Beitrag zur automatisierten Steuerkennfeld-Applikation bei Fahrzeug-Dieselmotoren vorgelegt von Diplom-Ingenieur Kristian Jankov aus Zrenjanin Von der Fakultät V - Verkehrs- und Maschinensysteme der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften - Dr.-Ing. genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Gutachter: Gutachter: Prof. Dr.-Ing. J. Herrmann Prof. Dr.-Ing. H. Pucher Prof. Dr.-Ing. C. Gühmann Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 31. Juli 2008 Berlin 2008 D 83 II III Widmung Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen der Technischen Universität Berlin. Ganz besonderen Dank möchte ich Herrn Prof. Dr.-Ing. H. Pucher für seine fachliche und persönliche Unterstützung bei der Durchführung dieser Arbeit sowie für die Übernahme des Hauptreferates aussprechen. Danken möchte ich weiterhin Herrn Prof. Dr.-Ing. C. Gühmann für die Übernahme des Koreferates sowie Herrn Prof. Dr.-Ing. J. Herrmann für seine Bereitschaft zur Übernahme des Vorsitzes im Promotionsausschuss. Bei allen ehemaligen Kollegen sowie Mitarbeitern am Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen bedanke ich mich für das angenehme Arbeitsklima und die unkomplizierte Zusammenarbeit. Vor allem gilt mein Dank Dipl.-Ing. Sebastian Watzek, Christian Knop, Aleˇ Kolar, Said Gimajew und Mike Zocher, deren Beiträge wes sentlich zum Gelingen dieser Arbeit beitrugen. Des Weiteren gilt mein Dank der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. für die gewährte finanzielle Förderung. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Frau Maike für ihre unendliche Geduld und große Unterstützung bedanken. IV V Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Zielsetzung 1 2 Stand der Technik 2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Entwicklung von elektronischen Systemen im Fahrzeug . . . . . 2.3 Motorsteuergeräteapplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Steuergerät, Werkzeuge und Standards . . . . . . . . . . 2.3.2 Prozesskette zur Applikation von Motorsteuerkennfeldern 2.4 Optimierungsziele und Zielfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Multikriterielles Optimierungsproblem . . . . . . . . . . 2.4.2 Skalarisierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Methoden und Automatisierungsgrad im Applikationsprozess . . 2.5.1 Statistische Versuchsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 5 7 9 14 19 19 21 25 25 34 37 3 Hochdynamischer Motorprüfstand 3.1 Prüfstandsautomatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Prüfstandsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Versuchsmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 41 42 44 4 Fuzzy-Inferenz-Systeme und Künstliche Neuronale Netze 4.1 Fuzzy-Inferenz-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Fuzzy-Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Takagi-Sugeno-System . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Sugeno-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Künstliche Neuronale Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Radiale-Basisfunktionen-Netze . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Feedforward-Mehrschichtnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 46 46 50 53 56 56 57 5 Wissensbildung für den stationären Motorbetrieb 5.1 Versuchsplanung auf Grundlage des Takagi-Sugeno-Systems . . . . 5.1.1 Konzept zur globalen Versuchsplanung . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Bewertungskriterium zur optimalen Versuchsplanung . . . . 60 60 60 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI INHALTSVERZEICHNIS 5.1.3 5.2 5.3 5.4 Versuchsplanung am Beispiel eines mehrdimensionalen Eingangsproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatische Kennfeldvermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Online-Screening des Hyperraumes in ausgewählten stationären Motorbetriebspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Automatische Vermessung unter dynamischer Adaption lokaler Versuchsraumbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . Erstellung der Wissensbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Motivation und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Konzeptansatz zur Wissensverarbeitung . . . . . . . . . . . 5.3.3 Umkehrung des Motorprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . Wissensbasierte Betriebspunktoptimierung . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 GRASP - Greedy Randomized Adaptive Search Procedure . 5.4.2 Wissensbasierte Suche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Bewertung anhand skalarer Zielfunktionen . . . . . . . . . . 5.4.4 Optimierungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Applikation eines aufgeladenen Common-Rail-Dieselmotors 6.1 Versuchsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Stationäre Betriebspunktoptimierung . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Evolutionäre Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Konventionelle Offline-Optimierung . . . . . . . . . . . 6.3.3 Wissensbasierte Online-Optimierung . . . . . . . . . . 67 70 70 73 76 76 79 81 91 91 92 94 95 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 99 106 114 114 121 125 7 Erweiterte Untersuchungen zum dynamischen Motorbetrieb 7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Dynamische Motorvermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Ansteuerverfahren zur Variation der Verstellparameter . 7.2.2 Auswahl und Vermessung des dynamischen Testzyklus . 7.3 Entwicklung des Expertensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Konzept zur Wissensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Spezifikation der Expertensystems . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Automatische Adaption der Regelbasis . . . . . . . . . . 7.4 Optimierung entlang des dynamischen Testzyklus . . . . . . . . 7.4.1 Steuersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2 Online-Bedatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 132 133 133 134 138 138 140 141 145 145 147 8 Zusammenfassung 149 A Anhang 151 A.1 Takagi-Sugeno-Versuchsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A.2 Anhang zur Validierung der Wissensbasis . . . . . . . . . . . . . . . 152 A.3 Anhang zur modellbasierten Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . 154 INHALTSVERZEICHNIS VII A.4 Anhang zur Applikation des dynamischen Motorbetriebes . . . . . . 155 VIII Abbildungsverzeichnis 2.1 Marktentwicklung der Autoelektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Partitionierung elektronischer Systeme im Fahrzeug . . . . . . . . . 2.3 V-Modell zur Entwicklung elektronischer Systeme nach [44] . . . . . 2.4 Motorsteuergeräteapplikation: Testumgebung, Betriebszustände und Funktionsumfang (Common-Rail-Motor der 2. Generation) . . . . . 2.5 Vereinfachter Aufbau eines Steuergerätes nach [39] . . . . . . . . . . 2.6 Parallele ETK Steuergeräteschnittstelle nach [7] . . . . . . . . . . . 2.7 Funktionsgruppen und Schnittstellen von MCD-Systemen . . . . . . 2.8 Prozesskette einer modellbasierten Offline-Optimierung auf Grundlage der statistischen Versuchsplanung mit Online-Screening . . . . 2.9 Multikriterielles Optimierungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Referenzpunktmethode mit verschiedenen Abstandsnormen . . . . . 2.11 -constraint-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.12 Verteilung der Designpunkte nach dem D-Optimalitätskriterium für ein kubisches Polynommodell im zweidimensionalen Versuchsraum . 2.13 Verteilung der Designpunkte im zweidimensionalen Versuchsraum nach der Latin-Hypercube-Sampling-Methode . . . . . . . . . . . . 2.14 Ermittlung der Versuchsraumgrenzen durch das Online-DoE-Screening nach [12] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.15 Rapid Hull Determination nach [37]: 1. Basisvermessung, 2. iterative Versuchsraumermittlung (Volumenvergrößerung) mittels Normalvektoren, hier: 1. Iteration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.16 Rapid Hull Determination nach [37]: 1. Basisvermessung, 2. iterative Versuchsraumermittlung (Volumenvergrößerung) mittels Winkelhalbierenden zwischen zwei Versuchsraumtrajektorien mit dem Startpunkt als Ausgangspunkt, hier: 1. Iteration . . . . . . . . . . . . . . 2.17 Aufteilung des Motorkennfeldbereichs in Optimierungssektoren [43] 2.18 Trade-Off-Grenzkurven am Beispiel eines aufgeladenen Dieselmotors mit Pumpe-Düse-Einspritzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.19 Kennfeld-Glättung nach dem Spline-Ansatz [53] am Beispiel des Frischluftmassenkennfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Hardwarearchitektur der Prüfstandssteuerung . . . . . . . . . . . . 3.2 Softwarearchitektur und Schnittstellen der Prüfstandssteuerung . . 4 6 7 9 10 12 13 18 20 22 24 31 32 35 36 36 38 39 40 41 43 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 3.3 IX Hardware-Architektur des hochdynamischen Motorprüfstands . . . 44 Takagi-Sugeno-Struktur am Beispiel eines Systems mit zwei Eingängen x1 , x2 und einem Ausgang y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Feedforward-Netz mit einer verdeckten Schicht . . . . . . . . . . . . 53 58 4.1 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11 5.12 5.13 5.14 Verteilung der Designpunkte für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 1 Abstufung, 2 Fuzzy-Partitionen; Eingang u2 : 1 Abstufung, 2 Fuzzy-Partitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung der Designpunkte für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 2 Abstufungen, 2 Fuzzy-Partitionen; Eingang u2 : keine Abstufung, 2 Fuzzy-Partitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Optimale Versuchsplanung: vergleichende Gegenüberstellung der gemittelten Determinanten der Kovarianzmatrizen zur Evaluierung der Versuchsplanung für ein 8-dimensionales Eingangsproblem . . . . . Auswahl charakteristischer Motorbetriebspunkte des zu vermessenden Motorkennfeldes und Screening des globalen Hyperraumes der Verstellparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufplan zum Screening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl und Screening charakteristischer Motorbetriebspunkte des zu vermessenden Motorkennfeldes zur Ermittlung des globalen Hyperraumes der Verstellparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablaufplan zur automatischen Vermessung unter dynamischer Adaption lokaler Versuchsraumbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . Vergleich von konventioneller Programmierung und Expertensystemen nach [50] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursache-Wirkungs-Prinzip für einen nichtlinearen Prozess im 6-dimensionalen Hyperraum mit drei Systemausgängen . . . . . . . . . Expertensystem zur wissensbasierten Motorprozessoptimierung . . . Beispielhafte Aufteilung eines 3-dimensionalen Hyperraums in lokale Umgebungen zur Realisierung der Prozessumkehrung . . . . . . . . Erstellung einer Wissensbasis mit zwei Eingängen und drei Ausgängen: Definition der Zugehörigkeitsfunktionen als Gaußsche Glockenkurven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstellung einer Wissensbasis mit zwei Eingängen und drei Ausgängen: Darstellung der wirksam werdenden Zielgrößenbereiche, die aus der statistischen Anregung des umzukehrenden Systems in den Teilräumen resultieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung der lokalen Wissensbasis 1 am Motormodell: räumliche Eingrenzung der normierten Motorverstellparameter (oben), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Motorverstellparametern (mittig), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Zielgrößen (unten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 65 69 70 72 73 75 77 78 79 83 86 86 88 X ABBILDUNGSVERZEICHNIS 5.15 Validierung der lokalen Wissensbasis 6 am Motormodell: räumliche Eingrenzung der normierten Motorverstellparameter (oben), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Motorverstellparametern (mittig), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Zielgrößen (unten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16 Validierung der Wissensbasis: Verlauf der Beriebspunktgrößen und der gemessenen Zielgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17 Validierung der Wissensbasis: Rechnungs-Messungsvergleich zwischen gemessenen und berechneten Motorverstellparametern . . . . . . . . 5.18 Erstellung von Varianzpunkten um die Zielvorgaben (links), Ermittlung der Gültigkeitsbereiche für die jeweiligen lokalen Wissensbasen (rechts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.19 Bestimmmung der Nachbarschaft (linkes Bild) und Eingrenzung der aus der Varianzwolke resultierenden Lösungsvorschläge . . . . . . . 5.20 Modellbasierte Bestwertermittlung und Online-Evaluierung am Motorprüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.21 Zielvorgabenanpassung bei nicht konvergierendem Optimierungsverhalten: Anpassung der Zielvorgabe nach der ersten Optimierungsiteration durch vektorielle Anhebung und Korrektur der zweiten Zielvorgabe in Richtung der letzten (erfolgreich) abgearbeiteten Optimierungsiteration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 Abgastemperatur vor Turbine in Abhängigkeit vom Raildruck . . . Vermessungskennfeld: Kennfeldraster des Takagi-Sugeno-Versuchsplans und LHS-Motorbetriebspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatische Vermessung: Art und Anzahl der Grenzwertverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsweise der Verstellstrategie: Grenzwertverletzung im Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub . . . . . . . Soll-Ist-Vergleich für gefundenen Ersatzpunkt im Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub . . . . . . . . . . . . . . TS-Kennfeldvermessung in den Stützstellenpunkten: Eingangsdaten zur Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generalisierungsmessung zwischen den Stützstellenpunkten: Eingangsdaten zur Modellvalidierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Trainings- und Validierungsergebnisse für fünf verschiedene Modellordnungen des Takagi-Sugeno-Systems . . . . . . . . . TS-Kennfeldvermessung in den Stützstellenpunkten: Rechnungs-Messungsvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generalisierungsmessung zwischen den Stützstellenpunkten: Rechnungs-Messungsvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Validierung zwischen den Stützstellenpunkten: Gegenüberstellung der globalen Motormodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipskizze Genetische Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 90 90 95 96 97 98 101 102 103 105 105 107 108 109 110 111 114 116 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18 XI SSR- und SUS-Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Single-Point Crossover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Multi-Point Crossover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der Mutation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optimum-Suche mittels Genetischer Algorithmen nach [25] . . . . . Problematik der Randwertbestimmung zur modellbasierten Optimierung am Beispiel eines eindimensionalen Optimierungsproblems . . Änderung der über alle Zielgrößen gemittelten Approximationsgüte als Validierungsresultat der modellbasierten Betriebspunktoptimierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adaption des RBF-Netzes mit wiederholter Betriebspunktoptimierung: Änderung der Approximationsgüten . . . . . . . . . . . . . . Steuerung des Optimierungszyklus zur wissensbasierten Online-Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissensbasierte Online-Betriebspunktoptimierung: Zielgrößen . . . Wissensbasierte Online-Betriebspunktoptimierung: Motorbetriebspunktgrößen und Verstellparameter . . . . . . . . . . Zielfunktionsgradient je Iteration und skalarer Zielfunktion (oben). Zielfunktionsverbesserung nach jedem Optimierungszyklus (unten) . 118 119 119 120 120 7.1 Wissensverarbeitung für die dynamische Motorporzessoptimierung . 7.2 Prinzipskizze: Sequenzielle Ansteuerung der Motorverstellparameter 7.3 Dynamische Vermessung: Testzklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Dynamische Vermessung entlang des Testzyklus (n = 2250 min−1 , ± 30 Nm/s): Motorverstellparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Dynamische Vermessung entlang des Testzyklus (n = 2250 min−1 , ± 30 Nm/s): Zielgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Idee der Gradientenbildung in ausgewählten Stützstellen am Beispiel vermessener NOx -Zyklusverläufe als Konsequenz veränderter Verstellparameterkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Spezifikation des Expertensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.8 Automatische Adaption der Wissensbasis unter Berücksichtigung von Konfliktlösungen am Beispiel einer 2x1-Wissensbasis mit aus Trapezund Dreiecksfunktionen bestehenden Zugehörigkeitfunktionen . . . 7.9 Online-Ergebnis der wissensbasierten Optimierung entlang des dynamischen Testzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 134 135 6.19 6.20 6.21 6.22 6.23 6.24 122 124 124 127 128 129 130 136 137 139 141 143 148 A.1 Gemittelte Determinanten der Kovarianzmatrizen durch Variation der Zusatzpunkte und der Abstufungen nach Gl. 5.2 für ein TakagiSugeno-System konstanter Ordnung (64 Regeln) . . . . . . . . . . . 151 A.2 Ergebnisse zur Validierung der Wissensbasis: Gegenüberstellung der Zielgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 XII ABBILDUNGSVERZEICHNIS A.3 Ergebnisse zur Validierung der Wissensbasis: Darstellung der stationären Motorbetriebspunkte und Gegenüberstellung der Motorverstellparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 A.4 Eingang des Expertensystems: Zugehörigkeitsfunktion zur Kennzeichnung der Stützstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 A.5 Eingang des Expertensystems: Zugehörigkeitsfunktion zur Angabe der Konfliktregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 XIII Tabellenverzeichnis 2.1 Anzahl der stationären Rastervermessungspunkte in Abhängigkeit von Eingangsdimension (mit und ohne Einbeziehung von Drehzahl und Last) und Rasterpunktanzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Anzahl der Koeffizienten für quadratische und kubische Poylnommodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Statistische Kennzahlen zur Regressionsanalyse . . . . . . . . . . . 2.4 Signifikanztests: t- und F-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Kenndaten des Versuchsmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Einfluss der gewählten Eingangspartitionen auf die Takagi-SugenoOrdnung: Anzahl der Partitionen je Modelleingang, resultierende Regelanzahl und Parameteranzahl für ein 5-dimensionales Eingangsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basis-Versuchsplan für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 1 Abstufung; Eingang u2 : 1 Abstufung . . . . . . . . . . . Basis-Versuchsplan für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 2 Abstufungen; Eingang u2 : keine Abstufung . . . . . . . . Optimale Versuchsplanung: Versuchsplan-Konfiguration und Variation der Modellordnung für ein 8-dimensionales Eingangsproblem . Systemgrenzen des (5x2)-Motorbereichsmodells und Spezifikation der Wissensbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 5.3 5.4 5.5 6.1 Spezifikation des Optimierungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Stationäre Motorbetriebspunkte zum Screening der globalen Bereichsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Globale Grenzen des Motorbetriebsbereichs aus den Screening-Versuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Screening-Down für n = 3600 min−1 und mB = 44, 0 mm3 /Hub . . 6.5 Versuchsplanung zur Kennfeldvermessung: Konfiguration des Versuchsplans nach Gl. (5.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Versuchspunktwechsel mit Grenzwertverletzung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub . . . . 15 15 28 29 45 61 64 64 68 84 99 100 100 101 102 104 XIV 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 7.1 7.2 7.3 7.4 TABELLENVERZEICHNIS Modellcharakteristika: Takagi-Sugeno-System, Sugeno-System und DoE-Polynom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Modellcharakteristika: Radial-Basis-Funktionen-Netz, Generalized Regression Neural Network (GRNN) und Feedforward-Netz . . . . . . 113 Betriebspunktoptimierung: Auswahl der repräsentativen Motorbetriebspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Konfiguration der skalaren Zielfunktion (Wichtungen in %) . . . . . 121 Modellbasierte Optimierung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2000min−1 , mB = 20.3mm3 /Hub: Zielgrößen und Zielfunktion, Fahrbarkeit F und Randwertanteil RA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Modellbasierte Optimierung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2800min−1 , mB = 32mm3 /Hub: Zielgrößen und Zielfunktion, Fahrbarkeit F und Randwertanteil RA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Wissenbasierte Online-Optimierung (inkl. Modelladaption): Verbesserung der Approximationsgüte bezogen auf das Validierungsergebnis zur globalen Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Wissenbasierte Online-Optimierung (inkl. Modelladaption): Prozentuale Verbesserung der Optimierungsgüte gegenüber den modellbasierten Offline-Verfahren (Vergleich mittels gewichteter Summe) . . 131 Festlegung der Verstellparameterbereiche zur Vermessung des dynamischen Testzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Auswahl der Stützstellen entlang des dynamischen Testzyklus . . . 139 Veranschaulichung des Beispiels zur automatischen Adaption der Regelbasis anhand eines Tabellenschemas (die Darstellung beschränkt sich auf die am stärksten repräsentierten Partitionen der Ein- und Ausgänge.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Bewertungsschema: Einstufung der Grenzwertabweichungen ∆y1 und ∆y2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 A.1 Variation der Zusatzpunkte nach Gl. 5.2 für ein Takagi-Sugeno-System konstanter Ordnung (64 Regeln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A.2 Variation der Abstufungen nach Gl. 5.2 für ein Takagi-Sugeno-System konstanter Ordnung (64 Regeln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 A.3 Initialisierung des Genetischen Algorithmus (GA) . . . . . . . . . . 154 1 1 Einleitung und Zielsetzung Betrachtet man die Zielsetzungen in der Fahrzeug-Motorenentwicklung seit Beginn des 20. Jahrhunderts, so können zwei grundsätzlich verschiedene Phasen festgestellt werden. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts, teilweise auch bis in die 60er Jahre, stand die Leistungssteigerung im Blickpunkt der Motorenentwicklung. Die zweite Phase beginnt mit den 70er Jahren, in denen - bedingt durch den rasanten Anstieg der Fahrzeuganzahl und den damit verbundenen ökologischen Problemen erste Forderungen nach gesetzlichen Abgasgrenzwerten für Kraftfahrzeuge gestellt wurden. Seit der Einführung der ersten europäischen Gesetzgebung im Jahr 1970 wurden die Grenzwerte ständig verschärft. Zusätzlich zu den Anforderungen seitens des Gesetzgebers kommen die Ansprüche der Konsumenten an Wirtschaftlichkeit, Fahrkomfort und Agilität des Fahrzeugs hinzu. Die seit einigen Jahren stark steigenden Preise für fossile Kraftstoffe und die in der Öffentlichkeit stark diskutierte CO2 -Problematik forcieren den Wunsch nach höherer Motoreffizienz. Die Entwicklungsziele der zweiten Phase konzentrieren sich somit vor allem auf die Reduktion der Abgasschadstoffemissionen und die Optimierung der Kraftstoffverbrauchscharakteristik. Aufgrund der wachsenden Anzahl von innovativen Entwicklungen auf dem Gebiet der Elektronik können neue und komplexere Motorsteuerungen und -regelungen realisiert werden. Ein Zuwachs an flexiblen Aktoren ermöglicht es zudem, die Potenziale hinsichtlich der gesteckten Optimierungsziele noch besser auszunutzen. Um ein optimales Zusammenspiel der elektronisch gesteuerten Aktoren zu ermöglichen, ist im Vorfeld ein erheblicher Aufwand an Abstimmungsarbeit erforderlich. Die Steuerkennfeldapplikation stellt für die Applikations-Ingenieure eine große Herausforderung dar, da die aus legislativen und kundenspezifischen Vorgaben resultierenden Optimierungsziele gleichzeitig mit der Forderung nach Minimierung des Entwicklungsaufwands verknüpft werden. Der erweiterte Anforderungskatalog bedingt somit die Entwicklung und die Anwendung angepasster Algorithmen und Verfahrensmethoden. Unabdingbare Voraussetzung für eine effiziente Applikation ist daher die systematische Automatisierung der Entwicklungskette1 . Mit dem Übergang von der manuellen zur teil- bzw. vollautomatisierten Steuerkennfeldbedatung ändert sich die Entwicklungsarbeit des Prüfstands- bzw. Applikationsingenieurs grundlegend. 1 Siehe Abschnitt 2.3.2 2 1 EINLEITUNG Die applikative Aufgabe fokussiert sich auf die Parametrierung, die Bedienung und die Adaption der Automatisierungs- und Optimierungssysteme, für deren Beherrschung ein entsprechender Erfahrungsschatz erforderlich ist. Zielsetzung Zielsetzung dieser Arbeit ist die Entwicklung neuer Methoden zur Automatisierung und Optimierung des Steuerkennfeld-Applikationsprozesses. Eine wichtige Voraussetzung ist hierbei, dass die den einzelnen Entwicklungsstufen zugeordneten Verfahren modularisiert sowohl für die Grund- als auch für die Feinoptimierung anwendbar sind. Damit wird ermöglicht, dass bevorzugte unternehmensspezifische Ansätze und Vorgehensweisen partiell beibehalten und mit den in dieser Arbeit entwickelten Verfahren verknüpft werden können. Zunächst soll der heutige Technikstand durch die Beschreibung der elektronischen Fahrzeug-Systeme und der Motorsteuergeräteapplikation verdeutlicht und dokumentiert werden, wobei im Besonderen auf die Entwicklungskette zur Bedatung der Motorsteuerkennfelder und auf die mathematischen Ansätze zur Formulierung und zur Umsetzung der Applikationsziele eingegangen werden soll (Kap. 2). Um in dieser Arbeit Konzepte zur vollautomatischen Motorvermessung und Optimierung am hochdynamischen Motorprüfstand umsetzen zu können, ist eine Neuentwicklung der Prüfstandssoftware erforderlich. Diese soll an die bestehende Prüfstandsautomatisierung angebunden und als offene, flexible Entwicklungsplattform konzipiert werden (Kap. 3). Die Fuzzy-Inferenz-Methode soll in dieser Arbeit die grundlegende Technik für die Entwicklung neuer Applikationsverfahren darstellen. Sie soll als wissensbildende Komponente entlang der gesamten Entwicklungskette eingesetzt und getestet werden. Die in der Praxis weit verbreiteten Künstlichen Neuronalen Netze sollen zur vergleichenden Modellbildung und zur Durchführung der konventionellen Offline-Optimierung herangezogen werden. Die theoretische Beleuchtung der Modellsysteme einschließlich der ausgewählten Identifikationsmethoden sollen die Entwicklungsgrundlage bilden und zum besseren Verständnis dieser Arbeit beitragen (Kap. 4). Die wissensbildenden Entwicklungsmaßnahmen betreffen die Versuchsplanung und -durchführung, die globale Modellbildung, die Erstellung des Expertensystems sowie die Optimierung als finalen Entwicklungsschritt im stationären Bedatungsprozess. Die konzeptionellen Ansätze sollen den einzelnen Entwicklungsstufen zugeordnet werden und die Idee der Fuzzy-basierten Online-Grundoptimierung unter stationären Gesichtspunkten aufzeigen (Kap. 5). Die Bedatung der Steuerkennfelder soll exemplarisch in ausgewählten Motorbetriebspunkten online am Motorprüfstand durchgeführt und der konventionellen Offline-Optimierung mittels Genetischer Algorithmen vergleichend gegenübergestellt werden (Kap. 6). In erweiterten Untersuchungen zum dynamischen Motorbetrieb sollen ein dynamisches 3 Vermessungskonzept und ein dynamischer Optimierungsansatz2 zur Berücksichtigung der Fahrbarkeit entwickelt werden. Die Grundlage soll dabei ein regelbasiertes Expertensystem bilden, das aus messtechnischen Untersuchungen mittels geeigneter Gütekriterien automatisch abgeleitet und zur Online-Bedatung ausgeführt wird (Kap. 7). Die Arbeit soll mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse schließen (Kap. 8). 2 Dieser soll der Überschaubarkeit wegen nur für den dynamischen Motorbetrieb dargestellt werden. Er lässt sich allerdings sehr einfach auf den stationären Fall übertragen. 4 2 Stand der Technik 2.1 Allgemeines Markt für Automobilelektrik und -elektronik von 2005 bis 2015 Wachstum pro Jahr 250 Weltweit, in Milliarden Euro 225 200 65 5,5 % 175 150 61 7,0 % 125 38 100 75 31 50 19,5 25 35 6,0 % 46 4,9 % 23 Elektrik und Bordnetz Innenraum Body (Exterior) Motor und Antriebsstrang Chassis 5,9 % 28,5 0 13 2005 Anteil Elektronik je Fahrzeug 2015 20 % ≥ 30 % Abb. 2.1: Marktentwicklung der Autoelektronik (Quelle: Mercer Management Consulting ) Der Anteil an elektronischen Systemen im Fahrzeug ist in den letzten Jahren durch die fortwährende Weiterentwicklung von Elektronik und Software drastisch angestiegen. Eine Kehrtwende dieses Trends ist nicht in Sicht - im Gegenteil: der prognostizierte Wertezuwachs von 20 Prozent des Kraftfahrzeugwertes im Jahr 2005 auf 30 Prozent im Jahr 2015 macht das große Entwicklungspotenzial deutlich (Abb. 2.1). In allen Entwicklungsfeldern des Fahrzeugs werden durch den Ausbau elektronischer Systeme innovative Errungenschaften vorangetrieben. Neben den starken 2.2. ENTWICKLUNG VON ELEKTRONISCHEN SYSTEMEN IM FAHRZEUG 5 Enwicklungsimpulsen im Bereich der Sicherheits- und Telematik-Technologie erwartet man weiterhin auch hohe jährliche Zuwachsraten im „klassischen“ Entwicklungsfeld Antriebsstrang. Der immer größer werdenden Flexibilität in der Fahrzeugentwicklung steht allerdings eine überproportional steigende Komplexität gegenüber. Daher müssen optimierte Methoden für die Entwicklung von elektronischen Systemen (inklusive Softwarekomponenten) konzipiert und durch praxistaugliche Standards und Werkzeuge umgesetzt werden [44]. Im Folgenden wird zunächst auf den Entwicklungsprozess der elektronischen Systeme im Fahrzeug im Allgemeinen und anschließend auf die Motorsteuergeräteapplikation als Teilprozess auf unterer Fahrzeugsystemebene im Besonderen eingegangen. 2.2 Entwicklung von elektronischen Systemen im Fahrzeug Die Anforderungen an die Entwicklung elektronischer Systeme im Fahrzeug bezüglich Minimierung von Schadstoffemissionen, Kraftstoffverbrauch, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Komfort sind hoch. Die Anzahl der elektronischen Systeme und Funktionen im Fahrzeug wird immer größer. Die Zahl der freien Parameter, die z.B. für das Motorsteuergerät eines modernen Dieselmotors bestimmt werden müssen, liegt schon jetzt im vierstelligen Bereich [26]. Durch die gestiegenen Anforderungen werden die einzelnen Fahrzeugsysteme nicht mehr autonom behandelt, sondern durch systemübergreifende Funktionalitäten im Netzverbund als Gesamtsystem zusammengefasst. Die Vernetzung der elektronischen Systeme im Fahrzeug spielt dabei seit dem Einzug der Bussysteme (z.B. CAN1 ) in das Fahrzeug Anfang der 90er Jahre eine übergeordnete Rolle und leistet in Verbindung mit einer immer leistungsstärkeren Mikroprozessortechnik einen entscheidenden Beitrag zur gestiegenen Funktionalität. Erst durch die Vernetzung von elektronischen Systemen im Fahrzeug wurden viele übergreifende Funktionen möglich gemacht (wie z.B. die Antriebsschlupfregelung oder das Adaptive-Control-System). Eine Klassifikation dieser Funktionen, also eine eindeutige Zuordnung der Funktionen zu den Fahrzeugsystemen gestaltet sich allerdings zunehmend schwieriger. Hinzu kommt, dass konkurrierende Eingriffe von verschiedenen Steuergeräten in dieselben Systeme (z.B. Aktuatoren) geeignet gehandhabt werden müssen. Der Entwicklungsaufwand ist aufgrund dieser Komplexität sehr groß. Zur Beherrschung der Komplexität wird das System Fahrzeug daher abstrahiert und in mehrere Hierarchieebenen partitioniert. Abb. 2.2 zeigt die vereinfacht dargestellte Unterteilung der elektronischen Systeme in die Fahrzeugsysteme Antriebsstrang, Fahrwerk, Karosserie und Telematik sowie in deren Komponenten Steuergeräte, Mikrocontroller und Software. Für den Entwicklungsprozess werden nun definierte Vorgehensweisen, die in dem weit verbreiteten V-Modell beschrieben werden, vorgesehen, um einen durchgängi1 Controller Area Network 6 2 STAND DER TECHNIK Elektronische Systeme Systemebene Telematik Karosserie Fahrwerk Fahrzeugsysteme Antriebsstrang SG SG SG SG SG SG SG SG SG SG SG SG Steuergeräte 5 10 15 20 1000 290 324 431 478 2000 321 355 461 489 3000 360 389 480 501 Mikrocontroller Parameter, Kennlinien, Kennfelder 5 10 15 20 1000 290 324 431 478 2000 321 355 461 489 3000 360 389 480 501 Software Softwaremodule Softwaremodul 2 Abb. 2.2: Partitionierung elektronischer Systeme im Fahrzeug gen Prozess zu gewährleisten. Abb. 2.3 verdeutlicht das V-Modell-Prinzip für eingebettete Systeme im Fahrzeug. Die Grundlage bildet die zu Beginn des Prozesses zu spezifizierende Funktionsarchitektur unter Einbeziehung der entsprechenden Benutzeranforderungen, d.h. die Beschreibung der Funktionalität sowie der Randbedingungen2 des Systems. Danach erfolgt die Analyse der technischen Umsetzbarkeit und die Spezifikation der technischen Architektur3 . Im Bereich der Softwareentwicklung werden die Anforderungen an die Softwarearchitektur4 analysiert, die Grenzen des Softwaresystems zur klaren Trennung von der Umgebung abgesteckt und die Softwarekomponenten und deren Schnittstellen5 definiert. Beim Entwurf und bei der Umsetzung einer Software-Komponente müssen nichtfunktionale Bedingungen6 sowie allgemeine Implementierungsumstände7 beachtet werden. Im letzten Schritt der Softwareentwicklung werden alle Softwarekomponenten zu einer im Steuergerät ausführbaren Datei zusammengebracht und im Integrationstest geprüft. Neben dem aus Programm- und Datenstand bestehenden Softwarecode müssen zu2 wie z.B. Sicherheits-, Variantenanforderungen d.h. die Spezifikation von steuerungs- und regelungstechnischen Systemen, Echtzeitsystemen, vernetzten Systemen 4 Dies kann z.B. die Softwarearchitektur eines Mikrocontrollers im Motorsteuergerät sein. 5 On-Board-Schnittstellen zu Sensoren, Aktuatoren / Off-Board-Schnittstellen zur FlashProgrammierung, Kalibrierung, etc. 6 z.B. Trennung von Programm- und Datenstand zur motorspezifischen Steuergerätebedatung 7 z.B. Rechenungenauigkeit bei Festkomma-Arithmetik, Approximationsfehler durch Diskretisierung 3 2.3. MOTORSTEUERGERÄTEAPPLIKATION Analyse der Beutzeranforderungen ---------------------------------------Spezifikation der logischen Systemarchitektur 7 Systementwicklung Akzeptanztest ----------------------------------------Systemtest Kalibrierung Analyse der logischen Systemarchitektur --------------------------------------------Spezifikation der technischen Systemarchitektur Analyse der Software-Anforderungen ---------------------------------------Spezifikation der Software-Architektur Spezifikation der Softwarekomponenten Design & Implementierung der Softwarekomponenten Integrationstest Integration der Systemkomponenten des Systems Integration der Systemkomponenten Integrationstest der Software Integration der Softwarekomponenten Test der Softwarekomponenten Softwareentwicklung Abb. 2.3: V-Modell zur Entwicklung elektronischer Systeme nach [44] sätzlich die für Mess-und Kalibrierwerkzeuge notwendigen Beschreibungsdateien8 sowie ein Dokumentationsstand zur Verfügung gestellt werden. Auf der Ebene der Systementwicklung werden alle Systemkomponenten (siehe Abb. 2.2) zusammengeführt9 und einem Integrationstest unterzogen. Ein vor allem in der Motorenentwicklung entscheidender Prozessschritt ist die vor dem System-/Akzeptanztest erfolgende Kalibrierung10 der Softwarefunktionen im Steuergerät11 . Hier werden Parameter, Kennlinien und Kennfelder12 an die gewünschten Betriebszustände adaptiert. 