen Ausdehnung auf neue Gebiete weniger ins Auge gefaßt; er ist mit Vorliebe in die Breite und Tiefe gegangen, während die Natur des technischen Unterrichtswesens, als einer ganz jungen Sache, das unablässige, ja angestrengte Vorwärtsgehen, das auf dem Fuß verfolgen des Fortschrittes in der Praxis, zur Zeit erfordert. Man kann von dem Antragsteller nicht sagen, daß er sich diesen Theil seiner Aufgabe so klar gemavht [sic] habe, wie derselbe es verdient.“ GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 29. Mai 1873 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 6. November 1873 (ohne Paginierung). 238 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg überflüssiger Möbel hätten die beiden Frauen bisher ihren Unterhalt bestritten. Die Tochter sei mit der „Führung der kleinen Wirtschaft“ betraut, da „weder ein Dienstbote noch eine Aufwärterin“119 beschäftigt werden könnte. Ein bürgerlicher Lebensstil war dies nicht.120 Das Polizeipräsidium resümierte, dass die Witwe Holz einer Pension „ebenso würdig, als bedürftig“ sei und ergänzte: „Vielleicht dürfte in Berücksichtigung kommen, daß der verstorbene p. Holz 24 Jahre sein Lehramt versehen hat und seine Witwe bei ihrer Kränklichkeit kaum lange die Wohlthat wird genießen können.“121 Ende August 1874 schließlich beantragte der Handelsminister beim König eine Gnadenpension von 450 Mark, die wenige Tage später bewilligt wurde.122 In seinem letzten Lebensjahr hatte Holz an der Bauakademie ein Einkommen von knapp 1.500 Mark gehabt; „durch Beschäftigung bei Privatbauten u[nd] durch Privatunterricht an angehende Baumeister“123 war er bemüht, dieses Einkommen aufzubessern. Zwar verdienten die etatmäßig angestellten Lehrer deutlich mehr, aber ebenso wie viele höhere preußische Beamte waren auch sie auf Nebeneinnahmen angewiesen, um einen standesgemäßen Lebensstil zu pflegen.124 Eine Übersicht aus dem Jahre 1874 zeigt zumindest die verschiedenen staatlichen Quellen des Einkommens der festangestellten Lehrer an der Bauakademie. Carl Bötticher bei119 Alle Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 21. Januar 1874 (ohne Paginierung). 120 Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 393, nennt als ein zentrales Kriterium für Bürgerlichkeit: „Eine mindestens auskömmliche und gesicherte Lebenslage und die Abgehobenheit von harter, körperlicher Arbeit; symbolisch stand dafür das Statusmerkmal aller Bürger: sie hatten ein Dienstmädchen.“ 121 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 21. Januar 1874 (ohne Paginierung). 122 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 29. August 1874 (ohne Paginierung) und ebd., 4. September 1874. Zuvor hatten Handels- und Finanzministerium über die genaue Höhe der Pension verhandelt: vgl. ebd., 30. Mai 1874, 11. Juni 1874, 7. Juli 1874 und 1. August 1874. 123 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, 7. Juli 1874 (ohne Paginierung). Über die Höhe dieser Nebeneinnahmen gibt das Schreiben keine Auskunft. Nach Angaben Lucaes hat Holz recht ausschließlich als Lehrer gearbeitet und dies habe ihn verhindert „lohnendere Bethätigungen zu finden“ (ebd., 29. Mai 1873). Holz unterrichtete acht bis zehn Stunden pro Woche. 124 Wagenbreth, Freiberg, S. 603, stellt fest: „Für die finanzielle Stellung der Professoren ist […] wesentlich, ob sie mit ihren Einkünften ‚standesgemäß‘ leben konnten.“ Auch wenn Wagenbreth nicht explizit Stellung bezieht, legen die im Folgenden von ihm angeführten Beispiele für die Lehrer der Freiberger Bergakademie nahe, dass die Bezüge diese standesgemäße Lebensführung nicht garantierten. Süle resümiert, dass im 19. Jahrhundert bei höheren Beamten „die Gesamtausgaben der Familien aus dem Diensteinkommen allein in der Regel nicht gedeckt werden konnten“ (Süle, Bürokratietradition, S. 114). Die Verhältnisse des Extraordinarius an der Universität Breslau Werner Sombart beschreibt Lenger als „kaum mehr als das Nötigste einer ‚standesgemäßen‘ Lebensführung“ (Lenger, Sombart, S. 60). Sombart wohnte 1890 mit Frau und vier Kindern in einer Sechszimmerwohnung und beschäftigte eine Köchin und eine Amme. 4.2 Zum Einkommen 239 spielsweise unterrichtete 13 Wochenstunden Ornamentzeichnen und Dekoration, wofür er ein festes Gehalt von 4.800 Mark bezog. Hinzu kam eine nicht näher erläuterte Entschädigung von 258 sowie Wohnungsgeld von 900 Mark. Als Lehrer an der Akademie der Künste hatte Bötticher mit 2.400 Mark ein zweites etatmäßiges Einkommen, als Direktor der Skulpturen-Galerie und der Königlichen Museen ein drittes in Höhe von 3.000 Mark. Insgesamt beliefen sich Böttichers feste Bezüge also auf jährlich 11.358 Mark, was recht genau dem Verdienst des Berliner Polizeipräsidenten von 11.400 Mark im Jahre 1875 entspricht.125 Das Gehalt Richard Lucaes, des Direktors der Bauakademie, betrug ebenfalls 11.400 Mark. Bötticher und Lucae waren damit die Spitzenverdiener. Am anderen Ende der Skala stand der Professor für Antike Baukunst Hermann Spielberg, der nebenamtlich ebenfalls an der Akademie der Künste unterrichtete und jährlich insgesamt 6.300 Mark erhielt. Im Mittel lagen die Einkünfte der Professoren der Berliner Bauakademie aus staatlichen Dienstverhältnissen 1874 bei knapp 8.300 Mark. Wiederum unberücksichtigt sind die Kolleggeldeinnahmen. Bei Beschränkung auf das Wohnungsgeld und die festen Bezüge, welche die Professoren in ihrer Funktion an Bau- beziehungsweise Gewerbeakademie erhielten, ergibt sich für 1874 ein jährliches Durchschnittseinkommen von gut 4.800 Mark. An der Bergakademie Freiberg reichte die Bandbreite der Gehälter 1875 ohne Nebeneinkommen von 1.500 bis 4.800 Mark, die Professoren an den Berliner technischen Akademien waren also weiterhin besser gestellt.126 Im gleichen Jahr verdiente ein Arbeiter in Industrie und Handwerk durchschnittlich 659 Mark, das preußische Pro-Kopf-Einkommen lag bei 359 Mark.127 Während die Professoren in festen Bezügen 1851 noch das Zehnfache eines Arbeiters erhielten, war dieser Faktor ein Vierteljahrhundert später auf knapp 7,3 gesunken.128 Die Verdopplung der Frequenz an der Bauakademie wird zumindest für die dortigen Professoren diesen verhältnismäßigen Rückgang etwas abgefedert haben. Nachdem die Regelung über die Kolleggeldeinnahmen von 1851 gut vier Jahrzehnte unverändert geblieben und auch für die Technische Hochschule übernommen worden war, ordnete das Kultusministerium 1892 die Dinge neu. In einem Schreiben an den Rektor der Charlottenburger Hochschule heißt es: 125 Vgl. Süle, Bürokratietradition, S. 113. Zum Einkommen Böttichers vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, März 1874 (ohne Paginierung). 126 Vgl. Wagenbreth, Freiberg, S. 608. An der Berliner Bergakademie, wo 1868 die ersten etatmäßigen Stellen eingerichtet wurden, lagen die festen Gehälter anfangs zwischen 2.700 und 4.500 Mark (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 47, Bd. II, Bl. 129ff., 12. Dezember 1867 und ebd., Bl. 147, 27. August 1868). In Freiberg betrug 1865 das Minimalgehalt 2.250, das Maximalgehalt 4.410 Mark. 127 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 591; vgl. Hohorst et al., Arbeitsbuch II, S. 101. 128 Der Berechnung liegt die erwähnte Gehaltsübersicht für die Bauakademie zugrunde unter Auslassung Lucaes, der als Direktor der Akademie ein weit überdurchschnittliches Gehalt bezog. Für die Gewerbeakademie wurde das von Reuleaux genannte Durchschnittsgehalt von 1.300 Talern (3.900 Mark) zuzüglich 900 Mark Wohnungsgeld angesetzt. 240 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg „Jeder etatsmäßige Professor und remunerierte Dozent erhält von dem für seine Kollegien bei der Anstaltskasse wirklich eingehenden Unterrichtshonorar den vierten Theil […] Der Honorarantheil eines etatsmäßigen Professors oder remunerierten Dozenten darf über die Gesamtsumme von 3000 M jährlich nicht hinausgehen. Überschießende Beträge verbleiben der Staatskasse.“129 Anders als im universitären Bereich konnte bei den Technischen Hochschulen also eine wirkliche Deckelung der Honorareinnahmen durchgesetzt werden.130 Eine Übersicht über die Honorareinnahmen im Studienjahr 1899/1900 zeigt, dass elf der 28 Professoren die Höchstgrenze von 3.000 Mark erreichten (Tabelle 9). Der Mathematiker Hugo Hertzer musste 2.449,50 Mark an weiteren Hörergeldern an den Staat abführen, die in der Tabelle nicht aufgeführten Professoren an der Maschinenbaufakultät Ernst Reichel und Otto Kammerer jeweils mehr als 4.000 Mark. 131 Tabelle 9: Einkommen der etatmäßigen Professoren 1897/99 in Mark Name Dobbert, Eduard Rietschel, Hermann Hirschwald, Julius Witt, Otto Hertzer, Hugo Brandt, Eugen Dietrich, Emil Weeren, Julius Wolff, Fritz Paalzow, Adolf Strack, Heinrich Hehl, Christoph Kühn, Bernhard Liebermann, Carl Stumpf, Johannes Fach Geschichte der Baukunst Ventilations- und Heizungswesen Mineralogie, Geologie Technische Chemie Mathematik, Mechanik Hochbau, Eisenkonstruktion Bauingenieurwissenschaften Metallurgie Entwerfen von Hochbauten Physik Antike Baukunst, Ornamentik Mittelalterliche Baukunst Entwerfen von Hochbauten Organische Chemie Dampfmaschinenbau Gehalt 3.900 5.000 5.500 5.500 4.100 5.800 6.600 6.500 6.000 6.400 5.300 6.500 7.400 6.800 5.500 Honorar 115,25 304,00 642,85 1.273,60 3.000,00 1.434,60 1.250,20 1.401,10 2.181,75 1.788,10 3.000,00 1.867,25 1.012,14 1.621,00 3.000,00 Summe 4.015,25 5.304,00 6.142,85 6.773,60 7.100,00 7.234,60 7.850,20 7.901,10 8.181,75 8.188,10 8.300,00 8.367,25 8.412,14 8.421,00 8.500,00 129 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. I, 12. April 1892 (ohne Paginierung). 130 Die Reform der Professorenbesoldung und des Honorarwesens an den preußischen Universitäten war ein zentrales Vorhaben Friedrich Althoffs (vgl. Sachse, Althoff, S. 202ff.). Die 1897 eingeführte Reform legte fest, dass „die Honorare, welche in einem Rechnungsjahre die Summe von 3000 Mark, in Berlin von 4500 Mark, überschreiten, zur Hälfte in die Staatskasse fließen“ (S. 210). Allerdings kam diese Regelung bei bereits amtierenden Professoren nur mit deren Einverständnis zur Anwendung. Vgl. auch Brocke, Wissenschaftsverwaltung, S. 15. Zur Geschichte des Kolleggeldes vgl. kurz Haug, Kolleggeld, bes. S. 114. Im Detail genauer ist jedoch Jastrow, Kollegiengelder, bes. S. 279f. Allerdings beschränken sich beide auf den universitären Bereich und gehen nicht auf die Technischen Hochschulen ein. 131 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. I (ohne Paginierung). Im Gehalt von 1897 ist der Wohnungsgeldzuschuss (durchschnittlich 660 Mark) enthalten. Nicht in der Tabelle aufgeführt sind jene Professoren, für die nur eine Angabe zu ihrem Gehalt 1897 bzw. ihren Honorareinnahmen 1899/1900 vorliegt. 241 4.2 Zum Einkommen Name Hettner, Georg Ludewig, Heinrich Doergens, Richard Jacobsthal, Eduard Koch, Hugo Slaby, Adolf Rüdorff, Friedrich Lampe, Emil Riedler, Alois Goering, Adolf Hauck, Guido Meyer, Georg Müller-Breslau, Heinrich Fach Mathematik Wasserkraftmaschinen Geodäsie Ornamentik Baukonstruktionslehre Elektrotechnik Anorganische Chemie Mathematik Maschinenbau Eisenbahn- und Tunnelbau Projektionslehre Eisenbahnmaschinenbau Brückenbau, Baukonstruktion Gehalt 6.000 8.000 6.800 8.700 6.800 7.000 7.200 7.300 8.800 8.500 7.800 8.000 9.000 Honorar 3.000,00 1.374,00 2.791,00 1.012,25 3.000,00 3.000,00 3.000,00 3.000,00 1.504,40 2.017,40 3.000,00 3.000,00 3.000,00 Summe 9.000,00 9.374,00 9.591,00 9.712,25 9.800,00 10.000,00 10.200,00 10.300,00 10.304,40 10.517,40 10.800,00 11.000,00 12.000,00 Die Summierung von Grundgehalt, Zulagen und Kolleggeld zeigt, dass die Einkommensverhältnisse an der Charlottenburger Hochschule heterogen blieben.132 Die jährlichen Bezüge des Baukonstrukteurs Heinrich Müller-Breslau waren fast dreimal höher als die des Kunsthistorikers Eduard Dobbert. Differenziert man nach Abteilungen, so lagen sowohl die Grundgehälter als auch die Gesamteinkommen bei den Maschinenbauern am höchsten. Am wenigsten verdienten die Professoren an der Abteilung für Bergbau- und Hüttenkunde.133 Das Durchschnittsgehalt aller Ordinarien einschließlich Wohnungsgeld betrug knapp 6.700 Mark, das mittlere Gesamteinkommen knapp 8.700 Mark. Vergleicht man diese Verhältnisse mit jenen an den Universitäten, so zeigt sich, dass die Technische Hochschule deutlich weniger attraktiv war. Das Einkommen der preußischen Universitätsprofessoren lag um die Jahrhundertwende zwischen 6.000 und 40.000 Mark – mit einem Durchschnitt von rund 12.000 Mark.134 Das Höchsteinkommen in Charlottenburg entsprach also einem mittleren Einkommen an einer Universität. In erster Linie ist dies auf die für die Professoren günstigere Regelung des Honorarwesens im universitären Bereich zurückzuführen.135 132 Auch wenn die Werte in der Spalte ‚Summe‘ keine wirklichen Einkommen sind, da Grundgehälter und Honorareinnahmen aus verschiedenen Jahren addiert werden, liegen die Daten doch dicht genug beieinander, um ein zumindest in Tendenz und Größenordnung adäquates Bild zu ergeben. 133 Die durchschnittlichen Grundgehälter inklusive Wohnungsgeld (660 Mark) betrugen an der Abteilung für Bergbau und Hüttenkunde 6.300 Mark, an der Allgemeinen Abteilung 6.320 Mark, an der Abteilung für Bauwesen (Architektur und Bauingenieurwesen zusammengenommen) knapp 6.640 Mark und an der Abteilung für Maschinenbau 7.460 Mark. Für die Gesamteinkommen lauten die Werte in gleicher Reihenfolge rund 7.890, 9.080, 8.400 und 9.835 Mark. 134 Vgl. Ringer, Mandarine, S. 43. 135 Zwei Beispielrechnungen mögen dies illustrieren: Bei Kolleggeldeinnahmen von 2.000 Mark erhielt ein TH-Professor 500, der Universitätsprofessor 2.000 Mark. Bei Kolleggeldeinnahmen von 16.000 Mark erhielt der TH-Professor 3.000, der Universitätsprofessor nach der Regelung von 1897 9.500, wenn er in Berlin lehrte 10.250 Mark. 242 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Die Tabelle verdeutlicht auch die je unterschiedliche Bedeutung des Kolleggeldes für das Gesamteinkommen der einzelnen Professoren. Wiederum steht Eduard Dobbert an einem Ende der Skala: Seine Honorareinnahmen betrugen kaum drei Prozent seines festen Gehalts. Hugo Hertzer hingegen konnte seine Bezüge mit dem Kolleggeld um fast 75 Prozent steigern. Im Mittel entsprachen die Hörergelder rund einem Drittel der festen Bezüge – von Ausnahmen wie Dobbert, Rietschel und Hirschwald abgesehen hatten sie also einen recht hohen Stellenwert im Gesamteinkommen der Professoren. Wiederum seien die Lehrer der Freiberger Bergakademie zum Vergleich herangezogen. Dort reichten die Grundgehälter 1895 von 3.000 bis 6.500 Mark, blieben also weiterhin unter denen in Charlottenburg.136 Gegenüber dem durchschnittlichen Arbeiterlohn im Reich – 738 Mark im Jahre 1895 – hatten sich die festen Bezüge an der Technischen Hochschule wieder verbessert: Der Faktor betrug nun knapp neun.137 Nimmt man das Durchschnittseinkommen inklusive Kolleggeld als Basis, so wird der Abstand noch deutlicher: Selbst im Vergleich mit dem im Jahre 1900 bereits auf 843 Mark gestiegenen Lohn verdiente ein Arbeiter kaum ein Zehntel des mittleren Charlottenburger Professorengehalts. Das preußische ProKopf-Einkommen lag 1897 bei 458 und stieg bis 1900 auf 504 Mark.138 Wie erörtert erreichten die Technischen Hochschulen um die Jahrhundertwende Wesentliches hinsichtlich ihrer Gleichstellung mit den Universitäten. Die Charlottenburger Professoren waren bemüht, diese auch auf dem Gebiet der Einkommensverhältnisse durchzusetzen. In einem ausführlichen Schreiben an das Kultusministerium legten Rektor und Senat im Mai 1899 ihre Wünsche und Vorstellungen dar. An der individuellen Festlegung der Anfangsgehälter wolle man durchaus festhalten: „Die Unterschiede in der Bedeutung der einzelnen Professoren als Forscher und Lehrer sind zu groß, um alle mit gleichem Maaße zu messen.“ Allerdings wünschten sich die Professoren regelmäßige Alterszulagen, da „die Ansprüche des Lebens und der Familie naturgemäß wachsen.“139 Eine derartige Regelung war Teil der Althoffschen Besoldungsreform, die 1897 für die Universitäten in Kraft getreten war.140 Zudem erhöhten sich auch die Bezüge der übrigen Staatsbeamten mit zunehmendem Dienstalter, für Architekten und Bauingenieure konnte eine Laufbahn im Staatsbaudienst langfristig also attraktiver sein als eine im technischen Hochschulwesen.141 Die unterschiedliche Gestaltung der Dienstbezüge, so argumentierte der Senat weiter, erschwere außerdem den Aus136 Vgl. Wagenbreth, Freiberg, S. 609. Wagenbreth nennt ebd. darüber hinaus das Gehalt des Chemikers Clemens Winkler von 8.000 Mark als Extremwert. Auch dies liegt unter dem Charlottenburger Höchstgehalt von 9.000 Mark. 137 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 606. 138 Vgl. Hohorst et al., Arbeitsbuch II, S. 102. 139 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. I, 20. Mai 1899 (ohne Paginierung). 140 Vgl. Sachse, Althoff, S. 206f. 141 Vgl. Süle, Bürokratietradition, S. 108f. Für die Beamten wurden die Dienstaltersstufen ebenfalls Ende der 1890er Jahre eingeführt, da dieses System eine größere Flexibilität erlaubte als das bisherige der Gehaltsstufen: Nach dem alten System war „ein Aufrücken nur als Nachrücken bei Entstehung einer ‚Vakanz‘“ (S. 108) möglich. 4.2 Zum Einkommen 243 tausch von Lehrkräften zwischen Universitäten und Technischen Hochschulen im Bereich der mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer. Da die Universitätsordinarien hinsichtlich der Kolleggelder und des Wohnungsgeldes besser gestellt waren und darüber hinaus nicht pensioniert, sondern bei vollem Gehalt emeritiert wurden, erbaten Rektor und Senat höhere Alterszulagen. So sollte der Tatsache begegnet werden, dass die Professoren der Technischen Hochschule in Charlottenburg „im Verhältniß zu den übrigen Staatsbeamten, ein relativ geringes pensionsberechtigtes Einkommen“142 hätten. Die Eingabe blieb erfolglos, eine weitere aus dem Jahre 1900 ebenso und auch eine konzertierte Aktion der drei preußischen Technischen Hochschulen von 1902 brachte keine Veränderung.143 Das Fehlen eines Besoldungssystems an den Technischen Hochschulen war in den deutschen Staaten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Neben Preußen handelten auch die Kultusbehörden in Sachsen, Baden und Braunschweig die Gehälter individuell aus, ohne an Mindest- oder Höchstsätze gebunden zu sein, wenn sie im Rahmen des Etats blieben.144 In diesen drei Staaten gab es – wie in Preußen – keine mit dem Dienstalter verknüpften Gehaltserhöhungen. Württemberg hingegen gewährte eine Triennialzulage von 500, Hessen ein Quadrennialzulage von 400 Mark. Noch detaillierter waren die Dinge in Bayern geregelt. Das Anfangsgehalt betrug dort 4.560 Mark bei drei Quinquennialzulagen von 350, danach von 180 Mark. Allerdings verfügten alle Kultusministerien über Fonds „zur Heranziehung und Erhaltung tüchtiger Lehrkräfte“145, die ihnen auch bei festgesetzten Anfangsgehältern die nötige Flexibilität bei Berufungsverhandlungen gaben.146 Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Beamtenbesoldungsreform von 1908/09 ergriff das preußische Kultusministerium schließlich die Initiative und erklärte gegenüber dem Finanzressort, dass „das gegenwärtige Besoldungssystem der Professoren an den Technischen Hochschulen völlig unhaltbar und daß die Verbesserung der Einkommensverhältnisse unerläßlich ist, wenn die Lehrstühle mit tüchtigen Kräften besetzt werden sollen.“147 142 Alle Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. I, 20. Mai 1899 (ohne Paginierung). Das Wohnungsgeld betrug 1899 an den THs 660 Mark, während die Universitätsordinarien 900 Mark erhielten. 143 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. I, 9. Juli 1900 (ohne Paginierung), ebd., 20. Juli 1902, ebd., 3. Oktober 1902 und ebd., 31. Oktober 1902. 144 Vgl. die Übersicht über die Besoldungsverhältnisse der Professoren und Dozenten an den Technischen Hochschulen in den deutschen Staaten, BA L, R 4901/14176, Bl. 2–12, ohne Datum [um 1907]. Hinsichtlich des Durchschnittsgehalts und des Wohnungsgeldes war die Charlottenburger Hochschule angesichts der höheren Lebenshaltungskosten in der Hauptstadt besser gestellt als die preußischen THs in Aachen, Danzig und Hannover: Dort verdienten die Professoren durchschnittlich 5.500 Mark und erhielten 660 Mark Wohnungsgeld, in Charlottenburg lauteten die Werte 6.500 und 900. 145 BA L, R 4901/14176, Bl. 2–12, ohne Datum [um 1907]. 146 Verallgemeinernde Aussagen darüber, ob ein Staat die Professoren seiner TH besser bezahlte als ein anderer, sind vor diesem Hintergrund kaum möglich. 147 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. II, 10. August 1907 (ohne Paginierung). Zur Beamtenbesoldungsreform vgl. kurz Süle, Bürokratietradition, S. 109. 244 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Darüber hinaus erinnerte das Ministerium in seinem Schreiben an die Hundertjahrfeier der Charlottenburger Hochschule und die kaiserliche Proklamation der Gleichstellung von Technischer Hochschule und Universität: „In den Kreisen der Technischen Hochschulen ist hierdurch vielfach die Meinung entstanden und mit großer Zähigkeit festgehalten worden, es sollten nunmehr auch die Professoren der Technischen Hochschulen in allen Beziehungen den Professoren der Universitäten gleichgestellt werden, so namentlich in Beziehung auf Besoldung, die Dienstalterszulagen, die Emeritierung und die Witwen- und Waisenversorgung.“148 In zwei Sitzungen im Oktober 1907 handelten Mitarbeiter beider Ministerien eine Neuregelung aus. Die Professoren erhielten das Kolleggeld nun bis 1.500 Mark in voller Höhe, darüber hinaus ein Viertel – bis zu einer Höchstgrenze von 6.000 Mark. Die Grundgehälter blieben unverändert, ein System von Dienstaltersstufen wurde nicht eingeführt, der Zulagenfond jedoch erhöht.149 Der kriegsbedingte Rückgang der Kolleggelder wurde durch die ebenfalls 1914 beginnende Inflation noch verstärkt.150 Somit konnten die Professoren nicht von den nach Kriegsende stark ansteigenden Studierendenzahlen profitieren. Im Jahre 1920 schrieb der Kultus- an den Finanzminister: „Stellten die Honorareinnahmen früher einen ganz wesentlichen Bestandteil des Gesamteinkommens dar, so sind sie jetzt in sehr vielen Fällen beinahe zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken und jeder Ausgleich für diesen Einnahmeausfall ist ausgeblieben.“151 Im Jahre 1913 hätten 36,3 Prozent des Gesamteinkommens aus Kolleggeldern bestanden, nun seien es lediglich 8,43 Prozent. Das neue Beamten-Diensteinkommensgesetz, das am 1. April 1920 rückwirkend in Kraft trat, verzichtete erstmals auf eine Deckelung der Honorareinnahmen: Bis 4.000 Mark jährlich erhielten die Professoren die eingehenden Honorare nun ganz, bis 10.000 Mark zur Hälfte und darüber hinaus zu einem Fünftel.152 Aber auch eine Erhöhung dieser Grenzbeträge im November 1921 stellte die Charlottenburger angesichts der fortschreitenden Inflation nicht zufrieden.153 Allerdings regelte die Regierung das Honorarwesen mit dem Besoldungsgesetz von 1920 erstmals einheitlich für alle wissenschaftli148 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. II, 10. August 1907 (ohne Paginierung). 149 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. II, 22./31. Oktober 1907 (ohne Paginierung). 150 Für einen kurzen Überblick über Phasen und Bewertung der Inflation vom August 1914 bis zum Herbst 1923 vgl. Feldman, Inflation, S. 69ff. Vgl. auch Büttner, Weimar, S. 166ff. 151 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. III, Bl. 349, 20. September 1920. 152 Vgl. Preußische Gesetzsammlung 1921, S. 210. Eine erste Fassung des Beamten-Diensteinkommensgesetzes vom 7. Mai 1920 (vgl. Preußische Gesetzsammlung 1920, S. 191–259) wurde überarbeitet, die zweite am 17. Dezember 1920 verabschiedet (vgl. Preußische Gesetzsammlung 1921, S. 135–218). 153 Die Beträge lauteten nun 8.000 und 15.000 Mark (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. III, Bl. 186, 15. November 1921). Für das Beschwerdeschreiben, in dem ausdrücklich die Bestimmungen hinsichtlich des Honorars kritisiert werden, vgl. ebd., Bl. 213, 29. November 1921. Nach Feldman, Inflation, S. 70, setzte im Frühjahr 1921 eine „dritte Periode des starken Währungsverfalls“ ein. 4.2 Zum Einkommen 245 chen Hochschulen.154 Auch hier war es also erst die Republik, die aus der gut zwei Jahrzehnte zuvor erfolgten kaiserlichen Proklamation der Gleichstellung der beiden Hochschultypen die praktische Konsequenz der Gleichbehandlung zog. Im Jahre 1923 schließlich kam es im Zuge der Währungsstabilisierung zu einer grundlegenderen Umgestaltung des Honorarwesens an Universitäten und Technischen Hochschulen: „Die Kollegiengelder (neuer Name: ‚Unterrichtsgeld‘) wurden etwa auf die Hälfte der Vorkriegszeit normiert, neben ihnen aber eine feste Studiengebühr für das Semester eingeführt, die in die Staatskasse floß.