Verkehrsmanagement 2020: Wie verändern sich die Anforderungen an Verkehrsoperatoren? von Diplom-Ingenieur Daniel Hinkeldein aus Esslingen am Neckar Von der Fakultät V – für Verkehrs- und Maschinensysteme der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften – Dr.-Ing. – genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr. Richter Berichter: Prof. Dr. K. Nagel Berichter: Prof. Dr. R. Kühne Berichter: Dr. P. Wagner Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 22. Juli 2008 Berlin 2008 D83 Vorwort Die vorliegende Arbeit zu Anforderungen an Verkehrsoperatoren entstand im Rahmen des vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt geförderten Forschungsprojekts Traffic Tower. Im Zusammenhang mit der Konzeption der Großanlage Traffic Tower untersuchte das Teilprojekt ATOP die Relevanz von Auswahl und Training von Verkehrsoperatoren. Diesen Projekten gehörte ich von März 2003 bis Dezember 2006 zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als Leiter des Teilprojekts an. Viele Menschen haben, direkt und indirekt, zum Erfolg dieser Arbeit beigetragen. Ich danke allen, die mich bei den Arbeiten zu dieser Dissertation unterstützt haben. Für die Übernahme des Gutachtens danke ich meinem ersten Gutachter, Herrn Professor Dr. Kai Nagel. Herrn Professor Dr. Reinhart Kühne, danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens, die gewährte Selbständigkeit und nicht zuletzt für die vielen aufmunternden Gespräche. Herrn Professor Dr. Karsten Lemmer danke ich dafür, mich gefördert und gefordert zu haben. Carsten Dalaff und Michael Bonert danke ich für Unterstützung und Freiheit, die sie mir gewährten, um neben der täglichen Arbeit die Promotion vorantreiben zu können. Herrn Dr. Kai Holger Müller-Kästner für intensive und informative Gespräche sowie für die Nutzung von EIDOS. Herrn Karsten Ritschl danke ich für fruchtbare Anregungen und neuen Ansichten durch unseren Austausch. II Meinen herzlichen Dank spreche ich den Experten und Verkehrsoperatoren und ihren Vorgesetzten aus, ohne deren Geduld diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Wichtige Hinweise verdanke ich in diesem Zusammenhang Ansgar Dönges. Freundinnen und Debattierer, Kolleginnen und Mit-Doktoranden lockten mich aus der Reserve und regten mich zu neuen Gedanken an. Ein herzlicher Dank gebührt Dr. Yvonne Pecena, Lisa Jörn und Hinnerk Eißfeld, die mich mit Ideen und Anregungen unterstützten. Die Diskussionen mit Felix Lamp, Frederik Meysel und Kay Lingenauber waren oft eine sehr wertvolle Orientierung. Bei Dr. Arne Kesting bedanke ich mich für die Unterstützung in der Testphase der Arbeit. Uta Hinkeldein, Florian Gommel, Kay Lingenauber, Ralf Hedel, Dr. Holger Quast und Dr. Peter Wagner danke ich für die aufmerksame Durchsicht des Textes und die Unterstützung während der ganzen Zeit. Einen Dank richte ich an Michael Weber und Ronald „Argusauge“ Nippold, die mir die Schönheit eines gelungenen A Textsatzes erschlossen und die Mühen des LTEX-Setzens mit vielen Ideen und Lösungen beseitigten. Ralf Lehnert möchte ich ebenfalls meinen herzlichen Dank zum Ausdruck bringen. Insbesondere danke ich meinen Eltern, die mich seit je her in jeder Hinsicht unterstützt haben. Der größte Dank geht an Uta Hinkeldein. Wohlwollend, mit viel Zeit und Kraft war sie mir die wichtigste Stütze in den heißen und kalten Phasen der Arbeit. Daniel Hinkeldein, August 2007. III Abstract Various studies have shown that requirements – especially cognitive, interactive and social abilities – for operators working in transportation management centers (TMC) are relevant for systematic selection and training of employees today. The development of the workplace for traffic operators is marked by a constant extension increase in the possibilities of intervention. Newer technical possibilities of intervention often bring about more tasks, more responsibilities, and more stress to operators. The technical developments allow us to presume that the level of requirements traffic operators need to fulfill will rise further. In spite of the increasing relevance, little research has been done on requirements set up for transportation operators in Germany. The present thesis examines the effects of a modified working environment on the requirements for traffic operators. The scientific approach is an empirical study of the requirements for traffic operators in TMCs. Requirements have been analyzed under current and future working conditions with 17 operators in 4 TMCs. Using scenario analysis, a scenario for the year 2020 was constructed, which represents the workplace and the working tasks. Influencing factors on the tasks as well as on the workplace were collected in 20 qualitative expert interviews and were analyzed with Phillip Mayring’s Qualitative Content Analysis Method. Influencing factors most often named are: availability of traffic data, the expansion and new development of technical infrastructure, automatic vehicle control and the application IV of cameras for traffic monitoring. Experts also believe that the cooperation between TMCs and the police as well as the integration of individual guidance systems as an instrument of traffic management, quality management and the cooperation between different TMCs are relevant. Traffic performance of trucks and the responsible agency (private vs. public) are also crucial influencing factors on workplace and working tasks. Influencing factors could develop in different ways in the future. For example, the use of cameras for traffic monitoring could increase or decrease. Experts see different possibilities for future developments for eight out of ten influencing factors. The status quo of these ten influencing factors and their different possible developments in the future were formally described in socalled descriptors. Experts have rated consistency as well as the probability of the occurrence of scenario elements. The consistency and the probability of all possible scenarios were derived. Among the scenarios with the highest consistency the one scenario was selected, which is according to expert’s view particularly likely. This scenario was worked out and presented to traffic operators. Using a tailored version of the Fleishman Job Analysis Survey (F-JAS) 17 experienced traffic operators answered to 68 Items. The results show an increase of the requirements for all considered ability classes – cognitive, psychomotor, sensory, interactive and social abilities as well as knowledge and skills. The most relevant requirements continue to be cognitive as well as interactive and social abilities. The increase of the availability of traffic data, as well as the amount of technical infrastructure and cameras for the traffic monitoring lead to an increase of the cognitive requirements. Decision support systems, optimized communication flows by intensified cooperation and integration improve the possibilities of the advance planning and decreases the pressure of time for the traffic operators in the actual working situation. Therefore, critical situations like capacity bottlenecks can be already recognized V before their emergence and be avoided. Nevertheless, these developments lead to an increase in complexity and dynamics of the work routine. They consequently result in increasing requirements because traffic operators are asked to evaluate situations and to decide on measures. VI Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis X Tabellenverzeichnis XII Abkürzungsverzeichnis XIV 1 Einleitung 1.1 Zielsetzung und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Vorgehensweise und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . 2 Grundlagen 2.1 Begriffe und Abgrenzung . . . . . . . . . . 2.1.1 Verkehrsrechnerzentralen . . . . . . 2.1.2 Anforderungen . . . . . . . . . . . . 2.2 Einordnung in das Verkehrsmanagement 2.3 Ziele von Verkehrsrechnerzentralen . . . . 2.4 Verkehrsleittechnik . . . . . . . . . . . . . 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren . . . . . 2.6 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Methoden der Technologievorausschau 3.1.2 Szenario-Technik . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Kritische Würdigung des Verfahrens . 3.2 Mündliche Befragung . . . . . . . . . . . . . . VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 4 7 . . . . . . . . 10 10 11 13 15 16 17 20 26 . . . . . 30 30 31 34 42 43 Inhaltsverzeichnis 3.2.1 Experteninterview . . . . . . . . . . . 3.2.2 Methoden der Datenauswertung . . . 3.2.3 Kritische Würdigung des Verfahrens 3.3 Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Konzepte der Anforderungsanalyse . 3.3.2 Fleishman Job Analysis Survey . . . 3.3.3 Kritische Würdigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Umfeldbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Expertenbefragung, Stufe 1 . . . . . . . . . . 4.1.3 Auswertung mit Qualitativer Inhaltsanalyse 4.2 Alternativenbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Expertenbefragung, Stufe 2 . . . . . . . . . . 4.2.2 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Szenariointerpretation . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Ort und Zeit der Untersuchung . . . . . . . 4.3.4 Untersuchungsablauf . . . . . . . . . . . . . 4.3.5 Unabhängige und abhängige Variablen . . . 4.3.6 Untersuchungspersonen . . . . . . . . . . . 4.3.7 Wilcoxon-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 46 48 52 52 56 58 . . . . . . . . . . . . . . . 63 64 64 66 72 74 75 80 81 81 85 88 88 89 90 91 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion . . . . . . . . . . . 5.2 Alternativenbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Ergebnisse der Wahrscheinlichkeitsschätzung . . 5.2.2 Ergebnisse der Konsistenzsschätzung . . . . . . 5.2.3 Ergebnisse der Berechnung und Auswahl von Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 128 6 Diskussion und Ausblick 134 VIII 94 94 113 113 121 Inhaltsverzeichnis 6.1 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 7 Zusammenfassung 144 Literaturverzeichnis 148 A Expertenbefragung, Stufe 1 A.1 Vorstellung . . . . . . . . . . A.1.1 Expertenbeteiligung . A.2 Details . . . . . . . . . . . . A.2.1 Ziel . . . . . . . . . . . A.2.2 Fragestellung . . . . . A.2.3 Methode . . . . . . . . A.3 Befragung . . . . . . . . . . . A.4 Dank und weiteres Vorgehen 166 166 167 168 168 168 169 169 170 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B Expertenkreise 172 C Deskriptoren 175 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.1 Anschreiben . . . . . . D.2 Hinweise zur Befragung D.3 Befragungsbogen W . . D.4 Befragungsbogen K . . 186 186 187 193 195 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E Szenario 2020 198 E.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 E.2 Szenariotext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IX Abbildungsverzeichnis 1.1 Anzahl der Handprogrammschaltungen der VRZ Südbayern, zitiert nach [ABD06] . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Prozentuale Aufteilung aller Handprogramme sämtlicher Beeinflussungsanlagen der VRZ Südbayern, zitiert nach [ABD06] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Aufgaben einer Verkehrsrechnerzentrale, zitiert nach [Fed04, S. 239] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Semantisches Netz um den Begriff Szenario (eigene Darstellung in Anlehnung an [The07]) . . . . . . . . . . 3.2 Denkmodell zur Darstellung von Szenarien, nach [Rei91, S. 26] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Prozessmodell induktiver Kategorienbildung, in Anlehnung an Mayring [May03, S. 75] . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Klassifizierung von Anforderungsanalysen . . . . . . . . 3.5 Beispielhafte Darstellung eines Items der Fleishman Job Analysis Survey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Umfeld, Organisation, Arbeitssituation und Anforderung als Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 23 35 38 47 54 59 66 5.1 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ausprägungen der Deskriptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5.2 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5.3 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 X Abbildungsverzeichnis 5.4 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Konsistenzschätzung für A21 und A31 sowie A32 . . . . . 5.11 Konsistenzschätzung für A21 und A41 sowie A42 . . . . . 5.12 Konsistenzschätzung für A11 und A71 . . . . . . . . . . . 5.13 Konsistenzschätzung für A41 und A71 . . . . . . . . . . . 5.14 Mittelwerte und Standardabweichungen über Fähigkeitsklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15 Anforderungen an kognitive Fähigkeiten im Vergleich . 5.16 Anforderungen an psychomotorische Fähigkeiten im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17 Anforderungen an sensorische Fähigkeiten im Vergleich 5.18 Anforderungen an interaktiv-soziale Fähigkeiten im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.19 Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten im Vergleich XI 118 118 119 119 120 120 124 125 125 126 129 130 131 131 132 133 Tabellenverzeichnis 2.1 Häufigste Aufgaben von Verkehrsoperatoren . . . . . . . 2.2 Die zehn höchsten Anforderungen in Verkehrsrechnerzentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Methoden der Technologievorausschau im Überblick, zitiert nach [Gor92] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Items und Skalen der überarbeiteten Fleishman Job Analysis Survey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 29 32 60 4.1 Bearbeitungsschritte, Methoden und Ergebnisse . . . . 4.2 Hypothesen für Fähigkeitsklassen . . . . . . . . . . . . . 4.3 Stichprobenzusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . 63 88 91 5.1 Häufigkeiten in Hauptkategorien und Kategorien . . . . 5.2 Rangplätze der Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Häufigkeiten der Kategorie „Verfügbarkeit von Verkehrsdaten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Häufigkeiten der Kategorie „Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen“ . . . . . . . . . . 5.5 Häufigkeiten der Kategorie „Trägerschaft“ . . . . . . . . 5.6 Häufigkeiten der Kategorie „Verkehrsleistung LKW“ . . 5.7 Häufigkeiten der Kategorie „Qualitätsmanagement“ . . 5.8 Häufigkeiten der Kategorie „Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und privater Routensuche“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Häufigkeiten der Kategorie „Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 98 XII 100 104 105 105 107 108 109 Tabellenverzeichnis 5.10 Häufigkeiten der Kategorie „Grad des Kameraeinsatzes“ 5.11 Häufigkeiten der Kategorie „Grad der Kooperation zwischen Einsatzentralen der Polizei und Verkehrsrechnerzentralen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12 Häufigkeiten der Kategorie „Vollautomatische Fahrzeugführung von außen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13 Konsistenzmatrix als untere Dreiecksmatrix . . . . . . . 5.14 Mittelwerte und Standardabweichungen der Konsistenzmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15 Konsistenz, Wahrscheinlichkeit und Ausprägungen der Rangplätze 1 bis 10 der Szenarioberechnung . . . . . . 110 111 112 122 123 127 6.1 Vergleich der zehn höchsten Anforderungen . . . . . . . 135 B.1 Mitglieder des Expertenkreises, 1. Stufe der Befragung (nach Bereichen, alphabetische Reihenfolge) . . . . . . . 173 B.2 Mitglieder des Expertenkreises, 2. Stufe der Befragung (nach Bereichen, alphabetische Reihenfolge) . . . . . . . 174 C.1 Vollautomatisierte Fahrzeugführung von außen . . . . . C.2 Trägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.3 Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.4 Qualitätsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.5 Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und individueller Routensuche . . . . . . . . . . C.6 Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung . C.7 Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen . . . . . . . . C.8 Grad der Kooperation zwischen Einsatzzentralen und Verkehrsrechnerzentrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.9 Verkehrsleistung LKW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C.10Verfügbarkeit von Verkehrsdaten . . . . . . . . . . . . . XIII 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 Abkürzungsverzeichnis Abb. abs. ACC ATOP BASt BMVBS ca. d. h. DIN DLR dWiSta etc. EN evtl. FHWA F-JAS FCD f. FGSV ggf. HUD Abbildung absolut adaptive cruise control Auswahl und Training von Verkehrsoperatoren, DLR-Projekt Bundesanstalt für Straßenwesen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung circa das heißt Deutsches Institut für Normung e. V. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. dynamische Wegweiser mit integrierter Stauinformation et cetera europäische Norm eventuell Federal Highway Administration Fleishman Job Analysis Survey floating car data folgende Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen gegebenenfalls head-up display XIV Abkürzungsverzeichnis h ITS ISO kg KBA Kfz Lkw LSA MARZ m mm Mrd. Mio. MIV NBA Nr. o. g. ÖPNV ÖV Pkw rel. RVWZ RVWA S. sog. SD SPSS StVO hour Intelligent Transportation Systems Internationale Organisation für Normung Kilogramm Knotenbeeinflussungsanlage Kraftfahrzeug Lastkraftwagen Lichtsignalanlage Merkblatt zur Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen Meter Millimeter Milliarde Million motorisierter Individualverkehr Netzbeeinflussungsanlage Nummer oben genannt öffentlicher Personennahverkehr öffentlicher Verkehr Personenkraftwagen relativ Richtlinie für Wechselverkehrszeichen an Bundesfernstraßen Richtlinie für Wechselverkehrszeichenanlagen an Bundesfernstraßen Seite so genannt Standard Deviation Statistical Package for the Social Sciences Straßenverkehrsordnung XV Abkürzungsverzeichnis SBA TLS t tkm usw. u. a. vgl. VBA VRZ WVZ WVZA z. B. Streckenbeeinflussungsanlage Technische Lieferbedingungen für Streckenstationen Tonne Tonnenkilometer und so weiter unter anderem vergleiche Verkehrsbeeinflussungsanlage Verkehrsrechnerzentrale Wechselverkehrszeichen Wechselverkehrszeichenanlage zum Beispiel XVI 1 Einleitung Straßenverkehrsinfrastrukturen haben in unseren Gesellschaften die Funktion von Lebensadern. Wir sind darauf angewiesen, dass der Transport von Personen und Gütern auf der Straße sicher und effizient funktioniert. Bundesfernstraßen sind die leistungsfähigen Hauptschlagadern; hier wird die meiste Verkehrsleistung erbracht. Allgegenwärtige Staus zeigen allerdings, dass das Angebot der Straßenfernverkehrsinfrastruktur nicht der Nachfrage gerecht wird. Aus ökologischen und ökonomischen Gründen kann ein entsprechender Aus- und Neubau von Straßen nicht realisiert werden. Daher gewinnt die effiziente Nutzung der Infrastruktur zunehmend an Bedeutung. Seit den 1970er Jahren werden auf deutschen Fernstraßen Verkehrsbeeinflussungsanlagen neu- und ausgebaut. Bund und Länder verstärken ihre Anstrengungen, um einen effizienten Verkehrsablauf zu gewährleisten [Bun99, KR03, Tie06]. Das aktuelle Investitionsvolumen des Programms zur Verkehrsbeeinflussung der Bundesregierung bis 2007 beträgt 200 Millionen [Bun02]. Die Bundesregierung plant, bis Ende 2010 40 Millionen Euro jährlich zu Verkehrsbeeinflussung auf Bundesautobahnen zu investieren [Dön07]. Verkehrsrechnerzentralen dienen zur Kontrolle und Bedienung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Die Anzahl, Vielfalt und Eingriffstiefe solcher technischer Anlagen und Geräte steigt kontinuierlich. Bestehende Verkehrsrechnerzentralen werden technisch aufgerüstet und Funktionen dort gebündelt. Diese Tendenz zeigt sich beispielsweise an der Eröffnung der Verkehrszentrale Hessen [Rie01]. 1 1 Einleitung Die Verkehrsrechnerzentrale Nordbayern bündelt seit 2006 die Aufgaben der fünf Betriebszentralen und der bisher selbständigen Verkehrsrechnerzentrale [Bec06]. Die bestehende Tunnelbetriebszentrale in Zella-Mehlis wird zur Verkehrsrechnerzentrale für Thüringen ausgebaut [Bun02]. Deutschlands Verkehrsrechnerzentralen befinden sich auf einem Weg der kontinuierlichen Aufgabenerweiterung mit zunehmenden technischen Eingriffsmöglichkeiten. Die zunehmende Qualität und Quantität von unterschiedlichen Verkehrsdaten zusammen mit der verbesserten Datenfusion ermöglichen Verkehrsrechnerzentralen, angemessenere Entscheidungen zu fällen und optimierte Maßnahmen hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Sicherheit des Verkehrsablaufs einzuleiten. Bislang beschäftigt sich die Verkehrswissenschaft vorrangig mit dem Entwurf von Modellen und Reglern, um den Verkehr automatisiert zu beeinflussen [Küh96]. Der Mensch mit seinen Stärken und Schwächen erscheint innerhalb des vollautomatischen Mess- und Regelungsprozesses nicht. Dahinter steht die Annahme, dass robuste Regelungsalgorithmen und Wartung die einzigen oder mindestens die wichtigsten Elemente für eine erfolgreiche Verkehrsbeeinflussung seien. Allerdings stehen heute Menschen, die in Verkehrsrechnerzentralen arbeiten, hinter fast jedem ausgegebenen Schaltbefehl. Letztlich tragen sie die Verantwortung für den sicheren Betrieb von Verkehrsbeeinflussunganlagen. Diese Verkehrsoperatoren1 in Verkehrsrechnerzentralen generieren, kontrollieren und geben Steuerungsbefehle frei. Sie überprüfen verkehrs- und umfeldabhängige mess- und regelungstechnische Vorgänge, sie übernehmen steuerungstechnische Aufgaben, sie leiten den Verkehr um und informieren Verkehrsteilnehmer. 1 Im Fokus dieser Arbeit steht der Mensch, der in der „Betriebszentrale“, „Leitstelle“ oder im „Kontrollraum“ einer Verkehrsrechnerzentrale arbeitet. Er greift direkt in den Verkehr ein – Managementaufgaben oder Instandhaltungsaufgaben gehören nicht zu seinem Aufgabenbereich. Er wird hier als „Operator“ oder „Verkehrsoperator“ bezeichnet. Aus Gründen der Lesbarkeit wird hier auf die weibliche Form verzichtet. 2 1 Einleitung 1.1 Zielsetzung und Fragestellung Bislang unberücksichtigt blieben die Auswirkungen des Aus- und Neubaus von Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf den Menschen, der diese Anlagen bedient. Bereits heute liegen die Anforderungen an Verkehrsoperatoren in einer Höhe, dass eine systematische und methodisch abgesicherte Personalauswahl und Weiterbildung erforderlich sind [PBH06]. Die technischen Entwicklungen lassen vermuten, dass die Anforderungen an Verkehrsoperatoren weiter steigen. Trotz dieser zunehmenden Relevanz liegen über die Entwicklung der Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Deutschland keine Forschungsergebnisse vor. Die vorliegende Arbeit trägt dazu bei, diese Lücke zu schließen. 1.1 Zielsetzung und Fragestellung Das Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit besteht darin, die Veränderungen der Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen Deutschlands zu untersuchen. Der Zeithorizont soll sich bis ins Jahr 2020 erstrecken. Die forschungsleitende Frage lautet: Welche Veränderung der Anforderungen an Verkehrsoperatoren sind zu erwarten? Um die Anforderungen zu bestimmen, soll ein Szenario der zukünftigen Arbeitstätigkeit, das „Szenario 2020“, entwickelt werden. Folgende Fragen stellen sich dabei: • Welche Faktoren beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Welche Ausprägungen der Einflussfaktoren lassen sich zu einem widerspruchsfreien Szenario 2020 bündeln? • Welche Anforderungen stellen sich an Verkehrsoperatoren in diesem Szenario? • Wie unterscheiden sich die zukünftigen Anforderungen im Vergleich zu denen von heute? 3 1 Einleitung 1.2 Relevanz Die Fragestellung dieser Arbeit berührt zwei unabhängige Forschungsgebiete: Verkehrsforschung und Arbeitswissenschaft. Daher ist die vorliegende Arbeit interdisziplinär angelegt. Im ersten Forschungsgebiet ermittelt diese Arbeit zukünftige Anforderungen an Verkehrsoperatoren. Die mögliche Entwicklung von Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen kann bei einem systemischen Verständnis von Organisationen nur im Gesamtzusammenhang betrachtet werden, in dem sich diese Anforderungen manifestieren. Daher klärt diese Arbeit die Entwicklung der Einflussfaktoren, welche in für die Fragestellung relevanten Bereichen des Verkehrsmanagements liegen. 1.2 Relevanz In Verkehrsrechnerzentralen lassen sich zwei wichtige Entwicklungen beobachten. Einerseits steigt die Anzahl der Anlagen und Geräte in Verkehrsrechnerzentralen stetig. Jede weitere Verkehrsbeeinflussungsanlage verlangt zusätzliche Eingriffe der Nutzer der Geräte. Abbildung 1.1 zeigt, dass die Anzahl der Handschaltungen seit 1992 um etwa Faktor 50 stieg. 1975 stand das Stellpult einer Verkehrsbeeinflussungsanlage unscheinbar neben dem Telefonpult der Autobahnmeisterei – der Telefonist warf ab und zu einen Blick auf das Pult [Kun05]. Heute verantworten Verkehrsoperatoren den 24 h-Betrieb mehrerer hundert Streckenkilometer Verkehrsbeeinflussungsanlagen eines ganzen Bundeslandes oder hochverdichteten Ballungsraumes. In absehbarer Zeit stehen beispielsweise dynamische Wegweiser mit integrierter Stauinformation (dWiSta) zur Verfügung. Eine mentale Überlastung und Verwirrung der Verkehrsteilnehmer durch dWiSta wird in der einschlägigen Literatur behandelt. Dagegen wird der Faktor Mensch als Teil des Regelgliedes – wenn überhaupt – als Störgröße diskutiert, gegen dessen „unbefugte Eingriffe, Missbrauch 4 1 Einleitung 1.2 Relevanz Abbildung 1.1: Anzahl der Handprogrammschaltungen der VRZ Südbayern, zitiert nach [ABD06] und Fehlbedienung der Steuerung und Überwachung der dWiSta“ technische Lösungen eingesetzt werden müssen (vgl. hierzu [Har05, S. 37]). Mit zusätzlichen Anlagen kommen zusätzliche Arbeitsaufträge bei gleicher Mitarbeiterzahl hinzu, wie das Beispiel Seitenstreifenfreigabe zeigt. Seit dem 1. Januar 2002 erlaubt § 41 Straßenverkehrsordnung (StVO) die temporäre Benutzung von Seitenstreifen als Fahrstreifen auf Autobahnen. Abbildung 1.2 zeigt, dass bereits vier Jahre nach Inkraftreten des § 41 StVO etwa jede fünfte Handschaltung in der VRZ Südbayern der Seitenstreifenfreigabe dient. Die zuständigen Operatoren übernehmen während des operativen Geschäfts die Einführung, Bedienung, Instandhaltung und Betrieb der neuen Anlagen. Durch den steigenden Umfang der Eingriffe erhöhen sich die Anforderungen an Operatoren. Andererseits verändert der technische Fortschritt das Wesen der Arbeit von Verkehrsoperatoren. Beispielsweise können neue Sensoren (etwa extended Floating Car Data X-FCD) die Qualität (Ort und Geschwindigkeit) und die Quantität (z. B. Daten aus ABS, ASR, ESP, Regensensoren) der Daten erhöhen, die in Verkehrsrechnerzentral- 5 1 Einleitung 1.2 Relevanz Abbildung 1.2: Prozentuale Aufteilung aller Handprogramme sämtlicher Beeinflussungsanlagen der VRZ Südbayern, zitiert nach [ABD06] en verarbeitet werden. Der Einsatz von Entscheidungsassistenzprogrammen nimmt stetig zu. Für die vorhersehbare Zukunft werden sich neue oder veränderte Aufgaben ergeben. Die zunehmende Automatisierung wirkt sich auf die Anforderungen an Verkehrsoperatoren aus. Diese Veränderungen haben einen beachtenswerten Einfluss auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen, über die ein Verkehrsoperator verfügen muss, um neue oder veränderte Aufgaben erfolgreich auszuführen. Hand in Hand mit dem technischen Fortschritt zukünftiger Systeme in Verkehrsrechnerzentralen geht die Notwendigkeit, die Auswirkungen zukünftiger Systeme auf Auswahl und Training von Verkehrsoperatoren zu identifizieren. Solange der Einfluss dieser Technologien auf Verkehrsoperatoren nicht berücksichtigt und benannt wird, kann die Ausdehnung der Eingriffsmöglichkeiten und der Verantwortung von Verkehrsrechnerzentralen zu einer Überforderung der Verkehrsoperatoren führen. Darüber hinaus kann die Einführung neuer und komplizierte- 6 1 Einleitung 1.3 Vorgehensweise und Methodik rer Systeme und erweiterter Eingriffsmöglichkeiten fehlerhafte Bedienung verursachen. Wichtige verkehrspolitische Ziele wie Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Verkehrs geraten dadurch zunehmend in Gefahr. Es ist wichtig, die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Anforderungen an Verkehrsoperatoren in einem frühen Stadium der Systementwicklung zu kennen. Der Erfolg zukünftiger Systeme wird untrennbar mit effektiven und effizienten Auswahl- und Trainingsverfahren verbunden sein, welche jene Entwicklungen berücksichtigen. Nur so können Verkehrsoperatoren aufgrund der Fähigkeiten, Fertigkeiten und des Wissens ausgewählt sowie aus- und weitergebildet werden, damit sie die Aufgaben an zukünftigen Systemen erfolgreich ausführen. Das Personal in Verkehrsrechnerzentralen fluktuiert wenig [PBH06]. Heute ausgewählte Verkehrsoperatoren werden noch viele Jahre ihre Stelle innehaben. Deshalb ist die frühzeitige Identifikation zukünftiger Anforderungen besonders relevant. Um den sicheren und effizienten Betrieb von Bundesfernstraßen zu gewährleisten, müssen gegenwärtige Anforderungen und die Veränderungen der Anforderungen bekannt sein. Erkenntnisse über Anforderungen geben einerseits wichtige Hinweise für die Arbeitsplatzgestaltung, aber auch für Personalauswahl, -platzierung und Weiterbildung. 1.3 Vorgehensweise und Methodik Um die formulierten Ziele zu erreichen, werden im Kapitel 2 die Grundlagen beschrieben, um die Anforderungen in den Gesamtzusammenhang einzuordnen, in dem Verkehrsoperatoren arbeiten. Dort werden grundlegende Begriffe sowohl aus dem Verkehrswesen als auch aus der Arbeitswissenschaft hergeleitet. Vom Allgemeinen 7 1 Einleitung 1.3 Vorgehensweise und Methodik zum Speziellen werden Verkehrsrechnerzentralen in das Verkehrsmanagement als Handlungskonzept der Verkehrsplanung eingeordnet. Danach werden die Ziele von Verkehrsrechnerzentralen innerhalb jenes Rahmens genannt. Diese Ziele müssen Verkehrsoperatoren in ihrer täglichen Arbeit erreichen, indem sie bestimmte Arbeitsmittel der Verkehrsleittechnik verwenden. Daher wird anschließend die relevante Verkehrsleittechnik im Überblick dargestellt, um danach die Aufgaben von Verkehrsoperatoren darzustellen. Das Kapitel schließt mit dem Stand der Anforderungsforschung im Bereich der außerörtlichen Verkehrsbeeinflussung ab. Im Kapitel 3 werden die verwendeten Methoden dargestellt und kritisch gewürdigt. Die Szenario-Technik bildet den Rahmen der methodischen Vorgehensweise. Der Begriff Szenario-Technik fasst eine Sammlung von Einzelmethoden zusammen, die je nach Autor oder Denkschule verwendet werden. Daher werden diejenigen Methoden der Szenario-Technik detailliert dargelegt, die für diese Arbeit relevant sind. Im Rahmen der Arbeit wurde eine zweistufige Expertenbefragung durchgeführt. Deshalb werden die hier eingesetzten Methoden der qualitativen Datenerhebung und -auswertung erklärt. Die verwendete Methode zur Anforderungsanalyse, die Fleishman Job Analysis Survey (F-JAS), wird in zwei aktuelle Klassifizierungsmöglichkeiten eingeordnet, beschrieben und kritisch gewürdigt. Die Bearbeitung der Fragestellung erfolgte in drei Schritten: Zunächst wurden Einflussfaktoren auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben ermittelt und ihre Entwicklung projiziert. In der ersten Befragungsstufe wurden qualitative Experteninterviews mit 20 Experten aus Universitäten, Ingenieurbüros, bei Herstellerfirmen und Betreibern durchgeführt, um Einflussfaktoren auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben zu erheben. Anschließend wurden die Interviews mit der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet, um aus den Einflussfaktoren Deskriptoren zu erarbeiten, welche den IstZustand und die Projektion der Einflussfaktoren beschreiben. 8 1 Einleitung 1.3 Vorgehensweise und Methodik Kritische Deskriptoren, die zwei denkbare zukünftige Ausprägungen haben, wurden im zweiten Schritt in alternativen Szenarien gebündelt. Experten wurden in der zweiten Befragungsstufe gebeten, eine Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Konsistenz der Deskriptoren vorzunehmen. Auf der Grundlage dieser Daten wurden die alternativen Deskriptoren so gebündelt, dass sie ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Ein konsistentes und wahrscheinliches Szenario, das „Szenario 2020“, wurde ausgewählt und ausgearbeitet. Das Szenario 2020 wurde im dritten Schritt 17 erfahrenen Verkehrsoperatoren vorgestellt. Sie wurden zu Anforderungen, welche sich bei Eintreten des Szenarios 2020 ergeben, schriftlich befragt. Die ermittelten Anforderungen wurden den gegenwärtigen Anforderungen vergleichend gegenübergestellt. Diese drei Schritte, die Einflussanalyse einschließlich Trendprojektion, die Alternativenbündelung und die Anforderungsanalyse, bilden jeweils die drei Abschnitte der Kapitel 4 und 5. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse kommentiert und Schlussfolgerungen formuliert. Kapitel 7 fasst die Fragestellung, Methoden, Ergebnisse und Schlussfolgerungen zusammen. 9 2 Grundlagen Die Analyse und Vorausschau von Anforderungen an Verkehrsoperatoren bettet sich bei einem systemischen Verständnis von Organisationen in den Kontext ein, in dem sich die Organisation befindet. Dieser Gesamtzusammenhang soll vom Allgemeinen zum Speziellen vorgehend in diesem Kapitel beschrieben werden. In Abschnitt 2.1 werden zentrale Begriffe der vorliegenden Arbeit geklärt. Im Abschnitt 2.2 werden Verkehrsrechnerzentralen in das Verkehrsmanagement eingeordnet, um das Handlungskonzept der Verkehrsplanung, in dem Verkehrsrechnerzentralen agieren, zu klären. Im Abschnitt 2.3 werden die Ziele von Verkehrsrechnerzentralen innerhalb ihres Kontextes bestimmt. Um diese Ziele zu erreichen, stehen Verkehrsrechnerzentralen technische Mittel, Anlagen und Geräte der Verkehrsleittechnik, zur Verfügung, welche im Abschnitt 2.4 beleuchtet werden. Abschnitt 2.5 widmet sich den übergeordneten Aufgabenbereichen von Verkehrsrechnerzentralen. Die Tätigkeit von Verkehrsoperatoren wird in diese Aufgabenbereiche eingeordnet. Abschließend wird in Abschnitt 2.6 der aktuelle Forschungsstand zu Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen dargestellt und bewertet. 