2.3 Motorsteuergeräteapplikation Die heutigen Motorsteuergeräte umfassen mehr als zehntausend Parameter mit mehreren hundert Kennlinien und Kennfeldern [57]. Der Umfang der Diagnosefunktionalität nimmt dabei immer mehr zu. Die Aufgabe im Applikationsprozess 8 Sie enthalten die Design-und Spezifikationsinformationen und werden nach dem ASAMMCD2-Standard erzeugt [1] 9 wie z.B. Steuergeräte, Sensoren und Aktuatoren 10 z.B. Motorsteuergeräteapplikation 11 genauer: Mikrocontroller 12 Dies sind z.B. Reglerparameter, Begrenzungskennlinien und Motorkennfelder 8 2 STAND DER TECHNIK besteht nun darin, die freien Parameter der Steuer- und Regelsysteme - bei unverändert bleibenden Softwarestrukturen im Festwertspeicher des Motorsteuergeräts - zu bestimmen. Dies wird als Motorsteuergeräteapplikation bezeichnet. Man unterscheidet hierbei zwischen Prüfstands- und Fahrzeugapplikation [38]. In der ersten Phase wird das Motorsteuergerät nach stationären Kriterien grundbedatet13 . Die Softwareanpassungen werden am Motorprüfstand durchgeführt und legen einen wichtigen Grundstein für die nachfolgende Fahrzeugapplikation. Der Hauptbestandteil der ersten Phase ist die Bestimmung der Grundsteuerkennfelder der den Motorprozess signifikant beeinflussenden Motorparameter, die sich aus Brennverfahren, Einspritzsystem und weiteren Motorkomponenten ableiten14 . Voraussetzung für eine effektive Bewältigung dieser Aufgabe sind optimierte Methoden zur Wissenserhebung sowie zur automatischen Kennfeldapplikation. Weiterhin müssen die Parametersätze zu den Motorregelungen ermittelt und durch Berücksichtigung der unterschiedlichen Umgebungseinflüsse diversifiziert werden. Dazu gehöhrt z.B. die Unterscheidung der Reglerauslegung für verschiedene Fahrzeug- und Motorbetriebszustände. In der zweiten Phase werden Diagnosefunktionen angepasst und die Basiseinstellungen aus der ersten Applikationsphase in Fahrzeugversuchen (z.B. am Rollenprüfstand oder bei Erprobungen) bezüglich Kriterien der Fahrbarkeit15 und festgelegter Optimierungsziele nachappliziert. Die Optimierungsziele richten sich hierbei nach Abgasvorschriften, Fahrstrategien und Kundenwünschen16 . In Abb. 2.4 ist der Funktionsumfang eines Common-Rail-Systems der zweiten Generation mit zusätzlicher Abgasrückführ- und Ladedruckregelung dargestellt. Die Parametrierung der Funktionen erfolgt in unterschiedlichen Testumgebungen. Dies ist notwendig, um das Motormanagement an die veränderte Charakteristik im Steuerund Regelungsverhalten z.B. unter Extrembedingungen im Winter und im Sommer anpassen zu können. Gleiches gilt für die Anpassung der Motorsteuergerätefunktionen an diverse Betriebszustände (wie z.B. Gangstufen, Warmlauf, etc.). Allein für die Adaption des Leerlaufreglers werden - unter Beachtung aller Umgebungseinflüsse - bis zu 50 Parametersätze benötigt [39]. Mit der künftig flächendeckenden Einführung von Dieselpartikelfiltern (DPF) wird der Applikationsaufwand noch weiter erhöht: zur Regeneration des DPFs müssen geeignete innermotorische Maßnahmen durch entsprechende Parametervariationen ermittelt und im Motorsteuergerät in Form von Steuerkennfeldern hinterlegt werden. Dazu gehört u.a. die Verschleppung der Kraftstoffeinspritzung (Nacheinspritzung), um eine Erhöhung der Abgastemperatur vor dem DPF zwecks Abbrands der eingelagerten Partikel zu erzielen. Gleichzeitig muss aber auch eine Zerstörung des DPFs durch thermische Überbelastung 13 allerdings fließen hier schon Algorihmen zur Berücksichtigung von Fahrbarkeitskriterien ein Eine detaillierte Ausführung erfolgt in Abschn. 2.4 15 z.B. Motorbetriebspunktübergänge 16 hohe Leistung, niedriger Kraftstoffverbrauch, hoher Komfort 14 2.3. MOTORSTEUERGERÄTEAPPLIKATION 9 vermieden sowie die Problematik der Ölverdünnung beachtet werden [19],[20]. Der gesamte Applikationsprozess17 wird in mehreren Schleifen durchlaufen, da sich die einzelnen Phasen gegenseitig beeinflussen und so iterative Korrekturanpassungen notwendig werden. 50 - 70 % der Applikationsumfänge entfallen auf die Fahrzeug- und 30 - 50 % auf die Prüfstandsapplikation [57]. Motorsteuergeräteapplikation Testumgebung: Motorprüfstand Rollenprüfstand allg. Fahrzeugerprobung Wintererprobung Sommererprobung Höhenerprobung Motor- und Fahrzeugbetriebszustände stationär/dynamisch warmer/kalter Motor stehendes/fahrendes Fahrzeug aus-/eingekuppeltes Fahrzeug Funktionen: Leerlaufregelung Zwischendrehzahlregelung Laufruheregelung Aktiver Ruckeldämpfer externer Momenteneingriff Wegfahrsperre Mengenregelung und-begrenzung Fahrgeschwindigkeitsregelung Fahrgeschwindigkeitsbegrenzung Zylinderabschaltung Raildruckregelung Spritzbeginnsteuerung Steuerung der Voreinspritzung Steuerung der Nacheinspritzung Abgasrückführregelung Ladedruckregelung ... Diagnosefunktionen: Systemdiagnose Ersatzfunktionen Motordiagnose Abb. 2.4: Motorsteuergeräteapplikation: Testumgebung, Betriebszustände und Funktionsumfang (Common-Rail-Motor der 2. Generation) 2.3.1 Steuergerät, Werkzeuge und Standards Die Anforderungen an das Motorsteuergerät sind hoch. Zur Umsetzung des implementierten Motormanagements muss das Steuergerät jederzeit und in allen Betriebsumgebungen einwandfrei einsatzfähig sein, d.h. es muss extremen Witterungsbedingungen und mechanischen Belastungen standhalten, die umgebenden Motorbetriebsstoffe abweisen sowie die Kriterien zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) einhalten. Die Aufgabe des Motormanagements besteht in der zentralen Steuerung, Regelung und Überwachung des Motorprozesses in Abhängigkeit von motor- und fahrzeugrelevanten Signalen (z.B. Fahrerwunsch, Motordrehzahl, Motortemperatur, etc.). Aus den verarbeiteten und in dem Mikrocontroller ausgewerteten Eingangssignalen werden in optimierten Algorithmen die Ausgangssignale zur 17 einschließlich der Hardwareapplikation. Sie wird allerdings nicht der Motorsteugeräteapplikation zugeordnet. 10 2 STAND DER TECHNIK Ansteuerung der motorspezifischen Aktuatoren berechnet. Abb. 2.5 zeigt den vereinfachten Aufbau eines Steuergerätes. Der Steuerungsprozess kann prinzipiell in drei Bereiche unterteilt werden: Steuergerät Stellglieder Endstufen Eingangssignale: Mikrocontroller Signalaufbereitung RAM digital ADWandler analog pulsförmig Schnittstelle zu anderen Systemen EEPROM FlashEPROM Überwachungsmodul Spannungsversorgung CAN Diagnoseschnittstelle Abb. 2.5: Vereinfachter Aufbau eines Steuergerätes nach [39] • Signalverarbeitung Von Sensoren, Steuersignalen und anderen Steuereinheiten werden analoge, digitale und pulsförmige Signale über den Kabelbaum in das Steuergerät eingelesen. Die Rohsignale müssen für den Mikrocontroller in interpretierbare digitale Werte umgeformt werden. Analoge Signale werden durch Filterung, Anpassung des Spannungspegels an den Eingang des Mikrocontrollers sowie durch Analog-Digital-Wandlung der Software zugänglich gemacht. Die Bearbeitung besonders aufwändiger Signale (wie z.B. das Signal des Induktivgebers an der Kurbelwelle) wird zugunsten einer besseren MikrocontrollerPerformance ausgelagert und durch anwendungsbezogene Bausteine (ASIC Application Specific Integrated Circuit) bearbeitet. • Signalauswertung Die Signalauswertung bzw. die Ausführung der Steuer- und Regelalgorithmen erfolgt durch die Software im Mikrocontroller des Steuergerätes. Der 2.3. MOTORSTEUERGERÄTEAPPLIKATION 11 Mikrocontroller enthält den Mikroprozessor, diverse Festwertspeicher (ROM, EPROM, EEPROM, Flash-EPROM) für den Software- und Datenstand und flüchtige Speicher (RAM). Über Ein- und Ausgabeeinheiten - wie parallele oder serielle Schnittstellen (z.B. CAN) - kann je nach Anwendungsbedarf ein Datenaustausch mit externen Komponenten oder Mikrocontrollern vorgesehen werden. Durch den Einsatz einer weiteren, redundanten Rechnereinheit, des Überwachungsmoduls, wird eine parallele Überwachung z.B. der Mikrocontrollerkomponenten und des Programmablaufs ermöglicht, um so den sicherheitskritischen Anforderungen gerecht zu werden. • Signalausgabe Mit den Ausgangssignalen des Mikrocontrollers werden die Endstufen des Motorsteuergeräts betrieben, die mit den motorspezifischen Aktuatoren verbunden sind. Selbstschutzfunktionen verhindern eine Zerstörung der Bauteile durch Kurzschlüsse; Betriebsstörungen werden schaltungstechnisch erkannt und in Fehlerregister zwischengespeichert. Die Fehlerbits werden von der Rechnereinheit ausgelesen. Im Fehlerfall können damit Sicherheitsvorkehrungen wie z.B. die Aktivierung von Notlauffunktionen getroffen werden. Die Steuer-, Regel- und Überwachungsalgorithmen werden im Softwarestand des Motorsteuergerätes zusammengefasst. Der Softwarestand wird in Programm- und Datenstand unterteilt, deren Adressbereiche zwecks separater Bearbeitung voneinander getrennt sind. Im Programmstand sind die programmierten Algorithmen, im Datenstand die für die Applikation notwendigen Datensätze wie Parameter, Kennlinien und Kennfelder enthalten. Der für die Festwertspeicher (z.B. Flash-EPROM) moderner Motorsteuerungen benötigte Speicherbedarf liegt bei ca. 1 bis 2,5 MByte [57]. Der Softwarecode wird in eine ausführbare Hex-Datei gewandelt und in den Festwertspeicher des Steuergerätes bzw. des Mikrocontrollers geflasht. Die für unterschiedliche Entwicklungsphasen benötigten Informationen über die im Steuergerät abgelegten Kenngrößen, deren Adressierung und Konvertierung können allerdings der kompilierten und gelinkten Datei nicht entnommen werden. Aus diesem Grund werden die für die Datenübertragung und die Datenverarbeitung grundlegenden Design- und Spezifikationsinformationen in einer Beschreibungsdatei dokumentiert. Die Steuergeräte-Beschreibungsdateien entsprechen dem standardisierten und von Mess- und Applikationswerkzeugen lesbaren Format ASAM-MCD2 [1]. Die Mess- und Applikationswerkzeuge werden in den verschiedenen Entwicklungsphasen eingesetzt, um auf entsprechende Serien-, Entwicklungs- und Applikationssteuergeräte zugreifen zu können. Sie ermöglichen die Flash-Programmierung des Steuergerätes und dienen der Durchführung von Mess- und Kalibrieraufgaben. Darüber hinaus können mit Hilfe der Mess- und Kalibrierwerkzeuge die Softwarestände des Steuergerätes ausgewertet, verwaltet und dokumentiert werden. Die Schnittstellen zwischen Steuergerät und dem Werkzeug müssen hard- und softwaretechnisch angepasst werden und differieren je nach Anwendungsfall. Im Applikationsprozess 12 2 STAND DER TECHNIK richten sich die Anforderungen hauptsächlich an das Flashen der Datenstände und an das Messen und Applizieren motorinterner Größen. Man unterscheidet hierbei zwischen Offline- und Online-Applikation. Bei der Offline-Applikation ist die Verstellung von Parametern nur offline möglich, d.h., dass die Ausführung des Steuergeräteprogramms unterbrochen werden muss, um durch Flash-Programmierung den neuen Datenstand vom Kalibrierwerkzeug in den Mikrocontroller zu laden. Bei der Online-Applikation werden diese Nachteile durch den Einsatz eines von beiden Seiten 18 zugreifbaren Arbeitsspeichers, dem Cal-RAM (Calibration RAM), behoben. Die Kalibrierparameter werden hierzu vom ROM-oder Flash-Bereich des Mikrocontrollers in den freien Arbeitsspeicher kopiert19 . Die Klassifizierung der unterschiedlichen Schnittstellen zwischen Mikrocontroller und Kalibrier- und Messwerkzeug richtet sich nach der Art der Datenübertragung20 und der Existenz des freien Arbeitsspeichers (Cal-RAM) im Mikrocontroller [44]. Steuergerät Microcontroller ROM/ Flash RAM CALRAM Mailbox Applikationswerkzeug CPU ETKSchnittstelle ETKSchnittstelle Abb. 2.6: Parallele ETK Steuergeräteschnittstelle nach [7] Seriensteuergeräten stehen meist nur serielle Schnittstellen21 und ein kleiner freier Arbeitsspeicherbereich im Mikrocontroller zur Verfügung, dessen Speicherkapazität in der Regel nur wenige Kilobytes beträgt[57]. Somit schränkt sich die Applikation der Parameter auf einen kleinen Teil des kompletten Datenstands im Steuergerät ein. Bei Applikationssteuergeräten mit einer parallelen Schnittstelle wird eine hohe Übertragungsleistung erzielt und die Performance des Mikrocontrollers bleibt durch den unabhängigen Cal-RAM-Zugriff nahezu unverändert. Applikationssteuergäte erfordern daher umfangreiche Eingriffe in die Steuergeräte-Hardware. Abb. 2.6 zeigt den schematischen Aufbau einer externen Werkzeugschnittstelle (ETK - Emulatortastkopf) mit paralleler Datenübertragung für den Einsatz im Applikationssteu18 d.h. mikrocontroller- und werkzeugseitig Der Datenstand im ROM- oder Flash-Bereich wird als Referenzseite und der Datenstand im Cal-RAM als Arbeitsseite bezeichnet. 20 seriell oder parallel 21 wie z. B. Keyword Protocol 2000 basierend auf der K-Leitung oder CAN 19 2.3. MOTORSTEUERGERÄTEAPPLIKATION 13 ergerät. Der Datenaustausch zwischen Mikrocontroller und Kalibrierwerkzeug erfolgt bei Messungen und echtzeitnahen Anforderungen über einen Zwischenspeicher (Mailbox), in dem die Daten zwecks Synchronisation vom Steuergeräteprogramm getriggert werden [7]. Die standardisierten Schnittstellen und Datenaustauschformate, deren Anwendung zu einem effizienten Entwicklungsprozess beiträgt, werden durch das MCD-System 22 beschrieben. MCD-Systeme besitzen drei Funktionsgruppen, die als eigenständige Teilsysteme zum Einsatz kommen und je nach Anwendungserfordernis kombiniert werden können. Abb. 2.7 zeigt einen Überblick über die MCD-Systemarchitektur mit den Komponenten ASAM-MCD 1b, ASAM-MCD 2 und ASAM-MCD 3. Die Anwendung (z.B. Automatisierungssystem) M C D Messen Kalibrieren Diagnose ASAM MCD 3 ASAMMCD 2 Datenbasis Schnittstelle Schnittstelle ASAM MCD 1b SG 1 SG 2 Abb. 2.7: Funktionsgruppen und Schnittstellen von MCD-Systemen Systemarchitektur dient zur optimierten Handhabung von Steuergeräten und ermöglicht über die Anwenderschnittstelle (ASAM-MCD 3) die Anbindung des MCDSystems an komplexe Automatisierungssysteme [2]. Damit ist eine automatisierte Bedienung des MCD-Systems am (Motor-)Prüfstand über die Remotesteuerung durchführbar. Die Zugriffe der Anwendung auf das Steuergerät werden über das MCD-System gesteuert und sind aus diesem Grund vom Steuergerät entkoppelt. Die benötigten Steuergeräte-Informationen werden über die herstellerunabhängigen Steuergerätebeschreibungsdateien bereitgestellt (ASAM-MCD 2). Für die phy22 MCD - Measurement, Calibration and Diagnosis 14 2 STAND DER TECHNIK sikalische und logische Anbindung von Steuergeräten an das MCD-System werden standardisierte Treiber eingesetzt. Im Bereich Diagnose kommen allerdings nur genormte Schnittstellen wie Keyword Protocol 2000 (ISO 14230) oder Diagnostic on CAN (ISO 15765) zum Einsatz, da keine von ASAM standardisierten Schnittstellen zu den Bussystemen zur Verfügung stehen. 2.3.2 Prozesskette zur Applikation von Motorsteuerkennfeldern Die Applikation von Motorsteuerkennfeldern stellt in der Motorenentwicklung eine große Herausforderung dar. Sie dienen der Ausführung von Grundfunktionen im Steuergerät und tragen somit signifikant zum Motorprozessverhalten bei. Zur Einhaltung definierter Zielvorgaben müssen die freien Parameter in geeigneter Weise ermittelt werden. Die Prozesskette zur Applikation von Motorsteuerkennfeldern setzt sich aus folgenden, grundsätzlichen Entwicklungsphasen zusammen: 1. Definition der Optimierungsziele, Spezifikation des Optimierungssystems 2. Versuchsplanung 3. Versuchsdurchführung 4. Modellbildung 5. Optimierung 6. Kennfeldglättung In den letzten Jahren haben sich die Methoden innerhalb der Entwicklungsphasen grundlegend verändert. Neue Technologien im Diesel- und Ottomotorenbereich führten in Verbindung mit der Forderung nach Effizienzsteigerung zu einer Optimierungskomplexität, die sich mit dem klassischen Applikationsverfahren nicht mehr vereinbaren ließ. Ziel war es, der steigenden Komplexität durch rechnergestüzte Methoden und Anwendungen zu begegnen. Ausgangspunkt hierfür war die an die Spezifikation von Optimierungszielen und -system anknüpfende Entwicklungsphase zur Versuchsplanung. Das bei der Motorvermessung früher standardmäßig eingesetzte Rasterverfahren war nicht mehr zielführend anwendbar. Tabelle 2.1 veranschaulicht die Problematik des Verfahrens anhand der exponentiellen Abhängigkeit des Versuchsumfangs von Dimensionalität23 (mit und ohne direkte Einbeziehung von Motordrehzahl und Last) und gewähltem Raster des Motorraumes. 23 d.h. Anzahl der den Motorprozess signifikant beeinflussenden Motorsteuerkennfelder 2.3. MOTORSTEUERGERÄTEAPPLIKATION 15 Dimensionalität Rd (mit Einbeziehung von Drehzahl und Last) 2 Rasterpunkte 3 Rasterpunkte 4 Rasterpunkte 5 Rasterpunkte Dimensionalität Rd−2 (bezogen auf (3 x 3)-Motorkennfeld) 2 3 4 5 Rasterpunkte Rasterpunkte Rasterpunkte Rasterpunkte 4 5 6 8 10 16 32 64 256 1024 81 243 729 6561 59049 256 1024 4096 65536 1048576 625 3125 15625 390625 9765625 2 3 36 72 81 243 144 576 225 1125 4 144 729 2304 5625 6 8 576 2304 6561 59049 36864 589824 140625 3515625 Tab. 2.1: Anzahl der stationären Rastervermessungspunkte in Abhängigkeit von Eingangsdimension (mit und ohne Einbeziehung von Drehzahl und Last) und Rasterpunktanzahl Durch die Fokussierung auf analytisch getriebene Applikationsmethoden hat die Statistische Versuchsplanung (DoE) vor einigen Jahren Einzug in die Motorenentwicklung gehalten. Das modellgestützte Verfahren hat sich als sehr wertvoll erwiesen, um den hohen und nicht mehr vertretbaren Versuchsaufwand drastisch zu reduzieren und gleichzeitig die Informationsgewinnung für die Modellschätzung zu optimieren. Die Versuchsplanung sieht diejenigen Messpunkte im Motorraum Rd vor, die man für die optimale Bestimmung der durch die gewählte Modellstruktur vorgegebenen Modellkoeffizienten benötigt. Tabelle 2.2 verdeutlicht die aufwandsDimensionalität Rd (mit Einbeziehung von Drehzahl und Last) Quadratisches Polynommodell Kubisches Polynommodell 4 5 6 8 10 15 21 28 45 66 35 56 84 165 286 Tab. 2.2: Anzahl der Koeffizienten für quadratische und kubische Poylnommodelle bezogenen Vorteile der Statistischen Versuchsplanung gegenüber dem kombinatorischen Rasterverfahren am Beispiel der in der Praxis häufig zum Einsatz kommenden quadratischen und kubischen Polynommodelle mit Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen den Eingangsparametern. Die Anzahl der Modellkoeffizienten ist gleichbedeutend mit der für die Parameterschätzung minimal benötigen Anzahl an Messdatenpunkten. Die Anwendung der statistisch optimierten Versuchspläne geht allerdings mit der Problematik der praktischen Umsetzung einher, da der d-dimensionale Versuchsraum Rd aufgrund mangelnden Vorwissens nicht ausreichend vorausgesagt werden kann. Die Versuchsraumgrenzen müssen aber möglichst genau approximiert wer- 16 2 STAND DER TECHNIK den, da sie in die Berechnung der Versuchspläne eingehen24 . Desweiteren besteht die Gefahr, dass durch zu scharfe Restriktionen des Versuchsraums potenzielle Optimumkandidaten unberücksichtigt bleiben. Eine manuell durch den Prüfstandsfahrer durchgeführte Eingrenzung des fahrbaren Motorraumes ist sehr zeitaufwändig und setzt großes Expertenwissen voraus, um kritische Motorbetriebseinstellungen zu überprüfen. Der Versuch, den gültigen Bereich abzudecken und den Versuchsplan abzufahren, erstreckt sich meist über mehrere Iterationsschleifen, da sich die Randbedingungen teilweise erst in der Vermessungsphase erschließen und so Korrekturen des Versuchsplans nach sich ziehen. Die Versuchsdurchführung ist somit eng an die Versuchsplanung geknüpft. Für die statistische Versuchsmethodik werden daher vermehrt automatische Vermessungsstrategien eingesetzt, um durch eine rechnergestützte Automatisierung eine durchgängige Prozesskette zu sichern und iterative Entwicklungsschritte zu vermeiden bzw. einzuschränken. Ausgehend von stabilen Startpunkten, die in der Startphase bestimmt werden, erfolgt in der Screeningphase die automatische Ermittlung der Randbedingungen zur Eingrenzung des Versuchsraums. In der darauf folgenden Anpassungsphase wird der Versuchsplan gemäß einem festgelegten Optimalitätskriterium modifiziert und anschließend abgefahren. Eine detaillierte Beschreibung zum heutigen Stand von automatischen Vermessungsstrategien erfolgt in Unterabschnitt 2.5.2. In der nächsten Entwicklungsphase der Prozesskette wird die Modellbildung durchgeführt, wobei zwischen lokalen und globalen Modellen unterschieden wird. Betriebspunktmodelle bilden die motortechnischen Zusammenhänge in einem stationären Motorbetriebspunkt ab, ohne dass Motordrehzahl und Last in die Modellierung der Zielgrößen (be , N Ox , etc.) eingehen. Sie gehen aus der lokalen Versuchsplanung hervor, in der nur die Einstellungen der signifikanten Verstellparameter optimiert geplant werden. Der Vorteil ist, dass durch die reduzierte Dimensionalität eine vereinfachte Modellstruktur25 gewählt werden kann. Zudem zeichnen sich Betriebspunktmodelle durch ihren hohen Informationsgehalt aus. Zweistufige Modelle, die sich aus Betriebspunktmodellen zusammensetzen, eignen sich allerdings aufgrund der schlechten Interpolationseigenschaften nur bedingt zur Modellierung des gesamten Motorkennfeldbereichs, zumal der versuchstechnische Aufwand gegenüber globalen (einstufigen) Modellen vergleichsweise hoch ist. Diese erstrecken sich über den gesamten Kennfeldbereich oder werden für Teilgebiete im Motorraum verwendet und sehen Motordrehzahl und Last als zusätzliche Modelleingänge vor. Die Auswahl des Modelltyps hängt vom Anwendungsfall ab. Den Ausgangspunkt der Modellbildung bildet die Auswertung der durchgeführten Motorversuche, bei der Ausreißer detektiert und von der Modellbildung ausgeschlossen werden müssen. Das Monitoring wird in der Praxis üblicherweise offline ausgeführt und durch grafische Hilfsmittel unterstützt. Die Güte eines Regressionsmodells wird anhand 24 Durch nichtfahrbare Versuchsraumgrenzen wird die Schätzgüte der Parameteridentifikation beeinträchtigt. 25 z.B. ein quadratisches Polynommodell 2.3. MOTORSTEUERGERÄTEAPPLIKATION 17 definierter Gütemaße (Bestimmtheitsmaß R2 , Root Mean Square Error RM SE, etc.) bewertet. Validierungsmessungen stellen hierbei sicher, dass das Regressionsmodell in seiner allgemeingültigen Aussagekraft bestätigt und die Gefahr der Überanpassung26 somit minimiert wird. Neben Polynommodellen werden häufig auch Künstliche Neuronale Netze zur Abbildung der motortechnischen Zusammenhänge auf Grundlage der statistischen Versuchsplanung erstellt und zur modellbasierten Motorprozessoptimierung herangezogen. Künstliche Neuronale Netze können aufgrund ihrer Modellstruktur lokale Ausprägungen im Motorkennfeldbereich meist besser darstellen. Dies erfordert allerdings im Gegenzug auch einen erhöhten Messaufwand (ca. 30 % nach [41]). Die Optimierung des motorischen Gesamtprozesses wird im Anschluss an Messdatenauswertung, Modellbildung und Modellvalidierung durchgeführt. Die klassische Vorgehensweise, Motorsteuerkennfelder online am Motorprüfstand manuell zu applizieren, wurde weitestgehend durch die modellbasierte Offline-Applikation ersetzt. Als numerische Optimierungsverfahren haben sich die Genetischen Algorithmen (GA)27 und die Sequentielle Quadratische Programmierung (SQP)28 durchgesetzt. Die prinzipielle Funktionsweise der Genetischen Algorithmen wird in Abschn. 6.3.1 im Rahmen der modellbasierten Offline-Optimierung erläutert. Die modellbasierten Optimierungsergebnisse müssen am Motorprüfstand durch Vermessung der optimierten Parametereinstellungen nachgeprüft werden. Dies ist erforderlich, da die Modelle insbesondere in Randgebieten und in den von der Versuchsplanung nicht berücksichtigten Motorteilräumen mit Qualitätseinbußen behaftet sind. Hinzu kommt, dass die Motoreinstellungen bezüglich der Erfüllung der Fahrbarkeitskriterien 29 untersucht werden müssen. Zusätzliche Vermessungen von Teilräumen, Modellkorrekturen, manuelle sowie rechnergestützte Nachjustierungen der Parametereinstellungen sind die Folge. Im letzten Schritt müssen die stationären Motorkennfelder für den dynamischen Motorbetrieb angepasst bzw. geglättet werden. Es muss sichergestellt werden, dass bei den Motorbetriebspunktübergängen die geforderten Verstellparametergradienten im realen Fahrbetrieb umsetzbar sind. Die relevanten Motorkennfelder dürfen somit keine zu großen Sprünge aufweisen, sondern müssen über den gesamten Motorbetriebsbereich stetig aufgespannt sein. Abb. 2.8 zeigt die schematische Prozesskette für eine modellbasierte Offline-Optimierung mit Berücksichtigung der in der Praxis zyklisch auftretenden Optimierungsphasen. Die Modellbildung erfolgt hier auf Grundlage der statistischen Versuchsplanung unter Anwendung des Online-Screenings. Im Online-Optimierungsprozess werden die berechneten Parametereinstellungen direkt am laufenden Motor getestet. Eine hohe Iterationszahl an Optimierungsdurchläufen ist daher zu vermeiden. Die genannten klassischen Optimierungsverfahren 26 engl.: Overfitting heuristisches Suchverfahren 28 gradientenbasiertes Optimierungsverfahren 29 hier: fahrbare Parametereinstellungen, keine Grenzwertverletzungen 27 18 2 Offline (am Rechner) STAND DER TECHNIK Online (am Motorprüfstand) Startpunktphase Screeningphase Versuchsplanung Vermessung des Versuchsplans Auswertung Modellbildung Optimierung Kennfeldglättung Verifizierung der Optimierungsergebnisse, Prüfen der Fahrbarkeitskriterien Manuelle Applikation Abb. 2.8: Prozesskette einer modellbasierten Offline-Optimierung auf Grundlage der statistischen Versuchsplanung mit Online-Screening lassen sich aus diesem Grund nicht effizient einsetzen. Bisher konnte keine neue Online-Optimierungsmethodik, die den Nachteil der klassischen Verfahren behebt, entwickelt und am Motorprüfstand eingesetzt werden. 2.4. OPTIMIERUNGSZIELE UND ZIELFUNKTIONEN 2.4 2.4.1 19 Optimierungsziele und Zielfunktionen Multikriterielles Optimierungsproblem Die Optimierungsziele haben sich in den letzten Jahren nicht geändert. Der spezifische Kraftstoffverbrauch, die Stickoxidemission und die Partikelemission sind unter verschärften legislativen Vorgaben weiterhin die dominanten Zielgrößen im dieselmotorischen Optimierungprozesses. Weitere Optimierungsgrößen sind die den legislativen Limitierungen ebenfalls unterliegenden Schadstoffkomponenten CO und HC sowie die klimaschädliche Abgaskomponente CO2 . Komfortrelevante Zielgrößen wie die Geräuschemission und die Kriterien der Fahrbarkeit finden ebenso starke Berücksichtigung wie physikalische Limitierungen, die dem Motorschutz dienen (z.B. Begrenzung von Abgastemperatur und Zylinderspitzendruck) und bereits bei der Versuchsplanung und -durchführung entsprechend beachtet werden müssen. Das für den Verbrennungsmotor typische Optimierungsproblem lässt sich in die allgemeine mathematische Form überführen [33], [51]: min x ∈ d F(x) Gi (x) ≤ 0 i = 1, . . . , le Gi (x) = 0 i = le + 1, . . . , l xu ≤ x ≤ xo (2.1) Der Zielfunktionsvektor F(x) wird durch die Zielgrößen f1 (x), . . . , fm (x) repräsentiert, die vom d-dimensionalen Entscheidungsvariablenvektor x = (x1 , . . . , xd ) des Entscheidungsraums Ω ⊆ d abhängen. Das Ziel ist es, für alle m-dimensionalen Zielgrößen eine eindeutige und optimale Lösung im Lösungsraum Λ ⊆ m zu finden, welcher durch die in den Gleichheits- und Ungleicheitsbedingungen formulierten Restriktionen Gi (x) eingeschränkt wird. Man unterscheidet zwischen komplementären, indifferenten (oder neutralen) und konkurrierenden Zielen. Komplementäre und indifferente Ziele werden zu einem monokriteriellen Optimierungsproblem 30 reduziert, da sich die Ziele in gleicher Weise bzw. getrennt voneinander optimieren lassen [22]. Das Optimierungsproblem des Verbrennungsmotors ist multikriteriell, d.h., dass gleichzeitig mehrere, miteinander konkurrierende Zielgrößen optimiert werden müssen31 . Abb. 2.9 illustriert beispielhaft ein multikriterielles Optimierungsproblem (MOP), das durch einen dreidimensionalen Eingangsraum (Entscheidungsraum) mit einem zulässigen Entscheidungsvektor X = (X1 , X2 , X3 ) und einen zweidimensionalen 30 31 engl.: Single Objective Optimization engl.: Multi Objective Optimization 20 2 STAND DER TECHNIK Lösungsraum Λ ⊆ 2 mit dem dazu gehörigen Ergebnisvektor Y = (Y1 , Y2 , Y3 ) gekennzeichnet ist. Der Zielfunktionsvektor F(x) = (f1 (x), f2 (x)) wird durch die beiden zu minimierenden Zielgrößen beschrieben. Im allgemeinen lässt sich keine Entscheidungsraum Ω Lösungsraum Λ f2(x) X3 Y3 x3 X1 Y1 X2 x2 x1 Y2 f1(x) Pareto-Front Abb. 2.9: Multikriterielles Optimierungsproblem eindeutig beste Lösung ermitteln, sondern nur eine Menge von bestmöglichen Lösungen des Optimierungsproblems. Als Lösungsgrundlage dient hier das Prinzip der Pareto-Optimierung 32 . Im Folgenden werden die Definitionen der Pareto-Strategie nach [28] und [32] für ein multikriterielles Optimierungsproblem entsprechend Gl. (2.1) herangezogen. Definition 2.4.1 (Pareto-Dominanz) Ein Vektor (u1 , . . . , um ) dominiert einen Vektor (v1 , . . . , vm ) (kurz: u v) genau dann, wenn gilt: ∀i ∈ {1, . . . , m} : ui ≤ vi und ∃i ∈ {1, . . . , m} : ui > vi Ein Vektor (u1 , . . . , um ) dominiert einen Vektor (v1 , . . . , vm ) (kurz: u dann schwach, wenn gilt: ∀i ∈ {1, . . . , m} : ui ≤ vi v) genau Definition 2.4.2 (Pareto-Optimalität) Eine zulässige Lösung x heißt effizient ˆ oder pareto-optimal, wenn es kein x gibt, so dass der Vektor v = F (x) = (f1 (x), . . . , fn (x)) den Vektor u = F(ˆ) = (f1 (ˆ), . . . , fn (ˆ)) dominiert. x x x Definition 2.4.3 (Menge pareto-optimaler Lösungen) Für ein multikriterielles Optimierungsproblem F (x) ist die Menge der pareto-optimalen Lösungen defiˆ x niert als: P ∗ := {x ∈ Ω | ¬ ∃ x ∈ Ω : F(ˆ) F(x)} 32 nach Vilfredo Pareto (1848-1923) 2.4. OPTIMIERUNGSZIELE UND ZIELFUNKTIONEN 21 Definition 2.4.4 (Pareto-Front) Für ein multikriterielles Optimierungsproblem ∗ F(x) und die dazu gehörige pareto-optimale Menge P ∗ ist die Pareto-Front PF ront ∗ definiert als: PF ront := {u = F(x) = (f1 (x), . . . , fn (x)) | x ∈ P ∗ } 2.4.2 Skalarisierungsverfahren Für die Bewältigung des multikriteriellen Optimierungsproblems werden Lösungsansätze benötigt, die eine geeignete Formulierung bzw. Skalierung des Problems vornehmen. Im Folgenden werden die wichtigsten Skalarisierungsverfahren vorgestellt, die in [10], [33] und [40] zu finden sind. Ausgangspunkt ist das in Gl. (2.1) beschriebene multikriterielle Optimierungsproblem. A. Gewichtete Summe Die Idee der gewichteten Summe ist, das vektorielle Problem in ein skalares Ersatzproblem umzuwandeln. Das parametrische Problem (PP) ist gegeben durch: m min x ∈ m i=1 wobei wi ≥ 0 und wi fi (x) d (2.2) i=1 wi = 1 sind (Konvexkombination). Sei m ∗ ∗ m wi zi∗ = inf wi zi } F (w) := {z ∈ F : z∈F i=1 die Menge aller Vektoren, die für gegebene Gewichte wi die gewichtete Summe minimieren (wobei w ∈ int(Cm )), F ∗ (w) S(F ) := w∈int(Cm ) dann ist jede Lösung des parametrischen Problems effizient S(F ) ⊆ F ∗ . B. Referenzpunktmethode Bei der Referenzpunktmethode wird ein Abstandsmaß eingeführt, das den Abstand der Zielfunktionen von einem Referenzpunkt bemisst 1 r m min x ∈ zi0 − fi (x) d i=1 r mit 1 ≤ r < ∞, (2.3) 22 2 STAND DER TECHNIK wobei der Referenzpunkt z0 als Zielvektor definiert wird zi0 := inf{zi : z ∈ Y }. D.h., dass das Minimum aller Zielfunktionen bestimmt wird. Die Idee ist es nun, eine Lösung zu finden, die so nahe wie möglich am Referenzpunkt liegt. Der Referenzpunkt wird auch als Idealpunkt bezeichnet, da er bei konkurrierenden Zielen nicht erreicht werden kann. Jede optimale Lösung des skalaren Ersatzproblems ist pareto-optimal. Die durch den Parameter r konfigurierbare Abstandsnorm hat dabei einen großen Einfluss auf die Ermittlung der optimalen Lösung. Abb. 2.10 veranschaulicht das Kompromissproblem für drei unterschiedliche Abstandsnormen. Die in der Literatur am häufigsten genannten Abstandsnormen sind: m min x ∈ | zi0 − fi (x) | d mit x ∈ zi0 − fi (x) d 2 r = 2, mit r = ∞, (2.4) i=1 min max {zi − fi (x)} x ∈ mit 1 2 m min r = 1, i=1 d i f2(x) Y z0 f1(x) Abb. 2.10: Referenzpunktmethode mit verschiedenen Abstandsnormen 2.4. OPTIMIERUNGSZIELE UND ZIELFUNKTIONEN 23 C. Goal-Attainment-Verfahren Beim Goal-Attainment-Verfahren werden die in Gl. (2.1) aufgestellten Restriktionen in Zielfunktionen umformuliert, um eine Minimierung im Sinne des in Gl. (2.5) beschriebenen Ersatzproblems durchzuführen. Ziel ist es, sich an die Zielwerte zi0 anzunähern, die beispielsweise durch den Idealpunkt vorgegeben werden können. min λ : fi (x) − wi λ ≤ zi0 (2.5) (wobei wi die zu wählenden Wichtungsfaktoren zu den Zielfunktionen fi (x) sind) Durch systematisches Variieren der Wichtungsfaktoren können alle Lösungen im konvexen Zielbereich bestimmt werden. Im nicht-konvexen Lösungsraum ist dies nicht mehr möglich. Eine Lösungsmenge M des Vektorraums m heißt konvex, wenn für zwei beliebige Punkte y1 , y2 ∈ M auch die Verbindungsstrecke dieser Punkte in M liegt. d.h. (1 − h) y1 + h y2 ∈ M (2.6) für alle h ∈ [ 0, 1 ] und y1 , y2 ∈ M Des Weiteren können auch Lösungen gefunden werden, die nicht pareto-optimal sind. Diese müssen erkannt und bei der Lösungsfindung entsprechend ignoriert werden. D. -Constraint-, Hybrid- und Elastic- -Constraint-Methode Die -Constraint-Methode liefert auch für nichtkonvexe Mengen zufrieden stellende Lösungen. Die Idee basiert auf der Minimierung einer einzelnen Zielfunktion fk (x), während alle anderen Zielfunktionen fi (x) zu Restriktionen überführt werden. Die Restriktionen bedingen obere Schranken i , die durch fi (x) nicht überschritten werden dürfen. min fk (x) x∈Ω unter ∀i = k : fi ≤ i (2.7) Die typische Vorgehensweise sieht eine systematische Variation der Grenzwerte i für die zu Nebenbedingungen umformulierten Zielfunktionen fi (x) vor. Abb. 2.11 zeigt den Lösungsansatz einer beispielhaften multikriteriellen Optimierung nach der -Constraint-Methode für zwei obere Schranken 1,a und 1,b zur Begrenzung von f1 (x). Die zu minimierende Zielfunktion ist f2 (x). Die 24 2 STAND DER TECHNIK f2(x) Y ya yb ε1,a f1(x) ε1,b Abb. 2.11: -constraint-Methode Hybrid-Methode kombiniert die gewichtete Summe nach Gl. (2.2) und die Constraint-Methode. Der Vorteil hierbei ist, dass effiziente Lösungen gefunden werden, die mit der Methode der gewichteten Summe alleine nicht bestimmt werden können. Nachteilig wirkt sich aus, dass zuerst geeignete obere Schranken ermittelt werden müssen. Es gilt: m min x ∈ wobei wi ≥ 0 und wi fi (x) d unter ∀i : fi ≤ i , (2.8) i=1 m i=1 wi = 1 sind. Bei der Elastic- -Constraint-Methode, die ähnlich zur -Constraint-Methode ist, dürfen Restriktionen verletzt werden. Die Höhe der Grenzwertverletzung schlägt sich in Straftermen des skalaren Ersatzproblems nieder. Der Wert si gibt die zulässige Grenzwertverletzung an und µi den Faktor der Bestrafung. min fk (x) + x∈Ω µi s i unter ∀i = k : fi (x) − si ≤ i (2.9) i=k wobei µi ≥ 0 und si ≥ 0 sind. E. Lexikografische Methode Die lexikografische Methode bearbeitet m monokriterielle Ersatzprobleme, die zunehmend mit Restriktionen angereichert werden [40], d.h., dass das Lösen des Ersatzproblems sequentiell erfolgt, indem eine Zielfunktion fi (x) nach der 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 25 anderen fi+1 (x) minimiert wird unter Ausnutzung der optimalen Zielfunktionswerte von fk (x) für k < i als Nebenbedingungen. (1) ∗ f1 := min {f1 (x)} (2) ∗ f2 . . . (m) . . . ∗ fm := min {fm (x) : ∀i < m : fi (x) = fi∗ } x∈Ω ∗ := min {f2 (x) : f1 (x) = f1 } x∈Ω (2.10) x∈Ω Die Problematik der lexikografischen Methode besteht darin, dass eine Reihenfolge der Ziele vorgegeben werden muss. Wenn a-priori keine feste Priorität bestimmt werden kann, ziehen die beliebig gewählten Reihenfolgen verschiedene Lösungen nach sich. Eine optimale Lösung ist damit nicht gewährleistet. Die gezeigten Skalarisierungsverfahren sind geeignete Methoden, um multikriterielle Optimierungsprobleme zu bearbeiten. Die Auswahl des Skalarisierungsverfahrens erfolgt anwendungsspezifisch. Der Nachteil dieser Verfahren ist, dass a-priori eine Auswahl von Wichtungsfaktoren, Grenzwerten etc. getroffen werden muss. Umfangreiche Voruntersuchungen sind daher notwendig, um die optimale Konfiguration der Zielfunktion, die einen entscheidenden Einfluss auf den Optimierungsverlauf hat, festzulegen. 2.5 2.5.1 Methoden und Automatisierungsgrad im Applikationsprozess Statistische Versuchsplanung Die statistische Versuchsplanung sieht eine Optimierung des Versuchsplans für ein zugrunde liegendes Systemmodell (Regressionsmodell) vor. Polynomiale Regressionsmodelle kommen in diesem Zusammenhang am häufigsten zum Einsatz, da sich die Versuchspläne nach effizienten Optimalitätskriterien auslegen lassen. Im Folgenden werden das polynomiale Regressionsmodell als statistisches Modell für EinflussWirkung-Beziehungen mathematisch beschrieben und die Methode der kleinsten Fehlerquadrate zur Modellidentifikation sowie die in der Motorenentwicklung bevorzugt eingesetzten RSM-Design-Klassen33 vorgestellt. Eine ausführliche Beschreibung zur statistischen Versuchsplanung ist in [29], [41] und [45] zu finden. 