“155 Das Unterrichtsgeld erhielten die Lehrenden jetzt in voller Höhe. Zum 1. Dezember 1923 wurden die Gehälter der Charlottenburger Professoren in Goldmark neu berechnet, was kurzfristig recht homogene Einkommensverhältnisse zur Folge hatte: 54 der 63 Ordinarien bezogen nun ein Grundgehalt von 4.674 Mark, die Zulagen reichten von 195 bis 954 Mark, woraus sich ein durchschnittliches festes Einkommen von knapp 5.180 Mark ergibt.156 Die monatlichen Bezüge betrugen also gut 430 Mark und lagen damit etwas niedriger als die eines Vortragenden Rates im Reichsdienst, der im Monat 450 Mark erhielt.157 Im letzten Friedensjahr hatten sich die festen Bestandteile des Gesamteinkommens der Professoren zu durchschnittlich 7.800 Mark summiert.158 Nominell entsprachen die Gehälter von 1923 also rund 66 Prozent des Vorkriegsniveaus. Verglichen mit anderen Beamten wurden die Charlottenburger Ordinarien recht gut behandelt – die erwähnten Vortragenden Räte erhielten 1923 lediglich 39 Prozent ihrer Vorkriegsbezüge.159 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass 1913 im Mittel knapp 154 Vgl. Preußische Gesetzsammlung 1921, S. 210. 155 Jastrow, Kollegiengelder, S. 281. Jastrow kritisiert diese Neuordnung aus mehreren Gründen: Es sei unklar „auf Grund welchen Rechts die Regierungen die Befugnis in Anspruch nahmen, an Stelle der Lehrer die Kollegiengelder festzusetzen“ (S. 282) – diese seien dem Ursprung nach eine zwischen Student und Dozent privat zu regelnde Angelegenheit. Zum anderen sei mit der Einführung einer Studiengebühr den Studierenden „die freie Verfügung über die Höhe ihrer Studienkosten entzogen“ (ebd.). Andererseits resümiert Jastrow: „Den vielen Klagen steht nur e i n Gegenargument gegenüber, aber eines, das jene Waagschale hochschnellen läßt: durch alle finanziellen Schwierigkeiten des Jahrzehnts nach 1918 haben die Unterrichtsverwaltungen ihre Hochschulen hindurchgerettet. Mit wie bangen Gefühlen einzelne Hochschulen die Frage ihrer Fortexistenz überdachten, ist heute vergessen. Sie sind alle am Leben erhalten worden. Diese Leistung der Regierungen, die als selbstverständlich hingenommen wird, stellt in Wirklichkeit einen Verwaltungserfolg von einer Größe dar, wie man sie für möglich zu halten kaum befugt war. Die finanzielle Seite dieser Leistung heißt: Studiengeld“ (ebd., Hervorhebung im Original). Vgl. auch Wende, Grundlagen, S. 73f. und 156f. 156 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, Bl. 157ff., 1. Dezember 1923. 157 Vgl. Petzina et al., Arbeitsbuch III, S. 101. 158 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, Bl. 187, 8. Februar 1924. Das Durchschnittsgehalt für die TH Berlin lag 1914 bei 6.500 Mark zuzüglich Wohnungsgeld von 1.300 Mark. 159 Vgl. Petzina et al., Arbeitsbuch III, S. 101f. Es ist auffällig, dass die niedrigen Besoldungsgruppen relativ betrachtet 1923 besser gestellt waren als die höheren: Bahnwärter erhielten 78 Prozent ihrer Vorkriegsgehälter, Regierungsräte im Post- und Telegrafendienst lediglich 50 Prozent. Dies korrespondiert mit der preußischen Politik der Gehaltserhöhungen im 246 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg 4.445 Mark an Kolleggeldern die festen Bezüge der Professoren ergänzten.160 Im Laufe des Jahres 1924 stiegen die Gehälter recht schnell an: Am 1. April wurde das jährliche Grundgehalt auf durchschnittlich 5.280 Mark erhöht, mit Zulagen von rund 720 Mark; am 1. Juni auf 8.754 mit Zulagen von 1.746 Mark.161 Dies war nicht ungewöhnlich – das monatliche Einkommen eines Vortragenden Rates hatte sich am 1. Dezember 1924 im Vergleich zum Vorjahr nominell mehr als verdoppelt und belief sich nun auf 1.034 Mark.162 163 Tabelle 10: Einkommen der Ordinarien 1929/30 in Mark Name Hoff, Wilhelm Eitel, Wilhelm Ehrenberg, Albrecht Born, Axel Gröber, Heinrich Becker, Richard Kohlmeyer, Ernst Schnadel, Georg Stauber, Georg Meineke, Felix Blunck, Erich Becker, Gabriel Helm, Fritz Tübben, Ludwig Krainer, Paul Tessenow, Heinrich Horn, Fritz Jansen, Hermann Brennecke, Erich Schulz, Bruno 160 161 162 163 Fach Luftfahrzeugbau Mineralogie Kriegsschiffbau, Werften Geologie, Paläontologie Heizung, Lüftung Theoretische Physik Metallhüttenkunde Statik der Schiffe, Schiffselemente Hüttenkunde Verkehrs- und Kolbenarbeitsmaschinen Ländliche Baukunst Kraftfahrzeuge, Leichtmotoren Eisenbahnwesen Bergbauwissenschaften Schiffsmaschinenbau Entwerfen, Baukunst Dynamik, Theorie des Schiffes Städtebau Geodäsie Antike Baukunst, Architektur Gehalt 12.316 14.016 16.016 12.816 14.016 14.016 15.256 16.016 16.016 14.016 16.016 14.016 16.016 16.016 16.016 14.016 16.016 16.016 11.616 16.016 Gesamt 13.520 16.535 16.607 16.637 17.124 17.365 17.432 18.022 18.031 18.641 18.840 18.893 19.340 19.621 19.638 19.934 20.229 20.566 20.718 21.142 19. Jahrhundert, bei der die Unterbeamten zuerst und die Spitzenbeamten und Minister zuletzt bedacht wurden (vgl. Süle, Bürokratietradition, S. 107f.). Berechnet nach den zitierten Angaben des Kultusministerium, dass 1913 36,3 Prozent des Gesamtdiensteinkommens aus Honorargeldern stammte (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. III, Bl. 347ff., 20. September 1920). Das durchschnittliche Gesamteinkommen betrug 1913 also knapp 12.245 Mark. Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. III Nr. 3, Bd. IV, Bl. 220ff., 1. April 1924 und ebd., Bl. 264ff., 1. Juni 1924. Vgl. Petzina et al., Arbeitsbuch III, S. 101f. Vgl. Fattmann, Bildungsbürger, S. 120f. und Lenger, Sombart, S. 272. Vgl. auch Winkler, Schein, S. 46, der hinsichtlich der schnellen Steigerung der Arbeiterlöhne feststellt: „Die Stabilisierung begann bei extrem niedrigen Löhnen.“ BA L, R 4901/14176, Bl. 34. Das Gehalt enthält Wohnungsgeld (2.016 Mark) und Ortszuschlag (rund 400 Mark) und datiert vom 1. April 1930. Die Angaben zum Gesamteinkommen beziehen sich auf das Jahr 1929. 247 4.2 Zum Einkommen Name Poelzig, Hans Schuberg, Philipp Matthias, Adolf Ehlgötz, Hermann Krencker, Daniel Volmer, Max Durrer, Robert Timpe, Aloys Frevert, Adolf Aumund, Heinrich Ludin, Adolf Hertwig, August Wach, Hugo Föttinger, Hermann Rüster, Emil Salkowski, Erich Glinz, Karl Wagner, Karl Willy Reißner, Hans Garbotz, Georg Franke, Rudolf Briefs, Goetz Weiß, Albert Prion, Willi Drawe, Rudolf Eggert, Otto Meyer, Eugen Riebensahm, Erich Müller, Siegmund Hamel, Georg Weber, Moritz Romberg, Friedrich Orlich, Ernst Rothe, Rudolf Kloß, Max Schlesinger, Georg Kammerer, Otto Scheffers, Georg Josse, Emil Hertz, Gustav Hofmann, Karl Hanner, Josef Fach Architektur Konstruktiver Unterricht Hochspannungstechnik Städtebau, Städtischer Tiefbau Geschichte der Baukunst Physikalische Chemie, Elektrochemie Eisenhüttenkunde Mathematik, Wirtschaftsmathematik Eisenbahn- und Tunnelbau Maschinenbau Wasserbau Statik, Baukonstruktionen Ornamentzeichnen Strömungslehre, Turbomaschinen Entwerfen von Hochbauten Darstellende Geometrie Bergbau, Aufbereitung Schwingungslehre Mechanik, Graphische Statik Maschinenwesen beim Baubetrieb Fernmeldetechnik, Getriebelehre Nationalökonomie Baukonstruktionslehre Betriebswirtschaftslehre Verbrennungstechnik Geodäsie Mechanik Mechanische Technologie Statik der Hochbaukonstruktion Mathematik, Mechanik Mechanik Maschinenelemente Elektrotechnik Mathematik, Theoretische Ballistik Elektromaschinenbau Werkzeugmaschinen, Fabrikanlagen Maschinenkunde Darstellende Geometrie Dampfmaschinenbau Experimentalphysik Anorganische Chemie Maschinenelemente Gehalt 16.016 15.216 16.016 16.016 16.016 16.016 18.216 14.756 16.016 16.816 16.016 16.016 14.016 16.016 16.016 16.016 18.216 18.816 15.296 16.016 15.296 16.016 16.016 18.216 16.016 17.416 15.296 16.016 16.016 16.016 16.016 16.016 16.016 16.816 16.016 16.016 16.016 14.656 16.016 18.816 16.016 14.016 Gesamt 21.176 21.607 21.643 21.725 21.918 22.051 22.251 22.511 22.801 22.883 23.009 23.226 23.706 23.965 24.428 24.533 25.545 26.226 27.418 28.198 28.306 28.736 29.320 29.327 29.688 29.772 30.067 30.604 31.633 34.688 35.097 37.044 37.515 37.733 38.188 38.319 38.572 38.751 38.843 39.431 40.745 50.846 248 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Die Übersicht über die Einkommensverhältnisse 1929/30 illustriert die mit der Reform von 1923 gegenüber den Jahren um die Jahrhundertwende deutlich gestiegene Bedeutung der Kolleggelder für das Gesamteinkommen der Charlottenburger Professoren (Tabelle 10). Der Spitzenverdiener Josef Hanner, Professor für Maschinenelemente, konnte mit den Honorareinnahmen sein Gehalt um rund 263 Prozent steigern, insgesamt ein Fünftel der Ordinarien konnte die festen Bezüge mit dem Kolleggeld mehr als verdoppeln. Lässt man die Extremwerte außer Acht – neben Hanner am anderen Ende der Skala Wilhelm Hoff und Albrecht Ehrenberg, deren Honorareinnahmen unter zehn Prozent ihres Gehalts blieben – lag die durchschnittliche Höhe des Unterrichtsgeldes bei gut 63 Prozent der festen Bezüge. Um die Jahrhundertwende hatte dieser Wert bei rund 33 Prozent gelegen, vor dem Ersten Weltkrieg bei 57. Die Heterogenität der Einkommen hatte sich gegenüber 1897/99 noch etwas vergrößert: Hanner verdiente das 3,7fache des Professors für Luftfahrzeugbau Wilhelm Hoff.164 Im Vergleich zu 1897/99 hatte sich die Einkommensverteilung 1929/30 auch hinsichtlich der Fakultäten verschoben. Die Bezüge an den Fakultäten für Stoffwirtschaft und Bauwesen lagen mit durchschnittlich rund 22.100 respektive 23.600 Reichsmark unter dem Mittelwert von 26.000 Reichsmark.165 Besser verdienten die Professoren an der Fakultät für Maschinenwirtschaft: Hier lag das Durchschnittseinkommen bei rund 28.150 Reichsmark. An der Spitze stand jedoch nun die Fakultät für Allgemeine Wissenschaften mit mittleren Bezügen von gut 30.300 Reichsmark. Der tarifmäßige jährliche Lohn eines gelernten Arbeiters in der Produktionsmittelindustrie lag 1929 bei knapp 2.740, der eines ungelernten bei knapp 2.120 Reichsmark. Im Jahre 1913 hatten die entsprechenden Löhne gut 1.800 und gut 1.210 Mark betragen.166 Das mittlere Einkommen eines Charlottenburger Professors – Gehalt, Wohn- und Kolleggeld – belief sich 1913/14 auf 12.245 Mark, was dem sieben- respektive zehnfachen der genannten Arbeiterlöhne entspricht. Zum Ende der ‚Goldenen Jahre‘ der Weimarer Republik entsprach sein durchschnittliches Gehalt dem neun- respektive zwölffachen des Lohnes gelernter beziehungsweise ungelernter Arbeiter. In seiner Untersuchung der Heidelberger Professoren dokumentiert Jansen eine detaillierte Einkommensübersicht für das Jahr 1930, die eine gute Vergleichsmöglichkeit für den akademischen Bereich darstellt.167 Die Bandbreite war hier noch etwas größer: Der Anatom Erich Kallius stand mit insgesamt 56.481 164 Hoff war jedoch gleichzeitig Direktor der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) und hatte dort weitere Einnahmen, vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 4a, Bd. II, Bl. 171f., 7. Oktober 1931. 165 Bezüge von mehr als 30.000 RM hatten hier lediglich der Chemiker Karl Hofmann (40.745 RM) und der Statiker Siegmund Müller (31.633 RM). 166 Vgl. Winkler, Schein, S. 826f. Mit jährlich gut 1.950 RM für Männer und 1.435 RM für Frauen lag das Lohnniveau in der Textilindustrie deutlich niedriger (vgl. S. 828f.). Allerdings lagen laut Winkler die Tariflöhne „in der Regel beträchtlich unter den tatsächlich ausgezahlten Löhnen“ (S. 50). 167 Vgl. Jansen, Karriereverläufe, S. 52f. 4.2 Zum Einkommen 249 Reichsmark recht einsam an der Spitze, am anderen Ende fand sich der Theologe Theodor Odenwald mit 11.303 Reichsmark. Kallius’ Einkommen war eine Ausnahme – der zweitplazierte Germanist Friedrich Panzer verdiente lediglich 32.728 Reichsmark. Umfasste die Gruppe der Spitzenverdiener mit jährlich mehr als 30.000 Reichsmark in Charlottenburg 16 Personen (von 62), waren es in Heidelberg nur sieben (von 55). Das mittlere Einkommen lag in Heidelberg bei gut 21.150 Reichsmark – lässt man Kallius außer Acht bei 20.500 – und damit recht deutlich unter dem Charlottenburger von 26.000 Reichsmark. Zurückzuführen ist dies nicht auf höhere Grundgehälter. Vielmehr war das Unterrichtsgeld entscheidend: In Heidelberg bestanden insgesamt 30 Prozent des Einkommens aus Honorareinnahmen, in Charlottenburg waren es 40 Prozent. Die hohe Studierendenzahl, die zu einer Lehrbelastung führte, die häufig beklagt wurde, garantierte andererseits ein hohes Einkommen. Mit Philipp Lenard lehrte auch an der Heidelberger Universität ein Physiknobelpreisträger. Mit Dienstbezügen von 31.328 Reichmark zählte er dort zu den Spitzenverdienern, blieb jedoch hinter seinem Charlottenburger Kollegen Gustav Hertz mit 39.431 Reichsmark zurück. Für Mathematiker war die Technische Hochschule in der preußischen Hauptstadt augenscheinlich ebenfalls attraktiver als die badische Universität: Georg Hamel verdiente 1929/30 insgesamt 34.688 Reichsmark, Aloys Timpe mit 22.511 deutlich weniger – allerdings immer noch deutlich mehr als Artur Rosenthal oder Heinrich Liebmann in Heidelberg mit 16.740 respektive 16.771 Reichsmark. Insgesamt lässt sich festhalten, dass bei Fächern, die an beiden Hochschulen vertreten waren, die Professoren in Charlottenburg ein höheres Einkommen hatten. In finanzieller Hinsicht war die Technische Hochschule in Berlin zu diesem Zeitpunkt also klar attraktiver als eine mittelgroße Universität wie Heidelberg. Betrachtet man den Gesamtzeitraum, so stellen die späten zwanziger Jahre in der Einkommensentwicklung der Ordinarien der Hochschule den Höhepunkt dar (Tabelle 11). Sparverordnungen, eine Beschränkung der Kolleggeldgarantien und sinkende Studierendenzahlen führten in der Folgezeit zu einem Rückgang der Bezüge. Um 1929/30 gehörten die Professoren jedoch zu den Großverdienern: Sie zählten zu dem knapp halben Prozent der Steuerzahler, die mehr als 16.000 Reichsmark verdienten, während fast 55 Prozent weniger als 1.200 Reichsmark zu versteuern hatten.168 Berücksichtigt man neben den Daten zum Nominaleinkommen auch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, so zeigt sich, dass die Professoren Ende der zwanziger Jahren im Mittel über ein rund 50 Prozent höheres Einkommen verfügten als um die Jahrhundertwende. 168 Vgl. Petzina et al., Arbeitsbuch III, S. 105, Angaben für 1928. Rund 0,25 Prozent der Einkommensbezieher verdienten zwischen 16 und 25.000 RM (= Stufe 7), 0,14 Prozent zwischen 25 und 50.000 (= Stufe 8), 0,04 Prozent zwischen 50 und 100.000 (= Stufe 9) und 0,02 Prozent mehr als 100.000 RM (= Stufe 10). Neben den 54,57 Prozent in Stufe 1 (unter 1.200 RM), entfielen 34,27 Prozent auf Stufe 2 (1.200 bis 3.000 RM). 250 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg 169 Tabelle 11: Entwicklung des durchschnittlichen Jahreseinkommens 1851 bis 1930 in Mark Index der Lebenshaltungskosten (1913=100) 1851 1874 1899 1913 1924 1930 Mittleres Jahreseinkommen (mit Wohnungsgeld) 46 83 76 100 131 148 3.200 4.840 6.600 6.500 5.180 15.720 Mittleres Jahreseinkommen (mit WohnungsIndex und Kolleggeld) Index 49 74 102 100 80 242 8.690 12.245 71 100 26.000 212 Es sei jedoch abermals daran erinnert, dass für viele Professoren das Diensteinkommen an der Technischen Hochschule und ihren Vorläufern nur eine Einnahmequelle von mehreren war. Der Mathematiker Georg Hettner wies 1899 bei einer Bitte um Erhöhung seiner Bezüge darauf hin, dass „die Professoren der FachAbtheilungen neben ihrem Gehalt und dem Kollegiengeld meistens noch erhebliche Einnahmen aus ihren Arbeiten als Privat-Ingenieur“170 hätten. Die Größenordnung dieser Einkünfte lässt sich kaum bestimmen. Der Architekt Felix Genzmer erhielt für den Umbau des Königlichen Schauspielhauses in Berlin 1904/05 und seine Entwurfsarbeiten für ein neues Opernhaus ein Honorar von insgesamt 230.000 Mark und baute sich daraufhin eine Villa in Dahlem.171 Spätestens seit der Gründung der ‚Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie‘, an der er einen Anteil von zehn Prozent hielt, musste sich auch Adolf Slaby keine 169 Diese Tabelle ist mit verschiedenen Vorbehalten versehen. Der Index der Lebenshaltungskosten folgt Bry, Wages, S. 325ff., der Wert für 1851 ist ergänzt nach Fischer et al., Arbeitsbuch I, S. 149, deren Index folgende Kosten zugrunde liegen: „ein Herrenanzug, ein Paar Stiefel, ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, Wohnungsmiete, einen Tag Kost“ (S. 150, Anm. 2). Nach Bry waren die Lebenshaltungskosten in den Stichjahren 1874 und 1899 geringer als nach Desai, Wages, S. 117, dessen Index jedoch nur bis 1913 reicht (umgerechnet ergeben sich nach Desai die Indexzahlen 94 für 1874 und 78,4 für 1899). Eine Bewertung der Qualität der verschiedenen Indices findet sich bei Hohorst et al., Arbeitsbuch II, S. 108, Anm. 3, die resümieren, dass jeder Index für einen längeren Zeitraum „die mit der Steigerung der Realverdienste einhergehenden Veränderungen der Konsumgewohnheiten – wie etwa den stärkeren Verbrauch von teureren Nahrungsmitteln und die Erhöhung der Ausgaben für kulturelle Zwecke – nicht berücksichtigt.“ Zudem handelt es sich eher um einen Index der Lebenshaltungskosten im Arbeitermilieu als um einen bürgerlichen. Aus den zusammengestellten Daten lassen sich also lediglich allgemeine Trends ableiten. Außerdem ist zu bedenken, dass angesichts der Heterogenität der Charlottenburger Einkommensverhältnisse Durchschnittswerte nur von begrenzter Aussagekraft sind. 170 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. V, Bl. 290, 14. Mai 1899. Hettner erwähnte diesen Umstand, um seiner eigenen Forderung Nachdruck zu verleihen, da diese Möglichkeit „bei der rein wissenschaftlichen Thätigkeit der Mitglieder der Abtheilung für allgemeine Wissenschaften gänzlich“ entfalle. 171 Vgl. Schabe, Genzmer, S. 20f. Das Opernhausprojekt kam nicht zustande – nach langen Verzögerungen scheiterte es schließlich am Ausbruch des Ersten Weltkriegs (vgl. ebd.). 4.2 Zum Einkommen 251 wirtschaftlichen Sorgen mehr machen.172 Über Alois Riedler berichteten die Berliner Neusten Nachrichten im Oktober 1899, dass er „ein großes Werk über Arbeitsmaschinen beendigt“ habe: „Theils durch den Umfang des Werkes, besonders aber durch die sorgfältige Wiedergabe der zeichnerischen Darstellungen hätten sich die Kosten des Buches so erhöht, daß nach buchhändlerischer Schätzung der Ladenpreis 100 Mark betragen würde. Da ein solch enormer Preis die Anschaffung besonders den jüngeren Fachgenossen allzusehr erschweren würde, habe er sich entschlossen, die gesammten Herstellungskosten auf sich zu nehmen und schenke das Buch dem Verein [Deutscher Ingenieure]. Dieser solle es zu einem Preis von vielleicht 10 Mark verkaufen und der ganze Erlöß in die Hilfskasse des Vereins fließen.“173 Allein aus seinem Einkommen an der Hochschule und ohne die Einkünfte aus seinem privaten Ingenieurbüro hätte Riedler dies sicher nicht finanzieren können.174 Die Baukosten des von Hans Poelzig entworfenen und unter seiner Leitung zwischen 1928 und 1930 errichteten Verwaltungsgebäudes der I.G.-Farben in Frankfurt am Main beliefen sich insgesamt auf knapp 20 Millionen Reichsmark. Auch wenn sein Honorar nicht auf dieser Grundlage berechnet wurde, sondern anhand der erwarteten Kosten von 13 Millionen, war es mit 650.000 Reichsmark immer noch stattlich.175 Nicht mit allen Nebentätigkeiten und deren Folgen war die Kultusbehörde jedoch einverstanden. In den Akten findet sich ein Zeitungsausschnitt folgenden Inhalts: „Gutachten. Von den Königl. Hoflieferanten Herren J. F. Schwarzlose Söhne, Markgrafenstr. 29, Berlin, wurden mir fünf Proben verschiedener der anerkannt besten deutschen und französischen Veilchen-Extraits zur Prüfung übergeben. Ich unternahm dieselbe unter Assistenz von Damen, deren Sachkenntniß sich in solchen Dingen schon wiederholt bewährt hat. Nach wiederholten Proben auf Papier, Battist c. muß ich das Parfum Deutsches Wald-Veilchen für das Beste erklären, da es am stärksten und anhaltendsten seinen angenehmen Duft bewahrt, während die übrigen sehr rasch verflogen. Professor Dr. H. W. Vogel an der Königl. technisch. Hochschule Charlottenburg.“176 In der daraufhin angesetzten Unterredung sagte Vogel, Professor für Photochemie, er habe in der Tat nichts gegen die Veröffentlichung seines Gutachtens getan. Weiter gab er zu Protokoll: 172 Vgl. König, Wilhelm II., S. 175 und 243. 173 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VI (ohne Paginierung), Ausgabe der Berliner Neusten Nachrichten vom 13. Oktober 1899. 174 König merkt an, dass Riedler „neben seiner Hochschultätigkeit ein großes Ingenieurbüro [betrieb], was ihm Vorwürfe eintrug, die Lehre zu vernachlässigen“ (König, Wilhelm II., S. 178). 175 Vgl. Schmal, Einfluß, S. 52 und 58. Da die gestiegenen Baukosten mit Änderungen der Baupläne zusammenhingen, „kämpfte Poelzig seit 1930 um das seiner Meinung nach ihm zustehende zusätzliche Honorar von 300 000 RM“ (ebd., S. 58), blieb jedoch erfolglos. Ein Steuerprozess im Jahre 1935 brachte den Architekten in finanzielle Schwierigkeiten: „Ein Jahr später starb Hans Poelzig, seine junge Witwe musste verschuldet das erst 1930 von ihr entworfene Haus der Familie in Berlin-Charlottenburg verkaufen und mit den drei Kindern ausziehen“ (ebd.). 176 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. III, Bl. 386, ohne Datum. Es ist nicht ersichtlich, welcher Zeitung die Anzeige entstammt. 252 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg „Sollte aber auch angenommen werden, daß die Veröffentlichung mit meiner Ermächtigung oder nachträglichen Gutheißung erfolgt wäre, so glaube ich das Betreiben einer solchen Reklame, wenn man diesen Ausdruck darauf überhaupt anwenden darf, mit meiner Stellung als Beamter und wissenschaftlicher Lehrer der Hochschule wohl vereinigen zu können, indem ich darauf hinweise, daß die Herren Geheimrath Dr. Virchow, Prof. Liebreich, Geheimrath Dr. Bardeleben u. der berühmte Prof. Liebig, wie ich unter Einreichung gedruckter Belegstücke binnen einer Woche darthun werde, in ganz gleicher Weise für das Apollinaris-Wasser in der Presse Zeugniß abgelegt haben, und zwar zwanzig Jahre hindurch, ohne daß dagegen von ihren Aufsichtsbehörden – soweit ich weiß – irgendein Einspruch erhoben worden wäre.“177 Trotz Vogels Verteidigung sprach der Kultusminister dem Chemiker seine „ernste Mißbilligung“178 aus und drohte ihm für den Fall einer Wiederholung disziplinarische Maßnahmen an. 4.3 ÜBER ORDEN UND TITEL Am 29. Dezember 1867 sandte Hermann Wiebe, Professor für Maschinenlehre an Bau- und Gewerbeakademie, einen Beschwerdebrief an den Handelminister. Er sei „der älteste Lehrer der Maschinenkunde an den beiden höchsten technischen Lehranstalten Preußens“, seine Tätigkeit jedoch würde nicht gewürdigt. Weder habe man ihn in den Studienrat der Gewerbeakademie berufen noch in die Königliche Deputation für Gewerbe, noch in die Jury einer der preußischen Industrieausstellungen. Ebenfalls sei es eine Demütigung, dass im Gegensatz zu ihm viele seiner früheren Schüler bereits den Titel Regierungsrat führten, einige auch schon den des Geheimen Regierungsrats. „Ich könnte diese Aufzählung von Beispielen der Zurücksetzung und Nicht-Achtung meiner amtlichen Thätigkeit noch vergrößern.“ Wiebe schloss seinen Brief mit der Frage, ob ihm mit dieser Behandlung „nahe gelegt wird, meine Pensionierung anzufordern.“179 Der Minister suchte den verärgerten Professor zu beschwichtigen, lobte seine Wirksamkeit an den beiden Akademien und versicherte: „Es wird mich freuen, wenn sich eine Gelegenheit darbieten sollte, dieser Anerkennung noch besonderen Ausdruck zu geben.“180 Ein knappes Jahr später erhielt Wiebe den Roten Adler-Orden III. Klasse mit Schleife. Bei seiner Ernennung zum Direktor der Bauakademie 1877 verlieh man ihm schließlich auch den Charakter als Geheimer Regierungsrat. Das Streben nach Titeln und Orden wird gemeinhin als Ausdruck der Staatsbezogenheit bürgerlicher Kreise in den deutschen Staaten verstanden.181 Gerade 177 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. III, Bl. 385, 7. Februar 1896. 