Wer Stadt und Architektur mitgestalten will, muss die Möglichkeit haben, darüber etwas zu lernen! HANDBUCH Das Kernziel der baukulturellen Bildung ist, Kinder und Jugendliche (und Erwachsene) mit Methoden und Prozes- sen der Produktion und Gestaltung von (Stadt-)Raum vertraut zu machen und sie zum aktiven Mitgestalten einzu- DER BAUKULTURELLEN BILDUNG laden. Gespeist aus über einem Jahrzehnt interdisziplinärer Praxiserfahrungen wurden Methoden von Mitgliedern von JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. und damit von Fachleuten aus den Bereichen Architektur, Planung, Jugend Architektur Stadt Pädagogik und Kulturwissenschaft zusammengetragen, mit denen Kindern und Jugendlichen Wissen und Hand- werkszeug über Architektur und Stadt im schulischen und außerschulischen Kontext vermittelt werden kann. Stadt Silke Edelhoff | Ralf Fleckenstein | Britta Grotkamp wird neu gelesen, es werden Zusammenhänge aufgedeckt, Ideen dargestellt, diskutiert und präsentiert. Damit wird Barbara von Jagow | Päivi Kataikko-Grigoleit | Angela Million (Hrsg.) auch die Frage beantwortet, wie eine spannende und bereichernde Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. der Gestaltung von Stadt und Architektur aussehen kann. Sonderpublikation des Instituts für Stadt- und Regionalplanung UNIVERSITÄTSVERLAG DER TU BERLIN der Technischen Universität Berlin ISBN 978-3-7983-3074-0 (print) ISBN 978-3-7983-3075-7 (online) Handbuch der baukulturellen Bildung – Jugend Architektur Stadt Silke Edelhoff | Ralf Fleckenstein | Britta GrotkampBarbara von Jagow Päivi Kataikko-Grigoleit | Angela Million (Hrsg.) HANDBUCH DER BAUKULTURELLEN BILDUNG Jugend Architektur Stadt Sonderpublikation des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin Hrsg.: Technische Universität Berlin, Fakultät VI: Planen Bauen Umwelt, Institut für Stadt- und Regionalplanung JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. ZUM VEREIN Seit 2005 fördert JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. die baukulturelle Bildung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Als gemeinnützige Organisation initiiert, konzipiert und realisiert JAS Workshops und Kommunikationskonzepte, die Kinder und Jugendliche anregen, Stadt, Architektur und Landschaft zu entdecken und eigene Ideen zu entwickeln. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen Verantwortung und Kreativität im Umgang mit ihrer gebauten Umwelt zu vermitteln und sie in die Lage zu versetzen, sich heute und in Zukunft aktiv in deren Gestaltung einzubringen. MITGLIEDER/FÖRDERMITGLIEDER/EHEMALIGE MITGLIEDER: Jan Abt, Klaudia Adamzuk, Andrea Benze, Caroline Berlingen, Lars Bursian, Sara Caimi, Pia Degenhardt (Gründungsmitglied), Franziska Dehm, Maren Derneden, Carlo Diedrichs, Silke Edelhoff (Gründungsmitglied), Anne Ellsiepen (Gründungsmitglied), Marian Enders, Ralf Fleckenstein, Britta Grotkamp, Juliane Hagen, Juliane Heinrich, Lena Herlitzius, Barbara von Jagow, Christina Jiménez Mattson, Anne Jonderko, Frederik Jung, Päivi Kataikko-Grigoleit (Gründungsmitglied), Simone Kirsch (Gründungsmitglied), Stefanie Koch, Anne Kraft, Hannah Kurdes, Felix Kutzera, Stephanie Ludwig, Dirk Lüderwaldt, Rolf Martin, Angela Million Uttke (Gründungsmitglied), Kati Misselwitz, Carla Multhaup, Agnes Müller, Anna Lena Ochsenreither, Jenny Ohlenschlager, Roland Patrik, Marieke Pepenburg, Christiane Pietsch, Irene Plechetka, Antje Sachs, Andrea Salgert, Thorsten Schauz (Gründungsmitglied), Anita Schepp, Peter Schlecht, Sebastian Schlecht, Anke Schmidt, Felix Schmidt, Hanka Schmidt, Heike Schwalm, Christian Sieg, Susanne Sigl, Manuela Sinen, Alexandra Sinz, Christina Strunˇk, Zuzana Tabacková, Sybille Vogelsang, Maria Theresa Wagner, Violetta Wilczek HANDBUCH DER BAUKULTURELLEN BILDUNG Jugend Architektur Stadt Herausgeber*innen: Silke Edelhoff Ralf Fleckenstein Britta Grotkamp Barbara von Jagow Päivi Kataikko-Grigoleit Angela Million Universitätsverlag der TU Berlin Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar. Herausgeber*innen: Silke Edelhoff Ralf Fleckenstein Britta Grotkamp Barbara von Jagow Päivi Kataikko-Grigoleit Angela Million JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. Mitarbeit: Carla Multhaup Thorsten Schauz Stefanie Koch Zuzana Tabacˇková Universitätsverlag der TU Berlin, 2019 http://verlag.tu-berlin.de Fasanenstr. 88, 10623 Berlin Tel.: +49 (0)30 314 76131 / Fax: -76133 E-Mail: publikationen@ub.tu-berlin.de Diese Veröffentlichung – ausgenommen Zitate und Abbildungen – ist unter der CC-Lizenz CC BY 4.0 lizenziert. Lizenzvertrag: Creative Commons Namensnennung 4.0 International https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Titelbilder: Vorne: Patricia Eichert, Gib der Stadt ein Gesicht, das Foto ist urheberrechtlich geschützt. Hinten: Jan Abt, Methode Building Blocks, das Foto ist urheberrechtlich geschützt. Satz/Layout: Marija Dzˇaleta, Annika Lesem Druck: DPG Nürnberg ISBN 978-3-7983-3074-0 (print) ISBN 978-3-7983-3075-7 (online) Zugleich online veröffentlicht auf dem institutionellen Repositorium der Technischen Universität Berlin: DOI 10.14279/depositonce-8252 http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-8252 Inhalt EINLEITUNG 9 Workshops: Workshops: Sommerakademie 10 Lichterballaden 58 Hingucker 14 Mapping Hobrecht 61 1 ANALYSIEREN 21 2 PHANTASIEREN 65 1.1 (Raum) wahrnehmen 23 2.1 Verändern und beobachten 67 Suchbilder 24 Rotes Sofa 68 Perspektivenfotos 25 Symboltausch 70 Mein Raum im Schaum 26 Fensterbilder 71 Verstärker 28 Spaceinvaders 72 Auf den Kopf gestellt 29 Luftobjekte 74 Die großekleine Welt 30 2 (T)Raum für die Hosentasche 31 2. Ideen finden 77 Atmosphärische Collagen 32 Ideen von A bis Z 78 Sprechende Objekte 79 1.2 Erkunden 35 Ideensprint 80 Mein Weg als… 36 Freie Collage 82 Bauen wie Spinnen und Geschichten schreiben 83 Baumgesichter finden 38 Patient*innenakten 84 Detailjagd 40 Urban acting 86 Laufspiel 42 Riesencollagen 88 Kartierungen 43 Durch den Rahmen gesehen 44 Messen und Markieren 46 Kunstblick 48 Sinnesexpert*innen 50 Fahnenmeer 52 Schnelle Bewertung 54 Soundscape 56 Interviews und Videobotschaft 57 Workshops: Workshops: Mitspielen 90 Haus des Lernens 122 Mein Fuhlenbrock 95 Schulhof Gestalten 127 3 GESTALTEN 99 4 KOMMUNIZIEREN 133 3.1 Zweidimensional arbeiten 101 4.1 Präsentieren 135 Orte zeichnen 102 Ausstellung und Ausstellungskatalog 136 Gestaltungsrezept 104 Grußkarten 138 Collagentechnik auf Fotografien 106 Häuser auf Beinen 139 Wechselbilder 107 Comics 140 Plakatkampagne 142 3.2 Dreidimensional arbeiten 109 Ein Stuhl aus… 111 4.2 Diskutieren 145 Arbeiten am Stadtmodell 112 Parcours 146 Arbeiten am Architekturmodell 114 Schilderwald 148 Modellbau und Fotografieren 116 Flüstertüte 150 Anbaumodell 118 Postkarten-Feedback 152 Modellbau mit reduziertem Material 120 Rollenspiele 153 Schmackhafte Bauten 121 Workshops: Ein Bunker wird verwandelt 154 Zwei Welten, ein Platz 157 EPILOG 160 Abbildungsverzeichnis 164 Zu jeder Methode gibt es wie im folgenden Beispiel eine Angabe der Rahmenbedingungen Empfohlenes Alter Gruppengröße Dauer Materialliste Einleitung Was macht Städte und Gebäude interessant und lebenswert? Wie sehen Häuser und Nachbarschaften aus, in denen wir heute und in Zukunft gerne leben möchten? Wie können wir Städte nachhaltig gestalten? Diese Fragen sind nicht nur eine Angelegenheit von Fachleuten und Erwachsenen, sondern auch von Kindern und Jugendlichen. Für sie ist das direkte Lebensumfeld ein wichtiges Erfahrungs- und Lernfeld. Zugleich werden sie die Benutzer*innen und Gestalter*innen zukünftiger Stadträume sein. Entscheidend dafür sind nicht nur die Erfahrungen, die sie heute im Umgang mit Stadt und gebauter Umwelt machen, sondern auch ihr Wissen um die ästhetischen, sozialen, technischen und funktionalen Belange der gebauten Stadt. Vielfältige methodische und inhaltliche Ansätze sollen Kinder und Jugendliche dazu befähigen, basierend auf ihren eige- nen Stärken – ob via Sprache, Text, Bild, Film oder Modell – ihre Vorstellungen von Stadt und Architektur zu äußern. Mit dem Buch wollen wir Lust machen, den oben genannten Fragen auf den Grund zu gehen, indem wir einen reichhaltigen Schatz an Methoden aus über zehn Jahren baukultureller Bildungsarbeit des Vereins JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. zusammengetragen haben. Die Methoden können in verschiedenen institutionellen Kontexten und an vielen Orten angewendet werden: im Schulunterricht und in Projektwochen, auf der Ferienbaustelle im Wohngebiet oder bei Stadtfesten, in realen partizipativen Planungsverfahren oder in nachbar- schaftlichen Bauaktionen. Die Kapitel des Buches folgen dabei vier wesentlichen Schritten, die sich in der Arbeit von JAS e. V. bewährt haben: 1. Analysieren und Erkunden von Raum als Untersuchungsverfahren, 2. Phantasieren und Austesten von Ideen, 3. Gestalten von Ideen in Zeichnungen, Collagen und Modellen sowie 4. Kommunizieren der Ergebnisse in der Öffentlichkeit. Ergänzt werden die Methoden um Workshop- und Projektbeschreibungen zu verschiedenen Themen. Sie geben einen Einblick, wie Methoden in der praktischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen angewendet, adaptiert und weiterentwickelt werden. In diesem Buch liegt der Fokus auf analogen Methoden. Dies mag in Zeiten der Digitalisierung anachronistisch erscheinen. Die sinnliche und konkrete hand- werkliche Auseinandersetzung mit Raum lässt sich jedoch nicht durch digitale Me- thoden ersetzen – aber wunderbar damit kombinieren. Am Ende kann nur gemutmaßt werden, wie Kinder und Jugendliche, die sich in jungen Jahren mit Stadt, Freiraum und Architektur auseinandergesetzt haben, als Erwachsene denken und wirken werden. Im Idealfall kann baukulturelle Bildung auch zu einer besseren Bau- und Planungskultur in unseren Städten und Gemein- den beitragen. Dies kann Ansporn sein, mit Kindern und Jugendlichen das Jetzt und die Zukunft der gebauten und gestalteten Lebensumwelt zu entdecken und beides mitzugestalten. Es macht aber auch jede Menge Spaß! Das Herausgeberteam im Namen der JAS e. V.