33 RSM = Response Surface Method 26 2 STAND DER TECHNIK Regressionsanalyse Das Regressionspolynom beschreibt den durch den Koeffizientenvektor a quantifizierten Zusammenhang zwischen den Einflussgrößen x (Regressoren) und den Zielgrößen (Regressanden) y. Gl. (2.11) und Gl. (2.12) zeigen die Darstellung des mehrdimensionalen Polynommodells in Matrizenform, bei der sich der funktionale Zusammenhang mit der Störgröße ξ überlagert. Diese Störgröße wird als Zufallsvariable der Grundgesamtheit aufgefasst und kann (messtechnisch) nicht erfasst werden. y = X · a + ξ. (2.11)        1 x11 . . . xq ξ0 y1 a0 1p  .  . . . · . + .  .. . .  .  .   .  = . . . . . . . . q 1 xm1 . . . xmp ym ap ξm (2.12) oder  mit • m: Anzahl der Beobachtungen bzw. Messungen • q: Modellordnung • p: Anzahl der Modellterme ohne Konstante a0 • y: Mess- bzw. Zielgrößenvektor • X: Regressions- oder Eingangsgrößenmatrix • a: Koeffizientenvektor Für die multivariate Regression werden die Fehlerterme ξ als unabhängig und normalverteilt N (0, σ) angenommen. Es gilt ferner: 1. E (ξi ) = 0 für alle i = 1, . . . , m • d.h., dass der Erwartungswert für die Fehlerterme gleich Null ist. 2. var (ξi ) = σ 2 für alle i = 1, . . . , m • d.h., dass die Varianzen der Fehlerterme konstant bzw. nicht signifikant unterschiedlich sind34 . 34 d.h. es liegt Homoskedastizität vor 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 27 3. cov (ξi , ξj ) = 0 für alle i = j • d.h., dass die Fehlerterme je zweier Beobachtungen unkorreliert sind. Damit wird der Erwartungswert des Zielgrößenvektors E (y) = X · a und die 2 Varianz/-Kovarianzmatrix cov (y) = σy · I35 . Die Modellbildung wird mittels der Methode der kleinsten Quadrate36 durchgeführt. Sie stellt die Standardmethode zur Anpassung der Modellkoeffizienten dar. Ausgangspunkt der Modellschätzung ist das Gütekriterium nach Gl. (2.13), das aus dem Quadrat der Residuen 37 gebildet und gemäß Gl. (2.14) minimiert wird. Q = eT e = (y − Xa)T (y − Xa) = yT y − yT Xa − aT XT y + aT XT Xa (2.13) = yT y − 2aT XT y + aT XT Xa m e2 i min a∈ (2.14) i=1 Die notwendige Bedingung führt zu der in Gl. (2.15) aufgestellten notwendigen Bedingung, die nach dem zu bestimmenden Koeffizientenvektor aufgelöst wird. Der durch die Methode der kleinsten Quadrate gewonnene Schätzer setzt sich aus der Regressionsmatrix X und dem Mess- bzw. Systemantwortvektor y gemäß Gl. (2.16) zusammen. Unter den für die multivariate Regression gemachten Annahmen und Bedingungen ist er BLUE38 , d.h. er ist der beste lineare und unverzerrte Schätzer. ∂Q ∂a = −2XT y + 2XT Xˆ = 0. a (2.15) ˆ = (XT X)−1 XT y. a (2.16) a=ˆ a Die Polynomgleichung lautet dann: y =X·ˆ ˆ a 35 I - Einheitsmatrix LSM - Least Squares Method 37 Differenz zwischen beobachtetem und geschätztem Systemantwortvektor 38 Best Linear Unbiased Estimator 36 (2.17) 28 2 STAND DER TECHNIK Die Beurteilung der Modellgüte erfolgt mittels statistischer Kennzahlen und Tests, die Hinweise auf ein korrektes Schätzmodell geben. Das Bestimmtheitsmaß R2 (bzw. der Determinationskoeffizient) gibt an, in welchem Ausmaß das Modell statistisch determiniert ist, d.h. mit welcher Genauigkeit die lineare Approximation geschätzt werden kann. Das Maximum R2 = 1 bedeutet exakte Approximation, das Minimum R2 = 0 weist keinen Zusammenhang zwischen den Eingängen und dem Ausgang des Modells auf. Das Kriterium zeigt allerdings nicht an, ob das Modell richtig spezifiziert worden ist. Mit komplexeren Polynommodellen und der damit verbundenen höheren Zahl p an Modelltermen ist die Aussagekraft des einfachen 2 Bestimmtheitsmaßes eingeschränkt39 . Das adjustierte Bestimmtheitsmaß Radj berücksichtigt die Komplexität des Modells, bei dem R2 um die Anzahl der Freiheitsgrade korrigiert wird. Es ist daher für die Beurteilung der Approximation zusätzlich heranzuziehen. RMSE ist die Wurzel der mittleren quadratischen Abweichung und ist ein Maß für die Schätzgüte hinsichtlich Bias und Varianz. Die Residuenanalyse ist ein weiteres Hilfsmittel zur Überprüfung zentraler Annahmen der Regressionsschätzung. Sie gibt Aufschluss über mögliche Ausreißer und über die Existenz von Homoskedastizität der Residuen40 . Die empirische Verteilung der Residuen wird in Residuen-Streudiagrammen untersucht. Tab. 2.3 zeigt korrespondierend zu Gl. (2.12) einen Überblick über die wesentlichen statistischen Kennzahlen zur Regressionsanalyse41 . Zur Absicherung der einmaligen Schätzergebnisse werden ergänzend Empirischer Mittelwert Schätzung der Standardabweichung Untransformiertes Residuum Einfaches Bestimmtheitsmaß Korrigiertes Bestimmtheitsmaß Root Mean Square Error 1 m yi m i=1 y ¯ sy m 1 (yi − y )2 ¯ m − p i=1 yi − yi ˆ resi R 2 2 Radj RMSE m i=1 res2 i s2 ∗ (m − p) y m−1 1 − (1 − R2 ) m−p m 1 res2 i m i=1 1− Tab. 2.3: Statistische Kennzahlen zur Regressionsanalyse statistische Signifikanztests durchgeführt. Die Teststrategien sehen eine umfassende Prüfung der Modellterme vor, die bei Insignifikanz ausgeschlossen werden, d.h., dass die partiellen Regressionskoeffizienten (t-Test) sowie die Erklärungsleistung 39 d.h. das Bestimmtheitsmaß R2 kann mit steigender Anzahl der Modellterme nie kleiner werden, auch wenn bestimmte Modellterme ungeeignet sind. 40 Man unterscheidet zwischen untransformierten, standardisierten, studentisierten und partiellen Residuen. 41 Für eine detaillierte Beschreibung sei auf die Literatur verwiesen [55], [41]. 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 29 des Gesamtmodells überprüft werden (F-Test) [55]. Voraussetzung ist die Annahme normalverteilter Parameter und Schätzwerte. Beide Testverfahren beruhen auf dem Prinzip des Falsifikationismus, bei dem eine theoretische Annahme (bzw. Hypothese) H0 für ein definiertes Signifikanzniveau α widerlegt werden muss, um die statistische Signifikanz zu bestätigen. Beim t-Test berechnet sich die Testgröße TR aus dem Schätzkoeffizienten aj und der Standardabweichung des Schätzkoeffizienˆ ten σaj . Liegt TR innerhalb des Vertrauensintervalls −Tα/2 < t < Tα/2 , so wird die ˆˆ Nullhypothese H0 angenommen42 . Beim F-Test wird geprüft, ob alle Koeffizienten a1 = · · · = ap = 0 sind. Die Prüfgröße FR ist unter der Annahme der Nullhypothese mit den Parametern (p − 1) und (m − p) F-verteilt. In Tab. 2.4 sind die Signifikanztests vergleichend gegenübergestellt: Testverfahren Hypothesen und Testgrößen Beschreibung t-Test H0 : aj = 0; H1 : aj = 0; aj ˆ ; TK = Tα/2 TR = σaj ˆˆ Signifikanztest eines partiellen Koeffizienten. Ablehnung von H0 , falls |TR | > TK . F-Test H0 : a1 = · · · = ap = 0; H1 : aj = 0; R2 /(p−1) FR = (1−R2 )/(m−p) FK = Fp−1,m−p (α) Signifikanztest des Gesamtmodells. Ablehnung von H0 , falls FR > FK . Tab. 2.4: Signifikanztests: t- und F-Test Statistische Versuchspläne Die für die Schätzung des polynomialen Regressionsmodells verwendeten Messdaten43 basieren auf einem Versuchsplan, der nach statistischen Kriterien optimal ausgelegt werden und so einen Beitrag zu einer verbesserten Modellqualität leisten kann. Klassische Versuchspläne wie der zentral zusammengesetzte Versuchsplan44 eignen sich nur begrenzt für die Erstellung von komplexeren Modellstrukturen in eingeschränkten Versuchsräumen (bei gleichzeitig zu minimierendem Versuchsaufwand) [29], [14]. Der D-optimale Versuchsplan ist der Response-Surface-MethodDesign-Klasse zugehörig und wird in der Motorenentwicklung bevorzugt eingesetzt. Das Prinzip der D-Optimalität besteht darin, die in Gl. (2.11) dargestellte Regressionsmatrix X derart einzustellen, dass die Varianz/-Kovarianzmatrix minimiert 42 In diesem Fall ist die Testgröße Student-t-verteilt mit m (Stichprobenumfang) - p (Anzahl der Schätzkoeffizienten) Freiheitsgraden. 43 Trainingsdaten 44 CCD - Central-Composite-Design 30 2 STAND DER TECHNIK wird. Für den Schätzvektor ˆ gilt die Erwartungstreue, d.h., dass der Erwartungsa wert genau mit dem gesuchten Parametervektor übereinstimmt: E (ˆ) = E (XT X)−1 XT y a = E (XT X)−1 XT (X · a + ξ ) = a + E (XT X)−1 XT ξ =a (2.18) Aus der Normalverteilung des Gleichungsfehlervektors und der Erwartungstreue des Schätzvektors folgt für die Varianz-/Kovarianzmatrix: cov (ˆ) = E (ˆ − a) · (ˆ − a)T a a a = σ 2 (XT X)−1 (2.19) Um die Abweichung zwischen gesuchtem und geschätztem Parametervektor klein zu halten, muss ein Kandidatensatz ermittelt werden, der die Determinante der in−1 minimiert. Daher gilt für die D-Optimalität: versen Informationsmatrix XT · X det(XT X)−1 → min (2.20) Die D-Optimalität sowie alle anderen Optimalitätskriterien45 beinhalten die Regressionsmatrix X. Die Modellstruktur muss daher bereits vor der statistischen Versuchsplanung festgelegt sein, was eine genaue Kenntnis des zu modellierenden Systems voraussetzt. Abb. 2.12 zeigt die D-optimierte Verteilung der Designpunkte für ein kubisches Polynommodell im zweidimensionalen Versuchsraum. Es werden verfahrensbedingt vorwiegend Randpunkte berechnet46 . Ist der Versuchsraum nur unzureichend eingegrenzt worden, verschlechtert sich die Modellgüte infolge der gestiegenen Diskrepanz zwischen gesuchtem und geschätztem Parametervektor nach Gl. (2.19). Für den Einsatz von neuronalen Netzen werden in der Praxis häufig raumfüllende Versuchspläne eingesetzt, die durch die weit verbreitete Latin-Hypercube-SamplingMethode erstellt und an die alternativen RSM-Designs47 angefügt werden [27], [5], [21]. Ziel ist es, dem für die Erstellung von neuronalen Netzen zusätzlich erforderlichen und von den optimalen RSM-Designs nicht mehr zu bewältigenden Mehraufwand geeignet zu begegnen. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass der freie Hyperraum mit möglichst wenigen Messpunkten durch statistische Verteilung gleichmäßig 45 A-, C-, E-, G-, I-, V-Optimalität, vgl. [29], [21], [41] Die Auswirkungen von Messfehlern auf die Modellqualität können durch die Verteilung der Designpunkte an den Versuchsraumgrenzen klein gehalten werden. 47 wie z.B. dem D-optimalen Design 46 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 31 Abb. 2.12: Verteilung der Designpunkte nach dem D-Optimalitätskriterium für ein kubisches Polynommodell im zweidimensionalen Versuchsraum abgedeckt wird. Die Latin-Hypercube-Sampling-Methode teilt jede Dimension i des (j) Hyperraumes Rd in K Klassen auf und generiert für jede Klasse Kandidaten Ui nach dem Zufallsprinzip48 . Die Definition der gleich wahrscheinlichen Klassen lautet: Aj = 1 0, 1 , Aj = 2 K 1 2 , , . . . , Aj = K K K 1− 1 ,1 K (2.21) Es gilt: (j) • die Wahrscheinlichkeit Pj Ui (j) • Ui ∈ Aj = i 1 ∀ j = 1, . . . , K K ∼ Uni(0, 1)49 , i = 1, . . . , d, j = 1, . . . , K Das Latin-Hypercube-Sample entsteht durch das in Gl. (2.22) dargestellte bedingte Sampling, d.h. durch die Generierung der bedingten Verteilung der Kandidaten in den Klassen. Damit ist gewährleistet, dass jede Klasse Aj mindestens einen Kandii (j) datenpunkt xi enthält. (j) (j) xi = 48 49 (j) π i − 1 Ui (j) (j) + → LHS x1 , . . . , xd K K Es wird von einer Normalverteilung N (0, 1) der Daten ausgegangen. stochastisch unabhängig (2.22) 32 2 STAND DER TECHNIK mit (j) (j) • π1 , . . . , πd - unabhängige Zufallspermutationen der Menge {1, . . . , K} Abb. 2.13 zeigt das prinzpielle Verteilungsmuster am Beispiel eines zweidimensionalen (Motor-)Raumes R2 mit 10 Klassen. Man erkennt, dass für die gegebene Designpunkte x2 x1 Abb. 2.13: Verteilung der Designpunkte im zweidimensionalen Versuchsraum nach der Latin-Hypercube-Sampling-Methode Klassen-Dimension (K d = 102 ) eine Reduktion auf K = 10 Kandidatenpunkte erreicht wird. Jedes Band 50 enthält (horizontal und vertikal) mindestens einen Punkt. Die LHS-Strategie sieht eine iterative Anpassung des Designs vor. Das Kriterium kann der maximale Abstand zwischen den Designpunkten oder die minimale Korrelation sein [52]. Praxisorientierte Anwendung statistischer Versuchspläne Die Motorkennfeldapplikation ist in der Praxis nicht einheitlich gestaltet. Die Gründe hierfür liegen im Verbrennungsverfahren des zugrunde liegenden Versuchsmotors, in den definierten Optimierungszielen sowie im unterschiedlichen Automatisierungsgrad der zur Verfügung stehenden Motorprüfstandssysteme. Die resultierenden Konzepte in der Planungsphase sehen daher lokale Versuchspläne für Motorbetriebspunktmodellierungen oder globale Versuchspläne für partielle und vollständige Motorkennfeldbereichsmodellierungen vor. In [47], [46], [24] wird der Weg der lokalen 50 Stratus 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 33 Versuchsplanung zur Einhaltung legislativer Vorgaben für den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ)51 eingeschlagen. Durch die reduzierte Dimensionalität wird der messtechnische Aufwand lokal im Motorbetriebspunkt verringert52 , in der Summe der zu untersuchenden Punkte steigt er jedoch erheblich an. In [47] werden für 14 repräsentative Motorbetriebspunkte DoE-basierte Versuchspläne einzeln berechnet und abgefahren. In [46] sind es 30 Betriebspunkte, für die ein Zeitaufwand von ca. 28 Stunden erforderlich war. Partielle Versuchspläne, die auch globale Versuchskandidaten enthalten, stellen in Bezug auf den Messaufwand einen Kompromiss zwischen lokalen und vollständigen (globalen) Versuchsplänen dar. In [41] werden die aus Vorversuchen bekannten Hauptbetriebsbereiche in 3 Teilbereiche zerlegt, für die jeweils ein Versuchsplan zugeteilt ist. Die daraus entstehenden Bereichsmodelle werden im anschließenden Schritt durch eine geeignete Interpolationsmethodik zu einem Gesamtmodell zusammengesetzt. Nachteilig wirkt sich die Methode an den Interpolationsgrenzen aufgrund unzureichender Modellqualität aus. Der beschriebene Applikationsweg in der Versuchsplanungsphase eignet sich sowohl für die Basis-, als auch für die Feinapplikation der Motorsteuerkennfelder. In [49] wird der Motorkennfeldbereich auf 8 Drehzahlwerte für einen 5-dimensionalen Kandidatensatz einschließlich der Last als Haupteinflussgröße fixiert und nach der Latin-Hypercube-Sampling-Methode vermessen. Dies zieht einen Aufwand von ca. 400 Testpunkten nach sich. Vergleichend hierzu würden ca. 800 Testpunkte für eine lokale und ca. 150 Testpunke für eine vollständige (globale) Versuchsplanung erforderlich sein. Für eine Grundabstimmung eines Motorkennfeldes, an dem keine Applikationsvorkenntnisse vorhanden sind, werden globale Regressionsansätze basierend auf vollständigen Versuchsplänen empfohlen [13]. Der Vorteil ist, dass eine deutliche Reduktion des Messaufwands erzielt wird. In der Optimierungsphase lassen sich die charakteristischen Motorbetriebspunkte stützstellenunabhängig bearbeiten. Nachbarschaftsbeziehungen können im Vergleich zu Betriebspunktmodellen oder zusammengsetzten Bereichsmodellen besser ausgenutzt werden, da die durch Interpolation zwischen den Stützstellen hervorgerufenen Abweichungen vermieden werden können [13], [30], [27]. Den Vorteilen einer globalen Versuchsplanung stehen die Nachteile der erhöhten Gefahr von Messwertdriften aufgrund des längeren Versuchsplans gegenüber. Zudem werden die Modelle komplexer und die Festlegung von Einstellbereichen der Motorsteuergrößen diffiziler. In [13] werden für die globale Versuchsplanung insgesamt 8 Kandidaten (2 Haupteinflussgrößen und 6 Verstellparameter) statistisch optimal ausgelegt. Der D-optimale Versuchsplan umfasst ca. 440 Testpunkte inklusive zusätzlicher Referenzmesspunkte zur Absicherung des Versuchsplans gegen zeitabhängige Messwertedrifts. 51 Dieser Applikationsprozess wird als Feinabstimmung bezeichnet, der als Grundlage die Basisabstimmung dient. 52 Die den Motorbetriebspunkt charakterisierenden Größen wie Motordrehzahl und Last gehen nicht in die Versuchsplanung ein. 34 2 2.5.2 STAND DER TECHNIK Versuchsdurchführung Die Umsetzung der statistischen Versuchspläne erfolgt in der Praxis aus Effizienzund Qualitätsgründen immer öfter automatisch. Voraussetzung dafür ist ein intelligentes Prüfstandsmanagement am Motorprüfstand, das den hohen Anforderungen an eine automatische Betriebspunkt - oder Kennfeldvermessung genügen muss. Diese beinhalten eine geeignete Ablaufstrategie, die unter anderem die Sicherstellung der für die Messung einzuhaltenden Umgebungsbedingungen gewährleistet und die Absicherung der Messqualität gegenüber Messausreißern vorsieht. Das Automatisierungssystem muss darüber hinaus zum Screening, also zum Ertasten des fahrbaren mehrdimensionalen Motorraumes in der Lage sein. Dabei müssen kritische Motorgrößen wie der Zylinderspitzendruck oder die Abgastemperatur ständig überwacht werden, um Grenzwertverletzungen frühzeitig erkennen und umgehende Gegenmaßnahmen durch eine adäquate Verstellstrategie einleiten zu können. Hierfür reichen kommerzielle Prüfstandssteuerungen aufgrund ihrer einfachen Schnittstellen-Spezifikation zur Programmierung von Versuchsabläufen in der Regel nicht aus, so dass ergänzende Automatisierungssysteme53 für die Bewältigung des genannten Anforderungskatalogs an die Prüfstandssteuerung angebunden werden müssen [41]. Vermessungsstrategie Das Ziel in der Screeningphase ist es, die für die statistische Versuchsplanung essentiellen Versuchsraumgrenzen online mittels einer ihr angepassten Vermessungstrategie ohne Eingriff des Prüfstandsingenieurs systematisch zu erschließen. Das von AVL entwickelte und in [12] beschriebene Online-DoE-Verfahren nutzt die symmetrische Anordnung des fraktionellen, faktoriellen, zentral zusammengesetzten Versuchsplans (CCD) als Grundlage, um für die D-optimale Versuchsmethodik die unbekannten Motorgrenzen optimal identifizieren zu können. Ausgangspunkt ist ein stabiler Motorbetriebspunkt, der manuell als zentraler CCD-Designpunkt ermittelt werden muss. Alle anderen Punkte werden von diesem zentralen Punkt ausgehend sternförmig mit einer begrenzten, maximalen Schrittweite angefahren. Werden Grenzwertverletzungen erkannt, so wird die letzte fahrbare Parameterkombination als Grenzpunkt vermessen. Die Qualität des Screenings hängt von der Schrittweite ab. Je kleiner die Schrittweite, desto genauer kann die Eingrenzung vorgenommmen werden. Abb. 2.14 zeigt die Darstellung der aus dem Online-DoE-Screening nach [12] hervorgehenden Grenzen am Beispiel eines zweidimensionalen Versuchsraumes. Im Anschluss an das Online-Screening kann der fahrbare Versuchsraum durch geometrische Berechnungen modelliert werden. Die für den D-optimalen Versuchsplan noch zusätzlich benötigten Designpunkte werden durch die Bewertung einer im Versuchsraum rasterförmig angelegten Kandidatenliste nach dem D-Optimalitätskriterium ausgewählt. In einer beispielhaften Anwendung werden für einen quadratischen Polynomansatz im 5-dimensionalen Motorraum 53 Messpunkte im Screening-Versuch 53 wie z.B. Cameo (AVL), MPI2 (IAV), TOPexpert (FEV), Atlas (MTS) 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 35 und 11 Mespunkte in einer zweiten Vermessung zwecks Komplettierung des Versuchsplans eingefahren. Die Screening-Methode wird für die Versuchsraumermittlung und die Modellbildung in einem Motorbetriebspunkt eingesetzt. Die in [12] X X X X Verletzungspunkte Online-Screening-Punkte Abb. 2.14: Ermittlung der Versuchsraumgrenzen durch das Online-DoE-Screening nach [12] beschriebene Methode hängt stark vom gewählten Startpunkt ab. Ein zentral ausgewählter Startpunkt führt verfahrensbedingt zu einer wesentlich besseren Umhüllung des mehrdimensionalen Versuchsraums als ein am Versuchsraumrand angelegter Startpunkt. Da der zentrale Punkt jedoch a priori nicht bekannt ist, kann der Versuchsraum im Screening durch eine ungünstige Festlegung nur eingeschränkt aufgespannt werden. In [37] wird mit der Rapid Hull Determination-Methode ein ergänzender Ansatz verfolgt, um die Sensitivität bezüglich der Startpunktauswahl zu verringern und das Screening im Ganzen zu beschleunigen. Es werden zwei Phasen vorgesehen: in der ersten erfolgt die Basisvermessung, in der vom Startpunkt ausgehend winkelhalbierende oder sternförmige Trajektorien (Abb. 2.14, 2.15 und 2.16 ) in definierter Schrittweite abgefahren werden. In der zweiten Phase wird anschließend auf Grundlage einer modellbasierten, adaptiven Selektion die Hülle des Hyperraumes entweder über die Methode mittels Normalvektoren oder mittels Winkelhalbierenden in iterativen Zyklen ermittelt. In Abb. 2.15 sind die Versuchsphasen zur Basisvermessung sowie zur iterativen Versuchsraumerweiterung durch die Bildung von Normalvektoren zwischen zwei Grenzpunkten dargestellt. Der Ansatz ist nicht immer zielführend, da auch Suchrichtungen eingeschlagen werden, die nach 1-2 Verstellparamterschritten an die Versuchsraumgrenzen stoßen, ohne dabei die Hülle des Hyperraumes signifikant erweitern zu können. Die alternative Methode, die in Abb. 2.16 skizziert ist, verfolgt das Ziel, durch Anlegen der vom Startpunkt54 aus54 Der Ausgangspunkt ist der Startpunkt aus der Basisvermessung, in den darauf folgenden Iterationen ist der Startpunkt der Schnittpunkt zwischen Winkelhalbierender und Hülle des Hyperraumes 36 2 STAND DER TECHNIK gehenden Winkelhalbierenden zwischen zwei Grenztrajektorien eine Reduzierung der Iterationszahl und damit der Anzahl der Vermessungsdurchläufe zu erzielen. Der Vorteil des alternativen Ansatzes hängt allerdings auch von der Gestalt des Hyperraumes ab, so dass keine generelle Schlussfolgerung bezüglich der Wahl der Screening-Methode gezogen werden kann. Stattdessen wird ein durch die Verstellparameter des Versuchsmotors beschriebenes polynomiales Betriebspunktmodell der zweiten Ordnung (siehe Gl. (2.11)) zur Prädiktion der Suchrichtung herangezogen. Die Auswahl der Suchrichtung richtet sich nach dem Kriterium der Volu- Tatsächlicher Versuchsraum Normalvektor Startpunkt Grenzpunkt Volumenvergrößerung Versuchsraum nach Basisvermessung Abb. 2.15: Rapid Hull Determination nach [37]: 1. Basisvermessung, 2. iterative Versuchsraumermittlung (Volumenvergrößerung) mittels Normalvektoren, hier: 1. Iteration Tatsächlicher Versuchsraum Winkelhalbierende Startpunkt Grenzpunkt Volumenvergrößerung Versuchsraum nach Basisvermessung Abb. 2.16: Rapid Hull Determination nach [37]: 1. Basisvermessung, 2. iterative Versuchsraumermittlung (Volumenvergrößerung) mittels Winkelhalbierenden zwischen zwei Versuchsraumtrajektorien mit dem Startpunkt als Ausgangspunkt, hier: 1. Iteration 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 37 menvergrößerung des Hyperraumes, d.h., dass diejenige Screening-Strategie ausgewählt wird, für die im entsprechenden Iterationszyklus der größte Volumenzuwachs durch das Polynommodell prognostiziert wird. In [37] wird der Messaufwand durch die Rapid Hull Determination-Methode nach dem 1. Iterationszyklus für einen 5dimensionalen Hyperraum um ca. 20 % gegenüber der State-of the-Art-Methode nach [12] bei gleicher Screening-Güte reduziert. Die in [12] und [37] beschriebenen Vermessungsstrategien werden für den stationären Motorbetrieb ausgelegt, d.h., dass nur stationäre Motorbetriebspunkte im eingeschwungenen Zustand untersucht werden. Dynamische Vermessungskonzepte berücksichtigen hingegen auch transiente Versuchspunktübergänge und beziehen diese in die Modellbildung ein. Motiviert werden derartige Konzepte durch die Möglichkeit, eine schnellere Motorvermessung zu erzielen, zusätzlich Informationen über die dynamischen Motorbetriebszustände zu gewinnen und diese in die Optimierungsstrategien einfließen zu lassen. In [42] wird durch den Verzicht auf Stabilisierungs- und Mittelungszeiten eine transiente Messstrategie mit verkürzter Messzeit für einen DoE-basierten Versuchsplan angewandt. Dynamische statistische Online-Modelle dienen der Schätzung motorischer Grenzen. Nach Beendigung der Messreihe werden die Messdaten offline zum Antrainieren eines globalen dynamischen Modells genutzt, um hierdurch die optimierungsrelevanten stationären Motorbetriebswerte approximieren zu können. In [15], [56] werden dynamische Approximatoren erstellt, um die - für ein optimales dynamisches Ansprechverhalten erforderlichen - Zeittrajektorien der Motorverstellparameter offline berechnen zu können55 . Grundlage für die dynamische Optimierung ist ein transientes Messverfahren mittels amplituden-modulierter pseudo-zufälliger Binärsignale (APRBS). Zur Vermeidung von Grenzwertverletzungen wird der APRBS-basierte Versuchsplan in [56] mit Hilfe der stationären Online-Screeningmethode nach [12] auf mögliche Grenzwertverletzungen überprüft. Die Verfahren zur dynamischen Motorvermessung und -modellierung sind hinsichtlich ihrer Qualität und Robustheit der stationären Vorgehensweise unterlegen. Aufgrund ihrer Potenziale zur Reduzierung von Messaufwand und zur Erhöhung der Optimierungsgüte wird ihnen zukünftig im Applikationsprozess eine immer größere Bedeutung beigemessen. In Kapitel 7 erfolgt zu diesem Thema eine ausführliche Beschreibung. 2.5.3 Optimierung Die bestehenden Optimierungsansätze haben sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Die Offline-Optimierungsmethodik sieht eine Optimierung der modellierten Zielgrößen am PC unter Anwendung numerischer Optimierungsverfah55 Dynamisches Optimierungskriterium: z.B. schneller Ladedruckanstieg mit optimalem Einschwingverhalten als Nebenbedingung 38 2 STAND DER TECHNIK ren 56 vor. Als Grundlage dient das in Gl. (2.1) definierte multikriterielle Optimierungsproblem. In der Basisoptimierung werden sichere und stabile Motorbetriebspunkte ermittelt sowie die Verbrauchs- und Emissionswerte im Kennfeld grundsätzlich abgestimmt. Das Ziel ist es, einen optimalen Grundzustand für die anschließende Feinoptimierung bereit zu stellen. Hier müssen die grundapplizierten Motorkennfelder zur Minimierung von Verbrauchswerten, zur Einhaltung von legislativen Abgassemissionsgrenzwerten und zur Erfüllung der Fahrbarkeitskriterien gezielt modifiziert werden. Der Motorkennfeldbereich wird in mehrere zu untersuchende Bereiche aufgeteilt, die unterschiedlichen Optimierungskriterien unterliegen (Abb. 2.17). Beim dieselmotorischen Optimierungsprozess wird der Fokus Volllast Last maximales Drehmoment zyklusrelevanter Bereich minimaler Verbrauch Kriterien: • minimale Emissionen • minimaler Verbrauch Leerlauf minimale Last Drehzahl Abb. 2.17: Aufteilung des Motorkennfeldbereichs in Optimierungssektoren [43] im zyklusrelevanten Bereich57 - neben dem spezifischen Kraftstoffverbrauch - auf die gegenläufigen Stickoxid- und Partikelemissionen gelegt [23], [43]. Vorab werden hierzu die repräsentativen, stationären Motorbetriebspunkte anhand ihres Emissionsverhaltens und ihres Zeitanteils im gesetzlichen Testzyklus ausgewählt. Dies stellt eine gängige Methode dar, um den (dynamischen) Testzyklus in Form von Motorbetriebspunkten quasistationär optimieren zu können. Die Vorgehensweise im Optimierungsprozess, d.h. die Skalarisierung des Optimierungsproblems und die Strategie zur lokalen und globalen Optimierung, ist in der Praxis nicht einheitlich und hängt vom Applikateur, vom Optimierungsziel und von der praktischen Umsetzbarkeit ab. In [23], [43] dient zur Beschreibung der Zielfunktion zunächst die in Gl. (2.2) beschriebene gewichtete Summe als Skalarisierungsverfahren. Im ersten Schritt werden die (pareto-optimalen) Trade-Off-Grenzkurven der Stickoxid- und Partikelemission in den ausgewählten Motorbetriebspunkten durch 56 57 Sequentielle Quadratische Programmierung, Genetische Algorithmen z.B. für den NEFZ 2.5. METHODEN UND AUTOMATISIERUNGSGRAD IM APPLIKATIONSPROZESS 39 Variation der Wichtungsverhältnisse ermittelt. Dies wird als lokale Optimierung oder Betriebspunktoptimierung bezeichnet. Abb. 2.18 zeigt das Ergebnis der in [23] Einstellpunkt (Wichtungsverhältnis) ausgewählter Einstellpunkt nach der globalen Optimierung Partikelemission X Trade-Off-Kurve je ausgewähltem stationären Betriebspunkt Stickoxidemission Abb. 2.18: Trade-Off-Grenzkurven für ausgewählte stationäre Motorbetriebspunkte am Beispiel eines aufgeladenen Dieselmotors mit Pumpe-Düse-Einspritzsystem mittels Genetischer Algorithmen durchgeführten lokalen Optimierungen am Beispiel eines aufgeladenen Dieselmotors mit Pumpe-Düse-Einspritzsystem, dem eine statistische Versuchsplanung zur Bildung von Kennfeldbereichsmodellen58 vorausging. Im zweiten Schritt werden diejenigen pareto-optimalen Lösungen der Grenzkurven bestimmt, die sich in Bezug auf das globale Kriterium als optimal erweisen (siehe Abb. 2.18). Die globale Zielfunktion nach [23] ist wie folgt aufgestellt: [N Ox,n (bp, wN Ox ) · ∆T (bp)]2 + [P Mn (bp, wP M ) · ∆T (bp)]2 (2.23) ZF = bp wobei wN Ox bzw. wP M die Wichtungsfaktoren der normierten Zielgrößen N Ox,n und P Mn und ∆T (bp) der dem Fahrzyklus entommene Zeitanteil für den Motorbetriebspunkt bp bedeuten. Im ersten Optimierungsdurchlauf wird der spezifische Kraftstoffverbrauch nicht berücksichtigt. Dies kann allerdings durch die zyklische Wiederholung der Optimierungsschritte mit Einbettung der dritten Zielgröße in die Skalarisierungsfunktion zur lokalen Optimierung entsprechend Gl. (2.24) geändert werden. Es handelt sich dabei um eine - von der Wichtung wbe abhängige Aufweichung des ursprünglichen Zielkriteriums zugunsten des spezifischen Kraftstoffverbrauchs. ZFlokal = (1 − wbe ) · [wN Ox · N Ox,n + wP M · P Mn ] + wbe · be,n 58 Polynommodelle der zweiten Ordnung (2.24) 40 2 STAND DER TECHNIK Die für den dynamischen Motorbetrieb notwendige Kennfeldglättung der optimierten kritischen Verstellparameter-Kennfelder (siehe Abschn. 2.3.2) stellt den abschließenden Berechnungsschritt im Optimierungsprozess dar und wird in Abb. 2.19 am Beispiel des Frischluftmassenkennfeldes veranschaulicht. Diese notwendige Kennfeldkorrektur verschlechtert in der Regel die Optimierungsgüte, zumal die in der Praxis angewandten Glättungs-Algorithmen nur dem Glättungs- und nicht dem Optimierungskriterium unterliegen59 . Frischluftmasse in mg/Hub - ungeglättet - Ein s in pritz mm m 3 /H enge ub hl ehza tordr n-1 Mo mi in Frischluftmasse in mg/Hub - geglättet - E in s in p r itz mm m 3 /H enge ub hl ehza tordr n-1 Mo i in m Abb. 2.19: Kennfeld-Glättung nach dem Spline-Ansatz [53] am Beispiel des Frischluftmassenkennfeldes 59 z.B. Spline-Ansatz nach [53], Polynomansatz nach [43] 41 3 Hochdynamischer Motorprüfstand 3.1 Prüfstandsautomatisierung Zur rechnergestützten Kennfeld-Applikation stand ein hochdynamischer Motorprüfstand mit integrierter Fahrer-/Fahrzeugsimulation zur Verfügung1 . Die Hauptkom- I/O TCP/IP Senden/ Empfangen Profibus-FDL (5 Hz) Istwerte DSS/CPU 486 OP 25 100 Hz Istwerte IM IO5 IM UCP 5 Hz Istwerte CPU 486/66 MHz CPU 486/66 MHz IM UCP CPU 486/66 MHz IM IO5 Istwerte Profibus-DP (100 Hz) FM 486/16MHz CP 5431 IM 308 CPU 928 B 10 Hz DI/DO Senden/ Empfangen RedLab 1208 Mess-/Optimierungsrechner RS232 PCU1500PFB Steuerungsrechner MCCRahmen CPU 486 Antriebsregelung Profibus-DP (20 Hz) I/O I/O I/O ... I/O I/O AI/AO AO ... I/O Abb. 3.1: Hardwarearchitektur der Prüfstandssteuerung ponenten des Prüfstandsautomatisierungssystems sind die SIMATIC-SPS für weni1 Am hochdynamischen Motorprüfstand wird eine Asynchronmaschine mit geringem Trägheitsmoment als dynamische Belastungseinrichtung (Dynamometer) eingesetzt. In Verbindung mit der Simulation von Fahrer und Fahrzeug ist das reproduzierbare Nachfahren hochdynamischer Fahrzyklen möglich. 42 3 HOCHDYNAMISCHER MOTORPRÜFSTAND ger zeitkritische Überwachungsaufgaben, der Steuerungsrechner zur Prozesssteuerung und -visualisierung sowie das digitale Simulationssystem DSS, welches die hochdynamische Ansteuerung der Leistungsstufen der Asynchronmaschine übernimmt. Die Vernetzung der an der Prüfstandsautomatisierung beteiligten Hardwarekomponenten ist in Abb. 3.1 dargestellt. Es handelt sich um eine dezentrale Architektur, d.h. die Peripherie-Geräte (Sensorik und Aktorik) übernehmen die Messwertdigitalisierung und die Aktor-Steuerung dezentral in der Feldebene. Ihre Ankopplung an die SPS S5 bzw. an die schnelle Prozessoreinheit (DSS auf CPU486) erfolgt physikalisch über einen Zweidraht-Bus. Der Datenaustausch darüber basiert auf dem Profibus-DP-Protokoll. Um für ausgewählte Messgrößen eine Abtastfrequenz von 100 Hz realisieren zu können, musste der ursprünglich vorhandene DP-Bus auf zwei Bus-Master aufgeteilt werden. Weniger zeitkritische Messungen erfolgen weiterhin im Zyklustakt der SPS (ca. 50 ms), alle anderen Messgrößen werden direkt vom digitalen Simulationssystem (DSS) mit einer Zeitscheibe von 6 ms erfasst. Der Datenaustausch zur Prozessvisualisierung und zur PCBenutzerschnittstelle des Automatisierungssystems erfolgt physikalisch ebenfalls über einen Zweidraht-Bus, als Protokoll wird der Profibus-FDL-Standard eingesetzt. Dieses erlaubt die asynchrone Datenübertragung zwischen zwei Mastersystemen und dient als Basis für die Erstellung anwendungsspezifischer Protokolle der ISO/OSI-Referenzschicht. 3.2 Prüfstandsmanagement Zur effizienten Durchführung von Kennfeld-Vermessung und -Optimierung am hochdynamischen Motorprüfstand ist ein hoher Automatisierungsgrad notwendig. Voraussetzung hierfür ist ein intelligentes Prüfstandsmanagement, das eine breite Entwicklungsplattform inklusive der dazu gehörigen Schnittstellen für die Implementierung und Integration der erforderlichen Algorithmik (automatische Verstellstrategie, motorische Grenzwertüberwachung, Online-Optimierung, etc.) bereitstellt. Als Alternative zu kommerziell verfügbaren Prüfstandssoftwaresystemen2 wurde am Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen die Entwicklung eines eigenen PrototypePrüfstandsmanagements auf Basis der Entwicklungsumgebung LabVIEW™vorangetrieben, womit spezifische Anforderungen und Lösungsansätze schnell abgedeckt, implementiert und verifiziert werden können. LabVIEW ist eine völlig flexible Entwicklungsumgebung mit Spezialisierung auf Mess,- Steuerungs- und Regelungsaufgaben (MSR). Zur Einbettung entwicklungs- und kommunikationsspezifischer Programme bzw. Protokolle werden von LabVIEW alle erforderlichen Schnittstellen3 bereitgestellt, die sich mit wenig Aufwand individuell nutzen lassen. Insbesondere die anwenderfreundliche Schnittstelle zu Matlab ermöglicht eine schnelle und effektive Portierung vektorgestützter Berechnungmethoden in die Entwicklungsum2 3 z.B. Puma, Morphee z.B. WinAPI 3.2. PRÜFSTANDSMANAGEMENT 43 gebung. Über die WinAPI können beliebige Dynamic Link Libraries (dll) eingebunden und zur Anwendung gebracht werden. Abb. 3.2 skizziert die Softwarearchitektur sowie die Schnittstellen und Anbindungen des Prototype-Prüfstandsmanagements. Das Prüfstandsmanagement übernimmt die zentrale Aufgabe der Prüfstandssteue- ASAP ASAP 3 Prüfstandssteuerung Matlab® Screening Versuchspläne Verstellstrategien OnlineOptimierung Optimierungsalgorithmus Grenzwertüberwachung Messung Speicherung Fehlerprotokoll Logfile WinAPI FDL Profibus Abb. 3.2: Softwarearchitektur und Schnittstellen der Prüfstandssteuerung rung und koordiniert die Interaktion zwischen den modularisierten Bausteinen zur automatischen Kennfeldvermessung und zur Online-Optimierung. Dazu gehören u.a. der Datenaustausch und die Umsetzung der ereignis- und flussgesteuerten Ablaufsteuerungen der Module und Unterprogramme sowie die Kommunikation mit der Prüfstandsperipherie. Die Bedienung des Motorsteuergeräts wird durch die Ankopplung der standardisierten MCD-Systemarchitektur über die Anwenderschnitt- 44 3 HOCHDYNAMISCHER MOTORPRÜFSTAND stelle ASAM-MCD 3 an das LabVIEW-Prüfstandsmanagement ermöglicht4 . In Abb. 3.3 sind die Hardware-Architektur und die Vernetzung des hochdynamischen Motorprüfstands in der für die automatisierte Kennfeld-Applikation relevanten Konfiguration dargestellt. Das Prüfstandsmanagement verteilt sich hierbei zwecks Performance-Steigerung auf zwei Prüfstandsrechner. Die Kommunikation zwischen den Modulen der Steuerungs- und Messrechner erfolgt in der LabVIEWUmgebung über TCP/IP mittels Umgebungsvariablen. Abb. 3.3: Hardware-Architektur des hochdynamischen Motorprüfstands 3.3 Versuchsmotor Bei dem Versuchsmotor handelt es sich um einen 4-Zylinder DI-Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzsystem, Abgasturboaufladung mit variabler Turbinengeometrie und Ladeluftkühlung. In Tab. 3.1 sind die Kenndaten des Versuchsmotors zusammengefasst. 4 Siehe Abschn. 