178 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. III, Bl. 387, 19. März 1896. 179 Alle Zitate GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VIII, Bl. 194ff., 29. Dezember 1867. Anlass des Schreibens war, dass Wiebe aus dem Staatsanzeiger erfahren hatte, dass sein gut zehn Jahre jüngerer Kollege Franz Reuleaux zum Direktor der Gewerbeakademie berufen worden war. 180 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VIII, Bl. 198, 23. Februar 1868. 181 Vgl. Nipperdey, Geschichte, Bd. 1, S. 395: „Für die Staatslastigkeit der Bürger wie der Gesamtgesellschaft ist die Ordens-, vor allem aber die Titelsucht bezeichnend.“ Vgl. auch Kocka, Gesellschaft, S. 70ff. Witt, Untertänigkeit, S. 174, versteht Orden und Titel als „Instru- 4.3 Über Orden und Titel 253 jene Gruppen, deren gesellschaftlicher Status unklar war – und dazu sind die hier untersuchten Professoren mindestens in der ersten Hälfte des Betrachtungszeitraums zu rechnen – strebten nach staatlicher und monarchischer Anerkennung.182 Die Ehrung mit Titeln und Orden, symbolischer und sichtbarer Ausdruck dieser Anerkennung, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und besonders unter Wilhelm II. zu einem integralen und gleichsam selbstverständlichen Bestandteil einer Laufbahn im preußischen Staatsdienst. In der Sitzung des Staatsministeriums am 20. Oktober 1916 wurde angemerkt, dass das „preußische Beamtentum geradezu dahin erzogen [ist …], in der Verleihung von Allerhöchsten Auszeichnungen ein Entgelt für seine Diensttätigkeit zu erblicken.“183 Auch die quantitative Entwicklung der Ordensverleihungen illustriert dies: Im Jahre 1867 ehrte der König 4.231 Personen, 1891 insgesamt 5.740, 1900 bereits 11.070 und 1913 schließlich 35.922.184 Die aus dieser Praxis resultierende Erwartungshaltung musste das Ausbleiben einer Ehrung wie im Falle Wiebes, der zum Zeitpunkt seiner Beschwerde 49 Jahre alt war, bereits seit 25 Jahren in staatlichen Diensten mentarien zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Loyalität und affektiven Bindungen“ an Staat und Monarch und sieht die restriktive Vergabe des Schwarzen Adler-Ordens, des höchsten preußischen Ordens, als verpasste Chance, eine Politik zur „Integration der exponiertesten Vertreter der Industrie, des Handels und der Banken oder auch der großen gesellschaftlichen Vereinigungen zu betreiben“ (S. 178). Kritischer zu Akzeptanz und Wirksamkeit des Orden- und Titelwesens urteilt Thompson, Honours, S. 195f.: „Much of the talk about ‘plagues’ of titles and honours, which began as early as the mid-nineteenth century, reflected critical attitudes towards the whole idea of titles and honours as much as the actual level of awards. Having no decorations was the done thing not just in the labour movement, but in various bourgeois circles. […] Honours did not inculcate respect for the state. On the contrary, the liberal vision of the state resulted in disrespect for honours.“ Allerdings räumt Thompson selbst ein: „Some who loftily dismissed the system in general took a different view when it was a matter of an award for themselves“ (S. 197). Insgesamt bleibt festzuhalten: Das Ordens- und Titelwesen „nicht nur funktionalistisch etwa zur staatlichen Herrschaftssicherung zu begreifen, sondern ebenso als mentalitätsgeschichtliches Phänomen bürgerlicher Gesellschaften empirisch vergleichend zu analysieren, bleibt ein Desiderat der Forschung“ (Acta Borussica NF, 1. Reihe, Bd. 5, S. 22f.). Vgl. auch Witt, Untertänigkeit, S. 164, 172 und 174. 182 Vgl. Thompson, Honours, S. 200. Thompson nennt „copyists or elementary schoolteachers“ als Beispiele. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass Hochschullehrer zwar den Rang der Räte 4. Klasse hatten, ihnen aber „ein erkennbares, sie eindeutig einordnendes Abzeichen ihres Ranges fehlte“ (Witt, Untertänigkeit, S. 168), da sie von Amts wegen keinen Ratstitel führten. 183 Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 10, Nr. 178, S. 171. Vgl. auch Witt, der anmerkt, „daß Orden ähnlich wie Beförderungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und nach dem Anciennitätsprinzip auf Beamte (und Offiziere) zukamen“ (Witt, Untertänigkeit, S. 175). 184 Vgl. Thompson, Honours, S. 182. Vgl. auch ebd., S. 181: „Titles and honours had become automatic accompaniments to a career in government service.“ Vgl. auch Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 5, S. 22. Mit dieser Ordensinflation korrespondiert die von den Zeitgenossen „weitgehend als unpreußisch empfundene Inflation der wilhelminischen Hofgesellschaft“ (Röhl, Kaiser, S. 111). 254 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg stand und dessen letzte Ordensverleihung elf Jahre zurücklag, um so schmerzhafter machen.185 In der Regel schlugen die jeweiligen Akademiedirektoren beziehungsweise Hochschulrektoren die Professoren für eine Ehrung vor. Das zuständige Ministerium – also bis 1879 das Handels-, danach das Kultusressort186 – prüfte diese Vorschläge und sandte sie zur weiteren Beratung an das Staatsministerium. Die Verleihungsurkunden selbst unterzeichnete der König eigenhändig.187 Erst 1911 verzichtete Wilhelm II. auf die Vorlage der Patente für die unteren Ordensklassen und die Titularräte, wodurch das Verfahren abgekürzt und vereinfacht wurde.188 Von den 165 zwischen 1851 und 1918 berufenen Professoren dekorierte der preußische König mindestens 85 Prozent mit einem Orden oder einem Ratstitel. Dabei lässt sich über den Untersuchungszeitraum hinweg zweierlei beobachten: Zum einen stieg der Anteil derjenigen Professoren, die geehrt wurden. Im Gründungsjahr der Technischen Hochschule trugen elf der 31 Charlottenburger und drei der fünf Bergakademie-Professoren, also insgesamt knapp 40 Prozent, einen preußischen Orden oder führten einen Ratstitel. Im Jahre 1918 war die Zahl der Professoren auf 70 gestiegen, von denen 57, gut 81 Prozent, mindestens eine derartige Auszeichnung besaßen. Zum anderen verkürzten sich die Zeiträume zwischen den einzelnen Ehrungen. Bei dem eingangs erwähnten Hermann Wiebe lagen zwölf Jahre zwischen der Verleihung des Roten Adler-Ordens IV. Klasse und dem III. Klasse. Sein Kollege Julius Manger, Professor für Baukunde am Gewerbeinstitut, erhielt seinen ersten Orden 1856, den zweiten 17 Jahre später; dem Mathematiker Siegfried Aronhold wurde 1869 der Rote Adler-Orden IV. Klasse verliehen, 1883 der III. Klasse. Sehr viel schneller ging es Anfang des 20. Jahrhunderts. Julius Weingarten, ebenfalls Mathematiker, bekam 1901 den Roten Adler-Orden IV. Klasse und schon 1903 die nächst höhere Klasse. Adolf Paalzow, Professor für Physik an der Technischen Hochschule, erhielt 1902 den Roten Adler-Orden III. Klasse mit Schleife, 1903 den Königlichen Kronenorden II. Klasse und 1904 den Roten Adler-Orden II. Klasse mit Eichenlaub. Die 1902 fixierten 185 Vgl. Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 7, S. 16: Die Beamten erblickten im Ausbleiben einer Ordens- oder Titelverleihung „ein Zeichen der Mißbilligung ihrer Amtsführung.“ Wiebe hatte 1856 den Roten Adler-Orden IV. Klasse erhalten. 186 Da die Professoren neben ihrer Lehrtätigkeit mitunter auch für andere Ministerien tätig waren, hielten diese sowohl vor als auch nach 1879 gegebenenfalls Rücksprache miteinander, bevor die Anträge gestellt wurden. 187 Vgl. Witt, Untertänigkeit, S. 164f. Vgl. auch Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 5, S. 22: Das Staatsministerium sicherte sich „das Vorschlagsrecht für die Verleihungen [von Orden und Titeln] durch den Monarchen, das bei den einzelnen Ressortministern lag, als Kollegialorgan.“ 188 Vgl. Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 10, S. 20: „Der Arbeitsaufwand [für Ordensverleihungen] wurde von dem Monarchen aber mit der Zeit zunehmend als Last empfunden, und seitens des Staatsministeriums bestand ein Interesse daran, den Verwaltungsgang abzukürzen sowie die Möglichkeit unbequemer Allerhöchster Eingriffe zu verringern.“ Wilhelm II. hielt jedoch fest, dass dieser partielle Verzicht auf Mitwirkung in Ordens- und Titelsachen nicht als Aufgabe des entsprechenden Kronrechts zu verstehen sei (vgl. ebd.). Vgl. auch Witt, Untertänigkeit, S. 165. 4.3 Über Orden und Titel 255 Tragezeiten, die mindestens vergehen sollten, bevor die höhere Klasse eines Ordens verliehen werden konnte, wurden hier bereits unterschritten.189 Der Rote Adler-Orden war im Jahre 1705 vom Erbprinzen Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth gestiftet worden.190 Nachdem das Fürstentum Bayreuth 1791 an Preußen gekommen war, erhob ihn Friedrich Wilhelm II. zum zweiten Ritterorden des Königreiches. Im Jahre 1810 stiftete Friedrich Wilhelm III. die zweite und die dritte Klasse des Ordens, im Jahre 1830 die vierte. Als Ergänzungen kamen mit der Zeit unter anderem Eichenlaub, Schwerter, Stern, Schleife und Krone hinzu, so dass der Orden 1907 in 118 verschiedenen Varianten verliehen werden konnte.191 Den Königlichen Kronenorden, der ebenfalls vier Klassen hatte, stiftete Wilhelm I. anlässlich seiner Krönung 1861.192 Obwohl er nominell dem Roten Adler-Orden gleichgestellt war, zeigt die Verleihungspraxis – die Klassen des Kronenordens wurden jeweils vor den entsprechenden Klassen des älteren Roten Adler-Ordens vergeben – eine faktische Nachordnung.193 Über diesen beiden stand der 1701 gestiftete Schwarze Adler-Orden, den 1912 insgesamt 55 Preußen tragen durften194 sowie der Verdienstorden pour le mérite, der in einer Militärklasse und in einer Klasse für Wissenschaft und Künste verliehen wurde.195 Für welchen Orden ein Beamter vorgeschlagen werden konnte, war von seiner Rangklasse abhängig. Die etatmäßigen Professoren der Technischen Hochschule in Charlottenburg gehörten wie die Ordinarien der Universitäten grundsätzlich zur vierten Rangklasse und standen damit auf einer Stufe mit den Regierungsräten in der allgemeinen Verwaltung.196 Im 62 Stufen umfassenden preußischen HofRang-Reglement von 1878, das Adels-, Militär- und Beamtenhierarchien inte189 Nach der „Zusammenstellung der für Ordensvorschläge geltenden Grundsätze“ sollten die IV. Klassen des Roten Adler-Ordens und des Königlichen Kronenordens mindestens zwei Jahre getragen werden, die III. Klassen drei Jahre und die II. Klassen fünf Jahre (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. I, Bl. 276, Februar 1902). „Jedoch soll ein rein mechanisches Aufsteigen in den Ordensklassen blos nach der Tragezeit nicht stattfinden, der Ablauf der Tragezeit vielmehr nur dann Veranlassung zum Antrag auf Verleihung einer höheren Klasse geben, wenn gleichzeitig ein besonderes Verdienst vorliegt“ (ebd.). 190 Vgl. hierzu und zum Folgenden Gritzner, Handbuch, S. 358ff. 191 Vgl. Thompson, Honours, S. 183. 192 Vgl. Gritzner, Handbuch, S. 374ff. 193 Gritzner, Handbuch, S. 374, betont die Gleichrangigkeit der Orden. In der „Zusammenstellung der für Ordensvorschläge geltenden Grundsätze“ von 1902 ist jedoch festgehalten, dass die jeweiligen Klassen des Kronenordens jenen des Roten Adler-Ordens untergeordnet seien (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. I, Bl. 276, Februar 1902). 194 Vgl. Thompson, Honours, S. 175. Ursprünglich war diese Zahl geringer: „Die Anzahl der inländischen Mitglieder, ausgenommen die Prinzen des Königl. Hauses, wurde auf 30 festgelegt“ (Gritzner, Handbuch, S. 351). Inländer und Ausländer zusammengerechnet erhöhte sich „in den Regierungsjahren Wilhelms II. […] die Zahl der Inhaber dieses Ordens von 81 auf 120“ (Röhl, Kaiser, S. 111). 195 Vgl. Gritzner, Handbuch, S. 354ff. 196 Vgl. Witt, Untertänigkeit, S. 168, der darüber hinaus festhält: „ob die ordentlichen Professoren besonders erfreut über eine Ranggleichheit mit Regierungsräten, dem ersten festbesoldeten Amt in der allgemeinen Verwaltung, waren […] darf nach den bewegten Klagen der Standesorganisationen bezweifelt werden“ (ebd.). 256 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg grierte und koordinierte, standen diese an 55. Stelle.197 Mit der Verleihung des Charakters als Geheimer Regierungsrat, Geheimer Baurat oder Geheimer Bergrat konnten die Professoren jedoch in die dritte Rangklasse aufsteigen.198 Einzelne Professoren erreichten auch höhere Ränge: Dem Architekten Julius Raschdorff verlieh Wilhelm II. bei der Einweihung des nach Raschdorffs Plänen und unter dessen Leitung errichteten Berliner Doms 1905 den Charakter als Geheimer Oberregierungsrat mit dem Rang der Räte II. Klasse; der Bauingenieur Johann Wilhelm Schwedler stieg 1893 gar bis zum Wirklichen Geheimen Oberbaurat mit dem Rang der Räte I. Klasse auf, allerdings war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Professor in Charlottenburg. Von den 68 etatmäßigen Professoren, die 1911 an Bergakademie und Technischer Hochschule unterrichteten, hatten 31, also rund 46 Prozent, einen Geheimratstitel. Dies entspricht recht genau dem Prozentsatz der Geheimräte unter den preußischen Universitätsordinarien im gleichen Jahr.199 Von den 6.287 im „Handbuch über den königlich Preußischen Hof und Staat für das Jahr 1911“ verzeichneten Anwälten und Notaren führten hingegen nur 73, also knapp 1,2 Prozent, den Titel eines Geheimen Justizrats.200 Insgesamt 76 Prozent der 165 zwischen 1851 und 1918 aktiven Professoren war mit dem Roten Adler-Orden oder dem Königlichen Kronenorden IV. Klasse geehrt worden, 38 Prozent hatten auch einen Orden III. Klasse erhalten und 17 Prozent waren bis in die zweite Ordensklasse aufgestiegen.201 Damit hatte ein recht großer Teil der Professorenschaft eine höhere Eh197 Vgl. Röhl, Kaiser, S. 95ff., der dieses differenzierte Reglement als „Unikum der Hofgeschichte“ charakterisiert: „Selbst der für sein erstickendes Zeremoniell berüchtigte österreichische Hof kam, wie der sächsische, mit fünf Rangstufen, der bayerische sogar mit drei aus“ (S. 97). Die Räte dritter Klasse standen an 49., die zweiter an 36. und die erster Klasse an 30. Stelle. Zur Bedeutung des Hof-Rang-Reglements vgl. S. 97ff. Das ‚Herzoglich Braunschweigische Hof-Rang-Reglement‘ umfasste 37 Stufen, und die Professoren der dortigen TH standen an 22. Stelle (vgl. Albrecht, Braunschweig, S. 590). 198 Vgl. Witt, Untertänigkeit, S. 168f. Der höhere Rang wurde ad personam verliehen. Die Rangerhöhung war nach Witt zugleich eine „diskrete und effektive Gesinnungskontrolle“ (ebd.), war jedoch nicht notwendigerweise Bestandteil der Titelverleihung (Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. II, Bl. 200, 1913). Für die Vielzahl der Ratstitel vgl. Thompson, Honours, S. 183. 199 Vgl. Witt, Untertänigkeit, S. 169. Von 714 Ordinarien hatten 335 (47 Prozent) einen Geheimratstitel. An der Berliner Universität war dieser Wert mit 80 Prozent deutlich überdurchschnittlich. 200 Vgl. Witt, Untertänigkeit, S. 166f. Auch der Titel des Geheimen Kommerzienrats wurde zurückhaltender vergeben. Nach Reitmayer, Bankiers, S. 76, erhielten während des Kaiserreichs 38 Bankiers der Hochfinanz diese Auszeichnung. Dies entspricht bei einer Gesamtzahl von 376 einem Anteil von gut zehn Prozent. Reitmayer definiert die Zugehörigkeit zur Hochfinanz über die Mitgliedschaft im Preußenkonsortium bzw. Reichsanleihenkonsortium: „Die Leiter und Inhaber dieser 39 praktisch über das gesamte Reichsgebiet verteilten Institute repräsentierten alle Sparten des privaten deutschen Bankgewerbes“ (S. 22). 201 Der ältere Rote Adler-Orden wurde dabei in den unteren Klassen häufiger verliehen: 126 trugen ihn in der IV. Klasse, während lediglich sechs den Kronenorden der entsprechenden Klasse besaßen. Insgesamt 45 Professoren waren Träger des Roten Adler-Ordens, 39 des Königlichen Kronenordens III. Klasse. Umgekehrt war es in der zweiten Ordensklasse: 16 Professoren besaßen den Roten Adler-Orden, 27 den Königlichen Kronenorden. Unter den 376 4.3 Über Orden und Titel 257 rung erfahren, als für die Räte der vierten Rangklasse eigentlich vorgesehen war. Nach den für Ordensvorschläge geltenden Grundsätzen aus dem Jahre 1902 sollten diese in der Regel für die vierte Klasse des Roten Adler-Ordens beziehungsweise des Königlichen Kronenordens vorgeschlagen werden und erst beim Ausscheiden aus dem Dienst oder bei Dienstjubiläen die dritte Klasse erhalten.202 Erwartungsgemäß wurden die einzelnen Professoren sehr unterschiedlich bedacht. Während der Mathematiker Ernst Kossak 1892 nach zwanzigjähriger Tätigkeit an Gewerbeakademie und Technischer Hochschule verstarb, ohne einen Orden erhalten zu haben, wurde der Zeichenlehrer Albert Grell anlässlich seiner Pensionierung wenigstens mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse geehrt – „in Anerkennung seiner 40jährigen treuen Lehrthätigkeit, die er bis auf die letzten fünf Jahre Beurlaubung ununterbrochen ausgeübt hat“203, wie der Rektor den Antrag begründete. Der ‚Architekt seiner Majestät des Kaisers‘ Johann Heinrich Strack hingegen war seit 1862 Geheimer Oberhofbaurat, seit 1866 Ritter des Ordens pour le mérite in der Klasse für Wissenschaft und Künste und seit 1873 Träger des Königlichen Kronenordens II. Klasse.204 Noch höher dekoriert war Adolf Slaby, der 1892 den Charakter als Geheimer Regierungsrat erhielt, 1896 den Königlichen Kronenorden II. Klasse, 1899 den Roten Adler-Orden II. Klasse mit Eichenlaub, 1901 den Stern zum Kronenorden und zu seiner Pensionierung 1912 den Stern zum Roten Adler-Orden. Zudem war er 1906 mit dem Komturkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern geehrt worden, eine Auszeichnung, die nur auf Initiative des preußischen Königs an ihm bekannte Personen vergeben wurde.205 Gerade bei Slaby ist die Vielzahl der Ehrungen wohl eher auf seine persönliche Bekanntschaft mit Wilhelm II. zurückzuführen denn auf seine wissenschaftlichen Verdienste. Maximilian Gritzner, Herausgeber des 1893 erschienenen „Handbuchs der Ritter- und Verdienstorden aller Kulturstaaten der Welt“ hält in seiner Einleitung fest: „Entschieden ist zu bedauern, daß es sehr wenig wirkliche Verdienstorden giebt, daß dem Staatsmann und Beamten, dem Gelehrten, dem Künstler für oft jahrelange Arbeit genau derselbe Orden verliehen wird, den ein Anderer lediglich durch Fürstliche Gunst erhält.“206 202 203 204 205 206 von Reitmayer untersuchten Bankiers im Kaiserreich hatten lediglich 13 (3,5 Prozent) einen Orden II. Klasse erhalten (vgl. Reitmayer, Bankiers, S. 71, Anm. 48). Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. I, Bl. 276, Februar 1902. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. III, Bl. 117, 9. Januar 1891. Strack war der einzige der Professoren, der während seiner Dienstzeit an einer der technischen Akademien bzw. an der Technischen Hochschule zum Ritter des Ordens pour le mérite gewählt wurde. Karl Weierstraß (1875) und Hermann Ende (1891) waren zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Wahl bereits an der Universität bzw. an der Akademie der Künste tätig. Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. I, Bl. 276, Februar 1902. Witt merkt an: „selbst für die Wirklichen Geheimen Räte aus der Professorenschar blieb neben der sehr prestigereichen, auf Selbstergänzung der Ritter beruhenden ‚Friedens‘klasse des Orden pour le mérite die 2. Klasse des Roten Adler Ordens die höchste erreichbare Auszeichnung“ (Witt, Untertänigkeit, S. 176). Gritzner, Handbuch, S. V. 258 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Die Anlässe für die Verleihung von Orden und Titeln waren vielfältig. Schon fast verbunden mit einer Dekorierung war das Rektorat, für dessen Dauer die Professoren zudem in die zweite Rangklasse aufstiegen. Der Professor für Projektionslehre Guido Hauck war in den Studienjahren 1883/84 und 1884/85 Rektor und erhielt 1884 sowohl den Roten Adler-Orden IV. Klasse als auch den Titel Geheimer Regierungsrat. Für das Studienjahr 1896/97 wurde Hauck wiederum zum Rektor der Hochschule gewählt und bekam beim Ordensfest 1897 den Roten Adler-Orden III. Klasse mit Schleife verliehen. Insgesamt erhielten rund zwei Drittel der Professoren, die zwischen 1879 und 1918 das Rektorat innehatten, aus diesem Anlass einen Orden oder Titel. Genauso wie der König seine Reisen in die preußischen Provinzen nutzte, um Ehrungen zu verteilen, so tat er dies auch, wenn er an der Charlottenburger Hochschule weilte.207 Die Dekorationen, die er nach dem Besuch eines Vortrags von Adolf Slaby verlieh, sind bereits erwähnt worden. Freigebig zeigte er sich auch, als er die Hochschule im November 1884 anlässlich der Einweihung des neuen Gebäudes aufsuchte oder im Oktober 1899 bei der Hundertjahrfeier der Hochschule. Bei letztgenannter Gelegenheit verteilte er insgesamt zwölf Orden und drei Ratstitel unter den 38 etatmäßigen Professoren.208 Auch die übrigen Angestellten der Hochschule vergaß Wilhelm II. nicht: Der Bibliothekar Kempert beispielsweise erhielt den Kronenorden IV. Klasse, die Saaldiener Zimmermann, Krasemann und Sprotte das Allgemeine Ehrenzeichen und der Portier Rudolph das Allgemeine Ehrenzeichen in Gold.209 Neben diesen gleichsam institutionellen gab es eine Vielzahl individueller Anlässe für Ordens- oder Titelverleihungen. August von Borries erhielt sein Patent als Geheimer Regierungsrat im Jahre 1902 zusammen mit seiner Bestallung zum etatmäßigen Professor für Verkehrsmaschinenwesen in Charlottenburg. Eugen Brandt, Inhaber des Lehrstuhls für Hochbau und Eisenkonstruktion, bekam im gleichen Jahr den Roten Adler-Orden III. Klasse mit Schleife „aus Anlaß seines Übertritts in den Ruhestand.“210 Den Mathematiker Siegfried Aronhold schlug der Direktor der Gewerbeakademie Franz Reuleaux 1869 nicht zuletzt deswegen für eine Auszeichnung vor, weil er fürchtete, jener könne die Berufung Elwin Christoffels, ebenfalls Mathematiker, als „eine Art von Mißtrauensbezeugung“211 empfinden. Ein Orden würde eine mögliche Verstimmung ausräumen, mutmaßte 207 Vgl. Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 5, S. 22: „Orden wurden regelmäßig bei den seit 1810 alljährlich stattfindenden Krönungs- bzw. Ordensfesten oder anlässlich von Reisen des Königs in die Provinzen sowie bei Militärübungen verliehen.“ 208 Vgl. die Chronik im Vorlesungsverzeichnis 1900/01, S. 119. Für die Ordensverleihungen anlässlich der Einweihung des Hauptgebäudes vgl. das Vorlesungsverzeichnis 1885/86, S. 102f. 209 Vgl. die Chronik im Vorlesungsverzeichnis 1900/01, S. 119. 210 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. V, 7. September 1902 (ohne Paginierung). 211 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. IX, 1869 (ohne genaues Datum, ohne Paginierung). Aronhold hatte zudem im August 1868 einen Ruf an die Universität Gießen abgelehnt und blieb auch in Berlin, als ihm die ETH Zürich einige Monate später eine Stellung anbot. 4.3 Über Orden und Titel 259 Reuleaux. Im April verlieh Wilhelm I. Aronhold den Roten Adler-Orden IV. Klasse.212 Die Wahrung gütlicher Verhältnisse innerhalb des Kollegiums hatte auch bei der Verleihung des gleichen Ordens an den Architekten Ferdinand von Arnim eine Rolle gespielt. Im Dezember 1863 – Arnim feierte im darauf folgenden Jahr seinen 50. Geburtstag – schlug Carl Busse, Direktor der Bauakademie, dem Handelsminister die Ehrung des Professors vor und schloss seinen Brief mit der Bemerkung, „daß derselbe in politischer Gesinnung und Haltung stets Sr. Majestät dem Könige treu ergeben sich erwiesen hat, und daß die älteren Lehrer der Akademie bereits im Besitze gedachter Decoration sind.“213 Ein ebenfalls typischer Grund für die Verleihung von Orden oder Titeln war die Ablehnung von Berufungen an Hochschulen oder von Stellenangeboten aus der Privatwirtschaft.214 Über den Physiker Heinrich Rubens heißt es im Antrag auf den Roten Adler-Orden IV. Klasse summarisch: „Wiederholt sind von Universitäten ehrenvolle Rufe an ihn ergangen, er ist aber seiner Wirkungsstätte an der Technischen Hochschule treu geblieben.“215 In anderen Fällen war der Orden gleichsam eine Zugabe. Der Bauingenieur Adolf Goering lehnte 1894 einen Ruf an die Technische Hochschule in Dresden ab, nachdem ihm das Kultusministerium eine Gehaltszulage garantiert hatte. Zwei Wochen später wurde er für die vierte Klasse des Roten Adler-Ordens vorgeschlagen.216 Emil Josse, Professor für Dampfmaschinenbau und Wärmetechnik, handelte 1899 eine Erhöhung seiner Bezüge von 7.000 auf 8.500 Mark aus und schrieb dem Handelminister nach der Bestätigung dieser Vereinbarung: „Ich habe darauf hin die mir von der russischen Elektrizitätsgesellschaft Union angebotene Directionsstelle abgelehnt, trotzdem die Gesellschaft, wie Euer Excellenz aus beiligendem Telegram hochgeneigtest zu ersehen belieben, das angebotene Gehalt auf mehr als 43000 M. erhöht hat.