2.1 Begriffe und Abgrenzung Ein einheitliches Verständnis über Wortbedeutungen stellt eine notwendige Bedingung für den gedanklichen Austausch dar. Daher sol- 10 2 Grundlagen 2.1 Begriffe und Abgrenzung len zwei Kernbegriffe der vorliegenden Arbeit, „Verkehrsrechnerzentrale“ und „Anforderung“, erläutert werden. 2.1.1 Verkehrsrechnerzentralen In Deutschland besteht kein einheitliches Begriffsverständnis dafür, wie Einrichungen innerörtlicher oder außerörtlicher Verkehrsbeeinflussung zu bezeichnen sind. Beispielsweise firmiert unter dem Begriff „Verkehrsmanagementzentrale“ einerseits in Berlin eine privatwirtschaftliche Informationszentrale, andererseits in Hannover eine außerörtliche Zentrale, welche die Verkehrsbeeinflussung auf den Fernstraßen Niedersachsens betreibt. Daher soll hier der Begriff Verkehrsrechnerzentrale definiert werden. Im Ergebnisbericht für die Verkehrsministerkonferenz unterscheidet Kühne Zentralen in Abhängigkeit davon, welche Organisationseinheit die Zentrale betreibt [Küh96]: • Die Rechnerzentralen dienen der Koordinierung zur Steuerung der Verkehrsbeeinflussungsanlagen sowie der unmittelbaren Betriebsüberwachung des Gesamtsystems (zur Aufrechterhaltung und Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Bundesfernstraßen) oder dienen als übergeordnete Steuereinheit zur Steuerung und Überwachung städtischer Infrastrukturanlagen. Sie sind als Bestandteil der Straßenbaulast anzusehen. • Die Leitzentralen nehmen als rechnergestützte Betriebsleitsysteme Aufgaben der internen Organisation und Überwachung des Fahrbetriebes des ÖPNV wahr und unterliegen der Zuständigkeit der einzelnen Verkehrsunternehmen oder werden zur Lenkung des motorisierten Verkehrs eingesetzt. Dann unterliegen sie 11 2 Grundlagen 2.1 Begriffe und Abgrenzung der Zuständigkeit der Kommunen oder sind der Länderhoheit zuzurechnen. Im ersten Fall betreiben die Straßenbaubehörden Verkehrsrechnerzentralen teilweise in Auftragsverwaltung des Bundes als Straßenbaulastträger. Im zweiten Fall fällt die Zuständigkeit in Umsetzung der Straßenverkehrsordnung den Straßenverkehrsbehörden der Länder zu. Eine durchgängige Trennung von Straßenbaubehörden und Straßenverkehrsbehörden ist nicht in allen Bundesländern anzutreffen [Küh96]. Das Merkblatt für die Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen und Unterzentralen (MARZ) definiert Verkehrsrechnerzentrale folgendermaßen [Bun99]: [Die] Verkehrsrechnerzentrale [ist] die zentrale Stelle, von der aus der Betrieb des Verkehrsleitsystems auf den Autobahnstrecken in der Regel eines gesamten Bundeslandes überwacht wird. Eingriffe in den Betrieb der von den Unterzentralen gesteuerten Wechselverkehrszeichenanlagen sind von hier aus möglich. Die Steuerung von Netzbeeinflussungsanlagen wird in der Regel hier implementiert. In den technischen Lieferbedingungen für Streckenstationen (TLS) wird Verkehrsrechnerzentrale wie folgt definiert [Bun03a, S. II-6]: Verkehrsrechnerzentrale (VRZ) Die VRZ ist die zentrale Leitwarte, von der aus der Betrieb des Verkehrsleitsystems auf den Autobahnstrecken in der Regel eines gesamten Bundeslandes überwacht wird. Von der VRZ kann auch in den Betrieb der von den Unterzentralen gesteuerten Wechselverkehrszeichenanlagen eingegriffen werden. In beiden Schriften (MARZ, TLS) wird der Begriff der Verkehrsrechnerzentrale im Zusammenhang mit Verkehrsleitsystemen auf Autobahnen verwendet. 12 2 Grundlagen 2.1 Begriffe und Abgrenzung Der Arbeitskreis Steuerungsstrategien des Arbeitsausschusses Verkehrsbeeinflussung innerorts (Arbeitsgruppe Verkehrsführung und Verkehrssicherheit) erklärt folgenden Zusammenhang [For03, S. 9]: Die Steuerung der Leit- und Steuerungssysteme für den MIV1 erfolgt in der Regel zentral, wobei die Zentrale ein einzelner Rechner oder eine Einrichtung mit einem größeren Rechnersystem und speziellem Personal sein kann (Verkehrsleitzentralen, Verkehrsmanagementzentralen). Hier benutzen die Autoren den Begriff Verkehrsleitzentrale im Zusammenhang mit der Verkehrsbeeinflussung innerorts. Diese Arbeit konzentriert sich auf die Verkehrsoperatoren, welche die außerörtliche Verkehrsleittechnik auf Bundesfernstraßen betreiben. Daher wird der Begriff Verkehrsrechnerzentrale so verwendet: Die Verkehrsrechnerzentrale ist die zentrale Leitwarte, von der aus der Betrieb des Verkehrsleitsystems auf Bundesfernstraßen überwacht wird. 2.1.2 Anforderungen Zur Alltagserfahrung eines jeden Menschen gehört, dass es bestimmte äußere Einflüsse in einer Situationen gibt, die ihn stark fordern. Manchmal fühlt man sich überfordert oder gestresst. Dabei kann sich dieselbe Person in derselben Situation an einen Tag stärker als an einem anderen Tag gefordert fühlen. Grob umrissen, stellt dies das Problem einer Bestimmung des Begriffes „Anforderung“ dar. Zunächst stellt sich die Frage, was an äußeren Einflüssen einen Menschen belasten kann. Rohmert und Rutenfranz formulierten ein Belastungs-Beanspruchungs-Modell, das Zusammenhänge von Tätigkeitsanforderungen und physischen sowie psycho-physischen Re1 motorisierter Individualverkehr 13 2 Grundlagen 2.1 Begriffe und Abgrenzung aktionen beschreibt [RR75]. Ihre Definitionen gingen in die nationale und internationale Normierungsarbeit ein. Sie differenzieren zwischen äußeren Einflüssen und inneren Wirkungen [DIN, Teil 1]: Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien. Diese Definitionen zeigen, dass Belastung sowohl positive als auch negative Wirkungen auf den Mensch haben kann. Es liegt jeweils am individuellen Umgang der Person mit der äußeren Belastung, wie beanspruchend sie diese Situation erlebt. Die Höhe der erlebten Beanspruchungen hängen sowohl von personellen Faktoren, wie Fähigkeiten, Leistungsvermögen, Motivation als auch von situativen Bedingungen wie Autonomie und soziale Unterstützung ab. Rohmert und Rutenfranz unterscheiden zwei verschiedene Arten von Belastungen [RR75, Köp01, S. 24]: • Belastung durch Umgebungseinflüsse (Lärm, Licht, Temperatur etc.) • Belastungen als Anforderung aus der Aufgabe oder Tätigkeit. Diese Anforderungen schließen geistige Anforderungen, welche Informationsaufnahme, -verarbeitung und Gedächtnisleistungen erfordern, emotionale Anforderungen und motivationale Anforderungen ein. Das Begriffsverständnis von Belastung, Beanspruchung und Anforderung in dieser Arbeit stimmt mit dem Verständnis von Rohmert und Rutenfranz sowie DIN EN ISO 10075-1 überein [RR75, DIN]. 14 2 Grundlagen 2.2 Einordnung in das Verkehrsmanagement 2.2 Einordnung in das Verkehrsmanagement Verkehrsmanagement bezeichnet die „zielorientierte Beeinflussung von Verkehrsangebot, Verkehrsnachfrage und Verkehrsabwicklung durch abgestimmte Maßnahmen“ [FGS02, S. 4]. Verkehrsmanagement umfasst die koordinierte Anwendung verschiedener Maßnahmen auf folgenden Handlungsfeldern [FGS02, S. 17]: • Organisation des Verkehrs: Dieser Bereich des Verkehrsmanagements zielt auf den Aufbau der Systemorganisation. Fahrverbote, Straßennutzungsgebühren, Bildung von Fahrgemeinschaften, Organisation der Parkraumnutzung, aufgabenteiliger Verkehrsmitteleinsatz (z. B. Schienenverkehrsmittel zur linienförmigen Erschließung, Linienbus zur Erschließung der Fläche, in Verbindung damit auch Park-and-Ride, Bike-andride-Anlagen), Kooperation der Verkehrsträger (Straße, Schiene, Wasserstraße, Luft) legen mittelfristig fest, wie einzelne Komponenten des Verkehrsystems eingesetzt und miteinander verknüpft werden. Meist wirken die Maßnahmen dieses Bereichs pre-trip also vor dem Antritt der Fahrt. • Information über das Verkehrsangebot: Ziel dieses Handlungsfeldes ist es, den Kenntnisstand der Verkehrsteilnehmer über die Verkehrssysteme zu verbessern und die Wahl von Ziel, Verkehrsmittel, Reisezeit und Route zu vereinfachen. Als Informationsträger kommen alle verfügbaren Medien (TV, Radio, Internet) in Frage. Üblicherweise wird diese Information pre-trip angeboten. • Steuerung des Verkehrsablaufs: Die Maßnahmen dieser Gruppe dienen vor allem der direkten Verkehrsbeeinflussung an Kanten und Knoten des Straßenverkehrsnetzes. • Information über den Verkehrsablauf: Information und Steuerung gehen fließend ineinander über. Information über 15 2 Grundlagen 2.3 Ziele von Verkehrsrechnerzentralen den Verkehrsablauf sind ständig aktualisierte Informationen, die on-trip, also während der Fahrt, Hilfestellung zur besseren Abwicklung der Fahrt geben. Verkehrsfunk, individuelle (statische und dynamische) Zielführungssysteme sowie dynamische Fahrgastinformationen sind typische Wege, diese Information zu übertragen. Verkehrsrechnerzentralen arbeiten innerhalb der letzten drei Handlungsfelder, vor allem in der unmittelbaren Steuerung des Verkehrsablaufs. Verkehrsoperatoren bedienen Anlagen der Verkehrsbeeinflussung, etwa wenn sie ein Tempolimit über Wechselverkehrszeichen ausgeben. Verkehrsrechnerzentralen beteiligen sich ebenfalls in den Handlungsfeldern „Information über das Verkehrsangebot“ und „Information über den Verkehrsablauf“. Sie bereiten Informationen auf und geben diese an Verkehrsteilnehmer weiter, z. B. wenn sie Verkehrsmeldungen und Umleitungsempfehlungen generieren oder bei einem Wintereinbruch zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel empfehlen. 2.3 Ziele von Verkehrsrechnerzentralen Verkehrsrechnerzentalen verfolgen drei Ziele. Ein wichtiges Ziel stellt die Erhöhung der Verkehrssicherheit dar. Situationsabhängige Geschwindigkeitsbeeinflussungsanlagen homogenisieren durch eine Reduktion der Streuung der Geschwindigkeiten den Verkehrsablauf [Zac88]. Dadurch reduziert sich die Anzahl der Unfälle [MBThl, STMB00, S. 17] und die Häufigkeit und mittlere Dauer von Staus [Zac88, S. 29]. Ein zweites Ziel stellt die Effizienzsteigerung durch bessere Technik dar. Durch die Verringerung der Anzahl der Unfälle und der Staugefahr erhöht sich die Leistungsfähigkeit der Straßeninfrastruktur. 16 2 Grundlagen 2.4 Verkehrsleittechnik Weiterhin gehen manche Autoren, etwa Zackor [Zac72], von positiven Auswirkungen auf die Kapazität und die Leistungsfähigkeit einer Strecke bzw. auf die Stabilität des Verkehrsflusses aus. Drittes Ziel ist die umweltschonende Abwicklung des Verkehrs. Durch verbesserte Information über das Verkehrsangebot, Verkehrssteuerung und Information über den Verkehrsablauf können Verkehrsteilnehmer vor und während der Fahrt ihr Verkehrsmittel und ihre Route räumlich, zeitlich und intermodal verlagern. Beispielsweise können Verkehrsteilnehmer Staus umfahren, wenn sie früh und detailliert genug informiert sind. Daraus folgt eine effizientere Auslastung der vorhandenen Infrastruktur. Kann dadurch der Bau neuer Verkehrswege vermieden werden, so ergeben sich geringere Flächenversiegelung und Trennwirkungen. Weitere quantifizierbare Wirkungen auf die Umwelt sind insbesondere Schadstoff- und Lärmimmissionen sowie der Verbrauch an Ressourcen, wie Kraftstoffe [SC04]. 2.4 Verkehrsleittechnik Straßenverkehrsleittechnik lässt sich in zwei Anwendungsbereiche, Verkehrsbeeinflussung außerort sowie innerorts gliedern. Da diese Arbeit Anforderungen in Verkehrsrechnerzentralen untersucht, interessiert die außerörtliche Verkehrsleittechnik. Im Folgenden wird mit Verkehrsleittechnik die außerörtliche Verkehrsbeeinflussung gemeint. Seit den 1970er Jahren kommen zunehmend verkehrsleittechnische Lösungen zum Einsatz, um die in Abschnitt 2.3 genannten Ziele zu erreichen. Einen Schub erhielt der Einsatz und die Nutzung der neuen Verkehrstechnik Anfang der 1990er Jahre durch die Umwälzungen in den Informations-, Kommunikations- und Leittechnologien. 17 2 Grundlagen 2.4 Verkehrsleittechnik Im Folgenden werden die wichtigsten Anlagen im Überblick dargestellt. Verkehrsbeeinflussungsanlagen in der außerörtlichen Anwendung umfassen Strecken-, Knoten- und Netzbeeinflussungsanlagen: • Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) d. h. Anlagen entlang eines Streckenabschnitts, beeinflussen den Verkehr entlang den Kanten eines Netzes. SBA sind Wechselverkehrszeichenanlagen, bestehend aus einem Datenerfassungssystem, Datenverarbeitungssystem und Datenausgabensystem – Schilderbrücken mit Wechselverkehrszeichengebern. SBA werden mit dem Ziel eingesetzt, die Sicherheit im Falle von Störungen (Unfälle, Baustellen, Glätte, Nebel, etc.) durch Geschwindigkeitsbeschränkung und ggf. Sperrung von Fahrstreifen zu erhöhen [Sch03, S. 19] und bei hohem Verkehrsaufkommen den Verkehrsfluss durch eine Geschwindigkeitsbeeinflussung zu stabilisieren. Diese Ziele sollen erreicht werden, indem die Verkehrsteilnehmer mittels Gefahr- und Vorschriftszeichen auf den Wechselverkehrszeichengebern informiert werden und auf ihr Verhalten eingewirkt wird [Bun97, S. 10]. SBA werden entsprechend ihrer Zielsetzungen auf Strecken mit einem überdurchschnittlichen Unfallgeschehen, Verkehrsaufkommen und Gefahrenpotential eingesetzt [Bun97, S. 10]. Streckenbeeinflussungsanlagen erhöhen die Sicherheit durch Vorschriftzeichen (Höchstgeschwindigkeit, Überholverbot), Gefahrenzeichen (Warnung vor Unfall, Stau, Baustelle, Nässe) und ergänzenden Zusatztext (Nebel, Unfall). Dadurch wurde die Anzahl der Unfälle entlang der beeinflussten Streckenabschnitte um etwa 20 % reduziert [Gro06]. Die Standspurfreigabe bietet eine weitere Möglichkeit die Leistungsfähigkeit entlang Streckenabschnitte zu erhöhen [BMV05]. Verkehrsoperatoren überwachen über Videokameras den Seitenstreifen, prüfen bei hohem Verkehrsaufkommen, ob keine Hindernisse vorliegen und geben den Seitenstreifen über die Wechselverkehrszeichen frei. 18 2 Grundlagen 2.4 Verkehrsleittechnik • Knotenbeeinflussungsanlagen beeinflussen Verkehr an den Knoten; Knotenbeeinflussungsanlagen erhöhen die Kapazität, indem sie Fahrstreifen variabel belegen oder den Zufluss an Anschlussstellen dosieren. Überkopf installierte Fahrstreifenanzeigen steuern den Verkehr in Abhängigkeit des Verkehrsaufkommens. Beispielsweise wird an Anschlussstellen der rechte Fahrstreifen der durchgehenden Fahrbahn gesperrt, um einem starken Strom das Zufahren von den Einfahrrampen zu erleichtern. Sie „leisten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur Verbesserung des Verkehrsflusses auf hoch belasteten Autobahnen“ [BMV03]. Zuflussregelungsanlagen vereinzeln Fahrzeuge auf den Zufahrtrampen von Fernstraßen. Dadurch wird der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn weniger gestört als bei der Einfahrt eines Fahrzeugpulks. Weiterhin kann die Verkehrsstärke unter der Leistungsgrenze der Autobahn gehalten werden. Dadurch kommt es zu weniger Zusammenbrüchen des Verkehrsablaufs (Stau) und so zu einer höheren Leistungsfähigkeit im Bereich der Zufahrt. • Netzbeeinflussungsanlagen beeinflussen ein Netz oder Teilnetz. Netzbeeinflussungsanlagen erhöhen die Effizienz des Verkehrs, indem sie bei einer Überlastung entlang eines Streckenabschnittes oder in einem Teilnetz alternative Routenführungen anzeigen. Dadurch wird das Netz insgesamt besser ausgelastet. Die flexible Wegweisung vor wichtigen Entscheidungspunkten ermöglicht eine gleichmäßigere Auslastung des vorhandenen Autobahnnetzes durch Anzeige von alternativen Routen, die zum selben Ziel führen. Für den Einsatz solcher Systeme muss eine hohe Überlastungswahrscheinlichkeit auf der Originalroute, freie Kapazität auf der Alternativroute, eine günstige Umwegsituation und ausreichend hohe Anteile an umleitbarem Verkehr vorliegen [Bun03b, S. 3]. Seit 2006 stehen in einigen Bundesländern dynamische Wegweiser mit integrierter Stauinformation (dWiSta) zur Verfügung. Diese Wegweiser 19 2 Grundlagen 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren bestehen aus einem statischen Teil und zwei Anzeigeblöcken. Neben vordefinierten Warnhinweisen (Baustelle, Allgemeine Gefahrenstelle und Stau) dient ein dreizeiliges, frei programmierbares Schriftfeld zur Information. 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren Die typischen Aufgaben von Verkehrsoperatoren lassen sich unterscheiden in Instandhaltung und Betrieb (vgl. Abbildung 2.1). Instandhaltung der Anlagen, Geräte und Software stellt eine zentrale Aufgabe für Verkehrsoperatoren dar. Funktionieren beispielsweise Anzeigentafeln nur teilweise oder gar nicht, sinkt der Befolgungsgrad, weil Verkehrsteilnehmer einer defekten oder nicht voll funktionsfähigen Anlage nicht vertrauen. Dadurch reduzieren sich die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit des Verkehrs. Deshalb müssen Verkehrsoperatoren die Betriebsfähigekeit der Anlagen überprüfen und erhalten. Meist beschränkt sich die Aufgabe von Verkehrsoperatoren auf die Detektion, Verifizierung und Meldung von Fehlern – je nach Ausstattung und Arbeitsorganisation übernehmen Verkehrsoperatoren bis auf die Außenanlagen die gesamte Instandhaltung. Der Betrieb einer Verkehrsrechnerzentrale beinhaltet drei wichtige Bereiche, die eine Reihe von Funktionen in sich bergen: 1. Überwachung: Eine der Hauptaufgaben von Verkehrsoperatoren in einer Verkehrsrechnerzentrale stellt die Überwachung des Verkehrs dar. Meist überwachen Verkehrsoperatoren den Verkehr visuell anhand der Kamerabilder und anhand der grafischen Verkehrslagedarstellungen oder auditiv über Funkund Radiomeldungen. Die Überwachung erfolgt zielgerichtet im Hinblick auf die Funktionen, die unter Ereignismanagement und Service beschrieben werden. Beispielsweise überwachen Verkehrsoperatoren den Verkehr, um zu einem bestimmten Zeitpunkt die Standspur freizugeben. 20 2 Grundlagen 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren 2. Ereignismanagement: Ereignisse stellen den wichtigsten Grund für die Verkehrsüberwachung dar. Ereignisse verlangen nach einer Reaktion der Verkehrsoperatoren. Sie können zufällig, wiederkehrend und vorgeplant sein: • zufällige Ereignisse: Unfälle gehören zu den wichtigsten zufälligen Ereignissen. Äußere Einflüsse, etwa ein Wetterumschwung während der Hauptverkehrszeit erhöhen zwar die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen, dennoch ist der Eintritt von Verkehrsunfällen zufällig. Andere zufällige Ereignisse können sein: verlorene Ladung, liegen gebliebenes Fahrzeug, Fahrzeugbrand, Verkehrsunfall mit Toten und Verletzten. Ebenfalls zu der Gruppe zufälliger Ereignisse gehören Systemdefekte, Fehlermeldungen des Systems oder fernmündliche Störungsmeldungen von Verkehrsteilnehmern. • wiederkehrende Ereignisse: Erreicht die Verkehrsnachfrage das Angebot an Verkehrsinfrastruktur, lassen sich reduzierte Geschwindigkeiten, erhöhte Verkehrsdichte – Staus und Behinderungen – beobachten. Wiederkehrende Staus gehören zu den häufigsten wiederkehrenden Ereignissen. Sie treten überwiegend periodisch zur selben Tageszeit auf derselben Fahrtrichtung an denselben Streckenabschnitten auf. • vorgeplante Ereignisse: Sportliche oder kulturelle Großveranstaltungen wie Fußballspiele und Konzerte stellen typische vorgeplante Ereignisse dar. Üblicherweise erarbeiten Verkehrsrechnerzentralen mit den anderen Planungseinheiten Managementstrategien, um die operative Reaktion vorzubereiten. Baustellen gehören ebenfalls zu den vorgeplanten Ereignissen. Beispielsweise reduzieren Verkehrsoperatoren die Gefahr von Unfällen an Wanderbaustellen durch die Verkehrszeichen Z 274-58 (zulässige 21 2 Grundlagen 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren Höchstgeschwindigkeit 80 km/h) und Z 276 (Überholverbot), erhöhen die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer durch Gefahrenzeichen Z 123 (Baustelle) und ergänzenden Zusatztext. Diese Verkehrszeichen begleiten die Wanderbaustelle entlang des Streckenabschnitts, an dem Bauarbeiten oder Grünschnitt durchgeführt wird. 3. Service: Verkehrsrechnerzentralen bieten zusätzliche Dienstleistungen an Verkehrsteilnehmer an. Die VMZ Niedersachsen stellt aktuelle Verkehrsinformationen auf einer Internetseite bereit. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW informiert auf der Internetseite über die aktuelle und die prognostizierte Verkehrslage im Bundesland. Beide Seiten werden teilweise oder ganz von Verkehrsoperatoren betreut. Verkehrsteilnehmer können dort oder über eine Servicenummer an Informationen über Tagesbaustellen vor Festtagen oder Ferien gelangen. Um bei Ereignissen eingreifen zu können, bieten Verkehrsbeeinflussungsanlagen mit Wechselverkehrszeichen üblicherweise drei allgemeine Eingriffsmöglichkeiten [Bun99, S. 35]: • Automatische Ermittlung von Schaltempfehlung: Das System stellt anhand der aufbereiteten Verkehrs- und Umfelddaten Schaltempfehlungen für den Operator zur Verfügung. • Sonderprogramme: Für Sonderfälle (Baustellen, Verkehrsunfälle) besteht die Möglichkeit, Sonderprogramme zu schalten. Der Operator gibt den Ort des Sonderfalls ein. Das System schlägt ein Schaltprogramm vor. Der Systemadministrator korrigiert den Vorschlag gegebenenfalls. Der Operator löst die Anzeige des Sonderprogramms aus. • Handschaltung: Der Operator hat die Möglichkeit, eine beliebige Zeichenkombination darzustellen. Handschaltungen haben gegenüber Automatik- und Sonderprogrammen die höchste Priorität. Glättewarnungen können nur manuell geschaltet 22 2 Grundlagen 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren werden. Die Ausführung der Handschaltung liegt in der vollen Verantwortung des Operators. Betrachtet man die drei genannten Bereiche, in denen Verkehrsoperatoren arbeiten, stellt sich die Frage, in welchem Bereich Verkehrsoperatoren am häufigsten arbeiten. Antworten darauf wurden im Forschungsprojekt ATOP herausgearbeitet. Im Rahmen von ATOP war der Autor an der Aufgabenanalyse für die Tätigkeit von Verkehrsoperatoren beteiligt [PBH06]. Mit einer hierarchischen Aufgaben Analyse (Hierachical Task Analysis, HTA) wurden Funktionen und Aufgaben definiert. Fünf Schichtleiter von Verkehrsrechnerzentralen (VRZ Südbayern, VBZ Nordbayern, VZ Hessen, RVLZ Köln und VMZ Niedersachsen) beurteilten Aufgaben nach Häufigkeit, Wichtigkeit und Kritikalität. Für das Kriterium der Häufigkeit sollten die Beurteiler auf einer fünfstufigen Skala abschätzen, wie häufig die zu beurteilende Tätigkeit von einem Operator durchschnittlich ausgeführt wird. Verbale Anker veranschaulichen die Skalenpunkte und konkrete Zeitabstände verdeutlichen die Vorkommenshäufigkeit (z. B. keine Ausführung der Aufgabe, Ausführung seltener als Abbildung 2.1: Aufgaben einer Verkehrsrechnerzentrale, zitiert nach [Fed04, S. 239] 23 2 Grundlagen 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren einmal in 2 Monaten, Ausführung alle 2-8 Wochen einmal, mindestens einmal pro Woche, täglich). Besonders häufig bearbeitet werden 21 von 81 Aufgaben (Median=5 (täglich), siehe Tabelle 2.1). Es fällt auf, dass die Mehrheit der häufigsten Aufgaben mit zehn Nennungen im Bereich Überwachung liegen. Neun der häufigsten Aufgaben liegen im Bereich Ereignismanagement, während nur jeweils eine Aufgabe im Bereich der Instandhaltung und des Betriebs liegen. Keine der häufigsten Aufgaben liegt im Bereich Service. 24 2 Grundlagen 2.5 Aufgaben von Verkehrsoperatoren Tabelle 2.1: Häufigste Aufgaben von Verkehrsoperatoren Bereich Aufgabe Anzahl Überwachung Kamera zur Bestätigung des Ereignisses nutzen 10 Verkehrsinformationen sammeln Verkehrsinformationen aktualisieren und verteilen Staumeldung und automatische Schaltung in der graphischen Darstellung bemerken und überwachen Kamera zur Bestätigung des Staus nutzen Ereignismeldung und automatische Schaltung in der graphischen Darstellung bemerken und überwachen Ereignis auf dem Kamerabild bemerken und reagieren Überwachen des Verkehrsflusses Überwachen des Verkehrs mit Hilfe von Kameras Umfelddaten und Verkehrsdaten überwachen Ereignismanagement Auf einen vom System gemeldeten Stau reagieren 9 Stau auf dem Kamerabild bemerken und reagieren Sicherheit und Leistungsfähigkeit bei Stau gewährleisten Auf ein vom System gemeldetes Ereignis reagieren Auf ein von der Polizei gemeldetes Ereignis reagieren Sicherheit und Leistungsfähigkeit bei liegengebliebenem Fahrzeug auf Standspur und abwesendem Fahrer gewährleisten Sicherheit und Leistungsfähigkeit gewährleisten, wenn ein liegengebliebenes Fahrzeug evtl. einen oder mehrere Fahrstreifen blockiert Beenden des Reaktionsplans nach Störungsbeseitigung Aktivierung der dynamischen Richtungsfahrstreifen z. B. Standspurfreigabe Betrieb Betrieb, Wartung und Koordination der Umfelddaten und Verkehrsdaten 1 Instandhaltung Bearbeiten einer Meldung für einen Defekt oder Ausfall 1 Summe 21 25 2 Grundlagen 2.6 Forschungsstand 2.6 Forschungsstand Eine wissenschaftliche Untersuchung der Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Deutschland fand bis auf die bereits erwähnte DLR-Studie [PBH06] – im Gegensatz zu den USA – nicht statt. Das enorme staatliche Engagement in den USA unterscheidet sich deutlich von dem anderer Staaten.Infolge der systematischen und konsequenten Förderung über nationale ITS2 -Programme liegen mehrere Studien vor, die sich auf Vergleich, Konzeption und Ausgestaltung von Verkehrsrechnerzentralen beziehen. Die Straßenverkehrsbehörde der Vereinigten Staaten vergab 1995 einen Auftrag für eine vergleichende Systemanalyse mit dem Ziel, Verkehrsrechnerzentralen aus der Sicht der Operatoren zu gestalten [KGW95]. In der ersten Phase wurden zehn Zentralen aus sehr unterschiedlichen Bereichen besucht und das Personal befragt. Zielstellung war, Architektur, Merkmale und Operatorenaufgaben zu dokumentieren. In der zweiten Phase wurden in elf Verkehrsrechnerzentralen aus unterschiedlichen Bundesstaaten strukturierte Interviews durchgeführt. Die Verteilung der Aufgaben zwischen Mensch und Maschine und die Auswirkungen auf die Anforderungen wurden diskutiert. Aus den Interviews wurden Hinweise zur Gestaltung von Verkehrsrechnerzentralen, Operatorenauswahl und Training, Mensch-Maschine-Schnittstellen und unterstützenden Systemen an Arbeitsplätzen generiert. Hinweise zur Entwicklung von Anforderungen wurden keine gegeben. Auf welcher Grundlage Verkehrsoperatoren ausgewählt und trainiert werden sollen, bleibt offen. Auf den Ergebnissen dieser Studie aufbauend erschien 1996 eine Studie zur Gestaltung von Verkehrsrechnerzentralen [MKF96]. Zunächst wurden dafür die Ziele von Verkehrsrechnerzentralen mit Hilfe von Experteninterviews erhoben. Daraufhin wurden aus den Zielen die Systemanforderungen definiert und die Funktionen den 2 Intelligent Transportation Systems, Verkehrstelematik 26 2 Grundlagen 2.6 Forschungsstand Verkehrsoperatoren oder dem System zugewiesen. Aus der Funktionsansiedelung wurden die Rollen der Verkehrsoperatoren und ihre Eingriffsmöglichkeiten festgelegt. Im folgenden Schritt wurden Anforderungen an den Operator abgeleitet. Aus den Anforderungen wurde eine Aufgabenanalyse erarbeitet. Mit Hilfe der Aufgabenanalyse wurden die Anforderungen an das Bedienungssystem beschrieben. Die Anforderungen wurden beschrieben im Sinne einer Beschreibung der Tätigkeiten des Operators. Sie bezogen sich auf die Informationsaufnahme, -verarbeitung und Informationsausgabe des Verkehrsoperators. Aussagen zu Kriterien, Höhe oder Entwicklung der Anforderungen wurden nicht gemacht. Die Straßenverkehrsbehörde der USA (FHWA) veröffentlichte 2004 eine Studie, die sich auf Anforderungen und Arbeitsplatzbeschreibung konzentriert [Fed04]. Wie Anforderungen gemessen werden könnten und welche Entwicklungen in den kommenden Jahren diesbezüglich zu erwarten sind, bleibt offen. Im Vergleich zu jenen Studien, die als Ergebnis der oben genannten systematischen und konsequenten Förderung über nationale ITSProgramme zu sehen sind, fällt der Beitrag zur systematischen Untersuchung von Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Deutschland weit zurück. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt wurden innerhalb des Projekts ATOP 2005 erstmals die Anforderungen an Operatoren untersucht [PBH06]. Die Fragestellung dieser Untersuchung richtete sich auf aktuelle Anforderungen an Operatoren in Verkehrsrechnerzentralen, Verkehrsleitzentralen und Tunnelzentralen. Ziel der Studie war es, Verfahren für die Auswahl und Aus- und Weiterbildung von Verkehrsoperatoren zu entwickeln. Insgesamt wurden 72 Operatoren in zwölf Einrichtungen befragt, davon 28 in Verkehrsrechnerzentralen. Als Untersuchungsmethode wurde eine überarbeitete Version der Fleishman Job-Analysis verwendet [FR92]. Auf einer Skala von eins bis sieben schätzten erfahrene Verkehrsoperatoren auf 68 Skalen, die sich in sechs Fähigkeitsbereiche (kognitive Fähigkeiten, psychomotorische Fähigkeiten, physi- 27 2 Grundlagen 2.6 Forschungsstand sche Fähigkeiten, sensorische Fähigkeiten, interaktiv-soziale Fähigkeiten sowie Wissen und Fertigkeiten) aufteilen. Die wichtigsten Ergebnisse für Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen – befragt wurden VRZ Südbayern, VBZ Nordbayern, VZ Hessen, RVLZ Köln und VMZ Niedersachsen – sollen hier im Überblick dargestellt werden. Tabelle 2.2 zeigt die zehn höchsten Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen. Es zeigt sich, dass der Schwerpunkt der höchsten Anforderungen mit jeweils vier Anforderungen in den Anforderungsbereichen interaktiv-soziale Fähigkeiten (Stressresistenz, Kommunikation, Teamfähigkeit, Verhaltensflexibilität) sowie kognitive Fähigkeiten (Mehrfacharbeit, Problemwahrnehmung, selektive Aufmerksamkeit, mündlicher Ausdruck) liegt. Psychomotorische Fähigkeiten (Karten lesen) und sensorische Fähigkeiten (Spracherkennung) liegen mit einer Anforderung im letzten Viertel der dargestellten Rangliste. Keine Anforderung aus dem Anforderungsbereich Wissen und Fertigkeiten befindet sich unter den höchsten zehn Anforderungen. Insgesamt liegen die Anforderungen hoch. Fähigkeiten ab einem mittleren Rating von vier können als bedeutsam für die jeweilige Tätigkeit betrachtet werden [FR92, S. 10]. Alle dargestellten Anforderungen übertreffen diese Schwelle deutlich. Zusammenfassend kann man sagen, dass vor allem die kognitiven Fähigkeiten und die interaktiv-sozialen Aspekten eine zentrale Rolle für die Tätigkeit von Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen spielen. Darüber hinaus sind auch einige sensorische Fähigkeiten und psychomotorische Fähigkeiten besonders bedeutsam. Fasst man den Forschungsstand von Anforderungsanalysen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen zusammen, so wird deutlich, dass es Studien in der Vergangenheit gab, um Anforderungen zu untersuchen. Diese Untersuchungen wurden in den USA unternommen, liegen etwa zehn Jahre zurück und sind angesichts des technischen Fortschritts nicht mehr aktuell. In Deutschland unter- 28 2 Grundlagen 2.6 Forschungsstand Tabelle 2.2: Die zehn höchsten Anforderungen in Verkehrsrechnerzentralen Rangplatz Anforderung Mittelwert 1 Stressresistenz 5,82 2 Kommunikation 5,79 3 Mehrfacharbeit 5,75 4 Teamfähigkeit 5,39 5 Problemwahrnehmung 5,14 6 Selektive Aufmerksamkeit 5,14 7 Karten lesen 5,11 8 Verhaltensflexibilität 4,86 9 Mündlicher Ausdruck 4,79 Spracherkennung 4,79 10 suchte das DLR aktuelle Anforderungen. Es gibt in Deutschland keine Untersuchungen zur Frage, wie sich die Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen zukünftig entwickeln. 29 3 Methoden Die vorliegende Arbeit zielt auf die Veränderungen der Anforderungen von Verkehrsoperatoren bis ins Jahr 2020. Bei der Bearbeitung stellen sich zwei übergeordnete methodische Fragen: Wie stellen wir sicher, dass das Szenario 2020 möglichst stimmig und wahrscheinlich ist? Hier geht es um die Methoden der Prognose, welche in den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitels vorgestellt werden. In Abschnitt 3.1 werden Methoden der Technologievorausschau diskutiert, die gewählte Methode, die Szenario-Technik, dargestellt und kritisch gewürdigt. Die Befragung von Experten spielt bei der Szenario-Technik eine wichtige Rolle. Daher wird die Erhebung und Verarbeitung von Daten mit Hilfe von mündlichen Befragungen in Abschnitt 3.2 beschrieben. Die zweite übergeordnete methodische Frage lautet: Wie messen wir die Anforderungen an Verkehrsoperatoren im Szenario 2020? Dazu muss eine Anforderungsanalyse unter aktuellen Bedingungen und im Szenario 2020 durchgeführt werden. Abschnitt 3.3 stellt Konzepte der Anforderungsanalyse vor, ordnet die ausgewählte Erhebungsmethode in zwei Klassifizierungsmöglichkeiten ein und würdigt gewählte Methode kritisch. 3.1 Technologievorausschau Im Kern geht es bei der ersten Frage darum, ein Szenario zu erschaffen, über das unsicheres und unvollständiges Wissen existiert. Es 30 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau handelt sich also um den Versuch, mit geeigneten Methoden Wissen zur Reduktion von Unsicherheit zu nutzen. Damit liegt die erste Frage im Bereich der Technologievorausschau („Technology Foresight“). 3.1.1 Methoden der Technologievorausschau In Forschungsfeld der Technologievorausschau werden Methoden in drei Gegensatzpaaren unterschieden. Eine grobe Übersicht bietet Tabelle 3.1. Einerseits unterscheidet man „normative“ und „explorative“1 Methoden [Gor92, S. 27]. Normative Methoden gehen von einer bestimmten vorher gestalteten Sicht auf die Zukunft aus und fragen danach, was zu tun sei, um dieses (gewünschte) Szenario zu erreichen. Explorative Methoden fragen von der Gegenwart ausgehend was ein mögliches Szenario sein könnte. Die zweite Unterscheidung betrifft die qualitative und quantitative Vorgehensweise. Die klassische Variante der quantifizierenden Wissenschaft setzt an der Modellbildung an. Es werden bestimmte Theorien, Annahmen oder Hypothesen zum Untersuchungsgegenstand formuliert und dann empirisch überprüft – damit bestätigt oder verworfen. Ziel des linearen Modells (Theorie – Hypothesen – Operationalisierung – Stichprobenziehung – Datenerhebung – Datenanalyse – Überprüfung) ist die Repräsentativität der gewonnen Ergebnisse. Die qualitativ orientierte Forschung verzichtet darauf, Annahmen im Sinne einer Hypothesenbildung an den Untersuchungsgegenstand heranzutragen. Hier werden in der Auseinandersetzung mit dem Thema Annahmen erst entdeckt. Notwendige Bedingung dafür ist die Offenheit, den Forschungssubjekten die Strukturierung des Forschungsgegenstandes zu überlassen und erst dann die Theorie zu entwickeln [HR80, S. 343 zitiert nach Fli02, S. 69]. Damit wird 1 Godet verwendet auch den Begriff antizipativ anstelle explorativ, um die geistige Vorwegnahme der erwünschten Zukunft zu unterstreichen [God00, S. 11]. 