2.3.1 3.3. VERSUCHSMOTOR Bezeichnung Arbeitsverfahren Zylinderanordnung Anzahl Zylinder Bohrung / Hub Hubvolumen Verdichtungsverhältnis Nennleistung Max. Drehmoment Einspritzsystem Aufladung Abgasrückführung 45 M47R 4-Takt Diesel, Direkteinspritzung Reihe 4 84 mm / 88 mm 1950 cm3 17,5 85 kW bei 4000 min−1 250 Nm bei 1750 min−1 Bosch Common-Rail Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie, Ladeluftkühlung ungekühlte AGR Tab. 3.1: Kenndaten des Versuchsmotors 46 4 Fuzzy-Inferenz-Systeme und Künstliche Neuronale Netze Im folgenden werden die in dieser Arbeit zur Anwendung kommenden Fuzzy-Inferenz-Systeme und die Künstlichen Neuronalen Netze vorgestellt. Die Beschreibung der Topologien und ihrer Techniken fokussiert sich auf den allgemeinen Aufbau und die wesentlichen mathematischen Grundlagen. Auf eine detaillierte Abhandlung wird zugunsten der Überschaubarkeit verzichtet. Hierzu sei auf die einschlägige Literatur verwiesen [3] 4.1 Fuzzy-Inferenz-Systeme 4.1.1 Fuzzy-Logik Die Fuzzy-Logik1 wurde 1965 von Lotfi A. Zadeh an der University of California in Berkeley eingeführt. Sie stellt eine Erweiterung der klassischen Mengenlehre dar und sieht die Informationsverarbeitung durch Anwendung unscharfer Beschreibungsformen (Fuzzy-Mengen) in einem regelbasierten System vor. Die Definition der Fuzzy-Menge lautet [9]: Definition 4.1.1 (Fuzzy-Menge) Eine Fuzzy-Menge µ über einer Grundmenge X ist im normalisierten Fall eine Abbildung von X in das Einheitsintervall, d.h. µ : X → [0, 1] . µ wird als Zugehörigkeitsgrad des Elements x ∈ X zur Fuzzy-Menge µ bezeichnet. Die unscharfen Mengen werden durch charakteristische Funktionen (Zugehörigkeitsfunktionen) repräsentiert, die graduelle Zugehörigkeiten zu einer Menge beschreiben. Die Zugehörigkeitsfunktionen können beliebig aufgestellt sein; deren Wahl richtet sich in der Regel nach dem gewählten Fuzzy-Typ2 und den daraus abgeleiteten Anforderungen. Die in dieser Arbeit eingesetzten Zugehörigkeitsfunktionen sind die 1 2 engl. fuzzy: verschwommen, unscharf, trüb Takagi-Sugeno-Inferenz-System, Sugeno-Inferenz-System, Mamdani-Inferenz-System 4.1. FUZZY-INFERENZ-SYSTEME 47 Gaußfunktion (x − c)2 − 2σ 2 µGauß (x) = e (4.1) die Dreieicksfunktion  0   x−a  b−a µDreieck (x) = c−x  c−b    0 für für für für xc (4.2) sowie die Trapezfunktion.  0    x−a   b−a  µT rapez (x) = 1  d−x    d−b   0 für für für für für xd (4.3) Die Anwendung der Fuzzy-Logik findet in drei grundsätzlichen Schritten statt. In der Eingangsebene wird zunächst ein scharfer Wert in die unscharfe Begrifflichkeit übersetzt (Fuzzifikation). Der (in der Regel normierte) Grundbereich wird durch die Anordnung von mehreren charakteristischen Funktionen in kleinere Intervalle partitioniert. Die Partitionierung kann durch die subjektive Experteneinschätzung und durch nachträgliche automatische Adaption erfolgen. Die Dreiecks- und Trapezfunktionen haben den Vorteil, dass sie eine scharfe Abgrenzung an den Intervallgrenzen haben. Die Gaußfunktion weist hingegen asymptotisches Verhalten auf und ist somit immer über den gesamten Wertebereich definiert. Das bedeutet, dass die Prozesseingangsgrößen3 stets auf alle definierten Funktionen (Partitionen) abgebildet werden. Gaußfunktionen zeichnen sich durch ihre Stetigkeit und Differenzierbarkeit aus. Diese Eigenschaft ist Voraussetzung für die Systemidentifikation mittels der quadratischen Fehlerquadratminimierung 4 . In der Verarbeitungsebene werden die unscharfen Werte aus der Eingangsebene 3 Die Prozessgrößen, d.h. die Ein - und Ausgänge des Fuzzy-Inferenz-Systems werden auch als linguistische Variablen bezeichnet. 4 Siehe Abschn. 4.1.2 48 4 MODELLIERUNGSVERFAHREN mit IF...THEN...-Regeln in Verbindung gebracht, die zu ihrer Umsetzung linguistische Operatoren (AND, OR, NOT ) enthalten. Für die mathematischen Operationen Durchschnitt, Vereinigung und Komplementbildung stehen verschiedene Operationsvorschriften zur Verfügung, die sich in die Klassen der t-Norm- (AND) oder t-Konorm-Operatoren (OR) einordnen lassen [3]: Komplement-(NOT-)Operatoren [µA (x)] = 1 − µA (x) , −1 > λ > ∞ 1 + λ · µA (x) (4.4) Durchschnitts-(AND-)Operatoren Minimum: Algebraisches Produkt: Beschränktes Produkt: µA∩B (x) = min [µA , µB ] µA·B (x) = µA (x) · µB (x) µA B (x) = max [0, µA (x) + µB (x) − 1] (4.5) µA∪B (x) = max [µA , µB ] µA+B (x) = µA (x) + µB (x) − µA (x) · µB (x) µA B (x) = min [1, µA (x) + µB (x)] (4.6) Vereinigungs-(OR-)Operatoren Maximum: Algebraische Summe: Beschränkte Summe: Die Beziehung zwischen mehreren, unscharfen Mengen werden durch die unscharfe Relation beschrieben, welche die Grundlage für die Bildung von Fuzzy-Systemen bildet. Die Definition nach [3] lautet: Definition 4.1.2 (Unscharfe Relation) Eine unscharfe Relation R ist eine unscharfe Menge, deren Elemente Wertetupel (x1 , x2 , · · · , xn ) mit gradueller Zugehörigkeit sind: R = {((x1 , x2 , · · · , xn ); µR (x1 , x2 , · · · , xn )) |xi ∈ Xi , µR (x1 , x2 , · · · , xn ) ∈ [0, 1]} . Die Verkettung unscharfer Relationen wird genutzt, um einen Schlussfolgerungsoder Inferenzmechanismus für unscharfe Relationen darzustellen. Definition 4.1.3 (Verkettung unscharfer Relationen) Es seien R1 ∈ P (A × B) und R2 ∈ P (B × C) zwei unscharfe Relationen zwischen a, b und b, c. R1 ◦ R2 wird dann als Verkettung bezeichnet, die eine unscharfe Relation auf A×C zwischen a, c beschreibt entsprechend Gl. (4.7) oder Gl. (4.8) R1 ◦ R2 : µR1 ◦R2 (a, c) = max ∀b∈B min[µR1 (a, b), µR2 (b, c)] R1 ◦ R2 : µR1 ◦R2 (a, c) = max ∀b∈B [µR1 (a, b) · µR2 (b, c)] (4.7) (4.8) 4.1. FUZZY-INFERENZ-SYSTEME 49 Bei der Verkettungsregel nach Gl. (4.7) spricht man von der max-min-Verkettung, die Methode nach Gl. (4.8) wird mit Hilfe des algebraischen Produkts bestimmt und wird als max-prod-Verkettung bezeichnet. Im folgenden Beispiel wird anhand einer einfachen IF-THEN -Regel die Fuzzy-Inferenz durch approximatives Schließen mittels der max-min-Verkettung (Mamdani-Inferenzmethode) illustriert5 . Für ein System mit zwei Eingängen x1 = a1 und x2 = a2 und dem Ausgang y gilt der Zusammenhang: IF x1 = A1 AND x2 = A2 THEN y = B Die Regel wird als unscharfe Relation R auf X1 × X2 × Y und die Eingangswerte x = (x1 , x2 ) als unscharfe Relation A auf X1 × X2 festgelegt. Die Bestimmung der Zugehörigkeitsfunktion µB (y) erfolgt gemäß der Verkettungsregel B = R ◦ A µB (y) = max x∈X min[µR (x1 , x2 , y), µA1 (x1 ), µA2 (x2 )] = max x∈X min[µA1 (x1 ), µA2 (x2 ), µB (y), µA1 (x1 ), µA2 (x2 )] = min[µA1 (a1 ), µA2 (a2 ), µB (y)] (4.9) Werden gleichzeitig mehrere Regeln aktiviert, so ergibt sich der unscharfe Ausgangswert B’ aus der Vereinigung der regelbezogenen Einzelergebnisse [3]. Nach der Fuzzy-Inferenz erfolgt die Defuzzifikation, d.h. die Bildung einer skalaren Ausgangsgröße. Hierfür stehen verschiedene Methoden wie z.B. die Schwerpunktmethode6 für Fuzzy-Typen mit unscharfen Ausgangswerten7 oder die gewichtete Summe für Fuzzy-Typen mit scharfen Ausgangswerten8 zur Verfügung. Für das in Gl. (4.9) angegebene Beispiel wird der skalare Ausgangswert y nach der Schwerpunktmethode gemäß Gl. (4.10) berechnet yCoG = y y · µB (y)dy y µB (y)dy (4.10) Die manuelle Parametrierung und Regelgenerierung von Fuzzy-Systemen ist sehr zeitintensiv und oft nur suboptimal durchführbar. Automatische Adaptionsverfahren ermöglichen nach der heuristischen Festlegung der Zugehörigkeitsfunktionen meist eine effiziente Parameter- und Strukturanpassung. In Kapitel 7 wird für das Mamdani-Inferenz-System ein problemspezifisches Verfahren zur automatischen 5 Die Anwendung der max-prod-Verkettung zur Bildung des Inferenzmechanismus wird als Larsen-Inferenzmethode bezeichnet. 6 Center of Gravity - CoG 7 Z.B. Mamdani-Inferenz-System 8 Z.B. Tsukamoto-Inferenz-System, Takagi-Sugeno-Inferenz-System, Sugeno-Inferenz-System. 50 4 MODELLIERUNGSVERFAHREN Adaption der Regelbasis vorgestellt. In den folgenden Abschnitten erfolgt die Beschreibung der Identifikations-und Trainingsalgorithmen für das Takagi-Sugenobzw. Sugeno-Inferenz-System. 4.1.2 Takagi-Sugeno-System Das Takagi-Sugeno-Inferenz-System (TS-System) ist ein weit verbreiteter FuzzyTyp, der sich besonders gut zur Approximation von nichtlinearen Systemen eignet. Die Ausgangsschicht wird durch Polynomfunktionen der ersten Ordnung repräsentiert. Der Modellausgang y berechnet sich aus der Summe der gewichteten Polyˆ nomfunktionen über alle R Regeln: R y= ˆ fi wi (x) (4.11) i=1 wobei p qil xl fi = qi0 + (4.12) l=1 das i-te Polynommodell im Konsequenzteil ist. Jede Polynomfunktion wird beschrieben durch p Systemeingänge und p + 1 Koeffizienten. Der i-te Wichtungsfaktor βi (x) R j=1 βj (x) wi (x) = (4.13) charakterisiert den über alle Regeln standardisierten Regelaktivierungsgrad. Den Regelaktivierungsgrad βi (x) erhält man durch das algebraische Produkt der Zugehörigkeitsfunktionen gemäß p βi (x) = µij (xj ). (4.14) j=1 Die individuellen Zugehörigkeitsfunktionen µij (xj ) kennzeichnen den Grad der Abbildung des j-ten scharfen Eingangs xj auf die definierten charakteristischen Funktionen, die standardmäßig äquidistant über den Eingangsbereich verteilt sind. In der Regel werden Gaußfunktionen zur Darstellung der unscharfen Eingangssituation herangezogen (xj − c)2 2σ 2 . µij (xj ) = e − (4.15) 4.1. FUZZY-INFERENZ-SYSTEME 51 Die Spezifikation des Takagi-Sugeno-Systems, d.h. die Festlegung der Zugehörigkeitsfunktionen und der Regelbasis, erfordert die Anwendung eines Identifikationsalgorithmus, um durch Optimierung der freien Parameter das Systemverhalten akkurat wiedergeben zu können. In der Literatur sind mehrere Methoden zur Erstellung und Identifizierung von TS-Systemen beschrieben, wie z.B. die hybriden Neuro-Fuzzy-Algorithmen ANFIS9 und LOLIMOT10 oder das rekursive OnlineAdaptionsverfahren mittels Least-Square-Schätzung [17], [34], [18]. Identifikationsverfahren, die neben der Identifikation der Polynomparamter auch eine Strukturoptimierung anhand neuronaler Traininigsalgorithmen11 vorsehen, benötigen eine erhöhte Trainingszahl. Für die optimale Versuchsplanung und -durchführung kommt in dieser Arbeit daher die gewichtete Least-Square-Schätzung (WLSE)12 zur Anwendung, die sich auf die Bestimmung der Polynomkoeffizienten (siehe Gl. (4.12)) beschränkt. Die Fuzzy-Struktur ist entsprechend geeignet vorzugeben. Im Gegensatz zur globalen Parameterschätzung (Least-Square-Schätzung) werden die Koeffizienten bei der lokalen Schätzmethode für jede Regel separat berechnet. Die Vorteile der gewichteten Least-Square-Schätzung sind die größere numerische Stabilität, die geringere Berechnungskomplexität und die besseren Filtereigenschaften aufgrund des internen Regularisierungseffekts [18]. ˆ Der Ausgangsvektor y der i-ten Polynomfunktion enthält zur Parameterschätzung N Ausgangswerte und wird entsprechend Gl. (4.16) aufgestellt ˆ y = X · qi (4.16)   1 x1,1 x2,1 · · · xp,1 1 x1,2 x2,2 · · · xp,2    X = . . . . .  . . . . .  . . . . . 1 x1,N x2,N · · · xp,N (4.17) wobei die korrespondierende Regressionsmatrix für N Trainingsdaten and p Systemeingänge13 und qi = qi0 qi1 . . . qip 9 T (4.18) Adaptive-Network-Based Fuzzy Inference System LOcal LInear MOdel Tree 11 Die Strukturoptimierung beinhaltet die Anpassung der freien Paramter der definierten charakteristischen Funktionen 12 Weighted Least Square Estimation 13 Die Regressionsmatrix X bleibt für alle Regeln des Takagi-Sugeno.Inferenz-Systems identisch. 10 52 4 MODELLIERUNGSVERFAHREN der Koeffizientenvektor der i-ten Polynomfunktion mit p+1 freien Parametern ist. Die Ausgangswerte werden umso besser angepasst, je näher die Wichtungsfaktoren ihrem Maximum kommen. Durch Minimierung der Gütefunktion N wi,j (yj − yj (xj , qi ))2 −→ min ˆ qi j=1 (4.19) ergibt sich der geschätzte Parametervektor der i-ten Regel qi = (XT Wi X)−1 XT Wi y (4.20) mit den gemessenen Ausgangsdaten y = y 0 y 1 . . . yN T (4.21) und den Wichtungsfaktoren der i-ten Regel Wi = diag wi,0 , . . . , wi,N (4.22) In Abb. 4.1 ist die Takagi-Sugeno-Struktur exemplarisch für ein System mit zwei Eingängen x1 , x2 und einem Ausgang y dargestellt. Die Eingangsbereiche sind durch jeweils drei Partitionen14 abgedeckt. Aus der vollfaktoriellen Kombination der Partitionen ergeben sich neun Fuzzy-Regeln. Jede Fuzzy-Regel wird durch ein lineares Polynom repräsentiert, das wiederum von den Eingängen x1 und x2 abhängt. Der Systemausgang y berechnet sich aus der Summe der gewichteten Polynome. 14 z.B. Gaußfunktionen 4.1. FUZZY-INFERENZ-SYSTEME Partitionen Wichtungsfaktoren ß1 x µ41 µ42 x2 x w1 Polynomfunktionen f1 . x x1 53 x ß4 x . x x . x . f4 . x w4 . . . . . . . x ß9 x x 1 x Σ ßi i=1 w9 / w 1(q11x1+q12x2+q10) . . . . . . Σ y w 9(q91x1+q92x2+q90) f9 x1 x2 i=9 Abb. 4.1: Takagi-Sugeno-Struktur am Beispiel eines Systems mit zwei Eingängen x1 , x2 und einem Ausgang y 4.1.3 Sugeno-System Das in dieser Arbeit verwendete Sugeno-System unterscheidet sich vom TakagiSugeno-System dadurch, dass der Konsequenzteil nicht mehr durch Polynomfunktionen sondern durch Singletons15 repräsentiert wird. Der Ausgang y des Sugenoˆ Systems ergibt sich entsprechend Gl. (4.23) y= ˆ R i=1 βi (x) · Si R i=1 βi (x) (4.23) wobei Si der Singleton der i-ten Regel ist Der gewählte Trainingsalgorithmus lehnt sich an den neuronalen BackpropagationAlgorithmus16 an. Grundsätzliches Ziel dieses Verfahrens ist es, durch partielle Differentiation der Fehlerfunktion 1 ε = (y − y )2 ˆ (4.24) 2 die freien Parameter der Ausgangsschicht (Singletons) und der Eingangsschicht (Parameter der Gaußfunktionen) iterativ anzupassen. Zur Anpassung der Singletons Si 15 16 Singletons sind skalare Werte. Delta-Lernregel (Windrow-Hoff-Regel) 54 4 MODELLIERUNGSVERFAHREN ist der Fehler ε der Ausgangsebene nach dem Singleton partiell abzuleiten. ∂ε = − (y − y ) ˆ ∂Si βi (x) R j=1 βj (x) (4.25) Die Parameteränderung von Si ergibt Si = η (y − y ) ˆ βi (x) R j=1 βj (x) , (4.26) wobei η die Lernrate von Si ist. Der neue Singletonwert Sineu berechnet sich somit aus dem alten Singletonwert zuzüglich des mit Hilfe der inkrementellen Gradientenabstiegsregel bestimmten Gradienten Si Sineu = Sialt + η (y − y ) ˆ βi (x) R j=1 βj (x) (4.27) Mittels der Lernrate lässt sich die Stärke der Parameteränderung beeinflussen. Von der Wahl der richtigen Lernrate hängt der Erfolg des Modelltrainings maßgeblich ab. Mit einer großen Lernrate können Plateaus, in denen die Konvergenzgeschwindigkeit aufgrund sehr kleiner Gradienten rapide abnimmt, schnell durchlaufen werden, und gegebenenfalls lokale Minima mit inakzeptablen Fehlerwerten verlassen werden. In dieser Arbeit wurde zur Erstellung eines Sugeno-Motormodells eine Lernrate η = 0.7 festgelegt [31]. Die Regelbasis des Sugeno-Systems leitet sich aus der vollständigen Kombination der pro Systemeingang definierten Partitionen ab. Da jeder FuzzyRegel ein Singleton zugeordnet wird, besitzt die Ausgangsschicht genau soviele zu identifizierende Singletons, wie es Regeln innerhalb des Modells gibt. Die Optimierung der Eingangsschicht des Sugeno-Systems sieht die partielle Differentiation der Fehlerfunktion entsprechend Gl. (4.24) nach den freien Parametern der charakteristischen Funktionen vor. Die Gaußfunktion besitzt zwei manipulierbare Parameter - die Spreizung σ sowie die Lage bzw. das Symmetriezentrum c (siehe Gl. (4.1)). Aus Effizienzgründen17 wird die Spreizung der Gaußfunktion fest vorgegeben. Die Paramteränderung von c bezieht sich auf eine Partition in der Eingangsschicht und ist in Gl. (4.28) dargestellt. cneu,(k) = calt,(k) + a a c(k) a (4.28) wobei a der aktuelle Eingang und k die korrespondierende Partition sind. 17 Da sich die Gaußparameter teilweise gegenseitig stark beeinflussen, wird auf eine gleichzeitige Parameteroptimierung verzichtet. 4.1. FUZZY-INFERENZ-SYSTEME 55 Für die partielle Ableitung gilt: (k) ∂ε (k) ∂ca ∂ε ∂βi ∂µa = · · ∂βi ∂µ(k) ∂c(k) a a R j=1 Si · ∂ε = − (y − y ) ˆ ∂βi ∂βi (k) ∂µa ∂ = p j=1 R j=1 βj − R j=1 βj · Sj (4.30) 2 βj µij = (k) ∂µa (4.29) βi (4.31) (k) µa (k) (k) ∂µa (k) ∂ca = (k) xa − ca σ2 Daraus folgt für die Parameteränderung c(k) a (xa − ca )2 − 2σ 2 ·e (4.32) (k) ca nach entsprechender Vereinfachung: = η · (y − y ) · (Si − y ) · ˆ ˆ (k) xa − ca · R σ2 j=1 βj βi (4.33) wobei i die aktuelle Regel, a der aktuelle Eingang und k die korrespondierende Partition sind. Die Parametrierung des Sugeno-Systems läuft in zwei Schritten ab. In der ersten Optimierungsphase werden die Singletons entsprechend Gl. (4.27) iterativ angepasst. Im zweiten Schritt erfolgt die Berechnung der Eingangsparameter zur Feinjustierung des Modells (Gl. (4.33))18 . Die Grundlage der Modellidentifikation bildet der Trainingsdatensatz, der mindestens so viele Trainingspunkte enthalten muss, wie freie Parameter existieren. Mit steigendem Trainingsumfang wird die Allgemeingültigkeit des Sugeno-Systems bei gleich bleibender Komplexität grundsätzlich verbessert. Allerdings ist die anhand der Fehlerfunktion (Gl. (4.24)) bewertete Optimierungsqualität nicht beliebig steigerbar. Ähnlich wie bei der Anpassung der Optimierungsdurchläufe gilt es auch hier, das Aufwand-Nutzen-Verhältnis abzuschätzen, um einen zu hohen Messumfang und unnötlig lange Rechenzeiten zu vermeiden [31]. 18 Die Trennung beider Optimierungsphasen ist notwendig, da sich die Vorgaben für die benötigten Optimierungsdurchläufe aus Effizienzgründen unterscheiden. Daher ist eine gleichzeitige Optimierung von Ein- und Ausgangsschicht nicht möglich. 56 4.2 4.2.1 4 MODELLIERUNGSVERFAHREN Künstliche Neuronale Netze Radiale-Basisfunktionen-Netze Radiale-Basisfunktionen-Netze werden in der Regel für Approximations- und Klassifikationsaufgaben eingesetzt. Ihre Netzwerk-Topologie ist zweischichtig aufgebaut. Die verdeckte innere Schicht enthält radialsymmetrische Funktionen, die den Abstand des Eingangsvektors x von ihren jeweiligen Zentren ci durch die Anwendung der euklidischen Abstandsnorm bemessen. Gewöhnlich kommen radiale Basisfunktionen als Gaußfunktionen zum Einsatz. −||x − ci || 2 2σi g (x) = e (4.34) i Die Neuronen werden somit durch die radialen Basisfunktionen gi (x) repräsentiert. Die Ausgänge der verdeckten Schicht werden über eine Linearkombination mit der Ausgangsfunktion in der äußeren Schicht verbunden19 . Mit der in dieser Arbeit festgelegten Identitätsfunktion20 als Ausgangsfunktion folgt für den in Gl. (4.35) dargestellten Systemausgang n wi · gi (x) y (x) = ˆ i=1 n = −||x − ci || 2 2σi wi · e (4.35) i=1 Die Elemente des Wichtungsvektors w = (w1 , . . . , wn )T kennzeichnen die zu den Neuronen korrespondierenden Wichtungsfaktoren. Da die Systemgleichung im Bezug auf die Wichtungsfaktoren linear in den Paramtern ist, kann die Least-SquareSchätzmethode zur analytischen Optimierung angewendet werden. Ausgehend von der Systembeschreibung ys = G · w (4.36) mit dem Trainingausgangsvektor ys = ys,0 . . . ys,N 19 T (4.37) ˆ Existieren m Systemausgänge y(x) = (ˆ1 (x), . . . , ym (x)), so gibt es entsprechend m verschiey ˆ dene Linearkombinationen und Ausgangsfunktionen 20 f (z) = z (Identitätsfunktion) 4.2. KÜNSTLICHE NEURONALE NETZE 57 und der Neuronenmatrix  g1 (xs,1 ) · · · gn (xs,1 )   . . ... . . G=  . . g1 (xs,N ) · · · gn (xs,N )  (4.38) folgt für den geschätzten Wichtungsvektor w∗ = (GT G)−1 GT ys . (4.39) Für die Parametrierung der freien Parameter (Zentren c und Varianzen σ) in der verdeckten Schicht bieten sich diverse Möglichkeiten des unüberwachten Lernens an. Eine gängige und bewährte Methode ist das Gitterverfahren, bei dem ein Raster im Eingangsbereich generiert und mit den Zentren der radialen Basisfunktionen belegt wird21 . Die Varianzen können zur Bestimmung des Überlappungsgrades vorgegeben und, sofern erforderlich, iterativ angepasst werden. Ein weiteres unüberwachtes Lernverfahren ist der K-Means-Algorithmus, der durch die iterative Klassifizierung der Trainingsdaten Klassenrepräsentanten bildet, welche als Zentren der radialen Basisfunktionen festgelegt werden. Der Trainingsprozess wird beendet, sobald stabile Zugehörigkeiten festgestellt werden können [3]. Alternativ kann die Adaption der freien Parameter auf Basis überwachter Lernverfahren erfolgen, wie z.B. durch das Gradientabstiegsverfahren unter Minimierung der quadratischen Fehlerfunktion22 oder durch die in [54] beschriebene Methode der fehlerbasierten Netzwerkadaption. Hier wird die Netzstruktur während der Trainingsphase solange durch die iterative Hinzunahme eines Neurons in der verdeckten Schicht verändert, bis der Fehler einen definierten Grenzwert unterschreitet. Das Zentrum des jeweils neu generierten Neurons wird durch den Trainingspunkt abgebildet, der im Trainingsdatensatz die größte Fehlerquote aufweist23 . Diese Funktionalität ermöglicht eine ideale Approximation, bei der der Trainingsfehler gegen null strebt. Die Allgemeingültigkeit des Systems geht jedoch infolge der zu starken Überanpassung verloren. 4.2.2 Feedforward-Mehrschichtnetze Feedforward-Mehrschichtnetze gelten als universale Approximatoren und werden insbesondere für die Modellierung komplexer, nichtlinearer Systeme eingesetzt. Sie 21 Die Anzahl der Neuronen ist grundsätzlich frei wählbar. Mit zunehmender Anzahl steigt allerdings die Gefahr der Überanpassung. 22 Vgl. Vorgehensweise in Abschn. 4.1.3 23 Die Varianz σ ist hierbei frei konfigurierbar. 58 4 MODELLIERUNGSVERFAHREN bestehen aus einer Eingabeschicht, mindestens einer verdeckten Schicht24 und einer Ausgabeschicht. Zur Abbildung der Nichtlinearität sind nichtlineare Aktivierungsfunktionen erforderlich, die typischerweise als sigmoide Schwellwertfunktionen in den verdeckten Schichten zum Einsatz kommen. Da sigmoide Funktionen über den gesamten Gültigkeitsbereich stetig und differenzierbar sind, kann das Netztraining unter Anwendung des Backpropagation-Verfahrens durchgeführt werden. Abb. 4.2 zeigt die Architektur eines dreischichtigen, vorwärtsgerichteten Netzes. Die Ein- x1 x2 xk xK .. . .. . k = 1, …, K wik ∑ 1 ∑ 1 fv .. . 1 wi0 fv ∑ .. . 1 fv ∑ i = 1, … ,I fv vji 1 ∑ 1 ∑ fa fa y1 .. .1 vj0 y2 ∑ .. .1 ∑ fa fa yj j = 1, …, J yJ Abb. 4.2: Feedforward-Netz mit einer verdeckten Schicht gänge x = [x1 , . . . , xK ] werden mit den zu identifizierenden Wichtungsparametern wi = [wi1 , . . . , wiK ] gewichtet und zuzüglich des Bias wi0 dem i-ten Neuron in der verdeckten Schicht gemäß Gl. (4.40) zugeführt. wik xk + wi0 hi = (4.40) k Der Ausgang des i-ten Neurons ui in der verdeckten Schicht berechnet sich über die Aktivierungsfunktion fv entsprechend Gl. (4.41) wik xk + wi0 ui = fv (hi ) = fv k 24 Hidden Layer . (4.41) 4.2. KÜNSTLICHE NEURONALE NETZE 59 Die Bestimmung des Netzausgangs yj erfolgt analog zur Berechnungsvorschrift der zurückliegenden Schicht: die Ausgänge der verdeckten Schicht u = [u1 , . . . , uI ] werden mit den Wichtungsfaktoren vj = [vj1 , . . . , vjI ] multiplikativ verknüpft und bilden zusammen mit dem Bias vj0 den Eingang zj = vji ui + vj0 = i vji fv wik xk + wi0 i + vj0 . (4.42) k Durch die Aktivierung von zj mittels der Funktion fa erhält man anschließend den Netzausgang25 + vj0 wik xk + wi0 vji fv yj = fa (zj ) = fa i . (4.43) k Der Backpropagation-Algorithmus basiert auf der Minimierung der quadratischen Fehlerfunktion, die in Gl. (4.44) für die Offline-Lernvariante aufgestellt ist. Das Fehlerquadrat wird über alle Trainingspaare gemittelt und zur Bewertung der Backpropagation herangezogen26 . 1 GF (w, v) = 2N N Eµ = µ=1 1 2N eµ j µ,j 2 = 1 2N µ dµ − yj j 2 (4.44) µ,j N : Anzahl der Trainingsdaten dj : Trainingswert von Ausgang j Das Verfahren beruht darauf, den Fehler in Richtung des steilsten Abstiegs durch die Bildung der partiellen Ableitungen nach den zu bestimmenden Gewichten zu verkleinern (Gradientenabstiegsverfahren). Die Gewichte werden zu Beginn des Trainings zufällig initialisiert. Die Änderungen der Gewichte (einschließlich der BiasGewichte) werden anschließend iterativ gemäß Gl. (4.45) modifiziert, bis das Minimum erreicht ist. ∆vji = −η ∂GF ; ∂vji ∆wik = −η ∂GF , ∂wik (4.45) Die Lernrate η gibt die Größe der Gewichtsänderungen vor und muss entsprechend vor Trainingsbeginn geeignet parametriert werden. Weitere maßgebliche Faktoren für die Generalisierungsfähigkeit des Netzes sind die Anzahl der verdeckten Schichten und die Anzahl der darin enthaltenen Neuronen. 25 Wird in der Ausgabeschicht die lineare Identitätsfunktion eingesetzt, so folgt daraus: yj = zj Die Online-Lernregel sieht eine Berechnung der Netzparameter nach jeder neuen Präsentation der Trainingspaare vor, sodass die Mittelung entfällt [3]. 26 60 5 Wissensbildung für den stationären Motorbetrieb 5.1 5.1.1 Versuchsplanung auf Grundlage des TakagiSugeno-Systems Konzept zur globalen Versuchsplanung Das Ziel der Basisvermessung ist es, die notwendigen Informationen für die Bestimmung sicherer und stabiler Motorbetriebspunkte effizient bereit zu stellen. Diese beinhalten die Trainingsdaten zur Identifikation eines globalen Motormodells sowie die für die Online-Optimierung benötigten Angaben über nicht fahrbare Motorbetriebsbereiche. Die in der Vermessungsphase detektierten Motorgrenzwertverletzungen bezüglich Abgastemperatur und Zylinderspitzendruck sowie die ungünstigen Drehmoment- und Lambdabereiche können im Optimierungsbetrieb so zweckmäßig ausgeschlossen werden. Die Bedingungen für eine zielgerichtete BasisKennfeldvermessung sind somit eine praktikable Durchführung des geplanten Motorversuches, eine Bereitstellung der optimierungsspezifischen Informationen in den Motorbetriebsspunkten sowie die Gewährleistung einer ausreichend hohen Informationsgüte für die Modellidentifikation. Das Versuchsraum-Screening muss transparent und schnell durchführbar sein und dem globalen Vermessungscharakter entsprechen, indem überwiegend die äußeren Grenzen der Motorverstellparameterbereiche erfasst und der Versuchsplanung zur Verfügung gestellt werden. Die lokalen Beschränkungen in den Motorbetriebspunkten werden im Anschluss an das Screening beim Abfahren des Versuchsplans dynamisch adaptiert. Als Grundlage für die erforderliche Versuchsplanung dient das in Abschn. 4.1.2 beschriebene Takagi-Sugeno-System. Analog zur DoE-basierten Vorgehensweise sollen die Modellordnung sowie die Anzahl der zu vermessenden Messpunkte unter Berücksichtigung des für die Modellidentifikation geforderten Minimums frei wählbar sein. Die Takagi-Sugeno-Struktur, d.h. die Art der Zugehörigkeitsfunktion am SystemEingang, wird fest vorgegeben. Die in Gl. (5.1) dargestellte Gaussfunktion eignet 5.1. VERSUCHSPLANUNG AUF GRUNDLAGE DES TAKAGI-SUGENO-SYSTEMS 61 sich aufgrund ihrer asymptotischen Eigenschaft1 , ihrer Differenzierbarkeit und Stetigkeit am besten zur Umsetzung der Modellidentifikation und aller weiterführenden Modelluntersuchungen2 . 1 x−c σ2 µ(x) = e− 2 (5.1) Ausgangspunkt der Versuchsplanung ist die Festlegung der zu vermessenden Motorbetriebspunkte. Grundsätzlich kann die Wahl der Motorbetriebspunkte beliebig getroffen werden. Im Hinblick auf die praktische Umsetzbarkeit ist ein rasterförmig angelegtes Design der Motorbetriebspunkte im Motorkennfeld mit Variation der Motorverstellparameter am sinnvollsten, da die Versuchszeit durch kürzere Einschwingzeiten in den jeweiligen Motorbetriebspunkten reduziert wird und die nicht fahrbaren Bereiche durch die adaptive Versuchsraumbeschränkung lokal sehr gut abgebildet werden können. Diese Restriktionen gehen als wichtige Nebenbedingungen in die Online-Optimierung ein. Die Voraussetzung für eine effiziente Motorvermessung ist daher eine den gegebenen Bedingungen angepasste und nach Gütekriterien ausgerichtete Versuchsplanung mit begrenztem Versuchsumfang. Die Versuchsplanung für das Takagi-Sugeno-System hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: von der Modellordnung, d.h. von der maximalen Regelanzahl, die sich aus der vollfaktoriellen Kombination der Einganspartitionen ergibt, sowie von der Anzahl und der Verteilung der Designpunkte innerhalb der partitionierten Modelleingangsbereiche. Tab. 5.1 zeigt einen Überblick über den Zusammenhang zwischen der gewählten Anzahl der Partitionen je Eingang und der daraus resultierenden Regelund Parameteranzahl für ein 5-dimensionales Eingangsproblem. Theoretisch kann u1 u2 u3 u4 u5 2 3 3 4 2 3 3 4 2 2 3 4 2 2 3 4 2 2 3 4 Regelanzahl 32 72 243 1024 Paramteranzahl 192 432 1458 6144 Tab. 5.1: Einfluss der gewählten Eingangspartitionen auf die Takagi-Sugeno-Ordnung: Anzahl der Partitionen je Modelleingang, resultierende Regelanzahl und Parameteranzahl für ein 5-dimensionales Eingangsproblem die Modellordnung bei gleich bleibender Trainingsdatenanzahl beliebig erhöht werden, da eine Modellidentifikation aufgrund der beschriebenen Charakteristik der Gaussfunktion stets durchgeführt werden kann. Praktisch wird die Modellordnung 1 Das asymptotische Verhalten der Gaussfunktion ermöglicht immer eine gleichzeitige Aktivierung aller Fuzzy-Regeln - unabhängig von dem am Eingang anliegenden Messdatenpunkt 2 Erstellung der Wissensbasis, vgl. Abschn. 5.3 62 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB durch die Gefahr der Überanpassung jedoch limitiert. Im Gegensatz zur Schätzung der DoE-basierten Polynommodelle, bei der das Minimum an benötigter Trainingsdatenanzahl der Anzahl der Modellparameter entspricht, kann bei der TakagiSugeno-Identifikation mittels gewichteter Least-Squares-Schätzung keine globale, untere Grenze angegeben werden. Hier werden die Parameter der linearen Poylnommodelle unter Berücksichtigung der Regelaktivierungsgrade für jede Regel separat berechnet3 . Der Versuchsumfang ist somit über die Aufteilung (Abstufung) der Eingangsbereiche variabel einstellbar. Hierdurch wird ein direkter Eingriff in die Versuchsplanung ermöglicht, wie z.B. die Vorgabe der zu vermessenden Motorbetriebspunkte oder die Priorisierung bzw. die feinere Abtastung einzelner signifikanter Motorverstellparameter durch eine entsprechende Erhöhung der Abstufungen. Die Versuchsplanung basiert auf der vollfaktoriellen Kombination der aufgeteilten Eingangsbereiche unter Anwendung der DoE-Methodik zur effizienten Verteilung der Designpunkte. Abb. 5.1 veranschaulicht das Prinzip am Beispiel eines zweidimensionalen Systems mit je einer Abstufung in den Eingangsbereichen. Die grau unterlegten Bereiche kennzeichnen die aus der spezifizierten Abstufung resultierenden vollfaktoriellen Kombinationen. Die Designpunkte sind entsprechend des D-optimalen Berechnungsmusters an den Grenzen der gültigen Bereiche angesetzt und berücksichtigen jeweils nur die für die Identifizierung der linearen Takagi-Sugeno-Polynome erforderliche Mindestanzahl (ohne optionale Zusatzpunkte). Der Basis-Versuchsplan enthält - gemäß Gl. (5.2) - 12 Designpunkte, die auf die gewählte Fuzzy-Struktur abgebildet werden. m UT S = (m + 1 + k) · b(i) (5.2) i=1 UT S : Versuchsumfang m: Anzahl der Modelleingänge b: Anzahl der aufgeteilten Bereiche k: Anzahl der Zusatzpunkte Tab. 5.2 zeigt den korrespondierenden Basis-Versuchsplan. Aufgrund direkt angrenzender Eingangsbereiche fallen mehrere Designpunkte aufeinander, so dass der ursprüngliche Versuchsumfang reduziert und ein modifizierter Versuchsplan mit nur 8 Designpunkten angegeben werden kann4 . Wird die Abtastung der Eingangsbereiche abgeändert (siehe Abb. 5.2 und Tab. 5.3), so zieht dies aufgrund der veränderten Kombinatorik sowohl einen angepassten Versuchsumfang als auch eine neue Verteilung und damit eine neue Abbildung der Designpunkte auf die Fuzzy-Struktur nach 3 Die lokale Schätzung erfordert lediglich (Eingangs-Dimensionalität + 1)-Trainingsdatenpunkte 4 Anmerkung: Designpunkte 2, 7 und 12 sind gleich, Designpunkte 1 und 6 sowie Designpunkte 5 und 10 5.1. VERSUCHSPLANUNG AUF GRUNDLAGE DES TAKAGI-SUGENO-SYSTEMS Eingang u1 X Eingang u2 X 3 1,3 1,2 X X 2 X X 3 0 0.5 1 1,3 0 0.5 Eingang u1 X 0,6 6 X 5 X X 4,5 0.5 X 1 0 Eingang u1 0,6 0.5 8 7,8 X 9 8 0.5 1 0 Eingang u1 0.5 X 1 Eingang u2 X 10,11 X 11 10,12 12 X X X 10,11 0.5 X 7,9 X X 0 1 Eingang u2 X 9 0 1 Eingang u2 X 4,5 0 63 1 X 11 0 0.5 1 Abb. 5.1: Verteilung der Designpunkte für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 1 Abstufung, 2 Fuzzy-Partitionen; Eingang u2 : 1 Abstufung, 2 Fuzzy-Partitionen sich. Bleibt hingegen die Abtastung unverändert, so kann die Qualität der Versuchsplanung ausschließlich durch die Variation der Modellordnung beeinflusst werden. Das Ziel ist es, einen ausgewogenen Kompromiss zwischen der Minimierung des Versuchsaufwands einerseits und der Maximierung des für die Modellbildung erforderli- 64 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB chen Informationsgewinns andererseits sicherzustellen. Für die Bewertung der Versuchsplanung ist folglich ein auf das Takagi-Sugeno-System abgestimmtes mathematisches Optimalitätskriterium erforderlich. Die mit den DoE-Polynommodellen verwandte Modellstruktur5 sowie der vergleichbare Schätzalgorithmus6 motivieren zu einer analogen Berechnungsvorschrift. Im folgenden Kapitel erfolgt die mathematische Beleuchtung der auf dem Takagi-Sugeno-System basierenden Kovarianzmatrix. Designpunkt Eingang u1 1 0.5 2 0.5 3 0 4 1 5 1 6 0.5 7 0.5 8 0.5 9 0 10 1 11 1 12 0.5 Eingang u2 0 0.5 0 0 0.5 0 0.5 1 0.5 0.5 1 0.5 Tab. 5.2: Basis-Versuchsplan für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 1 Abstufung; Eingang u2 : 1 Abstufung Designpunkt Eingang u1 1 1/3 2 1/3 3 0 4 2/3 5 2/3 6 1/3 7 1 8 1 9 2/3 Eingang u2 1 0 0 1 0 0 1 0 0 Tab. 5.3: Basis-Versuchsplan für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 2 Abstufungen; Eingang u2 : keine Abstufung 5 6 Polynomfunktionen als Ausgangs-Zugehörigkeitsfunktionen des Takagi-Sugeno-Systems WLSE - Weighted Least Square Estimation, siehe Abschn. 4.1.2 5.1. VERSUCHSPLANUNG AUF GRUNDLAGE DES TAKAGI-SUGENO-SYSTEMS Eingang u1 X 3 65 Eingang u2 X 1,2 X 2,3 1 2,3 1 X X 1,2 X 0 X 3 1/3 2/3 1 0 1 Eingang u1 Eingang u2 X X 6 X 6 4,5 5,6 4 5,6 4 X X 4,5 X X 0 X 1/3 2/3 1 0 X 1 Eingang u1 Eingang u2 9 7,8 X X X X 1 0 8,9 X 7 8,9 X 7 X 9X 7,8 0 1/3 2/3 1 Abb. 5.2: Verteilung der Designpunkte für ein zweidimensionales Eingangsproblem. Eingang u1 : 2 Abstufungen, 2 Fuzzy-Partitionen; Eingang u2 : keine Abstufung, 2 FuzzyPartitionen 5.1.2 Bewertungskriterium zur optimalen Versuchsplanung Der Entwicklungsansatz sieht eine Aufstellung und eine integrale Zusammenfassung der lokalen, für jede Fuzzy-Regel separat zu berechnenden Varianz-/Kovarianzmatrizen cov(ˆi ) vor. Das Bewertungskriterium liefert damit eine qualitative Ausa sage über die im Mittel berechneten Varianzen der geschätzten Modellparameter des Takagi-Sugeno-Systems. Die Grundlage der Berechnungsvorschrift sind die zur multivariaten Regression gemachten statistischen Annahmen7 . Gemäß des in Gl. (4.19) aufgestellten Gütekriteriums ergeben sich die geschätzten Parameter der liξ nearen Polynomfunktion yi = X · ai +ξ i der i-ten Regel des Takagi-Sugeno-Systems aus: 7 vgl. Abschn. 2.5.1 66 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB ˆi = (XT · Wi · X)−1 · XT · Wi · yi . a Die Fehlerterme der lokalen Polynomfunktionen entsprechen der Normalverteilung N (0, σi ), d.h. dass die Mittelwerte identisch 0, die Fehlervarianzen konstant und die Fehler unabhängig voneinander sind. Für die i-te Parameterschätzung des TakagiSugeno-Systems gilt somit: E (ξi,k ) cov (ξi,k ) cov (ξi,k , ξi,j ) =0 2 = σi =0 für alle k = 1, . . . , n für alle k = 1, . . . , n für alle k = j Die Erwartungstreue des Schätzers berechnet sich unter Berücksichtigung der obigen Annahmen für die i-te Fuzzy-Polynomfunktion zu: E(ˆi ) = E((XT · Wi · X)−1 · XT · Wi · yi ) a = E((XT · Wi · X)−1 · XT · Wi · (X · ai + ξ i )) (5.3) = ai + E((XT · Wi · X)−1 · XT · Wi · ξ i ) = ai Die Kovarianzmatrix der Koeffizienten der i-ten Fuzzy-Polynomfunktion lautet folglich: cov(ˆi ) = E((ˆi − ai ) · (ˆi − ai )T ) a a a = E(ˆi · ˆi ) − E(ˆi · aT ) − E(ai · ˆT ) + E(ai · aT ) a a a ai i i = E(ˆi · ˆi ) − E(ˆi ) · aT − ai · E(ˆT ) + ai · aT a a a ai i i = E(ˆi · ˆi ) − ai · aT a a i = ai · aT i + 2 σi (5.4) −1 T · (X · Wi · X) · (XT · Wi · X)−1 · XT · Wi T T · X · Wi − ai · aT i 2 = σi · (XT · Wi · X)−1 · XT · Wi · (XT · Wi · X)−1 · XT · Wi T Die global zu minimierende Bewertungsformel in Gl. (5.5) ergibt sich aus dem Mittelwert der Determinanten der Kovarianzmatrizen, die lokal für jede Fuzzy-Regel bestimmt werden. Es fällt auf, dass neben der Designmatrix X, die die Anordnung 5.1. VERSUCHSPLANUNG AUF GRUNDLAGE DES TAKAGI-SUGENO-SYSTEMS 67 der Designpunkte im Versuchsraum repräsentiert, auch die normierten Wichtungsdiagonalmatrizen Wi und damit die gewählte Modellordnung die Varianz beeinflussen. Es gilt nun zu prüfen, welche Kombination aus Designmatrix X und Wichtungsdiagonalmatrizen Wi die geringste Varianz aufweist. Die freien Parameter sind die Abstufung der Modell-Eingangsbereiche (Verteilung der Designpunkte) und die Anzahl der Eingangspartitionen (Struktur des Takagi-Sugeno-Systems). Gint 1 = R R det(cov(ˆi )) → min a (5.5) i=1 mit R: Anzahl der Fuzzy-Regeln 5.1.3 Versuchsplanung am Beispiel eines mehrdimensionalen Eingangsproblems Die Ermittlung des optimalen Versuchsplans erfolgt unter Festlegung des maximalen Versuchsumfangs und Abschätzung des erforderlichen Mindestbedarfs8 . Am Beispiel eines 8-dimensionalen Eingangsproblems werden definierte Verteilungsmuster auf vier verschiedene Strukturen des Takagi-Sugeno-Systems unter Konstanthaltung des Versuchsumfangs9 abgebildet. Tab. 5.4 zeigt die Konfigurationsparameter der Versuchspläne. Die Versuchspläne TS-Design 1, TS-Design 2 und TS-Design 3 beziehen sich auf Gl. (5.2) und sehen verschiedene Abstufungen der Eingangsbereiche vor. Da diese unterschiedliche Basis-Umfänge nach sich ziehen, werden zusätzliche Designpunkte zur Einhaltung eines konstanten Versuchsumfangs vorgesehen. Die zu Vergleichszwecken dienenden Versuchspläne TS-Design 4+LHS und LHS bestehen partiell bzw. vollständig aus Designpunkten, die durch die in Abschn. 