-Mitglieder 9 Sommerakademie Mehrtägiger Workshop für Kinder und Jugendliche zu Themen wie Industrieerbe, Brachflächen, Mobilitätsräume als prägende Strukturen des Ruhrgebietes Ort > Gelsenkirchen Anzahl und Alter > 35 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 16 Jahren Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Pia Degenhardt, Fredrick Dauber, Carlo Diedrichs, Silke Edelhoff, Andrea Frederick, Anne Jonderko, Päivi Kataikko-Grigoleit, Anne Kraft, Michelle Kutzick, Rolf Martin, Carla Multhaup, Mike Neu- bauer, Anita Schepp, Suzanne Sigl, Alexandra Sinz, Christina Strunk, Angela Uttke Million, Maren Wichard Veranstalter/Kooperationspartner > JAS e. V. in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Haus der Stadtkultur e. V., Gelsenkirchen 10 WS Sommerakademie Im Sommer 2008 war die Maschinenhalle des ehemaligen Schachts Ober- schuir in Gelsenkirchen Veranstaltungsort des Workshops „Ich sehe was, was Du nicht siehst...“ für Kinder und Jugendliche. Veranstalter war JAS e. V. in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Haus der Stadtkultur e. V. Gemein- sam mit einem Betreuer*innenteam aus Architekt*innen, Stadtplanern*innen, Landschaftsarchitekt*innen, Geograf*innen und Pädagog*innen arbeiteten die jungen Teilnehmer*innen in den vier thematischen Gruppen an einem großen Stadtmodell. Den Einstieg in die Arbeit bildete die Geschichte vom Planeten Krik- kit, in Anlehnung an den Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams. Einstieg: Liebe Kinder, das intergalaktische Verkehrsministerium hat bei der Planung einer Hyperraumumgehungsstraße einen kleinen Fehler begangen. Die amtlich festge- legte Route führt genau durch den Punkt, an dem sich zum jetzigen Zeitpunkt un- ser Planet, die Erde, befindet. Aus diesem Anlass wurde der Befehl erteilt, binnen kürzester Zeit die Erde zu sprengen, um Platz für die Umgehungsstraße zu schaffen. Zur selben Zeit erteilte die intergalaktische Architektenkammer dem Planeten- baumeister Slatibartfast den Auftrag, für die Evakuierung und die Umsiedlung auf den Planeten Krikkit (den er eigenhändig gebaut hatte) zu sorgen. 11 Nun muss man dazu wissen, dass der Planet Krikkit vor langer Zeit den Wettbe- werb in der Kategorie „Langweiligster Planet im Universum“ gewonnen hat. Diese Schmach wollte Slatibartfast nicht auf sich sitzen lassen. Und vor allem wollte er nun dafür sorgen, dass auf Krikkit eine schöne Stadt – Planetopia – gebaut würde, denn so etwas gab es bisher dort nicht, nur öde leere Landschaft. So sandte er vier Forschergruppen (Architektur, Landschaftsplanung, Stadtgestaltung und Freiraum) zur Erde herunter, die den Auftrag hatten, nur das aller aller Schönste und aller al- ler Wichtigste in so genannte „Archen“ zu packen und nach Krikkit zu beamen, so dass Slatibartfast diese Elemente vervielfältigen und auf Krikkit verteilen konnte. Unten auf der Erde angelangt hörten die Forschergruppen, dass in Deutschland (genauer gesagt in Gelsenkirchen) die alljährliche Sommerakademie von JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. stattfindet. Und so nahmen sie zu uns Kontakt auf und fragten nach, ob sie mit unseren jungen Experten zusammen arbeiten können. Liebe Kinder, Ihr seid diese Experten und Expertinnen! Denn niemand anderes als Ihr weiß, wie unsere Häuser, Straßen, Wiesen, Wälder etc. aussehen sollen, damit wir uns alle auf dem Planeten Krikkit zu Hause fühlen. ** Frederik Daubner – Inspiriert durch Douglas Adams: „Per Anhalter durch die Galaxis“ 12 WS Sommerakademie Die Kinder wurden also als Helfer*innen des Planetenbaumeisters von Krikkit beauftragt, wichtige Orte und Stadträume zu finden und zu „verpacken“, um den neuen Planeten interessanter und vielfältiger zu gestalten. Den Kindern und Ju- gendlichen stand dazu jeweils ein „Kubikmeter Raum“ zur Verfügung, um darin die aus ihrer Sicht wichtigen Bestandteile der Erde in Modellen darzustellen. Als Baumaterialien standen vor allem Recylingmaterialien des Alltags – vom Jo- ghurtbecher bis zur Bananenkiste – zur Verfügung. Bevor das Modell gebaut wurde, haben die Teilnehmer*innen nicht nur über Häuser, Straßen, Freiräume und Straßenmobiliar diskutiert, sondern auch den Stadtteil Gelsenkirchen-Feldmark erkundet, vermessen und bestimmt, was in dem neuen großen Stadtmodell seinen Platz finden soll. Im Ergebnis ist ein 40 Quadratmeter großes Stadtmodell entstanden, das aus Sicht der Kinder und Jugendlichen alles Vorbildliche, Nützliche und Schöne der heutigen Stadt und Landschaft besitzt und auch neue Ideen umfasst: z. B. fanta- sievolle und farbenfrohe Gebäude, spannende Spiel- und Sporträume, abwechs- lungsreiche Landschaften und nützliche Stadtmöbel. Für Autos wurde wenig ge- plant – in der Recyclecity sollen vor allem Busse, Bahnen und Fahrräder und natürlich Raumschiffe genutzt werden. Energie wird mit Windrädern und einem Gezeitenkraftwerk erzeugt. Seinen Abschluss fand der Workshop am Sonntagnachmittag in einer öffentli- chen Präsentation vor Eltern und weiteren Besucher*innen. 13 Hingucker Ort > Dortmund, Hamburg und Berlin Anzahl und Alter > Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren Konzept und Workshop-Team > JAS-Team Ruhr, JAS-Team Hamburg, JAS-Team Berlin Veranstalter/Kooperationspartner > JAS e. V. und Partner, gefördert durch das Programm „Kultur macht Stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2013 bis 2017, siehe Dokumentation unter www.hingucker-jas.de 14 WS Hingucker Fünf Jahre, drei Städte, zahlreiche Workshops, eine Idee! Mit der Projektreihe „Hingucker“ sind von 2013 bis 2017 in Dortmund, Hamburg und Berlin Projekte mit Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Räumen rea- lisiert worden. Ziel dieser Projektreihe war es, bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche für die Alltags- und Gestaltungskultur, die sich im öffentlichen Raum zeigt, zu sensibilisieren, ihren Blick für ihre Alltagsumgebung zu schärfen und ihre Anlie- gen und Ideen sichtbar zu machen. Es wurden öffentliche Räume erkundet, ana- lysiert, bewertet und bespielt. Durch Interventionen entstanden diverse Objek- te und Bespielungsideen, die jeweils unterschiedliche Aspekte des öffentlichen Raums thematisieren. Auf diese Weise konnten Kinder und Jugendliche lernen, ihren Ideen und Wünschen konkrete Gestalt zu verleihen, sie handwerklich um- zusetzen und sich Raum und Gehör für ihre Anliegen zu verschaffen. Hingucker fallen auf, machen neugierig und laden ein, zum Hingucken, Wahrnehmen und Mitgestalten Um der Komplexität öffentlicher Räume gerecht zu werden, war die Projektreihe als eine Art Versuchsanordnung konzipiert: Die verschiedenen Formate hatten zum Ziel, den Erfahrungshorizont der Kinder und Jugendlichen im Hinblick auf ihre Lebensumgebung zu erweitern und eine Kommunikation zwischen allen Be- teiligten über Gestalt und Nutzung alltäglicher öffentlicher Räume anzustoßen. Nicht zuletzt ging es an allen Standorten darum, konkrete Ideen umzusetzen und die betrachteten Räume gemeinsam zu verändern. Zentrale Anknüpfungspunkte waren dabei die jeweiligen Orte und die Bedürfnisse und Ideen der Kinder und Jugendlichen. Allen Untersuchungsräumen gemeinsam war der Fokus auf Stadt- teile mit besonderem Erneuerungsbedarf, um sicherzustellen, dass das Angebot vor allem Kinder und Jugendliche erreicht, die in einem bildungsbenachteiligten Kontext aufwachsen. Im Sinne der baukulturellen Bildungsarbeit lenkten die „Hingucker“ den Blick von Kindern und Jugendlichen auf einen konkreten Ort, auf eine dort (er)fassbar gemachte räumliche Situation, seine Nutzung und Gestaltung. 15 Jeder kann, keiner muss mitmachen Die offenen Workshopformate und das Erreichen der Zielgruppe „Kinder und Ju- gendliche“ waren eine große Herausforderung. In den meisten Fällen war nicht vorauszusagen, wie viele und welche Kinder und Jugendliche an den Workshops teilnehmen. Deshalb wurden niedrigschwellige Anreize zum Erkunden und Mit- bauen gesetzt und zugleich Einblicke in den gemeinsamen Prozess ermöglicht. Aktionen und Mitmach-Baustellen im Freiraum stellten dabei ein wichtiges Ele- ment der Projektreihe dar. Denn ein Vorteil dieser Arbeitsweise ist es, dass auch diejenigen angesprochen werden, die sich für ein verbindliches Angebot nicht anmelden würden – ein wichtiger Aspekt in der Arbeit, nicht nur mit bildungs- benachteiligten Kindern und Jugendlichen. 16 WS Hingucker Kooperationen stellten das Fundament dar, um Veränderungsprozesse zu initiieren Die Verknüpfung baukultureller Bildung mit Partizipation ist eine komplexe Auf- gabe, die vielfältige Expertise und unterschiedliche Ressourcen benötigt. Sie lässt sich nur bewältigen, wenn verschiedene Partner*innen aus der kulturellen Bil- dung, der Kinder- und Jugendarbeit, der Planung sowie der Stadtteilarbeit eng miteinander kooperieren. Die Hingucker Projekte haben verdeutlicht, dass dies nur dann gelingt, wenn ein solcher Prozess auf den verschiedenen Ebenen ko- ordiniert und moderiert wird – Workshops allein reichen dafür nicht aus. Gerade die Hintergrundarbeit war ein wichtiger Baustein des Prozesses, um die verschie- denen Akteure nachhaltig zusammen zu bringen. 17 Partizipation im Planungsprozess Durch die Partizipation von Kindern und Jugendlichen vor Ort an den jeweiligen Planungsprozessen konnten sowohl Impulse in der Planung als auch in der bau- kulturellen Bildung gesetzt werden. Im Rahmen der verschiedenen Projekte wurden dazu fortlaufend unterschiedli- che Strategien entwickelt, um Kinder und Jugendliche im Zuge der Bildungsar- beit in Planungs- und Gestaltungsprozesse einzubinden. In der Konzeption und den Zielsetzungen für planerische Interventionen spielten die Voraussetzungen der verschiedenen Standorte eine wichtige Rolle. So wurde die Auseinanderset- zung mit der Planungs- und Gestaltungskultur vor Ort ein integraler Bestandteil der Projektarbeit. Im Ergebnis hat die Umsetzung über fünf Jahre mit unterschiedlichen Partner*innen in den drei Städten eine Bandbreite von Interpretationen und Ide- en auf diese selbst gestellte Aufgabe hervorgebracht. In Berlin wurde der Hingucker an drei unterschiedlichen Standorten mit jeweils verschiedenen Kooperationspartner*innen realisiert. 2013 wurde ein Verkehrs- raum im Soldiner Kiez im Berliner Wedding temporär überformt und in eine Rasenfläche verwandelt. 2014 wurden Ideen für einen Spiel- und Sportplatz im Wedding entwickelt und 2015 ein großes Möbel zum Chillen und Bewegen dau- erhaft umgesetzt. 2016 wurde in einem offenen Jugendtreff ein Bauwagen als 18 WS Hingucker Treffpunkt für Jugendliche saniert und umgebaut. 