31 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau Tabelle 3.1: Methoden der nach [Gor92] Technologievorausschau im Überblick, normativ explorativ Szenarien Szenarien quantitative Planungsszenarien quantitativ zitiert Zeitreihen und andere Trendextrapolarisationen Modellierung qualitativ Szenarien Szenarien Delphimethode Delphimethode Zukunftswerkstätten, partizipative Methoden Expertenbefragung, Brainstorming, etc. Expertenbefragung, Brainstormings etc. Utopien und Science Fiction der Verzicht auf das theoretische Vorwissen des Forschers gefordert. Der Vorteil dieser Methoden liegt darin, dass die Sicht auf das eigentlich Neue nicht verstellt wird durch eigenes Vorwissen [Fli02, S. 70]. Eine dritte methodische Unterscheidung unterscheidet zwischen expertenbasierten Methoden und annahmebasierten Methoden [UNI05, S. 119]. Expertenbasierte Methoden zeigen eine zukünftige Entwicklung auf der Grundlage von Expertenaussagen auf. Sie werden verwendet, um eine erhöhte Wahrscheinlichkeit bestimmter Entwicklungen gegenüber anderen denkbaren zu untermauern. Die Herangehensweise kann sich sowohl auf groß angelegte Untersuchungen (z. B. Delphi) als auch kleinere und detailliertere Ausarbeitungen von Vorstellungen (z. B. Cross-Impact-Analyse, Szenario-Technik) stützen. Die Ergebnisse können sowohl qualitativ (z. B. beschriebene Szenarios) als auch quantitativ (z. B. Wann ein Ereignis eintritt, etwa bei der Delphimethode) sein. Annahmenbasierte Methoden erarbeiten Vorstellungen auf der Basis von Wissen, das bereits bekannt ist (z. B. aus Statistiken, Entwicklungsmodel- 32 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau len etc.). Auf der Basis dieser oder selbst erhobener Daten werden Simualationsmodelle erarbeitet, die Aussagen zur gestellten Frage geben. Verschiedene Methoden wurden für eine Vorausschau hinsichtlich ihrer Eignung für diese Arbeit überprüft. Die Trendextrapolation basiert darauf, dass ein bereits beobachteter Trend, also eine statistisch erfasste Entwicklungsrichtung, in die Zukunft fortgeschrieben wird. Voraussetzung für die Methode ist, dass die ermittelte Gesetzmäßigkeit der Vergangenheit auch in der Zukunft gilt. Strukturbrüche, die in der technischen Entwicklung typisch sind, etwa die Ausweitung des Internets oder die Verbreitung der Funktelefone, können nicht erfasst werden. Damit kommt diese Methode nicht in Frage. Die Delphi-Befragung verarbeitet Expertenschätzungen, benötigt aber als Ausgangspunkt bestimmte Thesen, Zusammenhänge oder Annahmen für den stark standardisierten Fragebogen. Solche Annahmen können nicht gesichert getroffen werden, weil keine Aussagen zu zukünftigen Mensch-Maschine-Systemen vorliegen, von denen diese Annahmen ausgehen können. Weiterhin basiert die Delphi-Befragung auf der Idee, in mehreren Runden umfangreiche Fragenkataloge zu beantworten. Man kann davon ausgehen, dass die Abbrecherquote bereits in der zweiten Runde sehr hoch sein wird, weil Experten wenig Anreize haben, viel Zeit in eine Befragung zu investieren, von der sie gering profitieren. Damit scheidet die Delphi-Methode aus. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Szenario-Technik mit dem Ziel angewendet werden, zukünftige Szenarien der Arbeitsaufgaben und des Arbeitsplatzes zu erstellen. Damit ordnet sie sich nach den oben beschriebenen Unterscheidungen der Technologievorausschau als explorative, qualitative expertenbasierte Vorgehensweise ein. Es wird eine explorative Methode gewählt, weil das Wissen der Experten ge- 33 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau nutzt werden soll, um eine konsistente wahrscheinliche Vorstellungen in einem Szenario zu erarbeiten. Die Szenario-Technik erscheint geeignet, weil sie den Fokus auf ein Themenfeld und nicht auf einzelne Faktoren oder Indikatoren legt. Die Szenario-Technik erlaubt, Veränderungen im Umfeld (z. B. Politik, Gesetzgebung, Gesellschaft, Technologie) zu erfassen und zu verarbeiten. 3.1.2 Szenario-Technik Im vorangegangenen Abschnitt wurden Verfahren der Zukunftsforschung vorgestellt und Szenariotechnik als Methode ausgewählt. In diesem Abschnitt soll das Verfahren vorgestellt und kritisch bewertet werden. Die Methoden zur Erstellung von Szenarien werden in Deutschland „Szenariotechnik“, „Szenario-Technik“, „Szenario-Analyse“ oder „Szenario-Methode“ genannt [Rei91]. Im englischen Sprachgebrauch werden die Begriffe „scenario analysis“ [WJ06], „scenario method“ [Göt90], „szenario-writing“ [Göt90], „scenariotechnique“ [Sch77], „scenario planning“ [Che05] synonym verwendet. Im Rahmen dieser Arbeit findet ausschließlich der Begriff „Szenario-Technik“ Anwendung. Die sprachlichen Wurzeln des Wortes Szenario liegen im spätlateinischen Wort scaenarium, welches den „Ort, wo die Bühne errichtet wird“ [Dud07], beschreibt. Laut Duden hat das Wort Szenario drei Bedeutungen (siehe Abbildung 3.1). Einerseits bezeichnet im Theater das Wort Szenario eine „für die Regie und das technische Personal erstellte Übersicht mit Angaben über Szenenfolge, auftretende Personen usw.“ [Dud97]. Andererseits beschreibt das Wort Szenario das Umfeld und die Umgebung in das etwas eingebettet ist, wie im folgenden Satz: „Das ist das perfekte Szenario für eine Geistergeschichte.“ Drittens geht es um eine postulierte Folge von möglichen Ereignissen – etwa wenn man sagt: 34 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau „Planer erarbeiteten mehrere Szenarien für den Fall eines weiteren Verkehrswachstums.“ Alle drei Elemente – Annahme, Umfeld und Ablaufplan sollten in einem Szenario enthalten sein. Abbildung 3.1: Semantisches Netz um den Begriff Szenario (eigene Darstellung in Anlehnung an [The07]) Die Szenario-Technik stellt kein einheitliches Verfahren dar [GH92, S. 243, Ste97, S. 41]. Was ein Szenario umfasst und welche Schritte dabei zu befolgen sind, beurteilen verschiedene Autoren unterschiedlich. Ute von Reibnitz geht beispielsweise davon aus, dass auch die nachgelagerte Strategieentwicklung ein Teil der Szenariotechnik ist. Andere Autoren, beispielsweise Oberkampf, begrenzen die Szenario-Technik auf diejenigen Schritte bis zur Fertigstellung der Szenarien [Obe76] (Gegenüberstellungen finden sich in [Hus87,Göt90,MB93,MR04]). Eine Ursache dieser Vielfalt der Methoden liegt in der Entstehungsgeschichte der Szenario-Technik. Helmer und Kahn legten in den 50er Jahren die Grundsteine für die Szenario-Technik. Sie arbeiteten an verteidigungsbezogenen Projekten in der RAND Corporation [Kah60]. Auf Kahn geht die Verwendung des Begriffs „Szenario“ zurück [Göt90]. In verschiedenen Be- 35 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau reichen entwickelten sich die Methoden, Verfahren, Prozeduren und Vorgehensweisen weiter: • Die Szenario-Technik dient Unternehmen bei der strategischen Planung [Wac85]. In Zeiten der steigenden Dynamik und Komplexität des Unternehmensumfeldes bietet die SzenarioTechnik Unternehmen die Möglichkeit, sich auf bestimmte Entwicklungen vorzubereiten. Shell verwendet beispielsweise die Szenario-Technik im strategischen Management seit den 1970er Jahren [She05]. • Die kommunale Planung nutzt die Szenario-Technik als Planungsinstrument [Str88]. Kommunen reagieren methodisch wie inhaltlich auf die Planungsunsicherheit in den kommunalen Verwaltungen [FG90]. Die Szenario-Technik zeigt den Möglichkeitsraum auf, in dem verschiedene Entwicklungspfade herausgearbeitet werden können. • Kritische Gesellschaftsentwicklungen, etwa der Rohstoffverbrauch, wurden mit Hilfe der Szenario-Technik skizziert. Beispielsweise verwendete Meadows Szenarien, um die „Grenzen des Wachstums“ aufzuzeigen [MMZM72]. In der jüngeren Vergangenheit wurde die Szenario-Technik verwendet, um einen gesellschaftlichen Kommunikationsprozess in Gang zu setzen [SHSP04]. • Im Bereich Erziehung und Bildung dient die SzenarioTechnik der ökonomischen, ökologischen und politischen Bildung [Wei98]. Ziel ist es, Handlungs- bzw. Gestaltungsstrategien zu entwickeln, um gesellschaftliche Konflikte zu bearbeiten – beispielsweise im Verkehr [Wei95]. • Szenarien spielen in der Verkehrsforschung in Prognosen eine wichtige Rolle [She05]. Viele Autoren, etwa Topp [Top05], Kämpf [KK01] oder Zackor [ZLK+ 99] verwenden den Szenariobegriff. Sie treffen allerdings bestimmte Annahmen, die sie 36 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau als Teile eines Szenarios oder mehrerer Szenarien (z. B. TrendSzenario und Kooperation-Szenario) darstellen. In der verkehrswissenschaftlichen Literatur findet man zu den Themen Mobilität 2020 [aca06], Zukunft der Mobilität [Ins02] und Mobilität des Jahres 2020 [HW01] Szenarien, die mit der SzenarioTechnik entwickelt wurden. Trotz der unterschiedlichen Anwendungsbereiche ähnelt sich das Verständnis über den Szenarienbegriff der meisten Autoren. Von Reibnitz versteht unter einem Szenario “eine Beschreibung einer zukünftigen Situation und die Entwicklung bzw. Darstellung des Weges, der aus dem Heute in die Zukunft hineinführt“ [Rei91, S. 14]. Schwartz definiert ein Szenario als ein Werkzeug, die eigene Vorstellung alternativer zukünftiger Umgebungen zu ordnen. Szenarien sind Geschichten, in welchen die bestimmenden Elemente der zukünfigen Welt hervorstechen [Sch96, S. 4]. Van der Heijden beschreibt Szenarien als Erzählungen, die historische und gegenwärtige mit hypothetischen zukünftigen Ereignissen verbinden [Hei05, S. 258]. Diese Erzählung soll plausibel, logisch, konsistent und relevant für die Fragestellung sein [Hei05, S. 225]. „Futures“ und „Futuribles“ lauten die Namen zweier Fachzeitschriften der Zukunftsforschung. Die Verwendung des Plurals deutet darauf hin, dass es nicht eine mögliche Zukunft gibt, sondern mehrere. Diese Idee greift die Szenario-Technik auf: Szenarien sollen nicht einen eng definierten zukünftigen Zustand oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses prognostizieren, sondern einen Möglichkeitsraum aufzeigen, innerhalb dessen verschiedene Entwicklungspfade herausgearbeitet werden können [JZ85 zitiert nach FG90]. Anschaulich stellt der Szenariotrichter den Möglichkeitsraum dar. Die Gegenwart bildet den engsten Punkt eines Trichters (siehe Abbildung 3.2). Der Trichter symbolisiert Komplexität und Unsicherheit bezogen auf die Zukunft. Je weiter man von der Gegenwart in die Zukunft geht, desto größer wird Komplexität und Unsicherheit. Die Einflussfaktoren auf einen bestimmten Untersuchungsgegenstand 37 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau sind in der Gegenwart festgeschrieben [Rei91, S. 26]. Viele Einflussfaktoren lassen sich für die nähere Zukunft mit großer Sicherheit vorhersagen. Ab einem bestimmten Punkt kann man nicht mehr genau sagen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Zieht man den Schnitt jedoch weiter in der Zukunft, dann liegen alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten auf der Schnittfläche des Trichters. Godet formuliert es so [God00, S. 38]: A scenario is not a future reality but a way of forseeing the future, thereby throwing light on the present in terms of all possible and desirable futures. Es stellt sich die Frage, mit welchen Schritten man zu den denkbaren Möglichkeiten gelangt. Die prinzipielle Vorgehensweise der Abbildung 3.2: Denkmodell zur Darstellung von Szenarien, nach [Rei91, S. 26] 38 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau Szenario-Technik wurde in den 1970er Jahren etabliert. Sie hat sich seither wenig geändert. Üblicherweise beginnt die Szenario-Technik mit der Klärung der Fragestellung. Im zweiten Schritt gilt es, die treibenden Kräfte der Entwicklung, vorbestimmte Elemente und kritische Unsicherheiten zu identifizieren. Danach werden mehrere Szenarien entwickelt, die jeweils eine plausible alternative Zukunftsentwicklung darstellt. In der Vergangenheit wurden zahlreiche spezielle Verfahrensweisen der Szenario-Technik entwickelt, die von einfachen zu komplexen, von qualitativen zu quantitativen reichen. Das Vorgehen in dieser Arbeit orientiert sich am 8-Stufen-Prozess des Battelle-Instituts. Dieser Ansatz wurde gewählt, weil er exemplarisch die Vorgehensweise darstellt und in der deutschsprachigen Literatur am häufigsten zitierte und angewendete Ansatz ist. Ute von Reibnitz gliedert die Herangehensweise in 8 Schritte [Rei91, S. 30 f., GH92, S. 319]: • Schritt 1: Aufgabenanalyse: Ziel des Schrittes ist, die gegenwärtige Situation in Bezug auf eine bestimmte Fragestellung zu analysieren. Ein Szenario-Team klärt, ob die ursprüngliche Fragestellung präzise und vollständig das zu bearbeitende Problem abbildet. Es wird der Zeithorizont festgelegt. • Schritt 2: Einflussanalyse: Ziel dieses Schrittes ist, diejenigen Faktoren zu erheben, die einen Einfluss auf die Fragestellung haben. Zunächst werden die übergeordneten Einflußbereiche definiert, die auf die Fragestellung einwirken. Anschließend werden Einflussfaktoren innerhalb dieser Bereiche ermittelt, bewertet und vernetzt. • Schritt 3: Trendprojektion: Ziel des Schrittes ist es, beschreibende Kenngrößen, Deskriptoren, für die Einflussfaktoren zu ermitteln, die den jetzigen und den zukünftigen Zustand konkretisieren. Bei der Formulierung der Deskriptoren ist darauf zu achten, dass keine Wertung einfließt. Wertende Beschreibungen erhöhen die Gefahr, dass in späteren Schritten nicht in 39 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau gleichwertigen Alternativen, sondern nur in eine Richtung gedacht wird. Für alle Deskriptoren wird der Ist-Zustand und die Projektion ermittelt. Für einige Faktoren, sogenannte kritische Deskriptoren, zeichnet sich keine eindeutige Projektion ab. Für sie müssen alternative Annahmen aufgestellt werden. • Schritt 4: Alternativenbündelung: Ziel dieses Schrittes ist es, die verschiedenen alternativen Einflussfaktoren so zu bündeln, dass sie ein in sich stimmiges Gesamtbild ergeben. Nicht alle kritischen Deskriptoren können widerspruchsfrei mit einander kombiniert werden. Es wird mit Hilfe einer Konsistenzmatrix ermittelt, welche Faktoren sich verstärken, ausschließen oder neutral zueinander stehen. Mit Hilfe verschiedener Kriterien, z. B. hohe Konsistenz, hohe Unterschiedlichkeit, werden alternative Szenarien ausgewählt. • Schritt 5: Szenario-Interpretation: In diesem Schritt werden die Szenarien ausgestaltet und interpretiert. Alle Deskriptoren werden in 5-Jahres-Schritten bis zum Zieljahr aus der Gegenwart heraus entwickelt. So wird sichergestellt, dass realitätsnahe Szenarien entstehen. • Schritt 6: Konsequenzanalyse: Ziel dieses Schrittes ist es, Konsequenzen aus den Szenarien zu ziehen. Es werden Chancen und Risiken abgeleitet. • Schritt 7: Störereignisanalyse: Unerwartete interne oder externe Ereignisse können die Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Positive Störungen, etwa neue Energiequellen, und negative Störungen, z. B. Reaktorunglücke, werden in Szenarien integriert. • Schritt 8: Szenario-Transfer: Dieser Schritt gehört nicht mehr zur Szenario-Technik im engeren Sinne. Ziel ist es, eine Leitstrategie zu formulieren und Maßnahmen zu planen. 40 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau Ein großer Vorteil der Szenario-Technik besteht darin, dass sie flexibel an die jeweilige Aufgabenstellung angepasst werden kann. Die oben dargestellte Entstehungsgeschichte zeigt die vielfältige Anwendbarkeit. Dieser Vorteil soll in dieser Arbeit genutzt werden. Die Szenario-Technik soll im Szenario 2020 mögliche Antworten auf die Fragen „Was?“ und „Wie?“ geben: Arbeitsaufgaben betreffen das „Was?“, den Auftrag, den der Verkehrsoperator erhält in normaler und nicht normaler Situation (z. B. schlechtes Wetter, Notfall, Unfall). Aktionen, die er ausübt, Entscheidungen, die er trifft. Der Arbeitsplatz betrifft das „Wie?“, die Systeme, Tools, Anlagen und Geräte, die der Verkehrsoperator bedient (z. B. Maßnahmeszenarien), welche Prozesse und Regeln er beachtet (z. B. Kommunikation und Koordination mit der Polizei), welche Verkehrsleistungen er bewältigen muss (z. B. gemessen in Störungen pro Stunde), welche sozialen und organisatorischen Faktoren auf ihn wirken. Das Szenario 2020 beschreibt die Hauptaufgaben, Aufgaben und Unteraufgaben von Verkehrsoperatoren. Es stellt dar, was der Verkehrsoperator macht, und wie, wann und warum er das tut [Car95]. Es dient dazu, Einblick zu gewinnen in die Aufgaben mit denen er konfrontiert ist. Es beschreibt, welche Aufgaben und Teilaufgaben der Verkehrsoperator ausübt. Ein Szenario stellt den Ausführenden einer Aktivität als jemand dar, der eine bestimmte Motivation hinsichtlich seiner Aufgabe, des Systems und der Umgebung hat. Er hat Gründe, warum er diese Aktionen ausführt. Das Szenario beschreibt aus der Perspektive der Verkehrsoperators, was der Verkehrsoperator unternimmt, wenn er die Aufgabe ausführt. So wird sichergestellt, dass das Szenario 2020 auf den Menschen ausgerichtet ist, der die Anforderungen bewerten soll und nicht auf die Inhalte oder Systeme, die er bedient. Üblicherweise werden mehrere Szenarien ausgearbeitet [GH92, S. 322, Hei05, S. 225, Sch96, S. 243]. In dieser Arbeit werden Szenarien erarbeitet, um anschließend eine Befragung durchzuführen. 41 3 Methoden 3.1 Technologievorausschau Verkehrsoperatoren sollen zu Anforderungen im ausgearbeiteten Szenario befragt werden. Da die Befragung für ein Szenario in einer Verkehrsrechnerzentrale mehrere Stunden dauert, freiwillig ist und auf dem guten Willen und der Kooperation der Führungspersonen basiert, ist eine mehrfache Anforderungsanalyse unter mehreren gegebenen Szenarien nicht realisierbar. Daher soll in dieser Arbeit nur ein Szenario ausgearbeitet werden. 3.1.3 Kritische Würdigung des Verfahrens Einen Kritikpunkt an der Szenario-Technik stellt ihre qualitative Herangehensweise, die beispielsweise auf Experteninterviews basiert, dar. Wer garantiert, dass die Erkenntnisse das Anektdotische übertreffen? In Abschnitt 3.2.3 wird diese Frage tiefer analysiert, hier soll zunächst ein grundsätzliches Argument genügen: Qualitative und quantitative Vorgehensweisen besitzen ihren spezifischen Anwendungsbereich. Der komparative Vorteil qualitativer Methoden betrifft theoretisch noch kaum strukturierte Forschungsgebiete [Wes96, S. 45]. Da diese Arbeit in einen Bereich vorstößt, der kaum beforscht ist, kann im Sinne einer explorativen Herangehensweise eine flexible offene, qualitative Herangehensweise bislang unklärte Zusammenhänge klären und ordnen. Die dabei gewonnen Erkenntnisse können als Grundlagen für spätere quantitative Untersuchungen dienen. Ein zweiter Kritikpunk lautet, eine Beschreibung zukünftiger Systeme sei grundsätzlich nicht möglich, weil Menschen ihr Verhalten an Situationen anpassen. Weiterhin veränderten sie andere Aspekte der Welt, um das Arbeitswerkzeug anzupassen. Außerdem nutzten Menschen die Umgebung und die Arbeitswerkzeuge anders, als deren Gestalter das vorhergesehen haben [Dia04, S. 9]. Damit stellt Diaper grundsätzlich die Sinnhaftigkeit jeder Vorhersage in Frage. Dagegen spricht erstens die Tatsache, dass entwickelte Systeme 42 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung im Allgemeinen ihren Hauptzweck erfüllen. Abweichungen im prognostizierten Verhalten, Anpassungen der Arbeitsumgebung oder eine andere Verwendung können bereits als antizipierte Schritte in der Weiterentwicklung des Systems gesehen werden. Versteht man Systementwicklung nicht als eine einmalige Produktion eines statischen Endproduktes, sondern als einen dynamischen Prozess, dann können diese Anpassungen bereits antizipierte oder vorgeschlagene Weiterentwicklungspfade darstellen. Zweitens spricht die Ungenauigkeit einer Prognose nicht grundsätzlich dagegen, überhaupt eine Prognose zu erstellen. Prognosen stellen eine wichtige Instanz dar, um heutiges Verhalten zukünftigen Bedingungen anzupassen. Ohne Prognosen könnten keinerlei Vorkehrungen gegen unerwünschte Zustände in der Zukunft getroffen werden. Somit ist selbst eine mangelbehaftete Prognose besser als überhaupt keine. Für die Methode lässt sich festhalten, dass Szenario-Technik einen Möglichkeitsraum aufspannt. Sie erlaubt aus der Vielfalt der denkbaren Möglichkeiten diejenige(n) begründet auszuwählen, die aufgrund nachvollziehbarer Kriterien (Konsistenz, Wahrscheinlichkeit) am ehesten eintritt. Im Gegensatz zu anderen explorativen Methoden – etwa einer einfachen Expertenbefragung – geht sie schrittweise und systematisch vor. Durch die mehrfache Rückkopplung der Ergebnisse an die Experten – etwa im Rahmen einer Wahrscheinlichkeits- und Konsistenzschätzung – können die Ergebnisse der vorangegangenen Schritte abgesichert werden. 3.2 Mündliche Befragung Interviews sind persönliche Befragungen der qualitativen Forschung. Sie spielen in der empirischen Forschung, sowohl als standardisierte, teilstandardisierte oder offene Interviews, eine wichtige Rolle. Es gibt eine große Zahl empirischer qualitativer Studien, 43 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung die teilstandardisierte oder offene Interviews als ausschließliche Datenbasis nutzen [Hop91]. Teilstandardisierte Interviews grenzen sich von standardisierten Interviews dadurch ab, dass es im Interview keine Antwortvorgaben gibt. Der synonyme Begriff Leitfaden-Interview deutet darauf hin, dass die Befragten ihre Ansichten frei äußern können. Die Interviewer werden in der Regel aufgefordert, die im Leitfaden vorgegebenen Fragen nach eigenem Ermessen durch klärende Nachfragen zu ergänzen [Hop91]. Experteninterviews stellen eine spezielle Anwendungsform eines Leitfaden-Interviews dar. Auf sie soll im Folgenden eingegengen werden. 3.2.1 Experteninterview Beim Experteninterview interessiert, im Gegensatz zu den meisten anderen Verfahren der mündlichen Befragung, die befragte Person nur in ihrer Eigenschaft als Experte für ein bestimmtes Gebiet innerhalb des institutionellen Rahmens in dem sie arbeitet. Der Experte wird nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentant einer Gruppe von Experten befragt. Ausgangspunkt der Methode ist, dass ein offenes Verfahren besser geeignet ist, um einerseits die Sicht des Befragten zu verstehen und andererseits Einengungen durch unzutreffende Annahmen zu vermeiden. In Anlehnung an Vogel kann man drei Typen von Experteninterviews unterscheiden [Vog95]: 1. Explorative Experteninterviews erkunden neue Wissensgebiete und stellen diese dar [MB01, S. 18]. Es gilt, am Anfang des Forschungsprozess das Feld zu erkunden, zu strukturieren und Hypothesen zu generieren. Mit dem gewonnenen Hintergrund- und Detailwissen lassen sich „blinde Flecken“, die noch nicht im Blickfeld des Forschers waren, auf- 44 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung spüren, Forschungsfragen konkretisieren und operationalisieren [Kan01, S. 94]. In der Sozialforschung ist das Experteninterview mit dem Ziel der Exploration am prominentesten. Die Experten können sowohl wegen ihrer Handlungen interessieren als auch wegen ihres Wissens bezüglich bestimmter Fakten, Prozesse oder Interpretationen.2 Der Schwerpunkt liegt auf der thematischen Sondierung. Die Vergleichbarkeit, Vollständigkeit und Standardisierbarkeit spielt – im Gegensatz zu den beiden nachfolgend genannten Formen – keine übergeordnete Rolle. 2. Das systematisierende Experteninterview orientiert sich ebenfalls an exklusivem Expertenwissen. Im Vordergrund steht das aus der Praxis gewonnene Handlungs- und Erfahrungswissen. Ziel ist die systematische und lückenlose Informationsgewinnung. Der Experte klärt über „objektive“ Tatbestände auf und nimmt eine Ratgeberfunktion ein. Beim systematisierenden Experteninterview muss es sich nicht um ein offenes qualitatives Interview handeln – eine prominente Form stellt etwa die Delphimethode dar. 3. Theorie generierende Experteninterviews zielen auf die analytische Rekonstruktion von impliziten Handlungsorientierungen und Entscheidungsmaximen. Angelehnt an die Grounded Theory von Glaser und Strauss werden auf der Grundlage einer komparativen, iterativen Analyse auf induktivem Weg Theorien entworfen [MN05a, Str03, S. 83 ff.]. Das Ziel der Expertenbefragung in dieser Arbeit ist es, hinreichend genaue Aussagen über die Probleme, Zielstellungen, Aufgaben, Systeme, Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie die Rolle der Operatoren zu generieren, um das Szenario 2020 zu erstellen. Mit der lückenlosen Gewinnung von Informationen handelt es sich um ein systematisierendes Experteninterview. 2 Vgl. zur forschungslogischen Unterscheidung von „Handlungswissen“ und „Betriebswissen“ [MN91, S. 446f.] 45 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung 3.2.2 Methoden der Datenauswertung Die Auswertung der Interviews erfolgt in Anlehnung an die von Anselm Strauss formulierte Strategie der schrittweisen Abstraktion durch vergleichende Interpretation thematisch verwandter Passagen [Str03]. Das Ziel der Auswertung ist es, aus den unterschiedlichen Äußerungen das Überindividuell-Gemeinsame herauszuarbeiten, Aussagen über Repräsentatives zu machen, gemeinsam geteilte Wissensbestände heraus zu arbeiten [MN05a, S. 80]. Grundsätzlich lassen sich Kategorien einer qualitativen Analyse induktiv oder deduktiv bilden. Induktive Kategorienbildung leitet die Kategorien direkt aus dem Material in einem Verallgemeinerungsprozess ab. Deduktive Kategorienbildung geht mit a-priori gebildeten Kategorien an das Material heran. Für die Auswertung kleinerer Datenmengen stellt die induktive Kategorienbildung den zentralen Ausgangspunkt dar, weil sie ohne verzerrende Vorannahmen des Forschers das Material abbildet [May03, S. 75]. Glaser und Strauss bezeichnen diesen Vorgang in ihrer Monografie zur Grounded Theory als „offene Kodierung“ [GS69]. Mayring erarbeitete ein Modell, das den Kategorienbildungsprozess systematischer beschreibt, welches hier angewendet werden soll [May03, S. 76]. Abbildung 3.3 zeigt, dass zunächst das Thema der Kategorienbildung, theoriegeleitet das Auswahlkriterium, bestimmt werden muss. Dadurch wird für das Thema nicht Relevantes ausgeschlossen. Danach wird das Material Zeile für Zeile durchgearbeitet. Wenn das erste Mal das Selektionskriterium im Material erfüllt ist, wird möglichst nahe am Text die erste Kategorie formuliert. Beim nächsten Mal, wenn das Auswahlkriterium erfüllt ist, wird entschieden, ob das Material unter die bestehende Kategorie subsumiert, oder eine neue Kategorie gebildet wird. 46 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung Nachdem man so einen großen Teil des Materials durchgearbeitet hat, und nur wenige neue Kategorien hinzukommen, werden die Kategorien revidiert. Es wird überprüft, ob das Selektionskriterium und das Abstraktionsniveau im Bezug auf die Zielstellung der Analyse vernünftig gewählt wurde. Das Ergebnis ist ein System von Kategorien zum definierten Thema, verbunden mit Textpassagen. Auf dieser Grundlage können weitere Schritte – etwa eine Interpretation im Sinne der Fragestellung oder quantitative Analysen – angefügt werden. Abbildung 3.3: Prozessmodell induktiver Kategorienbildung, in Anlehnung an Mayring [May03, S. 75] 47 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung 3.2.3 Kritische Würdigung des Verfahrens Zunächst soll hier festgehalten werden, dass die seit Ende des 19. Jahrhunderts andauernde methodische Diskussion um qualitative und quantitative Methoden hier nicht im Detail nachvollzogen werden kann. Eine ausführlichere Darstellung findet der interessierte Leser beispielsweise bei Bortz, Kleining, Diekman oder Wessel [BD05,Kle91,Die98,Wes96]. Drei kritische Kernfragen sollen hier beantwortet werden. Ein erster Kritikpunkt am Experteninterview betrifft Angemessenheit der Methode im Hinblick auf die fehlende Standardisierung des Experteninterviews, etwa durch einen Fragenkatalog mit Ratingskalen: Warum sind qualitative Experteninterviews besser geeignet als standardisierte Fragebögen? Qualität und Stellenwert einer Forschungsarbeit lässt sich nicht allein an der Forschungsmethode festmachen, sondern an der Angemessenheit für eine spezielle Forschungsfrage. Es wurde bereits im Abschnitt 3.1.3 erwähnt, dass es sich hier um ein wenig beforschtes Gebiet handelt und daher eine offene, qualitative Herangehensweise gegenüber quantitativen Methoden einen komparativen Vorteil hat, weil bislang ungeklärte Zusammenhänge geklärt und geordnet werden können [Wes96, S. 45]. Es liegen derzeit keine Untersuchungen vor, wie sich der Arbeitsplatz oder Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren entwickeln werden; welche Einflussfaktoren auf Arbeitsplatz und Arbeitsaufgabe wirken; wie sich diese Einflussfaktoren entwickeln. Daher muss der Untersuchungsgegenstand zunächst erkundet werden. In dieser Phase eignet sich das Experteninterview besonders, weil die offenen Fragen dem Befragten die Gelegenheit geben, aus seiner Sicht Zusammenhänge besser zu erklären als bei standardisierten Befragungen. Da das Experteninterview auf den Wissensvorsprung des Experten zielt, muss eine Erhebung mit geschlossenen Fragen oder standardisierten Antwortmöglichkeiten als fragwürdig gelten [MN05b, S. 267]. Es interessiert genau der inhaltliche Reichtum der individuellen Ant- 48 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung worten der Experten. Dazu eigenen sich qualitative Erhebungs- und Inhaltsanalyseverfahren besser als standardisierte Fragebögen. Der zweite Kritikpunkt rührt von der persönlichen Gegenwart des Interviewers her. Das Interview ist eine soziale Interaktion. Der Befragte wird sich fragen, mit wem er es zu tun hat. Damit ist die Objektivität des Verfahrens infrage gestellt: Es ist unsicher, ob der Befragte in einem Interview mit einem anderen Interviewer nicht „eine andere Geschichte“ berichten würde [MB01, S. 4]. Können verschiedene Forscher bei der Untersuchung des gleichen Sachverhalts mit der selben Methode zu vergleichbaren Ergebnissen kommen? Diese Frage betrifft Befragungen als Methode, nicht speziell Experteninterviews. Bei jeder Art von Befragung, sei sie schriftlich, mündlich oder telefonisch kann man von „Störeffekten“ ausgehen, weil es denkbar ist, dass Befragte in einem Fragebogen oder in einem Interview nicht vor allem ein Erhebungsinstrument sehen, sondern ein Kommunikationsmittel. Sie wissen, dass andere Menschen ihre Antworten auswerten werden, und wollen ihnen etwas mitteilen (siehe zu Problematik des Messens, Selbstdarstellung und sozialer Erwünschtheit die entsprechenden Absätze im Abschnitt 3.3.3). Damit steht fest, dass es sich weniger um ein spezielles methodisches Problem des Verfahrens handelt, sondern vielmehr mit dem Untersuchungsobjekt Mensch als Verwalter von Sonderwissen. In der Literatur lassen sich zwei Denkschulen finden, die dieses Problem unter dem Begriff „Interaktionseffekt“ behandeln. Einerseits orientieren sich Autoren wie Meuser/Nagel [MN91] oder Vogel [Vog95] am Modell des „archäologischen Interviews“ [BM05, S. 48], welches Abweichungen von der angestrebten Interaktionsstruktur und idealen Interviewführung als Verzerrung und Verfälschung sieht. Das Experteninterview stellt für sie eine Methode dar, die des Expertenwissen als archäologischen Schatz möglichst unverfälscht, frei von kommunikativen Störungen, hebt. Perfekte Neutralität im Interaktionsverhalten ohne jedes soziale Attribut wird gefordert [BM05, S. 66]. Schon der Begriff Interaktionseffekt ist wider- 49 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung sprüchlich. Wenn Interaktion „aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen“ [Dud07] bedeutet, dann ist eine notwendige Bedingung für eine Interaktion gerade, dass sie Effekte zeitigen, um auf einander bezogen zu sein. Die Forderung, ein Interviewer müsse beliebig einsetzbar und austauschbar sein, er möge sich während eines Interviews gleichbleibend neutral und unbeteiligt verhalten, ist für „lebende Messinstrumente“ völlig unrealistisch und nicht erstebenswert [BD05, S. 247]. Gerade das flexible Reaktionsvermögen eines Interviewers vermag Einsichten zu vermitteln, an die ein „totes Messinstrument“ nicht herankommt. Eine zweite Denkschule versteht Interaktionseffekte nicht als Defekt, sondern als konstitutive und produktive Bestandteile des Experteninterviews [BM05, S. 48]. Gerade weil der Befragte stets Hypothesen trifft, ob sein Gegenüber Laie, informierter Bürger oder Experte, der auf Augenhöhe argumentiert, ist, gilt es, diesen Rollenerwartungen im Sinne der Forschungsfrage zu entsprechen. Experteninterviews stellen somit eine besondere fachliche Herausforderung an den Interviewer. Er sollte möglichst kompetent im fraglichen Bereich sein, da Experten einem fachkundigen Zuhörer eher Fragen beantworten, als jemandem, der die Inhalte nicht einmal versteht (Feldakzeptanz) [MN05c, S. 6]. Sollte es sich herausstellen, dass der Interviewer das Sachgebiet nicht kennt (Feldkompetenz), werden die Antworten anders ausfallen als bei einem Gesprächspartner auf gleicher Augenhöhe. Gespräche unter Experten im gleichen Fachgebiet dienen im Sinne der gegenseitigen Unterrichtung der Erweiterung ihrer privilegierten Informationszugänge [Pfa05, S. 119]. Unter Gleichwertigen wird dargestellt und diskursiv erläutert. Unter Experten finden im Allgemeinen keine Belehrungen, Übersetzung oder Rechtfertigung statt, wie sie eben typischerweise einem Nicht-Experten gegenüber zu beobachten sind. Experten tauschen also einen anderen Informationsgehalt aus als derjenige, der dem Laien zuteil wird. Weil in der vorliegenden Arbeit Expertenwissen, also genau das Wissen, das 50 3 Methoden 3.2 Mündliche Befragung unter Experten als relevant gilt, erhoben werden soll, besteht das mit ihm einhergehende Grundanliegen des Experteninterviews darin, ein Interviewsituation zu erzeugen, das der Gesprächssituation unter Experten möglichst nahe kommt [Pfa05, S. 119]. Die wichtigste Bedingung ist dafür nicht nur der Status des Befragten als Experte, sondern auch der selbe Status des Interviewers als Experte oder Quasi-Experte. Da der Interviewer eine verkehrswissenschaftliche Fachrichtung studiert hat, in diesem Fachgebiet arbeitet, die Befragung im Rahmen der Arbeit an einem verkehrswissenschaftlichen Institut durchführt, kann davon ausgegangen werden, dass der Befragende die Rollenerwartungen im Sinne der Forschungsfrage entspricht. Dadurch, dass eine hohe Feldakzeptanz und Feldkompetenz besteht, kann vorausgesetzt werden, dass es trotz der sozialen Interaktion zwischen Befragtem und Befragenden für die Fragestellung relevante Information erhoben werden. Die dritte kritische Frage bezieht sich auf die Objektivität der Analyse, die ohne einen standardisierten Fragebogen in Frage gestellt sei. Objektivität lässt sich durch formale Schritte und Standardisierung erzielen, indem der Forscher transparent und nachvollziehbar macht, wie er zu seinen Daten und Erkentnissen gekommen ist [Fli91]. Der Leitfaden bietet eine gewisse Struktur und Standardisierung und damit die Steuerungsmöglichkeit, um bei Abschweifungen wieder zum Thema zurückzukehren [Fli02, S. 145]. Damit ist sichergestellt, dass die Erhebungsmethode transparent und nachvollziehbar ist. Der Vorwurf, qualitative Methoden generierten nur subjektive oder willkürliche Ergebnisse, wurde im Abschnitt 3.2.2 mit einem methodisch kontrollierten Analyseverfahren beantwortet. Die verwendete Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse ermöglicht eine systematische und intersubjektiv überprüfbare Kategorisierung des erhobenen Datenmaterials. Zusätzlich findet in dieser Arbeit mit der zweiten Stufe der Expertenbefragung eine kommunikative Validierung statt. Die gebildeten Kategorien werden den Experten zur Bewertung der Wahrschein- 51 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse lichkeit des Eintritts vorgelegt (siehe dazu Abschnitt 4.2.1 und Abschnitt 5.2.1). Sie bewerten, wie wahrscheinlich sie es halten, dass alternative Entwicklungen stattfinden. Diese Aussagen über Entwicklungen wurden zuvor mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse aus ihren Aussagen generiert. Da im Fragebogen mehrfach und explizit darauf hingewiesen wird, dass die Summe der Teilwahrscheinlichkeit nicht 100 % ergeben muss, können Experten gänzlich am „Thema vorbei“ gehende Entwicklungen mit geringen Gesamtwahrscheinlichkeiten bewerten. Fallen die Gesamtwahrscheinlichkeiten für einzelne Kategorien hoch aus, kann davon ausgegangen werden, dass die Entwicklungen, die dargestellt wurden, genau diejenigen sind, die Experten im Interview auszudrücken vermochten. Die gewonnenen Daten können dann als validiert gelten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Expertenbefragung und die Qualitative Inhaltsanalyse angemessen, objektiv und valide für die vorliegende Zielstellung sind. 3.3 Anforderungsanalyse Zu Beginn dieses Kapitels wurden zwei Fragen gestellt: Wie stellen wir sicher, dass das Szenario 2020 möglichst genau der tatsächlichen Arbeitssituation entspricht? Und: Wie messen wir die Anforderungen an Verkehrsoperatoren des Szenarios 2020? Die Herangehensweise an die erste Frage wurde in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben. In diesem Abschnitt soll die zweite Frage beantwortet werden. 