“217 Gut einen Monat später unterzeichnete Wilhelm II. den Allerhöchsten Erlass über die Verleihung des Roten Adler-Ordens IV. Klasse an den gerade einmal 33jährigen Josse.218 Wenige Tage zuvor hatte der Handelsminister für den Schiffbautech212 Vgl. auch Acta Borussica, NF, 1. Reihe, Bd. 7, S. 16: „Zuweilen war dergleichen [i. e. Orden und Titel] auch als kompensatorisches ‚Trostpflaster‘ für geringe Remuneration oder für die Übergehung bei Beförderung gedacht.“ 213 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. III, 10. Dezember 1863 (ohne Paginierung). 214 Dies war auch an der TH in Braunschweig der Fall: „Die Titel- und Ordensverleihungen an die Professoren standen nicht selten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ablehnung einer Berufung an eine auswärtige Hochschule“ (Albrecht, Braunschweig, S. 590). 215 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. VIII, 13. Dezember 1905 (ohne Paginierung). 216 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. III, 5. Januar 1894 (ohne Paginierung) und ebd., 21. Januar 1894. 217 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VI, 28. Juli 1899 (ohne Paginierung). 218 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VI, 9. September 1899 (ohne Paginierung). Unter den Professoren, für deren Auszeichnungen mit dem Roten Adler-Orden 260 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg niker Oswald Flamm den gleichen Orden beantragt, da diesem ebenfalls eine Stelle im Zarenreich angeboten worden war: „Seine hervorragende Täthigkeit hat ihm einen Ruf als Leiter einer in Nicolaien in Rußland gegründeten großen Schiffswerft und Maschinenfabrik verschafft, den er trotz der verlockenden Anerbietungen aus Liebe zu seinem Lehrfach abgelehnt hat.“219 Indirekt sind diese Auszeichnungen anlässlich der Ablehnung auswärtiger Rufe als Anerkennung wissenschaftlicher und beruflicher Leistungen anzusehen, die natürlich ebenfalls Grund für den Erhalt eines Ordens sein konnten.220 Recht unspezifisch ist die Begründung bei Emil Oskar Winkler, Professor für mathematische Baukonstruktion: Er sei „in seinem Fach eine anerkannte Autorität.“221 Ausführlicher erläuterte das Kriegsministerium 1903, warum der Photochemiker Adolf Miethe und sein Assistent einer Ordensauszeichnung würdig seien: „Die Genannten haben ein Verfahren erfunden, welches gestattet, einer Brieftaube etwa 10 mal soviel Nachrichten mitzugeben, als dies bisher möglich war; sie haben dasselbe unentgeltlich und ohne jede Verpflichtung der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt, sowie viel Arbeit und Zeit, vermutlich auch pekuniäre Opfer auf Ausbildung dieses sich durchaus bewährten Verfahrens verwendet.“222 Bei Carl Liebermann, ebenfalls Chemiker, nahm das Kultusministerium sowohl 1889 in einem Antrag für den Roten Adler-Orden IV. Klasse als auch 1897, im Antrag für den Titel Geheimer Regierungsrat, Bezug auf seine wissenschaftlichen Leistungen bei der Entwicklung einer Methode zur künstlichen Herstellung des roten Farbstoffs Alizarin. „Für Frankreich hatte die Erfindung die nachteilige Wirkung, daß es seinen Bau von natürlichem Krapp allmählich einstellen mußte und damit einen Exportmarkt von etwa 12 Millionen Mark verlor.“ 223 219 220 221 222 223 bzw. mit dem Königlichen Kronenorden das genaue Jahr ermittelt werden konnte, war Josse damit der jüngste Ordensträger. Für die Verleihung von Ratstiteln lag das Mindestalter bei 40 Jahren (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. II, Bl. 270, 5. Mai 1917). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. I, 4. September 1899 (ohne Paginierung). Im Gegensatz dazu hält Witt, Untertänigkeit, S. 164f., fest, dass im Zusammenhang mit der Verleihung von Ratstiteln an Beamte „die fachliche Kompetenz der Vorgeschlagenen“ anscheinend keine Rolle spielte. Andererseits ist zu erwägen, ob ein Beamter für eine Auszeichnung vorgeschlagen worden wäre, wäre seine Amtsführung hinter den Erwartungen seiner Vorgesetzten zurückgeblieben. Vgl. auch Reitmayer, Bankiers, S. 68, der die unterschiedlichen Kriterien bei Nobilitierung und Verleihung eines Ratstitels betont: „Die Vergabe der Ratstitel orientierte sich außerdem weitaus stärker am beruflichen Erfolg des Ausgezeichneten.“ Daraus folgert Reitmayer: „Die Attraktivität des Kommerzienratstitels in der Geschäftswelt lag in der Anerkennung und Bestätigung unternehmerischer Macht durch eine eingehende und formalisierte staatliche Prüfung des Kandidaten“ (ebd.). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. II, Bl. 58, um 1888, ohne Datum. Winkler erhielt den Roten Adler-Orden IV. Klasse. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. V, 3. Januar 1903 (ohne Paginierung). Miethe wurde mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse ausgezeichnet. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. IV, Bl. 62, 2. Dezember 1897. Eigenwillig erscheint, dass 1894 das Kultus- dem Handelministerium davon abgeraten hatte, Lie- 4.3 Über Orden und Titel 261 Im ersten Vorschlag wurde zudem darauf hingewiesen, Liebermann habe „eine wichtige Entdeckung gemacht, indem die Untersuchung der bisher technisch werthlosen Abfälle der Kokainfabrikation ihn auf den Weg führte, diese Abfälle mit gutem technischen Erfolg in reines Kokain überzuführen.“ 224 In der Regel verliefen die Verfahren zur Ordens- und Titelverleihung recht reibungslos, und Konflikte waren die Ausnahme. Als Richard Lucae 1876 Carl Bötticher anlässlich dessen Pensionierung für den Roten Adler-Orden III. Klasse vorschlug, erbat Handelsminister Heinrich Achenbach bei seinem Kollegen im Kultusministerium Adalbert Falk eine Stellungnahme, da Bötticher gleichzeitig Direktor der Skulpturensammlung der Königlichen Museen war. Falk äußerte Bedenken, „da die amtliche Thätigkeit des p. Bötticher bei den Königlichen Museen gerade in letzter Zeit zu einer solchen Auszeichnung durchaus keine Veranlaßung bot.“ Falls Achenbach den Antrag dennoch stellen wolle, so bat Falk, „daß Ew. Excellenz die Geneigtheit hätten, diese Auszeichnung ausdrücklich als eine lediglich mit Rücksicht auf die Thätigkeit des p. Bötticher in Hochdero Ressort gewährte bezeichnen zu wollen.“225 Der Handelsminister folgte dieser Bitte und Bötticher, der seit 1851 etatmäßiger Zeichenlehrer an der Bauakademie gewesen war, erhielt den Orden. Die gleiche Auszeichnung hatte Julius Manger, von 1851 bis 1873 Lehrer für Baukunde an der Gewerbeakademie, bei seiner Pensionierung erhalten. Manger hatte selbst beantragt, in den Ruhestand versetzt zu werden, da „die zunehmende Schwäche seiner geistigen Kräfte bei dem hohen Alter ihn zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig“226 mache, wie Franz Reuleaux dem Handelsminister mitteilte. Mit der von Reuleaux vorgeschlagenen Auszeichnung war Achenbach jedoch nicht einverstanden, weil der Titel „Geheimer Bau-Rath nicht als solcher verliehen, sondern nur den Ministerial-Bauräthen als Amtscharacter beigelegt zu werden pflegt.“227 Er beantragte stattdessen den genannten Orden für Manger. Auch als das Kultusministerium 1901 Heinrich Strack, Professor für Antike Baukunst und Ornamentzeichnen, den Titel Geheimer Baurat verleihen wollte, meldete der Handelsminister Bedenken an. Allerdings scheint die Frage des Amtscharakters hier keine Rolle mehr gespielt zu haben, der Minister bemängelte vielmehr, dass „Strack keine Preußische Staatsprüfung abgelegt und, soweit hier be- 224 225 226 227 bermann und seinen Kollegen Carl Graebe aufgrund ihrer Erfindung auszuzeichnen. Zum einen sei zuviel Zeit vergangen – das Patent wurde 1869 angemeldet – und zum anderen unterscheide sich das technische Verfahren zur fabrikmäßigen Herstellung des Farbstoffs sehr stark von Liebermanns und Graebes ursprünglicher Methode (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. III, Bl. 200, 9. Januar 1894 und ebd., Bl. 204ff., 2. Februar 1894). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. II, Bl. 164, 5. November 1889. Außerdem hatte Liebermann einen auswärtigen Ruf abgelehnt. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 3, Bd. V, 12. Februar 1876 (ohne Paginierung). Für das Schreiben Lucaes vgl. ebd., 6. Januar 1876, für das Achenbachs ebd., 22. Januar 1876. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XII, Bl. 63, 14. Oktober 1873. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XII, Bl. 62, 27. Oktober 1873. 262 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg kannt, keine praktische Bauthätigkeit von Bedeutung ausgeübt“228 habe. Daraufhin beantragte der Kultusminister den Charakter als Geheimer Regierungsrat für Strack. Schwer einzuschätzen ist der Stellenwert, welche die Professoren ihren Orden und Titeln beimaßen. Als Otto Naumann, Leiter der Hochschulabteilung im Kultusministerium, den Bergbauwissenschaftler Ludwig Tübben in einem Brief versehentlich mit ‚Geheimrat‘ ansprach, antwortete dieser: „Die gewählte Anschrift ‚Geheimrat‘ kommt mir leider nicht zu, da mir dieser Titel trotz meines Dienstalters von mehr als 27 Jahren als Staatsbeamter bisher noch nicht verliehen wurde.“229 Der Architekt Carl Schäfer hingegen stellte nach seinem Wechsel an die Technische Hochschule in Karlsruhe öffentlich klar: „Es ist unrichtig, daß die Unterrichtsverwaltung mir für den Fall meines Verbleibens in Berlin nichts anderes geboten habe, als den Geheimrathstitel und eine Geldzulage in Form von Reiseunterstützungen.“230 Während bei Schäfer deutlich wird, dass eine Ehrung letztlich andere Nachteile nicht vergessen machen konnte – er ging, da es ihm nicht gelungen war „als ausübender Architekt […] besonders aber beim Neubau von Kirchen in Berlin und bei der Pflege der vaterländischen Baudenkmäler, Berücksichtigung zu finden“231 – steht bei Tübben wohl der neidische Blick auf seinen Kollegenkreis im Vordergrund: Unter den acht Ordinarien der Abteilung für Bergbau war er 1920 der einzige, der den Titel Geheimer Bergrat nicht führte. Vor diesem Hintergrund ist Gustav Stresemanns Ansicht nachvollziehbar, der die Abschaffung der Orden in der Weimarer Republik als „eine Torheit und eine psychologische Dummheit“232 bezeichnete. Damit Professoren wie Tübben sich nicht zurückgesetzt fühlten, hatte das Kultusministerium schon 1921 erwogen, den Titel Geheimer Regierungsrat als „Altersbezeichnung“233 zu verleihen, das Staatsministerium lehnte dies jedoch ab. Andererseits wurden die vor 1918 verliehenen Titel weiterhin in den Vorlesungsverzeichnissen und auch im Handbuch des preußischen Staates 228 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. VI, Bl. 168, 18. November 1901. Heinrich Strack war der „Neffe des verstorbenen Geheimen Hof- und Baurath Strack“ (ebd., Bl. 161, 1. November 1901), der von 1865 bis zu seinem Tod 1880 an Bauakademie und Technischer Hochschule unterrichtet hatte. 229 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 17, Bd. I, 9. August 1920. 230 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. IV, Bl. 320, 7. August 1894. Schäfer schrieb dies in einem Beitrag für die Norddeutsche Allgemeine Zeitung. 231 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. IV, Bl. 279f., 6. Juni 1894. 232 Akten der Reichskanzlei, Marx I und II, Bd. 1, Nr. 95, S. 340 (Sitzung vom 8. Februar 1924). Nach Stresemann war eine Wiedereinführung der Orden „von unbedingter Notwendigkeit“ (ebd.). Die Reichsverfassung verbot auch die Annahme ausländischer Orden (vgl. Art. 109, Abs. 5 und 6). Dieses Verbot wurde 1933 aufgehoben (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. II, Bl. 380, 1933). 233 GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18, Bd. II, Bl. 319, 1921. 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 263 aufgeführt. Zudem legten die derart dekorierten Professoren in der Regel weiterhin Wert darauf, auch als ‚Herr Geheimrat‘ angesprochen zu werden.234 Mit dem Verzicht auf Orden und Titel beraubte sich die Weimarer Republik eines Regierungsmittels, dessen Einsatz im Kaiserreich sicher die Treue zu Monarch und Staat nicht garantiert hatte, dessen Fehlen die vergangene Zeit nun jedoch auch in dieser Hinsicht glanzvoller erscheinen ließ.235 Die recht regelmäßigen königlichen Ehrungen hatte für die Professoren eine wiederkehrende Bestätigung ihrer gesellschaftlichen Stellung bedeutet – es sei an Dobberts Bemerkung zum Verfassungsstatut der gerade gegründeten Technischen Hochschule erinnert: „Die Bestimmung des neuen Statuts, wonach die etatmäßigen Professoren von Seiner Majestät dem König ernannt werden, gereichte der Hochschule zu freudiger Genugthuung.“236 Jedes von königlicher Hand unterzeichnete Ordens- oder Titelpatent war gleichsam eine Erneuerung dieser Genugtuung.237 4.4 DER LEHRSTUHL IM KONTEXT DER KARRIERE Kurz nach seiner Emeritierung im Jahre 1922 schrieb der Volkswirtschaftler Julius Wolf über die Charlottenburger Hochschule, an der er seit 1913 gelehrt hatte, sie sei die „erste Technische Hochschule nicht Deutschlands allein, sondern der Welt.“238 Ähnlich urteilte sein Vorgänger Heinrich Herkner, dem zwar „eine mittelgroße, in einer kleinen Stadt gelegene Universität weit lieber gewesen“ wäre, den aber die „Einwirkungsmöglichten auf künftige Arbeitgebergenerationen“239 reizten. Auch dem Eisenbahningenieur Carl Dolezalek war es wichtig, mit seiner 234 Vgl. Witt, Untertänigkeit, S. 169. Vgl. auch Lenger, Sombart, S. 257, der berichtet, „daß man noch Mitte der 20er Jahre als Student bei Werner Sombart in Berlin sofort aus der Sprechstunde herausflog, wenn man ihn nicht mit ‚Herr Geheimrat‘ anredete!“ (Zitat René König). 235 Vgl. Sontheimer, Hochschullehrer, S. 221, der über die universitären Festreden anlässlich des Reichsgründungstags (18. Januar) schreibt: „Am häufigsten ist der Vergleich der ruhmreichen Vergangenheit des Reiches mit der traurigen Gegenwart, in der das Reich sich präsentiere. Licht umglänzt das Kaiserreich, Finsternis deckt die demokratische Republik.“ Vgl. auch Fattmann, Bildungsbürger, S. 236, der „die Klage eines Richters leitmotivisch für alle höhere [sic] Beamten“ zitiert: „Der kaiserliche Staat […] habe den Richtern – anders als die Republik – ‚gewiß keine Glücksgüter in den Schoß gelegt‘, ihnen aber doch ‚ein wenigstens zur Not auskömmliches Gehalt und als Entschädigung für die großen Kosten des Studiums und der Wartezeit eine geachtete Stellung, Orden und Titel‘ gegeben.“ 236 Dobbert, Chronik, S. 102. 237 Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass in der von 1881 bis 1910 im Anhang des Vorlesungsverzeichnisses veröffentlichten „Chronik der Königlichen Technischen Hochschule“ die Ordens- und Titelverleihungen an Angehörige der Hochschule alljährlich minutiös dokumentiert wurden. 238 Wolf, Wolf, S. 230. 239 Herkner, Lebenslauf, S. 104. 264 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Professur in Charlottenburg „einen größeren Wirkungskreis zu gewinnen“240, als er ihn an der Technischen Hochschule in Hannover hatte. Eindrücklicher als diese punktuellen Äußerungen illustriert ein Blick auf die Gründe für das Verlassen der Hochschule den Stellenwert des Charlottenburger Ordinariats in den beruflichen Laufbahnen der einzelnen Hochschullehrer. Von den 216 Professoren, die bis einschließlich 1944 aus dem Amt schieden, wurden 44 Prozent pensioniert beziehungsweise emeritiert, 33 Prozent ereilte der Tod und lediglich 20 Prozent wechselten in eine andere Anstellung.241 Die Charlottenburger Hochschule trägt also zweifelsohne Züge einer „Endstationsuniversität“242, was angesichts ihrer hohen Studierendenzahl kaum überrascht.243 Der hohe Anteil der Professoren, die im Amt verstarben, ging nach Einführung von Dienstaltersgrenze und Emeritierung schnell zurück. Lag dieser Prozentsatz zwischen 1901 und 1920 noch bei 40, waren es zwischen 1921 und 1940 nur noch 20 Prozent. Das Festhalten am Lehrstuhl, das sich vor 1920 so häufig beobachten lässt, hatte nicht zuletzt finanzielle Gründe. Franz Reuleaux merkte 1874 in einem Schreiben an den Handelsminister an, dass die Beschaffenheit des preußischen Pensionsgesetzes „den alternden Beamten nicht dazu antreibt, die wohlverdiente Ruhe von den Geschäften sich zu gönnen, sondern dazu, die Kräfte so lange zur Pflichterfüllung anzuspannen, als es geht, um das Ruhegehalt immer noch zu steigern.“244 Forschung und Lehre konnten darunter leiden. Im Jahre 1896 bat der Kultusminister im Finanzressort um die Gewährung einer weiteren Dozentur für Physik an 240 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. VI, 8. Februar 1907 (ohne Paginierung). Die Formulierung findet sich in der kurz darauf zurückgenommenen Ablehnung des Rufs nach Charlottenburg. 241 Die absoluten Werte lauten 94, 71 und 44. Hinzu kommen sieben Professoren, die während des „Dritten Reiches“ entlassen wurden, s. o., S. 144. 242 Vgl. Baumgarten, Professoren, S. 18: „Es entstand ein System von Einstiegs-, Aufstiegs- und Endstationsuniversitäten. Jede Universität läßt sich aufgrund ihrer Berufungschancen einer [sic] dieser drei Typen zuordnen.“ 243 Vgl. Baumgarten, Professoren, S. 264, die feststellt, dass sich sowohl in den Geistes- als auch in den Naturwissenschaften „die Berufungschancen der jeweiligen Universität grundsätzlich nach ihrer Frequenz“ richteten. Baumgarten erläutert auch, dass die Abwanderungsquote nicht für sich allein betrachtet werden kann, sondern im Zusammenhang mit der jeweiligen Universitätsgröße zu beurteilen ist: Es „ist davon auszugehen, daß hohe Abwanderungsquoten insbesondere für die kleineren Universitäten als Qualitätsmerkmal zu kennzeichnen sind. Je mehr Hochschullehrer die Universität verließen, desto besser hatte sie berufen. Umgekehrt verhielt es sich bei den großen Universitäten. Für sie galt, je weniger Professoren an andere Universitäten wechselten, umso höher war ihre Reputation“ (S. 172). 244 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. XIII, Bl. 17ff., 20. Juli 1874 (Abschrift). Im Gegensatz zu den Universitätsordinarien, die ihr Gehalt auch nach der Emeritierung weiterhin in voller Höhe erhielten, bemaß sich das Ruhegehalt der Professoren der technischen Akademien und der TH bis zur preußischen Hochschulreform während der Weimarer Republik am letzten Diensteinkommen (ohne Honorareinnahmen) und der Zahl der Dienstjahre: Bei weniger als elf Jahren in staatlichen Diensten betrug das Ruhegehalt 15/60 des letzten Einkommens, für jedes weitere Jahr kam 1/60 hinzu bis maximal 45/60 (vgl. Bornhak, Rechtsverhältnisse, S. 59f. und 91). 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 265 der Charlottenburger Hochschule, da sich der Unterricht „in einem keineswegs wünschenswerthen Zustande“ befinde. Der 73jährige Lehrstuhlinhaber Adolf Paalzow sei zwar „noch rüstig“ und habe „von alter Zeit her in der physikalischen Welt einen wissenschaftlichen Ruf, der es nicht gerathen scheinen läßt, ihn wider seinen Willen zu pensionieren“, leider gelinge es ihm aber „nicht mehr, die Zuhörer so anzuregen und zu fesseln, wie es im Interesse der Anstalt und der Studierenden zu wünschen wäre.“ Von den rund 350 Hörern seines Kollegs über Experimentalphysik, könne „kaum die Hälfte seinen Vortrag verstehen und seine Experimente deutlich sehen.“245 Der Finanzminister bewilligte die Dozentur, und acht Jahre später beantragte der nun 81jährige Paalzow schließlich seine Pensionierung. Die Einführung der Dienstaltersgrenze nahm den Professoren jedoch einen Teil ihres Sonderstatus, den sie gegenüber anderen unmittelbaren Staatsbeamten genossen. Dementsprechend nannte der bereits erwähnte Architekturprofessor Friedrich Seeßelberg seine Emeritierung aufgrund eines Gesetzes „von der marxistischen Regierung“ in einem Brief an den kurzzeitigen Leiter der Hochschulabteilung im Erziehungsministerium Georg Gerullis im Juli 1933 „unnatürlich und hart.“246 Gleichzeitig erbat er seine Wiedereinsetzung als vollberechtigter Ordinarius. Kurz darauf erhielt er die Antwort, dass seinem Antrag „aus grundsätzlichen Erwägungen“247 nicht entsprochen werden könne. Vielmehr wurde die Altersgrenze 1935 von 68 auf 65 Jahre gesenkt.248 Betrachtet man die Daten im zeitlichen Verlauf, so zeigt sich, dass der Anteil der Professoren, die Charlottenburg verließen, um ihre berufliche Karriere andernorts fortzusetzen, zwischen 1871 und 1900 kontinuierlich abnahm.249 Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts stieg er wieder an, auf rund 25 Prozent, sank dann wieder und lag zwischen 1921 und 1930 mit zehn Prozent auf dem niedrigsten Stand.250 Nicht zuletzt Entlassungen, Versetzungen und Lehrstuhlverlegungen251 245 246 247 248 249 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. V, Bl. 47ff., 30. Mai 1896. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 3a, Bd. I, 25. Juli 1933 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 3a, Bd. I, 5. August 1933 (ohne Paginierung). Vgl. das Gesetz vom 21. Januar 1935 (RGBl. I 1935, S. 23). Die absoluten Zahlen sind allerdings gering: Von zwölf Professoren, die zwischen 1871 und 1880 ihre Tätigkeit beendeten, wechselten sechs in eine andere Anstellung, zwischen 1881 und 1890 waren es vier von 15 und zwischen 1891 und 1900 einer von elf. Von den zehn Professoren, die zwischen 1851 und 1870 ihre Tätigkeit an den Berliner technischen Akademien aufgaben, starben fünf, vier wurden pensioniert und einer wechselte an die Berliner Universität. 250 Die absoluten Zahlen lauten wie folgt: Zwischen 1901 und 1910 setzten acht von 32 scheidenden Professoren ihre Karriere andernorts fort, zwischen 1911 und 1920 vier von 23 und zwischen 1921 und 1930 fünf von 49. 251 Im „Gesetz über die Entpflichtung und Versetzung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens“ vom 21. Januar 1935 (RGBl. I 1935, S. 23) heißt es in § 3: „Die beamteten Hochschullehrer des Deutschen Reiches können auf einen ihrem Fachgebiet entsprechenden Lehrstuhl einer anderen deutschen Hochschule versetzt werden, wenn es das Reichsinteresse im Hinblick auf den Neuaufbau des deutschen Hochschulwesens erfordert.“ 266 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg ließen diesen Prozentsatz während des „Dritten Reiches“ auf gut 35 ansteigen.252 Auch dieser Indikator weist also auf eine besonders hohe Attraktivität der Technischen Hochschule während der Weimarer Republik hin. Der größte Teil des Fünftels der Professoren, für die Charlottenburg lediglich eine Durchgangsstation war, blieb im akademisch-wissenschaftlichen Bereich: Acht gingen an eine andere Technische Hochschule, zwölf nahmen Rufe einer Universität an und zehn wechselten in sonstige wissenschaftliche Einrichtungen. Die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität war dabei ein bevorzugtes Ziel. Fünf Professoren setzten ihre Karriere hier fort, unter anderen der Mathematiker Karl Weierstraß und der Physiker Heinrich Rubens. Eine ähnliche Konzentration ist bei den Technischen Hochschulen nicht festzustellen – der Architekt German Bestelmeyer und der Hydrauliker Otto Streck gingen nach München, die Architekten Carl Schäfer und Karl Caesar nach Karlsruhe, letzterer kehrte jedoch nach knapp zwei Jahrzehnten nach Charlottenburg zurück. Jeweils ein Professor wechselte nach Hannover, Stuttgart, Dresden beziehungsweise Zürich. Ein Vergleich mit den mathematischen und naturwissenschaftlichen Lehrstühlen verschiedener deutscher Universitäten im 19. Jahrhundert ermöglicht eine gewisse Einordnung Charlottenburgs in das Gefüge der Hochschulen. Bis 1914 verließen knapp 54 Prozent der Mathematiker und Naturwissenschaftler die kleine Universität Kiel, um an einer anderen Hochschule zu forschen und zu lehren.253 In Gießen lag diese Quote bei gut 42, an der mittelgroßen Universität Heidelberg bei gut 31 Prozent. Deutlich niedriger war sie mit gut 17 Prozent in Bonn, und den Großuniversitäten in Berlin und München kehrte kaum ein Ordinarius den Rücken – hier betrugen die Quoten knapp drei beziehungsweise gut zwei Prozent. An der Technischen Hochschule und ihren Vorgängerakademien lag die Abwanderungsquote unter den Mathematikern und Naturwissenschaftlern zwischen 1851 und 1914 mit acht Professoren bei knapp 27 Prozent. Drei von ihnen gingen an die Berliner Universität, jeweils einer an die mittelgroßen Universitäten in Breslau, Straßburg und Würzburg sowie einer an die eher kleine in Marburg. Charlottenburg nahm also vor 1914 jene mittlere Position ein, die sich bei der Erörterung der erfolgreichen Ordinarienberufungen bereits abzeichnete. Anders sah dies in den Jahren der Weimarer Republik aus. Die gestiegene Attraktivität der mathematischen und naturwissenschaftlichen Lehrstühle lässt sich daran ablesen, dass von den 19 in diesem Zeitraum ausgeschiedenen Professoren lediglich der Mineraloge Hermann Scheumann einen auswärtigen Ruf annahm. Er ging 1928 nach Leipzig und kehrte damit an die Universität zurück, an der er studiert und später sowohl den Doktor- als auch den Privatdozententitel erworben hatte. Alle anderen Ordinarien wurden emeritiert oder starben. Wie bereits 252 Der Lehrstuhl für Wehrchemie (Rudolf Mentzel) wurde 1940 nach Hannover verlegt, der Lehrstuhl für Geographie (Otto Quelle) 1940/42 an die Auslandswissenschaftliche Fakultät der Berliner Universität. Der theoretische Physiker Richard Becker musste 1936 unter Androhung einer Zwangsversetzung an die Universität Göttingen wechseln. Darüber hinaus wurden sieben Professoren entlassen und 14 wechselten aus anderen Gründen. 