2.5 vorgestellte Latin-Hypercube-Sampling-Methode (LHS) bereitgestellt werden. Abb. 5.3 zeigt das Ergebnis der aus den berechneten Versuchsplänen resultierenden gemittelten Determinanten der Kovarianzmatrizen nach Gl. (5.5). Grundsätzlich weist der Versuchsplan TS-Design 1 in der vergleichenden Gegenüberstellung die kleinste Kovarianz auf. Diese Charakteristik stellt sich unabhängig von der gewählten Modellordnung ein und beruht auf der feineren Partitionierung der ersten beiden Eingangsbereiche. Je feiner die Partitionierung ist, desto stärker wirkt sich der Einfluss der in differenzierterer Form auftretenden Wichtungen der Fuzzy-Regeln auf die Kovarianzmatrizen aus (siehe Gl. (5.4)). Die raumfüllende Methodik, die sich prinzipiell nur zur ergänzenden Versuchsplanung eignet, führt insbesondere in Verbindung mit dem Takagi-Sugeno-basierten Versuchsplan (TS-Design 4+LHS ) zu den größten Kovarianzwerten. Die besten absoluten Optimierungsresultate werden 8 9 Der Mindestbedarf kann, wie bereits in Abschn. 5.1.1 erwähnt, global nicht vorgegeben werden Es werden 324 Designpunkte als Versuchsumfang festgelegt 68 5 b m k LHSPunkte WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB TS-Design 1 TS-Design 2 TS-Design 3 TS-Design 4+LHS LHS [33112211] [32112211] [22112211] [22112211] 8 8 8 8 0 5 14 0 - - - 182 324 Modellordnung 32 64 256 576 Regeln Regeln Regeln Regeln Anzahl Partitionen [22111222] [22112222] [22222222] [33222222] Tab. 5.4: Optimale Versuchsplanung: Versuchsplan-Konfiguration und Variation der Modellordnung für ein 8-dimensionales Eingangsproblem - bei gleich bleibendem Versuchsumfang - in der Regel mit der kleinsten Modellordnung (32 Fuzzy-Regeln) erzielt. Die Fuzzy-Regeln werden durch die verteilten Designpunkte wesentlich stärker repräsentiert, d.h., dass sich auch hier stärkere Regelgewichtungen und damit betragsmäßig größere Wichtungsfaktoren einstellen, die den Invertierungsterm (XT · Wi · X)−1 in Gl. (5.4) aufgrund des quadratisch angenäherten Anteils stark reduziert10 . Die Frage, mit welcher Modellordnung das nichtlineare Motorverhalten über einen sehr großen Motorbetriebsbereich am besten abgebildet werden kann, wird letztendlich in der Modellbildungsphase beantwortet, da die Verteilung der Designpunkte davon unbetroffen ist. Generell zeigt die Takagi-Sugeno-basierte Versuchsplanung mit der DoE-Methodik eine vergleichbare Eigenschaft auf: mit zunehmendem Versuchsumfang wird die Kovarianz immer stärker reduziert. In Tab. A.1 und Tab. A.2 sind die Konfigurationen und in Abb. A.1 die Ergebnisse der Variation der Zusatzpunkte und der Abstufungen exemplarisch für eine Modellordnung des Takagi-Sugeno-Systems11 dargestellt. Wird die Anzahl der Zusatzpunkte systematisch erhöht, so geht dies mit einer eindeutig korrespondierenden Verringerung der Kovarianz einher. Bei der Variation der Abstufungen ist dies tendenziell ebenfalls beobachtbar, allerdings kann hier ein reduzierter Versuchsumfang durch eine sehr feine Rasterung weniger Eingangsbereiche kompensiert werden. Derart feine Rasterungen müssen insgesamt durch gröbere Aufteilungen der Eingangsbereiche aufgrund des einzuhaltenden maximalen Versuchsumfangs in Kauf genommen werden und sind in der Praxis lediglich für die Betriebspunktgrößen Motordrehzahl und Last zur Spezifikation des zu vermessenden Motorkennfeldbereichs umsetzbar. 10 Mit steigenden Wichtungsfaktoren nähern sich die Wichtungsmatrizen Wi der Einheitsmatrix I an. 11 Modellordnung: 64 Regeln 5.1. VERSUCHSPLANUNG AUF GRUNDLAGE DES TAKAGI-SUGENO-SYSTEMS 69 Versuchsumfang: 324 Designpunkte 7,1E-06 7,00E-09 6,00E-08 6,50E-09 5,50E-08 6,00E-09 5,00E-08 5,50E-09 4,50E-09 4,00E-09 3,50E-09 4,50E-08 Gütemaß Gint Gütemaß Gint 5,00E-09 TS-Design 1 TS-Design 2 TS-Design 3 TS-Design 4 +LHS LHS 3,00E-09 2,50E-09 4,00E-08 3,50E-08 3,00E-08 TS-Design 1 TS-Design 2 TS-Design 3 TS-Design 4 +LHS LHS 2,50E-08 2,00E-08 2,00E-09 1,50E-08 1,50E-09 1,00E-08 1,00E-09 5,00E-10 5,00E-09 0,00E+00 0,00E+00 64 Fuzzy-Regeln 32 Fuzzy-Regeln 5,00E-06 1,96E-05 5,00E-03 4,50E-06 Gütemaß Gint 3,50E-06 3,00E-06 4,50E-03 TS-Design 1 TS-Design 2 TS-Design 3 TS-Design 4 +LHS LHS 2,50E-06 2,00E-06 4,00E-03 3,50E-03 Gütemaß Gint 4,00E-06 4,7E-02 2,5E-02 3,00E-03 TS-Design 1 TS-Design 2 TS-Design 3 TS-Design 4 +LHS LHS 2,50E-03 2,00E-03 1,50E-06 1,50E-03 1,00E-06 1,00E-03 5,00E-07 5,00E-04 0,00E+00 0,00E+00 256 Fuzzy-Regeln 576 Fuzzy-Regeln Abb. 5.3: Optimale Versuchsplanung: vergleichende Gegenüberstellung der gemittelten Determinanten der Kovarianzmatrizen zur Evaluierung der Versuchsplanung für ein 8dimensionales Eingangsproblem 70 5 5.2 5.2.1 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Automatische Kennfeldvermessung Online-Screening des Hyperraumes in ausgewählten stationären Motorbetriebspunkten Die Strategie zur automatischen Vermessung des Fuzzy-basierten Versuchsplans sieht zwei Vermessungsschritte vor: im ersten Schritt erfolgt die Ermittlung des globalen Hyperraums12 der Verstellparameter, welcher Grundvoraussetzung für die Versuchsplanung ist. Hierzu werden charakteristische Motorbetriebspunkte wie z.B. die Eckpunkte des zu vermessenden Motorkennfeldes zum Screening ausgewählt (siehe Abb. 5.4 links). Das primäre Ziel ist es, die äußeren Verstellparametergren- Sreening-Punkte Endpunkt nicht fahrbar Zwischenpunkt (optional) Verstellparameter 2 Lastbereich Stabiler Ausgangspunkt Screening up Screening down Motorkennfeldbereich nicht fahrbar Motordrehzahlbereich Verstellparameter 1 Abb. 5.4: Auswahl charakteristischer Motorbetriebspunkte des zu vermessenden Motorkennfeldes und Screening des globalen Hyperraumes der Verstellparameter zen, d.h. die minimal und die maximal einstellbaren Verstellparameterwerte automatisch zu detektieren und der Versuchsplanung als globale Grenzen bereitzustellen. Abb. 5.4 (rechts) verdeutlicht das Prinzip exemplarisch für ein zweidimensionales Screening-Problem. Ausgehend von einem stabilen, manuell einzustellenden Startpunkt werden mit fester Schrittweite und definierter Priorisierung der Verstellparameter eine obere Grenze (Screening up) und eine untere Grenze (Screening down) systematisch ertastet13 . Mit der Durchführung beider Screening-Phasen wer12 Unter dem globalen Hyperraum versteht man den mehrdimensionalen Parameterraum, der sich über den gesamten Motorbetriebsbereich erstreckt. Der lokale Hyperraum erfasst nur den Parameterbereich in einem stationären Motorbetriebspunkt. 13 Da das Screening immer vom gewählten Startpunkt abhängt, wird die Einparameterverstellstrategie nach [41] der Vektorverstellstrategie vorgezogen. Wegen der typischen Wechselbeziehun- 5.2. AUTOMATISCHE KENNFELDVERMESSUNG 71 den wichtige Zusatzinformationen über die lokalen Beschränkungen in den jeweiligen Screening-Punkten geliefert14 . Aufgrund des großen Betriebsbereichs sind die Parameter-Spreizungen im globalen Hyperraum insgesamt sehr groß. Zur besseren Voranpassung des Versuchsplans werden daher die Informationen aus den ScreeningVersuchen genutzt, um auch lokale Beschränkungen zu approximieren und diese im Versuchsplan durch Modifikationen zu berücksichtigen15 . In Abb. 5.5 ist der am hochdynamischen Motorprüfstand umgesetzte Ablaufplan zum Screening des globalen Hyperraumes dargestellt: aus dem spezifizierten Versuchsplan wird zunächst der anzufahrende Motorbetriebspunkt ausgelesen. Die SollMotordrehzahl wird zur Regelung an die SPS S516 übergeben und die gewünschte Einspritzmenge anschließend zur Lastaufprägung über den Fahrhebelsteller eingeregelt. Der Startpunkt, d.h. die Ausgangskombination der Verstellparameter im Motorsteuergerät, muss im Vorfeld manuell eingestellt werden und demzufolge unkritisch sein, um im Falle einer Grenzwertverletzung die erforderliche Rückzugsstrategie in Richtung des stabilen Basispunktes anwenden zu können. Nach Beendigung des Einschwingvorgangs17 wird die Einparameterverstellung in der ScreeningSubroutine vorgenommen. Die Schrittweiten sowie die Anzahl der Iterationen sind frei wählbar und können für jeden Verstellparameter separat getroffen werden. Im Anschluss an die Übergabe der Verstellparameterkombination an das Applikationssteuergerät werden die kritischen Motorgrößen auf Einhaltung der festgelegten Grenzen geprüft. Tritt eine Grenzwertverletzung auf, so wird zunächst eine Kurzzeitmessung durchgeführt. Dies ermöglicht die obligatorische Dokumentation des nicht fahrbaren Motorraums und damit die Angabe der für die Optimierung wichtigen Restriktionen. Anschließend wird die nicht fahrbare Einstellung zurückgenommen und zum nächsten Verstellparameter übergegangen. Tritt keine Grenzwertverletzung auf, so wird der eingeschwungene Motorbetriebszustand abgewartet und darauf folgend die Messung eingeleitet. Der Zyklus wiederholt sich dann so oft, bis die Motorgrenze oder die maximale Anzahl der zu untersuchenden Schritte erreicht worden ist. gen der Verstellparameter gibt es mehrere obere und untere Parametergrenzen; durch die vorgegebene Priorisierung kann allerdings eine gezieltere Beeinflussung des Screenings vorgenommen werden. 14 Prinzipiell ist jeweils nur eine Screening-Phase für die Detektion der globalen Parametergenzen erforderlich, wie z.B. die Screening Up-Phase im oberen Lastbereich oder Screening Down-Phase im unteren Lastbereich. 15 Optional können noch weitere Screening-Punkte herangezogen werden, um die Approximation der lokalen Beschränkungen zusätzlich zu verbessern, vgl. Abb. 5.4 links 16 Bezeichnung für die Prüfstandsautomatisierung 17 Die Einschwingzeiten sind nicht fest, sondern variieren in Abhängigkeit der Einschwingcharakteristik. 72 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Versuchsplan Versuchspunkt aus Liste übernehmen Soll-Drehzahl an SPS S5 übergeben Soll-Einspritzmenge einregeln Subroutine Screening Änderung des Verstellparameters Einschwingzeit Kritische Grenzen eingehalten? Nein Kurzzeitmessung Ja Rückstellen auf Ausgangswert Messen /Speichern Schrittzahl / Sicherheitsgrenze erreicht? Nein Selben / Nächsten Parameter verstellen? Nein Ja Beenden Abb. 5.5: Ablaufplan zum Screening Ja 5.2. AUTOMATISCHE KENNFELDVERMESSUNG 5.2.2 73 Automatische Vermessung unter dynamischer Adaption lokaler Versuchsraumbeschränkungen Im zweiten Vermessungsschritt wird der erstellte und vorangepasste Versuchsplan automatisch vermessen, welcher rasterförmig im Motorbetriebsbereich angelegt ist (siehe Abb. 5.6 links). Der Vorteil in der praktischen Durchführung der Kennfeldvermessung ist, dass im Vergleich zur Umsetzung globaler statistischer Versuchspläne kürzere Einschwingzeiten durch die Parametervariationen in den stationären Motorbetriebspunkten anfallen und dass lokale Beschränkungen durch die adaptive Vermessungsmethodik erkannt, dokumentiert und als wichtige Limitierungen für einen effektiven Optimierungsprozess genutzt werden können. Diese Motorbetriebspunkte werden direkt zur Basisapplikation herangezogen18 . Die erwähnten lokalen Restriktionen werden - sofern nicht von den Screening-Versuchen bereits erfasst - dynamisch durch die modifizierte Anwendung der Vektorverstellstrategie nach [41] angepasst. Die Modifikation besteht darin, dass für jeden stationären Motorbetriebs- B Motorbetriebspunkte 2 Endpunkt 5 Zwischenpunkt 3 Lastbereich Verstellparameter 2 Designpunkt A 4 nicht fahrbar 1 Motorkennfeldbereich Motordrehzahlbereich Verstellparameter 1 Abb. 5.6: Auswahl und Screening charakteristischer Motorbetriebspunkte des zu vermessenden Motorkennfeldes zur Ermittlung des globalen Hyperraumes der Verstellparameter punkt im Kennfeldbereich ein stabiler Ausgangspunkt ermittelt wird. Von diesen jeweils ausgehend, werden alle anderen Designpunkte im Versuchsplan direkt und nicht in Schritten angefahren. Erst wenn nach dem Anfahren wider Erwarten eine Grenzwertverletzung auftritt und die Fahrbarkeit somit nicht gewährleistet ist, wird mit definierter Schrittweite in Richtung des Ausgangswertes zurück gefahren. Nach 18 Grundsätzlich können beliebige Motorbetriebspunkte zur Grundoptimierung ausgewählt werden. Die für die Optimierung erforderlichen Informationen bezüglich nicht fahrbarer Motorräume können dann allerdings nur durch Interpolation geschätzt werden. 74 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB jeder Verstellung erfolgt die Überprüfung der Grenzwerteinhaltung. Um den ErsatzVersuchspunkt möglichst nahe an der Fahrbarkeitsgrenze zu platzieren und daher einen guten Kompromiss für den nicht erreichten Zielwert zu erhalten, ist die umgesetzte Verstellstrategie mit einer zusätzlichen Vorwärts-Rückwärts-Schrittstrategie versehen. Die Vorgehensweise wird in Abb. 5.6 (rechts) am zweidimensionalen Beispiel verdeutlicht. Vom Startwert A wird direkt zum Zielwert B gefahren. Die Überwachung registriert, dass ein oder mehrere Grenzwerte überschritten wurden (2). Daraufhin wird unverzüglich die halbe Wegstrecke Start-Ziel ermittelt und angefahren. In diesem Fall werden die Grenzen wieder eingehalten. Da es sich bei diesem Zwischenpunkt (3) aufgrund des zu großen Abstands vom Grenzbereich um keinen optimalen Ersatz handelt, wird im nächsten Schritt die halbe Wegstrecke berechnet und zum Punkt (3) hinzu addiert. Das Ergebnis ist Punkt (4), der wieder im kritischen Bereich liegt. Der Prozess wird solange durchgeführt, bis die Routine einen annehmbaren Ersatz-Versuchspunkt (5) ermittelt hat. Die Wegstreckenhalbierung ist fest im Programm installiert, die Anzahl der möglichen Vorwärtsschritte kann individuell festgelegt werden. Die Anzahl der Rückwärtsschritte hingegen ist nicht wählbar, da der Rückzug aus kritischen Bereichen in jedem Fall erfolgen muss. Abb. 5.7 zeigt den entsprechenden Ablaufplan zur automatischen Kennfeldvermessung. Neben den harten Kriterien Abgastemperatur und Zylinderspitzendruck werden auch weiche Kriterien geprüft. Diese führen im Falle einer Grenzwertüberschreitung nicht zu einer Beschädigung des Motors, sondern kennzeichnen Motorbetriebszustände, die für den Applikationsprozess als nicht fahrbar deklariert werden. Zu den weichen Kriterien werden das Luftverhältnis und das Motordrehmoment gezählt, d.h. dass das für den dieselmotorischen Betrieb unverträgliche unterstöchimetrische Luftverhältnis ebenso unterbunden wird wie negative Motordrehmomente bzw. Schleppmomente in den unteren Lastbereichen des Motorkennfeldes. Des Weiteren werden große Abweichungen zwischen den Vorgaben aus dem Versuchsplan und den aus dem Motorsteuergerät ausgelesenen und tatsächlich wirksam werdenden Verstellparametern zur besseren Eingrenzung der lokalen Hyperräume im Hinblick auf die Optimierung registriert. Prinzipiell kann auch hier die Vektorverstellstrategie herangezogen werden, um die Grenzen der Hyperräume in den stationären Motorbetriebspunkten automatisch auszuloten. 5.2. AUTOMATISCHE KENNFELDVERMESSUNG 75 Versuchsplan Versuchspunkt aus Liste übernehmen Soll-Drehzahl an SPS S5 übergeben Soll-Einspritzmenge einregeln Subroutine Vektorverstellung Änderung des Parametersatzes Einschwingzeit Kritische Grenzen eingehalten? Nein Ja Vorwärtsverstellung Schrittrichtung vor? Ja Kurzzeitmessung Rückwärtsverstellung Neuen Parametersatz berechnen Nein Messen /Speichern Ende des Versuchsplans erreicht? Nein Ja Beenden Abb. 5.7: Ablaufplan zur automatischen Vermessung unter dynamischer Adaption lokaler Versuchsraumbeschränkungen 76 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB 5.3 Erstellung der Wissensbasis 5.3.1 Motivation und Problemstellung Das Ziel der Untersuchungen ist die Entwicklung eines geeigneten Optimierungsalgorithmus, mit dem eine Steuergeräte-Applikation online am Motorprüfstand effektiv möglich ist. Folgende Voraussetzungen sollten hierbei erfüllt sein: • der Optimierungs-Algorithmus ist nahezu unabhängig vom gewählten Startpunkt im Hyperraum • der Optimierungsansatz ist auf komplexe Motorsysteme anwendbar • die praktische Umsetzbarkeit des Optimierungs-Algorithmus am Motorprüfstand ist gewährleistet, d.h. die Optimierungslösung konvergiert schnell; die Anzahl der Optimierungsdurchläufe ist begrenzt Die konventionellen Optimierungs-Algorithmen sind bezüglich der oben gestellten Bedingungen nicht geeignet. Insbesondere die gradientenbasierten Methoden stoßen aufgrund ihrer Eigenschaft, lokale Optima im Suchraum zu ermitteln, auf ihre Grenzen. Genetische Algorithmen weisen zwar konvergierendes Optimierungsverhalten auf, lassen sich allerdings aufgrund ihres hohen Iterationsbedarfs nicht in dieser Form online einsetzen. Daher ist ein konzeptionell neuartiges Verfahren erforderlich, das die genannten Nachteile adäquat behebt. Die Idee des wissensbasierten Ansatzes besteht nun darin, die auf Expertenwissen beruhende Vorgehensweise eines Prüfstandsingenieurs in der Bedatung von Motorsteuerkennfeldern nachzubilden und auf manuell nicht mehr zu bewältigende mehrdimensionale Optimierungssysteme zu übertragen. Um ein derartiges Expertensystem aufzubauen, muss das erforderliche Expertenwissen, das sich aus den motortechnischen Zusammenhängen ableitet, formalisiert, in geeigneter Weise repräsentiert und als Wissensbasis zusammengefasst zur Anwendung gebracht werden. Expertensysteme eignen sich vor allem für Anwendungsbereiche, in denen das Wissen bzw. die Daten teilweise unsicher und unvollständig sind. Sie verfügen über eine hohe Problemlösungsfähigkeit und die Tranzparenz, um ihre Problemlösung durch Angabe des benutzten Wissens zu erklären [50]19 . Abb. 5.8 zeigt den Vergleich zwischen einem konventionell eingesetzten Programm und einem Expertensystem, in dem das Expertenwissen zwecks effizienterer Entwicklung und Anwendung von der Lösungsstrategie getrennt ist. Im Hinblick auf die zu implementierende wissensbasierte Online-Optimierung bedeutet dies, dass die Verknüpfung aus Wissensbasis und der dazu gehörigen Lösungsstrategie den klassischen Optimierungsalgorith19 Ein Expertensystem ist nur auf einem bestimmten Gebiet einsetzbar. Es ist kein allgemeines Problemlösungsprogramm. Die Anwendungsgebiete sind z.B. die Überwachung technischer Prozesse, die medizinische und technische Diagnostik. 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS Algorithmen 77 Problemlösungsstrategien Wissen Daten Konventionelle Programme Daten Expertensysteme Abb. 5.8: Vergleich von konventioneller Programmierung und Expertensystemen nach [50] mus20 ersetzt. Die Entwicklung eines Expertensystems setzt sich somit aus folgenden Arbeitsschritten zusammen: • Wissenserhebung • Wahl der Grundtechnik (Wissensrepräsentation) • Definition der Wissensbasis • Umsetzung des Wissens in die operationale Wissensbasis • Entwicklung von Problemlösungsmethoden Entscheidend für die Aufstellung des Expertensystems sind die Verarbeitungsform zur Ableitung der motortechnischen Zusammenhänge und die Darstellbarkeit unsicheren Wissens 21 . Wegen der mehrdimensionalen und stark nichtlinearen Motorcharakteristik entstehen vor allem viele konkurrierende Informationen, die durch die Wissensbasis abgedeckt und entsprechend repräsentiert werden müssen. Abb. 5.9 zeigt exemplarisch das Ursache-Wirkungs-Prinzip für einen nichtlinearen Prozess im 6-dimensionalen Hyperraum mit drei Systemausgängen. In zwei ausgewählten Bereichen des Hyperraumes22 werden verschiedene Systemanregungen provoziert, 20 z.B. die Sequentielle Quadratische Programmierung (SQP) Dazu gehören u.a. die Unvollständigkeit der Informationen, die Unsicherheit von Schlußfolgerungen und die Zusammenfassung von aus einander widersprechenden Quellen stammenden Informationen (konkurrierende Informationen) 22 Jedem Systemeingang wird ein bestimmter Wertebereich zugewiesen. Die Kombination der festgelegten Eingangs-Wertebereiche ergibt den ausgewählten Bereich des Hyperraumes. 21 78 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Systemeingang u2 Systemeingang u3 Systemeingang u1 Hyperraum A Hyperraum B Systemeingang u5 Systemeingang u6 Systemeingang u4 Systemausgang y2 Systemausgang y3 Systemausgang y1 Systemantwort Hyperraum A Systemantwort Hyperraum B Abb. 5.9: Darstellung konkurrierender Informationen: Ursache-Wirkungs-Prinzip für einen nichtlinearen Prozess im 6-dimensionalen Hyperraum mit drei Systemausgängen die zu fast identischen Systemantworten führen (Abb. 5.9 untere Reihe)23 . Werden diese unterschiedlichen Systemanregungen allerdings nicht erkannt, so kann das Wissen, das durch Vermessung des Motorraumes erhoben wird, nur qualitativ unzureichend extrahiert und für die Optimierung genutzt werden. Eine weitere unabdingbare Grundvoraussetzung für eine zielgerichtete Wissensverarbeitung ist der automatische Wissenserwerb, d.h. die systematische Extraktion des Wissens aus den Mess- oder Modelldaten. Es sind also Verarbeitungskonzepte erforderlich, die mit Hilfe der gewählten Grundtechnik schnell und transparent umgesetzt werden 23 Anmerkung: Erst wenn sich das Systemverhalten signifikant verändert, kann konkurrierendes Wissen ausgeschlossen werden, d.h. auch geringe Abweichungen im Systemverhalten gelten in diesem Zusammenhang noch als konkurrierendes Wissen. 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS 79 können. 5.3.2 Konzeptansatz zur Wissensverarbeitung In Abb. 5.10 ist das Zusammenspiel zwischen den Modulen der Wissensbasis und des Steuersystems24 dargestellt. Der Wissenstransfer wird auf Anforderung des Steuersystems durch Evaluierung der Prozesssituation und Anwendung der Problemlösungsstrategien initiiert. Die vom Steuersystem ausgegebenen Zielvorgaben25 gehen hierbei als Eingänge in die Wissensbasis ein. Den Ausgang der Wissensbasis bilden die angeforderten Lösungsvorschläge, die als Verstellparameterkombinationen zur Online-Applikation in das Motorsteuergerät übertragen werden. Die wissensverar- MotorZielgrößen Ist (Ziel-) Vorgabe Wissensbasis ? Problemlösungsstrategien Wissensverarbeitung Lösungsvorschlag Soll Motorverstellparameter Motordaten Abb. 5.10: Expertensystem zur wissensbasierten Motorprozessoptimierung beitende Komponente des Expertensystems muss demnach gewährleisten, dass auf beliebige Vorgaben des Steuersystems auch entsprechende Lösungen26 im Hyperraum folgen. Die Wissensbasis hat somit - gemäß den spezifizierten Anforderungen - die Aufgabe, das reziproke Motorprozessverhalten unter Berücksichtigung der Nichtlinearität in einer geeigneten Form darzustellen. Die Fuzzy-Logik bietet sich hierbei als Grundtechnik an. Sie findet in der Praxis eine breite Anwendung27 und 24 Das Steuersystem evaluiert den Optimierungsprozess, interpretiert das von der Wissensbasis zur Verfügung gestellte Expertenwissen und wendet die Problemlösungsstrategien an. 25 Die Zielvorgaben entsprechen den in skalaren Zielfunktionen zusammengefassten Zielgrößen. 26 Die Lösungsvorschläge können, wie bereits erwähnt, auch unsicheres Wissen enthalten. 27 Regelung, Modellbildung, Expertensystem 80 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB ermöglicht als regelbasiertes System eine variable Umsetzung wissensverarbeitender Konzepte. Zur automatischen Ableitung und Abbildung des reziproken Motorprozessverhaltens sind zwei Varianten durchführbar: • Umkehrung des Motorprozesses y = f (x) durch Modellbildung Ziel ist es, die Motorverstellparameter x in Abhängigkeit der definierten Zielgrößen y darzustellen, so dass gilt: x = f (y). Hierbei müssen die mathematischen Voraussetzungen zur Umkehrbarkeit nichtlinearer, mehrdimensionaler Systeme28 geprüft werden. y1 x1 y2 x2 Wissensbasis ym xn • Automatische Adaption der anwendbaren Fuzzy-Regeln und Aufbau einer Konfliktmenge mittels Untersuchung der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Die Grundlage für die automatische Ableitung des Regelwerks bilden die Untersuchungen zum Ursache-Wirkung-Verhalten des Motorprozesses. Es gilt der Zusammenhang: ∆y = f (∆x). Die Berücksichtigung von miteinander konkurrierenden Informationen erfolgt durch Aufbau einer Konfliktmenge zur priorisierten Abfolge der Regelaktivierungen. Δy1 Δx1 Δy2 Δx2 Wissensbasis Δym Δxn Konfliktmengen 28 Allgemeiner Auflösungssatz, siehe Abschn. 5.3.3 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS 5.3.3 81 Umkehrung des Motorprozesses Die mathematische Prüfung der Umkehrbarkeit des Motorprozesses und die Ableitung einer definierten Vorgehensweise lehnen sich an den Satz über implizite Funktionen (mehrerer Variablen) an. Das Takagi-Sugeno-System dient hierbei in Form eines mehrdimensionalen, nichtlinearen Gleichungssystems29 als mathematische Beschreibunsgform30 . Der Satz über implizite Funktionen bzw. der allgemeine Auflösungssatz nach [4] lautet: In einem Gebiet G Rn+m seien m Funktionen F1 , . . . , Fm von n + m Variablen x1 , . . . , xn ; y1 , . . . , ym mit den folgenden Funktionsgleichungen gegeben: zi = Fi (x1 , . . . , xn ; y1 , . . . , ym ) (i = 1, . . . , m) Über die Auflösbarkeit des Gleichungssystems Fi (x1 , . . . , xn ; y1 , . . . , ym ) = 0 (i = 1, . . . , m) (5.6) nach y1 , . . . , ym gibt der folgende Satz Auskunft: 0 0 Satz: Die Funktionen Fi seien in einer Umgebung U von P0 (x0 , . . . , x0 ; y1 , . . . , ym ) ∈ 1 n 0 0 G stetig nach y1 , . . . , ym stetig differenzierbar. Ferner sei Fi (P0 ) = 0 (i = 1, . . . , m) und ∂(F1 , . . . , Fm ) (P0 ) = 0. 0 0 ∂(y1 , . . . , ym ) Dann gibt es genau ein in einer Umgebung V von Q0 (x0 , . . . , x0 ) ∈ Rn definiertes 1 n System stetiger Funktionen f1 , . . . , fm mit dem Gleichungssystem yi = fi (x1 , . . . , xn ) (i = 1, . . . , m), (5.7) für die gilt: 0 y1 = fi (x0 , . . . , x0 ) (i = 1, . . . , m) 1 n ∀(x1 , . . . , xn ) ∈ V : Fi [x1 , . . . , xn ; f1 (x1 , . . . , xn ), . . . , fm (x1 , . . . , xn )] = 0. Ausgangspunkt der Berechnungen ist die in Gl. (5.8) formulierte Wissensbasis durch das Takagi-Sugeno-System. Es muss beachtet werden, dass nun die Zielgrößen des definierten Optimierungssystems y die Eingänge und die Motorverstellparameter 29 Eine exakte Lösung des nichtlinearen Gleichungssystems ist durch eine Folge algebraischer Manipulationen im Gegensatz zu linearen Gleichungssystemen nicht mehr möglich. 30 Das Motormodell wird durch das Takagi-Sugeno-System beschrieben. 82 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB die Ausgänge der Funktionsgleichungen bilden.  R  wi · i=1 x1  .  . = .  R xn  w · i   i=1 m  c1 · yj  ij  j=1   . .  .   m cn + cn · yj  i0 ij c1 + i0 (5.8) j=1 Zur Anwendung des Auflösungssatzes wird die Wissensbasis in die implizite Form gebracht. Durch Subtraktion der Funktionsausgänge x erhält man das stetig differenzierbare Gleichungssystem  R c1 · yj   wi · c1 + i0 ij  i=1 j=1 F1 (x, y)     . . . . F(x, y) =  = . .  R m Fn (x, y)  w · cn + cm · yj i i0 ij  i=1  m − x1        − xn  (5.9) j=1 Die Funktionsgleichungen Fi (x, y) müssen, gemäß dem Auflösungssatz, innerhalb der Umgebung P0 null sein. Die zweite Bedingung ist standardmäßig erfüllt, da die zu berechnende Funktionaldeterminante31 wegen der gewählten Beschreibungsform (Modellgleichung) immer ungleich null ist.  ∂F1 ∂Fn  ∂x1 . . . ∂x1    ∂(F1 , . . . , Fm ) . .. .  (P0 ) = (−1)n = 0 . .. = det  . .   ∂(x0 , . . . , x0 ) 1 n  ∂F1 ∂Fn  ... ∂xn ∂xn  (5.10) Daraus folgt, dass die Umkehrbarkeit des Motorprozesses einzig von der Wahl der Umgebung P0 , also von der Eingrenzung der Verstellparameterbereiche im Hyperraum abhängt. Die Umkehrung lässt sich wegen der Nichtlinearität32 nur lokal durchführen. Die Bestimmung der lokalen Umgebungen kann prinzipell durch systematisches Suchen erfolgen, indem der Hyperraum nur in den Bereichen aufgeteilt wird, in denen die Fehler der modellierten Wissensbasen zu groß sind. Diese Vorgehensweise ist vergleichbar mit der in [34] beschriebenen Methode zu Erstellung lokaler, linearer Modelle im nichtlinearen Raum33 . Das Suchen wirkt sich allerdings 31 Jacobische Determinante von Fx (x, y) siehe Abb. 5.9 33 LOLIMOT - Local Linear Model Tree 32 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS 83 im Hinblick auf die lange Entwicklungsdauer nachteilig aus und die Anwendung wird durch die unterschiedlich definierten Teilräume auf die nachfolgende Optimierung aufgrund der großen Variabilitäten erschwert. Eine andere Möglichkeit sieht die äquidistante Aufteilung des Hyperraums vor. Hierdurch wird die Umsetzung und die Anwendung der lokalen Wissensbasen standardisiert und vereinfacht. Einer steigenden Dimensionalität und damit Komplexität des zu optimierenden Systems wird automatisch mit einer größeren Anzahl der lokalen Umgebungen begegnet34 . In Abb. 5.11 ist die (äquidistante) Aufteilung eines 3-dimensionalen Hyper- und Lösungsraumes exemplarisch für zwei lokale Umgebungen dargestellt. Jede lokale Um- Hyperraum Lösungsraum Λ Ω Teilraum Ω6 x3 y3 x1 x2 y1 y2 Teilraum Ω1 Abb. 5.11: Beispielhafte Aufteilung eines 3-dimensionalen Hyperraums in lokale Umgebungen zur Realisierung der Prozessumkehrung gebung wird auf den Lösungsraum Λ ⊆ R3 abgebildet und durch eine Wissensbasis repräsentiert. Die für die Identifikation der Wissensbasen benötigten Trainingsdaten werden durch die statistische Anregung des kompletten Eingangsraumes generiert35 und mittels der räumlichen Eingrenzungen separiert. Zu jedem Teilraum Ωk ⊆ R3 entsteht mittels gewichteter Least-Square-Schätzung ein korrespondierender Polynomparametersatz in der Ausgangsstruktur des Takagi-Sugeno-Systems nach Gl. (5.8). Die Anwendung des lokal umgekehrten Prozesswissens erfolgt somit durch die entsprechende Adaption der Polynomparameter. Die Eingangsstruktur sowie die Regelbasis bleiben hierbei unverändert. 34 Dies ergibt sich aus der vollfaktoriellen Kombination der unterteilten Dimensionsbereiche. Die Anzahl der lokalen Umgebungen kann durch eine feinere Unterteilung erhöht werden. 35 Als Informationsquelle dient das Motormodell. 84 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Exemplarische Umkehrung eines (5x2)-Motorsystems Für die Darstellung der Umkehrbarkeit dient das Bereichsmodell eines aufgeladenen Dieselmotors mit Pumpe-Düse-Einspritztechnik als Grundlage. Tab 5.5 zeigt die Betriebspunktgrößen, die Verstellparameter und die Zielgrößen des Bereichsmodells einschließlich der physikalischen Grenzen. Systemparameter Motordrehzahl Einspritzmenge Frischluftmasse Einspritzbeginn Ladedruck Stickoxidemission Schwärzungszahl Einheit min−1 mm3 /Hub mg/Hub ◦ KW n.OT hP a ppm F SN min max Wissensbasis 2000 2500 20 25 377 650 x1 -12 -7 x2 1155 1550 x3 153 755 y1 0.27 1.34 y2 Tab. 5.5: Systemgrenzen des (5x2)-Motorbereichsmodells und Spezifikation der Wissensbasis Die Umkehrung wird jeweils in einem stationären Motorbetriebspunkt durchgeführt. Die Spezifikation der Wissensbasis beinhaltet somit nicht die Betriebspunktgrößen Motordrehzahl und Last, sondern nur die Zielgrößen als Eingang und die Verstellparamater als Ausgang (siehe Nomenklatur der Wissensbasis in Tab. 5.5). Zur betriebspunktunabhängigen Anwendung der Wissensbasis wird eine Normierung vorgenommen. Bei globalen Motormodellen müssen die lokalen Bereichsgrenzen - sofern nicht durch die Kennfeldvermessung bereitgestellt - geeignet approximiert werden36 . In Abb. 5.12 sind die definierten Zugehörigkeitsfunktionen der Wissensbasis, bestehend aus jeweils drei Gaußschen Glockenkurven, für die normierten Zielbereiche dargestellt. Aus der vollfaktoriellen Kombination der Partitionen ergibt sich eine Regelbasis mit neun Regeln. Der Bedingungsteil sowie die Regelbasis sind für alle Teilräume identisch, da die Zielbereiche für den gesamtem Hyperraum im stationären Motorbetriebspunkt ausgelegt sind. Mit der äquidistanten Aufteilung des Hyperraumes nach Abb. 5.11 entstehen für die Konsequenzteile des Takagi-SugenoSystems jeweils acht unterschiedliche Parametersätze, die den korrespondierenden Teilräumen zugeordnet sind, d.h., dass zu jeder einzelnen Regel acht lokale Polynomfunktionen zur Anwendung bereit stehen. Die identifizierten Polynomfunktionen der Ausgänge x1 , x2 und x3 , die für den stationären Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 , mB = 25 mm3 /Hub am Beispiel der ersten Regel auf Seite 85 veranschaulicht sind37 , können allerdings nicht für das gesamte Eingangsfeld Λ ⊆ R2 der Wissensbasis genutzt werden, da jede lokale Umgebung im Hyperraum ein eigenes 36 Für die Erstellung der Wissensbasis ist ein rasterförmig angelegtes Vermessungskennfeld vorteilhaft, da sich die Bereichsgrenzen direkt aus den ermittelten Betriebsbereichen ableiten (siehe Abschn. 5.1.1 und Abschn. 5.2). 37 Insgesamt ergeben sich 8 x 3 x 9 = 216 Polynomfunktionen. 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS 85 Abbild auf den Zielraum nach sich zieht.   (1)   x1,W B1 −0.4173 −1.4882 1.3651  (1)  x1,W B2    (1)  −0.7142 −1.8538 1.6836   x  1,W B3  −0.7338 −1.5507 1.4840     1 x(1)    1,W B4  −1.4266 −1.9531 1.9138    · y1 ;  (1)  =  x1,W B5  −0.6441 −1.7392 1.5849  y2  (1)    −0.7941 −1.9774 1.7760 x   1,W B6   −1.0664 −1.9006 1.7714  (1)  x1,W B7  −1.5236 −2.0807 2.0259 (1) x1,W B8 Regel 1   (1)  x2,W B1 −1.2063  (1)  x2,W B2    (1)  −1.7516  x  2,W B3  −2.7764 x(1)    2,W B4  −4.0148  (1)  =  x2,W B5  −1.1192  (1)    −1.6043 x  2,W B6    (1)  −2.2718 x2,W B7  −3.2330 (1) x2,W B8 −0.7118 −0.6608 −1.8634 −1.8598 −0.5492 −0.8105 −1.0753 −1.5802   (1)  x3,W B1 −1.3324  (1)  x3,W B2    (1)  −0.9346  x  3,W B3  −1.4516 x(1)    3,W B4  −1.6443  (1)  =  x3,W B5  −1.4291  (1)    −1.0687 x  3,W B6    (1)  −2.0296 x3,W B7  −2.2770 (1) x3,W B8 −0.2696 −0.6797 0.2103 −0.1949 −0.6687 −0.3599 −0.7854 −0.5520  1.2753 1.2531  2.6270    1 2.6543    · y1 ; 1.1410  y2 1.2911  2.0010 2.2496 Ausgang x1 Ausgang x2 Regel 1  1.0145 1.4875  0.5506    1 1.1433    · y1 ; 1.2821  y2 1.3494  1.3120 1.5924 Ausgang x3 Regel 1 Konsequenz-Teil des Takagi-Sugeno-Systems am Beispiel der 1. Regel Abb. 5.13 verdeutlicht die Auswirkungen der räumlich getrennten Systemanregungen auf die wirksam werdenden Bereiche der Zielgrößen y1 und y2 . Für jede lokale Wissensbasis38 (1-8) ergeben sich unterschiedliche Eingrenzungen, so dass das lokale reziproke Motorwissen nur innerhalb der jeweiligen gültigen Zielbereiche zur Verfügung steht39 . 38 39 D.h. für jede lokale Umgebung im Hyperraum Werden die Grenzen überschritten, so werden die Ausgänge x1 , x2 und x3 extrapoliert. WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Zugehörigkeitsfunktion y2 5 Zugehörigkeitsfunktion y1 86 y1 y2 Lokale Wissensbasis y2 Lokale Wissensbasis y1 Abb. 5.12: Erstellung einer Wissensbasis mit zwei Eingängen und drei Ausgängen: Definition der Zugehörigkeitsfunktionen als Gaußsche Glockenkurven. y1 y2 Abb. 5.13: Erstellung einer Wissensbasis mit zwei Eingängen und drei Ausgängen: Darstellung der wirksam werdenden Zielgrößenbereiche, die aus der statistischen Anregung des umzukehrenden Systems in den Teilräumen resultieren. 