2017 wurde der Außenraum einer Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen mit Kindern und Ju- gendlichen gestaltet. In Hamburg und Dortmund wurde dagegen über fünf Jahre an einem Ort gear- beitet: In der Hamburger Großwohnsiedlung Osdorfer Born wurde zunächst mit temporären Möbeln und Interventionen experimentiert. Im ersten Jahr entstand ein überdimensionaler „Thron für alle“. 2014 und 2015 wurde die Wiese vor dem Haus der Jugend temporär als „Wohnzimmer im Grünen“ und als „Bewegungs- landschaft“ mit verschiedenen Objekten gestaltet, die zu verschiedenen Gele- genheiten eingesetzt werden können. Aus dem temporären Arbeiten entstand schließlich der Wunsch nach einem dauerhaften Hingucker. In einem iterativen Prozess wurden 2016 Ideen gesammelt, Prototypen entwickelt und schließlich ein Entwurf von einer Jugendjury ausgewählt. Dieser Entwurf wurde 2017 in zwei Größen an verschiedenen Orten dauerhaft realisiert und soll perspektivisch noch an weiteren Orten umgesetzt werden. In Dortmund entstand über fünf Jahre in der Woldenmey-Siedlung am Stadtrand ein Nachbarschaftsgarten mit einem großen Tisch und einem Gartenhaus. Der Garten stellt eine räumliche Setzung in dem großzügigen zentralen Freiraum der Siedlung dar und etabliert sich mehr und mehr als Treffpunkt. Das Gartenhaus in Form eines gestalteten Containers dient als Aufenthaltsort und „Speicher“ für Spielgeräte und modulare Sitzmöbelbausteine. Damit ist es Ausgangspunkt für unterschiedliche Aktivitäten im Quartier. 19 20 WS Sommerakademie 1 Analysieren Die Auseinandersetzung mit einem Thema beginnt immer mit der Analyse der vorhandenen Situation. So steht auch bei der Vermittlung baukultureller Inhalte die Analyse von gebauter Umwelt, meist unter spezifischen Fragestellungen und unter Eingrenzung eines Untersuchungsgebietes, am Anfang. Wahrnehmen und Erkunden sind dabei die wesentlichen Aktivitäten, die unterstützt und initiiert werden, um Stadt, Architektur und gebaute Umwelt insgesamt zu analysieren. Die physischen Eigenschaften des gewählten Untersuchungsgebietes, die Rahmen- bedingungen, die seine Gestaltung und Nutzung prägen, sowie auch die höchst subjektive Wahrnehmung der Umwelt durch die Kinder und Jugendlichen wer- den dabei berücksichtigt. Zusammenhänge zu verstehen und sich individuell mit den Themenstellungen auseinander zu setzen ist Ziel einer Raumanalyse. 21 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen 1.1 (Raum) wahrnehmen In jedem Augenblick befinden wir uns an Orten und in Räumen, die wir erfahren können. Räume überlegt wahrzunehmen bedeutet das Erfühlen und bewusste Erleben von Raum mit dem ganzen Körper und mit allen Sinnen. Dies gilt ge- rade für Kinder und Jugendliche, die sich ihre Umwelt noch viel mehr als Er- wachsene durch Bewegung und sinnliche Wahrnehmung erschließen. Materiali- tät, Gerüche, Geräusche, Entfernungen, Temperatur, Licht und Farben erzeugen Stimmungen und Atmosphären. Reaktionen auf verschiedene Räume können mit verschiedenen Emotionen, wie beispielsweise Geborgenheit, Unwohlsein oder Langeweile verbunden sein. Räume haben demnach stets Einfluss auf die momentane Verfassung und das eigene Verhalten, ohne dass man sich dessen unbedingt bewusst ist. Die bewusste Wahrnehmung von Räumen mit allen Sinnen ist daher ein wich- tiger Teil der baukulturellen Bildung. So wird der Blick auf die gebaute Umwelt sensibilisiert und erweitert – ästhetisch, sozial und funktional. Auch wird mit Hilfe der Wahrnehmungsschulung der Erfahrungshorizont der jungen Menschen vergrößert und Architektur, Stadt und Landschaft für Kinder und Jugendliche verständlich und erlebbar. Methoden zur Schulung der Wahrnehmung regen die Sinne an, die gebaute Umgebung zu begreifen. Sie sollen den Blick auf neue Erfahrungsebenen wie Details, sinnliches Empfinden oder ungewohnte Zusammenhänge lenken. Da- bei können Themen wie Maßstab, Blickwinkel, das eigene Körperempfinden im Raum, sowie Hören, Riechen und Tasten angesprochen werden. Über die Verän- derung der eigenen Wahrnehmung kann man den gewohnten Blick auf bekann- te Räume verändern und Neues entdecken. Ziel ist es, Interesse und Begeisterung für den gestalteten Raum mit seinen Architekturen und Freiräumen zu wecken. Durch die bewusste Wahrnehmung mit allen Sinnen erweitert sich das Blickfeld und das Verständnis für räumliche Zusammenhänge. 23 Suchbilder Ortserkundung und Schulung der Wahrnehmung durch das Suchen von Details ab ca. 5 Jahren Die Kinder und Jugendlichen erhalten einen Plan (Lageplan, Grundriss oder Kar- 2–4 Personen te) sowie eine Reihe von Fotoausschnitten eines bestimmten Ortes, den es zu 0,5 bis 1,5 h untersuchen gilt. Das können Innenräume, Außenräume oder ganze Stadtteile sein. In kleineren Teams (2–4 Personen) müssen die Kinder nun herausfi nden, welche Bilder an welchem Ort gemacht wurden und dies in die Karte eintragen. Fotos mit Detailausschnitten, Dies kann gut mit einer Rallye verbunden werden. Über entsprechende Bildaus- Grundriss, Lageplan oder schnitte kann dann jeweils die nächste Station einer Rallye oder Erkundungstour Luftbild, Klebepunkte angekündigt werden. Über die Bildausschnitte kann man auch auf Besonderhei- ten eines Ortes oder besondere Perspektiven hinweisen. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich gut über die Bildausschnitte bestimmen. Hinweis: Für kleinere Kinder und alle, die im Lesen von Plänen und Karten noch ungeübt sind, können Markierungen in den Plänen, wo die jeweiligen Bilder aufgenommen wurden, bei der Orientierung helfen. Ältere Kinder oder geübtere „Planleser*innen“ bekommen die Pläne ohne Markierungen. 24 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen Perspektivenfotos Erste Kenntnisse über das Phänomen „Perspektive“ erlangen und seinen Blickwinkel verändern Je weiter etwas entfernt ist, desto kleiner wirkt es. Um den Kindern dieses Phäno- ab ca. 8 Jahren men zu verdeutlichen, erstellen sie Fotos mit optischen Täuschungen. Das Haus 2–3 Personen auf der Hand, der Turm (berühmtestes Beispiel ist der schiefe Turm von Pisa), 1,5 h der mit den Füßen umgestoßen oder gehalten wird, das Hochhaus, das einen Hut trägt: in Gruppen von 2 bis 3 Teilnehmer*innen suchen die Kinder und Ju- gendlichen Fotomotive, die durch geschickte Positionierung von Requisiten oder Personen perspektivische Verzerrungen und optische Täuschungen erzielen. Die Digitalkameras, Fotos werden ausgedruckt und präsentiert. Fotodrucker, Pappe, Stifte Als Variante können Fotos erstellt werden, die ein Objekt oder eine Gegend aus einer ungewöhnlichen, möglichst extremen Perspektive zeigen: auf den Kopf gestellt, von unten senkrecht nach oben, z. B. entlang einer Fassade oder von unterschiedlich hohen Blickpositionen aus. Die Teilnehmer*innen schreiben zu diesen Orten Geschichten: Was könnte an diesem Ort passiert sein? Wer nimmt diesen Ort aus diesem Blickwinkel wahr? Die Perspektivenbilder können als Collagen analog zur Geschichte vervollstän- digt und verändert werden. 25 Mein Raum in Schaum Phantasiereise zur Stärkung der räumlichen Körpererfahrung ab 3 Jahren Zusammen mit den Kindern wird eine Phantasiereise unternommen. Dabei ab 10 Personen schließen die Kinder die Augen und lassen sich in entspannter Atmosphäre auf 15–20 min die Schaum-im-Raum Geschichte ein. „Schließt die Augen und stellt euch vor, ihr seid in einem Raum im All. Dort gibt es ein Material, den sogenannten Raumfahrtschaum, der sich ganz nah an den ein großer Raum Körper anschmiegt. Er ist fest und ganz dicht. Nun bleibt ganz still stehen und fühlt, wie der Schaum sich an euren Körper schmiegt. Wie fühlt es sich an, so eingeschlossen zu sein? Sich nicht bewegen zu können, weil kein Platz ist? Nun fangt an, euch ganz langsam zu bewegen. Ihr stellt fest, dass der Schaum mit ein wenig Druck formbar ist. Bewegt euch langsam und verschafft euch Platz im Schaum, indem ihr euch in verschiedenen Richtungen dehnt. Beginnt mit den Fingern Gänge in den Schaum zu bohren, diese dann mit den Armen zu Höhlen erweitern und durch die Bewegung des Oberkörpers Räume schaffen. Wie viel Platz benötigt ihr, damit ihr euch wohlfühlt? Der Raum, den ihr braucht, ist zu allen Seiten, auch nach oben, möglich. Braucht ihr auch unten mehr Platz? Dann 26 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen fangt an, den Po zu bewegen, dann die Beine. Macht langsame und kraftvolle Bewegungen. Der Schaum gibt nach, aber man braucht schon etwas Kraft. Wenn der Schaumraum so ist, dass ihr euch wohlfühlt, beginnt, mit den Hän- den die Wände zu ertasten und glattzustreichen. Wenn alles fertig ist, öffnet die Augen. Nun hat jeder seinen Wohlfühlschaumraum geschaffen. Aber jeder ist alleine. Wenn ihr Euch Gesellschaft wünscht, grabt euch eine Weg zum Nachbarn. Natür- lich müsst ihr klären, ob dieser diese Verbindung auch möchte. Vielleicht möch- tet ihr auch gemeinsame Räume mit mehreren Freund*innen schaffen? Dann los! Wenn ihr alle Verbindungen und Räume fertig habt, bleibt still stehen, schließt die Augen nocheinmal und stellt euch den Raum vor, den ihr in Schaum geformt habt. Wo fängt er an, wo hört er auf? Wie hoch ist die Decke? Wieviele Menschen haben Platz darin? Geht in Gedanken zurück in euren persönlichen Wohlfühl- schaumraum und öffnet die Augen“ Nach der Phantasiereise kann man in einem abschließenden Gespräch zu- sammentragen, welche Eigenschaften ein Raum haben muss, damit man sich wohlfühlt, welche Vorstellungen angenehm, welche unangenehm waren. Diese Übung eignet sich gut als Einstieg in räumliche Planungsprozesse, um sich selbst im Raum bewusst zu werden und sich der eigenen Bedürfnisse an Raum gewahr zu werden. 