253 Vgl. für diese und die folgenden Angaben Baumgarten, Professoren, S. 235f. 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 267 dargelegt war in diesen Jahren auch die Zahl der Berufungen aus dem Ordinarienrang am höchsten. Neben Universitäten und Technischen Hochschulen setzten einige Professoren ihre Karriere auch in anderen wissenschaftlichen Institutionen fort. Sie kamen dabei regelmäßig in leitende Positionen. Johannes Otzen und Hermann Ende übernahmen beide 1885 ein Meisteratelier an der Akademie der Künste in Berlin und waren später nacheinander Akademiepräsident – Ende von 1895 bis 1904 und Otzen von 1904 bis 1907. Der Chemiker Franz Fischer wurde 1913 zum Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohleforschung berufen, und Emil Heyn übernahm 1920 jenes für Metallforschung. Der Geologe und Professor an der Bergakademie Franz Beyschlag wechselte 1901 als wissenschaftlicher Direktor an die Geologische Landesanstalt in Berlin und der Physiker Abraham Esau wurde 1941 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. Eine gewisse Ausnahme bilden die drei Professoren, die kurzzeitig sowohl an den Akademien der Luftwaffe in Berlin-Gatow als auch an der Technischen Hochschule unterrichteten. Anscheinend erwies sich diese Kooperation als nicht zweckmäßig, und ab 1938 widmeten sie sich wieder ganz der Offizierausbildung in Gatow.254 Untypisch war auch die Entscheidung Fritz Heises, der nach zwei Jahren als Professor für Bergwirtschafts- und Wetterlehre an der Berliner Bergakademie die Berufung zum Direktor der Bergschule in Bochum annahm, die sich eher als Fach- denn als Hochschule charakterisieren lässt. Ein geringeres Ausmaß hatte der Austausch mit Privatwirtschaft und technischem Staatsdienst. Insgesamt 14 Professoren lassen sich dieser Gruppe zuordnen. Friedrich Adler und Johann Wilhelm Schwedler wechselten ins preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten, Wilhelm Tuckermann wurde Postbaurat, Ludwig Franzius und Johann Friedrich Bubendey gingen als Baudirektoren nach Bremen beziehungsweise Hamburg. Ein Blick auf die Lebensläufe dieser Ordinarien lässt den Lehrstuhl in Charlottenburg als Unterbrechung einer eher auf den nichtakademischen Raum konzentrierten Karriere erscheinen. So begann beispielsweise der 1848 geborene Bubendey nach seinem Studium an den Technischen Hochschulen in Zürich und Aachen 1872 als Baukondukteur bei der Strom- und Hafenbauverwaltung in Hamburg und stieg dort 1879 zum technischen Bürochef und 1886 zum Wasserbauinspektor auf. Von 1895 bis 1903 lehrte er in Charlottenburg und kehrte dann als Wasserbaudirektor zurück nach Hamburg, ehe er 1919 starb. Ähnlich verhielt es sich bei den neun Professoren, die von ihrem Lehramt in die Privatwirtschaft wechselten. Die drei Schiffbauer Carl Pagel, Hans Dieckhoff und Walter Laas arbeiteten alle als Ingenieur auf einer Werft, bevor sie ein Ordinariat übernahmen und gingen dann wieder in die Industrie: Pagel und Laas zum Germanischen Lloyd, Dieckhoff zur Woermann- und zur Deutsch-Ostafrika-Linie.255 Ungewöhnlich war, dass Laas insgesamt 23 Jahre lang Schiffbau in Char254 S. o., S. 153. 255 Pagel wurde technischer Direktor und später Mitglied des Vorstands beim Germanischen Lloyd. Laas, der 1903 Pagels Charlottenburger Professur übernommen hatte, wurde 1926 auch beim Germanischen Lloyd dessen Nachfolger. Dieckhoff war anfangs technischer Di- 268 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg lottenburg lehrte. Typischer war eine Unterbrechung der Karriere in der Wirtschaft von knapp einem Jahrzehnt. Karl Küpfmüller war beispielsweise zuerst Oberingenieur bei Siemens & Halske in Berlin, von 1928 bis 1935 Ordinarius in Danzig, von 1935 bis 1937 in Charlottenburg und wurde dann Direktor der zentralen Entwicklungsabteilung von Siemens & Halske. Gleichzeitig blieb er, wie auch Gustav Hertz, Honorarprofessor an der Technischen Hochschule.256 Im Gegensatz zu den bisher genannten Beispielen bedeutete der Wechsel in die Wirtschaft für Karl Brabbée und Gabriel Becker ein Umschwenken in ihrer Karriere. Beide hatten als Assistenten an der Berliner Hochschule begonnen und waren dort schließlich Professor geworden. Brabbée blieb 13 Jahre Ordinarius und nahm 1924 ein Angebot der American Radiator Company an; Becker ging nach seiner Entlassung 1933 ebenfalls in die USA.257 Auch die hier angeführten Positionen, die jene Professoren übernahmen, welche ihre Karriere nicht in Charlottenburg beendeten, illustrieren letztlich die Attraktivität der Hochschule und das Ansehen ihrer Professoren: Ohne einen guten Grund verließ man einen Charlottenburger Lehrstuhl nicht. Dies wird überdies auch dadurch unterstrichen, dass selbst die Ordinarien, die ein finanziell attraktives Angebot aus der Wirtschaft hatten, ihre Professur mitunter eher zögerlich aufgaben. Walter Reichel, Karl Brabbée und Walter Laas beantragten zuerst eine Beurlaubung. Brabbée, den 1923 „die amerikanische Grossindustrie für längere Zeit nach den Vereinigten Staaten“258 berief, gab sich zunächst zuversichtlich, daß er seinen Fünfjahresvertrag beispielsweise mit Hinweis auf „unzuträgliches Klima“259 vorzeitig kündigen könne, bat jedoch 1924 um seine Entlassung, da eine Rückkehr auf seinen Lehrstuhl erst im Wintersemester 1927 möglich sei.260 Laas arbeitete seit Dezember 1925 für den Germanischen Lloyd und beantragte erst im September 1927 seine endgültige Entlassung, da ihn diese Geschäfte „für die nächsten Jahre ganz in Anspruch nehmen“261 würden. Reichel, der 1904 als Professor für Elektrische Konstruktionslehre an die Hochschule gekommen war, klagte zwar bereits 1906, dass seine „neue, vollständig alle Kräfte absorbierende Amtstätigkeit nicht nur Ursache dafür [ist], dass keine ausgiebige Ingenieurtätigkeit entfaltet werden konnte, sondern auch dafür, dass viele 256 257 258 259 260 261 rektor bei den genannten Reedereien, später technischer Berater und Vorstandsmitglied. Seit 1931 war er Aufsichtsratsvorsitzender des Germanischen Lloyd. Neben den genannten Beispielen gingen auch Herbert Wagner (Bauelemente des Luftfahrzeugbaus), Ernst Terres (Chemie für Bergleute) und Walter Reichel (Elektrische Konstruktionslehre) nach rund zehnjähriger Lehrtätigkeit zurück in die Wirtschaft. S. o., S. 143. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XIII, 12. Januar 1923 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XIII, 16. März 1923 (ohne Paginierung). Brabbée ergänzte: „Ich lasse dabei den Plan nicht aus dem Auge, dass es mir gelingen könnte, amerikanische Mittel für Durchführung von Forschungsarbeiten in unserer Anstalt heranzuziehen.“ Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. XIII, 3. März 1924 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 6a, Bd. I, Bl. 125, 8. September 1927. 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 269 meiner früheren fachlichen Beziehungen verloren gingen, weil sie aus Zeitmangel nicht weiter gepflegt werden konnten.“262 Aber als er 1908 ein Angebot der Siemens-Schuckert-Werke erhielt, legte er „allergrößten Wert darauf, aus dem Rahmen des Hochschulunterrichts nicht vollständig auszuscheiden.“263 Reichel ließ sich lediglich für ein Jahr beurlauben. Da eine Rückkehr auf den Lehrstuhl jedoch auch 1910 noch nicht absehbar war, beantragte die Abteilung für Maschinenbau schließlich eine Dozentur für Reichel, da auch ihr an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Ingenieur gelegen war.264 Auch bei Franz Fischer und Ernst Terres waren beide Seiten, Hochschule und Professoren, daran interessiert, die Verbindung aufrechtzuerhalten. Terres schrieb: „Der Entschluss, meine akademische Laufbahn aufzugeben, ist mir sehr schwer geworden, aber andererseits ist das Angebot der Deutschen Erdöl A.G. so auf meine besondere technische Einstellung zugeschnitten und bietet ein so grosses und wichtiges Betätigungsfeld, dass ich es nicht ablehnen kann.“ Er bat um eine Honorarprofessur, um „die Berührung mit der akademischen Jugend nicht ganz zu verlieren.“265 Den gleichen Antrag stellte die Chemieabteilung, als Fischer das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohleforschung in Mühlheim an der Ruhr übernahm, da der Hochschule daraus „voraussichtlich erhebliche Vorteile erwachsen, besonders dadurch, dass die Möglichkeit besteht, dass die Studierenden von unserer Hochschule im dortigen Institut spezielle Untersuchungen ausführen können.“266 Vollständiger kehrten Johann Friedrich Bubendey, Carl Pagel und Hans Dieckhoff Charlottenburg den Rücken. Bubendey konnte sein Gehalt fast verdoppeln, als er 1903 Wasserbaudirektor in Hamburg wurde.267 Pagel ging im gleichen Jahr zum Germanischen Lloyd und schrieb an das Kultusministerium: „Dieser Antrag überträgt mir die Oberleitung über den gesamten deutschen Handelsschiffbau und ist daher für mich zugleich ehrenvoll und verlockend, zumal er mir auch bedeutende materielle Vorteile bietet.“268 Mit fast dem gleichen Wortlaut begründete Dieckhoff zwei Jahre später seinen Wechsel zu zwei Hamburger Reedereien.269 Es waren also zum einen finanzielle Gründe und zum anderen die Möglichkeit, in maßgeblichen und einflussreichen 262 263 264 265 266 267 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. IX, Bl. 35, 28. März 1906. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. IX, Bl. 197, 26. August 1908. Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. X, Bl. 60ff., 15. Juli 1910. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. II, 1. Juli 1933 (ohne Paginierung). GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. VIII, Bl. 242f., 23. April 1913. Um 1900 bezog Bubendey in Charlottenburg rund 10.500 Mark Gehalt und Honorare, in Hamburg erhielt er 20.500 Mark (vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 7, Bd. V, 4. April 1903 (ohne Paginierung)). 268 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. II, 22. Mai 1903 (ohne Paginierung). 269 Dieckhoff schrieb: „Dieser Ruf überträgt mir in erster Linie die technische Oberleitung von zwei großen Reedereien und ist daher für mich höchst ehrenvoll und sehr verlockend, zumal er mir auch bedeutende materielle Vorteile bietet“, (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8a, Bd. II, 10. Oktober 1905 (ohne Paginierung)). 270 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Positionen praktisch arbeiten zu können, die Professoren der Charlottenburger Hochschule dazu veranlassen konnten, wieder in die Wirtschaft oder in den technischen Staatsdienst zu wechseln. In ähnlicher Weise gab auch bei einigen Professoren, die an eine andere Hochschule wechselten, die Möglichkeit zur praktischen Arbeit den Ausschlag. Als der Architekt German Bestelmeyer 1919 einen Ruf an die Wiener Akademie der Künste erhielt, schrieb das Kultusressort an das Ministerium für öffentliche Arbeiten, dass „alles getan werden muss, um den ausgezeichneten Künstler für Berlin zu halten.“ Bestelmeyer stelle keine Gehaltsforderungen, es fehle ihm jedoch „an der Möglichkeit praktischer Betätigung an einer grösseren Bauaufgabe.“ Das Ministerium drang darauf, den Architekten beim Neubau für die Reichsschuldenverwaltung zu berücksichtigen und fügte gleichsam entschuldigend hinzu: „Bestelmeyer kennt aus süddeutschen Verhältnissen den Brauch, dass staatliche Bauaufträge Professoren zugesichert werden.“270 Obwohl diese Bemühungen fehlschlugen, blieb Bestelmeyer vorerst in Berlin.271 Drei Jahre später jedoch teilte er dem Ministerium mit, er habe einen Ruf nach München erhalten. Das Schreiben trägt den Vermerk, dass Versuche, Bestelmeyer zu halten wohl vergeblich wären, da „Bayern die Ausführung mehrerer Bauten in Aussicht stellt.“272 Die Architekten Carl Schäfer und Karl Caesar hatten Charlottenburg aus den gleichen Gründen verlassen. Schäfer wechselte 1894 nach Karlsruhe, da er in Berlin keine Bauaufträge erhielt und in „jeder Hoffnung auf eine solche Thätigkeit getäuscht und an den Mißerfolg meiner Bemühungen und Erwartungen durch Menschen und Dinge täglich erinnert“273 werde. Caesar ging 1915 ebenfalls an die badische Hochschule. Das dortige Kultusministerium hatte ihm nicht nur ein höheres Grundgehalt gewährt, sondern dies auch „mit der Zusage privater Staatsaufträge“274 verbunden. Neben der angestrebten Nähe zur Praxis war sicher die finanzielle Seite entscheidend für das Interesse, Bauprojekte zu übernehmen. In den aufgeführten Fällen waren also externe Gründe für das Verlassen der Hochschule verantwortlich. Schäfer unterstrich dies mit dem Hinweis darauf, dass ihm die Entscheidung für Karlsruhe schwer gefallen sei, wechsle er doch „von der größten deutschen Hochschule an eine solche mit weit geringerer Schülerzahl.“275 Eher interne Gründe hatten 1862 Karl Weierstraß veranlasst, dem Gewerbeinstitut 270 Alle Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 4. Juli 1919 (ohne Paginierung). 271 Nach dem Hinweis des Ministeriums für öffentliche Arbeiten, dass der Neubau der Reichsschuldenverwaltung ohne Mitwirkung Preußens stattfinde (GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 18. Juli 1919 (ohne Paginierung)), hatte sich das Kultusministerium auch an das Reichsfinanzministerium gewandt (ebd., 17. Oktober 1919). 272 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 12. März 1922 (ohne Paginierung, Hervorhebung im Original). 273 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. IV, Bl. 279f., 6. Juni 1894. 274 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. XI, 31. Dezember 1915 (ohne Paginierung). 275 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 6, Bd. IV, Bl. 279f., 6. Juni 1894. 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 271 den Rücken zu kehren. Nottebohm, Direktor des Instituts, schrieb an das Handelsministerium: „Auch liegt es auf der Hand, daß der streng in sich abgeschlossene und stets auf die praktische Anwendung gerichtete Unterricht im Gewerbe-Institut dem Mathematiker vom Fach nicht diejenige Befriedigung gewähren kann, welche die Universität bietet.“276 Insgesamt lässt sich für all jene Professoren, die von den technischen Akademien oder von Charlottenburg an eine Universität gingen, festhalten, dass sicher bis zum Ersten Weltkrieg das höhere Prestige eines Universitätslehrstuhls ein zentraler Entscheidungsgrund für den Wechsel war. Die Tatsache jedoch, dass mit 80 Prozent die große Mehrheit der Lehrstuhlinhaber ihre Karriere in Berlin und Charlottenburg beendeten, wirft die Frage nach den Gründen für die hohe Attraktivität dieses Standorts auf. Denn vielen Professoren boten sich andere Optionen: Die Technische Hochschule in München warb 1890 vergeblich um den Baukonstrukteur Heinrich Müller-Breslau, 1907 sagte ihr der Maschinenbauer Otto Kammerer ab und 1914 der Chemiker Karl Hofmann. Kammerer lehnte 1907 auch einen Ruf der Karlsruher Hochschule ab, ebenso wie der Elektrotechniker Adolf Slaby 1892, der Physiker Richard Becker 1931 und der Professor für Wasserbau Adolf Ludin 1933. Alfred Grabner, seit 1921 Ingenieur bei Siemens-Schuckert in Wien, lehnte 1935 eine Professur in Dresden ab, 1938 eine in Graz, 1939 eine in Wien, bevor er im gleichen Jahr schließlich das Angebot der Charlottenburger Hochschule annahm. Vereinzelt finden sich in den Akten Einschätzungen der Professoren über den Standort Berlin. Aronhold lehnte 1869 einen Ruf der Ludoviciana in Gießen ab, da – so schrieb Franz Reuleaux an den Handelsminister – „der Uebergang an die kleine Universität dem Befragten eher eine Verkleinerung als eine Vergrößerung des Wirkungskreises“277 verheiße. Guido Hauck, Professor für Projektionslehre, blieb 1880 trotz eines Rufes nach Stuttgart in Charlottenburg und erläuterte seine Entscheidung in einem Brief an den Referenten im preußischen Kultusministerium: „Wiewohl die mir angebotene Stellung sowohl innerlich als äußerlich mir gewisse besondere Vorzüge und Reize darbietet, so gestehe ich doch offen, daß mir bei allseitiger Abwägung der innere Werth derselben hinter demjenigen meiner gegenwärtigen Stellung zurückzustehen scheint, insofern mir die letztere einerseits in Folge des ausgedehnteren Wirkungskreises die Möglichkeit einer größeren und befriedigenderen Ausnützung meiner Lehrkraft, andererseits mehr Anregung und Gelegenheit zur eigenen Weiterbildung zu sichern scheint.“278 276 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. VI, Bl. 312ff., 12. Oktober 1862. Weierstraß hatte seit 1856 parallel an Universität und Gewerbeinstitut unterrichtet und musste sich aus gesundheitlichen Gründen auf eine Institution beschränken. 277 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. I Nr. 1, Bd. IX, Bl. 51f., 1869 (ohne genaues Datum). 278 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 10, Bd. I, Bl. 78f., 31. Mai 1880. 272 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Wie bei den eingangs zitierten Professoren Wolf, Herkner und Dolezalek wird auch hier der Wirkungskreis, also in erster Linie die große Zahl der Studierenden, hervorgehoben.279 Der Chemiker Hermann Scheumann hingegen empfand diesen großen Wirkungskreis in Berlin als eher belastend. Der große zeitliche Aufwand für „Unterricht und Geschäftsführung“ veranlassten ihn, nach Leipzig zu wechseln. Gleichzeitig bedauerte er jedoch, dass er so „die grossen Vorzüge des wissenschaftlichen Konnexes“280 verliere. Entscheidend war für Scheumann, dass er zwar viele Studenten hatte, aber nur wenige Doktoranden. Als das Kultusministerium sich bemühte, den Mineralogen Paul Niggli von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich als Nachfolger Scheumanns zu gewinnen, äußerte dieser ähnliche Bedenken. Wilhelm Eitel, ebenfalls Professor für Mineralogie in Charlottenburg und gleichzeitig Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Silikatforschung, beklagte sich in diesem Zusammenhang ebenfalls und schrieb an den Referenten Rottenburg: „Ich kann dazu nur das eine Ihnen zum Ausdruck bringen, daß auch ich unter dem Mangel an Doktoranden sehr leide. Hätte ich nicht die Möglichkeit, durch die mannigfaltigen Beziehungen zur Universität junge Chemiker und Physikochemiker zu bekommen, so hätte ich hier in Dahlem kaum einen Doktoranden. Die beiden einzigen Doktoranden, die ich seit 1926 über die Technische Hochschule erhalten habe, sind auch nur durch besonders günstige Beziehungen aus der Technik zu mir gekommen. Ich weiß, wie sehr Herr Kollege Scheumann unter ähnlichen Verhältnissen gelitten hat.“281 Eine Professur in Charlottenburg konnte also durch ihr Umfeld an Attraktivität gewinnen, allerdings gelang es nicht allen Professoren – wie die Beispiele Scheumann und Eitel zeigen – in gleicher Weise davon zu profitieren. Auch der Chemiker Max Bodenstein, der 1921 einen Ruf an die Spree ablehnte, da es ihm an Geld für ein standesgemäßes Haus in Berlin fehlte, war der Ansicht, dass eine Professur in der preußischen Hauptstadt „im Kreise des gesamten wissenschaftlichen Lebens von Hochschulen, Universität und Forschungs-Instituten wesentliche Vorzüge“282 biete. Neben der hohen Studierendenfrequenz war also das Umfeld der Hochschule entscheidend für ihre hohe Anziehungskraft. Angesichts der erörterten Bedeutung von Kolleg- und Prüfungsgeldern für das Einkommen der Professoren ist die Bedeutung der Studentenzahlen nicht überraschend.283 Auch der positive Einfluss 279 Einige Monate vor seiner Emeritierung bezifferte Wolf gegenüber Eduard Spranger (1882– 1963) die Zahl seiner Hörer auf „500 bis 700“ (zit. bei Kiesewetter, Wolf, S. 382, Anm. 17). 280 Beide Zitate: GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. I, Bl. 227f., 31. Juli 1928. 281 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 7a, Bd. I, Bl. 294f., 4. Februar 1928. Zur beabsichtigten Berufung Nigglis vgl. ebd., Bl. 293, 29. Januar 1929. 282 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 9, Bd. X, 5. April 1921 (ohne Paginierung). Bodenstein war ordentlicher Professor an der TH Hannover und wechselte 1923 als Nachfolger von Walther Nernst an die Berliner Universität. 283 Auch für die deutschen Universitäten des 19. Jahrhunderts war ihre Frequenz zentraler Gradmesser für ihre Attraktivität, vgl. Baumgarten, Professoren, S. 22. 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 273 des Umfeldes ist leicht nachzuvollziehen; wichtig war eben nicht allein das wissenschaftliche Leben, sondern auch die Nähe zu Industrie – erinnert sei an die industrielle Unterstützung beim Aufbau des elektrotechnischen Instituts – und Regierung. Letzteres lässt sich an der Akademie des Bauwesens noch einmal verdeutlichen. Als Nachfolgerin der technischen Baudeputation im Jahre 1880 gegründet, hatte sie eine beratende Funktion „in Fragen des öffentlichen Bauwesens, welche von hervorragender Bedeutung sind.“284 Über ihre Aufgaben heißt es im Gründungserlass weiter, sie sei „namentlich berufen, das gesammte Baufach in künstlerischer und wissenschaftlicher Beziehung zu vertreten, wichtige öffentliche Bauunternehmungen zu beurtheilen, die Anwendung allgemeiner Grundsätze im öffentlichen Bauwesen zu berathen, neue Erfahrungen und Vorschläge in künstlerischer, wissenschaftlicher und bautechnischer Beziehung zu begutachten und sich mit der weiteren Ausbildung des Baufaches zu beschäftigen. Der Akademie des Bauwesens können auch Bauprojekte, welche von öffentlichen Korporationen auszuführen sind, zur Begutachtung vorgelegt werden.“285 Zwar war die Berufung in die Akademie „als Ehrenamt mit einer Remuneration nicht verbunden“286, aber der Einfluss auf das staatliche preußische Bauwesen, den sie gewährte, wird diesen Nachteil ein Stück weit ausgeglichen haben. Insgesamt waren gut 30 Charlottenburger Professoren gleichzeitig Mitglied in der Akademie des Bauwesens. Allein unter den 49 Gründungsmitgliedern, die am 20. September 1880 berufen wurden, finden sich sechs aktive und drei frühere Professoren der Hochschule.287 Blickt man auf den wissenschaftlichen Konnex in Berlin, so war aus der Perspektive der Charlottenburger Professoren die Preußische Akademie der Wissenschaften für jenen sicher von geringerer Bedeutung als für ihre Kollegen von der Universität.288 Lediglich elf Professoren der Technischen Hochschule und ihrer Vorgänger wurden auch in die Akademie berufen.289 Hinzu kommen der Mathematiker Elwin Christoffel sowie der Schwingungsforscher Karl Willy Wagner, die 284 Akademie des Bauwesens, S. 3. 285 Ebd. Um die Jahrhundertwende erwog Friedrich Althoff, die Akademie des Bauwesens in eine Akademie der Technischen Wissenschaften umzuwandeln. Dies stieß unter den Professoren der TH Berlin-Charlottenburg jedoch auf Ablehnung (vgl. König, Academy, S. 365). 286 Akademie des Bauwesens, S. 4. 287 Vgl. ebd., S. 32ff. 288 Vgl. Bruch, Berlin, S. 92: „Doch ohnehin ging der Ernennung zum Mitglied [der Akademie] in der Regel die Berufung an die Universität voraus, so daß in jedem Fall eine enge Verbindung zwischen Akademie und Universität gegeben war.“ Bruch weist jedoch auch darauf hin, dass die beiden Klassen der Akademie – eine philosophisch-historische und eine physikalisch-mathematische – Juristen, Mediziner und Theologen unberücksichtigt ließen, und so das „universitäre Disziplinenspektrum [… ] nur eingeschränkt an der Akademie vertreten“ war (ebd.). 