3.3.1 Konzepte der Anforderungsanalyse Spricht man von Anforderungen, meint man allgemein Forderungen an etwas oder jemanden. Damit stellt sich die Frage nach der 52 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse „Forderung wofür“. Die Anforderungsanalyse ermittelt das „Wofür“, die spezifischen Forderungen, an einen Menschen bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit. Genauer geht es um die „Anforderungen einer Tätigkeit an den Menschen [als] Gesamtheit der für das forderungsgerechte Ausführen benötigten körperlichen und geistigen Leistungsvorraussetzungen“ [Hac80, S. 64]. Die Antworten auf diese Frage fallen je nach Ansatz, theoretischer Fundierung und Menschenbild unterschiedlich aus. Im Folgenden sollen zwei Klassifizierungsmöglichkeiten für Verfahren zur Anforderungsanalyse aufgezeigt und das gewählte Verfahren eingeordnet werden (siehe Abbildung 3.4). Eine erste Klassifizierung von Anforderungsanalysen dominiert im deutschsprachigen Raum: Sie orientiert sich am Menschenbild innerhalb des Arbeitskontextes. Taylor ging von einem funktionsorientierten Menschenbild aus [Tay77]. Er unterteilte Arbeitsschritte immer weiter in elementare Grundeinheiten, um eine möglichst effiziente Produktion zu erzielen. Nicht das planende und handelnde Subjekt stand im Zentrum der Betrachtung, sondern der Mensch als Teilelement, das in Produktionslinien funktionieren muss (vgl. hierzu die Darstellung bei [cha36]). Neuere Ansätze orientieren sich häufig am Menschen als autonomen Subjekt, das sich selbst reguliert. Daher setzen diese autonomieorientierten Verfahren auf lokale Selbstregulation und Beteiligung der Betroffenen an Anforderungsanalysen. Schüpach gliedert die autonomieorientierten Ansätze in drei Gruppen – soziotechnische, tätigkeits- und handlungspsychologische sowie kollektiv partizipative Ansätze [Sch95b]. Der soziotechnische Ansatz geht davon aus, dass Mensch und Technik ein System bilden, in dem sie sich gegenseitig bedingen. Daher müssen beide Elemente des Systems analysiert werden, wenn man Anforderungen ermitteln möchte (vgl. z. B. Ulich [Uli91]). 53 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse Abbildung 3.4: Klassifizierung von Anforderungsanalysen Insbesondere Hacker und Volpert haben Tätigkeits- und handlungspsychologische Ansätze entwickelt, welche die Grundlage für viele Anforderungsanalysen bilden (vgl. etwa die Zusammenstellung bei Schüpach [Sch95b, S. 180]). Kollektiv partizipative Ansätze tragen den Gedanken der Autonomie des Einzelnen in die Analyse und Gestaltung seines Arbeitsplatzes. Der Einzelne stellt in diesem Ansatz den fachlichen Experten für die Ermittlung der Arbeitsmerkmale dar (siehe hierzu Ulich [Uli81]). Aspekte der partizipativen und systemischen Arbeitsanalyse sind mit Blick auf die Herausforderungen der nahen und mittleren Zu- 54 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse kunft in der Verkehrstechnik besonders interessant. Daher dient als Basis der Anforderungsanalyse ein angloamerikanisches Instrument, das die Stelleninhaber als „subject matter experts“ in die Profilerstellung der Verkehrsoperatoren einbezieht. Neben der oben beschriebenen Klassifizierung nach dem Menschenbild herrscht vor allem im angloamerikanischen Raum eine Gliederung in Aufgabenebene, Verhaltensebene und Eigenschaftsebene vor [Sch01, S. 49]. Anforderungsanalysen auf der Aufgabenebene beziehen sich auf die objektive Tätigkeit oder auf Tätigkeitselemente. Eine solche Analyse beruht meist auf sogenannten Aufgabeninventaren, deren Items nach Häufigkeit, Schwierigkeit oder anderen Merkmalen bewertet werden. Je nach Detaillierungsgrad kann es – etwa für Trainingszwecke – interessant sein, Aufgaben hierarchisch zu gliedern, wie das Annett und Duncan empfehlen [AD67]. Im Rahmen des Projekts ATOP führte der Autor im Jahr 2005 eine solche Untersuchung mit Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen, Verkehrsleitzentralen und Tunnelzentralen in Deutschland durch [PBH06]. Die Analyse auf der Verhaltensebene behandelt Verhaltensweisen, die für die erfolgreiche Erfüllung einer bestimmten Aufgabe als erforderlich gelten. Ein besonders bekanntes Verfahren auf der Verhaltensebene stellt der Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA) dar [FG78]. Ein weiteres prominentes Beispiel stellt die Methode kritischer Ereignisse dar (Critical Incident Technique, CIT). Das Ergebnis der CIT besteht in der Beschreibung der erfolgsrelevanten, „kritischen“ Arbeitsverhaltens [Fla54]. Um Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, bedarf es bestimmter Fähigkeiten und Eigenschaften. Die Anforderungsanalyse auf der Eigenschaftsebene fragt nach diesen Fähigkeiten. Stelleninhaber schätzen ein, welche Fähigkeiten die erfolgreiche Erfüllung der Arbeitsaufgabe erfordert. Als Grundlage für die ganzheitliche Einschätzung von Anforderungen entstanden verschiedene Listen von Eigenschaften. 55 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse Beispielsweise umfassen die Ability Requirement Scales von Fleishman und Quaintance kognitive, psychomotorische und physische Fähigkeiten [FK84]. Um zu gewährleisten, dass relevante Merkmale einer Person, insbesondere ihrer Fähigkeiten, zu einer Arbeitstätigkeit passen, ist nach Dunnette die Analyse auf der Eigenschaftsebene der angemessenste und erfolgversprechenste Weg [Dun76]. Eine Weiterentwicklung der Fleishman Job Analysis Survey, die diesen Ansatz verfolgt, wird in dieser Arbeit verwendet. Sie soll im Folgenden beschrieben werden. 3.3.2 Fleishman Job Analysis Survey Fleishman unterscheidet zwischen abilities und skills, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Unter Fähigkeiten versteht man dauerhafte individuelle Kapazitäten, die mit der Leistungsfähigkeit bei einer Vielzahl von Aufgaben in Beziehung stehen. Fertigkeiten beziehen sich auf den Grad der Tüchtigkeit bezogen auf eine Aufgabe. Beispielsweise verfügt ein Helikopterpilot oder Organist über die Fähigkeit, Arme und Beine unabhängig von einander zu bewegen. Erst das Fliegen eines Helikopters oder das Spielen einer Orgel drückt die Fertigkeit bezogen auf die jeweilige Aufgabe aus. Während die grundsätzliche Fähigkeit erhalten bleibt, kennt sicherlich jeder Musiker, der nach einer längeren Pause die Orgel spielt, das Gefühl, nicht mehr über die Fertigkeit der Vergangenheit verfügen. Üblicherweise schätzen Stelleninhaber, welche die Tätigkeit schon lange ausüben, die Anforderungen ein, um eine zuverlässige Einschätzung der Aufgabenerfordernisse zu gewährleisten [FR92, S. 5]. Ihre Einschätzungen werden für valide gehalten, ohne dass die Durchführung von Testverfahren notwendig ist [Dun76 zitiert nach Köp01, S. 41]. Die Fleishman Job Analysis Survey stellt wohl die umfassendsten Auflistungen menschlicher Fähigkeiten dar. Fleishman empfiehlt ausdrücklich, nicht relevante Items wegzulassen [FR92, S. 5]. So 56 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse bleibt die Fähigkeitsklasse „physical abilities“ unberücksichtigt, weil Verkehrsoperatoren ausschließlich im Kontrollraum arbeiten und keine körperliche Arbeit verrichten. Vier Skalen aus dem Bereich „Wissen und Fertigkeiten“ (Driving, Typing, Shorthand, Grammar) finden ebenfalls keine Anwendung. Die Deutsche Flugsicherung verwendet das Verfahren seit einigen Jahren erfolgreich für die Analyse der Eigenschaften in verschiedenen operationellen Berufe (siehe hierzu unter anderem [GS97, Eiß98, GMK98]). Im Rahmen einer Studie zur Potentialanalyse wurden diese Skalen auf die spezifischen Belange der Flugsicherung adaptiert [EGSS96]. Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt wurden für operationelle Berufe eine Reihe von zusätzlichen Items in der Klasse der „social scales“ entwickelt [GMK98]: Dabei handelt es sich um die Skalen Kooperation, Kommunikation, Führung, Motivation, Selbstbehauptung, Selbsteinschätzung, Stressresistenz, Situationsbewusstsein, Entscheidungsfindung. Die Fleishman Job Analysis Survey wird in dieser Arbeit in der aktuellen Version von 1992 eingesetzt. Das Instrument enthält in der vorliegenden Form 68 Skalen, die sich in sechs Fähigkeitsbereiche aufteilen: 1. Kognitive Fähigkeiten (21 Fähigkeiten) 2. Psychomotorische Fähigkeiten (10 Fähigkeiten) 3. Sensorische Fähigkeiten (12 Fähigkeiten) 4. Interaktiv-soziale Fähigkeiten (18 Fähigkeiten) 5. Wissen und Fertigkeiten (7 Fähigkeiten) Tabelle 3.2 zeigt die 68 Items, die aufgrund ihrer Relevanz verwendet wurden. Diese Auswahl hat sich in verschiedenen Studien operationeller Berufe bewährt [GS97, Eiß98, GMK98]. Jedes einzelne Item 57 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse wird erklärt, abgegrenzt und mit Beispielen illustriert. Die Stelleninhaber schätzen auf einer siebenstufigen Skala ein, wie stark die einzelne Fähigkeit für die Tätigkeit erforderlich ist. Dafür markieren sie auf einem gesonderten Antwortblatt einen Wert zwischen eins und sieben je nach dem, in welchem Maße die jeweilige Fähigkeit erforderlich ist. Abbildung 3.5 zeigt beispielhaft die Darstellung des Items „mündliches Verständnis“. Im Rahmen des Projekts ATOP wurden die Items der Fleishman Job Analysis Survey übersetzt. Zu Forschungszwecken wurden bereits einige Übersetzungen vorgenommen. Basis für die vorliegende deutsche Version bildete die Übersetzung von Köper [Köp01], welche bereits in einer Studie mit bilingualen Probanden validiert wurde [KV07]. 3.3.3 Kritische Würdigung des Verfahrens Die kritischen Standpunkte in der Literatur lassen sich auf drei wichtige Kritikpunkte zusammenfassen: Erstens basiert Messen, insbesondere das Messen mit Rating-Skalen auf Annahmen [BD05, S. 181]. Im Fall der Anforderungsanalyse nimmt man an, man könne von den angegebenen Fähigkeiten der Stelleninhaber auf die Anforderungen schließen [Sch89]. Der Nachweis der prädiktiven Validität verbindet die empirische Beziehung zwischen der Konstruktion und einem externen Kriterium, etwa bei der Personalauswahl einem Leistungskriterium, das auf einer Anforderungsanalyse basiert. Heintz und Fleishman wiesen mit ihren Untersuchungen die prädiktive Validität des Verfahrens nach und bestätigen damit die Richtigkeit der gemachten Annahme [Hei98, FK84]. Zweitens kann es durch Selbstdarstellung, soziale Erwünschtheit und Antworttendenzen zu Verfälschungen kommen [BD05, S. 233]. Selbst wenn man keine bewussten Testverfälschungen unterstellt, 58 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse Abbildung 3.5: Beispielhafte Darstellung eines Items der Fleishman Job Analysis Survey 59 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse Tabelle 3.2: Items und Skalen der überarbeiteten Fleishman Job Analysis Survey Kognitive Fähigkeiten Psychomotorische Fähigkeiten Mündliches Verständnis Schriftliches Verständnis Mündlicher Ausdruck Motorische Präzision Gerätebedienung Koordination mehrerer Gliedmaßen Schnelligkeit der Reaktionsauswahl Schriftlicher Ausdruck Ideenreichtum Originalität Merkfähigkeit Problemwahrnehmung Mathematisches Schlussfolgern Kontrolle über Geschwindigkeitsveränderungen Reaktionszeit Stabilität / Ruhe Arm-/Handbewegung Geschicklichkeit der Hand Geschicklichkeit der Finger Geschwindigkeit Hand / Finger Umgang mit Zahlen Deduktives Schlussfolgern Geschwindigkeit Gliedmaßen Wissen und Fertigkeiten Induktives Schlussfolgern Ordnen von Informationen Kategorienflexibilität Geschwindigkeit der Mustererkennung Flexible Mustererkennung Räumliche Orientierung Elektrik-/Elektronikkenntnisse Mechanisches Wissen Werkzeugkenntnis Karten lesen Entwerfen Pläne lesen Bildliches Vorstellungsvermögen Wahrnehmungsgeschwindigkeit Rechtschreibung Interaktive und soziale Fähigkeiten Selektive Aufmerksamkeit Mehrfacharbeit Sensorische Fähigkeiten Soziale Empfindsamkeit Teamfähigkeit Kommunikation Nahsicht Fernsicht Farbunterscheidung Nachtsicht Seitliches Sehvermögen Argumentation Überredungskunst Führung Überzeugungswille Beharrlichkeit Tiefenwahrnehmung Blendunempfindlichkeit Gehör-Sensitivität Selektives Hören Richtungs-Hören Spracherkennung Widerstandsfähigkeit Motivation Selbstbehauptung Selbsteinschätzung Stressresistenz Verhaltensflexibilität Klarheit der Sprache Situationsbewusstsein Aufdecken relevanter Informationen Vermeidung vorschneller Entscheidungen Entscheidungsfindung 60 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse kann die Subjektivität der Situationswahrnehmung zu systematischen Verzerrungen führen. Ein überforderter Mitarbeiter gibt aus dem subjektiven Überforderungsgefühls heraus vermutlich eher zu hohe Anforderungen an. Es kann das Ergebnis verfälscht werden, weil die Stelleninhaber Vermutungen über das Untersuchungsziel anstellen [FS87, S. 54]. Beispielsweise könnten sie systematisch höher einschätzen, weil sie annehmen, eine Stelle mit nachgewiesenen hohen Anforderungen bietet mehr Arbeitsplatzsicherheit. Um Verfälschungen zu verhindern, wird die Anonymität der Untersuchung betont. Weiterhin wird unterstrichen, dass der Fragebogen auf Anforderungen an einen Stelleninhaber zielt und nicht auf die persönliche Eignung der Antwortenden für den Arbeitsplatz. Damit wird die Wahrscheinlichkeit von Verfälschungen reduziert. Drittens lässt sich kritisch festhalten, dass entweder wissenschaftliches Vokabular im Fragebogen verwendet oder in Alltagssprache übersetzt verwendet wird [ORV87, S. 61 zitiert nach Köp01, S. 47]. Da im Fragebogen viele Definitionen, Abgrenzungen und Beispiele aus dem Alltag verwendet werden, ist diese Kritik unproblematisch. Außerdem war stets ein Ansprechpartner zugegen, der jederzeit für Fragen zur Verfügung stand. Für die Benutzung der Fleishman Job Analysis Survey sprechen die theoretische Fundierung und die mehr als dreißig jährige Forschung, das es zum besten und vollständigsten seiner Verfahrensklasse macht [DE98, SF95]. Die psychomotorischen Fähigkeiten wurden direkt aus faktoranalytischen Analysen abgeleitet [FK84, S. 11]. Die kognitiven Fähigkeiten basieren auf faktoranalytischen Arbeiten von Guilford und Hoepfner [FK84, S. 11]. Die Validität und Reliabilität des Verfahrens weisen viele Studien nach [FK84, S. 12, DE98]. Das Verfahren wird in der Deutschen Flugsicherung seit vielen Jahren für die Auswahl in operationellen Berufen verwendet. Eißfeldt erweiterte die Fleishman Job Analysis Survey für operationelle Be- 61 3 Methoden 3.3 Anforderungsanalyse rufe [EGSS96]. Daher eignet sich die Fleishman Job Analysis Survey sehr gut für die Untersuchung aktueller und zukünftiger Anforderungen von Verkehrsoperatoren. Stelleninhaber partizipieren aktiv als „subject matter experts“ bei der Anforderungsanalyse. Damit entspricht es dem heutigen autonomieorientierten Menschenbild. Stelleninhaber benötigen üblicherweise zwischen 30 und 45 Minuten zum Ausfüllen des Fragebogens. Damit ist eine ökonomische Erhebung der Anforderungen gewährleistet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Fleishman Job Analysis Survey theoretisch fundiert, reliabel, valide und angemessen für die vorliegende Zielstellung ist. Damit erfüllt es die Anforderungen, die nach Hoyos an ein Anforderungsanalyseinstrument zu stellen sind [Hoy74]. 62 4 Durchführung Das vorangegangene Kapitel 3 beschreibt grundsätzlich die wichtigsten Methoden, um die Veränderungen der Anforderungen an Verkehrsoperatoren zu erheben und zu beschreiben. Dieses Kapitel stellt dar, wie die oben beschriebenen Methoden auf die vorliegende Aufgabenstellung angewendet wurden. Tabelle 4.1 gibt einen Überblick über die konkreten Schritte, bei der Durchführung der Untersuchung verwendete Methoden und (Zwischen-) Ergebnisse. Tabelle 4.1: Bearbeitungsschritte, Methoden und Ergebnisse Schritt Methode Ergebnisse Aufgabenanalyse Systemanalyse Umfeldbereiche Einflussanalyse Befragung, Stufe 1: Experteninterviews, Qualitative Inhaltsanalyse Einflussfaktoren, Deskriptoren Alternativenbündelung Befragung, Stufe 2: schriftliche Expertenbefragung Wahrscheinlichkeitsschätzung, Konsistenzschätzung Vollständige Enumeration Szenarienliste Auswahl nach Konsistenz und Wahrscheinlichkeit Ein konsistentes, wahrscheinliches Szenario Szenariointerpretation Ausformulieren des ausgewählten Szenarios Szenario 2020 Konsequenzanalyse Anforderungsanalyse Zukünftige Anforderungen an Verkehrsoperatoren unter den Annahmen des Szenario 2020 Wilcoxon-Test Signifikante Veränderungen der Anforderungen 2007—Szenario 2020 63 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse 4.1 Einflussanalyse und Trendprojektion In diesem ersten Schritt wird ermittelt, welche Faktoren auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen Einfluss haben. Dafür werden zunächst die relevanten Umfeldbereiche definiert, welche in der ersten Stufe der Expertenbefragung besonders beleuchtet werden sollen. Anschließend werden mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse die erhobenen Daten ausgewertet. 4.1.1 Umfeldbereiche Verkehrsoperatoren arbeiten in Verkehrsrechnerzentralen. Diese Organisationen weisen eine Reihe von Verbindungen zu ihrer Umgebung auf. Sie reagieren selbstregulierend auf innere oder äußere Veränderungen. Sie können daher als offene Systeme, die sich in Unter- und Obersysteme gliedern, bezeichnet werden. Das systemische Verständnis von Organisationen führt zu der Frage, in welcher Beziehung diese zu ihrer Umwelt stehen. Für die Einflussanalyse müssen daher zunächst die Umfeldbereiche bestimmt werden, in denen Einflussfaktoren liegen. Diese Arbeit fokussiert auf die spezifischen zukünftigen Aufgabenanforderungen von Mitarbeitern im operationalen Betrieb von Verkehrsrechnerzentralen. Damit beschreibt sie in erster Linie den Regelungsmechanismus (Bewältigung von Anforderungen) der kleinsten Systemeinheit (Person) als Reaktion auf die Veränderung ihres nächst größeren Obersystems (Arbeitssituation, verändert durch die neuen Technologien). Diese spezielle Perspektive ist eingebettet in den Kontext der Organisation. Für die Sicht der Person in der Arbeitssituation ist die Betrachtung des organisatorischen Umfeldes unverzichtbar. Daher stellt die Organisation als Obersystem ein Umfeld aus der Sicht der Person in der Arbeitssituation dar. 64 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse Abbildung 4.1 stellt den Zusammenhang von Umfeld, Organisation, Arbeitssituation und Anforderung als Wechselwirkung zwischen Situation und Person schematisch dar. Politik und politische Entscheidungen, etwa über Finanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur, beeinflussen die Arbeitssituation. Sie sind deshalb als wichtiger Umfeldbereich zu betrachten. Verbessern sich, etwa durch eine Veränderung der Organisationsstruktur, die Finanzierungsmöglichkeiten für den Ausbau und Betrieb von Straßenverkehrstechnik, verändert sich die Arbeitssituation und damit die Anforderung an Mitarbeiter im operationellen Betrieb. Ein Beispiel dafür lässt sich aktuell in Österreich beobachten. Die Autobahnen- und Schnellstrassen- Finanzierungs- Aktiengesellschaft (ASFINAG) plant, finanziert, baut, erhält, betreibt und bemautet das gesamte österreichische Autobahnen- und Schnellstraßennetz mit einer Streckenlänge von fast 2.100 km [Aut07]. Vor allem durch die veränderte Finanzierung – seit 2004 besteht eine entfernungsabhängige Gebührenpflicht für alle Kraftfahrzeuge, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt – verfügt die ASFINAG über erhebliche Mittel, die auch in den Neu- und Ausbau der Straßenverkehrstechnik einschließlich einer neuen Verkehrsrechnerzentrale investiert wurden [Heu03]. Verkehr, im Sinne einer realisierten Ortsveränderung von Personen oder Gütern, wird durch Verkehrsrechnerzentralen zeitlich und räumlich beeinflusst. Verkehrsrechnerzentralen verfolgen das Ziel, einen sicheren und effizienten Betrieb auf Fernstraßen zu gewährleisten. Sie informieren Verkehrsteilnehmer vor Ferienbeginn über geschätzte Reisezeitverluste durch Staus, um möglichst die Nachfrage über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Netzbeeinflussungsanlagen dienen der räumlichen Verlagerung von Verkehr. Verändert sich die Verkehrsnachfrage, etwa durch ein Wachstum auf bestimmten Strecken, werden verkehrstechnische Anlagen zusätzlich installiert. Daher wird Verkehr als Umfeld in die Betrachtung einbezogen. 65 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse Technische Neuerungen und Weiterentwicklungen spielen für die Arbeitssituation von Verkehrsoperatoren eine wesentliche Rolle. Mit jeder technischen Neuerung verändert sich die Arbeitssituation, etwa durch die Verwendung grafischer Benutzeroberflächen anstelle von kommandozeilenorientierten Systemen. Daher wird Technik als ein weiteres Umfeld bestimmt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das organisatorische Umfeld und die Umfeldbereiche Politik, Verkehr und Technik bei der Befragung besonders beleuchtet werden sollen. 4.1.2 Expertenbefragung, Stufe 1 Im Rahmen der ersten Expertenbefragung sollen die Einflussfaktoren ermittelt werden, welche Arbeitsaufgaben und Arbeitsplatz beeinflussen. Dafür werden die Fragestellungen benannt, die Auswahl- Person und Anforderungen Arbeitsaufgaben und Arbeitsplatz Organisation Umfeldbereiche Abbildung 4.1: Umfeld, Organisation, Wechselwirkung Arbeitssituation 66 und Anforderung als 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse kriterien für die zu befragenden Experten definiert sowie das Erhebungsinstrument erstellt. Die erhobenen Daten werden mit dem Verfahren der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Fragestellungen Wesentlichen Zugang zur Vorausschau zukünftiger Veränderungen des Arbeitsplatzes und der Arbeitsaufgaben bietet die Frage danach, wodurch diese beeinflusst werden. Deshalb stehen die Einflussfaktoren auf Arbeitsaufgaben und Arbeitsplatz im Zentrum der Expertenbefragung. In der Literatur lassen sich in diesem Bereich keine empirischen Befunde, Daten oder Ergebnisse finden. Folgende Fragestellungen werden mit der Expertenbefragung untersucht: • Welche Einflussfaktoren wirken auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen? • Wie entwickeln sich diese Einflussfaktoren bis ins Jahr 2020? Auswahl der Experten Der Adressatenkreis von Experteninterviews ist groß. Man findet in der Literatur Experteninterviews mit Führungsspitzen der Politik [Voe95], der Wirtschaft [Tri05], des Sozialwesen [MN05b], der Wissenschaft und aus dem Bereich der Technologievorausschau [Aic05]. Der Großteil von ihnen kann als Funktionselite innerhalb ihrer Organisation gelten. Oft ist es die zweite oder dritte Ebene der Organisation, auf der die Entscheidungen vorbereitet und durchgesetzt werden [MN05a, S. 74]. Bei der Auswahl von Experten stellt sich die Frage, was definitionsgemäß einen Experten auszeichnet. Oft wird diese Frage nicht oder nur am Rande behandelt. 67 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse Allgemein bezeichnet man einen Sachverständigen, Fachmann, Kenner als einen Experten [Dud05]. Den Experten grenzt methodologisch gesehen vom Laien ab [MN05b, S. 259]: • Die Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung, oder • den privilegierten Zugang zu Informationen über relevante Ergebnisse oder Prozesse. Mit dieser Differenzierung lassen sich zwei Bereiche des Expertenwissens unterscheiden. Zum einen handelt es sich um Handlungswissen. Das Wissen des Experten betrifft das eigene Handlungsfeld (z. B. ein Abteilungsleiter einer Verkehrsrechnerzentrale). Zum anderen geht es um Betriebswissen, also über ein Gebiet, auf welches das Expertenhandeln gerichtet ist (z. B. ein Hersteller von Anlagen für Verkehrsrechnerzentralen). Eine weitere Unterscheidung findet auf der Ebene des Wissens statt. Schütz unterscheidet drei Grundtypen des Wissens: Den „Mann auf der Straße“, den „gut informierten Bürger“ und den „Experten“ [Sch72, S. 89ff. zitiert nach MN05b, S. 260]. Auf der Grundlage dieses Expertenbegriffs entwickelt Sprondel das Gegensatzpaar Laie – Experte. Für ihn ist der Experte in der zunehmend arbeitsteiligen Gesellschaft sozial in der Berufsrolle institionalisiert. Ein Hobbybastler kann ein Spezialist auf einem Gebiet sein. Da es sich allerdings um persönliche Motive handelt, und nicht um beruflich notwendiges Sonderwissen, erachtet Sprondel dies nicht als Expertentum [Spr79, S. 141]. Der Funktionskontext bestimmt folglich ebenso den Begriff des Experten. Hitzler grenzt diese beiden Idealtypen von einem dritten, dem Spezialisten ab [Hit94, S. 24ff.]. Während der Experte sich durch eine relative Autonomie auszeichnet, unterliegt der Spezialist, dessen Arbeitsgebiet eng umrissen ist, starken Kontrollen [MN05b, S. 261]. Im Kontext von Verkehrsrechnerzentralen stellen Spezialisten die 68 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse Schichtführer und Gruppenleiter dar. Sie verfügen über detailliertes Wissen über Zu- und Abfahrten, zeitliche und örtliche Probleme. Für die vorliegende Fragestellung allerdings interessiert die Leitungsebene der Einrichtung, weil diese Verantwortung trägt für Entwurf, Implementierung und Kontrolle von Problemlösungen und deshalb über privilegierten Zugang zu dem Wissen verfügt, das hier mittels Experteninterview erhoben werden soll. Für diese Arbeit soll in Anlehnung an Nagel und Meuser folgende Definition gelten [MN05b, S. 259]: Ein Experte ist jemand, der aus beruflichen Gründen Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle über Verkehrsrechnerzentralen hat oder über privilegierten Zugang zu Informationen über relevante Ergebnisse oder Prozesse verfügt. Da es sich in dieser Arbeit um „sachdienliche Information“ [Dee95 zitiert nach BM05, S. 45] handelt, reicht die Auswahl anhand des Kriterium „Wissen“ aus. Da einzelne Expertengruppen als Verwalter von Sonderwissen eine Teilmenge des Gesamten überblicken, ergänzen sich für ein vollständiges Gesamtbild Experten aus verschiedenen Gruppen. Es sollen der Experten der Bereiche Betrieb und Verwaltung, Forschung, Planung bzw. Herstellung befragt werden. Aus den genannten Bereichen wurden Experten ausgewählt, die direkt mit der Entwicklung oder dem Betrieb von Verkehrsrechnerzentralen betraut sind oder auf diesem Gebiet forschen. Indem mehrere Experten aus verschiedenen Bereichen befragt werden, verringert sich die Gefahr, dass eine prädominante Vorstellung oder eine Einzelmeinung überbewertet wird. Unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen und Kenntnisse ergeben ein Gesamtbild, das präziser und vollständiger ist. Die Auswahl betrifft Experten im mittleren oder oberen Management, um Experten von Spezialisten abzugrenzen. Sie erfolgt in Kenntnis der Organisationsstrukturen, Kompetenzverteilungen und 69 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse Entscheidungswege, die auf den Erfahrungen des ATOP-Projektes beruhen.1 Es wurden insgesamt 30 Experten kontaktiert. Davon haben sich 20 Experten bereit erklärt, an der ersten Stufe der Befragung teilzunehmen. Eine vollständige Übersicht der Beteiligten befindet sich in Tabelle B.1 im Anhang. Erhebungsinstrument Es wurden telefonische Interviews mit den Experten durchgeführt. In Anhang A befindet sich der Leitfaden, der sich an den Umfeldbereichen der Aufgabenanalyse (siehe Abschnitt 4.1.1) orientiert. Folgender Auszug aus dem Interviewleitfaden veranschaulicht dies exemplarisch: • Welche Faktoren beeinflussen die Arbeitsaufgaben und den Arbeitsplatz von Verkehrsoperatoren? • Verkehrsentwicklung: Welche Aspekte im Bereich des Verkehrs beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Verkehrstechnik: Welche Aspekte im Bereich der Verkehrstechnik beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Politik: Welche Aspekte im Bereich der Politik beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Verkehrsrechnerzentralen: Welche Aspekte auf der Ebene der Organisation beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? 1 Im Rahmen des DLR-Projektes ATOP – Auswahl und Training von Verkehrsoperatoren – wurden 2005 in Deutschland Anforderungsanalysen mit Verkehrsoperatoren in elf Zentralen zur innerörtlichen, außerörtlichen Verkehrsbeeinflussung und in Tunnelnzentralen unternommen. 70 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse Der Leitfaden dient dazu, Breite und Tiefe des Gesprächs – etwa bei stockendem oder unergiebigem Verlauf – durch das Einbringen entsprechender Themenfelder zu lenken. Bei allen Interviews wurde nach einiger Zeit, wenn der Gedankenfluss nachließ, mit Fragen zum organisatorischen Umfeld und zu den Umfeldbereichen Politik, Verkehr und Technik weitere Nennungen angeregt. Weiterhin bietet der Leitfaden eine Struktur, Standardisierung und Steuerungsmöglichkeit, um fokussiert zum Thema zu befragen [Fli02, S. 145]. Aufgrund der Strukturierung des Gesprächsverlauf durch den konsequenten Einsatz des Leitfadens erhöht sich die Vergleichbarkeit der Daten. Um die Experten anzuregen, zahlreiche und vielfältige Ideen zu äußern, wurden die Vertraulichkeit unterstrichen und Prinzipien des Brainstormings dargelegt. Befragung und Transkription Die Interviews wurden telefonisch während der Arbeitszeit durchgeführt. Die Experten sollten ihre Ideen möglichst ungefiltert und unbehindert äußern können. In einem vorgelagerten Telefonat wurde Form, Intention, Anonymität, Termin und Dauer der Befragung abgesprochen. Zu Beginn der Befragung wurde das Einverständnis eingeholt, die Experten namentlich zu nennen. Alle Befragten erklärten sich einverstanden. Die Interviews wurden im August 2006 geführt. Sie dauerten zwischen 18 und 50 Minuten. In einem Pre-Test zeigte sich ein Befragter stark ablehnend gegenüber der Tonbandaufzeichnung. Um zu verhindern, dass Befragte das Interview verweigern, wurde während der gesamten Befragung darauf verzichtet. Im Anschluß an die Interviews wurden die handschriftlichen Aufzeichnungen der Gespräche in Textdateien transkribiert. 71 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse 4.1.3 Auswertung mit Qualitativer Inhaltsanalyse Mit den Techniken der Qualitativen Inhaltsanalyse von Phillip Mayring [May03, S. 42ff.] liegen Verfahren vor, die es erlauben, Interviewmaterial systematisch auszuwerten. Zusammenfassen und Strukturieren als Grundformen des Interpretierens werden bei der Auswertung der Interviews entsprechend der jeweiligen Fragestellung auf unterschiedliche Weise angewendet und kombiniert. Es wurde ein kombiniertes Vorgehen aus deduktivem und induktivem Vorgehen gewählt. Die Hauptkategorien des Kategoriensystems stehen a priori durch das organisatorische Umfeld und die Umfeldbereiche Politik, Verkehr und Technik fest. Der Interviewleitfaden enthält Fragen zu diesen Kategorien. Damit sind die Hauptkategorien der Inhaltsanalyse deduktiv aus den Vorüberlegungen zu den Einflussbereichen festgelegt. Bei der Auswertung der Experteninterviews wurden induktiv mithilfe der Technik der Zusammenfassung Kategorien aus dem Textmaterial gewonnen. Das Ausgangsmaterial besteht aus einer Fülle von Einzelaussagen zu Einflussfaktoren auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperaratoren in Verkehrsrechnerzentralen, sodass sich hier als Analysetechnik die Zusammenfassung anbietet, deren Ablauf sich in folgende Schritte gliedert: • Bestimmung der Analyseeinheiten und der Kodiereinheiten, • Induktive Kategorienbildung • Zusammenfassung der Kategorien • Rücküberprüfung der Kategorien an den Originaltexten Die Auswertungseinheit, die bei der zusammenfassenden Inhaltsanalyse mit der Kontexteinheit zusammenfällt [May03, S. 62], besteht in der Gesamtheit der Aussagen der Experten zu Einflussfaktoren. Als Kodiereinheit wird die kleinste inhaltstragende Texteinheit 72 4 Durchführung 4.1 Einflussanalyse bezeichnet, die ausgewertet werden soll (z. B. „Kurzfrist-Prognosen ( 1 h) sind präzise“ oder „Auf Bundesautobahnen werden flächende2 ckende Daten durch Methodenmix, z. B. FCD vorhanden sein.