27 Verstärker Schärfung der Wahrnehmung und Erforschung von Räumen durch selbstgebaute Wahrnehmungsverstärker ab 6 Jahren Ziel ist die sinnliche Raumwahrnehmung zu schärfen, indem man Hilfsmittel ab 10 Personen baut, die als „Verstärker“ oder auch zur Verfremdung der gewohnten Raumwahr- 1 bis 1,5 h nehmung dienen. Zunächst ist es zweckmäßig, eine Erkundungsübung mit allen Sinnen zu machen, um die zu untersuchenden Räume sensuell kennenzulernen. Wie hört sich der Raum an? Welche Farben entdecken wir? Welche Oberfl ächen sind zu erspüren? Wie schmeckt der Ort? Im nächsten Schritt werden nun Ob- kleinteiliges Modellbau- jekte gebaut, die diese Wahrnehmung verändern, z. B. farbige Brillen, Kopfhörer, und Recyclingmaterial (z. B. die das Hören dämpfen oder verstärken, aber auch Schuhe oder Handschuhe, farbige Folien, Plastikbecher, die das taktile Erleben von Räumen verändern (z. B. Schuhe mit schrägen Soh- kleine Deckel, Stäbchen, len oder Schwämme unter den Füßen, die ein Gefühl vermitteln, man laufe auf Schwämme, Schläuche), Sand). Hierfür können die Kinder konkrete Anweisungen bekommen, beispiels- Scheren, Cutter, Kleber weise die Aufgabe, Farbbrillen zu bauen. Man kann die Aufgabe aber auch offen stellen, mit dem Ziel, dass die Kinder selbst einen „Verstärker“ oder „Transformer“ entwickeln. Hinweis: Diese Aufgabe lässt sich auch gut im Zuge der Ideenfi ndung zur Um- gestaltung von Räumen einsetzen. Aufgabe für die Kinder ist es dann, ihre Ge- staltungsidee, z. B. die Schaffung einer Unterwasserwelt, die gemütlichere oder coolere Gestaltung eines Raumes, umzusetzen, indem sie ihre eigene Wahrneh- mung (und nicht den Raum selbst) verändern. 28 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen Verstärker Auf den Kopf gestellt Innen- und Außenräume anders erfahren und sehen Alle Teilnehmer*innen bekommen einen Spiegel. Dann stellen sich alle hinterei- ab ca. 5 Jahren nander auf und legen jeweils einen Arm auf die Schulter der Vorgänger*in – wie 15–20 Personen bei einer Polonaise. Die erste Person (ohne Spiegel) führt die Gruppe durch die 1,5 h Innenräume und wählt die Strecke so aus, dass die anderen Teilnehmer*innen sicher durch die Räume gehen können ohne auf den Weg zu achten. Die Ge- führten halten sich den Spiegel waagerecht unter die Nase und betrachten die Umgebung anhand des Spiegelbildes. Beim Durchschreiten der Räume haben Handtaschenspiegel die Teilnehmer*innen so den Eindruck an der Decke entlang zu spazieren. Hinweis: Am besten eignen sich Räume, die nicht mit Möbeln zugestellt sind. Aber auch baulich begrenzte oder begrünte Straßenräume haben sich für diese Übung bewährt. Besonders spannend für diese Übung sind Räume mit schrägen Decken. In der Regel werden Innenraumdetails, Deckenkonstruktionen, Fassadenelemen- te sowie technische Installationen von Innen- und Außenräumen wahrgenom- men, die im Alltag nicht gesehen werden. Die Entdeckungen können im An- schluss an den gemeinsamen Rundgang mündlich zusammengetragen werden und eine Diskussion über Raumwahrnehmung anregen sowie eigene Raumge- staltungen inspirieren. 29 Die großekleine Welt Wahrnehmungsschulung durch Verfremdung der Größenverhältnisse ab 6 Jahren Eine Aufgabe, um sich mit Details auseinanderzusetzen und um spielerisch Per- 2–4 Personen spektiven und Maßstäbe zu begreifen, ist – anknüpfend an die Arbeitsweise des 30 min + Rundgang und Künstlers Slinkachu – Miniaturwelten zu arrangieren und diese anschließend zu gegenseitiges Präsentieren fotografi eren. (5 min pro Team) In Teams von zwei bis vier Personen erkunden die Teilnehmer*innen ein vor- her ausgewähltes Areal. Auftrag ist es, einen Ort zu fi nden, an dem die Miniaturfi gur(en) im Kontrast zu einem Detail der gebauten Umwelt in Szene Miniaturfi guren (Modell- gesetzt werden können. Diese Szenen werden nun von den Teilnehmer*innen bau- oder Playmobilfi guren), gestaltet und anschließend in zwei Maßstäben fotografi ert: einmal aus der Dis- Kamera, Fotodrucker tanz, sodass das Umfeld im Vordergrund steht, einmal als Nahaufnahme, die die verfremdete Darstellung des Details in Bezug auf die Miniaturfi gur deutlich werden lässt. Durch die Wahl der Szenen können die Besonderheiten der Orte hervorgehoben werden, es kann z. B. auf besonders verunreinigte oder schöne Orte aufmerksam gemacht werden. Hinweis: Für jüngere Kinder können auch Playmobilfi guren benutzt werden. 30 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen (T)Raum für die Hosentasche Reduzierte Darstellung von wesentlichen Raumbedürfnissen In den Harry-Potter-Romanen wird der „Raum der Wünsche“ beschrieben. Er ab 7 Jahren erscheint nur dann und dort, wo er gebraucht wird und entspricht dann in Größe Einzelarbeit und Ausstattung genau den momentanen Bedürfnissen des Menschen, der ihn 15–20 min sich wünscht. Man muss dreimal an einer Wand vorbeilaufen und sich den Raum wünschen und schon erscheint eine Tür, hinter der sich der Raum befi ndet. Wird er nicht mehr gebraucht, so verschwindet er wieder. leere Streichholzschachtel (eine pro Teilnehmer*in), Auf dieser Geschichte aufbauend bekommen die Teilnehmer*innen die Aufgabe, Kleber, Zeitschriften, diverse ihren ganz persönlichen Wunsch- oder Sehnsuchtsraum in einer Streichholz- Modellbaumaterialien (kleine schachtel nachzubauen. Da es nur sehr wenig Platz für die Darstellung gibt, darf Mengen), Knetmasse, Filzstifte in den Modellen nur das Wesentliche dargestellt werden. Die Streichholzschach- tel soll am Ende schließbar sein, damit man seinen Wunschraum immer bei sich tragen kann. Wer schnell fertig ist, kann die Schachtel auch von außen gestalten. 31 Atmosphärische Collagen Kreative und assoziative Darstellung der individuell wahrgenommenen Atmosphäre eines Ortes ab 6 Jahren Die Teilnehmer*innen erkunden im ersten Schritt in kleinen Gruppen (3–4 Perso- 2–4 Personen nen) einen ausgewählten Innen- oder Außenraum mit allen Sinnen (z. B. mithilfe 1,5 h der Methode „Sinnesexpert*innen“). Die Erkundung dient als Grundlage für eine atmosphärische Collage, in der die Gruppen ihre subjektiven Eindrücke von ei- nem Ort darstellen. Dazu wählen sie Materialien, Farben, Bilder, Gegenstände und Adjektive aus, die ihren Eindrücken des Ortes entsprechen. Sammlung unterschiedlicher Materialien (z. B. Stoffreste, Die Collagen werden anschließend der gesamten Gruppe vorgestellt. Dabei ist Materialproben aus dem es oftmals interessant, wenn eine Gruppe ihre Collage nicht sofort selbst erklärt, Baumarkt, Recycling-Mate- sondern zunächst die anderen berichten, was sie in der Collage entdecken und rialien, kleine Gegenstände), raten, um welchen Ort es sich handeln könnte. Postkarten und andere Bilder, Kärtchen mit ver- Hinweis: Bei dieser Übung gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“. Die entstehenden schiedenen Adjektiven Collagen können sehr unterschiedlich sein. Einige bilden den Raum in seinen Abmessungen nach, andere gestalten ihre Collage eher intuitiv. Wichtig ist viel- mehr, dass eine Kommunikation über die erkundeten Orte in Gang kommt. Die Collagen müssen nicht festgeklebt werden, sondern können fotografi ert wer- den, um die Materialien und Bilder wieder verwenden zu können. Hintergrund für die Collagen kann auch ein Plan (Lageplan, Grundriss etc.) sein. Dabei können Fundstücke vom Untersuchungsgebiet direkt eingebracht werden, so wird die Atmosphäre des Areals direkt im Plan verortet. Gerade bei größeren Kindern ist das eine Brücke, um der sinnlichen Erkundung eine Ernsthaftigkeit zu verleihen. Diese Methode kann auch angewandt werden, um einen Raum zu entwerfen. Bevor die Kinder diesen konkret gestalten, überlegen sie, welche Anmutung der Raum später haben soll und fangen an, dies in einem abstrakteren Rahmen ab- zubilden (z. B. in einem Schuh- oder Pizzakarton). So machen sie sich Gedanken um die Wirkweise und Stimmung des Raumes ohne konkrete Entscheidungen zu Maßen, Einrichtung etc. treffen zu müssen. 32 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen 33 34 1 Analysieren 1 1 (Raum) wahrnehmen 1.2 Erkunden Forschung beginnt mit Erkundung der Gegebenheiten. In der Architektur, Stadt- oder Landschaftsplanung ist die Grundlage der Analyse immer eine Erkundung des Planungsgebiets. Ohne das Wissen um den genauen Zustand eines Ortes, kann kein fundiertes Weiterarbeiten bis hin zum Entwurf funktionieren. Ähnlich der Wahrnehmungsschulung ist es sinnvoll, mit allen Sinnen auf Erkundung zu gehen. Dementsprechend müssen die Aufgaben gestellt werden. Intuitiv erfas- sen Kinder und Jugendliche ihre gebaute Umwelt. Es ist folglich wichtig, dies zu nutzen und bei einer ersten Erkundung einzusetzen. Orte riechen anders, sehen verschieden aus und fühlen sich unterschiedlich an. Die kleinen Entdecker*innen machen sich daher auf und katalogisieren Gerüche und Farben, erspüren das Umfeld und ertasten Materialien. Häufig erfassen junge Menschen die Situation mit einem Blick und in ihren ers- ten Aussagen und Bewertungen finden sich bereits viele Information zum Zu- stand des Untersuchungsgebietes. Gleichzeitig geht es auch darum, tiefer in Si- tuationen einzusteigen und zu hinterfragen – also auch den ersten Eindruck und die intuitive Erfassung zu hinterfragen. Die physischen Eigenschaften des gewählten Untersuchungsgebietes, die Rah- menbedingungen, die seine Gestaltung und Nutzung prägen, sowie auch die höchst subjektive Wahrnehmung der Umwelt durch die Kinder und Jugendli- chen werden dabei berücksichtigt. 35 Mein Weg als... Durch Mental Maps Orte und Atmosphären in Erinnerung bringen und nicht alltägliche Details bewusst machen, indem man in eine andere Rolle schlüpft ab ca. 6 Jahren Der Weg von einem Ort (A) zum anderen (B) wird beim Erstellen von Mental Maps Einzelarbeit aus der Erinnerung zeichnerisch dargestellt. Dies kann je nach Veranstaltungszu- 15–20 min sammenhang zum Beispiel von Zuhause zur Schule, oder zum Veranstaltungsort (zzgl. ca. 3 min Präsen- o. ä. sein. Die markanten Punkte entlang des Weges werden mit unterschiedli- tation pro Person) cher Aufgabenstellung dargestellt. Dazu wird das A3 Papier im Querformat so gefaltet, dass drei gleich große Be- reiche entstehen. Auf jedem Abschnitt wird oben links der Ausgangsort A und weißes A3 Papier, ein unten rechts der Zielort B gezeichnet. Es empfi ehlt sich, nur schwarze, nicht zu schwarzer Filzstift pro dünne Filzstifte zur Verfügung zu stellen, damit die Darstellungen nicht zu de- Person, evtl. Farbstifte taillreich werden. Auf dem ersten Abschnitt wird oben rechts der Name des Teilnehmenden als Überschrift notiert. Nun zeichnen die Teilnehmer*innen in maximal acht Minuten den Weg von A nach B aus ihrer Sicht auf. Für die Darstellung auf dem zweiten Abschnitt entscheiden sich die Teilnehmer*innen für eine Sinneswahrnehmung (Hören, Sehen, Riechen etc.), de- ren Symbol sie oben rechts auf den Abschnitt zeichnen. Nun wird der gleiche Weg so aufgezeichnet, dass nur Dinge dargestellt werden, die mit dem gewählten Sinn wahrnehmbar sind. Dafür stehen maximal fünf Minuten zur Verfügung. Für die Darstellung auf dem letzen Abschnitt erhält jede*r Teilnehmer*in einen Zettel mit einer Person oder Figur (diese kann z. B. ein*e Schauspieler*in, Comic- fi gur oder ein Tier sein – rechts zu sehen ist der Weg aus Sicht einer Katze). Diese wird oben rechts notiert und nun wird der Weg von A nach B aus Sicht dieser Person aufgezeichnet. (max. 5 Minuten) Teilnehmer*innen, die besonders schnell arbeiten, können ihre Zeichnungen kolorieren. Im Anschluss werden die Ergebnisse gegenseitig präsentiert. Als Variante können auch nur zwei Wegzeichnungen erstellt werden. Hinweis: Diese Methode eignet sich besonders als Einstieg, als Vorstellungsrunde und Kennenlernmethode. Sie kann auch bei besonders großen Gruppen einge- setzt werden. Dann sollte man nur einige Ergebnisse exemplarisch präsentieren. 