289 Dabei handelt es sich um Karl Friedrich Rammelsberg (1855), Karl Weierstraß (1856), Heinrich Müller-Breslau (1901), Karl Hofmann (1925), Johannes Stumpf (1926), Max Volmer (1934, Berufung wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ nicht bestätigt), Karl Emil Becker (1935), Hans Geiger (1937), Georg Hamel (1938), Adolf Ludin (1939) und Wilhelm Eitel (1942), vgl. die entsprechenden Einträge bei Hartkopf, Akademie. 274 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg bereits vor ihrer Berufung an die Gewerbeakademie beziehungsweise die Technische Hochschule Akademiemitglieder waren. Acht Professoren wurden berufen, nachdem sie Charlottenburg verlassen hatten.290 Verglichen damit waren die Beziehungen zur Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, seit 1878 in Halle ansässig, deutlich ausgeprägter. Acht der Professoren waren dort bereits Mitglied, 20 erhielten ihre Ernennung in Charlottenburg und vier, nachdem sie die Hochschule wieder verlassen hatten. Die geisteswissenschaftliche Orientierung der Berliner Akademie und ihr Selbstverständnis als Hüterin der reinen Wissenschaft war maßgeblich für diese Unterschiede verantwortlich. Das Motto ihres ersten Präsidenten Gottfried Wilhelm Leibniz theoria cum praxi spielte für die Akademiemitglieder im ausgehenden 19. Jahrhundert kaum mehr eine Rolle.291 Kurz nach der Verleihung des Promotionsrechtes an die Technischen Hochschulen suchte Wilhelm II. die Stellung der Techniker auch in dieser Hinsicht zu verbessern. Als die Akademie im Jahre 1900 ihr 200jähriges Bestehen feierte, schenkte ihr der Kaiser sechs neue ordentliche Stellen: drei für die philosophischhistorische und drei für die physikalisch-mathematische Klasse. Die drei letztgenannten waren mit Vertretern aus der Technik zu besetzen.292 Der Unwillen über dieses Geschenk vergrößerte sich in der Akademie zusätzlich wegen zwei der drei kaiserlichen Kandidaten für diese Stellen. Zwar wurde der Baukonstrukteur Heinrich Müller-Breslau problemlos gewählt, allerdings scheiterten die Kandidaturen seiner beiden Charlottenburger Kollegen Adolf Slaby und Alois Riedler. Slabys wissenschaftliche Leistungen wurden bezweifelt und Riedlers Rhetorik war aus den Auseinandersetzungen um das technische Promotionsrecht in schlechter Erinnerung geblieben. Für Slaby fand sich mit dem Elektroingenieur Friedrich von Hefner-Alteneck ein Ersatzkandidat, die für Riedler gedachte Stelle blieb zunächst vakant. Erst 1904, nach dem Tod Hefner-Altenecks, wurden auf Betreiben Müller-Breslaus der Bauingenieur Hermann Zimmermann und der Materialprüfer Adolf Martens gewählt und so alle drei Stellen besetzt.293 290 Dabei handelt es sich um Georg Quincke (1879), Heinrich Weber (1896), Heinrich Rubens (1907), Adolf Kneser (1923), Abraham Esau (1942), Franz Dischinger (1949), Gustav Hertz (1954) und Richard Becker (1955), vgl. die entsprechenden Einträge bei Hartkopf, Akademie. 291 Vgl. König, Academy, S. 360: „The Prussian Academy was established to advance the invention and application of technological methods, and so to further agriculture, trade, industry, and commerce.“ 292 König nennt das kaiserliche Geschenk „not only unwanted, but also contrary to the view of the ‚purity of science‘ dominant in the Academy“ (König, Academy, S. 368f.). Vgl. insgesamt zum Folgenden ebd., bes. S. 370ff. Zur Entwicklung der Mitgliederzahlen, den Rechten und Pflichten der Akademiemitglieder vgl. kurz Hartkopf, Akademie, S. XVIIff. Seit 1838 erhielten die ordentlichen Mitglieder ein Gehalt von jährlich 600 Mark, seit 1881 von 900 Mark (vgl. S. XXIf.). 293 König, Academy, S. 373, resümiert: „With Müller-Breslau, Zimmermann, and Martens, the engineering disciplines at the Academy were well represented. However, there was a noticeable bias towards construction engineering and material testing. Most conspicuously missing was the field of mechanical engineering, which at that time was the focus of development within the engineering sciences.“ König weist darüber hinaus darauf hin, dass die vertretenen 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 275 Die erste wissenschaftliche Akademie, die sich ganz auf den technischen Bereich konzentrierte, war die 1936 gegründete und im April 1937 eröffnete Deutsche Akademie der Luftfahrtforschung. Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, unterstützte das Projekt und wurde Präsident der Akademie.294 Die beiden Flugzeugtechniker und Ordinarien der Charlottenburger Hochschule Heinrich Triebnigg (Flugmotoren) und Herbert Wagner (Bauelemente des Luftfahrzeugbaus) sowie den Dekan der Wehrtechnischen Fakultät Karl Becker ernannte Göring am 1. April 1937 zu ordentlichen Mitgliedern; Wilhelm Hoff (Luftfahrzeugbau), Heinrich Fassbender (Hochfrequenztechnik) und August Hertwig (Statik und Baukonstruktion) zu außerordentlichen.295 Als weitere Mitglieder aus dem Kreis der Charlottenburger Ordinarien kamen die früheren Professoren Georg Madelung (Luftfahrtwesen) und Franz Fischer (Elektrochemie), der Emeritus Carl Cranz (Technische Physik) sowie Abraham Esau (Militärische Fernmeldetechnik) und Fritz Schmidt (Technische Wärmelehre) hinzu. Die Gründung einer eigenen Akademie für einen technischen Teilbereich der Wissenschaft sowie die Tatsache, dass sechs der elf Charlottenburger Mitglieder der Preußischen Akademie der Wissenschaften nach 1933 berufen wurden, illustriert noch einmal die besondere Förderung, die der technikwissenschaftliche Sektor während des „Dritten Reiches“ erfuhr.296 Im Hinblick auf die wissenschaftliche Vernetzung der Gruppe der Charlottenburger Ordinarien trug dies sicher zur mindestens seit den Jahren der Weimarer Republik ohnehin schon hohen Attraktivität der Lehrstühle an der Technischen Hochschule bei. Studierendenzahl und Umfeld waren entscheidend für die Hochschule, um fähige Forscher und Lehrer berufen zu können. Andererseits steigerten bekannte Professoren wiederum die Attraktivität Charlottenburgs für Studierende. Es handelte sich letztlich also um eine Wechselwirkung. Ein Blick auf den Anteil der ausländischen Studierenden, bei denen mitunter eine überlegtere Entscheidung für den Studienort angenommen werden kann als bei ihren deutschen Kommilitonen, Fächer verbunden waren „with the traditional academic disciplines of mathematics, mechanics, and physics“ (S. 376). 294 Vgl. Trischler, Luft- und Raumfahrtforschung, S. 238: Mit Görings „Protektion konnten alle Klippen des nicht geringen Widerstands der etablierten Wissenschaftsorganisationen, Wehrmachtsteilen und Staatsbehörden gegen die erstmalige Gründung einer Akademie im Bereich der technischen Wissenschaften in kurzer Zeit umschifft werden.“ 295 Eine Übersicht über die Mitglieder der Akademie bietet Hormann, Elite, S. 55ff. Insgesamt ernannte Göring 1937 40 ordentliche und 45 außerordentliche Mitglieder aus Wissenschaft, Industrie und Militär (vgl. Trischler, Luft- und Raumfahrtforschung, S. 238). Zur Arbeit der Akademie vgl. Hormann, Elite, S. 28, der das komplette Veranstaltungsprogramm bis November 1943 zusammengestellt hat. Bei Trischler, Luft- und Raumfahrtforschung, S. 238f., finden sich einige kurze Anmerkungen. Militärische Themen wurden erst ab der zweiten Sitzungsperiode (1938/39) behandelt: „Anfänglich wurden Themen von militärischer Relevanz bewußt ausgeklammert, um die Mitwirkung zahlreicher prominenter korrespondierender Mitglieder des westlichen Auslandes nicht zu gefährden“ (S. 239). 296 Allerdings ist hier einschränkend darauf hinzuweisen, dass die Berufung von Max Volmer (1934) von der Regierung aus politischen Gründen nicht bestätigt wurde, vgl. Hartkopf, Akademie, S. 377. 276 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg illustriert überdies das internationale Ansehen der Hochschule (Tabelle 12). Schon Mitte des 19. Jahrhunderts galt dies als Indikator für die Qualität einer Lehranstalt – Ko istka betonte in seinem Buch von 1863, dass das Karlsruher Polytechnikum „einen europäischen Ruf“ genieße, und Hannover sich „namentlich im Auslande eines sehr guten Rufes“297 erfreue. Wie auch an der Berliner Universität lagen die prozentualen Anteile der ausländischen Studierenden in Charlottenburg in der Regel klar über dem jeweiligen preußischen Durchschnitt.298 299 Tabelle 12: Ausländeranteil an den preußischen Hochschulen TH in Berlin WS 1885/86 WS 1890/91 WS 1895/96 WS 1900/01 WS 1905/06 WS 1910/11 WS 1915/16 WS 1920/21 WS 1925/26 WS 1930/31 WS 1935/36 WS 1938/39 THs in Preußen Universität in Berlin Universitäten in Preußen 8,7% 13,8% 9,2% 9,6% 10% 16,5% 5,3% 19,4% 15,1% 21,1% 22,5% 10,5% 12,2% 8,8% 9,1% 9,2% 8,7% 10,8% 8,7% 10,7% 8,8% - 8,7% 11,8% 13,2% 13,8% 14,1% 14,4% 6,0% 9,7%301 12,8% 8,9% 12,4%302 - 6,0%300 7,0% 7,6% 7,9% 8,4% 8,1% 6,4% 4,7% 6,3%303 - Den Ordinarien erschloss sich also auch ein gewisser internationaler Wirkungskreis. Die beiden Maschinenbauprofessoren Alois Riedler und Franz Reuleaux erhielten 1899 beziehungsweise 1903 jeweils einen schwedisch-norwegischen Orden in diesem Zusammenhang. Bei Riedler hieß es, er solle den Orden „in Anerkennung des wohlwollenden Entgegenkommens und Interesses, welche durch eine Reihe von Jahren den dort studirenden Norwegern seitens der Hochschule 297 Ko istka, Unterricht, S. 33 und 68. 298 Da der durchschnittliche Ausländeranteil an den Technischen Hochschulen in der Regel höher war als an den Universitäten, nahmen Debatten über die Einschränkung des Ausländerstudiums regelmäßig dort ihren Anfang, vgl. Klotzsche, Ausländerfrage, S. 199ff. Umfassend zum Ausländerstudium im Deutschen Reich vgl. demnächst Siebe, Germania docet. 299 Die Werte für die Technischen Hochschulen in Preußen sind berechnet nach Titze, Datenhandbuch, Bd. 1/1, S. 46f., als Prozent aller Studierenden, Hörer und Gäste, jene für die preußischen Universitäten ebd., S. 42f., als Prozent aller Studierender. Die Werte für Charlottenburg nach Schröder-Werle, Studentenstatistik, S. 567ff. 300 Wintersemester 1886/87. 301 Sommersemester 1921. 302 Sommersemester 1937. 303 Sommersemester 1937. 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 277 stets zu Theil geworden sind“304 erhalten. Im Falle Reuleaux schrieb die Gesandtschaft explizit, er habe „einer großen Anzahl schwedischer und norwegischer Studierender Unterricht gegeben.“305 Angesichts dieser Standortvorteile verwundert die hohe Attraktivität der Technischen Hochschule gerade während der zweiten Hälfte des hier betrachteten Jahrhunderts nicht. Daraus resultiert, dass rückblickend der Lehrstuhl in Charlottenburg für die große Mehrheit der Professoren als Karriereziel erscheint. Die hohe Verweildauer spricht ebenso dafür wie die niedrige Abwanderungsquote. Zudem wurde die Mehrzahl jener Professoren, die in eine wissenschaftliche Akademie aufgenommen wurden, berufen, als sie an der Technischen Hochschule lehrten und forschten. Auch dies ist ein Indikator dafür, dass die Charlottenburger Zeit als Höhepunkt ihres wissenschaftlichen Schaffens angesehen werden kann. Solange sich die äußeren Bedingungen nicht drastisch änderten, perpetuierte sich der gute Ruf der Hochschule gleichsam selbst. Denn das Ansehen der Technischen Hochschule fiel letztlich in eins mit dem Ansehen ihrer Professoren. Bisher ausgeklammert blieben jene 81 Ordinarien, die 1945 zum Lehrkörper der Hochschule gehörten. Vier von ihnen kamen kurz vor Ende des Krieges ums Leben – Wilhelm Stäblein, Professor für Fernmelde- und Telegrafentechnik, in Nürnberg bei einem Luftangriff, der Mineraloge Walter Schmidt und der Strömungstechniker Hermann Föttinger fielen im April in Berlin, und der Professor für Luftfahrzeugbau Wilhelm Hoff beging im gleichen Monat Selbstmord. Ein halbes Jahr vor der Eröffnung der Technischen Universität verstarb im September 1945 auch der Physiker Hans Geiger. Der Geodät Heinz Schmehl wurde 1947 für tot erklärt. Insgesamt waren 44 dieser 81 Ordinarien Mitglieder der NSDAP und kamen so bei der Eröffnung der Technischen Universität im April 1946 nicht für eine Professur in Frage.306 Der Geologe Leo von zur Mühlen beispielsweise, bereits seit 1930 Mitglied der NSDAP und 1947 in Halle an der Saale verhaftet, blieb bis zu seinem Tode 1953 interniert. Lediglich der Hochfrequenztechniker Heinrich Fassbender gehörte trotz seines Parteibuches zu jenem Fünftel der Ordinarien, die ihre Arbeit unmittelbar an der neu gegründeten Hochschule fortsetzen konnten. Mehrere Emeriti – unter anderen die Architekten Heinrich Tessenow und Erich Blunck, der Statiker August Hertwig und der Maschinenbauer Friedrich Romberg – übernahmen ebenfalls Lehrstühle an der neuen Technischen Universität. So konnte der Mangel an geeigneten Lehrkräften etwas gemildert werden. Vergeblich bemühte sich der Bildhauer und Professor für plastisches Gestalten Hermann Hosaeus um seine Wiederanstellung in Charlottenburg. Mit einem Brief versuchte er 304 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VI, 22. Dezember 1899 (ohne Paginierung). Riedler wurde das Kommandeurkreuz II. Klasse des Ordens vom Hl. Olaf verliehen. 305 GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 4 Tit. III Nr. 8, Bd. VII, 7. April 1903 (ohne Paginierung). Reuleaux erhielt das Kommandeurkreuz I. Klasse des Wasa-Ordens. 306 Zur Entnazifizierung des Lehrkörpers der TH Charlottenburg und zur Gründung der TU vgl. Brandt, Wiederaufbau, bes. S. 505ff. Bei Heinemann, Hochschuloffiziere, Bd. 2, S. 101ff., finden sich einige kurze und insgesamt wenig ergiebige Anmerkungen des für die TU Berlin zuständigen britischen University Education Officers Peter Whitley. 278 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Ende Mai 1945 „falsche oder böswillige Gerüchte“ über sich richtig zu stellen.307 „In die Partei“, so behauptete Hosaeus, „wurde ich 1932 auf 1933 mit übernommen, da ich als Ordinarius an der Technischen Hochschule, also als Beamter tätig war.“ Allerdings war der Bildhauer bereits am 1. Januar 1932 in die NSDAP eingetreten, während seine Bestallung als ordentlicher Professor erst vom 2. Oktober 1933 datiert.308 Die Kulturpolitik des „Dritten Reiches“ sei schlecht gewesen, schrieb Hosaeus weiter, Innen- und Außenpolitik habe er nicht verstanden und an der „Hitlerkopfindustrie“ habe er sich auch nicht beteiligt. „Wenn mich nun Leute als ‚prominenten Nazi‘ aufzuputzen versuchen, so ist das nach dem Gesagten töricht oder böswillig. Eine Erklärung ist vielleicht, dass ich für alle Wohltätigkeitshandlungen der Partei über meine Verhältnisse gab, z.B. bei jeder Art von Hilfswerk, Kinderlandverschickung, Mutter und Kind, Eintopfspende, Rotes Kreuz u.s.w.“ Andere der 1946 nicht wieder eingestellten Professoren waren erfolgreicher als Hoseaus. Wiederum ein Fünftel – bezogen auf alle 81 Professoren – kehrte bis 1960 an die Charlottenburger Hochschule zurück, der größte Teil als Ordinarius. Andere konnten ihre Anerkennung als Emeritus durchsetzen, erhielten einen Lehrauftrag oder eine Gastprofessur. Diese Entwicklung war typisch für die deutschen Hochschulen der Nachkriegszeit.309 Der Professor für Flugmotoren Heinrich Triebnigg beispielsweise, der 1933 in Österreich der NSDAP beigetreten war, arbeitete nach seiner Internierung in Lindau als Ingenieur in Paris und bekam 1950 wieder einen Lehrstuhl an der Technischen Universität. Bereits 1947 bemühten sich die beiden Mathematiker Aloys Timpe und Georg Hamel um die Wiederanstellung ihres Kollegen Werner Schmeidler, der ihrer Ansicht nach lediglich nominell Mitglied der NSDAP gewesen wäre. Entscheidend war für sie, dass der Hochschule ein geeigneter Algebraiker fehlte. Trotz Widerstand wurde dem Antrag 1950 schließlich stattgegeben, und Schmeidler konnte bis zu seiner Emeritierung 1958 wieder unterrichten.310 Richard Stappenbeck, Ordinarius für Lagerstättenkunde und wie Hosaeus bereits 1932 Mitglied der NSDAP, erhielt 1960, im Alter von 80 Jahren, den Status eines emeritierten Professors. Auch Oskar Niemczyk, von 1933 bis 1938 Dekan der Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen, von 1939 bis 1942 Prorektor und danach bis 1945 Rektor der Hochschule, 307 BA L, R 4901/13308, 28. Mai 1945, die folgenden Zitate ebd. 308 Hosaeus hatte die NSDAP-Mitgliedsnummer 894.085. Für seine Bestallung vgl. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 5 Tit. III Nr. 3a, Bd. I, 2. Oktober 1933 (ohne Paginierung). 309 Vgl. Remy, Heidelberg, S. 217: „Without question, former National Socialists returned to Heidelberg and other institutions en masse.“ Von den 63 in Heidelberg entlassenen Hochschullehrern kehrten bis in die Mitte der fünfziger Jahre insgesamt 50 zurück an eine Universität oder TH (vgl. ebd.). 310 Vgl. Knobloch, Mathematik, S. 38. Nach Hamel und Timpe sei Schmeidler „zwar Parteigenosse, aber nie Aktivist“ gewesen. Weiter heißt es bei Knobloch: „Der Betriebsrat hatte vergeblich gegen die Professurwiederbesetzung durch Schmeidler Einspruch erhoben.“ Schmeidler, von 1928 bis 1932 Mitglied der DNVP, war 1937 in die NSDAP eingetreten. Im Jahre 1956 trat er in die ‚Traditionsgemeinschaft der Technischen Hochschulen Breslau und Danzig‘ ein: „Der Zweck dieser Organisation sei, ‚keinerlei Ansprüche auf unsere Hochschulen im deutschen Osten vor Abschluß eines Friedensvertrages preiszugeben‘“ (Knobloch, Mathematik, S. 26). 4.4 Der Lehrstuhl im Kontext der Karriere 279 kehrte 1958 als ständiger Gastprofessor zurück, nachdem ihn die Universität bereits 1952 zum Ehrensenator ernannt hatte.311 Nach Ende des Krieges war er zunächst interniert und wurde 1948 auf einen Lehrstuhl der Aachener Technischen Hochschule berufen. Bei seiner Emeritierung dort hat er 1956 das Große Bundesverdienstkreuz erhalten. Zusammen mit Niemczyk fand insgesamt ein weiteres knappes Fünftel des 45er Kollegiums – hauptsächlich frühere NSDAP-Mitglieder – später ein Auskommen an einer anderen Hochschule. Alfred Grabner, Professor für Elektromaschinenbau, und Günther Oberdorfer, Professor für Elektrotechnik, gingen beide an die Grazer Technische Hochschule; der Betriebswissenschaftler Otto Kienzle erhielt 1947 einen Lehrstuhl in Hannover, sein Kollege Johannes Schlums, Ordinarius für Straßenbau, zwei Jahre später. Im Studienjahr 1956/57 wählte die Hannoveraner Hochschule Schlums zum Rektor. Der Städtebauer Erwin Marquardt lehrte und forschte seit 1949 in Stuttgart.312 Auch der Ordinarius für technische Mechanik Friedrich Tölke, der in Berlin als Nationalsozialist entlassen worden war, fand nach einigen Jahren als Zivilingenieur 1952 in Stuttgart eine neue Anstellung als ordentlicher Professor.313 Einige Professoren gingen nach 1945 ins Ausland. Heinrich Hanemann schrieb im Vorwort seines 1951 erschienen Buches „Eindacht. Eines Ingenieurs Weltbesinnung“ über sich selbst: „Bei dem Zusammenbruch verlor er Amt, Vermögen und Heim. Im Jahr 1948 ging er zur Ausführung von Forschungsarbeiten nach Stockholm.“314 Der Ordinarius für Wasserbau Adolf Ludin, seit 1931 Mitglied im Stahlhelm und seit 1933 in der NSDAP, arbeitete als beratender Ingenieur in Jugoslawien und im Iran. Als Lehrer kehrte er nicht an die Technische Universität zurück, wurde aber 1954 zum Ehrensenator berufen. Der Mineraloge Wilhelm Eitel, gleichzeitig Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Silikatforschung, fand nach Kriegsende eine Anstellung beim Office of Naval Research in Norris, Tennessee und lehrte später an der Universität in Toledo, Ohio.315 Der Elektrochemiker Max Volmer arbeitete zusammen mit Gustav Hertz bis Mitte der fünfziger Jahre in Sochumi, Georgien, an der technischen Realisierung der Isotopentrennung mit dem Ziel der Herstellung hochangereicherten Urans.316 311 Niemczyk war seit 1933 Mitglied im NS-Lehrerbund und seit 1937 Parteimitglied. 312 Marquardt war 1933 in die NSDAP eingetreten, Schlums (1933 SA) und Kienzle 1937, Oberdorfer 1938 und Grabner 1942. 313 Vgl. Knobloch, Mathematik, S. 19. Tölke war im April 1933 in die NSDAP eingetreten. 314 Hanemann, Eindacht, S. 15. Hanemanns in drei Abschnitte gegliedertes Buch – Erkenntnis, Welt und Mensch sowie Religion und Sitte – ist Ergebnis dessen, was er sich nach eigenem Bekunden bei Verlassen des Gymnasiums als Lebensaufgabe setzte: „Wahrheit in Wissenschaft und Religion zu ergründen“ (ebd.). Nach Ansicht des früheren Professors für Metallkunde entspreche es „dem heutigen technischen Zeitalter, wenn ein Grundriß des Geistigen eine ‚Eindacht‘ von einem Ingenieur gezeichnet wird“ (S. 9). 315 Ausführlich zu Eitel vgl. Stoff, Arbeitsstätte. Zur Nachkriegskarriere – „Wilhelm Eitel als Paperclip-Boy“ – ebd., S. 44ff. 316 Vgl. Kuczera, Hertz, S. 60. Hertz hatte sich bereits an der Technischen Hochschule und später bei Siemens & Halske mit dem Problem der Isotopentrennung befasst und sagte rückblickend: „Nun, ich möchte beinahe sagen, es war vielleicht nicht rein wissenschaftlich, sondern 280 4. Als Lehrstuhlinhaber in Berlin und Charlottenburg Der Professor für Gießereikunde Heinrich Nipper, der bereits seit 1940/41 beurlaubt war, um sich im Reichserziehungsministerium auf seine Arbeit als Referent für technische Wissenschaften und Naturwissenschaften konzentrieren zu können, war ebenfalls einige Jahre im Ausland tätig. Er gehört zu der Gruppe der Ordinarien – ebenfalls ein knappes Fünftel – die nicht in den akademischen Bereich zurückkehrte. Von 1956 bis 1960 war er Leiter der Werkstoffprüfung und -forschung bei den Buderus-Werken in Wetzlar. Der Führer der Dozentenschaft an der Charlottenburger Hochschule Willi Willing arbeitete nach 1945 in verschiedenen Anstellungen als Ingenieur, unter anderem in Köln und Braunschweig. Der Architekt Friedrich Tamms erhielt 1948 eine Stelle im Planungsamt der Stadt Düsseldorf und holte kurz darauf auch seinen früheren Kollegen Hanns Dustmann nach, der schon vor Ende des Krieges mit der Planung des Wiederaufbaus der Stadt am Niederrhein befasst gewesen war.317 Beide blieben bis in die siebziger Jahre als selbständige Architekten tätig. Gerade da ein Großteil der Charlottenburger Ordinarien sowohl im akademischen Bereich als auch in der Wirtschaft nach einer neuen Anstellungen suchen konnte, bedeutete das Ende des „Dritten Reiches“ also auch bei eher regimenahen Professoren nur in wenigen Fällen das Ende der Karriere. mehr, wenn man so will, ein sportliches Interesse. Weil es niemand gelungen war, die Isotopen zu trennen, da wollte ich mal sehen, ob ich’s nicht könnte“ (zit. S. 72). Bei Cassidy, Institut, S. 378, heißt es: „1945 übernahm er [Hertz], freiwillig oder unfreiwillig, Forschungsarbeiten in Rußland.“ Auch Päsler, Skizzen, S. 182, merkt an, es lasse sich „wegen der diesbezüglichen widersprüchlichen Angaben nicht mit Sicherheit sagen“, ob Hertz freiwillig oder unfreiwillig in die Sowjetunion ging. 317 Vgl. Durth, Architekten, S. 278ff. Dustmann sollte den Neubau für eine Technische Hochschule in Düsseldorf entwerfen. Tamms hatte zusammen mit Albert Speer bei Heinrich Tessenow studiert (vgl. ebd., S. 56) und war 1942 auf einen Lehrstuhl in Charlottenburg berufen worden. Dustmann war von 1943 bis 1945 Ordinarius der TH. SCHLUSSBETRACHTUNGEN SCHLUSSBETRACHTUNGEN „Aus dem Lande der Denker und Dichter ist zum Erstaunen der gesamten gebildeten Welt ein Land der Ingenieure, der Elektrotechniker geworden.“1 So urteilte der Berliner Journalist Isidor Kastan in seinem 1919 erschienenen Buch „Berlin wie es war“ über die Jahre des Kaiserreichs. Wenige Zeilen zuvor hatte er festgestellt: „Das alte Gelehrtengeschlecht hat seine Bestimmung erfüllt; sein Höhepunkt ist überschritten, und es neigt sich allmählich dem Niedergang entgegen.