“). Jeder Textbestandteil, der eine Aussage zu Einflussfaktoren enthält, wird als eine Kodiereinheit betrachtet. Aufgrund der von den Experten meist knapp formulierten Kodiereinheiten ist es nicht notwendig, die inhaltstragenden Textstellen zu paraphrasieren. Es wird vielmehr das Abstraktionsniveau des Kategoriensystems so festgelegt, dass die Kodiereinheit auf den genannten Einflussfaktor reduziert wird. Die transkribierten Interviews wurden analysiert, Fundstellen anhand des Kodierleitfadens markiert und mit Kollegen diskutiert. Die erste Kategorisierung wurde im Hinblick auf ungenaue Abgrenzungen der Ausprägungen oder fehlende Abgrenzungen besprochen. Auf dieser Grundlage wurden neue Kodierregeln formuliert und in den Kodierleitfaden aufgenommen. Soweit sie wichtig für die Definition der Ausprägungen waren, wurden die kodierten Interviewstellen als Ankerbeispiele in den Kodierleitfaden aufgenommen. Die Aussagen wurden in Unterkategorien zusammengefasst. Die Grundoperation besteht im Zuordnen der einzelnen Interviewtextstellen zu den jeweiligen Kategorien als „Fälle von. . . “. Zunächst wurden die Nennungen der Experten unter die Kategorien der Umfeldbereiche zusammengefasst. In der Summe ergeben sich über 300 einzelne Aussagen. Innerhalb der vorgegebenen Kategorien wurden die Aussagen inkrementell-iterativ in Unterkategorien, welche die Einflussfaktoren beschreiben, zusammengefasst. Für jede neue Sinneinheit wird eine neue Kategorie definiert, die zwar den semantischen Gehalt behält aber von der sprachlichen Besonderheit abstrahiert. Mit dieser Kategorie wird der weitere Text analysiert. Lassen sich andere Analyseeinheiten dieser Kategorie zuordnen, verbleibt sie im Kategoriensystem, sonst wird sie neu definiert. In mehreren 73 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung Durchläufen wurde überprüft, ob eine Aussage oder Unterkategorie mehrfach existiert. Identische oder ähnliche Aussagen wurden in einer Unterkategorie zusammengefasst. Häufig genutzte Kategorien werden differenziert. Als Ergebnis der Auswertung von 20 Experteninterviews liegen 18 Einflussfaktoren in vier zuvor definierten Umfeldbereichen vor. Die zehn meist genannten Einflussfaktoren wurden als Deskriptoren erarbeitet, welche jeweils den Status-Quo und die Trendprojektion des Einflussfaktors enthalten. Liegen Aussagen zu mehreren denkbaren Entwicklungen eines Deskriptors vor, werden diese als alternative Ausprägungen formuliert. Dies ist für acht Deskriptoren der Fall, zwei Deskriptoren haben nur eine Ausprägung. 4.2 Alternativenbündelung Im vorangegangenen Abschnitt 4.1 wurde die Einflussanalyse und die Trendprojektion beschrieben. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Entwicklung eines widerspruchsfreien Szenarios. Dafür wird folgendes Vorgehen gewählt. Zuerst wird die zweite Stufe der Expertenbefragung durchgeführt. Experten werden alle Deskriptoren mit alternativen Ausprägungen, die so genannten kritischen Deskriptoren, vorgelegt. Sie schätzen Wahrscheinlichkeiten und Konsistenz der kritischen Deskriptoren untereinander ein. Ihre Einschätzungen stellen die Datengrundlage für die Szenarienberechnung dar. Ergebnis der Szenarienberechnung ist eine Rangfolge von Szenarien absteigender Konsistenz. Es wird das konsistenteste wahrscheinliche Szenario ausgewählt, das für den nächsten Arbeitsschritt, die Anforderungsmessung, verwendet werden soll. 74 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung 4.2.1 Expertenbefragung, Stufe 2 Fragestellungen Das Ziel der zweiten Expertenbefragung besteht darin, Aussagen zu erhalten, die eine Auswahl der alternativen Ausprägungen eines Deskriptors ermöglichen. Zwei Fragestellungen sind dafür relevant: 1. Wie wahrscheinlich schätzen Experten den Eintritt der Ausprägungen der alternativen Deskriptoren ein? 2. Wie stimmig schätzen Experten den gleichzeitigen Eintritt zweier Ausprägungen von Deskriptoren ein? Die Wahrscheinlichkeitsschätzung verfolgt zwei Ziele: Erstens soll eine Rückmeldung erfolgen, ob die erarbeiteten Deskriptoren die Meinung der Experten abbilden. Es wurde in den Befragungsinstruktionen darauf hingewiesen, dass die Summe der Wahrscheinlichkeitsschätzungen zweier Ausprägungen eines Deskriptors nicht 100 % ergeben muss (siehe Anhang D). Wird dies nicht erfüllt, liegt ein Hinweis vor, dass eine weitere, aber relativ unwahrscheinliche Entwicklung denkbar ist. Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeiten für beide Ausprägungen eines alternativen Deskriptors deuten darauf hin, dass der Deskriptor nicht den geäußerten Ansichten der Experteninterviews entspricht. Je höher die Summe der Wahrscheinlichkeitsschätzung beider Ausprägungen eines Deskriptors, desto eher kann davon ausgegangen werden, dass die erarbeiteten Deskriptoren den Ansichten der Experten entsprechen. Die Höhe der durchschnittlichen Summen der Wahrscheinlichkeiten der Ausprägungen einzelner Deskriptoren sowohl über alle Personen als auch der Deskriptoren selbst kann als Gradmesser der Güte der Vorgehensweise genutzt werden: Für kleine z. B. 0, 1 ist 1 1− mn N M pi (aj1 ) + pi (aj2 ) n=i k=1 75 < (4.1) 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung mit i ∈ [1 . . . n] und j ∈ [1 . . . m] und n und m der Anzahlen der Befragten bzw. der Anzahl der Deskriptoren. pi (aj1 ) ist also gerade die Wahrscheinlichkeit, die der i-te Befragte der Ausprägung aj1 des Deskriptors j zumisst. Bei qualitativ niedrigwertigeren Deskriptorausprägungen müssten größere gewählt werden, da die Befragten außer den vorgegebenen Ausprägungen der Deskriptoren auch Zusätzliche erwägen würden. Die jeweiligen Wahrscheinlichkeitsbeimessungen würden in den Summen fehlen. Damit besteht ein Maß für die Güte der Deskriptoren in sich. Mindestens eine Ausprägung eines Deskriptors leitet sich aus der Expertenbefragung ab. Während die Güte der Deskriptoren in sich nur eine Aussage über die Abdeckung der Deskriptoren zulässt, kann durch die hinzugekommene Signifikanz mindestens jeweils einer Ausprägung eines Deskriptors nun auf die hohe Beschreibungsfähigkeit der Deskriptoren insgesamt für die zukünftige Entwicklung in Abhängigkeit von den durch die Deskriptoren abgedeckten Einflussfaktoren geschlossen werden. Zusammen mit der Güte in sich kann man davon ausgehen, dass die Deskriptoren den Möglichkeitsraum gut abdecken. Zweitens soll durch die Wahrscheinlichkeitsschätzung die Alternativenbündelung überprüft werden. Es ist denkbar, dass Experten zwar die Ausprägung eines Deskriptors für unwahrscheinlich halten, diese Ausprägung jedoch als sehr konsistent mit anderen Ausprägungen einschätzen. Eine solche Konsistenzbewertung kann dazu führen, dass eine sehr unwahrscheinliche Ausprägung eines Deskiptors in einem konsistenten Deskriptorenbündel vorliegt. Das ausgewählte Szenario sollte jedoch konsistent und wahrscheinlich sein. Dafür kann gezielt eine andere, wahrscheinlichere, Ausprägung dieses Deskriptors in das Deskriptorenbündel eingesetzt werden. Die zweite Fragestellung zielt auf die Einschätzung der Konsistenz zwischen den kritischen Deskriptoren mit Hilfe von ordinalen Konsistenzzahlen ein. Da die Bewertung der Konsistenz mit einem er- 76 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung heblichen Zeitaufwand verbunden ist, muss die Anzahl der Konsistenzschätzung beschränkt werden. Anzahl der kritischen Deskriptoren In der Literatur bestehen zwei Ansichten über die Aussage von Konsistenzzahlen. Zum einen wird die Einschätzung als bedingte Wahrscheinlichkeit definiert. Es gibt eine Wirkungsrichtung von der einen Variablen bzw. des einen Variablenwertes auf eine andere („Wenn die Variable A eintritt, wie wird sich Variable B verhalten?“). Zum anderen bewerten Konsistenzzahlen, ob zwei Variablen bzw. Variablenwerte sich gegenseitig verstärken, hemmen oder neutral zu einander verhalten. Konsistenzzahlen bewerten die Verträglichkeit zweier Variablen oder Variablenwerte. Es gibt daher keine Wirkungsrichtung, weil das gemeinsame Eintreten von Variablen bzw. Variablenwerten betrachtet wird. Für die vorliegende Arbeit trifft diese Definition der Konsistenzzahlen zu. Deskriptoren sind in ihrer allgemeinen Bedeutung Variablen. Kritische Deskriptoren besitzen mehrere Ausprägungen. Diese Ausprägungen sind Variablenwerte. Die m kritischen Deskriptoren (D1 , . . . , Dm ) besitzen jeweils ni , (i = 1 . . . m) Ausprägungen (A1 . . . An ).n ist die Gesamtzahl der Ausprägungen. Konsistenzzahlen kritischer Deskriptoren werden in einer Konsistenzmatrix K = (kij ) mit kij ∈ {kmin , . . . , kmax } zusammengefasst. Die Ausprägungen der kritischen Deskriptoren können als Blockmatrix zusammengefasst werden. Der Block, in dem die Ausprägungen des kritischen Deskriptors Di mit den Ausprägungen des kritischen Deskriptors Dj eingetragen werden, besitzt die Dimensionen ni × nj . Da in dieser Arbeit Konsistenzzahlen die Verträglichkeit zweier Variablenwerte bezeichnen, gilt kij = kji . K ist symmetrisch mit K = K T . Daher muss nur die untere Dreiecksmatrix von K ausgefüllt werden. 77 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung Die Hauptdiagonale der Matrix K bezeichnet die Beziehung einer Größe zu sich selbst. Da nur die Konsistenz eines kritischen Deskriptors mit anderen kritischen Deskriptoren interessiert, entfällt die Hauptdiagonale der Matrix. Die Anzahl der abzugebenden subjektiven Konsistenzschätzungen beträgt [MB93, S. 36]: m−1 i=1 m n(n − 1) − ni ( nj ) = 2 j=i+1 m i=1 ni (ni − 1) 2 (4.2) Die Bearbeitungszeit erreicht schon für eine kleine Zahl von Deskriptoren eine beachtliche Höhe. Für m = 30 kritische Deskriptoren mit jeweils 2 Ausprägungen ergeben sich 1740 Einschätzungen. Selbst bei einer angenommenen Dauer von 15 Sekunden für eine Einschätzung ergibt sich eine Bearbeitungszeit von mehr als sieben Stunden. Die Expertenbefragung hängt vom guten Willen der Experten ab. Es ist ungünstig für alle Beteiligten, wenn Befragte im Laufe der Befragung abbrechen. Da eine realisierbare Befragungsdauer von maximal einer Stunde als obere Grenze angenommen wurde, war es notwendig in dieser Arbeit die Anzahl der Deskriptoren auf 10 zu beschränken. Die Anzahl der Äußerungen in einer Kategorie wurde bei der Auswahl der Deskriptoren als Kriterium gewählt. Es wird davon ausgegangen, dass unterschiedliche Experten unabhängig von einander diejenigen Einflussfaktoren benennen, die aus ihrer Sicht relevant sind – darauf zielte die Fragestellung der Befragung. Benennen mehrere Experten übereinstimmend Einflussfaktoren, die sich unter einer Kategorie zusammenfassen lassen, wird daraus abgeleitet, dass diese für die weitere Bearbeitung besonders relevant sind. Die 18 Kategorien wurden nach der Anzahl der Experten, die sich zu dieser Kategorie geäußert haben, sortiert. Die ersten zehn in der Rangfolge vereinen 105 von 135 Nennungen, 78 % aller Äußerungen 78 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung ohne Mehrfachnennungen auf sich. Betrachtet man Mehrfachnennungen von Experten, entfallen von 211 Äußerungen insgesamt 172 (82 %) auf die ersten zehn. Obwohl mit 10 aus 18 Kategorien nur etwa die Hälfte der Kategorien verwendet wird, werden mehr als drei Viertel aller Äußerungen weiterverwendet. Die zehn Kategorien, die am meisten Äußerungen von unterschiedlichen Experten beinhalten, wurden im Weiteren einbezogen. Damit wurde die Anzahl der Einflussfaktoren für die weitere Bearbeitung handhabbar und der Verlust von Informationen gering gehalten. Eine Aufstellung der Kategorien und Expertenäußerungen zeigt Tabelle 5.2. Auswahl der Experten Es wurden alle 20 Experten der ersten Befragungsstufe kontaktiert. Davon haben sich 13 Experten bereit erklärt, an der zweiten Stufe teilzunehmen. Eine vollständige Übersicht der Beteiligten befindet sich in Tabelle B.2 im Anhang. Die Befragung wurde im Dezember 2006 durchgeführt. Im Pre-test zeigte sich, dass das Ausfüllen der Halbmatrix über eine Stunde dauert. Daher wurden zwei Gruppen gebildet, die jeweils die Hälfte der Konsistenzen einschätzten. Erhebungsinstrument Nach einer telefonischen Ankündigung wurden die Befragungsunterlagen elektronisch versendet. Diese enthalten die kritischen Deskriptoren, mehrseitige Erläuterungen zur Konsistenzbewertung und Wahrscheinlichkeitsbewertung sowie zwei Tabellenblätter zur Bearbeitung der Befragung. In einem verabredeten Nachgespräch wurde um ein kurzes Feedback gebeten und die Bearbeitungsdauer erfragt. Die höchste Bearbeitungszeit lag bei etwa 45 Minuten. Die vollständigen Befragungsunterlagen befinden sich im Anhang D. 79 4 Durchführung 4.2 Alternativenbündelung 4.2.2 Auswertung Die Datenauswertung wurde mit Hilfe der Programme SPSS, EIDOS und Excel für Windows vorgenommen. Insgesamt liegen Wahrscheinlichkeits- und Konsistenzschätzungen von 13 Experten vor. Die Auswertung der Wahrscheinlichkeitsschätzungen bezieht sich auf die zentrale Tendenz der Beurteilungen der einzelnen Experten. Es wurde das arithmetische Mittel aller Ratings gebildet und in Form von Balkendiagrammen grafisch dargestellt. Zusätzlich zum arithmetischen Mittel wird im nachfolgenden Ergebnisdiagramm der Wahrscheinlichkeiten als Maß der Variabilität die Standardabweichung (SD) dargestellt. Die Auswertung der Konsistenzschätzungen dient der Bewertung der möglichen Szenarien. Mißler-Behr beschreibt verschiedene Wege, Szenarien zu bewerten [MB93, S. 94 ff.]. In dieser Untersuchung werden Enumerationsverfahren als Auswahlverfahren gewählt. Enumerationsverfahren bewerten Szenarien anhand ihrer Konsistenzsumme. Formal kann ein Szenario (S) als ein m-Tupel der m kritischen Deskriptoren, indiziert mit der jeweiligen Merkmalsausprägung, bezeichnet werden. S = (1i1 , 2i2 , 3i3 , . . . , mim ) mit i1 {1, . . . , n1 }, i2 {1, . . . , n2 }, i3 {1, . . . , n3 }, . . . , im {1, . . . , nm } S sei die Menge aller möglichen Szenarien. Enumerationsverfahren bewerten Szenarien mit der durchschnittlichen Konsistenzsumme. Die paarweise Verträglichkeit sämtlicher Ausprägungstupel, welche die Experten in der der zweiten Befragungsstufe geschätzt haben, wird für jedes Szenario summiert. Die Konsistenzsumme (KS) be- 80 4 Durchführung 4.3 Anforderungsanalyse rechnet sich aus der Summe der Ausprägungsstupel eines Szenarios: KS = kij (i,j S),i µ2005 Psychomotorische Fähigkeiten H0 : µ2020 ≤ µ2005 H1 : µ2020 > µ2005 Sensorische Fähigkeiten H0 : µ2020 ≤ µ2005 H1 : µ2020 > µ2005 Interaktive und soziale Fähigkeiten H0 : µ2020 ≤ µ2005 H1 : µ2020 > µ2005 Wissen und Fertigkeiten H0 : µ2020 ≤ µ2005 H1 : µ2020 > µ2005 4.3.3 Ort und Zeit der Untersuchung Die Datenerhebung für die Untersuchung der Anforderungen für 2005 wurden im Zeitraum vom 19.07.2005 bis 26.10.2005 innerhalb des Projekts ATOP durchgeführt. Für das Szenario 2020 wurden die Daten vom 22.03.2007 bis 26.04.2007 erhoben. Dabei wurde die Befragung mit der Fleishman-Job-Analysis-Survey während der Arbeitsschicht als Einzel- oder Gruppentest durchgeführt. 4.3.4 Untersuchungsablauf Die Erhebung der erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in den gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitsumgebungen für Verkehrsoperatoren erfolgte mittels des standardisierten Fragebogens Fleishman-Job-Analysis-Survey (vgl. 3.3). Die Bedingungen, unter denen die Teilnehmer den Fragebogen ausfüllten, wurden wie folgt kontrolliert und vereinheitlicht: • Der Versuchsleiter gab zu Beginn eine kurze Einführung, bei der auf die Bewahrung der Naivität der Untersuchungspersonen im Bezug auf die Hypothesen und das Untersuchungsziel geachtet wurde. 88 4 Durchführung 4.3 Anforderungsanalyse • Es wurde den Teilnehmern verdeutlicht, dass es bei der Erhebung nicht um die Einschätzung ihrer persönlichen Fähigkeiten, sondern der Anforderungen durch die Arbeitsumgebung geht. Dieser Hinweis entspricht der schriftlichen Instruktion des „Rating Scale Booklet“ [FR92, S. 3]. Die Teilnehmer hatten nach der mündlichen Einweisung die Gelegenheit, sich diese Instruktionen durchzulesen. • Die Teilnehmer wurden gebeten, die Einschätzung der einzelnen Items möglichst spontan abzugeben. • Die Einschätzung der Anforderungsausprägung pro Item wurde auf einer siebenstufigen Skala auf einem separaten Antwortbogen abgegeben. Die Antwortbogen enthielten in durchnummerierter Reihenfolge namentlich die Skalen des Booklets. In der Befragung wurde die in Kapitel 3.3 beschriebene, ergänzte Fassung des Fragebogens herangezogen, so dass unter Aussparung der Items zu den „physical abilities“ insgesamt 68 Items zu bearbeiten waren. Die „physical abilities“ wurden nicht erhoben, da sich Verkehrsoperatoren am Arbeitsplatz kaum bewegen. • Gelegentliche inhaltliche Fragen zur Abgrenzung der einzelnen Items konnten individuell geklärt werden, da der Versuchsleiter ständig für Rückfragen zur Verfügung stand. Die Teilnahme an der Untersuchung war freiwillig und die Anonymität der Daten wurde gewährleistet. 4.3.5 Unabhängige und abhängige Variablen Die Arbeitsumgebung in den Ausprägungen 2005 und Szenario 2020 wurde als unabhängige Variable definiert, um die Unterschiede der Anforderungen zu erheben. Es wurden die folgenden abhängigen 89 4 Durchführung 4.3 Anforderungsanalyse Variablen auf einer Skala von eins bis sieben als Anforderungen zur Bewältigung der Arbeitsaufgabe in der gegenwärtigen bzw. dem Szenario 2020 gemessen: • Kognitive Fähigkeiten • Psychomotorische Fähigkeiten • Sensorische Fähigkeiten • Interaktive und soziale Fähigkeiten • Wissen und Fertigkeiten 4.3.6 Untersuchungspersonen Es wurden für die Arbeitsumgebung 2005 28 Verkehrsoperatoren mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung in der Tätigkeit als Verkehrsoperator befragt. Tabelle 4.3 fasst die Stichprobenzusammensetzung zusammen. Die Verkehrsoperatoren, die an der Befragung zum Szenario 2020 teilnahmen stellen eine Teilmenge der Untersuchungspersonen aus der Felduntersuchung 2005 dar. Die Stichprobengröße des Szenarios 2020 ist kleiner, da aufgrund des Schichtbetriebs trotz mehrmaliger Besuche nicht alle Teilnehmer befragt werden konnten. Ein Teilnehmer der ersten Runde lehnte die Teilnahme an der zweiten Runde ab. Von den 17 Befragten, die an beiden Befragungen teilnahmen, waren zwei weiblich (11,8 %) und 15 Personen männlich (88,2 %). Es ergab sich ein mittleres Alter von 43,8 Jahren bei einer Standardabweichung von 8,8. Das minimale Alter lag 2007 bei 22 Jahren, das maximale Alter bei 58 Jahren. Die mittlere Berufserfahrung der Befragten betrug 9,5 Jahre bei einer Standardabweichung von 4,7. 90 4 Durchführung 4.3 Anforderungsanalyse Sechs Befragte gaben über 15 Jahre Berufserfahrung in ihrer Tätigkeit als Verkehrsoperator an (35 %). Zehn (59 %) der Befragten verfügten über einen Hauptschulabschluss, zwei (12 %) die mittlere Reife und fünf (29 %) das Abitur. 4.3.7 Wilcoxon-Test In dieser Arbeit soll getestet werden, ob Unterschiede in den subjektiven Anforderungen an Personen an zwei unterschiedlichen Systemen (real – Szenario 2020) vorliegen. Daher wird ein Verfahren zu Überprüfung von Unterschiedshypothesen benötigt. Dafür werden die Mittelwerte der Erhebungsergebnisse verglichen. Es wird die selbe Personengruppe befragt. Somit liegt eine abhängige Stichprobe vor. Das zentrale Grenzwerttheorem besagt, dass die Verteilung von Mittelwerten aus Stichproben des Umfangs n, die alle aus derselben Grundgesamtheit entnommen wurden, mit zunehmenden Stichprobenumfang in eine Normalverteilung übergeht [Bor89, S. 120]. Dies gilt unabhängig von der Verteilungsform der Messwerte [Bor89, S. 121]. Man kann annehmen, dass die Mittelwertverteilung für beliebige Verteilungsformen des Merkmals in der Population bereits dann hinreichend normal ist wenn n 30 [Bor89, S. 122]. Da in dieser Arbeit nur 20 Personen befragt wurden, gilt das zentrale Grenzwerttheorem nicht. Daher muss ein verteilungsfreies Verfahren anTabelle 4.3: Stichprobenzusammensetzung Verkehrsrechnerzentrale 2005 Szenario 2020 VMZ Niedersachsen 4 2 VZ Hessen 4 3 VBZ Nordbayern 6 5 VRZ Südbayern 9 7 23 17 Summe 91 4 Durchführung 4.3 Anforderungsanalyse gewendet werden. Kann man die Messung von Daten auf ein numerisches Relativ, z. B. Temperaturmessung in ◦ C oder subjektive Anforderungen in einer Skala von eins bis sieben abbilden, spricht man von einer Intervallskala. Allerdings lassen sich keine exakten Abstände zwischen Merkmalsausprägungen der Anforderungsanalyse bestimmen, weil man bei der Skala von subjektiven Anforderungen nicht davon ausgehen kann, dass gleiche Merkmalsunterschiede in den extremen Wertbereichen und im mittleren Wertbereich tatsächlich gleiche Anforderungsunterschiede wiedergeben. Die für Intervallskalen geforderte Äquidistanz ist nicht gewährleistet. Aus diesen Gründen wird für die subjektiven Daten aus der Anforderungsanalyse ein statistisches Verfahren gewählt, das zur Prüfung von Unterschiedshypothesen für abhängige Stichproben gilt, verteilungsfrei ist und lediglich ordinal skalierte Daten erfordert – der Wilcoxon-Test für Paardifferenzen. Nach diesem Verfahren kann die Nullhypothese H0 (Es gibt keine Unterschiede der zentralen Tendenz der subjektiv eingeschätzten Anforderungen an Operatoren zwischen dem realen Arbeitsplatz und dem Arbeitsplatz 2020) folgendermaßen überprüft werden (α=1 %, einseitige Fragestellung) [Bor89, S. 184]: • Berechnung der Differenzen di für jedes Messwertepaar • Erstellung einer Rangfolge der Absolutbeträge der Differenzen • Kennzeichnung der Rangplätze, die zu Paardifferenzen mit dem selteneren Vorzeichen gehören • Summieren und kennzeichnen der Rangplätze mit dem selteneren Vorzeichen mit T • Summieren und kennzeichnen der Rangplätze mit dem häufigeren Vorzeichen mit T 92 4 Durchführung 4.3 Anforderungsanalyse • Paare mit einer Paardifferenz bleiben unberücksichtigt, da sie zu keiner Gruppe eindeutig zugeordnet werden können. Das n wird um diese Anzahl der identischen Messwertpaare reduziert. • Ist die Anzahl der Null-Differenzen groß, so weist dieser Tatbestand auf die Richtigkeit von H0 hin. Je deutlicher T und T sich unterscheiden, desto unwahrscheinlicher ist die H0 . • Die Prüfgröße T = min(T, T ) wird verglichen mit dem kritischen Wert Tα,n , der sich in Abhängigkeit von Stichprobengröße n und Signifikanzniveau α ergibt. Ist T < Tα,n , so wird die H0 abgelehnt, d. h., es wird ein signifikanter Unterschied angenommen. Es wurden auf der Grundlage der gewonnenen Daten die subjektiv eingeschätzte Anforderung aus der Operatorenaufgabe zu zwei verschiedenen Zeitpunkten t0 und t1 und unter verschiedenen Arbeitsbedingungen verglichen. Dabei gilt: t0 : lokale Arbeitsumgebung des Jahres 2005 t1 : Szenario 2020. 93 5 Ergebnisse Das vorangegangene Kapitel 4 stellt die Arbeitsschritte dar, die unternommen wurden, um die zukünftigen Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen zu erheben. In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der drei Teilschritte dargestellt. In Abschnitt 5.1 werden die Ergebnisse der ersten Expertenbefragung dargestellt. Alle 18 Kategorien, welche die Einflussfaktoren beschreiben, werden präsentiert. Die zehn meistgenannten Einflussfaktoren werden detailliert beschrieben und ausgewertet. Abschnitt 5.2 zeigt die Ergebnisse der zweiten Stufe der Expertenbefragung. Sie bewerteten Wahrscheinlichkeit (Abschnitt 5.2.1) und Konsistenz (Abschnitt 5.2.2), welche die Grundlage für die Berechnung der Szenarien und der Auswahl des Szenarios 2020 bilden (Abschnitt 5.2.3) Der dritte Teilschritt, die Anforderungsanalyse, wird in Abschnitt 5.3 dargestellt. Es werden zunächst die Ergebnisse über die Fähigkeitsklassen dargestellt. Danach werden die Ergebnisse des Szenarios 2020 vergleichend den aktuellen Ergebnissen gegenübergestellt. 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Die Äußerungen der ersten Stufe der Expertenbefragung zu den Einflussfaktoren auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren von 20 Experten aus den Bereichen Verwaltung, 94 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Forschung, Planung bzw. Herstellung lassen sich in 211 Kodierungen erfassen. Tabelle 5.1 zeigt die 18 gebildeten Kategorien. Den Umfeldern entsprechend wurden deduktiv vier Hauptkategorien gebildet. Die Kategorien beinhalten Aussagen, welche die Befragten für wichtig erachtet und kommuniziert haben. Die dritte und vierte Spalte geben einen Einblick, wie viele Experten sich zu den einzelnen Punkten des Kategoriensystems geäußert haben. In der fünften und sechsten Spalte stehen absolute und relative Werte der Nennungen auf der Ebene der Kategorien. Innerhalb einer Kategorie weisen häufig Aussagen unterschiedliche Ausprägungen über eine mögliche Entwicklung bis ins Jahr 2020 auf. Beispielsweise lassen sich Aussagen zu „Trägerschaft“ aufteilen in „private Trägerschaft und ausreichende Finanzierung“ und „staatliche Trägerschaft und fehlende Finanzierung“. Diese Aussagen bilden die Grundlage für die Formulierung der Deskriptoren, die im Anhang C dargestellt sind. Die größte Anzahl der Äußerungen entfällt auf die Hauptkategorie Technik. Die 98 Nennungen in dieser Hauptkategorie verteilen sich auf fünf Kategorien. Dabei fällt auf, dass etwa zwei Drittel der Nennungen der Kategorie „Verfügbarkeit von Verkehrsdaten“ zugehören. Bis auf Einen äußern sich alle Experten zu dieser Kategorie. Sie nimmt mit diesen Werten eine herausragende Stellung ein. Innerhalb der Hauptkategorie Organisation wurden sieben Kategorien gebildet. Auch hier nimmt eine Kategorie eine herausgehobene Stellung ein. Allerdings kommt der Kategorie „Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen“ mit 25 der insgesamt 73 Nennungen nicht eine so dominante Rolle zu wie der Kategorie „Verfügbarkeit von Verkehrsdaten.“ Auf die beiden Hauptkategorien Verkehr und Politik entfallen jeweils 20 Äußerungen. Damit sind sie deutlich kleiner als die beiden erstgenannten Hauptkategorien. Die Hauptkategorie Verkehr stellt mit zwei Kategorien die kleinste dar. In der Hauptkategorie Politik fällt 95 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Tabelle 5.1: Häufigkeiten in Hauptkategorien und Kategorien Hauptkategorie Kategorie Experten Nennungen abs. abs. rel. 19 43 67 68 Anzahl von verkehrstechnischen Anlagen 7 16 11 11 Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung 7 16 7 7 vollautomatisierte Fahrzeugführung von außen 7 16 9 9 Information über den Verkehrsablauf (aktueller, präziser) Technik rel. 4 9 4 4 100 98 100 Verfügbarkeit von Verkehrsdaten Summe Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen 17 29 25 34 Qualitätsmanagement 10 17 11 15 Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und individueller Routensuche 12 20 15 21 Grad der Kooperation zwischen Einsatzzentralen und Verkehrsrechnerzentrale 8 14 9 12 Anzahl der Teammitglieder 5 8 6 8 Grad der Kooperation zwischen Verkehrsträger 4 7 4 5 Arbeitszeit und Arbeitsort Organisation 3 5 3 4 100 73 100 Summe Verkehrsleistung LKW 11 65 11 55 Verkehrsleistung PKW Verkehr 6 35 9 45 100 20 100 Summe Politik Konzentrationsprozess 4 27 8 40 Trägerschaft 7 47 7 35 Nachfragesteuerung über Preis 2 13 3 15 Hierarchisierung der Verkehrsrechnerzentralen 2 13 2 10 100 20 100 Summe 211 Gesamtsumme 96 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion auf, dass deutlich weniger Äußerungen auf die Kategorien entfallen als bei Kategorien anderer Hauptkategorien. Experten erachten den Einfluss der Umfelder Technik und Organisation für besonders relevant. Es fällt auf, dass innerhalb der ersten 10 Rangplätze diese Hauptkategorien mit jeweils vier Kategorien vertreten sind, während die beiden Hauptkategorien Verkehr und Politik nur jeweils eine Kategorie aufweisen. Dies zeigt die Rangliste in Tabelle 5.2. Kategorien wurden nach der Häufigkeit der Expertennennungen sortiert, gebundene Rangplätze wurden nach der Anzahl der Nennungen sortiert. Es entfallen mit 172 Nennungen rund 82 Prozent der Äußerungen auf die ersten zehn Rangplätze. Aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung sollen die Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse dieser zehn Kategorien im Folgenden detailliert dargestellt werden. 97 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Tabelle 5.2: Rangplätze der Kategorien Rang Hauptkategorie Kategorie Experten Nennungen 1 2 Technik Organisation Verfügbarkeit von Verkehrsdaten Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen 19 17 67 25 3 Organisation Individuelle Zielführungssysteme als VM-Instrument 12 15 4 Verkehr Verkehrsleistung LKW 11 11 5 Organisation Qualitätsmanagement 10 11 6 Organisation Grad der Kooperation zwischen Einsatzzentralen und Verkehrsrechnerzentrale 8 9 7 Technik Anzahl von Verkehrstechnischen Anlagen 7 11 8 Technik vollautomatisierte Fahrzeugführung von außen 7 9 9 Technik Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung 7 7 10 Politik Trägerschaft 7 7 11 Verkehr Verkehrsleistung PKW 6 9 12 Organisation Anzahl der Teammitglieder 5 6 13 Technik Information über den Verkehrsablauf (aktueller, präziser) 4 4 14 Organisation Grad der Kooperation Verkehrsträger 4 4 15 Politik Konzentrationsprozess 4 8 16 Organisation Arbeitszeit und Arbeitsort 3 3 17 Politik Nachfragesteuerung über Preis 2 3 18 Politik Hierarchisierung der Verkehrsrechnerzentralen 2 2 98 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Verfügbarkeit von Verkehrsdaten Die Kategorie „Verfügbarkeit von Verkehrsdaten“ stellt mit insgesamt 98 Nennungen die größte Kategorie dar. Alle Experten gehen einheitlich davon aus, dass bis ins Jahr 2020 die Verfügbarkeit von Verkehrs- und Umfelddaten enorm steigen wird (siehe Tabelle 5.3). Aufgrund der großen Anzahl und der Einheitlichkeit der Aussagen konnten in dieser Kategorie die Auswirkungen auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben als Gruppen der Unterkategorien zusammengefasst werden. Die Aussagen verteilen sich etwa gleich auf die drei Gruppen. Es ist zu beachten, dass Äußerungen zu Einflussfaktoren ebenfalls Äußerungen zu Auswirkungen auf Arbeitsaufgaben beinhalten können. Daher werden die Äußerungen der Kategorien W1 und W2 nicht in die Summe in Tabelle 5.1 aufgenommen. Ebenso kann sich ein Experte zu mehreren Kategorien äußern. Damit ist die jeweilige Summe auf Kategorienebene größer als die Anzahl der Experten. Um Mißverständnisse zu vermeiden, wird die Summe nicht angeben. Neun Experten gehen davon aus, dass die Zunahme der Datenquellen zusammen mit der Datenfusion zu einer flächigen dynamischen Verkehrs- und Umfelddatenerfassung auf Bundesfernstraßen und dem nachgeordneten Netz führt. Zwei Experten formulierten es so [Interview Nr. 2 und 16]: Die Datenmenge wird extrem zunehmen, von 1000 Informationen am Tag zu 1 Million Daten am Tag. Daten des gesamten Bundes- und Landstraßennetzes werden durch FCD und Toll Collect zur Verfügung stehen. Die Automatisierung der Verkehrsbeeinflussungsanlagen wird zunehmen, fügen fünf Experten – wie etwa in Interview Nr. 18 – hinzu: Mehr dezentrale Infrastruktur inklusive Fahrzeuge. [Die] zentrale Intelligenz wird abnehmen. [. . . ] Verkehrsrech- 99 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Tabelle 5.3: Häufigkeiten der Kategorie „Verfügbarkeit von Verkehrsdaten“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Anzahl der Datenquellen steigt. Daten aus Zählschleifen Kameras, Mauterhebung, VII, XFCD, luftund raumgestützte Sensoren stehen zur Verfügung. Datenfusion führt zu einer flächigen dynamischen Verkehrs-, und Umfelddatenerfassung auf Bundesfernstraßen und dem nachgeordneten Netz. 9 47 19 54 A2: Zunahme dezentraler, lokaler automatischer Intelligenz in VBA. 5 26 10 29 A3: Automatische Detektion (Stau, Unfall, Wetter) in der VRZ arbeitet schnell und zuverlässig. 5 26 6 17 100 35 100 Summe A4: Qualität, Vielfalt und Menge von Verkehrs- Umfeldund Störungsdaten (Wetter, Baustellen, Unfälle, Stau) am Arbeitsplatz steigen sehr stark an. 9 39 10 31 A5: Das System erkennt bestimmte Situationen (Ereignisse, Probleme, Zustände) und generiert mehrere alternative Strategievorschläge für diese Situation. Der Verkehrsoperator bewertet und entscheidet über die Vorschläge. Das System übernimmt die Ansteuerung einzelner Anlagen und Geräte. 9 39 15 47 A8: Verkehrsprognosen im Zuständigkeitsbereich für kurze und mittlere Zeiträume sind ein verlässliches Werkzeug. 5 22 7 22 100 32 100 Summe W1: Überwachungs- und Beobachtungsaufgaben treten in den Hintergrund. Operatoren bewerten, überprüfen Systemmeldungen (Verkehrsdaten, Prognosen, Vorschläge), bewerten die Auswirkungen von Maßnahmen und entscheiden über Maßnahmen. 11 55 18 58 W2: Operatoren vermeiden Störungen des Verkehrsflusses präventiv vor dem Entstehen. Sind Störungen nicht vermeidbar, wickeln sie Störungen effizient ab. 9 45 13 42 100 31 100 Summe 98 Gesamtsumme 100 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion nerzentrale als Steuerung wird abnehmen. Lichtsignalanlagen, Verkehrsbeeinflussungsanlagen und Tunnelanlagen werden stärker automatisch, closed-loop fahren. Ebenfalls fünf Experten sehen die automatische Detektion von Stau, Unfall und Wettereinflüssen in der VRZ voraus. Der Wortlaut des Interviews Nr. 5 zeigt das: „Routine und Überwachung wird automatisiert. Operatoren werden nur noch Ereignisse gemeldet bekommen. In diesen Fällen müssen Operatoren handeln, entscheiden.“ Noch weiter geht ein anderer Experte [Interview Nr. 15]: „Störungsreaktion statt Störungsdetektion. Unterstützung für bestimmte Überwachungsaufgaben muss der Computer übernehmen.