36 1 Analysieren 1 2 erkunden 37 Bauen wie Spinnen und Baumgesichter fi nden Möglichkeiten die Natur spielerisch in ihren Details kennenzulernen und zu erfahren ca. 4–10 Jahre Direkt in der Natur zu sein, ist eine wichtige Erfahrung für die Entwicklung von 2–3 Personen Kindern. Durchaus ist es nicht zu unterschätzen, wie selten Kinder und Jugend- ca. 0,5 h liche draußen sind, deshalb ist es gut auch immer solche Angebote zu machen. Denn an der frischen Luft zu sein, eröffnet Kindern ganz neue Zugänge zur Natur, z. B. wie man sich im Wald verhält oder unmittelbares, greifbares Wissen über die Natur. Holz, Baumfrüchte, Blätter, Farben und eventuell Ton Die natürliche Umwelt zu erfahren, ist Ziel dieser Aufgabe. Dabei wird der Fokus auf das genaue Hinsehen, den Blick auch in der Natur aufs Detail und das sinn- Für die Forstwirtschaft gibt liche Erforschen gelegt. es verschiedene bunte Bän- der oder Sprühkreiden, die Die Teilnehmer*innen arbeiten die ganze Zeit draußen und setzen direkt in der ökologisch verwittern – diese Natur ihre Ideen um. Aufgabe ist hier mit dem vorhandenen Material vor Ort Materialien können auch gut etwas zu gestalten. Zunächst bekommen sie den Auftrag Naturmaterialien zu in der Natur verwendet sammeln, die sie inspirieren. Das können alle möglichen Fundsachen sein, wie werden. Blätter, Zapfen, Äste, etc. Dabei sollte man den Kindern erklären, dass möglichst keine Pfl anzen ausgerissen oder nur so viele verwendet werden sollten, wie man für das eigene Kunstwerk benötigt. Anschließend sollen die Kinder mit den ge- sammelten Materialien etwas legen, stapeln, bilden oder zusammenfügen. Das können freie Installationen in der Natur sein, sie können aber auch nach einer konkreten Aufgabenstellung gebaut werden. Bei freien Installationen nehmen die Kinder die Natur in ihrem derzeitigen Zu- stand wahr und suchen sich einen Platz, an dem sie etwas verstärken oder ergän- zen möchten. Sie weisen den Betrachter, durch ihr Werk, auf die Besonderheiten dieses Ortes hin. Konkretere Inszenierungen in der Natur können z. B. Baumgesichter oder Tier- architekturen sein. Die Kinder sollen hierbei genau hinsehen und die einzelnen Bäume, ihre Gestalt, ihre Veränderungen im Jahresrhythmus gut betrachten, und anschließend ihre Eindrücke formulieren. Entsprechend dem, was sie in den Bäu- men entdeckt haben, fertigen die Kinder Baumgesichter an. Dabei befestigen sie die Gesichter direkt an den Bäumen, indem sie Rindenspalten, Gräser etc. zum Befestigen nutzen. Eine weitere Möglichkeit ist die Baumgesichter aus Ton zu formen. Die angefertigten Baumgesichter sollten die Charakteristik des Baumes wieder spiegeln. Für ältere Kinder bietet sich ein etwas technischeres Thema an, wie die Bionik, in der biologische Phänomene auf die Natur übertragen werden. Auch in der 38 1 Analysieren 1 2 erkunden Architektur finden Anregung aus der Natur Verwendung, z. B. bei Konstruktionen. Ein berühmtes Beispiel ist das Dach des Olympiastadions in München von Frei Otto, das sich wie ein Spinnennetz über das Stadion spannt. Hinweis: Landart bleibt an dem Ort an dem sie inszeniert wurde und verwittert mit der Zeit wieder. Über diesen Aufhänger kann man mit Kindern gut ins Ge- spräch kommen. Er beinhaltet gleich verschiedene Fragestellungen: Was lässt man in der Natur zurück? Was darf ich überhaupt zurücklassen? Wie vergänglich ist die Natur? Auch über diese ökologischen Fragen hinaus kann man ausge- zeichnet mit Kindern über die Rolle der Kunst in der Natur philosophieren. Ältere Kinder lassen sich wunderbar durch Landart Künstler*innen inspirieren, es kann also hilfreich sein den Jugendlichen vorher ein paar anschauliche Beispie- le zu zeigen. 39 Detailjagd Ortserkundung und Sensibilisierung für Details mit Hilfe von fotografi schen Medien Jugendliche Auf kleinen Zetteln werden Elemente und Ausstattungsgegenstände von Ge- Einzelarbeit bäuden oder des Stadtraums notiert; von Fenster, Lampe, Türklinke, Wand über ca. 30 min Zaun, Klingelschild bis hin zu Verkehrsschild und Straßenbelag. Diese können plus Nachbereitung vorbereitet sein oder mit den Schüler*innen zusammen erarbeitet werden. Jede*r Schüler*in zieht einen Zettel und begibt sich „auf die Jagd“. In kurzer Zeit sollen so viele Varianten des ausgewählten Details wie möglich gefunden und fotogra- Zettel mit Detailbegriffen, fi sch festgehalten werden. Fotokameras oder -handys, Laptop, evtl. Fotodrucker, Für die Auswertung empfi ehlt es sich, die Fotos auf einem Laptop zu sammeln, Post-it-Zettel, Stifte damit sie gemeinsam angesehen und analysiert werden können. So ist auch eine Präsentation z. B. während des Workshops oder in einer Ausstellung möglich. Die mündliche Refl exion mit den Jugendlichen kann unterstützt werden, indem man Post-it Zettel nutzt, um die wichtigsten Erkenntnisse festzuhalten. Wichtiger als die einzelnen Fotos eines Details ist dabei die Auseinandersetzung mit den im Alltag unbeachteten, aber vielsagenden Elementen des gebauten Raums. Auch die Themen Vielfalt und Variation können im positiven wie im nega- tiven Sinne diskutiert werden. 40 1 Analysieren 1 2 erkunden 41 Laufspiel Förderung der Wahrnehmung der eigenen Befi ndlichkeit in Bezug auf einen Ort und Bewusstmachung der Individualität von Raumwahrneh- mung 4–10 Jahre Die Kinder überlegen sich bei der Erkundung des gewählten Ortes Adjektive, die 2–4 Personen den Ort beschreiben, z. B. hell, freundlich warm etc. Diese werden auf den Kar- ca. 30 min teikarten notiert. Nun vergleicht man die einzelnen Eindrücke und erhält so ge- meinsam eine Beschreibung des Ortes, der vor allem die atmosphärische Wirkung hervorhebt. Ältere Kinder können diese Beobachtung in einen Plan einzeichnen. bunte Kärtchen (DIN A7), Danach dreht sich die Vorgehensweise um: Die Kinder suchen Orte und Plätze, Edding die zu einem Adjektiv passen. Nacheinander suchen die Kinder sich jeweils eine Adjektivkarte aus und fordern die anderen auf, sich an einen Ort in der näheren Umgebung zu begeben, der ihrer Meinung nach diese Eigenschaft trägt. Bei diesem Laufspiel sind die Kinder auf spielerische Art dazu aufgefordert, den Ort aufmerksam wahrzunehmen und seine positiven und negativen Seiten für sich selbst zu verorten. Darüber hinaus wird für alle sichtbar, welche Gemeinsam- keiten und Unterschiede in der Bewertung eines Ortes in der Gruppe bestehen: So laufen vielleicht alle bei einem Stichwort zu derselben Stelle, während sich alle bei einem anderen verschiedene Stellen aussuchen. Hinweis: Das Laufspiel eignet sich gut als Aufl ockerungs- und Bewegungsübung. Zugleich ist es eine schöne Methode, eine Raumerkundung gemeinsam spiele- risch auszuwerten. 42 1 Analysieren 1 2 erkunden Kartierungen Analytische Plandarstellungen Zur Analyse eines zu bearbeitenden Areals oder eines Gebäudes werden groß- 6–10 Jahre formatige Bestandszeichnungen (u. a. Lagepläne, Grundrisse oder auch Ansich- 2–3 Personen ten von Gebäuden) an die Teilnehmenden verteilt. Diese wurden vorab grafi sch 2 h – in Abhängigkeit der aufbereitet, sodass nur eine reduzierte Menge an Informationen dargetellt wird. Größe des zu begehenden Areals Der Aufgabenstellung entsprechend erhalten die Teilnehmer*innen bestimmte Suchaufträge und Fragestellungen. Die Suchergebnisse werden in die Pläne ein- gearbeitet, so dass eine grafi sche Überlagerung zwischen den Bestandsplänen und der Wahrnehmung der Teilnehmenden entsteht. Die grafi schen Ergänzun- großformatige, präparierte gen können sowohl Stichworte als auch Piktogramme sein. Plandarstellungen, groß- formatige Pappen als Ziel dieser Arbeitsphase ist es, die Raumerfahrungen der Teilnehmer*innen auf Zeichenunterlage, Stifte einen zweidimensionalen, maßstäblichen Plan zu übersetzten. Dabei animie- ren die bereits vorgegebenen Plandarstellungen die Kinder dazu, den Plan in eigener Regie zu verändern und grafi sch zu überformen. Mit der Auswertung des Plans können Defi zite und Potentiale von Orten benannt werden, die als Grundlagen für weitere Arbeitsschritte hinsichtlich Ideen- und Konzeptfi ndung für Raumveränderungen (Eingriffe, Transformationen, etc.) dienen können. 43 Durch den Rahmen gesehen Erkundung eines Gebiets mit der Fragestellung, welche Orte besonders schön oder unschön sind ab 6 Jahren Die Kinder oder Jugendlichen werden in Teams eingeteilt. Sie erhalten pro Grup- max. 4 Personen pe einen roten und einen grünen Rahmen sowie eine Kamera. Außerdem erhal- 15–20 min (abhängig ten sie einen Kartenausschnitt des zu erkundenden Areals. Das Untersuchungs- von der Größe des gebiet wird klar umrissen: Es kann ein Straßenzug, das Schulgelände oder ein Teil Untersuchungsgebiets) davon, ein Stadtquartier oder ein Gebäude sein. Nun fotografi eren die Teilnehmenden durch die Rahmen hindurch Orte oder Details. Die Rahmen müssen im Bild sichtbar sein. Die grünen Rahmen kenn- rote und grüne Rahmen zeichnen Orte, die ihnen besonders gut gefallen und erhaltenswert erscheinen, (entweder farbig lackierte die roten Rahmen werden an Orten eingesetzt, die Veränderungsbedarf haben Holzrahmen oder aus farbi- und den Kindern oder Jugendlichen nicht gefallen. gem Karton zugeschnittene Rahmen), ca. DIN A4 Größe, In den Karten werden die Orte, an denen die Fotos entstanden sind, durch rote Kameras, Drucker, rote und und grüne Klebepunkte gekennzeichnet. grüne Klebepunkte oder Filzstifte, einen Plan des Zum Abschluss werden die entstandenen Fotos ausgedruckt und gegenseitig Untersuchungsgebietes präsentiert. Als Variante können die Rahmen auch mit anderer Schwerpunktsetzung ange- wandt werden. Es können zum Beispiel auch alle gelben, eckigen, schattigen usw. Orte „gerahmt“ werden. Oder man stellt die Aufgabe, eine bestimmte Re- dewendung in Orten wiederzufi nden: zum Beispiel „Blau machen“, „Abhängen“. Hinweis: Vor allem, wenn die Kinder und Jugendlichen das Gebiet schon gut kennen, z. B. wenn es sich um einen Bereich des Schulgeländes oder einen Spielplatz handelt, erleichtert diese Methode eine konzentrierte und veränderte Sichtweise. 