“ In einigen Aspekten bestätigt dieses Buch das feuilletonistische Empfinden Kastans. Die eingangs erwähnte Berufung des Physikers Gustav Hertz im Jahre 1928 ist symptomatisch dafür, dass der Abstand zwischen Universität und Technischer Hochschule geringer geworden war. Gleichwohl verweist sie auch darauf, dass wichtige Schritte auf diesem Weg erst nach dem Ende des Kaiserreichs gemacht wurden. Gerade die ‚Goldenen Jahre‘ der Weimarer Republik waren in mancherlei Hinsicht ebenfalls eine Blütezeit der Charlottenburger Technischen Hochschule, auch wenn sie unter anderen Vorzeichen stand und gleichsam unauffälliger ausfiel als jene der Jahre um die Jahrhundertwende. Nach der pompösen Hundertjahrfeier von 1899 sanken zwar die Studierendenzahlen rapide ab, gleichzeitig wurde aber eine Vielzahl neuer Lehrstühle geschaffen, oft in Kombination mit Laboratorien oder Versuchsfeldern. So verbesserten sich Betreuungsrelation und Forschungsmöglichkeiten und entsprechend attraktiv waren die Arbeitsbedingungen an der Hochschule. In der Weimarer Republik stieg die Frequenz an – zwar unregelmäßig aber deutlich – und bescherte der Hochschule im Jahre 1930 mit 5.897 die höchste Studierendenzahl im untersuchten Jahrhundert – während sich die Zahl der Lehrstühle kaum änderte. Zwar blieb aufgrund der finanziellen Probleme des Staates manches Projekt der Hochschulreform auf der Strecke, unterhalb der Ordinarienebene erfolgte aber dennoch ein Ausbau des Lehrkörpers: Gegenüber 1915 hatte sich die Zahl der Dozenten 1930 mehr als verdoppelt.2 Während der Kaiser überdies öffentlichkeitswirksam die Gleichstellung der Technischen Hochschule mit den Universitäten proklamiert und ihr mit großer Geste das Promotionsrecht verliehen hatte, zog die Republik, ohne viel Aufsehen zu erregen, die Konsequenz der Gleichbehandlung und dehnte zudem das Promotionsrecht auf jene Fächer aus, die man 1899 stillschweigend übergangen hatte. Diese Aufwertung der Allgemeinen Abteilungen, der eigentlichen Schnittmenge zwischen Universitäten und Technischen Hochschulen, die zudem nun auch in Preußen das Recht erhielten, Lehrer auszubilden, ist entschiedener Ausdruck dieser Gleichbehandlung der beiden Hochschultypen, die nun ein1 2 Kastan, Berlin, S. 166. Vgl. auch Gundler, Braunschweig, S. 391: „Die relativ prosperierenden Jahre der Weimarer Republik, 1925-1929, […] stellten auch für die Wissenschaft und die Hochschulen eine Phase der Erholung, des Aufschwungs und des Ausbaus dar.“ 282 Schlussbetrachtungen heitlich als wissenschaftliche Hochschulen bezeichnet wurden.3 Die Bedeutung der Verleihung des Promotionsrechts soll damit nicht gemindert werden, stellt doch die Graduierung bis heute den „Kern der Universität“4 dar. Das Jahr 1899 markiert jedoch weniger die Gleichstellung der Technischen Hochschulen als die Emanzipation der technischen Wissenschaften. Die preußischen Technischen Hochschulen durften nun zwar promovieren, aber eben nur in einigen nicht-universitären Fächern. Mathematische und naturwissenschaftliche Promotionen blieben weiterhin auf die Universitäten beschränkt. Letztlich wurde also impliziert, dass die Technischen Hochschulen in diesen Disziplinen nachrangig seien und damit nicht ihre Gleich-, sondern vielmehr ihre Andersartigkeit betont. Die eigentliche Gleichstellung der Technischen Hochschule brachte also nicht der kaiserliche Erlass von 1899, sondern der des sozial-demokratischen preußischen Kultusministers Konrad Haenisch im Juni 1921. Der rechtliche Status der technischen Professoren bot ebenfalls in der Weimarer Republik die meisten Vorteile. Auch einkommensmäßig konnten sie sich in den Jahren nach der Inflation deutlich verbessern und verdienten 1929/30 mehr als je zuvor, nicht zuletzt, da mit der wachsenden Zahl der Studierenden auch das Unterrichtsgeld anstieg. Dementsprechend lag die Abwanderungsquote der Charlottenburger Professoren in den zwanziger Jahren auf dem niedrigsten Niveau, und die Hochschule war auch für Vertreter universitärer Disziplinen keine Durchgangsstation mehr. Allerdings ist hier für die unmittelbare Nachkriegszeit zu erwägen, ob nicht auch die schwierige wirtschaftliche Lage es den Ordinarien während dieser Jahre geraten scheinen ließ, an ihrer vergleichsweise sicheren Position in Charlottenburg festzuhalten. Der Spielraum bei Berufungsverhandlungen war sicher geringer als zuvor. Wenn man davon ausgeht, dass sich die Ordinarien der Universitäten und jene der Technischen Hochschulen seit Mitte der zwanziger Jahre hinsichtlich ihres sozialen Ansehens eher auf Augenhöhe begegneten, so ist dies ähnlich differenziert zu bewerten. Das Sozialprestige der Universitätsprofessoren hatte um 1900 seinen Höhepunkt erreicht.5 Zeichneten sich die technischen Lehrstühle nun durch eine ähnliche Attraktivität aus, so hing dies nicht zuletzt damit zusammen, dass jene der Universitäten an Prestige und Ansehen verloren hatten. Es war also nicht allein ein Aufstieg der Techniker, sondern eine Bewegung aufeinander zu, gleichsam eine „Anpassung nach unten.“6 3 4 5 6 Das sächsische Polytechnikum in Dresden durfte bereits seit 1855 Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften ausbilden, vgl. Pommerin, TU Dresden, S. 49. Auch das Promotionsrecht für diese Fächer bestand hier schon seit 1912, in München bereits seit 1909, vgl. S. 93. Moraw, Universität Erfurt, S. 195. Vgl. auch Moraw, Universitäten, S. 39. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, merkte in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“ an, dass „sich die Stellung und das Selbstverständnis der versammelten akademischen Einrichtungen vor allem über das Promotionsrecht definieren“ (Matthias Kleiner, Erschreckend dünne Bretter, in: Die Zeit, Nr. 34, 16. August 2007, S. 33). Vgl. u. a. Moraw, Professor, S. 25. Moraw, Universitäten, S. 31. Moraw verwendet die Formulierung zur Beschreibung der sozialen Konsequenzen der Zusammenfassung der sozial vornehmeren Juristen einerseits und Schlussbetrachtungen 283 Auch hinsichtlich der sozialen Herkunft kam es zu einer derartigen Annäherung. Über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg blieb das Ordinarienkollegium der Charlottenburger Hochschule zwar nicht-bürgerlichen Schichten gegenüber weitgehend verschlossen. Gleichwohl zeichnete es sich verglichen mit universitären Kollegien durch eine größere soziale Offenheit aus. Der Anteil der Professoren, die aus einem kleinbürgerlichen Milieu stammten, war hier durchweg höher und sank selten unter 30 Prozent. Diese Offenheit war nicht allein auf die jungen Wissenschaften beschränkt: Differenziert nach mathematisch-naturwissenschaftlichen auf der einen und technischen Disziplinen auf der anderen Seite fallen kaum Unterschiede in den sozialen Rekrutierungsmustern auf. Die Charlottenburger Hochschule zeigte sich also in dem Sinne progressiver, dass hier Personen auf Lehrstühle berufen wurden, die es aus sozialen Gründen an einer Universität schwerer hatten. Zusammen mit der rechtlichen Besserstellung der Technischen Hochschulen und dem quantitativen Wachstum des akademischen Arbeitsmarktes trug dies mittelfristig dazu bei, die soziale Basis der Hochschullehrerschaft insgesamt zu verbreitern. Ein großer Teil der hier untersuchten Charlottenburger Professoren entstammte jedoch dem gleichen sozialen Milieu wie die meisten ihrer Kollegen an den Universitäten: dem Bildungsbürgertum. Gerade nach 1879 stieg ihr Anteil am Kollegium schnell an, was darauf hindeutet, dass die Lehrstühle der jungen Hochschule bald als standesgemäße Option in einer bildungsbürgerlichen Karriere akzeptiert wurden. Gleichzeitig rückt dies die Technikerbewegung, in der die Professoren eine prominente Rolle übernahmen, in ein etwas anderes Licht. Hier bemühten sich nicht allein soziale Aufsteiger wie Alois Riedler, Sohn eines Kunstbleichers, oder Adolf Slaby, Sohn eines Buchbindermeisters, darum, akzeptiert und anerkannt zu werden. Vielmehr gab es unter den Professoren der Technischen Hochschule eine beachtliche Gruppe von Bildungsbürgern, welche die gleiche Ausbildung wie ihre Kollegen an der Universität durchlaufen hatten und nun wie diese lehrten und forschten. Naturgemäß war ihr Anteil an der Abteilung für Allgemeine Wissenschaften mit ihrem universitätsähnlichen Fächerkanon am größten. Vor diesem Hintergrund strebten sie nach dem gleichen Ansehen und den gleichen Rechten, waren also nicht allein um Verbesserung, sondern auch um Wahrung ihres sozialen Status bemüht. Insgesamt waren die Ziele jedoch hoch gesteckt. Denn als Vorbild stand den Charlottenburger Professoren nicht das Konstrukt eines vermeintlichen Universitätsprofessors an sich vor Augen, sondern ganz konkret die Ordinarien der benachbarten Friedrich-Wilhelms Universität, die Anfang des 20. Jahrhunderts zweifelsohne weit aus dem Kreis der deutschen Universitäten herausragte. Blickt man auf den Ausbildungsweg der Professoren, so ist erwartungsgemäß auch bei den Vertretern der technischen Disziplinen eine Tendenz hin zu einer ‚Verlaufbahnung‘ zu erkennen. Die Mathematiker und Naturwissenschaftler den weniger vornehmen Artisten, Medizinern und Theologen andererseits unter dem Dach der Vierfakultäten-Universität, wie sie sich im nordalpinen Reich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts etablierte. 284 Schlussbetrachtungen folgten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ohnehin dem gängigen Weg von Promotion über Habilitation hin zum außerordentlichen oder direkt zum ordentlichen Lehrstuhl. Mit entsprechender zeitlicher Verzögerung erscheint nach 1899 die Promotion auch zunehmend in den Lebensläufen der Techniker, die Bedeutung der Habilitation hingegen blieb geringer. Extraordinariate wurden an den preußischen Technischen Hochschulen erst in den zwanziger Jahren eingerichtet, die große Mehrheit der Professoren hatte jedoch vor der Annahme des Rufs nach Charlottenburg bereits als Dozent – mit unterschiedlichen amtlichen Bezeichnungen – an einer Hochschule gelehrt. Überdies trat bei den Technikern noch die praktische Tätigkeit als Ingenieur im Staatsdienst oder in der Industrie als Laufbahnstation hinzu. Insgesamt wurden sich die Karrieren der technischen Professoren, wenn auch nicht in ihren Abläufen und Schwerpunkten, so doch in ihren Elementen, ähnlicher. Allerdings blieb man flexibel. Auch in den dreißiger Jahren konnte eine der akademischen Sphäre ferne Karriere noch in Charlottenburg enden, und namentlich unter den Architekturprofessoren blieb der Doktortitel die Ausnahme. Das Professorenkollegium war also über das betrachtete Jahrhundert hinweg stets heterogen, sowohl hinsichtlich seiner sozialen Herkunft als auch seines Bildungs- und Karrierewegs. Der Ruf nach Charlottenburg hob dies keinesfalls auf; vielmehr kamen neue Differenzen hinzu, die sich – trotz gewisser Ausgleichsbemühungen – besonders an der unterschiedlichen Bemessung der Gehälter ablesen lassen, aber auch an der unterschiedlichen Berücksichtigung bei der Vergabe von Orden und Titeln. Die Heterogenität der sozialen Herkunft ignorierte Fakultätsund Disziplinengrenzen, und das Ordinarienkollegium der Berliner Technischen Hochschule war während der ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gerade dahingehend eine wirklich bürgerliche Angelegenheit, dass grob 40 Prozent einem bildungsbürgerlichen und jeweils knapp 30 Prozent einem wirtschafts- beziehungsweise kleinbürgerlichen Milieu entstammten. Gerade in diesen Jahren stellte die untersuchte Personengruppe eine Schnittstelle der drei Kernformationen des deutschen Bürgertums dar und zeigte sich mit ihrer sozialen Offenheit, auch wenn diese noch auf das Bürgertum beschränkt war, durchaus modern. Andererseits barg diese Situation manchen Konflikt, zumal sich die einzelnen Abteilungen hinsichtlich der Sozialisation ihrer Professoren in Ausbildung und Beruf durchaus unterschieden. Die Begriffspaare Gymnasium und Realgymnasium, Universität und Polytechnikum, Staatsdienst und Industrie markieren grob die Eckpunkte dieser Situation. Aufgrund der Ferne beziehungsweise Nähe ihres Fächerkanons zur Universität standen auf der einen Seite die technischen Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft, auf der anderen Seite die Fakultät für Allgemeine Wissenschaften, während die Fakultät für Stoffwirtschaft eine gewisse Mittelposition einnahm. Problematisch war, dass bis in die zwanziger Jahre hinein die Allgemeinen Abteilungen häufig als Dienstleister für die übrigen angesehen wurden, obwohl sie doch die im zeitgenössischen Verständnis vornehmeren, nämlich universitären, Disziplinen vertraten – insbesondere jene der philosophischen Fakultät, die im Laufe des 19. Jahrhunderts an den Universitäten eine Schlussbetrachtungen 285 Führungsrolle übernommen hatte. Gerade bei Berufungsfragen traten diese Gegensätze mitunter recht offen zu Tage. Für die Attraktivität der Hochschule war aus Sicht der Professoren die hohe Studierendenzahl von entscheidender Bedeutung. Sie versprach zum einen, wegen des größeren Wirkungskreises, fachlichen Einfluss und zum anderen, wegen der höheren Hörergeldeinnahmen, eine bessere finanzielle Stellung. Hinzu kam, dass der gute Ruf, dessen sich die Charlottenburger Hochschule auch im Ausland bald erfreute, natürlich auf jene abfärbte, die dort einen Lehrstuhl übernahmen. Das Ansehen einer Hochschule und das ihrer Professoren bedingen sich letztlich gegenseitig. Die hohe Frequenz der Berliner Technischen Hochschule lässt sich nicht allein auf ihr weites Einzugsgebiet zurückführen. Vielmehr spricht gerade die große Zahl der ausländischen Studierenden dafür, dass die Charlottenburger Ausbildung als qualitätvoll angesehen wurde. Auch die Kosten schreckten die Studierenden nicht ab. Die Königlich Technische Hochschule zu Berlin war während des Kaiserreichs eine durchaus teure Hochschule: Sowohl die Immatrikulationsgebühr als auch die Kosten für Vorlesungen und Praktika am chemischen Laboratorium lagen im Jahre 1906 weitaus höher als an den übrigen Technischen Hochschulen.7 Die Prüfungsgebühren hingegen waren in Preußen einheitlich geregelt, waren jedoch mehr als doppelt so hoch wie beispielsweise in Bayern.8 Trotzdem studierte im gleichen Jahr von den knapp 12.000 technischen Studierenden im Reich mehr als ein Fünftel in der preußischen Hauptstadt. Neben der hohen Besucherzahl taten die Nähe zu Staat und wichtigen Industriezweigen sowie die Nachbarschaft zu einer Universität ein Übriges, die Attraktivität der Charlottenburger Hochschule für die Professoren – und sicher auch für die Studierenden – zu steigern. All dies trug dazu bei, dass sich – nach Aufstiegs- beziehungsweise Niedergangsprozessen – die Professoren der Technischen Hochschule und jene der Universitäten in den Jahren der Weimarer Republik schließlich recht nahe gekommen sind. Keinesfalls konnten die Techniker allerdings eine ähnliche Stellung und kulturelle Deutungsmacht erlangen, wie sie gerade die geisteswissenschaftlichen Mandarine während des Kaiserreichs innegehabt hatten.9 Zweifelsohne erstrebten einige der Techniker schon früh eine derartige Position. In seiner Rede zum Kaisergeburtstag im Jahre 1900 formulierte der Rektor Alois Riedler diesen Anspruch: „Damit überragt der Fortschritt alles Bisherige; es ist die grösste Umwälzung, welche die Menschheit je erlebte, das Werk der org an is ir ten Arb e it, der v ervo llko mmn e te n W erkzeug e und der D ienstb ar machung d er Naturkr äf te. Diese gewaltigen Veränderungen nur als die sogenannte ‚materielle Kultur‘ zu betrachten, heisst unsere Lebensverhält- 7 8 9 Vgl. Damm, Übersicht, S. 18ff. Die einmalige Immatrikulationsgebühr betrug 30 Mark, in München 20 und an den anderen Hochschulen jeweils rund zehn Mark. Für die wöchentliche Vorlesungsstunde mussten pro Semester vier Mark bezahlt werden, für das chemische Praktikum 85 Mark. Vgl. Damm, Übersicht, S. 38ff. Vgl. u. a. Ringer, Mandarine, S. 16ff. 286 Schlussbetrachtungen nisse verkennen. Es sind vielmehr massgebende Kulturbedingungen, mit denen alles Bestehende für d ie A llg eme in he it wirksam gedeiht oder fällt.“10 Überdies, so fährt Riedler fort: „Die Technik schafft Arbeit und menschenwürdiges Dasein für Millionen, die ohne Mitarbeit der Technik auf tiefer Kulturstufe wie in der Vergangenheit bleiben müssten.“11 In einer etwas älteren Schrift hatte er festgestellt: „Die technisch richtige Anwendung ist […] die höhere Stufe, welche die wissenschaftliche Erkenntniss als Vorstufe voraussetzt.“12 Natürlich blieb dies nicht unbeantwortet. Der Althistoriker Robert von Pöhlmann gab Riedler eine Antwort, die der Polemik des Maschinenbauers in nichts nachstand. Er formulierte, was seiner Ansicht nach die Konsequenz derartiger Ansichten sei: „Also, Herr Riedler, wenn er Pumpen konstruiert, übt damit eine höhere geistige Tätigkeit aus als ein Newton oder Laplace, als ein Thukydides, Ranke oder Mommsen!!“13 Pöhlmann räumt zwar ein: „Niemand wird verkennen, was an der Anschauung Riedlers berechtigt ist“14, zieht letztlich jedoch ein vernichtendes Fazit: „Hier haben wir den echten und rechten Typus des Normal- und Durchschnittsmenschen vor uns, der, mit halbfertiger Bildung in einen engbegrenzten Beruf eingetreten, sich nie zu einem klaren und freien Urteil über die großen Fragen des geistigen Lebens zu erheben vermocht hat, – den echten Typus auch jener mechanischen – dem Technizismus allerdings nur zu naheliegenden – Denkweise, der die Welt der historischen Erscheinungen ebenso als eine ‚Mechanik des Geschehens‘ erscheint, wie die Vorgänge der äußeren Natur.“15 Nüchtern betrachtet zeitigten die Auseinandersetzungen zwischen Universitäten und Technischen Hochschulen jedoch durchaus positive Folgen. Das hohe Sozialprestige, das während des 19. Jahrhunderts in den deutschen Ländern mit universitärer Bildung verbunden war, trug wesentlich dazu bei, dass die jungen technischen Lehranstalten nach einer Akademisierung strebten, die sich am universitären Muster orientierte. Ziel war dabei die Teilhabe an diesem Sozialprestige – Riedler formulierte dies sehr offen, als er dem technischen Doktortitel in erster Linie „sozialen Werth“16 beimaß. Die im europäischen Vergleich recht früh einsetzende Akademisierung der technischen Ausbildung, die aus dem Wettbewerb mit den Universitäten resultierte, verschaffte dem deutschen Kaiserreich einen gewissen Vorteil während der Phase der Hochindustrialisierung: Die Technischen Hochschulen waren in der Lage, auf den Bedarf der Industrie nach wissenschaft10 11 12 13 Riedler, Bedeutung, S. 6f. (Hervorhebungen im Original). Ebd., S. 9 (Hervorhebungen im Original). Riedler, Zukunft, S. 5. Pöhlmann, Jahrhundert, S. 393. Pöhlmanns Artikel erschien erstmals 1901 in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung und wurde zudem in die 1911 erschienene zweite Auflage von Pöhlmanns Aufsatzsammlung „Aus Altertum und Gegenwart“ aufgenommen. Im Vorwort schreibt Pöhlmann, Ausgangspunkt seines Beitrags sei zwar „die Polemik gegen eine einzelne Persönlichkeit“, aber Riedler repräsentiere „einen allgemeinen, in der Gegenwart weitverbreiteten Typus“ (Pöhlmann, Altertum, S. III). 14 Pöhlmann, Jahrhundert, S. 403. 15 Ebd., S. 433. 16 Riedler, Hochschulen, S. 82. Schlussbetrachtungen 287 lich ausgebildeten Chemikern oder Elektroingenieuren zu reagieren.17 Zudem beantworteten die Techniker die universitäre Angst vor einem Qualitäts- und Ansehensverlust des Doktorgrades mit der Aufstellung strenger Promotionsordnungen. Der Titel des Doktoringenieurs wurde recht selten vergeben und die Promotionsphase dauerte länger als an den Universitäten.18 Heute ist es schließlich gerade der Verband der neun vor 1900 in den deutschen Staaten gegründeten Technischen Hochschulen, der sich für die Wahrung der Qualität der Promotion einsetzt und sich deutlich gegen ihre Verschulung ausspricht.19 Dennoch bleibt für den hier betrachteten Zeitraum als Problem zurück, dass im Lauf des 19. Jahrhunderts das Bildungsbürgertum sein Konzept klassischer Bildung gleichsam als Eintrittskarte zur bürgerlichen Gesellschaft etabliert hatte. Schon Max Maria von Weber sah 1877 an dieser Stelle Anpassung als einzige Chance, also „Hebung des Geistes und der allgemeinen Bildung“20 der Techniker. Im Vergleich zu Riedler gemäßigte Töne schlug auch die Allgemeine Abteilung der Charlottenburger Hochschule an, als sie 1920 als Ziel der Hochschulreform formulierte: „nicht nur brauchbare Ingenieure, sondern auch Kulturmenschen mit geistigem Innenleben“21 zu erziehen. Ernsthafte Ansätze zur Verwirklichung derartiger Projekte, die über die Erteilung einiger Lehraufträge hinaus gingen, finden sich jedoch erst, nachdem das Bildungsbürgertum seine einflussreiche und bestimmende Stellung längst verloren hatte. Die Humanistische Fakultät der Technischen Universität Berlin wurde im März 1950 eröffnet. Im Kontrast zur eingangs zitierten und aus der Sicht der Techniker positiven Einschätzung Kastans steht eine Szene aus Thomas Manns „Zauberberg“, erschienen 1924, die gleichfalls eine verbreitete zeitgenössische Stimmung einfängt: „‚Ich bin Ingenieur, Herr Doktor‘, antwortete Hans Castorp mit bescheidener Würde. ‚Ah, Ingenieur!‘ Und Dr. Krokowskis Lächeln zog sich gleichsam zurück, büßte an Kraft und Herzlichkeit für den Augenblick etwas ein.“22 Vielen der knapp dreihundert Professoren, die im Mittelpunkt dieses Buches standen, wird der Anblick eines derartigen Lächelns wohlbekannt gewesen sein. 17 18 19 20 21 22 Vgl. König, Verwaltungsstaat, S. 121. Vgl. Lundgreen, Promotionen, S. 360f. Vgl. http://www.tu9.de/presse/1363.php (27. Juli 2007). Weber, Techniker, S. 30. GStA PK, I. HA Rep. 76 Vb Sekt. 1 Tit. I Nr. 17, Bd. IV, Bl. 14, August 1920. Mann, Zauberberg, S. 25. ANHANG VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN, GRAPHIKEN UND TABELLEN Abbildung 1: Eduard Gaertner, Die Bauakademie, Öl auf Leinwand, 63 x 82 cm, 1868 .............. 54 Graphik 1: Schülerzahl an Bauakademie und Gewerbeinstitut bis 1850.................................... 61 Graphik 2: Lehrkörperstruktur an Bergakademie, Bauakademie und Gewerbeinstitut bis 1849 ............................................................ 68 Graphik 3: Bevölkerungsentwicklung in Preußen und Frequenzwachstum des Technischen Hochschulwesens in Berlin, 1850 bis 1939 ................. 73 Graphik 4: Quantitative Entwicklung des Technischen Hochschulwesens in Berlin: Studierende und Lehrende, 1850 bis 1945 .......................... 76 Graphik 5: Quantitative Entwicklung der Allgemeinen Wissenschaften ................................... 80 Graphik 6: Quantitative Entwicklung des Bauwesens................................................................ 82 Graphik 7: Quantitative Entwicklung des Maschinenwesens..................................................... 85 Graphik 8: Quantitative Entwicklung der Stoffwirtschaft.......................................................... 87 Graphik 9: Quantitative Entwicklung der Wehrtechnik ............................................................. 88 Graphik 10: Anteil der NSDAP-Mitglieder unter den Ordinarien.............................................. 147 Graphik 11: Anteil der gebürtigen Preußen an der Professorenschaft........................................ 162 Tabelle 1: Herkunftsregionen der Professoren ........................................................................ 164 Graphik 12: Einwohnerzahl der Geburtsorte.............................................................................. 167 Tabelle 2: Vaterberufe der Neuberufenen ............................................................................... 171 Graphik 13: Sozialstruktur der Professorenschaft, 1851 bis 1945.............................................. 175 Graphik 14: Schulbildung der Neuberufenen je Jahrzehnt, 1851 bis 1945 ................................ 185 Tabelle 3: Studienorte der Professoren.................................................................................... 188 Graphik 15: Hochschulbesuch nach Fakultäten ......................................................................... 191 Tabelle 4: Promovierte und Nicht-Promovierte unter den neuberufenen Professoren der Fakultäten für Bauwesen und Maschinenwirtschaft, 1851 bis 1945 ...................... 193 Tabelle 5: Promotionsorte der Professoren ............................................................................. 195 Tabelle 6: Berufserfahrung der Professoren............................................................................ 202 Tabelle 7: Laufbahnstationen im Hochschulbereich ............................................................... 205 Tabelle 8: Durchschnittsalter des Ordinarienkollegiums zu Stichjahren................................. 213 Tabelle 9: Einkommen der etatmäßigen Professoren 1897/99 in Mark .................................. 240 Tabelle 10: Einkommen der Ordinarien 1929/30 in Mark ........................................................ 246 Tabelle 11: Entwicklung des durchschnittlichen Jahreseinkommens 1851 bis 1930 in Mark .. 250 Tabelle 12: Ausländeranteil an den preußischen Hochschulen ................................................. 