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS 87 Validierung der identifizierten lokalen Wissensbasen In den Abbildungen 5.14 und 5.15 sind die Validierungsergebnisse von zwei Teilräumen (Wissensbasis 1 und Wissensbasis 6), stellvertretend für die komplette Wissensbasis im stationären Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 , mB = 25 mm3 /Hub, dargestellt. Im oberen Bild ist jeweils die lokale Umgebung bzw. die räumliche Anordnung der Motorverstellparameter x1 , x2 und x3 erkennbar. Die für die Validierung der trainierten Wissensbasen benötigten Generalisierungsdaten, d.h. die Zielvorgaben y1,soll und y2,soll werden mit Hilfe des Motorbereichsmodells in den jeweiligen Teilräumen erzeugt, aufbereitet und dem aufgestellten Takagi-SugenoSystem als Eingänge zugeführt. Die daraus resultierenden Motorverstellparameter x1,ist , x2,ist und x3,ist sind den Vorgaben x1,soll , x2,soll und x3,soll im mittleren Bild vergleichend gegenübergestellt. Die modellierten Ausgänge der lokalen Wissensbasen dienen wiederum als Eingänge in das Motormodell, um den Modellabgleich für die Zielgrößen vornehmen zu können (unteres Bild). Der Zielgrößen-Abgleich ist letztlich entscheidend, um die Umsetzbarkeit des gewünschten Prozessverlaufs zu beurteilen40 . In beiden Abbildungen sieht man, dass das reziproke Motorverhalten innerhalb der gültigen Zielbereiche von y1 und y2 durch die Lokalisierung des Hyperraumes sehr gut abgebildet werden kann. Für die experimentelle Validierung des modellierten Umkehrprozesses wurde ein Versuchsplan mit ausgewählten Verstellparameterkombinationen in drei verschiedenen stationären Motorbetriebspunkten41 erstellt und am Motorprüfstand abgefahren. Abb. 5.16 zeigt die Verläufe der Betriebspunktgrößen und der gemessenen Zielgrößen Stickoxid-Emission (y1 ) und Schwärzungszahl (y2 ) in physikalischer Darstellung, die als Sollvorgaben in die betriebspunkt-spezifischen Wissensbasen eingehen. In Abb. 5.17 sind die zugehörigen Rechnungs-Messungsvergleiche zwischen den gemessenen und den vom Takagi-Sugeno-System berechneten Motorverstellparametern Frischluftmasse (x1 ), Einspritzbeginn (x2 ) und Ladedruck (x3 ) dargestellt. Im Gegensatz zur obigen Vorgehensweise werden in diesem Beispiel die kompletten Hyperräume in den jeweiligen Motorbetriebspunkten untersucht, d.h., dass zum Rechnungs-Messungsvergleich die lokalen Polynomparameter in der Ausgangsstruktur des Takagi-Sugeno-Systems jeweils an die Teilräume adaptiert werden42 , in denen die gemessenen Verstellparameterkombinationen räumlich angeordnet sind43 . Auch hier kann die gute Abbildungsqualität des reziproken Motorverhaltens bestätigt werden. 40 Dieser Vorgang entspricht der Evaluierung des umgesetzten Prozessverhaltens im OnlineOptimierungsprozess am Motorprüfstand. 41 D.h. es wurden drei Wissensbasen identifiziert, angewendet und validiert. 42 siehe Beipiel auf Seite 85 43 Anm.: Es kann immer nur ein Parametersatz adaptiert werden. 88 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Abb. 5.14: Validierung der lokalen Wissensbasis 1 am Motormodell: räumliche Eingrenzung der normierten Motorverstellparameter (oben), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Motorverstellparametern (mittig), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Zielgrößen (unten) 5.3. ERSTELLUNG DER WISSENSBASIS 89 Abb. 5.15: Validierung der lokalen Wissensbasis 6 am Motormodell: räumliche Eingrenzung der normierten Motorverstellparameter (oben), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Motorverstellparametern (mittig), Abgleich zwischen vorgegebenen und berechneten Zielgrößen (unten) 90 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Abb. 5.16: Validierung der Wissensbasis: Verlauf der Beriebspunktgrößen und der gemessenen Zielgrößen Abb. 5.17: Validierung der Wissensbasis: Rechnungs-Messungsvergleich zwischen gemessenen und berechneten Motorverstellparametern 5.4. WISSENSBASIERTE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 5.4 5.4.1 91 Wissensbasierte Betriebspunktoptimierung GRASP - Greedy Randomized Adaptive Search Procedure GRASP ist eine Metaheuristik44 , die Ende der 80er Jahre eingeführt wurde ([8]) und seitdem erfolgreich für kombinatorische Optimierungsprobleme eingesetzt wird45 . Die Methode stellt eine Erweiterung der Greedy-Konstruktionsheuristik46 dar und unterteilt den iterativen Suchprozess in zwei Phasen. In der Konstruktionsphase werden mehrere Greedy-Lösungen erzeugt und zielgerichtet randomisiert. Das Ablaufschema für die vorgesehene Randomisierte-Greedy-Heuristik ist im folgenden Pseudocode nach [36] dargestellt: procedure Randomisierte Greedy-Heuristik begin x ← leere Lösung while x ist keine vollständige Lösung do CL ← alle möglichen Lösungskomponenten zur Erweiterung von x bestimme vielversprechende Erweiterungen RCL ∈ CL; wähle eine Erweiterung e ∈ RCL zufällig; x←x⊕e end while end CL: Kandidatenliste RCL: Eingeschränkte Kandidatenliste Nach der Initialisierung, d.h. nach dem Start des Algorithmus mit einer leeren Lösung, werden zunächst alle möglichen Lösungskomponenten im Suchraum ermittelt und in der Kandidatenliste (CL) abgelegt. Die Lösungsfindung ist an das Optimierungsproblem bzw. an die entsprechende Bewertungsfunktion gekoppelt. Die Prozedurerweiterung zum GRASP besteht nun in der Randomisierung der GreedyLösungskomponenten. Es werden hierzu die vielversprechendsten Erweiterungen durch geeignete Vergleichsroutinen (z.B. durch die Wahl der kostengünstigsten Lösungskomponenten) in die eingeschränkte Kandidatenliste (RCL) aufgenommen. Anschließend wird aus RCL zufällig ein Wert ausgewählt und der Teillösung x angehängt. Die so generierten Lösungen dienen der nachfolgenden Verbesserungsphase als Startwerte für die einfache, lokale Suche. Die Optimierungsgüte ist im Vergleich zur lokalen Suche mit zufällig initialisierten Startwerten in der Regel deutlich besser. 44 Metaheuristik ist ein Algorithmus zur approximativen Lösung eines kombinatorischen Optimierungsproblems. Sie bescheibt abstrakt die Lösungsschritte für beliebige Problemstellungen. 45 z.B. Scheduling von Prozessen, Rucksackproblem, Problem des Handlungsreisenden (engl. Traveling Salesman Problem) 46 Konstruktionsheuristiken sind einfach aufgebaut und an das jeweilige Optimierungsproblem angepasst. Sie gewährleisten als eigenständige Suchverfahren allerdings keine optimale Lösungen. 92 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Die Verbesserungsheuristik beschränkt sich bei der Suche auf die Nachbarschaften der Lösungsvorschläge. Diese beeinflussen den Optimierungsverlauf maßgeblich und sind entsprechend geeignet vorzugeben. Der folgende Pseudocode zeigt den Algoritmus zur einfachen, lokalen Suche: procedure Lokale Suche begin x ← Initialisierung repeat wähle ein x ∈ N (x); ˜ if f (˜) ≤ f (x) then x x←x ˜ end if until Abbruchbedinung ist erfüllt; end N (x): Nachbarschaft von x Die Auswahl von x kann durch ˜ • die zufällige Auswahl einer Lösung in der Nachbarschaft (Random Neighbor ) • die Durchsuchung der Nachbarschaft in fester Reihenfolge und die Ermittlung der erstbesten Nachbarlösung (Next Improvement) • durch die vollständige Durchsuchung der Nachbarschaft und die Ermittlung der besten Nachbarlösung (Best Improvement) erfolgen [36]. 5.4.2 Wissensbasierte Suche Die heuristischen Suchverfahren47 sind als Stand-alone-Verfahren im Allgemeinen wegen ihres hohen Iterationsbedarfs für die Online-Optimierung des motorischen Gesamtprozesses nicht einsetzbar. Sie eignen sich aber als methodische Verfahren für den in Abschn. 5.3.2 vorgestellten wissensbasierten Ansatz, um das angelernte Wissen gemäß Abb. 5.8 zur Lösung des Optimierungsproblems systematisch anzuwenden. Die in Form eines hybriden Suchverfahrens zur Anwendung kommende Optimierungsstrategie lehnt sich daher an den GRASP-Algorithmus an. Die entscheidende Modifikation besteht darin, den mehrdimensionalen Suchraum mittels der adaptierten Wissensbasis zu repräsentieren und damit effizient für die Optimierung einzugrenzen. Der große Vorteil ist, dass der Optimierungspfad im Such- bzw. Hyperraum wissensbasiert, d.h. durch die gezielte Abfrage der Wissensbasis, vorgegeben werden kann. Der Umfang der Suchabfragen wird dadurch stark reduziert, 47 Dazu gehören die Genetischen Algorithmen, Simulated Annealing, etc. 5.4. WISSENSBASIERTE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 93 welches ein notwendiges Kriterium für die Online-Optimierung ist. Der nachfolgende Pseudocode stellt die verallgemeinerte Prozedur der wissensbasierten Suche dar. procedure Wissensbasierte Suche begin x ← Initialisierung while x ist keine vollständige Lösung do % Modell: CL ← alle möglichen wissensbasierten Lösungskomponenten in N(x) zur Erweiterung von x; zufällige Auswahl der möglichen Erweiterungen RCL ∈ CL; wähle die beste(n) Erweiterung(en) e ∈ RCL; % Online: repeat wähle ein x ∈ e; ˜ if f (˜) ≤ f (x) then x x←x ˜ end if until Abarbeitung von e beendet; Aktualisierung des Motormodells; Aktualisierung der Wissensbasis; end while end CL: Kandidatenliste RCL: Eingeschränkte Kandidatenliste N (x): Nachbarschaft von x Ausgehend von der Initialisierung der Lösungskomponente x werden zyklisch alle möglichen wissensbasierten Lösungsvorschläge48 in der Nachbarschaft N(x) bestimmt und in die Kandidatenliste CL eingetragen. Die Selektion der potenziellen Lösungskandidaten erfolgt durch die vollständige Nachbarschaftssuche. Die Nachbarschaft muss dabei groß genug gewählt werden, um lokale Optima weitestgehend zu vermeiden. Im nächstfolgenden Konstruktionsschritt wird die eingeschränkte Liste RCL durch die zufällige Zusammenstellung einer begrenzten Kandidatenmenge gebildet und anhand skalarer Zielfunktionen modellbasiert bewertet. Der Bestwert bzw. die Bestwerte werden anschließend online durch Messungen verifiziert, erneut 48 Die Bestimmung aller möglichen Punkte ist an die gewählte Schrittweite innerhalb der Nachbarschaft gebunden. 94 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB bewertet und bei Unterschreiten der aktuellen Bestwerte f (x) als Lösungskomponente festgelegt. Die vermessenen Optimierungspunkte dienen im letzten Zyklusschritt der Aktualisierung des Motormodells und der Wissensbasis. Der zyklische Optimierungsdurchlauf wird solange wiederholt, bis die Abbruchbedingung erfüllt ist. 5.4.3 Bewertung anhand skalarer Zielfunktionen Für die Bewertung der wissensbasierten Suche werden vier verschiedene Skalarisierungsverfahren herangezogen - die gewichtete Summe, die -constraint-Methode, die Referenzpunktmethode und das Goal-Attainment-Verfahren 49 . Um unter den skalaren Zielfunktionen vergleichbare Bewertungsmuster zu ermöglichen und eine gezieltere Beeinflussung des Konvergenzverlaufs durch Wichtung der Zielgrößen vorzunehmen, wird die Referenzpunktmethode um die erforderlichen Wichtungsfaktoren entsprechend 1 r m zi0 − fi (x) · wi ZFRef erenzpunkt = r (5.11) i=1 ZFRef erenzpunkt : skalare Zielfunktion nach der Referenzpunktmethode wi : Wichtungsfaktor ergänzt. Bei der -constraint-Methode ist eine direkte Integration der Wichtungsfaktoren nicht möglich. Hier werden die mit der größten Wichtung vorgesehene Zielgröße als zu minimierende Zielfunktion definiert und die restlichen, beschränkten Zielgrößen in Nebenbedingungen zusammengefasst50 . Durch die systematische Variation der Grenzen werden alle möglichen pareto-optimalen Lösungen bestimmt und aufgelistet. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden nachträglich mittels der gewichteten Summe für die wissensbasierte Suche verwertbar gemacht51 . Die Skalarisierungsverfahren dienen in der modellbasierten Bewertungsphase der Bestwertermittlung und aufgrund ihrer prinzipbedingten Unterschiede der Bereitstellung verschiedener Ausgangslösungen für die Online-Umsetzung. Die OnlinePhase beurteilt die in dem aktuellen Optimierungsschritt erzielte Optimierungsgüte mittels der prozentualen Entwicklung52 der skalaren Zielfunktionen gemäß (j) (j) GFi (x) 49 = Fi (x) (j−1) −1 · 100% (5.12) Fbest (x) Siehe Definitionen in Abschn. 2.4.2 Besitzen mehrere Zielgrößen dieselbe maximale Wichtung, so wird für jede gleichgewichtete Zielgröße jeweils eine Zielfunktion aufgestellt. 51 Die systematische Variation der Grenzen ist nur in der modellbasierten Bewertungsphase möglich, da hier sehr viele Lösungsvorschläge zur Evaluierung bereitstehen. Bei der Online-Auswertung entspricht das Ergebnis der gewichteten Summe 52 Damit wird ein gradueller Vergleich der skalaren Zielfunktionen ermöglicht. 50 5.4. WISSENSBASIERTE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 95 GF (x): Gütefunktion F (x): skalare Zielfunktion i: Iteration; j: Zyklus (j) Die Konvergenz-Bedingung ist, dass mindestens ein Gütefunktionswert GFi (x) < 0% ist. Werden mit mehreren Ausgangslösungen Bestwerte erzielt, so wird der größte Verbesserungsgrad bzw. der kleinste Gütefunktionswert nach Gl. (5.12) den Ausschlag für den Fortsetzungspunkt im Optimierungszyklus geben. Hierdurch wird die Konvergenzgeschwindigkeit stärker berücksichtigt. 5.4.4 Optimierungsablauf Im ersten Initialisierungsschritt des Optimierungsdurchlaufs oder nach jeder erfolgreich abgeschlossenen Iteration werden die resultierenden Zielgrößen als Zielvorgaben übernommen und zwecks Erstellung von Lösungsvorschlägen durch Varianzpunkte innerhalb einer definierten Varianzwolke erweitert (Abb. 5.18 links). Wegen Varianzpunkt Varianzpunkt Zielvorgabe Varianzpunkte nicht verwendeter Varianzpunkt Zielvorgabe Varianzumgebung + Zielgrößenbereich von lokaler Wissensbasis 1 Varianzumgebung + Zielvorgabe 2 Zielvorgabe 2 Zielgrößenbereich von lokaler Wissensbasis 2 Zielvorgabe 1 Zielvorgabe 1 Abb. 5.18: Erstellung von Varianzpunkten um die Zielvorgaben (links), Ermittlung der Gültigkeitsbereiche für die jeweiligen lokalen Wissensbasen (rechts) der eingeschränkten Gültigkeitsbereiche der lokalen Wissensbasen53 schließt sich die Überprüfung der beteiligten Zielgrößenbereiche der lokalen Wissensbasen an, um zu 53 Siehe Abschn. 5.3.3 auf Seite 86 96 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB große Modellfehler durch Modellextrapolationen und damit ineffektive Suchabfragen zu vermeiden (Abb. 5.18 rechts). Die Bestimmung der Nachbarschaftsumgebung im nächstfolgenden Konstruktionsschritt geht von der jeweiligen Verstellparameterkombination aus und begrenzt den Hyperraum durch Bildung eines angepassten Abstandsvektors. Abb. 5.19 (links) zeigt das Prinzip der Nachbarschaftseingrenzung am Beispiel eines zweidimensionalen Verstellparameterbereichs. Die von der Wissensbasis bereitgestellten Lösungs- Verstellparameterpunkte außerhalb der Nachbarschaft Varianzpunkte Teilbereichsgrenzen Verstellparameter 2 Teilbereich 3 Verstellparameterpunkt Verstellparameterpunkte innerhalb der Nachbarschaft Zielvorgabe Nachbarschaft Nachbarschaft + Varianzumgebung Teilbereichsgrenzen Teilbereich 4 Teilbereich 1 Verstellparameter 2 + Teilbereich 2 Verstellparameter 1 Verstellparameter 1 Abb. 5.19: Bestimmmung der Nachbarschaft (linkes Bild) und Eingrenzung der aus der Varianzwolke resultierenden Lösungsvorschläge vorschläge werden auf die spezifizierte Nachbarschaft beschränkt (Abb. 5.19, rechts). Aus der verbliebenen Kandidatenmenge wird ein bestimmter Anteil zufällig entnommen und zur Modellevaluierung mittels der skalaren Zielfunktionen herangezogen. Es werden immer so viele Varianzpunkte (Zielvorgaben) erzeugt, dass die umsetzbare Kandidatenmenge einen Mindestumfang von 300 Kandidaten (Verstellparamterkombinationen) nie unterschreitet. Die Abfrage der Zielvorgaben am Motormodell, d.h. die Simulation des vorgegebenen Motorverhaltens in Abhängigkeit der ausgewählten Kandidaten, ist kontrollbedingt notwendig, da etwaige grobe Vorhersageungenauigkeiten der Wissensbasis vom Motormodell abgefangen und durch Eliminierung der entsprechenden Kandidaten von der Prozessevaluierung ausge- 5.4. WISSENSBASIERTE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 97 schlossen werden müssen54 . Des Weiteren werden Grenzwertverletzungen frühzeitig detektiert und für die Bestwertermittlung nicht mehr in Betracht gezogen. Falls der Mindestumfang infolge der Kandidateneliminierung nicht mehr eingehalten werden kann, wird die Wissensbasis wiederholt mit veränderter Varianz und Schrittweite entsprechend Abb. 5.18 abgefragt. In Abb. 5.20 sind beispielhaft die modellbasierte Bestwertwertermittlung (links) und die entsprechende Online-Verifizierung dargestellt, bei der die neue Zielvorgabe für den nächsten Optimierungsschritt dem Bestwert entspricht. optimale Zielgrößenkombination optimale Zielgröße Zielgröße nach wissens- und modellbasierter Abfrage + alte Zielvorgabe Zielgröße 2 (Modell) Zielgröße 2 (Messung) neue Zielvorgabe Zielgröße 1 (Modell) Zielgröße 1 (Messung) Abb. 5.20: Modellbasierte Bestwertermittlung und Online-Evaluierung am Motorprüfstand Werden im aktuellen Optimierungsschritt keine Verbesserungen hinsichtlich der Bewertungsfunktion erzielt, so müssen die Kriterien aufgeweicht und abhängig vom Optimierungsverlauf korrigiert werden. Dies ermöglicht eine Änderung der Suchtrajektorie im Hyperraum und damit neue potenziell konvergierende Lösungsvorschlage55 . Nach dem ersten (erfolglosen) Optimierungsschritt wird die Zielvorgabe vektoriell um einen definierten Betrag angepasst (Abb. 5.21). Wurde bereits eine Optimierungsiteration erfolgreich abgearbeitet, so werden die Rückzugspunkte aus Effizienzgründen in Richtung des letzten (erfolgreichen) Optimierungspunktes ausgelegt. 54 Diese werden durch Extrapolationen weit über die Modellgrenzen hinaus erkannt. Optional kann eine Vergrößerung der Nachbarschaft vorgenommen werden, um eine breitere Suche im Hyperraum zu gewährleisten. 55 98 5 WISSENSBILDUNG FÜR DEN STATIONÄREN MOTORBETRIEB Zielvorgabe 2 Zielvorgabe im 2. Optimierungsschritt (1) (2) angepasste Zielvorgabe nach dem 1. Optimierungsschritt (3) angepasste Zielvorgaben nach dem 2. Optimierungsschritt (4) Zielvorgabe im 1. Optimierungsschritt Zielvorgabe 1 Abb. 5.21: Zielvorgabenanpassung bei nicht konvergierendem Optimierungsverhalten: Anpassung der Zielvorgabe nach der ersten Optimierungsiteration durch vektorielle Anhebung und Korrektur der zweiten Zielvorgabe in Richtung der letzten (erfolgreich) abgearbeiteten Optimierungsiteration. 99 6 Applikation eines aufgeladenen Common-Rail-Dieselmotors 6.1 Versuchsplanung Spezifikation des Optimierungssystems Tab. 6.1 fasst das in dieser Arbeit spezifizierte Optimierungssystem zusammen. Die Eingänge werden durch die signifikanten Motorverstellparameter des aufgeladenen Common-Rail-Dieselmotors (siehe Spezifikation des Versuchsmotors in Tab. 3.1) beschrieben. Als Zielgrößen bzw. Ausgänge des Optimierungssystems werden die im dieselmotorischen Betrieb dominierenden Konfliktgrößen Stickoxid- und Partikelemission sowie der spezifische Kraftstoffverbrauch festgelegt. Optimierungssystem Voreinspritzmenge V EM Ansteuerbeginn Voreinspritzung ABV E Ansteuerbeginn Haupteinspritzung ABHE Raildruck pRail Ladedruck pL Frischluftmasse mL Stickoxidemission N Ox Partikelemission PM Spez. Kraftstoffverbrauch be x1 x2 x3 x4 x5 x6 y1 y2 y3 Tab. 6.1: Spezifikation des Optimierungssystems Screening des globalen Motorbetriebsbereichs Das Screening liefert die notwendigen globalen Versuchsraumgrenzen für die auf dem Takagi-Sugeno-System basierende Versuchsplanung. In Tab. 6.2 sind die ausgewählten Eckpunkte des globalen Motorbetriebsbereichs zur Ermittlung der äußeren Parametergrenzen nach der in Abschn. 5.2 vorgestellten Methode dargestellt. Die untere Lastgrenze ergibt sich - ausgehend von manuell eingestellten stabilen 100 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Nr. Drehzahl n in min−1 1 1200 2 1200 3 3600 4 3600 Einspritzmenge mB in mm3 /Hub 9,0 44,0 11,5 44,0 Tab. 6.2: Stationäre Motorbetriebspunkte zum Screening der globalen Bereichsgrenzen Motorbetriebspunkten - aus dem erforderlichen Aufwand zur Überwindung der approximierten Reibleistung. Die aus den Screening-Versuchen resultierenden globalen Versuchsraumgrenzen sind in Tab. 6.3 zusammengefasst. In jedem Screening-Punkt werden die lokalen minimalen und maximalen Grenzen automatisch ermittelt. Im Hinblick auf die globale Versuchsraumabdeckung ist die Screening-Down-Phase in den Motorbetriebspunkten der untersten Lastreihe, die Screening-Up-Phase in den Motorbetriebspunkten der obersten Lastreihe von Bedeutung. Die lokalen InformaSystemparameter n mB V EM ABV E ABHE pRail pL mL Einheit min−1 mm3 /Hub mm3 /Hub ◦ KW v.OT ◦ KW v.OT hP a hP a mg/Hub min max 1200 3600 9 44 0 4 13.99 40 -4.01 18.03 289812 1302000 951 1708 309 772 Tab. 6.3: Globale Grenzen des Motorbetriebsbereichs aus den Screening-Versuchen tionen werden aber noch zusätzlich genutzt, um den Takagi-Sugeno-Versuchsplan an die lokalen Beschränkungen anzupassen. Dadurch kann die Kennfeldvermessung, die automatische Versuchsraumadaptionen vorsieht, insbesondere in kritischen Motorbetriebspunkten vor übermäßigen Eingriffen wegen auftretender Grenzwertverletzungen entlastet und damit effektiver gestaltet werden. Zur Veranschaulichung dieser Problematik dient das Ergebnis der Screening-Down-Phase im Motorbetriebspunkt n = 3600 min−1 , mB = 44, 0 mm3 /Hub in Tab. 6.4. Bei dem Versuch, die untere Grenze des Raildrucks bei Konstanthaltung der restlichen Motorverstellparameter zu bestimmen1 , reagierte die Screening-Routine auf zu hohe Temperaturen vor der Turbine des Abgasturboladers T3 . Abb. 6.1 stellt den gemessenen Zusammenhang zwischen Abgastemperatur und Raildruck in diesem Motorbetriebspunkt dar. Die steigende Abgastemperatur bei sinkendem Raildruck ist die Folge des schlechter zerstäubten Kraftstoffs und der dadurch verlängerten Brenndauer, die in einen geringeren Motorwirkungsgrad bzw. höheren spez. Kraftstoffverbrauch 1 Vgl. Screening-Routine in Abschn. 5.2.1 6.1. VERSUCHSPLANUNG 101 resultiert. Systemparameter V EM ABV E ABHE pRail pL mL Einheit mm3 /Hub ◦ KW v.OT ◦ KW v.OT hP a hP a mg/Hub min 1.0 38.0 17.5 884000 1515 692 Tab. 6.4: Screening-Down für n = 3600 min−1 und mB = 44, 0 mm3 /Hub Abb. 6.1: Abgastemperatur vor Turbine in Abhängigkeit vom Raildruck Versuchsplanung Für die Kennfeldvermessung wird ein (4x4)-Raster aufgespannt, das den Motordrehzahlbereich zwischen 1200 min−1 und 3600 min−1 und den Einspritzmengenbereich zwischen 9 mm3 /Hub und 44 mm3 /Hub nahezu äquidistant aufteilt2 . Diese Betriebspunktvorgaben werden in der Takagi-Sugeno-Versuchsplanung durch die entsprechende Konfiguration der Bereichsabstufungen zur Minimierung der Varianz/Kovarianzmatrizen berücksichtigt3 . Basierend auf den Ergebnissen der vorgestellten Designvarianten wird für das vorliegende 8-dimensionale Eingangsproblem das TS-Design 1 mit der in Tab. 6.5 dargestellten Konfiguration vorgesehen. Der Ver2 Wegen des unterschiedlichen minimalen Lastniveaus ist die Rasterung des (n, mB )-Kennfeldes nicht vollständig äquidistant. 3 Siehe Abschn. 5.1.3 102 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS TS-Design 1 b [33112211] m 8 k 0 Punkte 316 Tab. 6.5: Versuchsplanung zur Kennfeldvermessung: Konfiguration des Versuchsplans nach Gl. (5.2) suchsplan besteht aus 316 Designpunkten. Zusätzlich werden dem Versuchsplan 16 Designpunkte hinzugefügt, die als stabile Ausgangspunkte in den festgelegten Motorbetriebspunkten dienen. Damit ist gewährleistet, dass im Falle auftretender Grenzwertverletzungen zu Beginn der Vermessung eine Rückzugsmöglichkeit in Richtung der stabilen Motorbetriebspunkte gegeben ist. Des Weiteren wird für Validierungszwecke4 ein Versuchsplan nach der Latin-Hypercube-Sampling-Methode 5 erstellt. Dieser besteht aus 69 Designpunkten, welche nach statistischen Kriterien gleichverteilt im 8-dimensionalen Eingangsraum angeordnet sind und somit 69 unterschiedliche Motorbetriebspunkte beschreiben. Abb. 6.2 zeigt die ausgewählten bzw. berechneten Motorbetriebspunkte beider Versuchspläne. Abb. 6.2: Vermessungskennfeld: ausgewähltes Kennfeldraster des Takagi-SugenoVersuchsplans und berechnete LHS-Motorbetriebspunkte 4 Die Validierung des aus der Versuchsplanung und -durchführung hervorgehenden Motormodells erfordert zusätzliche Generalisierungsdaten, um die Modellgüte beurteilen zu können. 5 Latin Hypercube Sampling - LHS, siehe Seite 32 6.1. VERSUCHSPLANUNG 103 Versuchsdurchführung Bei der Kennfeldvermessung treten in insgesamt 28 Designpunkten des TS-Versuchsplans (inklusive der Motordrehzahl und der Last) Verletzungen der festgelegten Grenzwerte bezüglich Motordrehmoment, Zylinderspitzendruck, Abgastemperatur und Luftverhältnis auf, die den Eingriff der automatischen Verstellstrategie6 zur iterativen Anpassung an die lokalen Versuchsraumbeschränkungen notwendig machen. In Abb. 6.3 sind die Art und die Anzahl der aufgetretenen Grenzwertverletzungen in den jeweiligen Motorbetriebspunkten dargestellt. Hierbei macht die Ver- 12 Anzahl Grenzwertverletzungen 10 Abgastemperatur 8 Motordrehmoment 6 Zylinderspitzendruck 4 Luft- 2 verhältnis 0 n [min-1] m B [mm³/Hub] BP 1 1200 20.3 BP 2 1200 44 BP 3 2000 9.5 BP 4 2000 20.3 BP 5 2800 11.5 BP 6 3600 11.5 BP 7 3600 20.3 BP 8 3600 44 Abb. 6.3: Automatische Vermessung: Art und Anzahl der Grenzwertverletzungen in den Motorbetriebspunkten des Takagi-Sugeno-Versuchsplans letzung des weichen Kriteriums zum Motordrehmoment, d.h. die Unterschreitung der Minimalgrenze, aufgrund der sehr klein gewählten untersten Lasten im Motorbetriebsbereich den Hauptanteil aus. Wie erwartet treten die Verletzungen der harten Kriterien - insbesondere die Überschreitung der Abgastemperatur-Grenze in den obersten Lastpunkten des Motorkennfeldes auf. Die Anzahl der Vektorverstellungen nach der Detektion einer Grenzwertverletzung variiert prinzipbedingt in Abhängigkeit von der Einstellung des zuletzt angefahrenen stabilen Versuchspunktes. Die Verweilzeiten in diesen Betriebsbereichen sind stark verkürzt, so dass die (dynamischen) Motordaten nicht als Grundlage zur stationären Modellierung, sondern nur der Kennzeichnung nicht fahrbarer Motorbetriebszustände dienen. Grund6 Siehe Abschn. 5.2.2 104 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS sätzlich wird zu jedem Designpunkt eine Zwischenspeicherung durchgeführt, um die Versuchsdurchführung im Hinblick auf die Fahrbarkeit zu protokollieren7 . Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Versuchspunktes liegt schätzungsweise bei 2.4 min. Das repräsentative Ergebnis der lokalen Versuchsraumadaption wird am Beispiel der Grenzwertverletzung im Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub veranschaulicht. Abb. 6.4 zeigt die Arbeitsweise der Vektorverstellung anhand des 6-dimensionalen Achsendiagramms, dessen Achsen vom Ursprung ausgehend sternförmig verlaufen und die Verstellparameterbereiche zwischen zwei Designpunkten markieren8 . Die Polygonzüge kennzeichnen hierbei eine Verstellparameterkombination. Mit dem im Versuchsplan vorgesehenen Designpunkt VP B kann die Reibleistung nicht überwunden werden, das Motordrehmoment ist folglich negativ. Die Verstellstrategie schreitet ein und geht in Richtung des letzten stabilen Designpunktes (VP A) mit der vektoriell halbierten Schrittweite zurück. Da der Rückwärtsschritt stabil ist, wird der lokale Versuchsraum im darauf folgenden Vorwärtsschritt wieder erweitert und im verletzungsfreien Betriebszustand so an die Versuchsraumgrenzen angepasst (Ersatzpunkt)9 . Tab. 6.6 zeigt den zur Abb. 6.4 korrespondierenden Übergang von Designpunkt VP A zu Designpunkt VP B und stellt diese den vermessenen Verstellparameterkombinationen gegenüber. Hier sind im Bereich der Frischluftmasse und des Ladedrucks deutliche Abweichungen zu erkennen. Diese Zusammenhänge ergeben sich aus der Betriebspunktcharakteristik und müssen bei der Optimierung durch Ausschluss der nicht fahrbaren Verstellparameterbereiche berücksichtigt werden. Abb. 6.5 zeigt die auftretende Diskrepanz zwischen der Soll- und der Ist-Kombination des ermittelten Ersatzpunktes. Nr. A Soll A Ist B Soll B Ist V EM 2.0 2.0 0 0.3 mm3 /Hub ABV E 14.0 13.99 14.0 14.0 ◦ KW v. OT ABHE 7.0 7.01 -4.0 -4.0 ◦ KW v. OT pRail 795000 795867 290000 289975 hP a pL mL 1800 545 1053 512 1000 780 1003 491 hP a mg/Hub Tab. 6.6: Versuchspunktwechsel mit Grenzwertverletzung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub 7 Neben den Verletzungspunkten werden auch jene Designpunkte als nicht fahrbar deklariert, welche sehr große Abweichungen zwischen den Vorgaben und den tatsächlich einstellbaren Verstellparameterkombinationen nach sich ziehen. 8 Die Wertebereiche der Parameter sind der Darstellbarkeit wegen normiert. 9 In diesem Fall bricht die Verstellstrategie zugunsten einer schnellen Kennfeldvermessung ab. 6.1. VERSUCHSPLANUNG 105 Voreinspritzmenge 1 0,5 Ansteuerbeginn Voreinspritzung Frischluftmasse 0 VP A (Startpunkt) VP B (Endpunkt) Rückschritt Vorschritt (Ersatzpunkt) Ansteuerbeginn Haupteinspritzung Ladedruck Raildruck Abb. 6.4: Arbeitsweise der Verstellstrategie: Grenzwertverletzung im Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub Voreinspritzmenge 1 0,5 Ansteuerbeginn Voreinspritzung Frischluftmasse Ersatz VP B Soll 0 Ersatz VP B Ist Ansteuerbeginn Haupteinspritzung Ladedruck Raildruck Abb. 6.5: Soll-Ist-Vergleich für gefundenen Ersatzpunkt im Motorbetriebspunkt n = 2000 min−1 und mB = 20.3 mm3 /Hub 106 6.2 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Modellbildung Zur Modellbildung werden neben den Zielgrößen Stickoxid-Emission N Ox , Schwärzungszahl SZ und spezifischer Kraftstoffverbrauch be auch die Grenzwertgrößen Motordrehmoment M , Abgastemperatur TAbgas und Zylinderspitzendruck pzyl,max ausgewählt, welche als wichtige Nebenbedingungen in die Optimierungsalgorithmik einbezogen werden. Es ist zu beachten, dass der komplette Motorbetriebsbereich durch ein einziges, globales Motormodell abzudecken ist. Das Modell muss die großen Parameterbereiche gut verarbeiten und die lokalen Ausprägungen, auch zwischen den Stützstellenpunkten10 , tendenziell gut abbilden können. Abb. 6.6 zeigt die auf der TS-Versuchsplanung basierenden und am hochdynamischen Motorprüfstand umgesetzten Designpunkte für den spezifizierten Versuchsmotor. Die Motorbetriebsgrößen und die definierten Motorverstellparameter gehen als Eingangsgrößen in die Erstellung des globalen Motormodells ein. Wie erwartet zeigt sich, dass der Ladedruck und die Frischluftmasse nur begrenzt im Motorbetriebsbereich frei einstellbar sind. Diese Grenzen müssen bei der Optimierung weitestgehend eingehalten werden, um zu große Modellfehler durch Extrapolationen zu vermeiden. In Abb. 6.7 sind die Designpunkte aus der Generalisierungsmessung auf Grundlage des Latin-Hypercube-Sampling-Plans zu sehen. Die statistisch verteilten Generalisierungsmessungen erstrecken sich über den gesamten Motorbetriebsbereich und eignen sich daher besonders zur Evaluierung des globalen Motormodells zwischen den Stützstellenpunkten. Für die Modellerstellung werden mehrere Strukturvarianten des Takagi-Sugeno-Systems untersucht. Diese unterscheiden sich in der Anzahl der Eingangspartitionen pro Modelleingang und damit in der Gesamtanzahl der Fuzzy-Regeln und der daraus resultierenden Anzahl der Polynomfunktionen in der Ausgangsschicht. Die Modellidentifikation erfolgt mittels der in Abschn. 4.1.2 vorgestellten gewichteten Least-Square-Regression (WLS-Regression). Abb. 6.8 stellt das Ergebnis von Modellbildung und Modellvalidierung anhand der mittleren Modellfehler11 für fünf verschiedene Modellordnungen des Takagi-Sugeno-Systems dar. Erwartungsgemäß verbessert sich das Trainingsergebnis mit zunehmender Modellordnung. Eine Überanpassung kann für die untersuchten Strukturen aber trotz der größer werdenden Differenz zwischen den Trainings- und den Validierungsfehlern nicht festgestellt werden. Das beste Resultat wird mit 864 Fuzzy-Regeln (TS 4) erzielt. Abb. 6.9 und Abb. 6.10 zeigen die entsprechenden Rechnungs-Messungsvergleiche der Ziel- und Limitgrößen für die zugrunde liegenden Trainings- und Generalisierungsdaten. Man erkennt die im Mittel guten Interpolationseigenschaften der Modelle über den gesamten Motorbetriebsbereich. Die Approximationsgüte der globalen Motormodelle ist in den Stützstellenpunkten naturgemäß aufgrund der höheren Informationsdichte durch die Quasi-Rasterung wesentlich höher. 10 Als Stützstellenpunkte werden die Motorbetriebspunkte bezeichnet, die im Motorkennfeld rasterförmig angelegt, vermessen und zur Modellbildung herangezogen werden. 11 Der mittlere Modellfehler bestimmt sich aus den Fehlern der modellierten Ziel- und Limitgrößen. 6.2. MODELLBILDUNG 107 Abb. 6.6: TS-Kennfeldvermessung in den Stützstellenpunkten: Eingangsdaten zur Modellbildung 108 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Abb. 6.7: Generalisierungsmessung zwischen den Stützstellenpunkten (Latin Hypercube Sampling): Eingangsdaten zur Modellvalidierung 6.2. MODELLBILDUNG 109 18 Mittlerer Modellfehler ε in % 16 14 13,62 13,48 12,5 10 12,35 12,32 12 10,28 Training Validierung 9,24 8 6,27 6 5,45 4,06 4 2 0 TS 1 128 Regeln TS 2 256 Regeln TS 3 576 Regeln TS 4 864 Regeln TS 5 1296 Regeln Abb. 6.8: Vergleich der Trainings- und Validierungsergebnisse für fünf verschiedene Modellordnungen des Takagi-Sugeno-Systems Wegen des reduzierten Messumfangs und der Stützstellenunabhängigkeit ist das globale Motormodell in der Basis-Kennfeldapplikation auch immer den Betriebspunktmodellen vorzuziehen [14]. Um die Qualität des globalen Motormodells noch zusätzlich zu beurteilen, werden ergänzend fünf weitere Modellarten untersucht und vergleichend gegenübergestellt: • Sugeno-Inferenz-System Die Eingangsschicht des Sugeno-Inferenz-Systems besteht aus jeweils zwei Gaussfunktionen, die zunächst äquidistant in den Eingangsbereichen verteilt sind. Die Regelbasis baut sich in Abhängigkeit der gewählten Eingangsschicht vollfaktoriell auf. Die Singletons in der Ausgangsschicht werden jeweils einer Regel zugeordnet. Die Anpassung der freien Parameter des Sugeno-Systems erfolgt auf Basis der Delta-Lernregel (Windrow-Hoff-Regel). Hierbei werden nach dem Backpropagation-Prinzip zuerst die Parameter in der Ausgangsschicht, dann die Zentren der Gaussfunktionen durch Minimierung der Gütefunktion12 iterativ an den Trainingsdatensatz angepasst. Insgesamt ergeben sich für jeden Modellausgang 272 Koeffizienten, die auf Grundlage des Trainingsdatensatzes adaptiert werden. Die Bedingung zur Lösung des nichtlineares Gleichungssystems ist somit erfüllt. 12 Quadratischer Fehler 110 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Abb. 6.9: TS-Kennfeldvermessung in den Stützstellenpunkten: Rechnungs-Messungsvergleiche 6.2. MODELLBILDUNG 111 Abb. 6.10: Generalisierungsmessung zwischen den Stützstellenpunkten (Latin Hypercube Sampling): Rechnungs-Messungsvergleiche 112 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS • DoE-Polynomfunktion Für die Modellerstellung wird der vollbesetze, kubische Modellansatz vorgesehen. Der Mindestumfang zur Bestimmung der freien Koeffizienten beträgt 165 Messpunkte. Zur Minimierung der Varianz-/Kovarianzmatrix gibt es zwei Kriterien - die Optimierung des Designs oder die Erhöhung des Versuchsumfangs. Letzeres wird durch den doppelten Umfang des auf dem Takagi-SugenoVersuchslan basierenden Trainingsdatensatzes erfüllt und rechtfertigt damit den formalen Einsatz des DoE-Modells. • Radial-Basis-Funktionen-Netz (RBF-Netz) Das verwendete Radial-Basis-Neuron besteht aus der Gaussfunktion, die den vektoriellen Abstand von der Modelleingangskombination zum definierten Zentrum der radial-symmetrischen Funktion beschreibt und durch die Applikation der Spreizung13 feinjustierbar ist. Die Ausgangsschicht wird durch die lineare Aktivierungsfunktion repräsentiert14 . Die freien Parameter sind die Gewichtungen und der Schwellwert. Die Anzahl der Neuronen in der verdeckten Schicht ist zur Vermeidung der Überanpassung auf 45 limitiert (Abbruchkriterium der Modellidentifikation). • Generalized Regression Neuronal Network (GRNN) Die Konfigurationsmöglichkeit ist auf die Einstellung der Spreizung begrenzt, da die Zentren der Gaussfunktionen mit den vermessenen Designpunkten und die Gewichtungen der Ausgangsschicht15 mit den vermessenen Ziel- und Limitgrößen besetzt werden. Die Spreizung wird klein gewählt (Spreizung = 0.25), um durch den schwachen Überlappungsgrad die Generalisierungsfähigkeit des Netzes zu verbessern. • Feedforward-Netz (FF-Netz) Das Feedforward-Netz besteht aus vier verdeckten Schichten mit jeweils 10 Neuronen und einer linearen Ausgangsschicht. Als Aktivierungsfunktion der verdeckten Schichten wird die hyperbolische Tangensfunktion16 ausgewählt. Für das Netztraining mittels Backpropagation-Algorithmus17 kommt statt der mittleren Summe der Fehlerquadrate die modifizierte Gütefunktion mit Berücksichtigung der mittleren Summe der Gewichtungs- und Schwellwertequadrate zum Einsatz (Gütefaktor γ = 0.9 ). Die Modellcharakteristika sind in Tab. 6.7 und Tab. 6.8 zusammengefasst. 