“ Neun Experten sind der Ansicht, dass Qualität, Vielfalt und Menge von Verkehrs-, Umfeld- und Störungsdaten (Wetter, Baustellen, Unfälle, Stau) am Arbeitsplatz sehr stark ansteigen werden. Interview Nr. 15 zeigt das: Es werden immer mehr Informationen auf den Operator einprasseln. Er muss Daten zu Verkehrsmeldungen machen. Er muss Falschmeldungen detektieren – etwa wenn nachts ein Detektor gestört ist, meldet Stau, dann muss er das bemerken und dem nachgehen. Diese Staumeldungen werden zunehmend automatisch generiert, der Operator muss prüfen, ob die Meldungen plausibel sind. Ebenfalls neun Expertenaussagen lassen sich zur Unterkategorie A5 zusammenfassen. Interview Nr. 16 beschreibt ein Experte dies so: [Es] werden verschiedene Szenarien berechnet, die Maßnahmenbündel modellieren und die besten Alternativen vorschlagen. So werden Schaltungen weitgehend automatisiert sein. Nur in außergewöhnlichen Situationen muss der Operator eingreifen. Baustellen, Unfälle etc. werden simuliert und bewertet, sodass der Operator die Schaltanweisungen nur noch aus der Schublade holen muss. 101 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Fünf Experten gehen davon aus, dass Verkehrsprognosen im Zuständigkeitsbereich für kurze und mittlere Zeiträume ein verlässliches Werkzeug werden. Ein Experte drückt das im Interview Nr. 1 so aus: Es wird bessere Tools geben, zum Beispiel kurzfristige Prognose . . . Kurzfrist-Prognosen, eine Stunde bis zwei Stunden, sind präzise. Langfrist-Prognosen, ein Tag bis ein Jahr, sind aus methodischen Gründen nicht möglich – es gibt keine Naturgesetze. Elf Experten vermuten, dass Überwachungs- und Beobachtungsaufgaben in den Hintergrund treten. Operatoren bewerten, überprüfen Systemmeldungen (Verkehrsdaten, Prognosen, Vorschläge), bewerten die Auswirkungen von Maßnahmen und entscheiden über Maßnahmen. Im Interview Nr. 9 kommt das zum Ausdruck: Der Verkehrsoperator übernimmt heute die kollektive Steuerung und Wartung. 2020 wird er Redakteur sein, das heißt, er prüft die Verkehrsdaten der verschiedenen Quellen, ob sie plausible Gesamtergebnisse erzeugen. Er filtert Information. Trotz stärkerer Automatisierung wird die menschliche Einschätzung weiterhin wichtig sein. Die Überwachungsaufgaben werden abnehmen. Der Computer wird das übernehmen. Neun Experten vertreten die Ansicht, dass Operatoren künftig Störungen des Verkehrsflusses präventiv vor dem Entstehen vermeiden. Sind Störungen nicht vermeidbar, wickeln sie Störungen effizient ab. Ein Beispiel aus Interview Nr. 2 verdeutlicht dies: Früher: Erst wenn der Stau entstanden ist, kann reagiert werden. Mit dem Wissen über Ort, Geschwindigkeit und Ziel können in einer Halbstundenprognose Probleme schon vor dem Entstehen gelöst werden. Folge: Verlässliche Reisezeiten. 102 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen In der Summe liegen 25 Nennungen zum Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Einrichtungen vor (siehe Tabelle 5.4). Davon entfällt weit über die Hälfte auf stark zunehmende Kooperation (A1). Diese Äußerungen lassen sich in zwei Gruppierungen aufteilen. Zum einen vermuten fünf Experten, dass regionale Zentralen entstehen, die Stadt und Land gemeinsam betrachten. Als Beispiel sei folgende Äußerung aus Interview Nr. 17 angeführt: Die Anzahl von VRZen wird sich verringern. Es kommt zu einer Regionalisierung der Verkehrsleittechnik, z. B. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Aber es wird nicht eine zentrale Verkehrsrechnerzentrale für Deutschland geben. Ebenfalls eine stärkere Kooperation, allerdings keine Integration sehen weitere sieben Experten, so auch im Interview 18: Verkehrsrechnerzentralen werden Verkehr deutschlandweit, gesamthaft betrachten. Sie kooperieren mit Nachbarn – heute bemerken sie erst dann, wenn der Stau schon da ist. Fünf Experten treten gegen eine zunehmende Kooperation ein, etwa [Interview Nr. 14]: Heterogene Struktur macht die Kooperation unter Verkehrsrechnerzentralen schwierig. 103 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Tabelle 5.4: Häufigkeiten der Kategorie „Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. (12) (71) (18) (72) A11: Es entstehen regionale Zentralen, die Stadt und Land gemeinsam betrachten. 5 29 9 36 A12: Verkehrsmanagement wird über Gebietskörperschaftsgrenzen betrieben. Verkehrsoperatoren nutzen das sekundäre Netz innerhalb mit abgestimmten Verkehrsmanagementstrategien. 7 41 9 36 A2: Kooperationsgrad bleibt gleich. 5 29 7 28 100 25 100 A1: Grad der Kooperation von verkehrssteuernden Zentralen nimmt stark zu. Summe Trägerschaft Es liegen sieben Äußerungen von Experten zum Thema Trägerschaft vor (siehe Tabelle 5.5). Alle vier Experten, die von einer privaten Trägerschaft ausgehen, verbinden explizit Nutzerfinanzierung mit Privatisierung. Ein Experte formuliert es so [Interview Nr. 9] [Das] Netz [wird] verkauft, [und] dann so [betrieben] wie heute in Frankreich oder Italien. Privatwirtschaftlich und sehr viel kundenorientierter. Drei Experten stehen einer solchen Entwicklung skeptisch gegenüber, so im Interview Nr. 1: Privatisierung der Infrastruktur ist nicht zu erwarten. Die Privatisierung des Betriebs, also private Verkehrsoperatoren wird niemals stattfinden. Dafür ist das Hoheitsdenken zu ausgeprägt. 104 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Tabelle 5.5: Häufigkeiten der Kategorie „Trägerschaft“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Das Straßennetz oder der Betrieb des Straßennetzes wird privatisiert. 4 57 4 57 A2: Das Straßennetz oder der Betrieb des Straßennetzes wird nicht privatisiert. 3 43 3 43 100 7 100 Summe Verkehrsleistung LKW Elf Äußerungen betreffen den LKW-Verkehr (siehe Tabelle 5.6). Alle Äußerungen sprechen dafür, dass der LKW-Verkehr bis ins Jahr 2020 steigen wird. Innerhalb dieser Gruppe lassen sich zusätzlich noch zwei Kategorien identifizieren. Zwei Experten betonen die „Verlagerung zu mehr Tonnage“ [Interview Nr. 3], drei Experten betonen, der LKW-Verkehr finde auf Ost-West-Achsen statt [Interview Nr. 2]: Die letzten zehn Jahre gab es einen starken Zuwachs. [Die Verkehrsleistung] wird genauso weiter steigen, insbesondere Ost-West-Verkehre. Das hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Integration der Länder Ukraine, Weißrussland ab. Werden diese Länder in die EU aufgenommen, dann werden dort mehr Waren produziert, die in Mittel- und Westeuropa verkauft werden. Tabelle 5.6: Häufigkeiten der Kategorie „Verkehrsleistung LKW“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Starkes LKW-Verkehrswachstum 6 55 6 55 A11: Starkes LKW-Verkehrswachstum,Tendenz zu mehr Schwerlast 2 18 2 18 A12: Starkes LKW-Verkehrswachstum, vor allem in Ost-West-Richtung. 3 27 3 27 100 11 100 Summe 105 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Qualitätsmanagement Insgesamt liegen elf Äußerungen zum Qualitätsmanagement vor (siehe Tabelle 5.7). Fünf Experten erwarten, dass Qualiätsmanagment eingeführt wird. Experten sehen dafür zwei Ursachen. Einige Experten äußern die Ansicht, der „Druck von der Straße“ ermögliche die Einführung – so etwa im Interview Nr. 10: Heute spielt Qualität keine große Rolle bei VRZen. Die Politik wird unter dem Verkehrsdruck stärker Qualitätskriterien einfordern und überprüfen. Der Verkehrsoperator muss seine Schaltanweisung begründen können. Damit erhöht sich die Anforderung an seine Qualifikation. Andere Experten, beispielsweise im Interview Nr. 5, verknüpfen Qualitätsmanagement mit der Trägerschaft: Qualität wird ohne aber vor allem mit der Maut eine Rolle spielen. Das Angebot von Qualität, aber auch die Erwartung der Kunden an die Qualität, werden steigen. Dadurch entstehen höhere Anforderungen für die VRZ. Der Verkehrsoperator hat mehr Verantwortung – nämlich für eine Qualität! Vier Experten sehen zusätzlich einen veränderten Qualitätsbegriff. Qualität bedeute auch, dass Umweltwirkungen berücksichtigt werden [Interview Nr. 8]: Es werden neue Ziele integriert werden: [. . . ] Auch Umweltfaktoren (Luft, Lärm) werden stärker berücksichtigt. Das führt zu neuen Aufgaben für Verkehrsoperatoren. Ein Experte vertritt die Ansicht, dass „Qualitätsmanagementsysteme mit Leistungsbeschreibung und Leistungskontrolle [. . . ] nie richtig Erfolg haben“ werden [Interview Nr. 1]. 106 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Tabelle 5.7: Häufigkeiten der Kategorie „Qualitätsmanagement“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Qualitätsmanagement wird eingeführt. 5 50 6 55 A11: Qualitätsbegriff wird sich ändern – Umweltwirkungen werden integriert. 4 40 4 36 A2: Qualitätsmanagement wird sich nicht durchsetzen. 1 10 1 9 100 11 100 Summe Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und privater Routensuche Insgesamt liegen zwölf Äußerungen zur Integration öffentlicher Verkehrsmanagementstrategien und privater Routensuche vor (siehe Tabelle 5.8). Vier Experten erwarten eine Integration von öffentlichem und privatem Routing. Damit ergäbe sich ihrer Ansicht nach ein weiteres Instrument, um den Verkehr zu beeinflussen. Folgende Äußerung bringt die Auswirkungen für den Verkehrsoperator – größere Informationsdichte, umfangreichere und differenzierte Beeinflussungsmöglichkeiten – so auf den Punkt [Interview Nr. 3]: [Es werden] keine ad-hoc-ACC-Netze [entstehen] aber eine stärkere Kopplung zwischen VRZ und Fahrzeug. Der Anteil der Fahrzeuge mit Assistenzsystemen, Navigation und HUD, sowie die kollektive und individuelle Vernetzung wird zunehmen. Dadurch können Verkehrsoperatoren intensiver und individueller beeinflussen. Verkehrsoperatoren wissen besser Bescheid, steuern besser und treffen auf besser verstehende Verkehrsteilnehmer. Einerseits erleichtert das System die Arbeit der Verkehrsoperatoren, weil es Aufgaben übernimmt. Andererseits wird die größere Informationsdichte die Arbeit erschweren. Dagegen sprechen sich sechs Experten gegen eine Integration von öffentlichem Verkehrsmanagement und privater Routensuche aus. Sie glauben, dass die bestehende Konkurrenz sich verschärfen wird. 107 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Besonders pointiert stellt es folgender Experte heraus [Interview Nr. 16]: Individuelle Zielführungssysteme werden der kollektiven Verkehrsbeeinflussung das Leben schwer machen. Je besser die individuelle Verkehrsbeeinflussung desto geringer wird der Befolgungsgrad der kollektiven Verkehrsbeeinflussung. Car-to-Car und Car-to-Infrastructure sind heute schon in Forschungsprojekten. Das heißt, Fahrer wissen so gut oder besser Bescheid als die Operatoren. Sie werden das Nutzeroptimum suchen. Dadurch wird kollektive Verkehrsbeeinflussung schwieriger. Fazit: Es werden mehr Daten da sein, mehr Netze abgebildet werden. Aber die Individualisierung wird den Einfluss reduzieren. Tabelle 5.8: Häufigkeiten der Kategorie „Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und privater Routensuche“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Navigationsgeräte der dritten Generation, also dynamische Verkehrslage und dynamische Routenempfehlung auf der Grundlage der Operatorenschaltung, werden ein neues und mächtiges Instrument sein, um Verkehrsteilnehmer umfassender zu informieren und individuell zu beeinflussen. 4 33 6 40 A2: Keine Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und privater Navigationsgeräten. Individuelle Zielführungssysteme werden der kollektiven Verkehrsbeeinflussung das Leben schwer machen. 5 42 6 40 A3: Die Informationen und Maßnahmen des Operators werden im Fahrzeug dargestellt. 3 25 3 20 100 15 100 Summe 108 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen Insgesamt liegen elf Nennungen von Experten zur Anzahl von verkehrstechnischen Anlagen vor (siehe Tabelle 5.9). Vier Experten erwarten eine deutliche Zunahme der Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Folgende Äußerung illustriert dies [Interview Nr. 4]: Verkehrsbeeinflussungsanlagen werden so selbstverständlich sein wie in den Niederlanden: Jede Bundesautobahn hat eine Steueranlage. Drei Experten erwähnen nur eine mäßige Zunahme, etwa im Interview Nr. 16: Streckenbeeinflussungsanlagen [werden] weiter ausgebaut, vor allem die Seitenstreifenfreigabe mit Kamera überwacht und gesteuert. Knotenbeeinflussungsanlagen [kommen] nur wenig neue [hinzu]; Netzbeeinflussungsanlagen nur da wo Netz vorhanden (Ruhr, Rhein). Tabelle 5.9: Häufigkeiten der Kategorie „Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Die Anzahl von Verkehrsbeeinflussungsanlagen steigt beachtlich. Weite Teile des Netzes sind mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen ausgestattet. 4 57 7 64 A2: Die Anzahl von Verkehrsbeeinflussungsanlagen steigt mäßig. 3 43 4 36 100 11 100 Summe 109 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Grad des Kameraeinsatzes Zum Grad der Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung liegen sieben Nennungen von Experten vor (siehe Tabelle 5.10). Zwei Experten nehmen eine Extremposition ein. Sie erwarten eine vollständige Abdeckung mit Kameras, wie folgende Äußerung zeigt Interview Nr. 3: Die gesamte Autobahn [ist] videogesteuert überwacht. Das heißt, jeder Streckenabschnitt ist einsehbar. Die überwiegende Mehrheit, fünf Experten, erwarten eine Zunahme, etwa im Interview Nr. 10: Es wird mehr Kameras geben. Dadurch werden automatische Störfalldetektionssysteme nötig. Tabelle 5.10: Häufigkeiten der Kategorie „Grad des Kameraeinsatzes“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Das gesamte Bundesautobahnnetz ist durch Kameras einsehbar. 2 29 2 29 A2: Kamerabilder kommen immer mehr zum Einsatz. Automatische Störfalldetektion wird eingeführt. 5 71 5 71 100 7 100 Summe 110 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Grad der Kooperation zwischen Einsatzentralen der Polizei und Verkehrsrechnerzentralen Neun Nennungen von Experten liegen zum Grad der Kooperation zwischen Einsatzentralen der Polizei und Verkehrsrechnerzentralen vor (siehe Tabelle 5.11). Drei Experten erwarten eine sehr weitgehende – nämlich räumliche – Integration. Folgende Äußerung aus Interview Nr. 7 illustriert dies: Polizei wird auch in Verkehrsrechnerzentralen sitzen, da sie die Störungsbeseitigung übernehmen. Drei Experten erwähnen eine technische Integration, so im Interview Nr. 13: Polizeiliche Aufgaben werden immer mehr in die Technik integriert werden, aber organisatorisch immer getrennt bleiben. Tabelle 5.11: Häufigkeiten der Kategorie „Grad der Kooperation zwischen Einsatzentralen der Polizei und Verkehrsrechnerzentralen“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Räumliche Integration: VRZen werden zu integrierten Leitstellen der Verkehrsbeeinflussung und der Polizei.) 3 38 4 44 A2: Technische Integration von Polizei und VRZ bei räumlicher Trennung von VRZ und Einsatzzentralen der Polizei. 4 50 4 44 A3: Die Zersplitterung der Verantwortung verhindert integrierende Ansätze. 1 13 1 11 100 9 100 Summe 111 5 Ergebnisse 5.1 Einflussanalyse und Trendprojektion Vollautomatische Fahrzeugführung von außen Insgesamt liegen neun Nennungen von Experten zur vollautomatischen Fahrzeugführung von außen vor (siehe Tabelle 5.12). Drei Experten erwarten die Einführung einer vollautomatischen Fahrzeugsteuerung mindestens auf Teilnetzen. Folgende Äußerung belegt dies [Interview Nr. 2]: Die Verkehrsgeschwindigkeit wird auf Teilstrecken oder ganz automatisiert sein. Abstand, Geschwindigkeit werden geregelt mit der Zielgröße der maximalen Auslastung des Streckenabschnitts. Die Frage ist, ob die Fahrzeugflotte bis dahin ausgerüstet ist. Aber ein Beginn der Automatisierung ist absehbar. Vier Experten glauben nicht an eine solche Möglichkeit, beispielsweise Interview Nr. 3: . . . kein vollautomatischer Betrieb, wegen Haftung und der Freude am Fahren. Tabelle 5.12: Häufigkeiten der Kategorie „Vollautomatische Fahrzeugführung von außen“ Kategorie Experten Nennungen abs. rel. abs. rel. A1: Geschwindigkeit wird auf Teilstrecken oder ganz automatisiert sein. VRZ gibt bestimmte Fahrparameter vor. 3 43 3 33 A2: Kein zentral geregeltes vollautomatisches Fahren. 4 57 6 67 100 9 100 Summe 112 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung 5.2 Alternativenbündelung In der zweiten Befragungsstufe wurden Experten die Ergebnisse ersten Befragungsstufe, die zehn Deskriptoren, vorgelegt. Sie sollten einerseits die Wahrscheinlichkeit schätzen, mit der ihrer Ansicht nach einzelne Ausprägungen der Deskriptoren eintreten. Andererseits sollten sie die Konsistenz der einzelnen Ausprägungen der Deskriptoren im Paarvergleich schätzen. Die Ergebnisse dieser Befragungsstufe werden in diesem Abschnitt dargestellt. 5.2.1 Ergebnisse der Wahrscheinlichkeitsschätzung Abbildung 5.1 stellt die geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeit der Ausprägungen der Deskriptoren als Übersicht dar (Angaben in Prozent, N = 13). Insgesamt fällt auf, dass diejenigen Deskriptoren, bei denen eine Ausprägung sehr viel wahrscheinlicher geschätzt wurde als die andere, beispielsweise bei D3 , D4 und D1 , die Streuung auch viel kleiner ist. Mit anderen Worten schätzen Experten es einheitlich als sehr wahrscheinlich ein, dass folgende Ausprägungen eintreten: • Der Grad der Kooperation nimmt stark zu (A31 ). • Qualitätsmanagement nimmt in Deutschland stark zu (A41 ). • Eine außengesteuerte, vollautomatische Fahrzeugsteuerung wird nicht eingeführt (A12 ). Insbesondere bei Deskriptoren, bei denen sich die Wahrscheinlichkeit des Eintritts auf beide Ausprägungen annähernd gleich verteilt, liegt eine große Variabilität vor. Das heißt, in diesen Fällen besteht bei den Experten keine Präferenz für einen wahrscheinlicheren Eintritt einer der beiden Ausprägungen. Dies ist beispielsweise der Fall bei den Deskriptoren D2 , D8 und D5 . 113 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Deskriptoren einschließlich ihrer Ausprägungen stellen das überindividuell-gemeinsame der erhobenen Expertenaussagen der ersten Befragungsstufe dar. Eine hohe Wahrscheinlichkeitssumme für beide Ausprägungen eines Deskriptors bedeutet, dass die Ausprägungen der Deskriptoren richtig getroffen wurden. Da die durchschnittlichen Summen der Wahrscheinlichkeiten der Ausprägungen einzelner Deskriptoren sowohl über alle Personen als auch der Deskriptoren selbst durchgängig mindestens 95 % betragen, zeigt sich nach Formel 4.1 die Qualität der Qualitativen Inhaltsanalyse. Damit kann das angewendete Verfahren als der Aufgabenstellung angemessen betrachtet werden. Abbildung 5.2 zeigt die Verteilung der Schätzungen für D1 . Es ist deutlich erkennbar, dass zwei Experten eine von den anderen Experten abweichende Schätzung abgegeben haben. Zehn von dreizehn Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Ausprägung A12 auf mindestens 70 %. Abbildung 5.3 stellt die uneinheitlichste Wahrscheinlichkeitsschätzung der Befragung dar. Sieben Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts für A21 auf mindestens 60 %. Für fünf der Experten gilt das Gegenteil. Sie schätzen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts für A22 auf mindestens 60 %. In Abbildung 5.4 erkennt man die einheitlichste Wahrscheinlichkeitsschätzung. Alle Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von A31 auf mindestens 65 %. Abbildung 5.5 zeigt die Verteilung für D4 . Bis auf zwei Ausnahmen schätzen alle Experten die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von A41 auf mindestens 70 %. Die Wahrscheinlichkeitsschätzungen zu D5 gehen stark auseinander. Abbildung 5.6 zeigt, dass acht Experten die Eintrittswahrscheinlichkeit für A51 auf mindestens 60 % schätzen. Dagegen bewerten die übrigen fünf Experten die Wahrscheinlichkeit für A52 auf 70 %. 114 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung In Abbildung 5.7 besteht überwiegend eine Präferenz für die Ausprägung A61 . Dabei ist eine große Variabilität und zwei deutlich abweichende Wahrscheinlichkeitsschätzungen – jeweils mit über 70 % für A62 – erkennbar. Abbildung 5.8 zeigt die Einschätzungen für D7 . Es besteht ein recht einheitliches Meinungsbild. Sieben Experten schätzen die Eintrittswahrscheinlichkeit für A71 auf mindestens 60 %. Drei Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von A72 auf mindestens 60 %. Abbildung 5.9 zeigt die Verteilung für D8 . Acht Experten schätzen die Eintrittswahrscheinlichkeit für A81 auf mindestens 60 %. Drei Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit für A82 auf mindestens 70 %. Ein Experte enthielt sich. Es fällt auf, dass bestimmte Experten stets Außenseiterpositionen vertreten. Hier wäre eine vertiefte Untersuchung, beispielsweise eine Gruppendiskussion, zu den Gründen interessant, um die Ursachen für ihre Außenseitermeinung zu erfahren. Die Vielfalt in der Gruppe könnte dadurch stärker Ausdruck finden und zu neuen Erkenntnissen führen. Im Kontext dieser Arbeit war dies nicht möglich. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wahrscheinlichkeitsschätzungen der Experten überwiegend eine eindeutige Tendenz zu einer Ausprägung der Deskriptoren zeigen. Zwei Ausnahmen seien hier erwähnt: Sowohl die Trägerschaft, Deskriptor D2 , als auch die Kooperation zwischen Verkehrsrechnerzentralen und Leitstellen der Polizei, D8 , weichen von diesem Bild ab. 115 5 Ergebnisse 116 5.2 Alternativenbündelung Abbildung 5.1: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ausprägungen der Deskriptoren 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Abbildung 5.2: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 1 Abbildung 5.3: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 2 117 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Abbildung 5.4: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 3 Abbildung 5.5: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 4 118 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Abbildung 5.6: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 5 Abbildung 5.7: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 6 119 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Abbildung 5.8: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 7 Abbildung 5.9: Geschätzte Eintrittswahrscheinlichkeiten des Deskriptors 8 120 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung 5.2.2 Ergebnisse der Konsistenzsschätzung Die Ergebnisse der Konsistenzschätzung umfassen 112 Werte der unteren Dreiecksmatrix. Für die Rating-Skala der Konsistenzschätzung wird angenommen, dass es sich um eine Ordinalskala handelt. Viele Autoren in den Sozialwissenschaften kommen zu dem Schluss, Rating-Skalen könne man als intervallskaliert betrachten, wenn man die Befragten detailliert instruiert und die Skalen sorgfältig konstruiert (vgl. etwa bei Bortz [BD05, S. 180]). In dieser Arbeit wird konservativ das niedrigere Skalenniveau für diejenigen Werte vorausgesetzt, welche in späteren Schritten weiterverarbeitet werden. Der Medianwert ist derjenige Wert, von dem alle übrigen Werte im Durchschnitt am wenigsten abweichen. Diese Eigenschaft bestimmt ihn zum besten Repräsentanten der ordinalen Konsistenzschätzungen. Deshalb wurde der Median für die Bündelung der Deskriptoren zu in sich stimmigen Annahmenbündeln weiterverwendet. Die Ergebnisse der Konsistenzschätzung befinden sich in Tabelle 5.13. Um die Variabilität der 112 Werte prägnant und übersichtlich zusammenzufassen, wurden zusätzlich die Mittelwerte und Standardabweichungen in Tabelle 5.14 dargestellt. Standardabweichungen wurden farblich markiert, um die Verteilung über die Mittelwerte in der Konsistenzmatrix hervorzuheben. Insgesamt kann man festhalten, dass die Mittelwerte zwischen −1, 1 und 1, 8 liegen. Meist unterstellen Experten keine starke Konsistenz oder Inkonsistenz. Die überwiegende Mehrheit aller Werte weist geringe Konsistenzwerte, gekoppelt mit geringer Variabilität auf. Die Experten sind sich also einig, dass zwischen diesen Ausprägungen ein geringe Stimmigkeit bzw. Unstimmigkeit besteht. Auffällig hohe Mittelwerte fallen zwischen den Ausprägungen A71 und A41 sowie A41 . Es besteht besonders deutliche Einigkeit unter den Experten, darüber dass eine vollautomatisierte, außengesteuer- 121 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Tabelle 5.13: Konsistenzmatrix als untere Dreiecksmatrix 122 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Tabelle 5.14: Mittelwerte und Standardabweichungen der Konsistenzmatrix te Fahrzeugführung mit Qualitätsmanagement und deutlich stärkerem Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung ins gleiche förderliche Klima passt. Der Deskriptor D2 fällt mehrfach auf. Die Ausprägung A21 1 weist mit beiden Ausprägungen der Deskriptoren D3 2 und D4 3 hohe Beträge und Variabilität auf. Offensichtlich sind sich die Experten uneinig, wie stimmig die privatwirtschaftlich organisierte Trägerschaft mit Qualitätsmanagement und mit dem Kooperationsgrad zwischen verkehrssteuernden Zentralen ist. Abbildung 5.10 zeigt, dass die Mehrheit der Experten eine deutliche Inkonsistenz zwischen den Ausprägungen A21 und A32 sieht, während zwei Experten keinen Zusammenhang erkennen und zwei Experten Konsistenz bewerten. Umgekehrt verhält es sich mit den Ausprägungen A21 und A31 . Bis auf einen Experten stimmen alle Experten darin überein, dass die beiden Ausprägungen konsistent zueinander sind. Zwei Experten sehen keinen Zusammenhang. 1 privatwirtschaftliche Trägerschaft Kooperationsgrad zwischen verkehrssteuernden Zentralen 3 Qualitätsmanagement 2 123 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung Abbildung 5.11 stellt einen ähnlichen Zusammenhang dar. Derselbe Experte weicht von der allgemeinen Meinung, die mit sieben Maximalwerten noch eindeutiger ausfällt, bezogen auf A21 und A41 sowie A21 und A42 ab. Auch hier sehen wenige Experten keinen Zusammenhang. Die Konsistenz zwischen den Ausprägungen A11 und A71 wird in Abbildung 5.12 ersichtlich. Auch hier weicht ein Experte von der Mehrheitsmeinung ab, zwei Experten sehen keinen Zusammenhang. Ursache für alle drei Auffälligkeiten stellt also die gegenläufige Meinung eines einzelnen zusammen mit mehreren Experten, die keinen Zusammenhang erkennen, gegenüber einer Mehrheit dar, die recht eindeutig für (In-)Konsistenz votiert. Etwas anders sieht das Meinungsbild in Abbildung 5.13 aus. Hier sieht die Mehrheit eine deutliche Konsistenz zwischen den Ausprägungen A41 und A71 , während gleichzeitig eine große Gruppe von Experten keinen Zusammenhang sieht. Insgesamt bewerten Exper3 2 Konsistenz 1 0 Exp.-Nr. 9 Exp.-Nr. 5 Exp.-Nr. 20 Exp.-Nr. 1 Exp.-Nr. 12 Exp.-Nr. 17 Exp.-Nr. 2 Exp.-Nr. 19 Exp.-Nr. 8 Exp.-Nr. 14 -1 -2 -3 Abbildung 5.10: Konsistenzschätzung für A21 und A31 sowie A32 124 (A21; A31) (A21; A32) 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung 3 2 Konsistenz 1 0 Exp.-Nr. 9 Exp.-Nr. 5 Exp.-Nr. 20 Exp.-Nr. 1 Exp.-Nr. 12 Exp.-Nr. 16 Exp.-Nr. 17 Exp.-Nr. 2 Exp.-Nr. 19 Exp.-Nr. 8 Exp.-Nr. 14 (A21; A41) (A21; A42) -1 -2 -3 Abbildung 5.11: Konsistenzschätzung für A21 und A41 sowie A42 3 2 Konsistenz 1 0 (A11; A71) Exp.-Nr. 9 Exp.-Nr. 5 Exp.-Nr. 20 Exp.-Nr. 1 Exp.-Nr. 12 Exp.-Nr. 16 Exp.-Nr. 17 Exp.-Nr. 2 Exp.-Nr. 19 Exp.-Nr. 8 Exp.-Nr. 14 -1 -2 -3 Abbildung 5.12: Konsistenzschätzung für A11 und A71 125 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung 3 2 Konsistenz 1 0 (A41; A71) Exp.-Nr. 9 Exp.-Nr. 5 Exp.-Nr. Exp.-Nr. 1 Exp.-Nr. 20 12 Exp.-Nr. 16 Exp.-Nr. 17 Exp.-Nr. Exp.-Nr. 2 Exp.-Nr. 10 19 Exp.-Nr. 14 Exp.-Nr. 21 -1 -2 -3 Abbildung 5.13: Konsistenzschätzung für A41 und A71 ten die Konsistenz weitgehend übereinstimmend. Die Verteilung der Mittelwerte und Streuungen der Konsistenzschätzungen ergibt keine Fälle, bei denen sich zwei Meinungslager in Extrempositionen gegenüberstehen. Nur sechs der 112 Werte ergaben auffällige Unstimmigkeiten. Diese Einzelfälle basieren – mit der Ausnahme der genannten Außenseitermeinungen – auf einer unterschiedlichen Einschätzung darüber, ob ein Zusammenhang zwischen zwei Ausprägungen besteht oder nicht. Interessant für diese auffälligen Werte wäre eine vertiefende Untersuchung, um die Hintergründe der unterschiedlichen Einschätzung besser zu beleuchten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die folgenden Arbeitsschritte auf einem breiten Fundament der Übereinstimmung unter den befragten Experten basieren . 126 5 Ergebnisse 5.2 Alternativenbündelung 5.2.3 Ergebnisse der Berechnung und Auswahl von Szenarien Es wurden alle 28 Szenarien vollständig enumeriert. Aus der Menge der 256 berechneten Szenarien gilt es, dasjenige Szenario herauszufiltern, auf das sich die nachfolgenden Arbeitsschritte konzentrieren sollen. Es wurde eine Rangliste mit absteigender Konsistenz erstellt. Tabelle 5.15 zeigt die zehn höchsten Rangplätze. Die dargestellten Konsistenzsummen berechnen sich aus der paarweisen Konsistenz der beiden Ausprägungen, normalisiert mit der Anzahl der kritischen Deskriptoren auf der Skala [−3; 3]. Für jedes Szenario lässt sich eine Wahrscheinlichkeit aus der Multiplikation der Einzelwahrscheinlichkeiten der Ausprägungen eines Szenarios errechnen. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Ausprägungen von einander unabhängige Ereignisse sind, wird das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten nicht angegeben. Zur Orientierung dient hier eine grafische Darstellung als Anhaltspunkt. Die maximale Balkenlänge wurde mit acht „+“-Zeichen auf das Szenario mit der höchsten Wahrscheinlichkeit normiert. Da es das Ziel ist, das konsistenteste wahrscheinliche Szenario auszuwählen, wurde das Szenario Nummer 5 ausgewählt. Alle anderen Tabelle 5.15: Konsistenz, Wahrscheinlichkeit und Ausprägungen der Rangplätze 1 bis 10 der Szenarioberechnung Nr. Konsistenz 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0,79 0,75 0,71 0,68 0,57 0,54 0,54 0,50 0,50 0,50 Wahrscheinlichkeit ++++ +++ +++ ++ ++++++++ ++ ++ ++ ++ +++ 127 Ausprägungen 1a, 2a, 3a, 4a, 5a, 6a, 7a, 8a 1a, 2a, 3a, 4a, 5b, 6a, 7a, 8a 1a, 2a, 3a, 4a, 5a, 6a, 7a, 8b 1a, 2a, 3a, 4a, 5b, 6a, 7a, 8b 1b, 2a, 3a, 4a, 5a, 6a, 7a, 8a 1a, 2a, 3a, 4a, 5a, 6b, 7a, 8a 1a, 2b, 3a, 4a, 5b, 6a, 7a, 8a 1a, 2a, 3a, 4a, 5a, 6b, 7a, 8b 1a, 2a, 3a, 4a, 5b, 6b, 7a, 8a 1a, 2b, 3a, 4a, 5a, 6a, 7a, 8a 5 Ergebnisse 5.3 Anforderungsanalyse Szenarien, deren Rangplatz kleiner ist, verwenden die Ausprägung A11 . Abbildung 5.1 zeigt, dass Experten diese Ausprägung für eher unwahrscheinlich halten. Daher wurde keines dieser Szenarien gewählt. 5.3 Anforderungsanalyse Die folgenden Abbildungen zeigen den Anforderungsgrad für die einzelnen Fähigkeiten auf der siebenstufigen Skala. Dabei sind die Items auf der Ordinate, der Ausprägungsgrad auf der Abszisse abgetragen. Niedrige Werte bedeuten, dass aus Sicht der Verkehrsoperatoren die Erfordernis der jeweiligen Fähigkeit oder Fertigkeit in der bewerteten Arbeitsumgebung niedrig eingeschätzt wird. Es wird davon ausgegangen, dass höhere Anforderungen eine zusätzliche Belastung der Verkehrsoperatoren mit sich bringen und somit zur Beanspruchungssteigerung beitragen können. Bei einer ausreichend großen Stichprobe kann davon ausgegangen werden, dass sich individuelle Anteile des Beanspruchungserlebens, das durch die Anforderungen verursacht wird, herausmitteln. Fleishman und Mitarbeiter gehen davon aus, dass dies ab einer Stichprobengrößen n = 20 gewährleistet ist [FR92]. Die Ergebnisse dieser Arbeit müssen daher vorsichtig interpretiert werden, da die Besetzung knapp ist. Da die Hypothesen sich auf die verschiedenen Fähigkeitsklassen beziehen, ist auch die Darstellung der Ergebnisse in diesem Sinne strukturiert. Signifikante Ergebnisse sind gekennzeichnet, das Signifikanzniveau liegt bei 5 % (p < 0, 05). Abbildung 5.14 stellt die Unterschiede für die Fähigkeitsbereiche im Überblick dar. Die Anforderungen im Szenario 2020 werden deskriptiv für alle Fähigkeitsklassen höher eingestuft. Am deutlichsten unterscheiden sich die sensorischen Fähigkeiten. Der geringste Unterschied liegt im Fähigkeitsbereich Wissen und Fertigkeiten. 