276 Verzeichnis der Lehrstuhlinhaber, 1851 bis 1945 289 VERZEICHNIS DER LEHRSTUHLINHABER, 1851 BIS 19451 Adler, Friedrich (1827–1908), Baugeschichte, BA, 1866–1877 Agatz, Arnold (1891–1980), Grundbau, Wasserbau, Hafenbau, TH, 1931–1945 Alt, Hermann (1889–1954), Getriebelehre, TH, 1939–1945 Arnim, Ferdinand von (1814–1866), Entwerfen von Gebäuden, BA, 1860–1866 Arnim, Achim von (1881–1940), Allgemeine Wehrwissenschaft, TH, 1933–1940 Aronhold, Siegfried (1819–1884), Höhere Mathematik, BA, GA, TH, 1864–1883 Aumund, Heinrich (1873–1959), Maschinenbau, TH, 1925–1935 Bachér, Franz (1894–1987), Organische Chemie, TH, 1934–1945 Bartels, ? 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Lehrtätigkeiten nach 1945 an der Technischen Universität in Berlin sind nicht berücksichtigt. 290 Anhang Dieckhoff, Hans (1866–1941), Schiffsmaschinenbau, TH, 1902–1906 Dietrich, Emil (1844–1912), Straßenbahn und Enzyklopädie der Bauingenieur-Wissenschaften, TH, 1882–1904 Dill, Carl (1849–1891), Schiffbau, TH, 1886–1891 Dischinger, Franz (1887–1953), Eisenbetonbau, TH, 1933–1945 Dobbert, Eduard (1839–1899), Geschichte der Baukunst, BA, TH, 1878–1899 Doeltz, Otto (1863–1947), Metallhüttenkunde, TH, 1906–1924 Doergens, Richard (1839–1901), Geodäsie, GA, TH, 1874–1901 Dolezalek, Carl (1843–1930), Eisenbahnbau, TH, 1907–1921 Dolezalek, Friedrich (1873–1920), Physik und physikalische Chemie, TH, 1907–1920 Drawe, Rudolf (1877–1967), Verbrennungstechnik und Dampfkesselbau, TH, 1919–1945 Drescher-Kaden, Friedrich Karl (1894–1988), Lagerstättenkunde, TH, 1934–1936 du Bois-Reymond, Paul (1831–1889), Mathematik, TH, 1884–1889 Dübbers, Kurt (1905–1987), Baugestaltung, TH, 1942–1945 Durrer, Robert 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Emil Oskar (1835–1888), Brückenbau und mathematische Baukonstruktion, BA, TH, 1877–1888 Witt, Otto (1853–1915), Technische Chemie, TH, 1891–1915 Wolf, Julius (1862–1937), Volkswirtschaftslehre, TH, 1913–1922 Wolff, Ferdinand (1803–1861), Mathematik, GA, 1851–1854 Wolff, Fritz (1847–1921), Entwerfen von Hochbauten, TH, 1886–1921 Zimmermann, Max Georg (1861–1919)Kunstgeschichte, TH, 1901–1919 ABKÜRZUNGEN a. o. Prof. AEG AStA BA BA L BgA bpk BzWG DFG DNVP Fsm. GA Ghzm. GStA PK HdA Hon.-Prof. HWA HZ Hzm. Kfsm. Kgr. KWG MAN außerordentlicher Professor Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft Allgemeiner Studierendenausschuss Bauakademie Bundesarchiv Berlin Lichterfelde Bergakademie Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz Berichte zur Wissenschaftsgeschichte Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutschnationale Volkspartei Fürstentum Gewerbeakademie Großherzogtum Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Haus der Abgeordneten, Stenographische Berichte der Verhandlungen Honorar-Professor Heereswaffenamt Historische Zeitschrift Herzogtum Kurfürstentum Königreich Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg 296 MTA NSDAP NSDStB o. Prof. Prof. RGBl. REM RFR RWEVb SMB SA SS Stud. TH Univ. VDDI VDI VfZ Zs. VDI Anhang Militärtechnische Akademie Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund ordentlicher Professor Professor Reichsgesetzblatt Reichserziehungsministerium Reichsforschungsrat Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Staatliche Museen Berlin Sturmabteilung Schutzstaffel Studierende Technische Hochschule Universität Verband Deutscher Diplom-Ingenieure Verein Deutscher Ingenieure Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure UNGEDRUCKTE QUELLEN Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) I. HA Rep. 76 alt Ältere Oberbehörden für Wissenschaft, Kunst, Kirchen- und Schulsachen, IV Kuratorium der Bauakademie 1799–1809, Nr. 1, 2, 3, 13 und 13a I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Universitäten Sekt. 1 Tit. IV Nr. 18 Allgemeine Bestimmungen über Jubiläen, Ordensangelegenheiten etc., Bd. I–II Nr. 24 Anträge auf Gleichstellung der Professoren bei den technischen Hochschulen mit denen bei der Universität, 1877–1884, Bd. I I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 1 Tit. I Nr. 10 Die Bergakademien, 1860–1925, Bd. I–II Nr. 17 Die Neugestaltung der Technischen Hochschulen,1912–1925, Bd. I–IV I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 1 Tit. III Nr. 1 Bestimmungen über Verleihung des Professorentitels und Rangverhältnisse der Professoren und Rektoren, 1842–1925, Bd. I Nr. 3 Einkommensverhältnisse, 1890–1925, Bd. I–IV I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 2 Tit. I Nr. 10 Umgestaltung und Ausbau der Technischen Hochschulen, 1926–1934, Bd. I I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 4 Tit. I Nr. 1 Einrichtung und Leitung der Gewerbeakademie, 1821–1914, Bd. I–XV Nr. 17 Übergang der Bergakademie in die Technische Hochschule, 1904–1925, Bd. I I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 4 Tit. III Nr. 3 Die Annahme der Lehrer bei der Bauakademie etc., 1854–1879, Bd. I–VII Nr. 6 Die Lehrer der Technischen Hochschule, Abteilung I, 1879–1925, Bd. I–XII Nr. 7 Die Lehrer der Technischen Hochschule, Abteilung II, 1879–1925, Bd. I–IX Nr. 8 Die Lehrer der Technischen Hochschule, Abteilung III, 1879–1925, Bd. I–XIII Nr. 8a Die Lehrer der Technischen Hochschule, Abteilung IV, 1894–1925, Bd. I–V Nr. 9 Die Lehrer der Technischen Hochschule, Abteilung IV, jetzt V, 1879–1925, Bd. I–X Ungedruckte Quellen 297 Nr. 10 Die Lehrer der Technischen Hochschule, Abteilung V, jetzt VII, 1879–1925, Bd. I– XIII Nr. 11 Die Lehrer der Allgemeinen Bauschule, 1799–1854, Bd. I–VI Nr. 17 Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Abteilung Bergbau, 1916– 1925, Bd. I–II Nr. 47 Das Unterrichtswesen, sowie der Direktor und die Lehrer der Bergakademie zu Berlin, 1859–1871, Bd. I–V I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 4 Tit. VI Nr. 22 Die vor seiner Majestät dem König etc. an der Technischen Hochschule abgehaltenen Übungen und Vorlesungen, 1898–1908, Bd. I I. HA Rep. 76 Kultusministerium Vb Technische Hochschulen Sekt. 5 Tit. III Nr. 2a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Allgemeine Wissenschaften, 1926–1935, Bd. I–II Nr. 3a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Bauwesen (Architektur), 1926–1935, Bd. I Nr. 4a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Bauwesen (Bauingenieurwesen), 1926–1935, Bd. I–III Nr. 5a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Maschinenwirtschaft, 1926–1935, Bd. I–III Nr. 6a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Schiffbau, 1926– 1935, Bd. I Nr. 7a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Stoffwirtschaft, Bergbau 1926–1935, Bd. I–III Nr. 8a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät Bergbau, Chemie und Hüttenkunde, 1926–1935, Bd. I–III Nr. 13a Die ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Fakultät für Allgemeine Technologie, 1933–1934, Bd. I I. HA Rep. 121 Bergwerks-, Hütten- und Salinen-Abteilung des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe, Abt. D Tit. II Sekt. 1 Nr. 101 Bergtechnische Unterrichtssachen, Generalia, 1770–1857, Bd. I–VII Bundesarchiv Lichterfelde 31XX A0001ff. NSDAP Zentralkartei 3200 A0001ff. NSDAP Ortskartei R 4901 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 2317 Acta betreffend das Institut für Waffenbau, 1940–1943 12769 Neubauten für die Wehrtechnische Fakultät 12868 Wehrtechnische Fakultät 13258ff. Kartei aller Hochschullehrer 13282f. Kartei der Hochschullehrer der Naturwissenschaften 13284ff. Personenbezogene Restunterlagen 14176 Personal-Angelegenheiten, Allgemeines, Bd. 1 14484 Ausbau der Luftfahrtlehrstühle an den Technischen Hochschulen, Wilhelm Hoff, 15. Juni 1935, Gutachtliche Äußerung 14486 Ausbau luftfahrttechnische Einrichtungen, 1935–1944 14920 Wettbewerb Hochschulstadt Berlin, Ausschreibungsunterlagen 1937 14927 Lehrstuhlbesetzungen Architekturabteilungen TH Berlin, 1941–1945 14928 Lehrstuhlbesetzungen Maschinenwesenabteilung TH Berlin, 1940–1945 298 Anhang GEDRUCKTE QUELLEN, NACHSCHLAGEWERKE UND PERIODIKA „...alle, die zu diser Academie beruffen“. Verzeichnis der Mitglieder der Berliner Akademie der Künste 1696–1996, hg. von der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin 1996. Acta Borussica, Neue Folge: 1. Reihe: Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817– 1934/38, hg. von Jürgen Kocka und Wolfgang Neugebauer, 12 Bdd., Hildesheim et al. 1999ff. (http://edoc.bbaw.de, 15. Januar 2007). Akten der Reichskanzlei. 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PERSONEN- UND ORTSREGISTER (Nicht aufgenommen wurden die Begriffe Berlin, Charlottenburg und Preußen.) Aachen 100, 103, 109, 112, 119, 141, 188, 195, 207, 210, 219, 228, 267, 279 Accum, Friedrich Christian 67 Achard, Franz Carl 42 Achenbach, Heinrich von 104, 107, 261 Adler, Friedrich 52, 55, 106, 192, 234, 235, 267 Agatz, Arnold 199 Althoff, Friedrich 116, 117, 183, 189, 224, 225, 227, 242 Ames, George Acland 170 Anhalt 164 Aquin, Thomas von 125 Argentinien 205 Arnim, Achim von 146, 150, 170, 181, 200 Arnim, Ferdinand von 170, 201, 216, 259 Arnim, Hans von 181 Arnim, Marie-Valeska von, geb. von Oppen 181 Aronhold, Siegfried 106, 158, 180, 215, 230, 236, 237, 254, 258, 259, 271 Arrhenius, Svante 229 Personen- und Ortsregister Augsburg 30, 31 Aumund, Heinrich 12, 133, 134, 135, 138, 145, 148, 222, 223, 227, 247 Bachér, Franz 148, 176 Baden 28, 29, 30, 33, 50, 57, 164, 165, 179, 243, 249, 270 Banská Štiavnica 23 Bardeleben, Heinrich Adolf von 252 Bayern 29, 117, 164, 165, 179, 180, 243, 270, 285 Bayreuth (Fsm.) 255 Becherer, Friedrich 48 Becker, Carl Heinrich 132, 133, 134, 231 Becker, Gabriel 143, 144, 145, 220, 246, 268 Becker, Karl 140, 148, 150, 192, 275 Becker, Richard 145, 246, 271 Belgien 25 Bern 122 Bestelmeyer, German 228, 266, 270 Beuth, Christian Peter Wilhelm 30, 46, 50, 51, 52, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 66 Beyschlag, Franz 267 Beyschlag, Rudolf 148 Birkenstock, Otto 217 Blunck, Erich 246, 277 Bochum 267 Bode, Wilhelm von 228 Bodenstein, Max 272 Boelitz, Otto 137 Bois-Reymond, Paul du 210, 211 Bonn 97, 151, 188, 195, 266 Boost, Hermann 217 Bornhak, Conrad 159, 214 Borries, August von 170, 201, 258 Borrmann, Richard 192 Borsig, Ernst 128 Bosse, Robert 116, 227 Bötticher, Carl 238, 239, 261 Brabbée, Karl 131, 132, 133, 137, 268 Brandenburg 164 Brandt, Eugen 201, 240, 258 Braunsberg 203 Braunschweig 19, 23, 30, 31, 77, 141, 153, 163, 164, 168, 172, 173, 174, 185, 187, 188, 189, 198, 209, 210, 243, 280 Braunsfurth, Günther 152 Bremen 164, 199, 267 Brennecke, Erich 190, 246 Breslau 73, 97, 119, 133, 139, 163, 188, 189, 195, 199, 210, 227, 266 313 Briefs, Goetz Anton 145, 199, 247 Brix, Adolf 92, 235 Brix, Joseph 120 Brohme (Laboratoriumsdiener) 109 Bubendey, Johann Friedrich 189, 267, 269 Bülow, Ludwig Graf von 58 Busse, Carl 259 Caesar, Karl 154, 158, 266, 270 Carl von Preußen (Prinz) 201 Castillon, Fréderic de 40, 41 Cauer, Wilhelm 218 Chajes, Benno 135 Chicago 112, 113 China 119 Christoffel, Elwin 11, 210, 214, 258, 273 Clausthal 23, 97, 99, 100, 101, 188, 203, 210, 220 Cornelius, Ernst-August 209 Cranz, Carl 138, 139, 150, 212, 275 Croydon 166 Danzig 73, 86, 133, 163, 167, 188, 189, 210, 212, 225, 268 Darmstadt 24, 30, 31, 32, 33, 34, 113, 133, 188, 195, 210 Delbrück, Clemens von 118 Dieckhoff, Hans 230, 267, 269 Dietrich, Emil 240 Dischinger, Franz 195 Dobbert, Eduard 20, 50, 51, 56, 107, 108, 166, 190, 192, 240, 241, 242, 263 Doeltz, W. 43 Doergens, Richard 241 Dolezalek, Carl 230, 263, 272 Dolezalek, Friedrich 137, 229 Dorpat 166, 188, 190 Drawe, Rudolf 220, 247 Drescher-Kaden, Friedrich Karl 220, 221 Dresden 19, 30, 133, 136, 156, 166, 188, 195, 231, 236, 259, 266, 271 Druckenmüller, Nikolaus 180 Dübbers, Kurt 155, 233 Durrer, Robert 221, 247 Düsseldorf 280 Dustmann, Hanns 155, 233, 280 Eberhard, Eduard von 139, 140 Eggert, Otto 247 Ehlgötz, Hermann 247 Ehrenberg, Albrecht 246, 248 Einstein, Albert 9 Eitel, Wilhelm 207, 246, 272, 279 Elbing 167, 201 Elis, Carl 216 314 Elsass-Lothringen 164, 179 Ende, Hermann 267 Erlangen 141, 188, 195 Esau, Abraham 149, 151, 267, 275 Essen 230 Eytelwein, Johann Albert 48 Falk, Adalbert 261 Fassbender, Heinrich 205, 275, 277 Feder, Gottfried 146, 221 Finkener, Rudolph 101 Fischer, Franz 267, 269, 275 Flamm, Oswald 121, 122, 260 Föttinger, Hermann 247, 277 Franck, James 9, 138 Franke, Rudolf 142, 204, 218, 219, 247 Frankfurt am Main 195, 203, 207, 251 Frankreich 24, 25, 26, 29, 38, 61, 80, 260 Franzius, Ludwig 267 Freese, Hans 154, 233 Freiberg 19, 23, 38, 97, 188, 236, 239, 242 Freiberg, Karl 96 Freiburg im Breisgau 188, 190, 195, 199, 206 Frevert, Adolf 217, 247 Friedrich August I., sächsischer König 29 Friedrich II., preußischer König 37, 38 Friedrich Wilhelm II., preußischer König 45, 255 Friedrich Wilhelm III., preußischer König 45, 46, 47, 48, 255 Friedrich Wilhelm IV., preußischer König 53 Fry, Adolf 148 Fuchs, Lazarus 125, 127 Fürst und Kupferberg, Karl Freiherr von 39, 40 Gaertner, Eduard 54 Garbotz, Georg 247 Gaul, August 228 Gauß, Karl Friedrich 36 Geiger, Hans 138, 182, 211, 277 Genf 188, 190 Genua 166 Genzmer, Felix 120, 224, 225, 233, 250 Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth 255 Gerhard, Karl Abraham 38, 39, 40, 41, 42 Gerullis, Georg 265 Gießen 7, 31, 188, 197, 199, 205, 210, 266, 271 Gilly, David 35, 45, 48 Gleditsch, Johann Gottlieb 39 Anhang Glinz, Karl 203, 247 Goering, Adolf 207, 241, 259 Göring, Hermann 145, 275 Goßler, Gustav von 115 Göttingen 137, 145, 188, 189, 195, 196, 205, 210, 229 Grabner, Alfred 271, 279 Grantz, Max 222 Grashof, Franz 17, 102, 114, 129 Graz 165, 188, 271, 279 Greifswald 141, 207, 227 Grell, Albert 13, 95, 96, 97, 166, 186, 192, 257 Gritzner, Maximilian 257 Gröber, Heinrich 246 Großbritannien 25, 130, 164, 166 Großmann, Richard 207, 237 Guertler, William 156, 207 Gümbel, Ludwig 131, 132, 133, 137, 220 Haack, Wolfgang 16 Haenisch, Konrad 133, 135, 204, 282 Hagen, Ludwig Philipp vom 37, 39, 41 Halle 9, 23, 97, 137, 188, 195, 196, 274, 277 Hamburg 113, 119, 137, 164, 168, 184, 186, 195, 199, 223, 267, 269 Hamel, Georg 150, 247, 249, 278 Hammacher, Friedrich 105 Hanemann, Heinrich 166, 279 Hanner, Josef 247, 248 Hannover 29, 30, 34, 60, 71, 99, 100, 109, 141, 164, 165, 188, 189, 194, 195, 199, 201, 203, 208, 210, 230, 264, 266, 276, 279 Harbort, Erich 220 Hauck, Guido 116, 216, 241, 258, 271 Haupt, Joachim 221 Hefner-Alteneck, Friedrich von 274 Hehl, Christoph 203, 240 Heidelberg 18, 28, 150, 188, 190, 195, 210, 236, 248, 249, 266 Heinrich von Preußen (Prinz) 117 Heise, Fritz 267 Helberger, Heinrich 192 Helm, Fritz 246 Herkner, Heinrich 119, 190, 206, 212, 226, 227, 263, 272 Hermbstaedt, Sigismund Friedrich 63, 64, 65, 67 Herrmann, Alfred 20 Hertwig, August 247, 275, 277 Personen- und Ortsregister Hertz, Gustav 9, 10, 13, 137, 145, 146, 184, 221, 247, 249, 268, 279, 281 Hertzer, Hugo 240, 242 Herzog, Eduard 221 Hessen 31, 33, 164, 243 Hessenberg, Gerhard 16, 211 Hettner, Georg 206, 241, 250 Heydt, August Freiherr von der 97 Heyn, Emil 267 Heynitz, Friedrich Anton von 42, 46, 47, 64 Hirschwald, Julius 212, 240, 242 Hitler, Adolf 142, 152, 153, 156, 217 Hoff, Wilhelm 154, 220, 246, 248, 275, 277 Hofmann, Karl 247, 271 Holsche, Friedrich 39, 44 Holz, Wilhelm 237, 238 Hörmann, Adolf 101 Horn, Fritz 167, 246 Hosaeus, Hermann 277, 278 Hugo von Sankt Viktor 125 Hülsen, Georg von 224 Humboldt, Alexander von 27, 36, 53 Humboldt, Wilhelm von 10, 24, 126 Iran 279 Italien 164 Itzenplitz, Marianne Gräfin von 182 Jacobsthal, Eduard 158, 241 Jansen, Hermann 246 Jena 188, 190, 193, 195 Josse, Emil 113, 212, 247, 259 Jugoslawien 279 Julius (Bauinspektor) 69 Kallius, Erich 248, 249 Kammerer, Adelheid, geb. Spandau 181 Kammerer, Otto 17, 72, 113, 121, 129, 130, 181, 199, 209, 240, 247, 271 Kändler, Hermann 153 Karlsruhe 28, 30, 31, 32, 33, 34, 50, 59, 60, 71, 101, 102, 158, 188, 190, 195, 206, 210, 262, 266, 270, 271, 276 Kármán, Theodor von 223 Karmasch, Karl 30 Karsten, Gustav 109 Kassel 30, 31 Kastan, Isidor 281, 287 Kauffmann, Alfred 143 Kempert (Bibliothekar) 258 Kerl, Bruno 101 Kiel 188, 210, 266 Kienzle, Otto 279 Kloß, Max 114, 142, 222, 247 Knorre, Georg von 166 315 Koch, Hugo 241 Kohlmeyer, Ernst 207, 246 Köln 138, 164, 199, 280 Kolumbien 203 Königsberg 188, 192, 207 Ko istka, Carl 25, 27, 28, 29, 59, 61, 276 Kossak, Ernst 237, 257 Kötter, Fritz 158, 192 Krainer, Paul 230, 246 Krasemann (Saaldiener) 258 Krencker, Daniel 142, 143, 192, 247 Krick, Christian 212 Krigar-Menzel, Otto 137, 229 Krischen, Fritz 228 Krug von Nidda, Otto Ludwig 99 Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav 139 Krupp, Alfred 128 Krusch, Paul 21, 39, 41, 97 Kucharski, Walther 186, 223, 224 Kühn, Bernhard 240 Kunth, Gottlob Johann Christian 30 Küpfmüller, Karl 186, 268 Kurlbaum, Elisabeth, geb. Siemens 182 Kurlbaum, Ferdinand 182, 229 Kurlbaum, Karl 182 La Plata 205 Laas, Walter 267, 268 Lampe, Emil 241 Laplace, Pierre-Simon 286 Laske, Friedrich 228 Lasker, Eduard 105 Laue, Max von 9 Leibniz, Gottfried Wilhelm 274 Leipzig 19, 42, 184, 188, 190, 191, 193, 195, 196, 197, 205, 207, 266, 272 Lejeune-Dirichlet, Peter Gustav 51 Lenard, Philipp 249 Lexis, Wilhelm 227 Liebermann, Carl 180, 212, 240, 260, 261 Liebermann, Max 228 Liebig, Justus von 24, 27, 252 Liebmann, Heinrich 249 Liebreich, Mathias 252 Lindau 278 Loewe, Ludwig 107 Lohde, Ludwig 95, 235 London 25, 166 Lottner, Heinrich 99 Lucae, Richard 105, 106, 107, 176, 237, 239, 261 Ludewig, Heinrich 241 316 Ludin, Adolf 247, 271, 279 Lunge, Georg 165 Macco, Heinrich 118 Madelung, Georg 182, 212, 220, 275 Mäkelt, Arthur 207 Manger, Julius 254, 261 Mann, Thomas 287 Marburg 188, 210, 266 Marquardt, Erwin 279 Martens, Adolf 274 Mathesius, Walther 118, 221 Matthias, Adolf 222, 247 Mauch, Johann Matthäus 60, 66, 69 Mecklenburg 164, 165 Meinecke (Zeichenlehrer) 51 Meineke, Felix 246 Meißel, Ernst Daniel Friedrich 44 Mentzel, Rudolf 146, 148 Messerschmitt, Friedrich 182 Meyer, Alfred 123, 124 Meyer, Eugen 205, 223, 247 Meyer, Georg 200, 241 Mézières 23 Miethe, Adolf 260 Mitscherlich, Eilhardt 27, 36 Möller, Kurt 151 Mommsen, Theodor 197, 286 Mühlen, Leo von zur 166, 170, 221, 277 Müller, Siegmund 212, 247 Müller-Breslau, Auguste, geb. Schläfke 181 Müller-Breslau, Heinrich 116, 181, 193, 241, 271, 274 München 30, 71, 141, 184, 188, 189, 195, 210, 266, 270, 271 Münster 188 Naumann, Otto 232, 262 Nebenius, Karl Friedrich 30, 32, 50, 57 Nernst, Walther 9 Newton, Isaac 286 Nicolaien 260 Niemczyk, Oskar 199, 278, 279 Niggli, Paul 272 Nikolajew 166 Nipper, Heinrich 148, 207, 280 Norris (Tennessee) 279 Nottebohm, Friedrich 20, 59, 65, 66, 90, 91, 99, 207, 271 Nürnberg 30, 31, 195, 277 Oberdorfer, Günther 279 Oberste-Brink, Karl 230 Odenwald, Theodor 249 Oldenburg 164 Anhang Oppen, Friedrich von 182 Orlich, Ernst 247 Österreich-Ungarn 29, 60, 164, 165, 180, 278 Ostpreußen 164 Otzen, Johannes 216, 267 Paalzow, Adolf 229, 240, 254, 265 Paasche, Hermann 218 Pagel, Carl 267, 269 Paneth, Friedrich 222 Panzer, Friedrich 249 Paris 23, 26, 27, 28, 29, 36, 278 Persius, Ludwig 201 Planck, Max 9 Poelzig, Carla Henriette von 170 Poelzig, Hans 120, 170, 202, 223, 227, 230, 231, 247, 251 Pohlke, Karl 208 Pöhlmann, Robert von 286 Pommern 164 Posen 164, 179 Prag 24, 25, 28, 29, 31, 56, 59, 126 Prion, Willi 138, 139, 247 Proebsting, Arnold 146 Pschorr, Robert 206 Quelle, Otto 224 Rammelsberg, Karl Friedrich 205 Ranke, Leopold von 286 Raschdorff, Julius 163, 202, 233, 256 Raschdorff, Otto 163 Redtenbacher, Ferdinand 33, 34, 59 Reichel, Ernst 113, 240 Reichel, Walter 193, 232, 268, 269 Reinsch, Alfred 195 Reisenegger, Hermann 203, 232 Reißner, Hans 145, 180, 247 Reuleaux, Franz 96, 106, 107, 111, 112, 113, 181, 214, 236, 237, 258, 259, 261, 264, 271, 276, 277 Rheinland 164, 167, 168, 179, 180 Riebensahm, Erich 247 Riedel, Heinrich August 48 Riedler, Alois 14, 17, 32, 77, 81, 107, 110, 111, 112, 113, 114, 116, 117, 124, 126, 127, 130, 131, 132, 133, 137, 165, 181, 208, 220, 228, 229, 241, 251, 274, 276, 283, 285, 286, 287 Rietschel, Hermann 231, 232, 240, 242 Roeckerath, Peter Joseph 107 Romberg, Friedrich 75, 212, 247, 277 Rose, Valentin 40 Rösel, Samuel 51, 52 Personen- und Ortsregister Rosenthal, Artur 249 Rostock 182, 188, 195 Rothe, Rudolf 195, 247 Rottenburg, Otto von 9, 83, 131, 136, 139, 150, 151, 155, 221, 272 Rubens, Heinrich 137, 229, 259, 266 Rudolph (Portier) 258 Rüdorff, Friedrich 241 Ruhrgebiet 203 Russland 60, 164, 166 Rust, Bernhard 83, 143, 149, 154, 160 Rüster, Emil 247 Saarbrücken 166 Sachsen 19, 38, 164, 165, 243 Salkowski, Erich 247 Sankt Gallen 166 Sankt Petersburg 166 Schäfer, Carl 216, 217, 225, 262, 266, 270 Scheffers, Georg 247 Scheibe, Robert 203 Schemnitz (heute Banská Štiavnica) 23 Schenck, Rudolf 217 Scheumann, Hermann 205, 266, 272 Schinkel, Karl Friedrich 35, 47, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 201 Schleede, Arthur 207 Schleiermacher, Friedrich 10 Schlesien 38, 164, 167, 168, 179, 180, 199, 203 Schlesinger, Georg 143, 145, 193, 212, 247 Schleswig-Holstein 164, 165 Schlieben, Wilhelm Ernst August 29 Schlums, Johannes 279 Schmehl, Heinz 277 Schmeidler, Werner 278 Schmeißer, Adolf 118 Schmidt, Fritz 135, 220, 275 Schmidt, Hermann 200 Schmidt, Walter 211, 277 Schmidt-Ott, Friedrich 130 Schmoller, Gustav von 227 Schnabel, Franz 28 Schnadel, Georg 246 Schoedler, Friedrich 24, 25, 29, 31, 32, 33, 166 Schrödinger, Erwin 9 Schrötter, Friedrich Leopold Freiherr von 45, 46, 47 Schubarth, Ernst 92 Schuberg, Philipp 247 Schulz, Bruno 246 Schwarz, Eduard 208, 235 317 Schwatlo, Carl 106, 158, 203 Schweden 164, 229 Schwedler, Johann Wilhelm 96, 198, 256, 267 Schweiz 25, 60, 122, 164, 165, 166, 189 Seeßelberg, Friedrich 225, 265 Siegburg 199 Siemens, Georg von 182 Siemens, Werner 128 Siemens, Werner von 128 Slaby, Adolf 108, 109, 116, 148, 193, 197, 241, 250, 257, 258, 271, 274, 283 Sochumi (Georgien) 279 Sommer (Landwehrlieutenant) 237 Spangenberg, Ludwig 189 Speer, Albert 83, 141, 152, 154, 233 Spielberg, Hermann 106, 239 Sprotte (Saaldiener) 258 Stäblein, Wilhelm 207, 277 Stahl, Wilhelm 189 Stappenbeck, Richard 278 Stauber, Georg 246 Stavenhagen, Alfred 190, 222 Stein zum Altenstein, Karl Freiherr vom 36, 50, 56 Steinmetz, Karl Friedrich 75 Stier, Wilhelm 93 Stockholm 279 Storm, Ernst 142, 145, 146, 150, 219 Strack, Heinrich 240, 261, 262 Strack, Johann Heinrich 208, 257 Stralsund 166 Straßburg 188, 190, 195, 266 Streck, Otto 266 Stresemann, Gustav 262 Studt, Konrad von 116, 124 Stüler, Friedrich 51 Stumpf, Johannes 113, 240 Sturtzel, Wilhelm 201 Stuttgart 30, 66, 141, 153, 188, 195, 212, 266, 271, 279 Südpreußen 164 Tamms, Friedrich 154, 233, 280 Terres, Ernst 269 Tessenow, Heinrich 141, 184, 246, 277 Thierry, George Henry de 136, 166 Thukydides 286 Thüringen 164, 165 Timpe, Aloys 247, 249, 278 Tirpitz, Alfred von 86 Toledo (Ohio) 279 Tölke, Friedrich 279 318 Triebnigg, Heinrich 153, 275, 278 Tübben, Ludwig 223, 246, 262 Tübingen 18, 138, 188, 195, 205, 210 Tuckermann, Wilhelm 96, 203, 267 Ubbelohde, Leo 221 Vahlen, Theodor 146 Vater, Richard 134 Vereinigte Staaten von Amerika 112, 143, 268 Virchow, Rudolf 99, 105, 252 Vogel, Hermann Wilhelm 228, 251, 252 Vollmer, Johannes 217 Volmer, Lotte, geb. Pusch 182 Volmer, Max 9, 137, 182, 221, 247, 279 Wach, Hugo 145, 228, 247 Wagner, Herbert 212, 275 Wagner, Karl Willy 145, 247, 273 Waldeyer, Wilhelm 115, 124, 127 Walter, Johann Gottlieb 39, 40 Weber, Heinrich 210 Weber, Max Maria von 91, 129, 175, 287 Weber, Moritz 123, 194, 247 Weber, Rudolf 228 Wedding, Hermann 101 Wedding, Wilhelm 222 Weeren, Julius 240 Wehrenpfennig, Wilhelm 104, 105, 217 Weierstraß, Karl 180, 192, 203, 266, 270 Weingarten, Julius 94, 189, 216, 254 Weiß, Albert 247 Weiß, Christian Samuel 42 Westfalen 164, 179 Anhang Westpreußen 164, 179 Wetzlar 280 Wiebe, Hermann 85, 95, 106, 158, 237, 252, 253, 254 Wien 28, 29, 30, 31, 56, 106, 168, 188, 189, 190, 195, 270, 271 Wiesbaden 195, 224 Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich von 121 Wilhelm I., preußischer König und deutscher Kaiser 53, 100, 255, 259 Wilhelm II., preußischer König und deutscher Kaiser 107, 108, 109, 116, 117, 119, 127, 128, 163, 224, 253, 254, 256, 257, 258, 259, 274 Willing, Willi 143, 168, 192, 280 Winkhaus, Hans 151 Winkler, Emil Oskar 106, 192, 196, 197, 260 Witt, Otto 166, 176, 228, 240 Wolf, Julius 180, 226, 227, 263, 272 Wolff, Ferdinand 60, 69, 192, 235 Wolff, Fritz 240 Worms 24 Württemberg 164, 165, 243 Würzburg 199, 266 Zimmermann (Saaldiener) 258 Zimmermann, Hermann 274 Zimmermann, Max 192 Zürich 34, 101, 111, 165, 166, 188, 189, 190, 206, 210, 214, 227, 230, 266, 267, 272