13 Überlappungsgrad der Radial-Basis-Neuronen purelin(n) = n 15 Die lineare Augangsschicht des GRNN beinhaltet nur die Gewichtungen, die Schwellwerte entfallen. 2 16 −1 tansig(n) = (1 + e−2n ) 17 Levenberg-Marquardt-Algorithmus 14 6.2. MODELLBILDUNG 113 TakagiSugeno DoESugeno Polynom Partitionen Partitionen Kubischer Modell{Gauss} {Gauss} ansatz Anzahl je Eingang: Anzahl je Eingang: 3-3-2-2-3-2-2-2 2-2-2-2-2-2-2-2 165 freie Koeffizienten 864 Regeln 256 Regeln WLS-Regression Delta-Lernregel LS-Regression Tab. 6.7: Modellcharakteristika: Takagi-Sugeno-System, Sugeno-System und DoEPolynom Radial-BasisFunktionen-Netz 45-6-Netz {radbas,purelin} Spreizung: 7.5 LSRegression GRNN 347-6-Netz {radbas,purelin} Spreizung: 0.25 - FeedforwardNetz 10-10-10-10-6-Netz {tansig,tansig,tansig,tansig,purelin} Modifizierte Gütefunktion: Gütefaktor γ = 0.9 (Regularisierung) Levenberg-Marquardt-Alg. Tab. 6.8: Modellcharakteristika: Radial-Basis-Funktionen-Netz, Generalized Regression Neural Network (GRNN) und Feedforward-Netz Abb. 6.11 zeigt die Ergebnisse der Modellvalidierungen zwischen den Stützstellenpunkten. Es fällt auf, dass die Emissionen grundsätzlich am schwierigsten nachzubilden sind. Dabei sind große Unterschiede in der Abbildungsqualität erkennbar. Das Sugeno-Inferenz-System und das GRNN offenbaren ihre schlechte Generalisierungsfähigkeit, da die Anpassung der Modelle strukturell zu stark an die Trainingsdaten angelehnt ist. Auftretende Messungenauigkeiten werden demzufolge zu stark gewichtet, was sich insbesondere in sehr hohen Fehlerquoten bei den Zielgrößen Stickoxid-Emission und Schwärzungszahl niederschlägt. Ebenso verhält es sich mit der DoE-Polynomfunktion, die als globales Modell die lokalen Ausprägungen - trotz eines sehr guten Trainingsergebnisses - nur unzureichend abbilden kann. Beim Radial-Basis-Funktionen-Netz musste die Spreizung erhöht werden, um der begrenzten Anzahl der Neuronen Rechnung zu tragen und den notwendigen Überlappungsgrad der Radial-Basis-Funktionen zu gewährleisten. Die Validierung der approximierten Limitgrößen zeigen entsprechend gute Ergebnisse. Die besten Validierungsergebnisse liefern das Takagi-Sugeno-System und das FeedforwardNetz. Beim Feedforward-Netz sind aufgrund der Initialisierungsproblematik des Trainingsalgorithmus18 mehrere Iterationen zum Netztraining erforderlich, um lokale Optima bei der Minimierung der modifizierten Gütefunktion ausschließen zu 18 Die Startwerte der unbekannten Netzparameter wirken sich entscheidend auf den Optimierungsverlauf des Backpropagation-Algorithmus (Gradientenabstiegsregel) aus. 114 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS können. Die in der vergleichenden Gegenüberstellung zum Ausdruck kommende hohe Approximationsgüte des Takagi-Sugeno-Systems macht die Effizienz der angepassten, optimalen Versuchsplanung und damit den wirksamen Einsatz dieses Modelltyps für die Approximation des Motorverhaltens über den gesamten Motorbetriebsbereich deutlich. 70,00 65,00 60,00 55,00 Modellfehler ε in % 50,00 45,00 NOx SZ be 40,00 35,00 M TAbgas pzyl,max 30,00 25,00 20,00 15,00 10,00 5,00 0,00 Takagi-Sugeno Sugeno TS 4 DoEPolynom RBFNetz GRNN FFNetz Abb. 6.11: Validierung zwischen den Stützstellenpunkten (basierend auf dem LHS-Plan): Gegenüberstellung der globalen Motormodelle 6.3 6.3.1 Stationäre Betriebspunktoptimierung Evolutionäre Algorithmen Die Klasse der Evolutionären Algorithmen (EA) enthält weit verbreitete Verfahren zur Lösung nichtlinearer Optimierungsprobleme. Die Namensgebung erfolgt aufgrund ihrer Anlehnung an die Prinzipien der biologischen Evolution. Die Evolution ist in der Lage, Lebensformen und Organismen optimal an ihre Umwelt- und Lebensbedingungen anzupassen. Die Methoden Selektion, Rekombination und Mutation werden von den EA angewendet, um eine optimale Lösung eines Problems zu finden. Innerhalb der EA existieren weitere Unterklassen. Von besonderer Bedeutung für Optimierungen im technischen Bereich sind die Genetischen Algorithmen (GA). GA sind in der Lage, anhand heuristischer Vorgehensweisen Lösungen innerhalb des vollständigen Suchraums zu ermitteln. Vorab erfolgt eine kurze Einführung in die Bezeichnungen, die in der Erläuterung verwendet werden: 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 115 • Population P (t) Menge der Chromosomen (Individuen) einer Generation • Chromosom C Lösungsvektor • Gen Teil (Variable) des Lösungsvektors • Wahrscheinlichkeit für Übernahme in Folgegeneration pC „Überlebenswahrscheinlichkeit“ • Mutationswahrscheinlichkeit pM • Rekombinationswahrscheinlichkeit pR Der prinzipielle Ablauf eines Genetischen Algorithmus ist durch folgende Schritte gekennzeichnet: 1. Bildung einer Startpopulation mit Individuen, die zufällig aus dem Suchraum gewählt werden 2. Berechnung der Lösungsgüte (Fitness) 3. Selektion 4. Anwendung genetischer Operatoren zu Erzeugung von Nachkommen 5. Wiederholung von 2.-4., bis ein Abbruchkritierium erfüllt ist. Startpopulation Die Basis der GA-Iteration bildet die Startpopulation. Mit Population wird in der Biologie eine Gruppe von Individuen gleicher Art bezeichnet, die miteinander in Verbindung stehen und sich zumeist auf einem räumlich definierten Areal befinden. In den nachfolgenden Beschreibungen werden diese Individuen durch ihre Chromosomen abgebildet. Zur Bildung einer Startpopulation P (t) zum Zeitpunkt t werden nach dem Zufallsprinzip n Chromosomen ausgewählt. Qualitätsbewertung Im nächsten Schritt werden die Chromosomen der Startpopulation, d. h. die Lösungsvektoren, in die Zielfunktion eingesetzt. Anhand des Ergebnisses wird die Qualität des einzelnen Chromosoms bewertet. Das Maß für die Qualität wird in der Literatur auch als fitness 19 bezeichnet. Das Chromosom mit dem kleinsten Zielwert20 19 20 engl.: fit = angepasst Mit dem größten Zielwert, wenn es sich um ein Maximierungsproblem handelt. 116 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS f (C) erhält den höchsten Rang21 . Gleichzeitig wird ihm ein Fitness-Wert zugeteilt, z. B. 2. Die weiteren Chromosomen erhalten entsprechend ihrem Rang abgestufte Fitness-Werte, das Chromosom mit dem größten Zielwert erhält die Fitness 0. Je angepasster ein Chromosom ist, umso höher wird die Wahrscheinlichkeit pC , dass das Chromosom in die nachfolgende Generation t + 1 aufgenommen wird. pCi = f it(Ci ) n i=1 f it(Ci ) n pC ∈ [0; 1] pC = 1 (6.1) i=1 Aus der Menge der Startpopulation wird eine definierbare Anzahl Chromosomen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt (Selektion) und kopiert, vgl. Abb. 6.12. Auf diese Zwischenpopulation P ∗ (t) werden die genetischen Operatoren angewendet. Die entstandene Menge stellt die Nachkommen. Bei der Bildung der Folgepopulation werden zwei Möglichkeiten entschieden. Fitteste Nachkommen Eltern mit den besten Fitness-Werten (Anteil variabel) Kopie Genetische Operatoren Startpopulation P(t) Folgegeneration P(t+1) Iterations-Schleife Abb. 6.12: Prinzipskizze Genetische Algorithmen 1. Es werden aussschließlich die fittesten Nachkommen zur Bildung der Folgepopulation zugelassen. 2. Die Folgepopulation wird aus der Summe der fittesten Nachkommen und den fittesten Eltern gebildet. Um der Gefahr der Stagnation, d.h. vorzeitigen Konvergenz, vorzubeugen, kann eine Alterung implementiert werden [48]. Das bedeutet, dass ein Elternchromosom automatisch aus der Population entfernt wird, wenn es eine definierte Anzahl an Generationen beeinflusst hat. 21 Daher als rangbasierte Fitnesszuweisung bezeichnet. 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 117 Variante 2 wird häufiger angewendet, da dadurch eine größere Vielfalt in der Generation P (t + 1) erreicht wird. Hier wird wie im realen Leben der größtmögliche Erfolg erzielt, wenn die „Erfahrungen“ der Eltern und der Nachkommen kombiniert werden. Selektion Die Auswahl der Chromosomen für die weitere Verwendung unterschiedlicher Art wird mittels Selektion vorgenommen. Ob die Selektion eines Individuums stattfindet, wird direkt durch seine Überlebenswahrscheinlichkeit pC bestimmt. Zwei Selektionsverfahren werden kurz erläutert. Zur Veranschaulichung der einfachen Glücksrad-Selektion 22 stellt man sich einen Kreis, das Glücksrad, vor. Der Kreis beschreibt den Wertebereich der Überlebenswahrscheinlichkeit nach Gl. (6.1). Je nach der berechneten Überlebenswahrscheinlichkeit pC erhält jedes Chromosom eine anteilige Fläche des Kreises, vgl. Abb. 6.13 (links). Zur Auswahl von k Chromosomen wird k-mal eine Zufallszahl α ∈ [0; 1] innerhalb des Wertebereichs gebildet, der Zeiger wird „gedreht“. Es wird das Chromosom ausgewählt, in dessen Wertebereich sich die Zufallszahl befindet. Die mathematische Formulierung lautet: Wähle das Chromosom Ci für die Folgegeneration Ci ∈ P (t + 1), i ∈ {1, ..., n} aus, wenn gilt: n n−1 p(Cj ) ≤ α < p(Cj ) (6.2) j=1 j=1 Diese Methode besitzt einen erheblichen Nachteil. Unter ungünstigen Umständen werden nur Chromosomen mit schlechter Überlebenswahrscheinlichkeit ausgewählt, im Extremfall k-mal das Schlechteste. Das beste Chromosom überlebt den Generationswechsel unter Umständen nicht. Eine Möglichkeit, diesem Problem vorzubeugen, stellt die Selektion mit zufälliger durchgängiger Abtastung23 dar. Im Gegensatz zum SSR, wo ein Zeiger k-mal gedreht wird, werden beim SUS k Zeiger nur ein Mal gedreht. Die zu ermittelnde Zufallszahl α1 für den ersten Zeiger ist aus dem Intervall Pn p [0; i=1 C ] zu wählen. Da die Abstände der Zeiger konstant sein müssen, erfolgt die k mathematische Beschreibung jedes weiteren Zeigers mit Gl. (6.3). k−1 j· αj = α1 + j=1 n i=1 pC k (6.3) Diese Variante bewirkt, dass Chromosomen gewählt werden, deren Überlebenswahrscheinlichkeit mindestens dem Durchschnittswert entspricht. Weist ein Chromosom ein m-faches des Durchschnitts auf, wird dieses sogar m-mal kopiert, vgl. Abb. 6.13 rechts. Da nur eine Zufallszahl erzeugt wird, bietet das SUS zusätzlich Vorteile hinsichtlich des Rechenzeitbedarfs. 22 23 Stochastic Sampling with Replacement (SSR) Stochastic Universal Sampling (SUS) 118 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Abb. 6.13: SSR- und SUS-Selektion Genetische Operatoren Auf die Zwischenpopulation P ∗ (t) werden zur Erzeugung von Nachkommen die Genetischen Operatoren (GO) Rekombination sowie Mutation angewendet. Ein nicht so häufig verwendter GO ist die Inversion. Da dieser Operator im Zusammenhang mit dieser Arbeit nicht zum Einsatz gelangt, wird er an dieser Stelle lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt. Nähere Informationen finden sich z. B. in [9]. Rekombination In der Biologie wird mit Rekombination die Verteilung und Neuanordnung von genetischem Material verstanden. Nach diesem Prinzip werden innerhalb des GA Teilstücke zweier Elternchromosomen ausgewählt und anschließend neu zusammengesetzt. Dabei entscheiden wiederum Zufallszahlen, welche Eltern ausgewählt werden, ob zwischen diesen beiden eine Rekombination24 stattfindet und wenn ja, welche Abschnitte ihrer Erbinformation herausgelöst und neu kombiniert werden. Dabei wird zwischen Single-Point Crossover und Multi-Point Crossover unterschieden. Das Single-Point Crossover ist dadurch gekennzeichnet, dass nur ein Crossoverpunkt festgelegt wird. An dieser Stelle des Erbmaterials erfolgen die Auftrennung und die Neuanordnug mit dem entsprechenden Abschnitt des zweiten beteiligten Elter, vgl. Abb. 6.14. Hingegen erfolgt beim Multi-Point Crossover Trennung und Austausch an mehreren Stellen, vgl. Abb. 6.15. Der Operator Rekombination gehört zur Klasse der „Zwei-Elter-Operatoren“. 24 Auch als Crossover bezeichnet 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 119 Abb. 6.14: Single-Point Crossover nach [9] Abb. 6.15: Multi-Point Crossover nach [6] Mutation Unter Mutation wird eine Veränderung des Erbgutes eines Individuums verstanden, die nicht auf Rekombination oder Segregation25 zurückzuführen ist. Bei der Rekombination stammen die Gene aus dem Wertebereich der Startpopulation und werden lediglich neu angeordnet weitergegeben. Selbst mit einer hohen Anzahl an Chromosomen in der Initialpopulation ist nicht gewährleistet, dass diese gleichverteilt dem gesamten Suchraum entstammen. Gelangt nur Rekombination zur Anwendung, besteht die Gefahr, dass gute Lösungen, die nicht in P (t) enthalten waren, nicht aufgefunden werden. Die Mutation kann der Forderung gerecht werden, Lösungen zu generieren, die sich außerhalb des Wertebereichs der Startpopulation befinden. Die Ausbildung neuer Merkmale ist von entscheidender Bedeutung, um das Chromosom zu finden, welches die beste Lösung des Problems darstellt. Bei der Anwendung der Mutation muss darauf geachtet werden, dass nur „kleine“ Änderungen am Original vorgenommen werden. Somit wird gewährleistet, dass die Änlichkeit zwischen Eltern und Nachkomme nach wie vor gegeben ist. Über den Einsatz des Mutationsoperators auf ein Chromosom entscheidet die Mutationswahrscheinlichkeit pM . Eine vielfach verwendete Mutationswahrscheinlichkeit, die zudem eine theoretische Berechtigung besitzt [9], ist pM = 1/nGene . nGene ist die Anzahl der im Chromosom enthaltenen Gene. Die Mutation zählt zur Klasse der „Ein-Elter-Operatoren“. 25 Aufspaltung und Trennung von Chromosomen 120 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Abb. 6.16: Prinzip der Mutation nach [6] Abbruchkriterien Abbruchkritierien sind unverzichtbarer Bestandteil des GA. Da eine ausreichend gute Lösung eines Optimierungsproblems mit vertretbarer Rechenzeit ermittelt werden soll, muss der GA unter bestimmten Voraussetzungen terminiert werden. Dazu zählen je nach Bedarf unter anderem: • das Erreichen einer Mindestanforderung an die Lösungsgüte, • die festgelegte maximale Anzahl an Generationen wurde gebildet, • in den letzten p Generationen wurde keine bedeutende Verbesserung der Chromosomen mehr erreicht oder • zwischen zwei aufeinanderfolgenden Generationen tritt kein Fortschritt mehr auf. Eine grafische Veranschaulichung bietet Abb. 6.17. Die Funktion ist von zwei Variablen x und y abhängig. f (x, y) : 2 → Innerhalb des gesamten Gebirges (links) sollen die Koordinaten des höchsten Berges aufgefunden werden, welcher dem globalen Maximum entspricht und dunkelrot gefärbt ist. In der 2D-Darstellung (mittig und rechts) sind die entsprechenden Höhenniveaus farblich zugeordnet. Die Startpopulation enthält eine Anzahl zufälliger Lösungskandidaten (Mitte). Nach zehn Generationen (Iterationen) befinden sich bereits alle möglichen Lösungskandidaten in der Nähe des Maximums (rechts). Abb. 6.17: Optimum-Suche mittels Genetischer Algorithmen nach [25] 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 6.3.2 121 Konventionelle Offline-Optimierung Im Fokus der Untersuchungen zur stabilen Grundbedatung mittels Genetischer Algorithmen stehen die Zielgrößen Stickstoffoxidemission N Ox , Schwärzungszahl SZ sowie der spezifische Kraftstoffverbauch be . Die Beschreibung des multikriteriellen Optimierungsproblems erfolgt auf Basis der in der Praxis bevorzugt eingesetzten skalaren Zielfunktion gemäß Gl. (6.4) ZF (x) = wN Ox · N Ox (x) + wSZ · SZ(x) + wbe · be (x) (6.4) Die Initialisierung des Genetischen Algorithmus zur Betriebspunktoptimierung ist in Anhang A.3 dargestellt. Für die Grundbedatung werden die in Abschn. 6.2 eingesetzten Modelltypen angewendet und hinsichtlich der Abbildungs- und Optimierungsqualität untersucht. Die repräsentative Auswertung konzentriert sich auf vier äquidistant im Motorkennfeld aufgeteilte stationäre Motorbetriebspunkte (siehe Tab. 6.9), welche auch zur globalen Kennfeldvermessung herangezogen wurden. Die Konfiguration der skalaren Zielfunktion ist in Tab. 6.10 dargestellt. Die Betriebspunktoptimierungen werden für drei unterschiedliche Zielfunktionsbedatungen durchgeführt. Somit ergeben sich insgesamt 72 modellgestützte OptimierungsBetriebs- Drehzahl Last −1 punkt in min in mm3 1 2000 20.3 2 2000 32 3 2800 20.3 4 2800 32 Tab. 6.9: Betriebspunktoptimierung: Auswahl der repräsentativen Motorbetriebspunkte w 1 2 3 wN Ox 33 40 40 wSZ 33 40 20 wbe 33 20 40 Tab. 6.10: Konfiguration der skalaren Zielfunktion (Wichtungen in %) durchläufe, deren resultierende Optima im Anschluss den Versuchsplan zur Validierung der Optimierungsergebnisse bilden26 . Der Ausgangspunkt der modellgetriebenen Offline-Optimierung ist die Abgrenzung des Hyperraumes in den ausgewählten stationären Motorbetriebspunkten. Die Randwertfestlegung ist maßgebend für die 26 nV P = nBetriebspunkte · nM odelle · nW ichtungsvariationen = 4 · 6 · 3 = 72 122 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Optimumsuche, wie in Abb. 6.18 am Beispiel eines eindimensionalen Optimierungsproblems verdeutlicht wird. globales Minimum lokales Minimum Verstellparameter Bereich nicht zielführend Modell-Zielgröße Bereiche nicht abgedeckt durch Vermessung Modell-Zielgröße Bereich nicht abgedeckt durch Vermessung globales Minimum extrapoliertes Minimum Verstellparameter Bereich nicht zielführend Abb. 6.18: Problematik der Randwertbestimmung zur modellbasierten Optimierung am Beispiel eines eindimensionalen Optimierungsproblems Zu klein gewählte Verstellbereiche können bereits im Vorfeld zu einem Ausschluss des globalen Optimums von der Optimumsuche führen und damit - unabhängig von der Modellqualität - eine zielführende Bedatung verhindern (siehe Abb. 6.18 links und rechts). Werden die Verstellparameterbereiche zu groß ausgelegt, d.h. werden Bereiche eingeschlossen, die nicht durch die Motorvermessung abgedeckt sind, so ziehen die mit dem Suchprozess einhergehenden Extrapolationen eine deutlich eingeschränkte Vorhersagegenauigkeit und in der Regel falsche Optima nach sich (siehe Abb. 6.18 rechts). Die Randwertproblematik ist charakteristisch für den mehrdimensionalen Grundbedatungsprozess, da die nichtlinearen Grenzen mit steigender Motorkomplexität nicht ausreichend detailliert für die Offline-Optimierung spezifiziert werden können. Tab. 6.11 und Tab. 6.12 zeigen exemplarisch die Offline-Ergebnisse von zwei Betriebspunktoptimierungen für alle eingesetzten Modelltypen einschließlich der Validierungsmessungen. Die Rechnungs-Messungsvergleiche werden zusätzlich durch die Fahrbarkeit F und durch den Randwertanteil RA ergänzt. F gibt den Umsetzungsgrad der rechnerisch ermittelten Verstellparameterkombination an; RA skizziert den Anteil, der durch die Offline-Optimierung an den festgelegten Rand 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG Zielfunktion w(1) = 33 33 123 DoE-Polynom Sugeno RBF-Netz GRNN FF-Netz Takagi-Sugeno SZ in FSN be in g/kWh ZF (normiert) 247 141 490 173 577 285 33 NOx in ppm 0.93 1.95 0.18 0.23 0.07 0.10 232 289 214 359 218 244 0.093 0.166 0.077 0.118 0.085 0.061 (133) (71) (104) (261) (180) (260) (0.04) (0) (0.00) (0.39) (0.11) (0.05) (2) (233) (161) (272) (233) (260) (-0.102) (0.019) (-0.018) (0.089) (0.041) (0.064 ) F in % RA in % 99 98 93 99 41 99 33 83 17 33 50 33 Tab. 6.11: Modellbasierte Optimierung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2000min−1 , mB = 20.3mm3 /Hub: Zielgrößen und Zielfunktion (Offline-Ergebnisse in Klammer), Fahrbarkeit F und Randwertanteil RA Zielfunktion w(1) = 40 40 DoE-Polynom Sugeno RBF-Netz GRNN FF-Netz Takagi-Sugeno 20 NOx in ppm SZ in FSN be in g/kWh ZF (normiert) 400 334 354 362 299 440 1.13 0.91 1.24 2.39 1.81 1.02 259 271 280 326 290 257 0.151 0.130 0.158 0.249 0.188 0.150 (0) (226) (164) (310) (370) (120) (0) (0) (0) (0.37) (0.04) (0) (44) (188) (269) (293) (235) (253) (-0.063) (0.025) (0.043) (0.099) (0.068) (0.030) F in % RA in % 68 98 99 94 94 66 33 83 33 67 67 67 Tab. 6.12: Modellbasierte Optimierung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2800min−1 , mB = 32mm3 /Hub: Zielgrößen und Zielfunktion (Offline-Ergebnisse in Klammer), Fahrbarkeit F und Randwertanteil RA des jeweiligen, lokalen Hyperraumes platziert wurde. Generell werden deutlich bessere Optimierungsergebnisse prognostiziert, als online am Motorprüfstand umgesetzt werden. Die entsprechend Gl. (6.4) gebildeten und aus der Offline-Optimierung resultierenden normierten Zielfunktionswerte sind im Negativfall direkte Indikatoren für Modellextrapolationen. Die approximierten Optimierungslösungen sind größtenteils in hohem Maße fahrbar. Dennoch treten vereinzelt niedrige Umsetzungsgrade (F < 90%) auf, die nicht mit der Modellgüte bzw. dem Modelltyp korrelieren und daher als Folge der Randwertproblematik interpretiert werden können. Die hohen Randwertanteile belegen die tendenzielle Ausrichtung der modellbasierten Offline-Optimierung, die eine exakte Kenntnis und eine detaillierte Beschreibung der Hyperraumrestriktionen erfordert. Abb. 6.19 zeigt die Änderung der über alle Modellausgänge bzw. Zielgrößen gemittelten Approximationsgüte als Validierungsresultat der modellbasierten Betriebspunktoptimierungen27 . Mit Ausnahme des GRNN-Modells, dessen ohnehin hohe Fehlerquote 27 Die Untersuchungen wurden für alle Motorbetriebspunkte und Wichtungsvariationen durchgeführt. Als Vergleichsbasis dienen die Validierungsergebnisse der globalen Kennfeldvermessung. 124 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Vaidierung der Offline-Betriebspunktoptimierungen 22,5 21,079 20 Zunahme des mittleren Modellfehlers in % (bezogen auf die Modellvalidierung der globalen Kennfeldvermessung) 17,5 15 12,5 11,785 10,789 10 9,79 9,077 7,5 5 2,5 -2,039 0 -2,5 Takagi-Sugeno Sugeno DoEPolynom RBFNetz GRNN FFNetz Abb. 6.19: Änderung der über alle Zielgrößen gemittelten Approximationsgüte als Validierungsresultat der modellbasierten Betriebspunktoptimierungen. Einfluss der Motormodelladaption (RBF-Netz) auf die Betriebspunktoptimierung (n = 2000 min-1, mB = 32 mm3/Hub; alle Wichtungskombinationen) 40 Mittlerer Modellfehlergradient in % 35 Validierung der Betriebspunktoptimierungen: Entwicklung der Modellfehler nach Adaption des RBF-Netzes (bezogen auf Betriebspunktoptimierung mit Basis-RBF-Betz) 30 25 20 36,6 15 10 5 0 -3,3 0,1 -5,1 -2,3 -5 -10 -15 Verbesserung der Modellgüte durch Adaption (bezogen auf das Basis-RBF-Netz) -19,5 -20 -25 NOx SZ be Abb. 6.20: Adaption des RBF-Netzes mit wiederholter Betriebspunktoptimierung: Änderung der Approximationsgüten 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 125 etwas gesenkt werden konnte, sind die mittleren Modellfehler aufgrund der Randwertfokussierung stark angestiegen. Eine effiziente Vorgehensweise auf Grundlage der globalen Motormodelle ist daher nicht möglich. Abb. 6.20 zeigt den beispielhaften Versuch, durch die iterative Adaption des RBF-Netzes und die wiederholte Betriebspunktoptimierung eine verbesserte Abbilungsqualität zu erreichen28 . Die Darstellung verdeutlicht die gestiegene Generalisierungsfähigkeit des RBF-Netzes bezogen auf die Basisauslegung. Das Validierungsergebnis der Betriebspunktoptimierung bestätigt hingegen die Generalisierung nicht. Während der spezifische Kraftstoffverbrauch erheblich besser vorhergesagt werden kann, muss die Genauigkeit der Stickoxidnachbildung noch größere Einbußen hinnehmen. Das Potenzial der Modelladaption wird nach dem ersten Iterationsschritt nicht ausgeschöpft, da die Restriktionen des Hyperraumes wegen der hohen Dimensionalität nicht signifikant besser beschrieben werden können. Die Möglichkeit, den iterativen Vorgang mehrmals zu durchlaufen, wird aufgrund der Ineffektivität des Entwicklungsprozesses ausgeschlossen. Diese Ergebnisse dokumentieren die Notwendigkeit für eine Online-Vorgehensweise zur Basisbedatung mittels globaler Motormodelle. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der wissenbasierten Online-Optimierung dargelegt. 6.3.3 Wissensbasierte Online-Optimierung Die Vorgehensweise basiert auf der in Abschn. 5.4 vorgestellten Methodik zur wissensbasierten Optimumsuche unter Anwendung der Skalarisierungsverfahren gewichtete Summe, -constraint-Methode, Referenzpunktmethode sowie Goal-Attainment-Verfahren. Für die Motorapproximation und die Darstellung der lokalen Wissensbasen wird das Takagi-Sugeno-Inferenz-System eingesetzt29 . Die Einbettung der Modelle in das Prüfstandssystem und die Steuerung des Optimierungsablaufs am Motorprüfstand erfolgt gemäß Abb. 6.21. Mit dem Einlesen der steuergerätespezifischen Beschreibungsdatei und der Vorgabe der Startbedatung im ausgewählten stationären Motorbetriebspunkt wird der Optimierungszyklus gestartet. Werden keine Grenzwertverletzungen detektiert30 , so erfolgt die Stabilisierung des Motorbetriebspunktes mittels Prüfung der über definierte Zeitfenster31 gemittelten Abgastemperatur32 . In Anschluss werden die gemessenen Optimierungsparameter - die Zielgrößen und die Motorverstellparameter - dem Optimierungsskript zur Auswertung und zur Weiterverarbeitung bereitgestellt. Der Optimierer berechnet gemäß 28 Der Trainingsdatensatz wurde um ca. 75 % der Messdaten zur Validierung der Betriebspunktoptimierungen erweitert, die restlichen 25 % wurden zur Generalisierung des adaptierten Netzes herangezogen. 29 Siehe Konzeptansatz in Abschn. 5.3.2 und Ergebnisse zur Validierung der Wissensbasis in Anhang A.2 30 Die Startbedatung wird manuell festgelegt und ist daher stabil. 31 Engl.: Moving Averages 32 Da der Einschwingvorgang stark arbeitspunktabhängig ist, erweist sich diese Methode gegenüber festen Stabilisierungszeiten als zweckmäßiger. 126 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS der inversen Modellierungsmethodik Lösungsvorschläge innerhalb einer festgelegten vektoriellen Nachbarschaft der Motorverstellparameter. Hierbei werden alle skalaren Zielfunktionen hinsichtlich der wissensbasierten Lösungsvorschläge modellbasiert untersucht. Für die Untersuchungen wird ein Wichtungsverhältnis w(3) = 40 20 40 festgelegt (siehe Tab. 6.10). Aufgrund der gleichgewichteten Vorgaben für N Ox und be ergeben sich bei der -constraint-Methode zwei Zielfunktionskonfigurationen (siehe Gl. (2.7)). Darüber hinaus werden für die Umsetzung der Referenzpunktmethode zwei unterschiedliche Parameterbedatungen vorgesehen (siehe Gl. (2.3)): r(1) = 2 r(2) = 7 Somit werden insgesamt sechs skalare Zielfunktionen berücksichtigt, deren Bewertungscharakteristika (meist) unterschiedliche Motorverstellparameterkombinationen nach sich ziehen. Diese Lösungsvorschläge werden vom Optimierungsskript ausgegeben, nacheinander abgefahren und validiert. Treten innerhalb dieses Optimierungszyklus Grenzwertverletzungen auf, so wird die jeweilige letzte stabile Bedatung aktiviert und der entsprechende Lösungsvorschlag verworfen. Nach Beendigung des Optimierungszyklus erfolgt die Berechnung weiterführender Motorverstellparameterkombinationen sowie die Adaption des Motormodells auf Grundlage des durch die neu gewonnenen Messdaten erweiterten Trainingsdatensatzes. Die Online-Optimierung wird beendet, wenn die maximale Anzahl der Optimierungszyklen erreicht ist. In Abb. 6.22 sind die modellbasierten und die gemessenen Zielgrößen als exemplarisches Ergebnis der wissensbasierten Online-Optimierung im stationären Motorbetriebspunkt n = 2800 min−1 , mB = 32mm3 /Hub dargestellt. Man erkennt, dass Online-Optimierung NOx SZ be Änderung des relativen Modellfehlers -3.6 % -1.6% -3.2 % Tab. 6.13: Wissenbasierte Online-Optimierung (inkl. Modelladaption): Verbesserung der Approximationsgüte bezogen auf das Validierungsergebnis zur globalen Modellbildung die Vorgaben durch den Optimierer qualitativ gut abgebildet werden. Die Vorhersagegenauigkeit des adaptierten, globalen Motormodells konnte gegenüber den Validierungsmessungen zur globalen Motormodellbildung und vor allem gegenüber den modellbasierten Offline-Optimierungsergebnissen deutlich gesteigert werden (siehe Tab. 6.13). In Abb. 6.23 sind die Motorbetriebspunktgrößen sowie die korrespondierenden Motorverstellparameter dargestellt. Die Fahrbarkeit der Lösungsvorschläge wird über weite Strecken sichergestellt. Sie wird lediglich durch vereinzelt größere Soll-Ist-Differenzen der miteinander gekoppelten Luftpfadgrößen Ladedruck und 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 127 Initialisieren der ASAP3-Schnittstelle Beschreibungsdatei (*.a2l-File) Vorgabe der Motorbetriebspunkte (inkl. Startwertbedatung) Start des Optimierungszyklus Weiche oder harte Grenze verletzt? ja Erstellen des alten (stabilen) Motorbetriebspunktes nein Stabilisierung des Motorbetriebspunktes (Prüfen des Einschwingverhaltens) Fehlercodierung Erfassung, Mittelung und Speicherung der Messdaten Eingangsdaten für den Optimierer bereitstellen Modellaktualisierung, Optimierungsalgorithmus Einstellen der neuen Verstellparameter, ggf. neuen Motorbetriebspunkt nein Optimierung beendet? ja Programmende Abb. 6.21: Steuerung des Optimierungszyklus zur wissensbasierten Online-Optimierung 128 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Abb. 6.22: Wissensbasierte Online-Betriebspunktoptimierung: Zielgrößen N Ox , SZ und be (n = 2800 min−1 , mB = 32mm3 /Hub) Frischluftmasse geringfügig beeinträchtigt. Insbesondere in kritischen Fällen zeigen sich aber die Vorteile der Online-Methodik: wegen der unmittelbaren messtechnischen Rückmeldung können nicht zielführende Lösungsvorschläge zugunsten einer konvergierenden Optimierungslösung direkt verworfen und die tendenziellen Übereinstimmungen in den Vorhersagen besser ausgespielt werden. Abb. 6.24 zeigt in diesem Zusammenhang die Bewertungsszenarien der Optimierungszyklen und ihrer Iterationen sowie die zyklusbasierten Ziel- und Stellgrößen. Die Optimierung wurde auf vier Optimierungszyklen zuzüglich der Startbedatung begrenzt. Innerhalb der Optimierungszyklen werden die rechnerisch ermittelten Bestwerte der skalaren Zielfunktionen abgefahren. Die Bewertung der einzelnen (Mess-)Iterationen findet prinzipbedingt nur mittels der drei gekennzeichneten Skalarisierungsmethoden gewichtete Summe, Goal-Attainment-Verfahren und Referenzpunktmethode statt33 . Negative Zielfunktionsgradienten weisen hierbei auf eine Verbesserung der Motorcharakteristik hin. Die Zielfunktionsgradienten beziehen sich mit Ausnahme des Startpunktes immer auf den Bestwert des letzten Optimierungszyklus, dessen Auswahl sich 33 Da im Gegesatz zur modellbasierten Auswertung jeweils nur eine (gemessene) Zielgrößenkombination verarbeitet werden kann, bleibt die -constraint-Methode mangels Interpretationsfähigkeit unberücksichtigt. 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 129 Abb. 6.23: Wissensbasierte Online-Betriebspunktoptimierung: Motorbetriebspunktgrößen und Verstellparameter (n = 2800 min−1 , mB = 32mm3 /Hub) 130 6 APPLIKATION EINES AUFGELADENEN COMMON-RAIL-DIESELMOTORS Abb. 6.24: Zielfunktionsgradient je Iteration und skalarer Zielfunktion (unten). Zielfunktionsverbesserung nach jedem Optimierungszyklus (unten), n = 2800 min−1 , mB = 32mm3 /Hub nach dem stärksten, gradiellen Abstieg richtet34 . Wird keine Verbesserung erzielt, so muss die Zielvorgabe in Richtung des letzten Verbesserungsschrittes angehoben werden. In diesem Optimierungsbeispiel konnten jedoch durchgängig konvergierende Zyklusverbesserungen realisiert werden. Die durchschnittliche Berechnungszeit für die jeweilige Modellaktualisierung und die Bestimmung der zyklusspezifischen Lösungsvorschläge betrug nur ca. 1 Minute35 . In Tab. 6.14 sind ergänzend die Ergebnisse der Online-Betriebspunktoptimierung, relativ zu den konventionellen Offline-Resultaten, zusammengefasst. Zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse wurde die gewichtete Summe als bewertende Skalarisierungsfunktion eingesetzt. Man erkennt das deutliche Potenzial des wissensbasierten Online-Ansatzes. In allen Motorbetriebspunkten konnte die Optimierungsqualität gegenüber allen Modelltypen (einschließlich des Takagi-Sugeno-Systems) fast aus34 Die Minimalanforderung für einen Verbesserungsschritt ist ein Gradientabstieg innerhalb des Optimierungszyklus. 35 Dies entspricht einer Rechnerleistung von 2,7 GHz (CPU ) und 2 GB RAM (Arbeitsspeicher) 6.3. STATIONÄRE BETRIEBSPUNKTOPTIMIERUNG 131 nahmslos um zweistellige Prozentpunkte erhöht werden. Online vs.Offline (prozentuale ZF-Verbesserung) DoE-Polynom Sugeno RBF-Netz GRNN FF-Netz Takagi-Sugeno BP 1 - 45.9 59.0 36.8 23.8 27.6 19.0 % % % % % % BP 2 - 29.7 19.7 13.0 19.9 55.9 62.6 % % % % % % BP 3 - BP 4 25.7 29.4 29.3 31.0 27.5 19.7 - 27.9 % - 8.0 % - 12.8 % - 21.1 % - 30.0 % - 26.3 % % % % % % % Tab. 6.14: Wissenbasierte Online-Optimierung (inkl. Modelladaption): Prozentuale Verbesserung der Optimierungsgüte gegenüber den modellbasierten Offline-Verfahren (Vergleich mittels gewichteter Summe) 132 7 Erweiterte Untersuchungen zum dynamischen Motorbetrieb 7.1 Einleitung Die nach stationären Gesichtspunkten applizierten Motorsteuerkennfelder sind in der Regel nicht unmittelbar auf dynamische Motorbetriebszustände anwendbar, sondern müssen durch mathematische Glättungsverfahren nachbehandelt werden. Eine direkte Optimierung der dynamischen Motorbetriebszustände nach dem stationären Optimierungsmuster findet in der Praxis nicht statt. Dynamische Motormodelle, die sich über einen größeren Betriebsbereich erstrecken müssen, sind für die Offline-Optimierung ungeeignet. Daher ist eine Optimierungsmethode erforderlich, die kein dynamisches Motormodell benötigt und online am dynamischen Motorprüfstand einsetzbar ist. Der wissensbasierte Ansatz sieht hierzu ein Expertensystem vor, das auf dem Prinzip der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge1 aufsetzt und durch die wissensverabeitende Komponente gemäß Abb. 7.1 adaptiert wird. Die Konfliktmenge berücksichtigt die aus der Motordynamik2 und der Nichtlinearität resultierenden konkurrierenden Lösungsvorschläge des Expertensystems. Die Optimierung des dynamischen Motorprozesses wird entlang eines definierten dynamischen Testzyklus durchgeführt, dessen Betriebszustände durch die Motorkenngrößen Motordrehzahl und Last sowie durch deren Gradienten beschrieben werden. Die Grundlage der Optimierung bilden - ausgehend von der stationären Grundapplikation - die Auswahl und die Vermessung des dynamischen Testzyklus unter Variation der Verstellparameter, um aus den vermessenen Motorprozesszusammenhängen die entsprechenden Optimierungsstrategien ableiten zu können. Als Optimierungsziel wird die Minimierung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs unter Einhaltung vorgegebener Grenzwerte für die Stickoxidemission und die Opazität (als Maß für die Partikelemission) gewählt. Die Vorgabe von Emissionsgrenzwerten3 ermöglicht eine gezielte, wissens1 Siehe Prinzipskizze auf Seite 80 Die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sind im dynamischen Motorbetrieb auch immer von der Vergangenheit abhängig. 