128 5 Ergebnisse 5.3 Anforderungsanalyse Wissen und Fertigkeiten Interaktive und soziale Fähigkeiten Sensorische Fähigkeiten Psychomotorische Fähigkeiten Kognitive Fähigkeiten 0 1 2 3 2005 4 5 6 7 Szenario 2020 Abbildung 5.14: Mittelwerte und Standardabweichungen über Fähigkeitsklassen Abbildung 5.15 zeigt die Ergebnisse für die kognitiven Fähigkeiten. Entsprechend der Hypothese werden für das Szenario 2020 bis auf zwei Ausnahmen – „Problemwahrnehmung“ und „mündlicher Ausdruck“ – alle Fähigkeiten bedeutsamer eingeschätzt. Insbesondere die Skalen „Räumliches Vorstellungsvermögen“, „Flexible Mustererkennung“, „Kategorienflexibilität“, „Ordnen von Informationen“, „Umgang mit Zahlen“, „Mathematisches Schlussfolgern“, „Originalität“ und „Ideenreichtum“ unterschieden sich signifikant. Die Ergebnisse sprechen bezogen auf die kognitiven Fähigkeiten für die Annahme der Arbeitshypothese. Alle Anforderungen an die psychomotorischen Fähigkeiten im Szenario 2020 übertreffen die der Arbeitsumgebung des Jahres 2005 (siehe Abbildung 5.16). Leicht entlastet fühlten sich die Verkehrsoperatoren entgegen der Hypothese nur bezüglich der Fähigkeit „Motorische Präzision der Gerätebedienung“. Die Anforderungen an die 129 5 Ergebnisse 5.3 Anforderungsanalyse Abbildung 5.15: Anforderungen an kognitive Fähigkeiten im Vergleich „Geschwindigkeit von Gliedmaßen und Hand / Finger“, „Stabilität / Ruhe der Arm- / Handbewegung“ und die „Kontrolle über Geschwindigkeitsveränderungen“ stiegen signifikant an. Die Ergebnisse sprechen bezogen auf die psychomotorischen Fähigkeiten eher für die Annahme der Arbeitshypothese. Abbildung 5.17 zeigt die Ergebnisse in der Fähigkeitsklasse „sensorische Fähigkeiten“. Erwartungsgemäß erleben Verkehrsoperatoren die Anforderungen an das visuelle und auditive System im Szenario 2020 als höher. Einzige Ausnahme bildet eine leicht reduzierte Anforderung an „Klarheit der Sprache“. Signifikante Unterschiede ergaben sich für alle übrigen Anforderungen bis auf „Spracherkennung“, „Fernsicht“ und „Nahsicht“. Insgesamt wurden die Anforderungen in der Klasse der sensorische Fähigkeit im Durchschnitt bemerkenswert hoch eingeschätzt. In der Gruppe der interaktiven und sozialen Skalen gibt es eher uneinheitliche Tendenzen. Einige Subskalen zeigen für das Szena- 130 5 Ergebnisse 5.3 Anforderungsanalyse Abbildung 5.16: Anforderungen an psychomotorische Fähigkeiten im Vergleich Abbildung 5.17: Anforderungen an sensorische Fähigkeiten im Vergleich 131 5 Ergebnisse 5.3 Anforderungsanalyse rio 2020 niedrigere Anforderungen. Im Vergleich zur Arbeitsumgebung 2005 fällt der Wert in „Stressresistenz“, „Selbsteinschätzung“, „Widerstandsfähigkeit“; in „Kommunikation“ sogar signifikant. In „Entscheidungsfindung“, „Vermeidung vorschneller Entscheidungen“, „Situationsbewußtsein“ und „Führung“ stieg er signifikant an (Abbildung 5.18). Die gegenläufigen Tendenzen sprechen für eine Ablehnung der Arbeitshypothese. Bezüglich der Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten geben die Verkehrsoperatoren für das Szenario 2020 mit Ausnahme der Skala „Rechtschreibung“ in allen Skalen die Verkehrsoperatoren deskriptiv höhere Werte an (Abbildung 5.19). Dagegen zeigt nur die Skala „Elektrik-/Elektronikkentnisse“ eine signifikante Zunahme. Trotz der geringen statistischen Evidenz scheint sich für die Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten deskriptiv die H1 zu bestätigen. Abbildung 5.18: Anforderungen an interaktiv-soziale Fähigkeiten im Vergleich 132 5 Ergebnisse 5.3 Anforderungsanalyse Abbildung 5.19: Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten im Vergleich 133 6 Diskussion und Ausblick Der vorherige Abschnitt stellt die Ergebnisse der Anforderungsmessungen für Verkehrsoperatoren in vier Verkehrsrechnerzentralen für die aktuelle und zukünftige Arbeitsumgebung vergleichend dar. Im folgenden Abschnitt 6.1 werden die unterschiedlichen Anforderungen erst allgemein, dann für die verschiedenen Fähigkeitsklassen diskutiert. Abschnitt 6.2 gibt einen Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf. 6.1 Diskussion Die hier dargestellte Untersuchung hat zum Ziel, die Veränderungen der Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen Deutschlands auf empirischer Basis abzuschätzen. Zwölf Schlussfolgerungen werden im Folgenden aus den Ergebnissen gezogen. Es fanden bislang keine Anforderungsanalysen zu zukünftigen Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen statt. Jede Veränderung der technischen Umgebung führt zu Veränderungen der Anforderungen an Verkehrsoperatoren. Erkennt man in einem frühen Stadium diese Auswirkungen, können technische, organisatorische oder personalpsychologische Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Deshalb empfehlen sich strategische Untersuchungen der Anforderungen. Als erste Schlussfolgerung lässt sich 134 6 Diskussion und Ausblick 6.1 Diskussion daraus ableiten, dass es machbar und notwendig ist, langfristige Szenarien, die mit Hilfe der Szenario-Technik erarbeitet werden, bei Anforderungsanalysen zu erstellen. Zweitens steigen gerade die gegenwärtig höchsten Anforderungen in der Projektion besonders an. Dies zeigt der Vergleich der zehn höchsten Anforderungen der beiden Befragungen (siehe Tabelle 6.1). Mit Ausnahme der höchsten Anforderung, „Stressresistenz“, die leicht sinkt, steigen alle anderen neun Anforderungen deutlich an. Der Unterschied auf Rangplatz zehn macht sogar einen halben Skalenpunkt aus. Der absolute Betrag des zehnten Rangplatzes des Szenarios 2020 würde sich als Rangplatz fünf unter aktuellen Bedingungen einordnen. Damit steigt die Bedeutung von systematischer Auswahl und Ausbildung des Personals weiter an. Tabelle 6.1: Vergleich der zehn höchsten Anforderungen Anforderungen 2005 Anforderungen 2020 1 Stressresistenz 5,88 Stressresistenz 5,71 2 Kommunikation 5,65 Mehrfacharbeit 5,65 3 Mehrfacharbeit 5,53 Selektive Aufmerksamkeit 5,35 4 Selektive Aufmerksamkeit 5,35 Teamfähigkeit 5,35 5 Problemwahrnehmung 5,00 Karten lesen 5,35 6 Geschwindigkeit der Mustererkennung 5,00 Entscheidungsfindung 5,29 7 Teamfähigkeit 4,94 Vermeidung vorschneller Entscheidungen 5,24 8 Karten lesen 4,94 Geschwindigkeit der Mustererkennung 5,18 9 Verhaltensflexibilität 4,82 Kommunikation 5,18 Mündlicher Ausdruck 4,59 Wahrnehmungsgeschwindigkeit 5,00 10 135 6 Diskussion und Ausblick 6.1 Diskussion Drittens zeigt der Vergleich der zehn höchsten Anforderungen nicht nur eine Erhöhung, sondern auch eine Veränderung des Anforderungsprofils. Sieben der zehn höchsten Anforderungen – „Stressresistenz“, „Kommunikation“, „Mehrfacharbeit“, „Selektive „Aufmerksamkeit“, „Geschwindigkeit der Mustererkennung“, „Teamfähigkeit“ und „Karten lesen“ – befinden Verkehrsoperatoren sowohl unter aktuellen als auch unter zukünftigen Bedingungen als stark anfordernd. Anstelle von „Problemwahrnehmung“, „Verhaltensflexibilität“ und „Mündlicher Ausdruck“ befinden sich im Szenario 2020 „Entscheidungsfindung“, „Vermeidung vorschneller Entscheidungen“ und „Wahrnehmungsgeschwindigkeit“ unter den zehn höchsten Anforderungen. Verkehrsoperatoren schätzten die Anforderungen an kognitive Fähigkeiten im Szenario 2020 gegenüber aktuellen Bedingungen als höher ein. Die Arbeitshypothese, dass das Szenario 2020 die mentale Belastung aus der Verkehrsoperatorenaufgabe steigert, wurde durch die Mehrzahl der Verkehrsoperatoren gestützt. Besonders deutlich war dieser Befund für die Anforderungen „Ideenreichtum“, „mathematisches Schlussfolgern“ und „Kategorienflexibilität“. Die kognitiven Anforderungen bilden im Szenario 2020 die höchste Herausforderung des Verkehrsoperatorenberufes, was an den generell hohen Werten der Fähigkeitserfordernis in dieser Fähigkeitsklasse deutlich wird. Eine vierte Schlussfolgerung betrifft die menschliche Kapazitätsgrenze. Die Entlastung der mentalen Kapazität durch Entscheidungsunterstützungssysteme, bessere Vorausplanung und weniger Zeitdruck wird damit eine zentrale Aufgabe moderner Verkehrsleittechniksysteme. Die Beanspruchungsgrenze der Verkehrsoperatoren, welche durch ihre maximale kognitive Kapazität determiniert wird, kann zum limitierenden Faktor der Verkehrsbeeinflussung werden. Um den zukünftigen Herausforderungen, die insbesondere in den weiter wachsenden verkehrstechnischen Anlagen liegen, zu begegnen, müssen die künftigen technischen Möglichkeiten die 136 6 Diskussion und Ausblick 6.1 Diskussion mentale Beanspruchung der Verkehrsoperatoren in der Zukunft reduzieren. Es empfiehlt sich eine einheitliche, systematische und methodisch abgesicherte Personalauswahl und Weiterbildung anstelle des jeweiligen Ermessens der Verantwortlichen und der Ausbildung am Arbeitsplatz. Fünftens kann das Situationsbewußtsein durch die zunehmende technische Unterstützung, die dem Verkehrsoperator zur Verfügung steht, schnell erlahmen. Der statistische Unterschiedstest zeigt systematische Unterschiede zwischen Messungen dieses Items (siehe Abbildung 5.18). Verkehrsoperatoren sammeln und interpretieren Daten. Die Verfügbarkeit von Verkehrsdaten nimmt stark zu, Systeme stellen dem Operator zunehmend vorprozessierte Daten zur Verfügung, Systeme übernehmen heutige Kernaufgaben, etwa das Beobachten des Verkehrsflusses. Je mehr Aufgaben das System erledigt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die mentale Repräsentation und das Verständnis der Ereignisse, Akteure, Systemzustände und Interaktionen des Verkehrsoperators abnimmt. Es sind daher Anstrengungen insbesondere in regelmäßigen Weiterbildungen nötig, welche sich aus diesen Anforderung ableiten. Sechstens schätzten die Verkehrsoperatoren psychomotorische Fähigkeiten, also diejenigen Fähigkeiten, welche mit Anforderungen an Geschicklichkeit und Bewegungsaufwand von Händen, Fingern und Gelenken verbunden sind, unter zukünftigen Bedingungen höher ein. Die große Vielfalt an neuen Entscheidungsunterstützungsfunktionen und Darstellungsoptionen fordern psychomotorische Fähigkeiten stärker als die alte Arbeitsumgebung. Die relevanten Informationen werden zunehmend über Maus-Klick verarbeitet. Dadurch werden kognitive Prozesse mit Fortschreiten der Technik zunehmend in motorische Reaktionen umgesetzt. Diese Entwicklung verlangt nach einem angemessenen Training vor der Einführung neuer Systeme. 137 6 Diskussion und Ausblick 6.1 Diskussion Siebtens wurden künftige Anforderungen in der Fähigkeitsklasse der sensorischen Fähigkeiten fast durchgängig höher eingeschätzt als unter aktuellen Bedingungen. Sowohl bei den visuellen als auch bei den auditiven Anforderungen zeigten sich Steigerungen der Anforderungen in den entsprechenden Skalen. Auch in den statistischen Unterschiedstests konnten systematische Hinweise gefunden werden, welche die Arbeitshypothese stützten. Es ist anzuraten, dass die besondere Beanspruchung der Augen bei der Gestaltung zukünftiger Systeme ebenso wie bei der Pausen- und Schichtregelung berücksichtigt wird. Die zunehmenden Belastungen durch intensivere Bildschirmarbeit und Entscheidungsfähigkeit verlangen vom Verkehrsoperator ein größeres Bewusstsein für seine physischen und psychischen Leistungsgrenzen. Ermüdung, ermüdungsähnliche Zustände (Monotonie, herabgesetzte Wachsamkeit, Sättigung) und Stress können nicht nur die Gesundheit der Mitarbeiter, sondern auch die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems beeinträchtigen. Der Verkehrsoperator muss rechtzeitig bemerken und reagieren, wenn die äußere Belastung zu einer inneren Überbeanspruchung führt. Dieses Bewusstsein muss durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt werden. Die Ergebnisse der Befragung bezüglich interaktiver und sozialer Fähigkeiten zeigten keine eindeutige Tendenz. Anforderungen, die mit sprachlicher Kommunikation zusammenhängen, geben die Befragten für das Szenario 2020 niedriger als unter aktuellen Bedingungen an. Zu diesen Anforderungen gehören etwa „Kommunikation“ und „Widerstandsfähigkeit“. „Kommunikation“ befindet sich weiterhin unter den zehn höchsten Anforderungen. Vermutlich führt die verstärkte technische Integration verschiedener Zentralen – der benachbarten Verkehrsrechnerzentralen und Verkehrsleitzentralen – sowie die angenommene räumliche Integration mit Leitstellen der Polizei zu einer als geringer empfundenen Anforderung an die Kommunikation. Die Befragten stellen eine deutliche Steigerung der Anforderungen, die mit Entscheidungen zusammenhän- 138 6 Diskussion und Ausblick 6.1 Diskussion gen, fest. Zu diesen Anforderungen gehören etwa „Entscheidungsfindung“ und „Vermeidung vorschneller Entscheidungen“ sowie „Situationsbewußtsein“. Dies führt achtens zur Schlussfolgerung, dass sich das Berufsbild des Verkehrsoperators weg vom „Überwacher“ hin zum „Entscheider“ verändert. Die hohe Bedeutung der interaktiven und sozialen Fähigkeiten bestätigt die Annahme, dass nicht-fachspezifische Fähigkeiten wie Kooperation, Teamfähigkeit, Kommunikation, Verhaltensflexibilität zentrale Anforderungen darstellen. „Stressresistenz“ belegt den höchsten Skalenwert aller Skalenwerte sowohl für aktuelle als auch das zukünftige Anforderungen. Allerdings gelten die interaktiven und sozialen Skalen noch als Forschungsskalen. Die Entwickler des Verfahrens sehen diese Skalen noch nicht als ausreichend evaluiert an [FR92]. Neuntens lässt sich einerseits aus der hohen Bedeutung der interaktiven und sozialen Fähigkeiten schlussfolgern, dass nicht-fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten stärker bei Auswahl, Aus- und Weiterbildung berücksichtigt werden sollten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Anforderungen in diesem Bereich insgesamt steigen. Kontrastiert man diese Erkenntnis mit der gegenwärtigen Praxis der Personalarbeit, welche die Sozialkompetenz der Mitarbeiter kaum berücksichtigt, kann man diese Forderung nur nachdrücklich unterstreichen. Zehntens bedarf die von Experten genannte zunehmende Kommunikation und Kooperation zwischen Verkehrsrechnerzentralen, aber insbesondere mit anderen Stellen der Verkehrsbeeinflussung, Steuerung oder Information eines vertieften Verständnisses der eigenen Rolle sowie der Rolle und Ziele der anderen Kooperationspartner, um die Bereitschaft und Fähigkeit, relevante Information auszutauschen, zu erhöhen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die richtige Information über das richtige Kommunikationsmedium an den richtigen Empfänger zur richtigen Zeit gelangt. So wie die koordinierte Zusammenarbeit mehrerer Akteure und Gruppen zunimmt, sollte 139 6 Diskussion und Ausblick 6.1 Diskussion auch das Bewusstsein für andere Akteure und Gruppen zunehmen. Auch auf diese Veränderung sollte mit einer fachlich fundierten Ausbildung oder einem FH-Studium reagiert werden. Die Anforderungen der Fähigkeitsklasse „Wissen und Fähigkeiten“ gaben die Befragten für das Szenario 2020 höher an. Damit bestätigen sie, dass sich wesentliche Unterschiede in den eigentlichen Berufscharakteristika – beispielsweise zunehmende lokale Automatisierung, Einsatz von Entscheidungsunterstützungssystemen – feststellen lassen. Aus den beiden genannten Veränderungen dieser Berufscharakteristika lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: Elftens erhöht einerseits eine zunehmende lokale Automatisierung die Fristigkeit des Handlungshorizonts von Verkehrsoperatoren. Fertigkeiten und Wissen über strategische – anstelle von operativen oder taktischen – Maßnahmen des dynamischen Verkehrsmanagements sollten zunehmend vertieft werden. Ein standardisierter Ausbildungsgang oder ein FH-Studium, welche sich speziell auf das dynamische Verkehrsmanagement konzentrieren, könnte eine angemessene Antwort sein. Die gängige Praxis, neue Mitarbeiter aus dem vorhandenen Personalüberhang zu rekrutieren, kann keine Lösung für die Zukunft sein, weil es unwahrscheinlich ist, dass sich geeignete Bewerber in der Auswahl befinden. Zwölftens verlangt andererseits der zunehmende Einsatz von Entscheidungsunterstützungssystemen nach Fertigkeiten und Wissen im Hinblick auf die Verwendung vorprozessierter Informationen und moderner Werkzeuge der Planung und Überwachung sowie automatischer Detektion und Reaktion auf Störungen. Die Bedeutung von Störungsmanagement und Diagnosekompetenz nimmt zu. Strukturwissen – Fakten über Funktion und Organisation des Systems – und Steuerungswissen, also Kenntnisse über Prozeduren für Inputs, werden zunehmend wichtig, weil nur so sichergestellt werden kann, dass Verkehrsoperatoren bei steigender Komplexität des Sys- 140 6 Diskussion und Ausblick 6.2 Ausblick tems den sicheren Betrieb gewährleisten können. Verkehrsoperatoren diagnostizieren und reagieren auf Fehler im System. Sie müssen die Fehler rechtzeitig identifizieren, um die entsprechenden Maßnahmen, beispielsweise die Alarmierung der entsprechenden Wartungskräfte, einzuleiten. Diagnosekompetenz und kognitive Flexibilität, also Interpretationsvariabilität, Sachverhalte im Lichte unterschiedlicher Konzepte zu beurteilen, Analyseebenen zu wechseln – etwa abstrakt-konkret – Strategiewechsel vorzunehmen (z. B. datenzielorientiert), stellen daher zunehmend Fertigkeiten dar, die gefördert werden müssen. Kognitive Trainingsmethoden zur Förderung diagnostischer Problemlösefähigkeit, etwa durch heuristische Regeln und Selbstreflexionstechniken, werden zunehmend relevant.1 Zusammenfassend für diesen Abschnitt lassen sich drei Punkte festhalten. Erstens zeigt sich eine Verschiebung des Berufsbildes einerseits von einer operativen zu einer eher strategischen Tätigkeit, andererseits von einer Überwachungstätigkeit hin zum Bewerten, Beurteilen und Beschließen. Zweitens steigen die aktuell höchsten Anforderungen, insbesondere die kognitiven Anforderungen, an. Damit steigt drittens ihre Relevanz für systematische Personalauswahl, platzierung und Weiterbildung, weil die kognitiven Anforderungen als die zentrale Herausforderung an Verkehrsoperatoren zum limitierenden Faktor des Mensch-Maschine-Systems werden können. 6.2 Ausblick Als Hinweis zum weiteren Forschungsbedarf soll an dieser Stelle festgehalten werden: Aus allen denkbaren Szenarien wurde ein konsistentes, wahrscheinliches Szenario, das Szenario 2020, ausgearbeitet. Ein Hauptgedanke der Szenario-Technik, mehrere alternative Szenarien zu beleuchten und die Auswirkungen – hier auf die 1 siehe hierzu die einschlägigen Arbeiten von Schaper und Sonntag [SS95, Sch95a, SS97] 141 6 Diskussion und Ausblick 6.2 Ausblick Anforderungen an Verkehrsoperatoren – herauszuarbeiten, wurde in dieser Arbeit aus forschungspraktischen Gründen nicht verwirklicht. Es wurde ein Szenario, basierend auf Expertenmeinungen zur Konsistenz und Wahrscheinlichkeit der Ausprägungen der Deskriptoren ausgearbeitet. Alternative, hier nicht beleuchtete Szenarien, welche die konkrete Einführung neuer Technologien berücksichtigen, können erst mit Sicherheit erstellt werden, wenn verbindliche Maßnahmenpläne vorliegen. Auf der Grundlage dieser erweiterten Wissensbasis könnten Anforderungsanalysen zu neuen Erkenntnissen führen. Ein zweiter Hinweis betrifft die Anforderungsmessung im gewählten Szenario. Es wurde eine Anforderungsanalyse auf der Ebene der Eigenschaften durchgeführt. Eine wesentliche Voraussetzung der Anforderungsanalyse des hier verfolgten Ansatzes der Fähigkeitserfordernis stellt die Vertrautheit der Beurteiler mit der Aufgabe dar [FR92]. In dieser Arbeit wurde angenommen, dass die Darstellung der zukünftigen Arbeitsumgebung im Szenario 2020 als Grundlage für die Anforderungsmessung ausreicht. Simulationsstudien könnten die hier erarbeiteten Ergebnisse durch eine ausreichende Trainingszeit in der Simulationsumgebung, beispielsweise im Rahmen der Entwicklung der bundeseinheitlichen Verkehrsrechnerzentrale, validieren. Ein dritter Hinweis betrifft die gewählte Zeitspanne. Es ist wichtig zu unterstreichen, dass diese Arbeit prospektiv ist. Es wird zwar angenommen, dass das entwickelte Szenario für Verkehrsoperatoren im Jahr 2020 gültig sein kann. Die Einführung neuer Technologien kann mit Sicherheit in manchen Fällen vorhergesagt werden, z. B. wenn verbindliche Maßnahmenpläne vorliegen. Dennoch können genaue Aussagen über die exakten Anforderungen an Verkehrsoperatoren erst bei dem tatsächlichen Einsatz dieser Technologien getroffen werden. Sollte sich die angestrebte nationale Standardisierung in Form der bundes-einheitlichen VRZ durchsetzen, könnte eine groß angelegte Untersuchung (evtl. eine durch das Bundesminis- 142 6 Diskussion und Ausblick 6.2 Ausblick terium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beauftragte Studie mit Empfehlungscharakter) die Ergebnisse dieser Arbeit validieren. Die Auswahl der Probanden sollte auf alle Verkehrsrechnerzentralen ausgedehnt werden, die heute in Betrieb sind. Die F-JAS-Methode sollte auf europäischer Ebene angewendet werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Arbeitspositionen sowie Konsequenzen für die Normierungsarbeit für Arbeitsplatzgestaltung, Aus- und Weiterbildung zu benennen. 143 7 Zusammenfassung Die Ergebnisse verschiedener Studien belegen, dass Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen heute in relevanter Höhe für eine einheitliche und systematische Personalauswahl und Training vorliegen. Die Entwicklung des Arbeitsplatzes von Verkehrsoperatoren ist geprägt von einer ständigen Erweiterung der Eingriffsmöglichkeiten. Die neuen technischen Eingriffsmöglichkeiten können mehr Aufgaben, mehr Verantwortung und mehr Stress mit sich bringen. Die technischen Entwicklungen lassen vermuten, dass die Anforderungen an Verkehrsoperatoren weiter steigen. Trotz dieser zunehmenden Relevanz lagen über die Entwicklung der Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Deutschland bislang keine Forschungsergebnisse vor. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Auswirkungen einer veränderten Arbeitsumgebung auf die Anforderungen an Verkehrsoperatoren zu untersuchen. Der Untersuchungsansatz besteht in einer empirischen Untersuchung der Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen. Es wurden in vier Verkehrsrechnerzentralen Anforderungsanalysen unter aktuellen und zukünftigen Arbeitsbedingungen durchgeführt. Um zukünftige Anforderungen zu ermitteln, wurde mit Hilfe der Szenario-Technik ein Szenario für das Jahr 2020 erstellt, welches den zukünftigen Arbeitsplatz und die zukünftigen Arbeitsaufgaben darstellt. Es wurden Einflussfaktoren auf die Arbeitsaufgaben und den Arbeitsplatz in Experteninterviews erhoben und mit der 144 7 Zusammenfassung Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring analysiert. Hauptsächliche Einflussfaktoren auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben liegen vor allem im organisatorischen Umfeld und im Umfeldbereich Technik. Im Bereich Technik benennen Experten vor allem die Einflussfaktoren Verfügbarkeit von Verkehrsdaten, Aus- und Neubau von verkehrstechnischen Anlagen, automatische Fahrzeugsteuerung von außen und den Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung. Im Umfeld Organisation stehen für Experten die Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen, die Integration individueller Zielführungssysteme als Instrument des Verkehrsmanagements, Qualitätsmanagement und die Koorperation zwischen Einsatzzentralen und Verkehrsrechnerzentralen im Vordergrund. Ebenfalls unter den am häufigsten genannten Einflussfaktoren befinden sich die Verkehrsleistung von LKW und die Trägerschaft der Verkehrsrechnerzentralen. Einflussfaktoren können in der Zukunft mehrere denkbare Ausprägungen haben. Beispielsweise kann der Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung zu- oder abnehmen. Experten äußern sich uneinheitlich zu denkbaren zukünftigen Ausprägungen von acht der zehn Einflussfaktoren. Der Status-quo der Einflussfaktoren und die unterschiedlichen zukünftigen Ausprägungen der zehn am häufigsten genannten Einflussfaktoren wurde in alternativen Ausprägungen so genannter Deskriptoren beschrieben. Experten bewerteten die Konsistenz und die Eintrittswahrscheinlichkeit der unterschiedlichen Ausprägungen. Es wurde die Konsistenz und die Wahrscheinlichkeit aller denkbaren Szenarien berechnet. Unter den Szenarien mit der höchsten Konsistenz wurde ein Szenario ausgewählt, welches nach Expertenansicht besonders wahrscheinlich ist. Dieses Szenario wurde ausgearbeitet und Verkehrsoperatoren präsentiert. Unter Anwendung der Fleishman Job Analysis Survey (F-JAS) beantworteten 17 erfahrene Verkehrsoperatoren 68 Items zur Erfassung der Anforderungen bei der Arbeit unter den angenommenen Bedingungen des Szenarios. 145 7 Zusammenfassung Die Ergebnisse weisen einen Anstieg der Anforderungen für alle erhobenen Fähigkeitsklassen – kognitive, psychomotorische, sensorische, interaktive und soziale Fähigkeiten sowie Wissen und Fertigkeiten – auf. Die weitaus größte Erfordernis für Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen ergibt sich auch in der Zukunft für kognitive sowie interaktive und soziale Fähigkeiten. Die Zunahme der Verfügbarkeit von Verkehrsdaten sowie der Anzahl von verkehrstechnischen Anlagen und der Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung führen zu einer Steigerung der kognitiven Anforderungen. Entscheidungshilfen und optimierte Kommunikationsflüsse durch die verstärkte Kooperation und Integration verbessern die Möglichkeiten der Vorausplanung und vermindern in der aktuellen Arbeitssituation den Zeitdruck für die Mitarbeiter. Kritische Situationen wie etwa Kapazitätsengpässe können daher schon vor ihrer Entstehung erkannt und vermieden werden. Dennoch führen diese Entwicklungen zur Steigerung von Komplexität und Dynamik des Arbeitsablaufs und damit zu steigenden Anforderungen, weil Verkehrsoperatoren gefordert sind, Situationen zu bewerten, Maßnahmen zu beurteilen und Strategien zu beschließen. Damit verändert sich der Charakter der Operatorenaufgabe. An die Stelle des Verkehrsoperators, durch den Überwachung und Beobachtung gewährleistet wird, tritt ein Entscheidungsträger, der bewertet, beurteilt und beschließt. Abschließend kann man sagen, dass die technische und organisatorische Entwicklung hilft, die Kapazität des Mensch-MaschineSystems zu erhöhen, aber andere und höhere Anforderungen an den Menschen stellt. Andere Anforderungen ergeben sich, weil sich das Berufsbild vom „Operator“ hin zum „Strategen“ verschiebt, von einer Überwachungstätigkeit hin zum Bewerten, Beurteilen und Beschließen. Höhere Anforderungen entstehen, weil die Anforderungen insgesamt, vor allem die höchsten Anforderungen und darunter gerade die kognitiven Anforderungen, ansteigen. Damit nimmt die Relevanz für eine einheitliche und systematische Personalauswahl und Perso- 146 7 Zusammenfassung nalausbildung zu, denn die maximale kognitive Kapazität kann zum limitierenden Faktor des Mensch-Maschine-Systems werden. 147 Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis ist nach DIN 1505 formatiert. Zu Literatur aus dem World Wide Web wird ein URL angegeben, unter dem das Dokument gefunden werden kann. Außerdem ist für diese Literaturstellen das Datum der letzten beobachteten Änderung angegeben. [ABD06] Handprogrammschaltungen der VRZ Südbayern. bahndirektion Südbayern, 2006 Auto- [Abe06] A BERNETHY, Brucest: Barrier Grief. Facing up to a future of gridlock. In: Traffic Technology International (2006), October / November, S. 49–52 [aca06] ACATECH : Mobilität 2020. Version: 2006. http: //intern.acatech.de/public_download.php? &fileid=121&type=news. Fraunhofer IRB Verlag (acatech berichtet und empfiehlt 1). – (Zugriff 20. 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In der ersten Stufe sammeln wir alle denkbaren Einflussfaktoren. Dafür ist ein telefonisches Brainstorming vorgesehen – Dauer etwa 15 Minuten. Pause machen 2. In der zweiten Stufe befragen wir Experten vor Ort zu den die möglichen Ausprägungen der Einflussfaktoren. Das dauert etwa eine dreiviertel Stunde. Um eine möglichst hohe Qualität zu erzielen, haben wir nur etwa 20 ausgewiesene Fachleute aus der Verkehrsleittechnik in Deutschland ausgewählt. Einer sind Sie, Herr............. . Haben Sie Lust gemeinsam mit uns in das Jahr 2020 zu schauen? 166 A Expertenbefragung, Stufe 1 A.1 Vorstellung Falls ja: Wenn Sie die Ruhe dafür haben, können wir jetzt den ersten gemeinsamen Schritt machen. Wir können aber gerne auch einen Termin für nächste Woche vereinbaren. Falls nein: Die erste Stufe der Befragung dauert nur 15 Minuten. Sie besteht aus einer einzigen, aber spannenden Frage – ihrer Vision zur Verkehrstechnik 2020. Haben Sie Interesse daran mitzuwirken? Falls ja: Wenn es Ihnen passt, können wir jetzt zur ersten Stufe übergehen. Wir können aber gerne auch einen Termin für nächste Woche vereinbaren. Falls nein: Trotzdem herzlichen Dank für Ihre Zeit! Das Thema der Befragung ist die Arbeitssituation von Verkehrsoperatoren im Jahr 2020 mitmachen. Dieses Gespräch gliedert sich in drei Teile: 1. Als erstes stelle ich das Forschungsprojekt vor. 2. Danach folgt die Befragung. 3. Als drittes gebe ich Ihnen einen kurzen Ausblick, wie es weitergeht. Mein Name ist Daniel Hinkeldein. Ich bin Verkehrsingenieur am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt. Ich bin Projektleiter des Projekts ATOP. Im Rahmen des Projekts erstelle ich eine Dissertation. Diese Befragung ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Deshalb freue ich mich sehr, dass sie mitmachen. A.1.1 Expertenbeteiligung Was Sie hier sagen, behandeln wir absolut vertraulich. Ihr Name wird niemals im Zusammenhang mit konkreten Äußerungen 167 A Expertenbefragung, Stufe 1 A.2 Details genannt. Wenn Sie einverstanden sind, würden wir gerne ihren Namen in der Expertenliste nennen. Ist das für Sie OK? () ja () nein Bevor wir zum Brainstorming übergehe – habe ich irgend etwas vergessen oder gibt es Fragen, die ich offen gelassen habe? A.2 Details A.2.1 Ziel Wir arbeiten derzeit an den Anforderungen an Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen. Es geht also um diejenigen Mitarbeiter, die in Verkehrsrechnerzentralen die verkehrstechnischen Anlagen und Geräte bedienen. Im vergangenen Jahr haben wir dazu bereits Anforderungsanalysen der IST-Situation durchgeführt. Das Ergebnis ist überraschend: Das Anforderungsprofil ähnelt dem von Fluglotsen. A.2.2 Fragestellung Ich frage mich in der Dissertation, ob sich die Anforderungen an Verkehrsoperatoren verändern werden. Je nach Anforderung muss die Personalauswahl, Ausbildung und Training in Deutschland überdacht werden. Um diese Frage zu beantworten, schauen wir in die Zukunft des Jahres 2020 und fragen uns, was die Arbeitssituation von Verkehrsoperatoren in Verkehrsrechnerzentralen beeinflusst. 168 A Expertenbefragung, Stufe 1 A.3 Befragung A.2.3 Methode Dafür werden wir die Szenariotechnik anwenden. Die Szenariotechnik geht davon aus, dass Einflussfaktoren auf ein bestimmtes Thema zu stimmigen Szenarien konzentriert werden können. A.3 Befragung Beim Brainstorming werden wir eine zentrale Frage bearbeiten. Zusätzlich zu dieser zentralen Frage werde ich eventuell untergeordnete Fragen stellen. Sie haben jeweils viel Zeit, ihre Gedanken frei heraus zu lassen. Dazu drei Anmerkungen: 1. Wir sammeln in diesem Interview so viele Ideen wie möglich. Jede Idee ist eine gute Idee, egal wie abwegig sie sein mag. Je mehr Ideen wir hören, um so besser. 2. Während Sie ihren Gedanken freien Lauf lassen, werde ich mitschreiben, aber wenig sagen, damit Sie ihren Blick ungehindert in das Jahr 2020 werfen können. 3. Oft zerstören unvorhergesehene Unterbrechungen den Gedankenfluss. Nutzen Sie ihre vorherigen Ideen für neue oder alternative Ideen, wenn Sie spüren, dass ihr gedanklicher Fluss ins Stocken gerät. Das Thema des Brainstormings sind die Arbeitsaufgaben und der Arbeitsplatz von Verkehrsoperatoren im Jahr 2020. Die zentrale Frage, um die es geht, lautet: Welche Faktoren beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? pause Die Erfahrung zeigt, dass es hilfreich ist, die zentrale Frage zu notieren – soll ich sie nochmal wiederholen? Abwarten, wiederholen 169 A Expertenbefragung, Stufe 1 A.4 Dank und weiteres Vorgehen Mit Verkehrsoperatoren meine ich nur diejenigen, die in Verkehrsrechnerzentralen der außerörtlichen Steuerung arbeiten. Arbeitsaufgaben beschreibt: Was machen Operatoren? Arbeitsplatz beleuchtet die Aspekte Sensoren, Software und Aktorik (VBA, . . . ). Alles klar? abwarten! Dann los! Versetzen Sie sich ins Jahr 2020 in eine typische Verkehrsrechnerzentrale in Deutschland. langsam und deutlich Welche Faktoren beeinflussen die Arbeitsaufgaben und den Arbeitsplatz von Verkehrsoperatoren? • Welche Faktoren beeinflussen die Arbeitsaufgaben und den Arbeitsplatz von Verkehrsoperatoren? • Verkehrsentwicklung: Welche Aspekte im Bereich des Verkehrs beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Verkehrstechnik: Welche Aspekte im Bereich der Verkehrstechnik beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Politik: Welche Aspekte im Bereich der Politik beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? • Verkehrsrechnerzentralen: Welche Aspekte auf der Ebene der Organisation beeinflussen den Arbeitsplatz und die Arbeitsaufgaben von Verkehrsoperatoren? A.4 Dank und weiteres Vorgehen Das aus meiner Sicht ein wichtiges und fruchtbares Gespräch! Herzlichen Dank für ihre Zeit und ihre Ideen, Herr . . . Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist und weiß das zu schätzen. 170 A Expertenbefragung, Stufe 1 A.4 Dank und weiteres Vorgehen Für uns geht es jetzt weiter: Wir strukturieren die Ideen und verdichten sie. In der nächsten Stufe wird es inhaltlich anspruchsvoll. Alle Einflussfaktoren können sich in die eine oder andere Richtung entwickeln. Beispielsweise könnten VRZen wie Tower aussehen. Oder sie verwandeln sich zu Leitstellen wie bei der Bahn, oder oder oder. Die meisten Leute werden sagen, ist doch viel zu ungenau, wer hört denn schon das Gras wachsen. Das beantwortet die Methodik: Wer sich erst einmal auf einzelne Faktoren einlässt, der steht vor einer spannenden Herausforderung. Dazu werde ich eine dreiviertel Stunde Experten befragen. Haben Sie Lust, im Juli weiter in das Thema einzutauchen? Dann machen wir doch gleich einen Termin aus! Eine erfolgreiche Woche – Wiederhören! 171 B Expertenkreise 172 B Expertenkreise Tabelle B.1: Mitglieder des Expertenkreises, 1. Stufe der Befragung (nach Bereichen, alphabetische Reihenfolge) Bereich Name Institution /Funktion Forschung Professor Dr.-Ing. Manfred Boltze Technische Universität Darmstadt Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Ruhr Universität Bochum Professor Dr.-Ing. Werner Brilon Univ.-Prof. Dr.-Ing. Fritz Busch Univ.-Prof. Dr.-Ing. Robert Hoyer Fakultät für Bauingenieurwesen Lehrstuhl für Verkehrswesen TU München Lehrstuhl für Verkehrstechnik Universität Kassel Fachgebiet Verkehrstechnik Professor Dr.-Ing. Thomas Richter Herstellung / Planung TU Berlin Straßenplanung und Straßenbetrieb Peter Aicher Siemens AG I&S ITS CE PS PTV AG Niederlassung Stuttgart BMW Group Traffic Technology Werner Balz Klaus Bogenberger Michael Ganser GEVAS software Systementwicklung und Verkehrsinformatik GmbH SSP Consult Axel Kroen Niederlassungsleiter Stuttgart Siemens AG I&S ITS TM BD SCHLOTHAUER & WAUER Geschäftführer move GmbH Hans-Joachim Schade Tilmann Wauer Betrieb Erhard Klein Geschäftsführer Autobahndirektion Südbayern Verkehrsrechnerzentrale Südbayern Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Verkehrslenkung Berlin A Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) Referat V 2 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Christian Mayr Michael Beer Verwaltung Fritz Bolte Ansgar Dönges S 11 Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) Referat V 2 Dr. Lutz Rittershaus Georg Stern Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung S 11 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung S 11 Dr. Stefan Krause 173 B Expertenkreise Tabelle B.2: Mitglieder des Expertenkreises, 2. Stufe der Befragung (nach Bereichen, alphabetische Reihenfolge) Bereich Name Institution /Funktion Forschung Professor Dr.-Ing. Manfred Boltze Technische Universität Darmstadt Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Professor Dr.