44 1 Analysieren 1 2 erkunden 45 Messen und Markieren Spielerische Erkundung der verschiedenen Dimensionen von Räumen ab 8–10 Jahren Aufgabe ist es, einen Raum oder Ort zu vermessen und einen vermaßten Grund- 2–4 Personen riss zu erstellen, um einen Einblick in das Prinzip der maßstäblichen Plandar- 2 h – in Abhängigkeit der Grö- stellung zu erlangen. Die Kinder bekommen vorbereitete Planvorlagen, die als ße des zu begehenden Areals Grundlage für das Aufmaß dienen, auf denen sie die Maße eintragen. Für Kinder ab ca. zehn Jahren bietet es sich an, die aufgenommenen Maße im Rahmen einer Auswertung maßstäblich umrechnen zu lassen. Hilfreich für das Arbeiten mit Maßen ist die Herstellung von Bezügen zu bekannten Räumen des Alltags Flatterband, Schnüre, Mess- (Spielzimmer, Klassenraum, Fußballfeld, etc.). Je nach Aufgabenstellung können räder, Maßbänder, Zollstöcke, besondere Bereiche mit Flatterband oder Sprühkreide abgesteckt oder markiert Sprühkreide, Klemmbretter, werden. Vorbereitete Planunterlagen zum Eintragen von Maßen Variante (für Kinder bis acht Jahren): Es stehen den Teilnehmenden keine Maß- oder dem Einmessen von bänder oder Zollstöcke als Hilfsmittel zur Verfügung. Gemeinsam sammeln sie Objekten Ideen, wie man ohne Hilfsmittel einen Raum vermessen kann und welche Ein- heiten für längere und kürzere Strecken sinnvoll sind. Es kann mit Schritten, Arm- und Körperlängen, Handbreiten, Fußlängen, Fingerspannen usw. gemessen werden. Nun wählen die Kinder eine Maßeinheit aus und erstellen einen skiz- zenhaften Grundriss. Auf dem Plan muss die jeweils benutzte Maßeinheit notiert werden! Es können auch Hilfsmittel zum Messen eingesetzt werden (z. B. Alltags- gegenstände) oder z. B. Treppenstufen gezählt werden. Es ist möglich, die Körper- maße der Kinder mit dem Maßband nachzumessen und dann die Grundrissskiz- zen in objektiv bemaßte Pläne umzusetzen. Dies eignet sich auch als erweiterte Aufgabe für ältere Kinder. 46 1 Analysieren 1 2 erkunden 47 Kunstblick In der Auseinandersetzung mit Kunstwerken Sichtweisen ändern ab 10 Jahren, Jugendliche Jeder Gruppe wird eine postkartengroße Kopie eines Gemäldes gegeben. Die und Erwachsene Aufgabe besteht darin, das Gemälde in Komposition, im Inhalt und/oder atmo- 2–3 Personen sphärisch im Untersuchungsgebiet zu fi nden oder auch nachzustellen. Der so ca. 0,5–1 h, plus 0,5–1 h gefundene Ort im Gebiet soll fotografi sch festgehalten werden. Ggf. kann man Zusammentragen der den Gruppen auch einen Lageplan mitgeben, in dem sie den gefundenen Ort Ergebnisse markieren. Es wird eine breite Auswahl an Gemälden empfohlen – von Realisten, über Ex- pressionisten bis hin zu Pop-Art. farbige Kopien von Gemälden, Fotoapparate bzw. Mit den Fotos im Gepäck kommen die Gruppen wieder zusammen und die fo- -handys, ggf. für die Aus- tografi schen Ergebnisse werden mit den Gemälden verglichen. Man kann die wertung der Übung: Laptop, Papierkopien der Gemälde und das Foto auf dem Display der Kamera herumrei- Beamer, Ausdruck Lageplan chen. Sind Laptop und Beamer vorhanden, können die Aufnahmen gesammelt des Untersuchungsgebiete und an die Wand projiziert werden. Bei mehrtägigen Veranstaltungen können oder Stadtplan, Holzspieße, auch Ausdrucke der Fotos am nächsten Tag mitgebracht und mit den Gemälde- Klebestreifen kopien ausgestellt werden oder mit Hilfe eines Fotodruckers sofort ausgedruckt werden. In der Diskussion kann mit den Teilnehmer*innen über die Entdeckungen und andere Sichtweisen auf das Gebiet gesprochen werden. Vor allem bei Ortskundi- gen eröffnet diese Übung neue und überraschende, oft positive Perspektiven auf das eigene Umfeld. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen aus der Übung ermöglicht die Verortung der Fotos oder auch der Gemälde in einem gemeinsa- men Lageplan. Der Lageplan wird auf einer Unterlage befestigt, die das anheften von Fotos und Gemälde mithilfe von Pins oder Holzspießen ermöglicht. Es kann dann über besonders häufi g fotografi erte Orte (bei unterschiedlichen Gemälden) gesprochen werden, wie auch über divergierende Ergebnisse, die aus gleichen Gemäldekopien resultieren. 48 1 Analysieren 1 2 erkunden 49 Sinnesexpert*innen Erkundung eines Ortes mit allen Sinnen und Aufspüren von Details ab 8–10 Jahren Die Kinder erforschen einen bestimmten Ort (draußen oder drinnen; das Gebiet 2–4 Personen sollte jedoch vorher festgelegt werden) mit allen Sinnen. Sie bekommen ein 1 h „Sinnesbuch“ und können dort ihre Ergebnisse eintragen. Zu jedem Sinn gibt es mindestens ein DIN A4 Blatt, das mit dem entsprechenden Sinn gekennzeichnet ist. Die Kinder erhalten dazu Such- und Arbeitsaufträge, die im Sinnesbuch fest- gehalten werden. Zum Beispiel: Arbeitsblätter als Loseblatt- sammlung oder als „Sinnes- Riechen/Schmecken: buch“ gebunden (ein Exemplar pro Kind) Die Kinder zeichnen in ihr Buch, was sie in der Umgebung riechen und was man schmecken könnte (bspw. Eisladen: die Kinder zeichnen ein Eis oder Schokolade). Fühlen: Die Kinder zeichnen in Frottagetechnik mit Wachsmalblöcken unterschiedliche Oberfl ächen und notieren, worum es sich dabei handelt. Hören: Die einzelnen Geräusche werden von den Kindern zeichnerisch festgehalten und bewertet: Viele Geräusche – viele Noten; leise/wenig Geräusche – wenig Noten. Sehen: Zu jedem Buchstaben des Alphabets suchen die Kinder etwas in der Umgebung (A – Ampel, B – Bushaltestelle, C – Campingladen, D – Dach usw.), das sie sehen können und schreiben oder zeichnen es auf. 50 1 Analysieren 1 2 erkunden 51 Fahnenmeer Kartierung von positiv und negativ bewerteten Orten, Vergegenwärti- gung und Formulierung der eigenen Bedürfnisse und Standpunkte und Initiierung eines Ideenfi ndungsprozesses ab ca. 8 Jahren Zu Beginn wird das Untersuchungsgebiet erkundet. Wichtig ist, dass die 2–4 Personen Teilnehmer*innen einen klaren Arbeitsauftrag für die Erkundungstour bekom- Orterkundung, je nach Grö- men: Welche Orte sind für dich schön/angenehm/deinen Bedürfnissen entspre- ße des Gebiets 20–30 min; chend und welche sind weniger schön/unangenehm/hässlich/beängstigend Eintragen und Verorten der und warum empfi ndest du es so? Jüngere Teilnehmer*innen untersuchen das Ergebnisse auf dem Luftbild Gebiet zusammen mit den Betreuer*innen, die älteren und/oder selbständigeren 20 min, Präsentation 15 min Teilnehmenden können eigenständig das Gebiet erkunden. Als Ausstattung er- halten sie ein A4 Luftbild und je einen roten und grünen Stift. In den Luftbildern sollen mit Rotstiften die negativen, mit Grünstiften die positiven Orte gekenn- zeichnet werden. Zur Erinnerung können Notizen gemacht werden. Schreibunterlagen, Notiz- blätter, Luftbild in A4-Größe, Zurück im Arbeitsraum werden auf dem großen Luftbild sowohl die positiven rote und grüne Buntstifte, (grün) als auch die negativen Orte (rot) mit Klebepunkten in den entsprechen- Bleistift für Notizen; Luftbild- den Farben gekennzeichnet. Wichtig ist, dass jede*r Teilnehmer*in alle von ihm*r ausdruck (großer Maßstab, entdeckten Orte auf dem großen Luftbild mit Klebepunkten markiert, auch wenn insgesamt ca. 60 x 60 cm), es dabei zu Doppelungen mit anderen Teilnehmern kommt. Gerade die Häufung Styrodurplatte(n) als Luft- ergibt einen Eindruck von der Wichtigkeit eines bestimmten Ortes. Anschließend bildgrundlage, Kleber, rote wählen die Teilnehmernden (evtl. paarweise) die Orte aus, die sie mit grünen und und grüne Klebepunkte, rote roten Fahnen markieren wollen. Auf den Fahnen wird notiert, warum dieser Ort und grüne Papierstreifen, ausgewählt wurde. Schaschlik-Stäbchen, schwar- ze Filzstifte Hinweis: Wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht, können die Fahnen durch die Teilnehmenden selbst hergestellt werden. Die Aufgabenstellung kann außerdem in Richtung Ideenfi ndung erweitert wer- den. Dafür benötigt man weitere Fahnen in weißer Farbe. Auf diesen Fahnen wer- den die Verbesserungsideen für den jeweiligen mangelhaften Ort eingetragen und im Luftbild verortet. 52 1 Analysieren 1 2 erkunden 53 Schnelle Bewertung Ortserkundung und sichtbare Ortsbewertung alle Alterstufen Für die Erkundung werden zunächst kleine Fähnchen (in Kleingruppen) gebastelt. (ab ca. 5 Jahren) Dazu wird rotes bzw. grünes Papier (als Markierungen für Positives und Negati- 2–4 Personen ves) an Schaschlikspieße oder Bambusstäbe geklebt oder getackert. Zusätzlich ca. 0,5–1 h (je nach Größe können auch Markierungen für Verbesserungsvorschläge oder erste Ideen (z. B. des zu erkundenden Ortes) gelbe Fähnchen) hergestellt werden. Wahlweise können auch andere Symbole für die Bewertung verwendet werden (z. B. ein „Pannenkoffer“ für negative Orte). Dann wird ein Gebäude oder ein Außenraum erkundet. Dabei werden die Mar- kierungen platziert und ggf. beschriftet, um deutlich zu machen, was an dem grünes und rotes A5 oder jeweiligen Ort gut oder schlecht ist. In einem gemeinsamen Rundgang wird die A4-Papier oder andere Bewertung präsentiert und fotografi ert. Markierungen (z. B. Luftbal- lons oder Sprechblasen), Alternativ zu den Fähnchen können die Orte auch z. B. mit Luftballons oder an- Schaschlikspieße oder deren Hinweisen markiert werden. Mit älteren Kindern und Jugendlichen kann Bambusstäbe, Tacker oder man auch gut einen kurzen Film erstellen, indem sie ihre Markierungen selbst Klebeband, Kameras kommentieren. Hinweis: Die Übung eignet sich gut, um die Sichtweisen und Ansprüche von Kindern und Jugendlichen an Innen- und Außenräumen sichtbar zu machen, insbesondere im Rahmen von Beteiligungsprozessen. 54 1 Analysieren 1 2 erkunden 55 Soundscape Videobotschaft Akustische Qualitäten wahrnehmen und kartieren ab 8 Jahren Die Kinder schärfen ihre Sinne für akustische Qualitäten (oder Probleme) eines Einzelarbeit Außen- oder Innenraumes und übersetzen diese in bildliche Darstellungen. 