3 Die Grenzwertvorgaben lehnen sich an die Ergebnisse aus der Grundapplikation an. 2 7.2. DYNAMISCHE MOTORVERMESSUNG Wirkung Motor Trainingsdaten 133 Ursache Regeladaption Regelwerk/ Wissensbasis Strukturdefinition Konfliktmengen Abb. 7.1: Wissensverarbeitung für die dynamische Motorporzessoptimierung basierte Beeinflussung des Trade-Off-Konflikts und damit die Ausschöpfung des Kraftstoffverbrauchspotenzials. Die Bewertung der aktuellen Prozesssituation und die Berechnung des für den nächsten Optimierungsschritt zum Einsatz kommenden Parameter-Datensatzes erfolgen in den ausgewählten, dynamischen Kennfeldstützstellen nach Durchlaufen des dynamischen Testzyklus. Der Optimierungsablauf (Durchfahren des Testzyklus, Bewertung + Berechnung neuer Stellgrößen) wird so oft wiederholt, bis die Zielvorgaben erfüllt sind oder die festgelegte maximale Iterationszahl erreicht worden ist. 7.2 7.2.1 Dynamische Motorvermessung Ansteuerverfahren zur Variation der Verstellparameter Die Strategie der dynamischen Vermessung besteht im Nachfahren konstanter Motordrehzahl-/Lastrampen4 , die charakteristische dynamische Zustände5 repräsentieren. Die Ansteuerung der Motorverstellparameter entlang des definierten Testzyklus erfolgt sequentiell. Ausgehend von der Basiseinstellung der Motorsteuerkennfelder im 4 Eine Lastrampe bei konstanter Drehzahl entspricht der Phase zu Beginn eines FahrzeugBeschleunigungsvorgangs, eine Drehzahlrampe bei konstanter Last entspricht der zweiten Phase einer Fahrzeugbeschleunigung bzw. dem Einkuppelvorgang 5 z.B. in legislativen Fahrzyklen (US06, FTP75, NEFZ) 134 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Steuergerät werden die jeweiligen Stellgrößen nacheinander in einem zeitlich definierten Abstand mit Sprüngen angeregt, siehe Abb. 7.2. Die Wertebereiche werden im Gegensatz zur stationären Motorvermessung nicht absolut, sondern relativ zur Basiseinstellung eingegrenzt. Der Versuchsplan steht a priori noch nicht fest, d.h., dass er sich online am dynamischen Motorprüfstand durch die zufällige Amplitudengenerierung mittels APRBS-Signalen6 ergibt. Der jeweilige Designpunkt bestimmt sich somit aus der additiven Überlagerung der Basiseinstellung mit der berechneten Amplitude des entsprechenden Motorverstellparameters. Verstellparameter Ansteuerbeginn Voreinspritzung Δ ≈ 10 s Δ ≈ 10 s Raildruck Ladedruck Zeit Abb. 7.2: Prinzipskizze: Sequenzielle Ansteuerung der Motorverstellparameter 7.2.2 Auswahl und Vermessung des dynamischen Testzyklus Abb. 7.3 zeigt den für die dynamische Vermessung unter Variation der Verstellparameter und die wissensbasierte Optimierung beispielhaft verwendeten Testzyklus. Die Motordrehzahl bleibt konstant bei n = 2250 min−1 , während der untere bis mittlere Lastbereich (Maximum: 160 Nm) rampenförmig mit einem Lastgradienten von ± 30 Nm/s abgedeckt wird. In Tab. 7.2 sind die zur dynamischen Vermessung definierten relativen Parameterbereiche zusammengefasst. Die relativen Angaben beziehen sich immer auf die im Testzyklus aktuell durchfahrenen Kennfeldstützstellen. Eine Ausnahme bildet die Ansteuerung der Voreinspritzmenge. Hier wird über den gesamten Motorbetriebsbereich ein einheitlicher Variationsbereich stochastisch 6 APRBS - Amplitudenmodulierte Pseudo-Rausch-Binärsignale 7.2. DYNAMISCHE MOTORVERMESSUNG 135 abgedeckt. Abb. 7.3: Dynamische Vermessung: Testzklus Voreinspritzmenge Ansteuerbeginn Voreinspritzung Ansteuerbeginn Haupteinspritzung Raildruck Verstellung VTG Frischluftmasse [0..4] mm3 Variationsbereich ± 6 ◦ KW um Basiseinstellung, obere Grenze: 40 ◦ KW v. OT ± 6 ◦ KW um Basiseinstellung, untere Grenze: 5 ◦ KW n. OT ± 300 bar um Basiseinstellung, untere Grenze: 290 bar obere Grenze: 1350 bar um bis zu ± 20 % ± 200 mg/Hub um Basiseinstellung Tab. 7.1: Festlegung der Verstellparameterbereiche zur Vermessung des dynamischen Testzyklus In Abb. 7.4 ist das repräsentative Ergebnis für einen Zeitausschnitt der Verstellparametervarationen entlang des festgelegten Testzyklus dargestellt. Abb. 7.5 zeigt das korrespondierende Systemverhalten - die Verläufe der definierten Zielgrößen NOx , Opazität und be . 136 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Abb. 7.4: Dynamische Vermessung entlang des Testzyklus (n = 2250 min−1 , ± 30 Nm/s): Motorverstellparameter 7.2. DYNAMISCHE MOTORVERMESSUNG 137 Abb. 7.5: Dynamische Vermessung entlang des Testzyklus (n = 2250 min−1 , ± 30 Nm/s): Zielgrößen 138 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Die Vermessungszeit beträgt ca. 30 Minuten, womit eine hohe Informationsgüte sichergestellt wird. Pro Zyklusdurchlauf wird entsprechend der gewählten Ansteuerzeit (≈ 10 s) eine Verstellparameteränderung vorgenommen. Die Verstellparametervariationen sind an den ungleichmäßigen Verläufen der jeweiligen Verstellgrößen erkennbar. Die gute Systemanregung schlägt sich erkennbar in den stark unterschiedlichen Systemantworten nieder. Ungünstige Parameterkombinationen rufen einen verschärften Trade-Off-Konflikt zwischen Stickoxid-Emission und Opazität hervor. Aber auch am Verlauf des spezifischen Krafstoffverbrauchs sind signifikante Unterschiede infolge der variierten Systemanregung feststellbar - sowohl im höchsten Lastpunkt, wo erwartungsgemäß die zyklisch kleinsten Kraftstoffverbrauchswerte erzielt werden, als auch im unteren Umkehrpunkt des Motordrehmoments7 . Die für den dynamischen Testzyklus ermittelten motorischen Zusammenhänge müssen geeignet zur Wissensbasis zusammengefasst und in das Expertensystem eingebunden werden. Die Struktur des Expertensystems passt sich dem definierten Testzyklus an und setzt im ersten Entwicklungsschritt die Auswahl der dynamischen Motorbetriebspunkte voraus. 7.3 7.3.1 Entwicklung des Expertensystems Konzept zur Wissensbildung In Tab. 7.2 sind die für die Bewertung der Optimierung ausgewählten dynamischen Motorbetriebspunkte aufgelistet. Aufgrund der konstant gehaltenen Drehzahl entsprechen die dynamischen Motorbetriebspunkte den Momentenstützstellen, wobei zwischen positiver (dM/dt > 0) und negativer Rampe (dM/dt < 0) differenziert wird, da sich trotz nominell gleichem Motorbetriebspunkt, z.B. bei Stützstelle 4 und 8 oder bei Stützstelle 5 und 7, infolge der Dynamik eine unterschiedliche Charakteristik des Prozessverhaltens einstellt. Die Wissensbildung erfolgt nur in den definierten Stützstellen8 . Abb. 7.6 zeigt beispielhaft einige Zyklusverläufe der Stickoxidemission, die sich aus der dynamischen Vermessung unter Variation der Verstellparameter ergeben. Legt man einen NOx -Zyklusverlauf als Referenzverlauf und damit eine dazugehörige Referenz-Stellgrößenkombination fest, so können die Abweichungen der übrigen Zyklusverläufe als Konsequenz veränderter Stellgrößenkombinationen beschrieben werden. Die Idee der wissensbasierten Optimierung besteht somit in der Bildung von Gradienten der Verstellparameter und der Zielgrößen in den ausgewählten Stützstellen, um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge erlernen 7 Für den dynamischen Motorbetrieb sind die Anforderungen an die Messtechnik bezüglich Robustheit und Reproduzierbarkeit besonders hoch. In [35] werden die für diese Arbeit notwendigen Grundlagen zum dynamischen Messbetrieb durch konstruktive Maßnahmen und Methoden der numerischen Signalaufbereitung gelegt. 8 Da die zyklische Task auf dem Echtzeitsystem des Prüfstandsautomatisierungssystems auf 100 Hz begrenzt ist, werden die Stützstellenwerte messtechnisch meist nicht exakt getroffen. Für den vorliegenden Testzyklus entstehen daher maximale Abweichungen von ± 0,3 Nm. 7.3. ENTWICKLUNG DES EXPERTENSYSTEMS 139 und als Regeln in der Fuzzy-Regelbasis ablegen zu können. Der Umfang der dynamischen Vermessung bzw. die Qualität der Parametervariation schlägt sich in der Anzahl der zum Tragen kommenden Referenz-Stellgrößenkombinationen nieder, die letztendlich eine Aussage darüber macht, wie gut oder schlecht der Hyperraum relativ zur Basiseinstellung abgedeckt wird. Stützstellen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 n in min−1 2250 2250 2250 2250 2250 2250 2250 2250 2250 2250 2250 M in Nm 20 40 70 100 130 160 130 100 70 40 20 dn/dt dM/dt in min−1 /s in Nm/s 0 +30 0 +30 0 +30 0 +30 0 +30 0 +30 0 -30 0 -30 0 -30 0 -30 0 -30 Tab. 7.2: Auswahl der Stützstellen entlang des dynamischen Testzyklus Abb. 7.6: Idee der Gradientenbildung in ausgewählten Stützstellen am Beispiel vermessener NOx -Zyklusverläufe als Konsequenz veränderter Verstellparameterkombinationen 140 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Ursache: ∆x1 (k, i) = x1 (k, i) − x1 (a, i) : ∆Voreinspritzmenge ∆x2 (k, i) = x2 (k, i) − x2 (a, i) : ∆AB Voreinspritzung ∆x3 (k, i) = x3 (k, i) − x3 (a, i) : ∆AB Haupteinspritzung ∆x4 (k, i) = x4 (k, i) − x4 (a, i) : ∆Raildruck ∆x5 (k, i) = x5 (k, i) − x5 (a, i) : ∆Ladedruck ∆x6 (k, i) = x6 (k, i) − x6 (a, i) : ∆Frischluftmasse (7.1) Wirkung: ∆y1 (k, i) = y1 (k, i) − y1 (a, i) : ∆Stickoxid-Emission ∆y2 (k, i) = y2 (k, i) − y2 (a, i) : ∆Opazität ∆y3 (k, i) = y3 (k, i) − y3 (a, i) : ∆Spez. Kraftstoffverbrauch (7.2) mit: k: Zyklus im dynamischen Messdatensatz i: dynamische Stützstelle a: aktueller Referenz-Zyklus 7.3.2 Spezifikation der Expertensystems Die Spezifikation des Fuzzy-Systems ist in Abb. 7.7 dargestellt. Die ersten vier Eingänge bilden die Partitionen der Emissionen NOx und Opazität. Sie beschreiben die aktuellen Grenzwertabweichungen in den jeweiligen Stützstellen und geben gleichzeitig die Optimierungsrichtung für den nächsten Optimierungszyklus vor. Die scharfen Grenzwertabweichungen werden normiert und über die in Abb. 7.8 dargestellten Zugehörigkeitsfunktionen linguistisch (unscharf) formuliert. Die an der Deskription beteiligten Partitionen gehen hierbei - nach der Größe der Zugehörigkeitswerte geordnet - als Eingänge in das Expertensystem ein. Die Kennzeichnung und Zuweisung der Stützstelle erfolgt durch den fünften Fuzzy-Eingang. Jede Partition der Zugehörigkeitsfunktion (siehe Abb. A.4 im Anhang ) repräsentiert eine Stützstelle. Die Bewertung der Prozessgrößen und die Berechnung neuer Stellgrößen werden nach dem Durchfahren des Testzyklus in allen Stützstellen gleichermaßen und unabhängig voneinander abgehandelt. Zur Strukturierung und Koordinierung des Optimierungsablaufs wird ein weiterer Eingang für die Angabe der Optimierungsstufe in der jeweiligen Stützstelle benötigt. Ziel der ersten Optimierungsstufe ist die Einhaltung der Grenzwertvorgaben in allen dynamischen Stützstellen. In der zweiten und letzten Stufe wird die Prozessoptimierung mit der Minimierung des 7.3. ENTWICKLUNG DES EXPERTENSYSTEMS 141 spezifischen Kraftstoffverbrauchs abgeschlossen unter der Prämisse, dass die Emissionswerte definierte Toleranzbereiche nicht überschreiten. Der siebte Fuzzy-Eingang gibt die Optimierungsregel in der Konfliktmenge an, die für dieselbe Eingangskombination (Eingang 1 · · · Eingang 6) im nächsten Zyklus zum Einsatz kommen soll (siehe Abb. A.5 in Anhang ). Als Ausgänge des Fuzzy-Interpreters werden die Gradienten der Stellgrößen definiert, die addiert mit den Stellgrößen den im nächsten Optimierungsschritt wirksam werdenden Parametersatz ergeben. Die für alle Ausgänge gleich verwendete, auf den Bereich [-1,1] normierte Zugehörigkeitsfunktion entspricht der in Abb. 7.8 dargestellten Zugehörigkeitsfunktion. Nach der Defuzzifizierung und der anschließenden Entnormierung stehen die scharfen Ausgangswerte zur Weiterverarbeitung bereit. 1 Δy1: Partition A 0 .8 1 0 .4 Δy1: Partition B 0 .8 0 .2 0 .6 0 .4 0 .2 0 0 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 1 0 .8 Δx1 0 .6 0 .6 0 0 0 .4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .2 1 0 0 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 Δx2 0 .8 4 0 .6 0 .4 1 Δy : Partition B 0 .2 0 .8 0 .8 0 0 .4 0 .2 0 0 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 1 2 0 .6 0 .4 0 .2 0 0 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 1 0 .8 Stützstelle Regelbasis 2 0 0 .6 1 0 .8 0 .6 0 .4 0 .2 0 0 1 0 .8 0 .6 0 .4 0 .2 0 0 1 0 .8 0 .6 0 .6 0 .4 0 .4 0 .2 0 .2 0 0 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 0 Defuzzifizierung Δy : Partition A Δx3 Δx4 Δx5 1 0 .6 0 .8 Optimierungsstufe 0 .4 0 .6 0 .2 0 .4 0 0 .2 0 0 0 Δx6 0 .8 1 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 0 .5 1 1 .5 2 2 .5 3 3 .5 4 1 Konfliktmenge 0 .8 0 .6 0 .4 0 .2 0 0 Abb. 7.7: Spezifikation des Expertensystems 7.3.3 Automatische Adaption der Regelbasis In der Regelbasis werden die im dynamischen Messdatensatz enthaltenen Informationen über die Motorzusammenhänge erfasst und mittels Gradientenbildung in Form von WENN- DANN -Regeln abgelegt. Im ersten Schritt müssen die Regelstrategien derart formuliert werden, dass unabhängig von der aktuellen Verstellparameterkombination das Ziel der Grenzwerteinhaltung in jeder dynamischen Stützstelle durch entsprechende Gradientenvorgaben anvisiert bzw. erreicht werden kann. Hierfür werden zur Beschreibung der Regeln alle Kombinationen der beteiligten Partitionen von ∆y1 und ∆y2 - d.h. alle Kombinationen von Grenzwertabweichungen 142 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB - aufgestellt, die am Eingang des Fuzzy-Interpreters auftreten können. Um die jeweiligen Grenzwertabweichungen gegen null streben zu lassen, müssen für gegebene Eingangsbedingungen Gradienten gleichen Betrags, aber entgegengesetzten Vorzeichens im aufbereiteten dynamischen Messdatensatz gefunden und in den jeweiligen Antezedent-Listen abgelegt werden. Die Kombination der zugehörigen Verstellparametergradienten wird entsprechend als Konklusionsteil (Schlussfolgerung) festgelegt. Für die automatische Adaption der Regelbasis wird in Abhängigkeit der definierten Inferenz- und Defuzzifikationsmethode und unter Berücksichtigung der konkurrierenden Lösungen eine in [3], [58] beschriebene einfache Methode des Struktur- und Parametererlernens modifiziert zur Anwendung gebracht. Abb. 7.8 zeigt das Trainingsprinzip am Beispiel eines 2x1-Fuzzy-Systems. Die aufbereiteten Trainingsdaten werden in Ein- und Ausgangsdaten (∆y1 , ∆y2 , ∆x ) getrennt und auf die festgelegten Partitionen der Ein- und Ausgangszugehörigkeitsfunktionen abgebildet. Durch die gewählte Struktur werden maximal zwei Partitionen je Trainingssatz aktiviert. Dies hat den Vorteil, dass Regeln, die sich im Regelwerk gegenseitig behindern, nicht gleichzeitig aktiviert werden können. Für den ersten beispielhaften Trainingssatz gilt: (1) ∆y1 (1) ∆y1 (1) ∆y2 (1) ∆y2 ∆x(1) ∆x(1) wird der Partition pklein mit µ∆y1 ,A = 0.66 zugeordnet. wird der Partition mittel mit µ∆y1 ,B = 0.34 zugeordnet. wird der Partition mittel mit µ∆y2 ,A = 0.76 zugeordnet. wird der Partition nklein mit µ∆y2 ,B = 0.24 zugeordnet. wird der Partition pklein mit µ∆x,A = 0.76 zugeordnet. wird der Partition mitttel mit µ∆x,B = 0.24 zugeordnet. Daraus folgen die Regeln in konjunktiver Form: IF ∆y1,A = nklein AND ∆y1,B = mittel AND ∆y2,A = mittel AND ∆y2,B = pklein THEN ∆x = pklein IF ∆y1,A = nklein AND ∆y1,B = mittel AND ∆y2,A = mittel AND ∆y2,B = pklein THEN ∆x = mitttel Die Regelgenerierung sieht den zum Trainingssatz spiegelverkehrten Bedingungsteil vor, während der Konklusionsteil der adaptierten Zuordnung entspricht. Damit wird eine direkte Lösungsstrategie formuliert, um sich den vorgegebenen Grenzwertvorgaben anzupassen9 . Die zweite, zusätzlich definierte Regel enthält den selben Bedingungsteil und weist dem Konklusionsteil die Partition mit dem kleineren Zugehörigkeitswert zu. Dies grenzt den Ausgangswert innerhalb des Überschneidungsbereichs der beteiligten Partitionen zugunsten einer präziseren Vorhersage ein. 9 Es spielt dabei keine Rolle, ob die aktuellen Emissionswerte oberhalb oder unterhalb der Grenzwertvorgaben liegen. Es wird immer versucht, die Differenz zwischen Ist und Soll auszugleichen. 7.3. ENTWICKLUNG DES EXPERTENSYSTEMS 143 μΔy1 Eingang 1 ngroß 1 nklein mittel pklein pgroß A A A B B B Δy12 -1 Δy11Δy13 μΔy2 Eingang 2 ngroß 1 1 nklein mittel pklein pgroß A B A B A B Δy23 Δy21 Δy22 -1 1 μΔx Ausgang ngroß 1 nklein A mittel pklein pgroß A A B B -1 Δx2 B Δx3 Δx1 1 Abb. 7.8: Automatische Adaption der Wissensbasis unter Berücksichtigung von Konfliktlösungen am Beispiel einer 2x1-Wissensbasis mit aus Trapez- und Dreiecksfunktionen bestehenden Zugehörigkeitfunktionen 144 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Die Auswertung der restlichen Trainingssätze erfolgt nach dem selben Prinzip. Man erhält: (2) (2) (∆y1 , ∆y2 , ∆x(2) ) : IF ∆y1,A = pklein AND ∆y1,B = pgroß AND ∆y2,A = mittel AND ∆y2,B = nklein THEN ∆x = ngroß IF ∆y1,A = pklein AND ∆y1,B = pgroß AND ∆y2,A = mittel AND ∆y2,B = nklein THEN ∆x = nklein (3) (3) (∆y1 , ∆y2 , ∆x(3) ) : IF ∆y1,A = nklein AND ∆y1,B = mittel AND ∆y2,A = mittel AND ∆y2,B = pklein THEN ∆x = nklein IF ∆y1,A = nklein AND ∆y1,B = mittel AND ∆y2,A = mittel AND ∆y2,B = pklein THEN ∆x = mitttel Nach dem ersten Schritt der Regelgenerierung erfolgen eine Reduzierung und eine Aufspaltung des Regelwerks, welches zunächst doppelt soviele Regeln enthält, wie Trainingssätze untersucht wurden. Liegen z.B. mehrere Regelpaare vor, die den selben Bedingungs- wie Konklusionsteil aufweisen, so wird nach der Wichtungsmethode das am stärksten repräsentierte Regelpaar im Regelwerk belassen; alle anderen werden eliminiert. Die Wichtung berücksichtigt lediglich die Partitionen der Ein- und Ausgänge, die für den zugrunde liegenden Trainingssatz den größeren Zugehörigkeitswert besitzen. Der Wichtungsfaktor berechnet sich gemäß Gl. (7.3)10 . (j) ˜ w(j) = β (j) · µ∆x,A (j) (j) (j) = µ∆y1 ,A · µ∆y2 ,A · µ∆x,A (7.3) j: aktueller Trainingssatz Beispielhaft ergibt sich für den Wichtungsfaktor des ersten Trainingssatzes: (1) (1) (1) w(1) = µ∆y1 ,A · µ∆y2 ,A · µ∆x = 0.66 · 0.76 · 0.76 = 0.3812 Die so ermittelten Regeln werden in einem Tabellenschema zusammengefasst (siehe Darstellung in Tab. 7.3)11 . Treten konkurrierende Regeln auf (siehe Beispiel: 1. und 3. Regelpaar), d.h. sind die Bedingungsteile gleich, die Konklusionsteile aber voneinander verschieden, so muss der Konflikt durch die Etablierung einer nach der Wichtungsmethode priorisierten Konfliktmenge entschärft werden12 . Die 10 Alternativ zur Produktstrategie kann die Minimium-Operation verwendet werden. Zur Veranschaulichung werden nur die Terme mit den größeren Zugehörigkeitswerten gezeigt. 12 Konkurrierende Regeln entstehen durch die Nichtlinearität und durch den Einfluss der Dyna11 7.4. OPTIMIERUNG ENTLANG DES DYNAMISCHEN TESTZYKLUS ∆xA ngroß nklein ngroß nklein mittel pklein(1) / nklein(3) pklein pgroß mittel pklein ngroß(2) 145 pgroß ∆y2,A ∆y1,A Tab. 7.3: Veranschaulichung des Beispiels zur automatischen Adaption der Regelbasis anhand eines Tabellenschemas (die Darstellung beschränkt sich auf die am stärksten repräsentierten Partitionen der Ein- und Ausgänge.) konkurrierenden Regeln werden in der Konfliktmenge aufgelistet und durch die entsprechende Indizierung zur Anwendung gebracht. Die gezeigte Regelgewinnung bezieht sich auf die 1. Optimierungsstufe zur Anpassung der Emissionen an die Grenzwertvorgaben. In der 2. Optimierungsstufe sind Fuzzy-Regeln erforderlich, die den spezifischen Kraftstoffverbrauch verringern. Dafür werden diejenigen negativen Kraftstoffverbrauchs-Gradienten zur Regelgenerierung herangezogen, bei denen die Grenzwertabweichungen definierte Toleranzbereiche nicht verlassen. Das Procedere zur Eliminierung gleicher Regeln und zum Aufbau der Konfliktmenge entspricht dem aus der 1. Optimierungsstufe. Für den spezifischen Kraftstoffverbrauch wird allerdings kein weiterer Eingang benötigt, da er schon implizit durch die Angabe der 2. Optimierungsstufe berücksichtigt wird. 7.4 7.4.1 Optimierung entlang des dynamischen Testzyklus Steuersystem Der Bewertung und der Koordinierung des zyklischen Optimierungsprozesses wird eine große Bedeutung beigemessen, da die Optimierungsrichtung hierüber entscheidend beeinflusst werden kann. In einer Optimierungsstufe werden - ausgehend von einer Fuzzy-Eingangsbedingung13 - verschiedene Regelstrategien (= Kombinationen von Verstellparametergradienten) getestet und verglichen, die in den Konfliktmengen abgelegt sind und durch die Konfliktregel (7. Fuzzy-Eingang) aktiviert werden. Der dynamische Testzyklus wird somit in einer Optimierungsstufe mehrmals durchlaufen, um für die gegebene Eingangsbedingung den besten Verstellparameterdatensatz iterativ zu ermitteln; die Anzahl der trainierten Regeln variiert dabei in den Stützstellen, so dass die Optimierungsstufen nicht synchron bearbeitet werden. mik auf die Gradientenbildung in den Stützstellen. 13 Die Eingangsbedingung entspricht dem Ist-Zustand der Grenzwertabweichungen in den Stützstellen 146 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Die Bewertung der Prozesssituation wird nach jedem Durchlauf des dynamischen Testzyklus anhand eines in Tab. 7.4 dargestellten unscharfen Bewertungsschemas durchgeführt, indem die Bewertungsgrößen (Partitionen von ∆y1 und ∆y2 sowie ∆y3 ) analysiert und abhängig von deren Konstellation in verschiedene Bewertungsstufen eingeordnet und gesondert sortiert werden: Bewertungsstufe 1, wenn 1) ∆y1,A <= mittel und ∆y2,A < mittel 2) ∆y1,A < mittel und ∆y2,A <= mittel Bewertungsstufe 2, wenn 1) ∆y1,A = mittel und ∆y2,A = mittel Bewertungsstufe 3, wenn 1) ∆y1,A = mittel und ∆y2,B = mittel 2) ∆y1,B = mittel und ∆y2,A = mittel Bewertungsstufe 4, wenn 1) ∆y1,A = mittel und ∆y2,A = pgroß 2) ∆y1,A = pgroß und ∆y2,A = mittel Bewertungsstufe 5, wenn 1) ∆y1,B = mittel und ∆y2,B = mittel Bewertungsstufe 6, wenn 1) ∆y1,A = nklein und ∆y2,B = pklein 2) ∆y1,B = pklein und ∆y2,A = nklein Tab. 7.4: Bewertungsschema: Einstufung der Grenzwertabweichungen ∆y1 und ∆y2 Je nach Toleranzangabe für die Grenzwertabweichungen können mehr oder weniger Bewertungsstufen zu einem Gesamtvektor zusammengefügt werden. Ist das Ende der Konfliktmenge in einer Stützstelle erreicht, wird das erste nicht leere, nach dem Maximum sortierte Vektorfeld für die Bestimmung der Verstellparameterkombination festgelegt, die für die Fortsetzung der Optimierung als Referenz dient. Der Stufenvektor der ersten Optimierungsstufe berechnet sich gemäß  vStuf e,i (1) (1) min(µ∆y1 , µ∆y2 ) (2) (2) min(µ∆y1 , µ∆y2 ) . . .        =    (end) (end) min(µ∆y1 , µ∆y2 ) (7.4) Für die zweite Optimierungsstufe werden zusätzlich die Ergebnisse hinsichtlich des spezifischen Kraftstoffverbrauchs berücksichtigt. Hier werden die Kraftstoffverbrauchsgradienten ∆y3 = y3 − y3,Ref erenz analog zur ersten Optimierungsstufe 7.4. OPTIMIERUNG ENTLANG DES DYNAMISCHEN TESTZYKLUS 147 stufenweise in Vektoren entsprechend Gl. (7.5) abgelegt und nach dem Minimum sortiert zur Bewertung herangezogen.  (1)  ∆y3  ∆y (2)    (7.5) uStuf e,i =  .3  .   . (end) ∆y3 7.4.2 Online-Bedatung In Abb. 7.9 sind die Resultate der wissensbasierten Online-Erprobung - die Startwerte, die Grenzwertvorgaben sowie die Ergebnisse nach der ersten bzw. nach der zweiten Optimierungsstufe14 für die Zielgrößen NOx , Opazität und be - dargestellt. Man erkennt, dass die Abweichungen der Emissionsgrenzwerte entlang des dynamischen Testzyklus sehr gut ausgeglichen werden können. Die beim Start zum Teil großen Grenzwertüberschreitungen bei der Opazität (Stützstellen 6 - 9) werden durch eine Erhöhung der Stickoxidemission bei mindestens gleich bleibendem Kraftstoffverbrauch kompensiert. Grundsätzlich ist die Optimierungsstrategie darauf ausgelegt, die Grenzwertvorgaben zu erreichen; auf eine möglichst große Unterschreitung wird vor dem Hintergrund der Potenzialausschöpfung in der Verbrauchsminimierung nicht abgezielt, aber im eintretenden Fall akzeptiert, sofern der Kraftstoffverbrauch nicht (wesentlich) größer wird. Bereits in der ersten Optimierungsstufe können mit der gezielten Anpassung der Emissionen deutliche Verbrauchsabsenkungen realisiert werden - in insgesamt acht Stützstellen werden die Startwerte des Kraftstoffverbrauchs unterschritten. Die Optimierung wird nach 11 Zyklusdurchläufen beendet, da nach Abarbeitung der Konfliktmengen keine Verbrauchsreduzierungen ohne überhöhte Grenzwertverletzungen in den Stützstellen mehr verwirklicht werden können. Die Online-Optimierung stützt sich zur effizienten Durchführung auf die lokale Bewertung der Zielgrößen in den ausgewählten Stützstellen. Eine Betrachtung der integralen Zykluswerte in Form einer skalaren Zielfunktion ist für die koordinierte Steuerung des Optimierungsprozesses nicht zwingend erforderlich. Die integrale Beurteilung wurde daher für die wissensbasierte Optimierung nicht vorgesehen. Sie kann allerdings zur nachträglichen Bearbeitung zwecks vergleichender Gegenüberstellung der erzielten Zielfunktionswerte zusätzlich herangezogen werden. Als skalare Zielfunktion eignet sich die in [35] vorgeschlagene Summe aus dem integralen Kraftstoffverbrauchswert und den gewichteten lokalen Grenzwertverletzungen. 14 Die Bewertung der Zielgrößen erfolgt - gemäß Tab. 7.4 - bis einschließlich der Toleranz- bzw. Bewertungsstufe 5 . 148 7 ERWEITERTE UNTERSUCHUNGEN ZUM DYNAMISCHEN MOTOBETRIEB Abb. 7.9: Online-Ergebnis der wissensbasierten Optimierung entlang des dynamischen Testzyklus 149 8 Zusammenfassung Die kontinuierliche Weiterentwicklung moderner Fahrzeugmotoren erfordert zwingend die Konzeption neuer Ansätze zur automatisierten Applikation von Motorsteuerkennfeldern. Voraussetzung hierfür ist allerdings die differenzierte Einstufung vergangener, heutiger und zukünftiger Komplexitätsgrade und die damit einhergehende kritische Analyse bereits existierender Entwicklungsmechanismen. Die Anforderungen leiten sich aus den allgemeinen wirtschaftlichen Restriktionen und den gleichzeitig hohen applikativen Zielsetzungen ab. In dieser Arbeit wurden die Schwerpunkte auf die automatisierte Basis-Applikation mit finaler Online-Bedatung gelegt. Die Bestimmung stabiler Grundkennfelder stellt die Hauptaufgabe in der ersten Phase der Steuergeräteapplikation dar und legt den Grundstein für die nachfolgende Feinapplikation. Die Untersuchungen wurden an einem 4-Zylinder-DI-Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzsystem durchgeführt. Obwohl der Komplexitätsgrad des Versuchsmotors (6 Freiheitsgrade) den heutigen Stand der Dieselaggregate unterschreitet (≥ 8 Freiheitsgrade), erlaubt der gewählte Applikationsansatz einen konzeptionellen Vergleich und die Übertragbarkeit auf die zukünftigen Standards. Den Ausgangspunkt des Applikationsansatzes bildet die Postulierung eines minimalen Versuchsaufwands nach dem Prinzip der globalen Wissenserhebung. Betriebspunkt- oder Teilbereichsvermessungen, die im Hinblick auf die lokale bzw. teilbereichsbezogene Modellbildung approximative Vorteile aber vor allem große aufwandstechnische Nachteile aufweisen, werden zukünftig lediglich einen korrektiven Charakter haben. Basierend auf diesen Überlegungen wurde ein Verfahren zur globalen Versuchsplanung entwickelt, das in Anlehnung an die Design-of-Experiment-Methode eine nach dem D-Optimalitätskriterium ausgelegte und auf das Takagi-Sugeno-InferenzSystem übertragene Verteilung der Designpunkte vorsieht. Der praxisrelevante Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Möglichkeit, die lokalen Versuchsraumbeschränkungen der für die Motorvermessung ausgewählten stationären Motorbetriebspunkte annähernd bestimmen zu können. Vor dem Hintergrund der stationären Motorbetriebspunktoptimierungen sind die Eruierung der Motorlimits sowie die ungefähre Skizzierung der lokalen Hyperraumhüllen von elementarer Wichtigkeit. Des Weiteren wurde ein an den Versuchsplan angepasstes, automatisches Vermes- 150 8 ZUSAMMENFASSUNG sungskonzept entwickelt, das in zwei Abläufe unterteilt wird. Im ersten Schritt werden die äußeren globalen Grenzen des Versuchsraumes durch Screening-Versuche bestimmt und entsprechend durch die Versuchsplanung berücksichtigt. Im zweiten Schritt erfolgt die automatische, globale Vermessung der geplanten Designpunkte unter dynamischer Adaption der Versuchsraumbeschränkungen. Das automatische Vermessungsprinzip stellt einen notwendigen Beitrag zum durchgängigen und effizienten Entwicklungsprozess dar. Die Durchführung der modellbasierten Offline-Optimierung hat gezeigt, dass die konventionelle Vorgehensweise nicht praktikabel ist, um die Komplexität des Motorprozesses unter Verwendung globaler Approximatoren zu beherrschen. Hierzu wurden verschiedene Modelltypen (Polynommodell, Sugeno-Inferenz-System, TakagiSugeno-Inferenz-System, Radiale-Basisfunktionen-Netz, Feedforward-Mehrschichtnetz ) herangezogen und trainiert. Es hat sich herausgestellt, dass trotz unterschiedlicher Validierungsergebnisse nicht in erster Linie die Modellgüte, sondern vielmehr die fehlende Detail-Kenntnis über die Modellgrenzen ausschlaggebend für die nicht ausreichende Optimierungsqualität ist. Je höher der Freiheitsgrad, desto mehr wirkt sich die Unkenntnis in Form von Modellextrapolationen aus. Daher war die Entwicklung eines neuartigen Optimierungskonzeptes notwendig, das die Bedatung der Motorsteuerkennfelder online am Motorprüfstand ermöglicht. Der Einsatz konventioneller Optimierungsverfahren (Genetische Algorithmen oder Sequentielle Quadratische Programmierung) ist aufgrund des hohen Iterationsbedarfs nicht geeignet. Mit Hilfe der Fuzzy-Technik wurden zwei Verfahren zur automatisierten Wissensbildung entwickelt, um aus gelernten Motorprozesszusammenhängen Lösungsvorschläge in Form von WENN-DANN -Regeln zu formulieren. In der ersten Variante wurde mittels der modellierten Umkehrung des Motorprozesses in Verbindung mit einem heuristischen Steueralgorithmus stationäre Motorbetriebspunktoptimierungen online am Motorprüfstand verwirklicht. Die Ergebnisse bestätigen die Wirksamkeit des Online-Verfahrens in der vergleichenden Gegenüberstellung mit der konventionellen Methode. Die zweite Variante sieht ein Expertensystem vor, das auf dem Prinzip der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufsetzt und die Nichtlinearitäten durch den Aufbau von Konfliktmengen beschreibt. Diese Methode wurde am Beispiel der dynamischen Optimierung entlang eines definierten Testzyklus am hochdynamischen Motorprüfstand getestet. Voraussetzung hierfür war die dynamische Testzyklenvermessung zwecks automatischer Wissensableitung in den definierten dynamischen Kennfeldstützstellen. Neben den charakteristischen Motorgrößen Motordrehzahl und Last werden auch deren Gradienten zur Beschreibung des dynamischen Motorbetriebszustandes als Eingänge in den Optimierer aufgenommen. Die Modifizierung der Basis-Applikation ist für die Erfüllung der Fahrbarkeitskriterien erforderlich. 151 A Anhang A.1 Takagi-Sugeno-Versuchsplanung Variation der Abstufung Variation der Zusatzpunkte 7,5E-09 3,75E-11 7,0E-09 1,40E-10 3,25E-11 6,0E-09 5,5E-09 5,0E-09 4,5E-09 4,0E-09 360 Punkte 424 Punkte 466 Punkte 544 Punkte 578 Punkte 3,00E-11 Gütemaß Gint 6,5E-09 Gütemaß Gint 3,66E-09 3,50E-11 2,75E-11 2,50E-11 2,25E-11 2,00E-11 1,75E-11 3,5E-09 1,50E-11 3,0E-09 2,5E-09 144 Punkte 432 Punkte 630 Punkte 900 Punkte 1959 Punkte 1,25E-11 2,0E-09 1,00E-11 1,5E-09 7,50E-12 1,0E-09 5,00E-12 5,0E-10 2,50E-12 0,0E+00 0,00E+00 64 Fuzzy-Regeln 64 Fuzzy-Regeln Abb. A.1: Gemittelte Determinanten der Kovarianzmatrizen durch Variation der Zusatzpunkte und der Abstufungen nach Gl. 5.2 für ein Takagi-Sugeno-System konstanter Ordnung (64 Regeln) Variation der 360 424 466 544 578 Zusatzpunkte Punkte Punkte Punkte Punkte Punkte k 1 3 5 7 9 Tab. A.1: Variation der Zusatzpunkte nach Gl. 5.2 für ein Takagi-Sugeno-System konstanter Ordnung (64 Regeln) 152 A Variation der Abstufung b ANHANG 144 432 630 900 1959 Punkte Punkte Punkte Punkte Punkte [22112211] [43111411] [33212211] [33312211] [22222222] Tab. A.2: Variation der Abstufungen nach Gl. 5.2 für ein Takagi-Sugeno-System konstanter Ordnung (64 Regeln) A.2 Anhang zur Validierung der Wissensbasis Abb. A.2: Ergebnisse zur Validierung der Wissensbasis: Gegenüberstellung der Zielgrößen A.2. ANHANG ZUR VALIDIERUNG DER WISSENSBASIS 153 Abb. A.3: Ergebnisse zur Validierung der Wissensbasis: Darstellung der stationären Motorbetriebspunkte und Gegenüberstellung der Motorverstellparameter 154 A A.3 ANHANG Anhang zur modellbasierten Optimierung Die Normierung der Zielgrößen bezüglich des ausgewählten Optimierungsbereichs ist im Folgenden dargestellt. N Ox ∈ [0; 1800] → N Ox,norm ∈ [0; 1] SZ ∈ [0; 3.5] → SZnorm ∈ [0; 1] be ∈ [0; 800] → be,norm ∈ [0; 1] In Tab. A.3 sind die Konfigurationsparameter und die Funktionen zur modellbasierten Offline-Optimierung mittels Genetischer Algortihmen aufgelistet Variable GGAP XOVR MUTR MAXGEN INSR SUBPOP MIGR MIGGEN NIND SEL_F XOV_F MUT_F OBJ_F MOD_F Wert 0,8 Erläuterung Anteil der erzeugten Nachkommen bezogen auf die Größe der Initialpopulation 1,0 Rekombinationswahrscheinlichkeit zweier Elternchromosomen 1/6 Mutationswahrscheinlichkeit eines Gens 100 Maximale Anzahl von Generationen 0,85 Anteil der Nachkommen an der Folgegeneration P (t + 1) 3 Anzahl an Subpopulationen 0,2 Migrationsrate von Chromosomen zwischen Subpopulationen 20 Anzahl der Generationen, bis erneute Migration eintritt 50 Anzahl der Chromosomen je Subpopulation sus Funktion zur Durchführung von Selektion recdis Funktion zur Durchführung von Rekombinationen mutbga Funktion zur Durchführung von Mutationen Opt_NOx_SZ_BE Zielfunktion Use_sel_model Modellwahl Tab. A.3: Initialisierung des Genetischen Algorithmus (GA) A.4. ANHANG ZUR APPLIKATION DES DYNAMISCHEN MOTORBETRIEBES A.4 155 Anhang zur Applikation des dynamischen Motorbetriebes μ M Stützstelle Abb. A.4: Eingang des Expertensystems: Zugehörigkeitsfunktion zur Kennzeichnung der Stützstelle μ Nr Konfliktregel Abb. A.5: Eingang des Expertensystems: Zugehörigkeitsfunktion zur Angabe der Konfliktregel 156 Abkürzungen und Formelzeichen Abkürzungen ANFIS APRBS ASIC BLUE CAN CCD CL CoG DoE DPF DSS EA EEPROM EMV ETK FDL FF FSN GA GO GRASP GRNN LHS LSM LOLIMOT MCD MOP NEFZ PP PM RBF Adaptive-Network-Based Fuzzy Inference System Amplitudenmodulierte Pseudo-Rausch-Binärsignale Application Specific Integrated Circuit Best Linear Unbiased Estimator Controller Area Network Central-Composite-Design Kandidatenliste Center of Gravity Design of Experiment Dieselpartikelfilter Digitales Simulationssystem Evolutionäre Algorithmen Electrically Erasable Programmable Read Only Memory Elektromagnetische Verträglichkeit Emulatortastkopf Fieldbus Data Link Feedforward Filter Smoke Number Genetische Algorithmen Genetischer Operator Greedy Randomized Adaptive Search Procedure Generalized Regression Neuronal Network Latin-Hypercube-Sampling Least Squares Method Local Linear Model Tree Measurement, Calibration and Diagnosis Multikriterielles Optimierungsproblem Neuer Europäischer Fahrzyklus Parametrisches Problem Partikelemission Radiale Basisfunktionen ABKÜRZUNGEN UND FORMELZEICHEN RCL RSM RMSE SQP SSR SUS TS WLSE Eingeschränkte Kandidatenliste Response Surface Method Root Mean Square Error Sequentielle Quadratische Programmierung Stochastic Sampling with Replacement Stochastic Universal Sampling Takagi-Sugeno Weighted Least Square Estimation Formelzeichen ˆ a a A ABHE ABVE α be β c C cov ∆T E η fi fi (x) F F Fp−1,m−p FR g G Gint GF H0 H1 λ Λ m M geschätzter Koeffizientenvektor Koeffizientenvektor gleichwahrscheinliche Klasse Ansteuerbeginn Haupteinspritzung Ansteuerbeginn Voreinspritzung Zufallszahl spezifischer Kraftstoffverbrauch Regelaktivierungsgrad Zentrum der RBF-Neuronen Chromosom Varianz-/Kovarianzmatrix Zeitanteil (Wichtungsfaktor der Zielfunktion) Erwartungswert obere Schranke ( -Constraint-Methode), Fehlerfunktion Lernrate lineares Polynom Zielgröße implizite Funktion Zielfunktionsvektor F-Quantil Prüfgröße (F-Test) radiale Basisfunktion Neuronenmatrix Gütemaß (Versuchsplanung) Gütefunktion Nullhypothese Gegenhypothese Zielparameter (Goal-Attainment-Verfahren) Lösungsraum Anzahl der Beobachtungen (Messungen) Motordrehmoment 157 158 mB mL µ n N Ox N Ox,n N (x) Ω p P pc ∗ PF ront pL PM P Mn pRAIL P∗ π q Q r R R2 2 Radj resi S sy σ σ ˆ SZ TR Tα/2 U UT S v var VEM W wbe wN Ox wSZx wP M ABKÜRZUNGEN UND FORMELZEICHEN Einspritzmenge Frischluftmasse Zugehörigkeitsgrad Motordrehzahl Stickoxidemission normierte Stickoxidemission Nachbarschaft von x Entscheidungsraum Anzahl der Modellterme Wahrscheinlichkeit, Generation Überlebenswahrscheinlichkeit Pareto-Front Ladedruck Partikelemission normierte Partikelemission Raildruck Menge pareto-optimaler Lösungen, Zwischenpopulation unabhängige Zufallspermutation Modellordnung Gütekriterium Konfigurationsparameter der Referenzpunktmethode unscharfe Relation einfaches Bestimmtheitsmaß korrigiertes Bestimmtheitsmaß untransformiertes Residuum Singleton geschätzte Standardabweichung Standardabweichung geschätzte Standardabweichung Schwärzungszahl Prüfgröße (t-Test) t-Quantil zufallsgenerierte Kandidaten einer Klasse Versuchsumfang Wichtungsvektor (Feedforward-Mehrschichtnetz) Varianz Voreinspritzmenge Wichtungsdiagonalmatrix Wichtungsfaktor des spez. Kraftstoffverbrauchs Wichtungsfaktor der Stickoxidemission Wichtungsfaktor der Schwärzungszahl Wichtungsfaktor der Partikelemission ABKÜRZUNGEN UND FORMELZEICHEN x x X ξ y ˆ y y ¯ y z0 zi ZF ZFRef erenzpunkt Entscheidungsvariable, Modelleingangsgröße Entscheidungsvariablen-, Modelleingangsgrößenvektor Regressionsmatrix Störgrößenvektor geschätzter Modellausgang Zielgröße, Modellausgang empirischer Mittelwert Zielgrößenvektor Referenzvektor Referenzpunkt skalare Zielfunktion skalare Zielfunktion nach der Referenzpunktmethode 159 160 Literaturverzeichnis [1] ASAM Association for Standardisation of Automation-and Measuring Systems: http://www.asam.net. [2] Einführung ASAM-MCD (Messen, Kalibrieren, Diagnose), Version 1.0, 2001: http://www.asam.net. [3] Bothe, H.: Neuro-Fuzzy-Methoden - Einführung in Theorie und Anwendungen, Springer Verlag Berlin Heidelberg, ISBN 3-540-57966-4, Berlin, Heidelberg, 1998. [4] Bronstein, I.; Semendjajew, K.: Taschenbuch der Mathematik, B.G. 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