-Ing. Thomas Richter TU Berlin Straßenplanung und Straßenbetrieb Siemens AG Herstellung / Peter Aicher Planung I&S ITS CE PS momatec GmbH PTV AG Niederlassung Stuttgart GEVAS software Systementwicklung und Verkehrsinformatik GmbH SSP Consult Niederlassungsleiter Stuttgart SCHLOTHAUER & WAUER Christoph Aretz Werner Balz Michael Ganser Axel Kroen Tilmann Wauer Betrieb Geschäftführer move GmbH Geschäftsführer Autobahndirektion Südbayern Verkehrsrechnerzentrale Südbayern Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Verkehrslenkung Berlin A Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung S 11 Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) Referat V 2 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung S 11 Erhard Klein Christian Mayr Michael Beer Verwaltung Ansgar Dönges Dr. Lutz Rittershaus Georg Stern 174 C Deskriptoren 175 176 Deskriptor 1 Ist-Situation Projektion 2020 Vollautomatisierte Fahrzeugführung von außen Eine außengesteuerte, vollautomatisierte Fahrzeugführung des Straßenverkehrs findet 2006 nicht statt. Seit Mitte der 1990er Jahren zeigen verschiedene Forschungsansätze, dass es technisch machbar ist, Fahrzeuge von außen zu steuern. In Europa, Japan und den USA wurden solche Systeme getestet [Abe06, Nat97]. Fahrzeugseitige Assistenzsysteme, etwa zur Abstandhaltung seitlich und längs zum sicheren Spurwechsel, sind 2006 Stand der Technik. Eine außengesteuerte, vollautomatisierte Fahrzeugführung des Straßenverkehrs ist auf Teilnetzen realisiert. Abstand und Geschwindigkeit werden zentral geregelt mit der Zielgröße der maximalen Auslastung des Streckenabschnitts. Begründung • Störungen und Überlastungen erzeugen ausreichend politischen Druck, die Auslastung des Netzes durch Automatisierung zu erhöhen • Kapazitätssteigerung • Volkswirtschaftlicher Nutzen (z. B. Sicherheit, Treibstoffverbrauch im automatischen Betrieb) Eine außengesteuerte, vollautomatisierte Fahrzeugführung des Straßenverkehrs wird nicht eingeführt. • Haftungsfragen bleiben ungelöst • fehlende Standardisierung, hohe Kosten der zusätzlichen Infrastuktur • fehlende Akzeptanz und „Freude am Fahren“ C Deskriptoren Tabelle C.1: Vollautomatisierte Fahrzeugführung von außen C Deskriptoren Tabelle C.2: Trägerschaft Ist-Situation Trägerschaft 177 Deskriptor 2 Der Staat ist Eigentümer und Betreiber der Bundesfernstraßen. Die Straßenverkehrsinfrastruktur wird über Steuermittel finanziert. Ausnahmen stellen einzelne privatwirtschaftlich betriebene Projekte, etwa der Warnow-Tunnel bei Rostock, dar. Seit 2005 gilt eine entfernungsabhängige Maut für LKW ab 12 t auf Bundesautobahnen und einigen Bundesstraßen. Eine Verkehrsinfrastrukturgesellschaft verteilt die Mittel der Maut auf alle Verkehrsträger. Projektion 2020 • Eine privatwirtschaftliche Organisation betreibt im Jahr 2020 die Bundesfernstraßen im Auftrag des Staates. • Paradigmenwechsel: Statt Steuerfinanzierung leistungsabhängige Nutzungsfinanzierung für alle Fahrzeuge Begründung • Finanzierungskrise erzeugt den nötigen Druck zur Beteiligung privaten Kapitals • Vertrauen in marktwirtschaftliche Lösung • Eine systematische öffentliche, haushaltsunabhängige Finanzierung scheint nicht realisierbar • Die Nutzungsentgelte kommen in voller Höhe der Straßeninfrastruktur zugute. • Die Trägerschaft der Bundesfernstraßen hat sich im Vergleich zu 2006 nicht geändert. • Keine praktikable Lösung für Übergangszeit • Die Diskrepanz zwischen Mittelbedarf und verfügbaren Haushaltsmitteln führt zu einer verschärften Finanzierungskrise. • Beharrungskräfte auf allen Ebenen der Verwaltung und Politik • Fehlende Akzeptanz von privaten Investoren Ist-Situation Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen 178 Deskriptor 3 Der Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen in Deutschland ist sehr gering. Ein übergreifendes Verkehrsmanagement, mit einer gemeinsamen Datenbasis, einheitlichen Verkehrslagedarstellung und abgestimmten Vorgehensweisen zwischen verkehrssteuernden Zentralen gibt es – sowohl zwischen Verkehrsrechnerzentralen als auch zwischen Verkehrsrechnerzentralen und Verkehrsleitzentralen – nur in Ansätzen. In Forschungsprojekten, etwa Mobinet, wurden Demonstratoren von Verkehrsmanagementsystemen erstellt, die sowohl innerorts als auch außerorts Verkehr zuständigkeitsübergreifend beeinflussen. Projektion 2020 • Der Grad der Kooperation verkehrssteuernder Zentralen hat stark zugenommen. • Verkehrsmanagement wird institutionalisiert. • Einheitliche Verkehrslageerfassung, -darstellung und Prognosemodelle, Systemarchitekturen mit offenen Schnittstellen Begründung • starkes Engagement des Bundes zur Vereinheitlichung • Überführung der Testfelder in den Regelbetrieb gelingt • politischer Wille zur Überwindung der gebietskörperschaftlichen Grenzen auf allen Verwaltungsebenen (Bund, Länder, Gemeinden) • In vielen Ballungsräumen wurden sogenannte integrierte Lösungen, übergreifende Strategien aus einer Hand für das gesamte Straßenverkehrsnetz implementiert. • Der Grad der Kooperation verkehrssteuernder Zentralen hat gering zugenommen. • Die Organisationsstruktur des Verkehrsmanagements orientiert sich wie 2006 überwiegend an Gebietskörperschaftsgrenzen. • Vereinzelt kooperieren verkehrssteuernde Einrichtungen miteinander. Der Ausbaustand ist nicht über so genannte Pilotprojekt hinaus kommen. • Partikularinteressen überwiegen • Hoheits-, Prestige- und Konkurrenzdenken • Mißtrauen zwischen den Beteiligten • Beharrungskräfte auf allen Ebenen der Verwaltung C Deskriptoren Tabelle C.3: Grad der Kooperation zwischen verkehrssteuernden Zentralen Deskriptor 4 Ist-Situation 179 QualitätsQualitätsmanagement in management Verkehrsrechnerzentralen ist in Deutschland nicht selbstverständlich. Die Definition von Zielgrößen und eine permanente Überprüfung anhand messbaren Kriterien findet nicht statt. Bestehende Anlagen und Systeme leiden an Störanfälligkeit. Oft bleiben die Fehler, etwa fehlende Datensätze, Vertauschen der Fahrstreifen oder Fahrtrichtungen, unentdeckt, da die Datenverarbeitung automatisiert abläuft. Die Folge sind beispielsweise „Phantomstaus“, die zwar regelmäßig gemeldet werden, aber nicht existieren. Projektion 2020 • Qualitätsmanagement hat sich in Deutschlands Verkehrsrechnerzentralen durchgesetzt. • Qualitätsmerkmale sind in Echtzeit öffentlich verfügbar • einheitlicher Methodenkatalog • Qualitätsmanagement hat sich in Deutschlands Verkehrsrechnerzentralen nicht durchgesetzt. • Isolierte Ansätze beschränken sich auf die Überwindung akute Mängel. Einzelpersonen verfügen über spezielles Wissen und individuellem Interesse, dies für eine Verbesserung der Qualität einzusetzen. • kein einheitlicher Methodenkatalog Begründung • Bürger, Politik und Verwaltung verlangen zunehmend Rechtfertigung für die Finanzierung von Aufbau und Betrieb von Verkehrsrechnerzentralen. • Verkehrsrechnerzentralen reagieren auf den Druck, indem sie Qualitätsziele benennen und anhand von Qualitätsmessungen den Nutzen objektiv darlegen. • Es fehlen Anreize, Qualitätsmanagement zu betreiben. Es besteht kein „Markt“, der eine Zertifizierung fordert; keine Kunden, die eine bestimmte Qualität verlangen; kein Wettbewerb um Kunden. • Es besteht ein Mangel an praxiserprobten Qualitätsstandards. Standards und Richtlinien müssen für Verkehrsrechnerzentralen erst erarbeitet werden. • Beharrungskräfte auf allen Ebenen der Verwaltung C Deskriptoren Tabelle C.4: Qualitätsmanagement 180 Deskriptor 5 Ist-Situation Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und privater Routensuche Viele Fahrzeuge, insbesondere in den oberen Marktsegmenten, verfügen über Navigationsgeräte. Die meisten davon empfangen und verarbeiten dynamische Information über RDS-TMC. Navigationsgeräte verarbeiten Verkehrsmanagementstrategien, etwa über Netz-, Knoten, und Streckenbeeinflussungsanlagen, Baustellen oder grüne Wellen, nicht. Sie berücksichtigen Verkehrsstörungen nur, wenn eine Verkehrsmeldung übertragen wird. Sie reagieren kleinräumig und unkoordiniert. Projektion 2020 • Eine Integration von öffentlicher Verkehrsmanagementstrategien und privater Navigationsgeräten hat stattgefunden. Die meisten Fahrzeuge sind mit einer dynamischen Navigation ausgestattet, welche öffentliche Strategien befolgen. • Fahrzeuge liefern Verkehrsdaten an Verkehrsrechnerzentralen, etwa Position, Geschwindigkeit, Start und Ziel der Fahrt (XFCD) an die verkehrssteuernden Zentralen. • Eine Integration von öffentlicher Verkehrsmanagementstrategien und privaten Routensuche hat nicht stattgefunden. • Navigationsgeräte berechnen Routen, ohne öffentliche Verkehrsstrategien zu berücksichtigen. Sie geben Routenempfehlungen aus, welche die Maßnahmen öffentlicher Stellen widersprechen und konterkarieren. Begründung • Der Wille zur Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Stellen überwiegt • Beide Seiten erkennen den Gewinn einer Kooperation für ihre Seite • Der politische Wille einer Weiterentwicklung der Verkehrstechnik in Kooperation mit privaten Akteuren ist vorhanden • Misstrauen zwischen staatlichen und privaten Akteuren überwiegt • Sichtweisen, Denkstrukturen und Ziele liegen zu weit auseinander • Ausgeprägtes Hoheitsdenken und Wahrung von Informationsvorsprung vor Konkurrenten C Deskriptoren Tabelle C.5: Integration von öffentlichen Verkehrsmanagementstrategien und individueller Routensuche Ist-Situation Projektion 2020 Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung 181 Deskriptor 6 Der Straßenfernverkehr wird in Deutschland von manchen Verkehrsrechnerzentralen auf bestimmten Streckenabschnitten mit Kameras überwacht. Durch die steigende temporäre Nutzung der Seitenstreifen werden Kameras zunehmend entlang Streckenbeeinflussungsanlagen installiert. Diese Kameras bieten eine sofortige Möglichkeit, auf Störungen und Überlastungen zu reagieren. Sie unterstützen bei der Bewertung, Entscheidung, Ausführung und Überprüfung von Maßnahmen. Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung auf Fernstraßen hat stark zugenommen. Kameras decken systematisch weite Teile der Straßeninfrastruktur ab. Entlang von hochbelasteten Strecken und Knoten arbeiten Kameras flächendeckend. Begründung • Im Rahmen eines verbesserten Störungsmanagements werden blinde Flecken eliminiert und flächendeckend Kameras eingesetzt. • Effiziente Detektion und Verifizierung von Störungen Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung auf Fernstraßen hat sich nur gering erhöht. Kameras decken nur einzelne Teile der Straßeninfrastruktur ab. An einigen hochbelasteten Strecken und Knoten arbeiten Kameras. • fehlende Akzeptanz der Bürger („Überwachungsstaat“) und rechtliche Vorgaben des Datenschutz • finanzieller Aufwand • kein ausreichender Zusatznutzen von Kameras C Deskriptoren Tabelle C.6: Grad des Kameraeinsatzes zur Verkehrsbeobachtung C Deskriptoren Tabelle C.7: Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen Ist-Situation Projektion 2020 Begründung Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen 182 Deskriptor 7 2006 gibt es neun Verkehrsrechnerzentralen in Deutschland. Streckenbeeinflussungsanlagen dehnen sich auf rund 950 km aus. Es werden Streckenbeeinflussungsanlagen mit rund 250 km temporärer Seitenstreifenfreigabe betrieben. Die von Netzbeeinflussungsanlagen beeinflusste Netzmaschenlänge beträgt rund 2000 km. In Deutschland arbeiten 80 Zuflussregelungsanlagen. Jedes Jahr gibt der Staat rund 45 Mio. EUR für Verkehrsbeeinflussung auf Bundesfernstraßen aus, seit den Anfängen der Verkehrsleittechnik etwa 650 Mio. EUR. Die Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen ist im Vergleich zum Jahr 2006 beachtlich gestiegen. Weite Teile des Netzes sind mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen ausgestattet. Die Anzahl der Streckenbeeinflussungsanlagen mit temporärer Seitenstreifenfreigabe hat enorm zugenommen. Neu- und Ausbau von Verkehrsleittechnik steht auf der politischen Agenda. Telematik wird als effiziente Maßnahme für flüssigen und sicheren Verkehr angesehen. Die Anzahl der verkehrstechnischen Anlagen ist im Vergleich zum Jahr 2006 nur mäßig gestiegen. Eine zunehmend kritische Haltung gegenüber Investitionen in Neu- und Ausbau von Verkehrsleittechnik macht sich breit. Der Nachweis des Nutzens neuer Anlagen kann nicht erbracht werden. Bestehende Anlagen erweisen sich häufig als wenig nutzbringend. C Deskriptoren Tabelle C.8: Grad der Kooperation zwischen Einsatzzentralen und Verkehrsrechnerzentrale 183 Deskriptor 8 Ist-Situation Projektion 2020 Grad der Kooperation zwischen Einsatzzentralen und Verkehrsrechnerzentrale Aus historischen Gründen werden Verkehrsrechnerzentralen und Leitstellen der Verkehrspolizei getrennt betrieben. Im Falle einer Überlastung oder Störung (Baustelle, Unfall) arbeiten beide Zentralen mit der selben Zielstellung. Verkehrsrechnerzentralen betreiben die Verkehrstechnik. Leitstellen der Verkehrspolizei koordinieren den Einsatz der Beamten vor Ort. Der Grad der Kooperation zwischen Verkehrsrechnerzentralen und Leitstellen der Verkehrspolizei ist stark gestiegen. Sie arbeiten im Jahr 2020 unter einem Dach. Die Zusammenlegung der Datenerfassung, -übertragung, -speicherung und -verarbeitung ermöglicht ein effizientes Störungsmanagement. Beispielsweise werden automatisch Meldungen generiert, wenn ein Einsatzwagen ausrückt. Der Grad der Kooperation zwischen Verkehrsrechnerzentralen und Leitstellen der Verkehrspolizei ist unverändert. Verkehrsrechnerzentralen und Leitstellen der Verkehrspolizei arbeiten im Jahr 2020 getrennt. Jede Dienstelle besteht auf eine eigene Einsatz-, bzw. Verkehrsrechnerzentrale. Begründung • öffentlicher Druck, ein effizientes Störungsmanagement aus einer Hand (Detektion, Verifizierung, Beseitung, Milderung der Folgen) einzurichten • gemeinsame, verbesserte (Technik und Einsatzkräfte) Datenlage • knappe Kassen, reduzierte Durchschnittskosten (insbesondere Personal zu Schwachlastzeiten, etwa nachts) • Hoheitsdenken • Unterschiedliche Denkschulen • Beharrungsvermögen bestehender Strukturen C Deskriptoren Tabelle C.9: Verkehrsleistung LKW Ist-Situation Projektion 2020 Verkehrsleistung LKW 184 Deskriptor 9 Im Jahr 2005 blieb die Fahrleistung der Kraftfahrzeuge im binnen- und grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr mit 28,5 Mrd. km gegenüber dem Vorjahr unverändert. Einer Zunahme des Fern- und Regionalverkehrs (1, 6 bzw. 2, 7 %) steht ein Rückgang des Nahverkehrs um 1, 8 % gegenüber. Hauptsächlich ausländische Unternehmen partizipieren am Wachstum des Gütertransports [Kuh06]. Deutschlands Fernstraßenverkehr ist geprägt durch den LKW-Verkehr. Fahrleistungen von LKW sind im Vergleich zu 2006 erheblich gestiegen. Treibende Kräfte hinter diesem anhaltenden Wachstum stellen steigende Arbeitsteilung und EU-Integration dar. Insbesondere Ost-West-Verkehre stiegen weiter an, da die wirtschaftliche Entwicklung der Mittel- und Osteuropäischen Länder und die Integration der Länder Ukraine, Weißrussland und die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU gelang. Dort werden zunehmend Waren produziert, die zu den Absatzmärkten nach Mittelund Westeuropa transportiert werden. Es gibt ausgeprägte Wachstumsregionen wie Bayern oder Baden-Württemberg, aber auch Regionen mit deutlichen Rückgängen bzw. solche mit heterogenen Entwicklungen, z. B. Nordrhein-Westfalen. Die Zuwächse sind somit regional unterschiedlich verteilt, wobei die Autobahnen besonders stark betroffen sein werden. Begründung • wirtschaftliche Integration der mittel- und osteuropäischen Länder, • veränderte Produktionsverfahren („justin-time“, Zunahme kleinteiliger, hochpreisiger Ware und Abnahme von billigen Massengütern), verstärkte Arbeitsteilung, • niedrige Transportpreise Ist-Situation Projektion 2020 Verfügbarkeit von Verkehrsdaten 185 Deskriptor 10 Ortsfeste Sensoren, etwa Messschleifen, die meist im Rahmen von Beeinflussungsanlagen installiert wurden, liefern die Mehrheit aller Daten, die in Verkehrsrechnerzentralen verarbeitet werden. Informationen im nachgelagerten Netz oder zwischen den Messschleifen liegen nicht vor. Das hat vielfältige Folgen: Die Darstellung und Überwachung der Verkehrslage ist örtlich begrenzt. Störungen können nur begrenzt detektiert werden. Prognosen können nur lokal erstellt werden. Maßnahmen können nur lokal ergriffen werden. Im Vergleich zum Jahr 2006 hat die verfügbare Datenmenge um einige Größenordnungen zugenommen. Unterschiedliche Datenquellen, z. B. FCD, Messschleifen, Toll-Collect-Sensoren, aber auch luft- und raumgestützte Detektoren liefern flächendeckend auf allen BAB und dem nachgelagerten Netz Daten. Die Fusion der unterschiedlichen Daten ermöglicht eine skalierbare, gesamthafte Darstellung der Verkehrslage. Die hohe Verfügbarkeit von aktuellen und qualitativ hochwertigen Verkehrsdaten ermöglicht eine nahezu vollständige Verkehrslagedarstellung am Operatorenarbeitsplatz. Verkehrsoperatoren verarbeiten daher weit mehr Informationen. Sie überwachen, verarbeiten und bewerten mehr Echtzeitdaten der Verkehrslagedarstellung. Anstelle der lokal begrenzten Überwachung, Detektion und Schaltung verantworten Verkehrsoperatoren die Verkehrslage des gesamten Netzes. Die nahezu vollständige Verkehrslageerfassung ermöglicht die Modellierung und kurzfristige Prognose von Verkehrsströmen am Arbeitsplatz von Verkehrsoperatoren. Auf der Grundlage der aktuellen Verkehrsdaten und Prognosedaten vergleichen, bewerten und entscheiden Verkehrsoperatoren über alternative Schaltszenarien. Im Jahr 2020 schalten Verkehrsoperatoren nicht mehr einzelne Anlagen, sondern lösen koordiniert mehrere Beeinflussungsmöglichkeiten aus. Im Gegensatz zum Jahr 2006 warten Verkehrsoperatoren nicht reaktiv auf Ereignisse, sondern analysieren, bewerten und entscheiden vorausschauend mit Hilfe der Verkehrslagedarstellung und Maßnahmeszenarien. Mit dem Wissen über Fahrzeugklasse, Ort, Geschwindigkeit und Ziel von Verkehrsteilnehmern werden Verkehrsoperatoren Probleme präventiv vor dem Entstehen lösen. Die steigende Datenmenge verlangt nach einer höheren Automatisierung des Arbeitsplatz. Vorgänge, die im Jahr 2006 manuell durchgeführt wurden, sind automatisiert. Beispielsweise werden alle Auf- und Zufahrten mit Zuflusssteuerung flächendeckend ausgestattet und vernetzt gesteuert. Die Aufgaben von Verkehrsoperatoren werden stärker ereignisorientiert. Routineaufgaben, etwa Überwachung der Verkehrslage, übernimmt das System. Daher sind Operatoren entlastet, weil sie nicht mehr selber die einzelnen Anlagen schalten müssen. Die Auswirkungen und Komplexität der möglichen Entscheidungen wird steigen. Begründung • Öffentliche Initiativen, bestehende Datenbestände zu fusionieren • Technische Entwicklung (Rechnerkapazität, Algorithmen) C Deskriptoren Tabelle C.10: Verfügbarkeit von Verkehrsdaten D Befragungsunterlagen der Befragung zur Konsistenz und Wahrscheinlichkeiten D.1 Anschreiben Sehr geehrter Herr xxxx, vielen Dank für das freundliche Telefonat. Die Interviews der ersten Stufe wurden zu Deskriptoren verdichtet. Die Ergebnisse dieser Verdichtung liegen in der Datei Ergebnisse.pdf vor. Diese Befragung dauert zwischen einer halben und einer drei viertel Stunde. Sie gliedert sich in drei Teile: • Einstieg: Bitte lesen Sie die Dateien 1_Hinweise.pdf und 2_Ergebnisse.pdf aufmerksam durch. • Bewertung durchführen: Konsistenz bewerten, Wahrscheinlichkeiten bewerten (3_Tabellen.xls) • Ausstieg: Falls Sie oder wir Rückfragen haben, rufe ich Sie am yyyy an. Bitte schicken Sie uns ihre Bewertungen vorher zu. Ganz wichtig: Anonymität! Wie in der ersten Stufe wird ihr Namen niemals mit konkreten Bewertungen in Verbindung gebracht. Wir würden Sie allerdings gerne in der Expertenliste aufnehmen. Herzlichen Dank! 186 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.2 Hinweise zur Befragung D.2 Hinweise zur Befragung Hinweise zum Ausfüllen der Tabellen Folie 1 Sehr geehrter Herr xxx, Wir haben die Experteninterviews analysiert und verdichtet. Die Ergebnisse der Verdichtung liegen in der Datei Ergebnisse.pdf vor. In dieser Befragung interessiert uns Ihre Einschätzung der Konsistenz und Wahrscheinlichkeiten dieser Ergebnisse: Folie 2 187 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.2 Hinweise zur Befragung 1. Teil: Konsistenz schätzen In der beigefügten Tabelle befinden sich Deskriptoren mit alternativen Ausprägungen. Deskriptoren sind qualitativ beschreibende oder quantitativ kennzeichnende Kenngrößen der Einflussfaktoren. Sie können verschiedene Ausprägungen annehmen. Deskriptoren sind sowohl in den Spalten als auch in den Zeilen aufgetragen. Ausschnitt aus dem Tabellenblatt Konsistenz Folie 3 Konsistenzeinschätzung Manche Alternativen passen, andere passen nicht – z. B. sinkende Rohstoffpreise und steigende Herstellungskosten. Die Frage bei der Ausfüllung der Tabelle lautet: Wir nehmen an, Zustand 2a tritt ein und Zustand 3a tritt ein. Sind diese beiden Zustände widersprüchlich oder fördernd (unterstützend) zueinander? steigende Herstellungskosten sinkende Rohstoffpreise 2a ? 3a Unterstützung, Förderung, Widerspruch Widerspruch! Dafür sollen Sie ein Skalenwert -3 > x ≥ +3 abschätzen. Folie 4 188 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.2 Hinweise zur Befragung Skalenwerte +3: +2: +1: 0: -1: -2: -3: gehört zwingend zusammen; bedingt sich gegenseitig unterstützt sich gegenseitig passt ins gleiche fördernde Klima kein Zusammenhang (beziehungslos) passt schlecht zusammen widersprüchlich Widerspruch! schließt sich zwingend gegenseitig aus ? 2a 3a Unterstützung, Förderung, Widerspruch Folie 5 Beispiel Herstellkosten im Jahr 2020 steigen sinken 3a) 3b) Widersprüchlich Passt sehr gut -2 +3 Passt gut Passt überhaupt nicht +2 -3 Sinken 2a) Rohstoffpreise im Jahr 2020 Steigen 2b) Folie 6 189 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.2 Hinweise zur Befragung Anmerkung Die Frage zielt nicht auf die Wirkungen der Zustände aufeinander ab. 2a Der Skalenwert „Null“ ist anzusetzen, wenn die beiden Annahmen nebeneinander bestehen können, ohne sich zu tangieren („Ko-Existenz“). 3a 0 0 +1 0 0 0 0 0 0 +1 0 0 Es kann viele Felder mit NullAusfüllung geben. 0 0 0 0 Folie 7 Vorsicht Nicht vorkommen sollte: Gleiches Vorzeichen in der Spalte oder Zeile +2 -1 0 0 +2 0 +2 -1 -1 +1 -2 +3 0 +1 0 Bei punktueller schwacher Konsistenz ist eine „1“ und ansonsten Nullen zulässig. +2 +2 +2 Vielmehr: Gleiches Vorzeichen (oder Null) in der Diagonalen -1 0 Folie 8 190 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.2 Hinweise zur Befragung Aufgabe Anbei finden Sie eine PDF-Datei (Ergebnisse.pdf). Dort sind die Deskriptoren formuliert. Für die Eingaben ist eine Eingabedatei (Tabellen.xls) beigefügt. Dort befindet sich das Tabellenblatt „Konsistenz“. Bitte lesen Sie die Deskriptoren aufmerksam durch. Tragen Sie in die roten Felder der Tabelle ein, wie gut die Ausprägungen zu einander passen. Folie 9 2. Teil: Wahrscheinlichkeit schätzen Die Frage bei der Ausfüllung der Tabelle lautet: Für wie wahrscheinlich halte ich, dass dieser Zustand eintritt? Die Wahrscheinlichkeiten müssen nicht 100% ergeben, wenn sie eine nicht aufgeführte dritte Alternative für wahrscheinlich halten. Beispiel: Wahrscheinlichkeit Einflussfaktor Projektion 2020 [%] Nimmt stark zu 30 % Nimmt schwach zu 60% LKW-Verkehr („Ich glaube, dass eine Alternative fehlt: LKW-Verkehr nimmt ab. Deshalb lasse ich 10% offen.“) Folie 10 191 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.2 Hinweise zur Befragung Aufgabe Für die Eingaben ist eine Eingabedatei (Tabellen.xls) beigefügt. Dort befindet sich das Tabellenblatt „Wahrscheinlichkeit“. Tragen Sie bitte ein, wie wahrscheinlich Sie die Projektion der Einflussfaktoren für das Jahr 2020 halten. Folie 11 192 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.3 Befragungsbogen W D.3 Befragungsbogen W 193 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.3 Befragungsbogen W 194 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.4 Befragungsbogen K D.4 Befragungsbogen K 195 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.4 Befragungsbogen K 196 D Expertenbefragung, Stufe 2 D.4 Befragungsbogen K 197 E Szenario 2020 E.1 Einleitung Erst einmal guten Tag und herzlichen Dank, dass Sie bei dieser Befragung mitmachen. Professoren, Experten aus der Industrie und den Ministerien haben an diesem Szenario mitgearbeitet. Ziel ist es, abzuschätzen, was die Zukunft an Anforderungen bringt. Jetzt sind wir an einem kritischen Punkt angelangt und benötigen nun ihre Erfahrungen und Einschätzungen. Um es für Sie kurzweilig und angenehm zu machen, haben wir eine so genannte Zeitreise entwickelt. Das Szenario wurde dabei in konkrete Situationen an ihrem Arbeitsplatz in einer künftigen Welt überführt. Es geht um ihre persönlichen Erfahrungen an diesem künftigen Arbeitsplatz. Was heißt das? Erst werden wir gemeinsam eine gedankliche Reise ins Jahr 2020 unternehmen. Dann werden Sie im gedanklichen Zustand des Jahres 2020 mit ihrer persönlichen Erfahrung die Fragen beantworten. Später werde ich einen kurzen Abschnitt der Zeitreise noch einmal zur Auffrischung vorlesen. Ich lade Sie ein, mit mir eine Reise in die Zukunft zu machen. Wir befinden uns im Jahr 2007. Zum Beginn bitte ich sie, mit mir gemeinsam ein paar Schritte durch die vor uns liegenden Jahre ganz konkret zu gehen. (Aufstehen) Sie sehen auf dem Boden diese Markierungen. Die Vergangenheit liegt hinter uns. Vor uns liegt die Zukunft. Jede Markierung bedeutet 198 E Szenario 2020 E.1 Einleitung ein paar Jahre auf dem Zeitstrahl in die Zukunft. Tun Sie so, als ob Sie mit jedem Schritt einen Schritt in die Zukunft machen. Lassen sie die Informationen ganz entspannt auf sich wirken, versuchen sie sich in die Situationen hineinzuversetzen. Mit jedem Schritt kommen sie ein bisschen mehr in der Zukunft an. Machen Sie einen Schritt. Sie befinden sich nun im Jahr 2010. Sie spüren die ersten Veränderungen: Der LKW-Verkehr steigt enorm an. Sie kooperieren immer mehr mit der Polizei und benachbarten verkehrssteuernden Stellen. Machen Sie noch einen Schritt. Tun Sie so, als ob sie im Jahr 2012 sind. Sie arbeiten mit Kollegen der Polizei in einem Raum, um Störungen schnell und sicher zu beseitigen. Kameras decken systematisch weite Teile des Fernstraßennetzes ab. Gibt es eine Störungsmeldung, etwa von einem Autofahrer, überprüfen Sie die Meldung direkt über die Kamerabilder. Machen Sie noch einen Schritt. Sie sind nun im Jahr 2014. Sie sehen die gesamte Verkehrslage auf jeder wichtigen Straße. Fahrzeuge und Handys liefern ständig Daten über Ort, Geschwindigkeit, und Störungen. Dazu kommen Daten aus Videound Ultraschall-Detektion, Ampeln, Betriebsleitsystemen des ÖPNV, Parkleitsystemen und Maut-Erhebungen. Machen Sie noch einen Schritt. Jetzt sind Sie im Jahr 2018. Die Verkehrsrechnerzentralen sind Teil einer privaten Firma, welche die Autobahnen betreibt. Qualitätsmanagement hat sich durchgesetzt. Sie sorgen dafür, dass Zielgrößen der Sicherheit und des Verkehrsflusses stets erreicht werden. Sie verantworten immer mehr Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Besonders die Seitenstreifenfreigabe wird ausgedehnt. Computer helfen Ihnen bei der Bilder- und Datenflut. Machen Sie noch einen Schritt. 2020 – Wir sind angekommen. 199 E Szenario 2020 E.2 Szenariotext Nehmen Sie wieder Platz. Bleiben Sie noch ein wenig bei dem eben Gehörten, bei Ihren Vorstellungen, Eindrücken und Bildern, die vielleicht aufgetaucht sind. Im Folgenden wird es ganz konkret um Situationen an Ihrem Arbeitsplatz gehen. Machen Sie es sich bequem auf ihrem Stuhl, so dass sie ganz entspannt zuhören können. Bleiben sie bei dem Gefühl im Jahr 2020 zu sein. Sie können sich noch stärker in die Situation hineinversetzen. Vielleicht ist es für Sie auch angenehm, die Augen zu schließen um sich besser konzentrieren zu können. Sie können die Augen aber natürlich auch offen lassen. Wenn sie sich zwischendurch vielleicht fragen, ob sie sich das alles richtig vorgestellt haben, sagen sie sich, dass es in Ordnung ist. Sie sind hier genau richtig, weil sie sich hier auskennen. E.2 Szenariotext Es ist Mittwochmorgen, der 12. Februar 2020. Sie kommen an ihren Arbeitsplatz. Wenn Sie ihren Arbeitsplatz mit dem Jahr 2007 vergleichen, kommt es ihnen vor, als hätte ein Blinder sehen gelernt. Es ist überwältigend. Heute sehen Sie auf einen Blick deutschlandweit die aktuelle Verkehrslage. Sie überblicken die Verkehrslage auf der Autobahn ebenso wie Landesstraßen und Hauptverkehrsstraßen. Sie nutzen präzise und zuverlässige Verkehrsprognosen in ihrer täglichen Arbeit. Sie sehen am Bildschirm alle Störungen, Baustellen, Unfälle und Wettereinflüsse. Kameras decken systematisch alle hochbelasteten Strecken und Verkehrsknoten ab. Ein Klick auf eine Störung und sie sehen das aktuelle Kamerabild. Eine Stauprognose erscheint auf ihrem Bildschirm. Leuchtend rot zeigt die Verkehrsprognose einen Stau auf dem Abschnitt an. Das System berechnet Ihnen alternative Strategien. Sie prüfen erst die 200 E Szenario 2020 E.2 Szenariotext Annahmen, die Maßnahmen und die Auswirkungen der Strategien. Sie entscheiden sich für eine Strategie mit Seitenstreifenfreigabe, Temporeduktion zur Harmonisierung, teilweise Umleitung und reduzierten Zufluss an den Auffahrten. Nun erscheint in der Prognosedarstellung der Streckenabschnitt gelb – sie haben den Stau verhindert, bevor er entstand. Das System setzt ihre Strategie automatisch um. Früher haben sie meist selbst die Anlagen geschaltet, den Verkehr beobachtet. Das geht heute nicht mehr. Es gibt viel mehr Anlagen, mehr Seitenstreifenbenutzung und mehr Kameras. Die Anlagen funktionieren lokal automatisiert nach ihren Strategien. Plötzlich schrillt ein Warnsignal: Unfall detektiert! Es erscheint ein Kamerabild. Auf dem Kamerabild sehen sie, dass im morgendlichen Stau ein Auffahrunfall passiert ist. Sie bestätigen die Meldung. Sofort aktivieren Sie das vorgeschlagene Sonderprogramm: „Unfallwarnung, den rechten Fahrstreifen sperren und Tempo 60 auf die Anzeigetafeln der Streckenbeeinflussungsanlagen und der Navigationsgeräte aller Fahrzeuge direkt vor dem Unfall.“ An den Arbeitsplätzen der Polizei, die im selben Raum sitzt, erscheint genau dasselbe Kamerabild. Sie beseitigen die Störung gemeinsam. Sie sehen wie die Fahrer aussteigen. Der Kollege der Polizei gibt die Unfallkategorie ins gemeinsame System ein. Sie hören seine Stimme: „Nur ein Blechschaden.“ Ein Ereignisfenster erscheint auf ihrem Bildschirm. Sie sehen, dass bereits automatisch die nächste Streife und zwei Abschleppfahrzeuge benachrichtigt wurden. Sofort berechnet der Computer die Fahrtzeit und Räumungszeit der Streife und der Abschleppfahrzeuge. Der Computer gibt Ihnen die geschätzte Dauer bis zur Freigabe des Fahrstreifens an. Er berechnet ihnen für diese Störung unter den aktuellen Bedingungen mehrere alternative Strategien. Für jede Strategie bewertet der Computer die Sicherheit, Verkehrslage und Umweltwirkungen. Sie prüfen die Alternativen. Sie wählen eine Stra- 201 E Szenario 2020 E.2 Szenariotext tegie, welche die Reisezeitverluste und Umweltwirkungen so stark wie möglich reduziert, aber die Sicherheit angemessen erhält. „Fernverkehr: Großräumig umfahren, Regionalverkehr: Über Landstraßen ventilieren und kleinräumig umleiten über Stadt“. Auch der Kollege der städtischen Verkehrsverwaltung arbeitet mit ihnen am selben System. Er sieht ihre Maßnahmen und ihre Bitte um Zustimmung. Sofort gibt er das OK. Sie und ihr städtischer Kollege wissen, dass der Vorfall bereits so weit eskaliert ist, dass die Umleitung über die Stadt nötig wird. Eine Meldung zeigt an, dass der Computer die Programme der Lichtsignalanlagen automatisch anpasst. Auf der städtischen Umleitungsstrecke ist nun mehr Kapazität. Sie sehen auf ihrem Ereignisbildschirm, dass die Umleitungsempfehlung an die dynamischen Navigationsgeräte an einen bestimmten Teil der Fahrzeuge übertragen wird. Automatisch koordiniert der Computer die Routenänderung so, dass genau die richtige Anzahl der Fahrzeuge die Umleitung nutzen. Seit 2007 ist der LKW-Verkehr explodiert. LKW dominieren das Bild auf den Autobahnen. Vor allem in Ost-West-Richtung fahren LKW dicht an dicht. Das System meldet eine Anfrage aus der benachbarten VRZ. Die Prognose sagt dort eine Kapazitätsüberlastung voraus. Die vorgeschlagene Strategie soll einen Teil der LKW bereits vor der Grenze gezielt bei Ihnen entlang führen. Sie simulieren die Anfrage mit ihrem System. „Die passen da noch durch“, murmeln Sie und klicken auf OK. Seit der Privatisierung haben sie nicht nur viel mehr Anlagen und Geräte – zum Beispiel können Sie den Verkehr fast flächendeckend mit Kameras überblicken. Sie tragen auch die Verantwortung für die Qualität des Verkehrs. Jeden Monat veröffentlich die Pressestelle Qualitätsberichte. Wenn die Qualitätszahlen schlecht sind, etwa bestimmte Grenzwerte der 202 E Szenario 2020 E.2 Szenariotext Emissionen zu hoch sind, dann müssen Sie Gründe dafür angeben. Auf der Karte der Verkehrslage sehen sie rechts im Bildschirm immer den Sicherheitsindex, die Reisezeitverluste und den Umweltindex in ihrem Beeinflussungsgebiet. Sie stocken. Der Unfallindex ist zu hoch, finden Sie. Sie öffnen die Karte mit den eingezeichneten Unfallorten. Sie blättern durch die einzelnen Unfälle im Bilderarchiv. Sie überprüfen die Unfallorte mit aktuellen Kamerabildern. Weil Sie nichts sehen können, schicken Sie jemand raus, um die Stellen zu überprüfen. „Vielleicht eine Ölspur.“, vermuten Sie. Bleiben Sie in der Erfahrung des Jahres 2020. Auf dem Tisch liegen der Fragebogen bereit, die Sie benutzen können. Nach einer Weile werden Sie einen kurzen Abschnitt als Auffrischung hören. Nach etwa der Hälfte der Fragen diese Auffrischung anbieten: Früher haben sie meist selbst die Anlagen geschaltet, den Verkehr beobachtet. Das geht heute nicht mehr. Es gibt viel mehr Anlagen, mehr Seitenstreifenbenutzung und mehr Kameras. Die Anlagen funktionieren lokal automatisiert nach ihren Strategien. Plötzlich schrillt ein Warnsignal: Unfall detektiert! Es erscheint ein Kamerabild. Auf dem Kamerabild sehen sie, dass im morgendlichen Stau ein Auffahrunfall passiert ist. Sie bestätigen die Meldung. Sofort aktivieren Sie das vorgeschlagene Sonderprogramm: „Unfallwarnung, den rechten Fahrstreifen sperren und Tempo 60 auf die Anzeigetafeln der Streckenbeeinflussungsanlagen und der Navigationsgeräte aller Fahrzeuge direkt vor dem Unfall.“ Ein Ereignisfenster erscheint auf ihrem Bildschirm. Sie sehen, dass bereits automatisch die nächste Streife und zwei Abschleppfahrzeuge benachrichtigt wurden. Sofort berechnet der Computer die Fahrtzeit und Räumungszeit der Streife und der Abschleppfahrzeuge. Der Computer gibt Ihnen die geschätzte Dauer bis zur Freigabe des Fahrstreifens an. Er berechnet ihnen für diese Störung unter den aktuellen Bedingungen mehrere alternative Strategien. Für jede Strategie bewertet der Computer die Sicherheit, Verkehrslage und Umweltwirkungen. Sie prüfen die Alternativen. Sie wählen eine Stra- 203 E Szenario 2020 E.2 Szenariotext tegie, welche die Reisezeitverluste und Umweltwirkungen so stark wie möglich reduziert, aber die Sicherheit angemessen erhält. „Fernverkehr: Großräumig umfahren, Regionalverkehr: Über Landstraßen ventilieren und kleinräumig umleiten über Stadt.“ 204