1 h Die Methode kann in zwei Varianten angewendet werden: Im Vorfeld werden die Klänge prägnanter Orte aufgenommen (ggf. von den Kin- Klanglandschaften (Sound- dern bzw. Jugendlichen selbst). Diese werden dann vorgespielt, verbunden mit scapes) von verschiedenen der Aufgabe, genau hinzuhören und die Klanglandschaft in Form einer Karte Orten, Papier und Stifte, ggf. darzustellen. Die Darstellungsart kann ganz individuell gewählt werden. Diese Klemmbretter Variante kann auch mit einem Ratespiel verbunden werden, wo welche Sounds- capes aufgenommen wurden. Bei der zweiten Variante werden verschiedene Orte aufgesucht und deren Soundscapes direkt vor Ort in Form von Karten dargestellt. Bei älteren Kindern und Jugendlichen können sie auch in Gruppen losgehen und verschiedene Orte erkunden. In diesem Fall kann dann anhand der gezeichneten Karten erraten werden, wo welche Gruppe war. Hinweis: Wenn die Kinder oder Jugendlichen noch keine Erfahrung in der Kar- tierung unterschiedlicher Raumqualitäten haben, kann man zum Einstieg ver- schiedene (auch künstlerische) Karten zur Inspiration zeigen und gemeinsam sammeln, wie man Klänge darstellen kann. Es kann sinnvoll sein den Sehsinn durch z. B. Flugbrillen oder Tücher auszublen- den, da man sich dann noch besser auf die Klangwelt konzentrieren kann. Even- tuell begrenzt man das Hören dabei auf eine bestimmte Zeitspanne, wie eine Minute. 56 1 Analysieren 1 2 erkunden Interviews und Videobotschaft Zusammentragen von Informationen über einen Ort oder ein Gebäude durch die Befragung von Nutzer*innen und oder Bewohner*innen In einem ersten Schritt werden in der Gruppe gemeinsam die Zielsetzungen der ab 8 Jahren Interviews diskutiert und in Form eines Interviewleitfadens festgelegt. Die Inter- 3–4 Personen viewpartner werden so ausgewählt, dass man ein möglichst breites Spektrum an 2 h unterschiedlichen Sichtweisen erwarten kann. Die Interviews können mit einfachen Mitteln erfolgen, wie der Verschriftlichung oder mit der Unterstützung von Smartphones und Videokameras (Erstellung von Interviewleitfaden mit Audiofi les oder Videoaufnahmen – je nach Altersgruppe der Teilnehmer*innen). Möglichkeit Notizen ein- Die Erfahrung zeigt, dass elektronische Hilfsmittel die Motivation erhöhen. Je zufügen, Klemmbretter, nach Fragestellung des Workshops bietet es sich für ältere Teilnehmer*innen an, Smartphones, Videokamera, das Videomaterial zu einer ‚Videobotschaft weiter zu verarbeiten – hier ist eine „Presseausweise“ fachkompetente Unterstützung von Medienpädagog*innen hilfreich. Im Vorfeld der Interviews können Presseausweise hergestellt werden, die bei der Durchführung der Interviews helfen, Vertrauen zu den Interviewpartner*innen aufzubauen und die Ernsthaftigkeit des Vorgehens unterstreichen. 57 Lichterballaden Unterrichtsreihe zum Thema Innenarchitektur Ort > München Anzahl und Alter > 24 Schüler*innen der 8. Klasse des Albert-Einstein-Gymnasiums in München Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Barbara von Jagow und Wolfgang Körfer Veranstalter/Kooperationspartner > JAS e. V. mit Unterstützung von Wolfgang Körfer, Lichtplaner 58 WS Lichterballaden Innenarchitektur beschäftigt sich mit der Gestaltung und Planung von Innen- räumen. Aber um diese ästhetisch ansprechend zu entwerfen, wird viel Wissen und Können vorausgesetzt. Deshalb kann, aufgrund der knappen Zeit innerhalb eines Schulhalbjahres, nur eine erste Idee von Architektur vermitteln werden. Das bedeutete in diesem Projekt, den Schwerpunkt auf eine sinnlich, ästhetische Herangehensweise zu legen. Die Kompetenzen, die vermittelt werden sollten, waren nicht Wissen um DIN- Normen, Brandschutz und Statik. Losgelöst von formalistischen und funktionalen Anforderungen hatten die Schüler*innen die Möglichkeit, einen Raum zu gestal- ten. Dabei war es unwichtig, wie groß ein Bett, eine Tür etc. ist. Viel entscheiden- der war das Erkunden und Umsetzen von Atmosphären. Architekt*innen sind Experten*innen im Umgang mit Räumen, mit Dimensionen, mit Farben sowie mit Licht. Zu diesen Themen fanden kleinere vorbereitende Unterrichtseinheiten statt. Ein Lichtplaner erklärte den Schüler*innen Grundle- gendes im Umgang mit Licht. Die Schüler*innen vermaßen ihren Klassenraum, sie entdeckten Farben und Farbwirkungen und überlegten, was benötigt wird, um in Räumen bestimmte Stimmungen zu schaffen. Nach diesen einführenden Aufgaben bekamen die Schüler ihre Projektaufgabe: Der Entwurf eines Licht-Farb-Raumes für eine Ballade. In Zweiergruppen sollten die Schüler atmosphärische Räume im Modell umset- zen. Nachdem in der achten Klasse Balladen Thema im Deutschunterricht waren, konnten die Schüler*innen sich eine im Unterricht behandelte Ballade ihrer Wahl aussuchen und dafür Kulissen entwickeln. Zu den gewählten Balladen gehörten unter anderem Der Spinnerin Nachtlied von Clemens Brentano, Der Knabe im Moor von Annette von Droste-Hülshoff und Die Brück‘ am Tay von Theodor Fon- tane. Die Schüler*innen interpretierten die Geschichten und fanden das für sie Wesentliche der Handlung heraus. Dabei war es wichtig, die Stimmungen des Gedichts einzufangen. 59 In Skizzen setzten die Schüler*innen ihre ersten Ideen um, um diese anschlie- ßend im Modell zu überprüfen. Leitfragen waren: Welche Farben benötigt ihr, um die Stimmungen der Ballade zu unterstützen? Wie muss das Licht sein? Welche Oberflächen/Materialien könnten passen? Was brauchen die Protagonist*innen unbedingt? Das Projekt wurde im Rahmen des Kunstunterrichts (eine Stunde pro Woche) durchgeführt. Bedingt durch das enge Zeitbudget wurden zentrale Themen in Konsultationen im Unterricht besprochen – das Entwickeln, Probieren und Bau- en fand zu Hause statt. Nach Einführungsaufgaben und Entwurfsskizzen begann das Bauen. Als Hilfe- stellungen dienten einige Vorgaben: • Es sollte ein Bühnenraum oder Guckkasten gebaut werden, der eine be- stimmte Größe nicht überschreitet • Die Öffnungen sollten im Vorfeld festgelegt werden. • Materialangaben wurden im Vorfeld festgelegt. So entstanden bis zum Schuljahresende die verschiedensten Balladenkisten. Be- sonderer Wert wurde auf die Lichtführung gelegt: Wo setze ich Akzente? Wo wirkt Schatten? Welche Form der Lichtquelle benötigt man, um eine Stimmung zu verstärken? Als Lichtquellen dienen Taschenlampen, Schreibtischlampen usw. Weiterentwicklung: Ein besonderer Effekt entsteht durch das Fotografieren der Modelle. Dadurch verlieren sie den direkten Bezug zu den eigentlichen Größen- verhältnissen und wirken auf den Bildern wie reale Bühnenräume. Die Fotos können anschließend zusammen mit den Texten aus dem Deutschun- terricht in einem Heft abgedruckt werden. 60 WS Lichterballaden Mapping Hobrecht Workshop mit Schüler*innen und Studierenden zum Thema „Historische Stadtstruktur lesen und sichtbar machen“ Ort > Berlin Anzahl und Alter > 25 Jugendliche der 9. Klasse des Albrecht Dürer Gymnasiums in Berlin-Neukölln Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Angela Million, Andreas Brück und Juliane Heinrich mit Harald Rogge, Lehrer am Albrecht-Dürer-Gymnasium, Berlin-Neukölln und Yasaman Ahmadi, Felix Bentlin, Daniel Cibis, Luise Köhler, Janek Lorenz als MA-Studierende der Stadt- und Regi- onalplanung und Landschaftsarchitektur an der TU Berlin Veranstalter/Kooperationspartner > Kooperationsprojekt zwischen JAS e. V. und TU Berlin, Institut für Architektur und Stadt- und Regionalplanung sowie dem Albrecht Dürer Gymnasium in Berlin-Neukölln im Rahmen der Aktion Karl-Marx-Straße 61 WS Mapping Hobrecht Vor über 150 Jahren hat James Hobrecht die Erweiterungspläne für Berlin prä- sentiert: radikal, einfach, einprägsam – mit Blöcken, Straßen und Plätzen. Das Böhmische Dorf Rixdorf war damals nicht Bestandteil des Stadterweiterungs- plans, wurde aber im Zuge des weiteren Stadtwachstums überplant und durch Bauten und Menschen zu dem Berlin, wie wir es heute kennen. Doch diese Stadt kann unterschiedlich betrachtet und gelesen werden. Ein eindeutiger Punkt auf dem Stadtplan ist in Realität vielschichtig, subjektiv und einzigartig. Gebäude, Straßen, Freiräume und seine Form prägen ihn, aber gleichzeitig wirken an ei- nem Ort Menschen mit ihrem Handeln und Tun. Die analytische und künstleri- sche Methode des Mapping beruht genau auf dieser Erkenntnis und forciert eine differenzierte Wahrnehmung der räumlichen und ästhetischen, temporären und programmatischen, sozialen und gesellschaftlichen Funktion von Raum. Im Rahmen des Schüler*innen-Studierenden-Workshops wurden das hobrecht- sche Berlin sowie die gewachsene dörfliche Struktur Rixdorfs aufgespürt und visuell festgehalten – in Karten, Fotos, Modellen. Welche historischen Schichten können in dem Stadtteil Neukölln und entlang der Karl-Marx-Straße entdeckt werden und wie können und werden diese Räume heute durch die Menschen angeeignet. Schlussendlich ging es auch darum, das hobrechtsche Berlin über Interventionen, die temporär verändern und überspitzen, sichtbar zu machen. Studierende des Studiengangs Stadt- und Regionalplanung und der Landschafts- architektur der TU Berlin und Schüler*innen der 9. Klasse des Albrecht-Dürer- Gymnasiums haben in fünf Teams die Karl-Marx-Straße bearbeitet. Sie haben ihre Umgebung gemeinsam entdeckt, analysiert und visualisiert sowie Interventionen zur Sichtbar- und Erlebbarmachung geplant, im Raum erprobt und dokumentiert. Zum Auftakt der Veranstaltung erhielten die Teilnehmenden vor Ort einen Über- blick zum Hobrechtplan und seiner Entstehung in Berlin. Ihr Schulweg, die Wohnorte der Freunde und Freizeitaktivitäten wurden durch Pfeile in einer ge- meinsamen Stadtkarte festgehalten. In Kleingruppen wurden danach der his- torische Hobrechtplan sowie ein aktueller Stadtplan studiert. Dabei markierten die Schüler*innen mit farbigen Klebestreifen, Klebepunkten und Stiften spannen- de Orte, untersuchten Kontinuitäten und Veränderungen und kennzeichneten Besonderheiten. In einem ersten Stadtspaziergang änderte sich bereits die alltägliche Perspek- tive auf den Stadtraum. Die Schüler*innen bemerkten Details, entdeckten neue Orte und begannen Stadt lesen zu lernen. Im Ergebnis wurden Interessen- und Themenschwerpunkte für die jeweiligen Mappingprojekte der fünf Kleingruppen festgelegt. Es entstanden Mappingprojekte, die sich mit bis dato für die Jugendli- chen unbekannten Straßen in Neukölln („VERLAUFEN MIT SYSTEM“) be- schäftigten, mit den Qualitäten von Friedhöfen („NICHT NUR TOD“) und mit den sichtbar unterschiedlichen Traufhöhen des Stadtteils („PLUSMINUS2“). 62 WS Mapping Hobrecht Außerdem interessierten sich zwei Gruppen für die vielfältigen Kulturen, die im Stadtteil erlebbar sind. Die Gruppe „CULTURE FOOD“ thematisierte, wie unter- schiedlich Nahrungsmittel hergestellt, gehandelt und verkauft werden. Das Team „RIECH MAL NEUKÖLLN“ erkundete die Straßen mit allen Sinnen. Alle Teams erarbeiteten Pläne und Modelle, um ihre Ergebnisse festzuhalten. Zudem hat jedes Team eine Intervention im Stadtraum durchgeführt, um Passant*innen und Bewohner*innen des Stadtteils ihre neugewonnenen Erkenntnisse zu vermitteln: Tomatenpflanzen To Go wurden angeboten, bunte Schilder vor Friedhöfen aufge- stellt, Street Art mit temporären Bilderrahmen aufgewertet. Die Schüler*innen erhielten bei den Interventionen von den Bewohner*innen Neuköllns direkte Reaktionen auf ihre Arbeit – auch im Rahmen einer Ausstel- lung der Ergebnisse während der Aktion „24h Stunden Neukölln“. Verwunde- rung, Fragen und Applaus – insbesondere bei den Interventionen – förderten die Motivation und das Verantwortungsgefühl für das Projekt. Alle Aktionen griffen in den Alltag der Neuköllner Passant*innen ein, fokussierten auf einen scheinbar vergessenen Teil der Stadt und setzten ansprechende Akzente, um die Besonder- heiten Rixdorfs sowie des Hobrechtschen Berlins wieder aufzuzeigen. Und auch die Schüler*innen entdeckten neue Sichtweisen und Lesarten ihres Stadtteils. 63 64 WS Mapping Hobrecht 2 Phantasieren Dargestellt werden Möglichkeiten zur Entstehung und Entwicklung eigener kre- ativer, neuer Ideen, Konzepte und Visionen der gebauten Umwelt, sowohl für konkrete Vorhaben als auch perspektivisch für die Zukunft und sogar für visio- näre Utopien. Voraussetzungen für die Entwicklung eigener Ideen sind Zeit und Ruhe sowie eine Auseinandersetzung mit den örtlichen Gegebenheiten bzw. ein Wissen um dieselben. Darüber hinaus müssen die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit haben, eigene Phantasien entspannt und losgelöst vom eigentlichen Ziel und der konkreten Aufgabe zu verfolgen. Nur so entstehen Visionen. Dieser Prozess wird zum einen durch experimentelle Methoden, wie Verändern und Beobachten und zum anderen durch sehr fantasievolle Arbeitsanweisungen zum Ideen finden unterstützt. Konkret können das auf der einen Seite Arbeitsanweisungen zum Ex- perimentieren im Raum, Veränderungen von räumlichen Konstellationen sowie das bewusste Platzieren von Objekten im räumlichen Kontext sein und auf der anderen Seite Methoden, die bewusst den Schöpfungsreichtum und die kreativen Vorstellungen der Kinder anregen. 65 2 Phantasieren 2 1 Verändern & beobachten 66 2 Phantasieren 2 1 Verändern & beobachten 2.1 Verändern und Beobachten Beobachten, Verändern und wieder Beobachten und aus den gewonnenen Er- kenntnissen nochmals Verändern – daraus kann ein fortwährender Zyklus ent- stehen. Beobachtung ist aufmerksames Wahrnehmen von Räumen, Objekten, Phänomenen und Abläufen. Verändern bedeutet der Einsatz von Hilfsmitteln, um diese Räume, Objekte und Phänomene zu verwandeln. Verändern und Beobachten heißt, sich auf eine Reise ins Unbestimmte aufzuma- chen. Ziel ist zum einen das Sammeln von neuen Erfahrungen durch Erforschen bestimmter Veränderungen und deren Wirkung und zum anderen das Austesten bereits gewonnener Ideen, mit der Absicht, diese zu erproben und deren Funk- tionalität zu überprüfen. Die vorher erarbeitete Theorie wird in die Praxis umge- setzt oder es wird eine ähnliche Situation simuliert. Auch Kinder und Jugendliche können bereits eine derartig empirische Feldfor- schung durchführen und aus solchen unmittelbaren Erfahrungen lernen. Durch direktes Erleben haben die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit zu verste- hen, was Räume bewirken können, wie räumliche Veränderungen Einfluss auf Stimmungen und Emotionen haben können. Kinder und Jugendliche ziehen Erkenntnisse aus diesen erlebten Erfahrungen. Detaillierte Informationen über das Verhalten in gebauter Umgebung werden von den jungen Menschen gesammelt und untersucht. Geeignete Methoden zur Dokumentation und Evaluation der Erfahrungen können Fragebögen oder kurze Protokolle sein, dabei legen sich Kinder und Jugendliche auf die Lauer und do- kumentieren ihre Empfindungen. Gleichzeitig stellen sie sich die Frage „was wäre wenn?“ und entwickeln dazu passende Tests und werten die Ergebnisse aus. Methoden zum Aufbau von Experimenten können (stadt-)räumliche Veränderun- gen sein, wie das bewusste Manipulieren von Orten durch Lichtveränderungen, der Aufbau eines Parcours oder das absichtliche Platzieren bzw. Entfernen eines Gegenstandes. 67 Rotes Sofa Erproben verschiedener Orte im Hinblick auf Aufenthaltsqualitäten ab 10 Jahren Im Rahmen der fortgeschrittenen Bestandserhebung und Analysephase kann mind. 4 Personen ein Spaziergang mit einem roten Sofa durch das zu untersuchende Stadtgebiet mind. 1 h durchgeführt werden. Die Teilnehmer*innen sollten bereits eine grobe Vorstel- lung haben, was wichtige Orte im zu untersuchenden Stadtgebiet sind. Die Sofa- methode kann entweder nur innerhalb der Gruppe zur Anwendung kommen, es können auch Passant*innen mit einbezogen werden, es kann aber auch explizit rotes Sofa (möglichst leicht, dazu dienen, Interviews mit „Betroffenen“ vor Ort zu führen. sollte von zwei Personen zu tragen sein, ansonsten Trans- Im Vorfeld sollte eine Route durch den Stadtraum festgelegt werden und eine port mit einem Rollwagen Verständigung über Orte, an denen das Sofa zum Einstaz kommen soll, erfolgen. o. ä. ), Mikrofonattrappe oder Unterwegs können spontan die Route verändert und weitere Orte ergänzt wer- dicker Stift den. Mit dem Sofa wird die Route dann abgelaufen. An bestimmten Orten, über deren Eigenschaften man sich austauschen möchte bzw. über die man mehr erfahren möchte, wird das Sofa abgestellt. Ein*e Interviewer*in nimmt auf dem Sofa Platz und bittet einen Gast zu sich. Anhand klarer Fragen soll der Gast kurze und einfache Statements zu dem Ort abgeben (z. B. „Was muss hier geschehen?“, „Was kann ich dazu beitragen?“, „Der Ort gefällt mir, weil...“). Eine Mikrofonattrap- pe unterstützt die Interviewsituation und die Kürze der Antworten. Das Interview kann mit einer Filmkamera aufgenommen oder fotografi ert werden. 68 2 Phantasieren 2 1 Verändern & beobachten 69 Symboltausch Beschäftigung mit der Nutzung markanter Gebäude und ihren Kennzeichnungen 6–16 Jahre Manche Gebäude haben besondere Symbole bzw. typische Merkmale. Einzelarbeit 1 h Die Teilnehmer*innen suchen derartige Gebäude in ihrem Umfeld und zeichnen sie ab. Danach werden die Symbole getauscht bzw. verändert. Dadurch verleiht man dem Gebäude eine andere Funktion oder ein neues Aussehen. Papier, Stifte, Klemmbretter Passend dazu erzählen/schreiben die Teilnehmer*innen eine phantasievolle Geschichte. Bsp.: Was wäre das Dortmunder U ohne U? Warum hat die Kirche jetzt ein Tank- stellenzeichen auf dem Turm? 70 2 Phantasieren 2 1 Verändern & beobachten Fensterbilder Sichtbarmachung von Veränderungsideen Zunächst werden aus farbigem Papier „Bilderrahmen“ in beliebiger Form, Ge- ab 5 Jahren staltung und Ausmaß zugeschnitten, die anschließend mit einer durchsichtigen Einzelarbeit Folie beklebt werden. Nun wird ein Fenster mit passender Aussicht (eine Skyline 20 min o. ä.) gewählt und die Rahmen mit Malerkrepp darauf so befestigt, dass der ge- wünschte Ausschnitt innerhalb der Rahmen zu sehen ist. Nun kann die Aussicht gezeichnet und auf der Folie beliebig ergänzt oder geändert werden. Malerkrepp, durchsichtige Plastikfolie (A4), wasser- feste Filzstifte, farbiger Karton (A4) 71 Spaceinvaders Schnelle Markierung und Veränderung von Orten ab 10 Jahren, sehr gut In dieser Übung sollen Kinder und Jugendliche Orte und Räume, die sie zuvor geeignet für Jugendliche erkundet haben, mit einfachen Mitteln verändern. Vorbereitend sollen sie überle- 2–5 Personen gen, was den gewählten Ort besonders prägt, z. B. besondere Materialien, Farben, 1–2 h Umsetzung auffällige Objekte, Blickbeziehungen oder Funktionen, die man dem Ort auf den einschließlich Rundgang ersten Blick nicht ansieht. Mit den zur Verfügung gestellten Materialien soll der Ort und das, was ihn be- sonders prägt, umgestaltet werden. Die Kinder und Jugendlichen können z. B. Tape, farbiges Papier Unsichtbares sichtbar machen, Dinge übertreiben, verstecken, hervorheben, auf etwas hinweisen, Elemente verschönern, den Ort uminterpretieren usw. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist nur, dass sich die Gruppe ein Konzept überlegt und sich auf einen oder zwei Aspekte konzentriert, damit die Intervention die gewünschte Wirkung entfalten kann. Auf diese Weise kön- nen zum Beispiel verborgene Aspekte der Raumnutzung sichtbar gemacht wer- den. Ebenso können neue Ideen für einen Ort entwickelt werden. Hinweis: Idealerweise sollte vor allem mit Licht, Recyclingmaterial und wie- derverwendbaren Materialien gearbeitet werden, um möglichst wenig Abfall zu produzieren. Die Methode eignet sich besonders gut für Innenräume, kann aber auch in Au- ßenräumen umgesetzt werden. Sie gelingt vor allem dann gut, wenn die Kinder und Jugendlichen zuvor bereits während der Erkundung schnelle Veränderun- gen und Markierungen erprobt haben, da sie dadurch einen Eindruck bekom- men, wie man Orte mit einfachen Mitteln effektiv verändern kann. 72 2 Phantasieren 2 1 Verändern & beobachten 73 Luftobjekte Erkundung der unsichtbaren technischen Infrastrukturen in der Stadt 5 bis 16 Jahre Unterirdische Mobilität ist eher unsichtbar. Sie wird bisweilen sichtbar durch ihre 2–4 Personen Belüftungsschächte. Bei dieser Aufgabe werden diese erst auf den zweiten Blick 3 h auffi ndbaren technischen Infrastrukturen einer Stadt erkundet. Die Luftströme können für temporäre Objektgestaltung genutzt werden, welche die unterirdi- sche Stadt sichtbar machen. Hierfür werden große Plastiktüten bemalt oder be- klebt, ob als selbst gebaute Hochhäuser oder windige Gestalten. Befestigt (z. B. Kreppband, Schnur, mit Schnur, Kreppband, etc.) an die Schachtgitter wachsen sie in die Höhe, an- große Abfallsäcke aus getrieben von den Luftströmen der U-Bahn. In der Regel wecken die Werke der Plastik, Stifte Kinder Neugier und Aufmerksamkeit und eröffnen zudem Gespräche mit den Anwohner*innen. 74 2 Phantasieren 2 1 Verändern & beobachten 75 2.2 Ideen finden Unsere (gebaute) Umgebung ist Ergebnis alltäglichen Handelns, ist aber auch gezielt erdacht und gebaut: Der Stuhl, auf dem wir sitzen, das Haus, in dem wir wohnen und die Straßen, auf denen wir gehen. Hinter all diesen Dingen kön- nen durchaus Ideen stecken, die ihre Gestaltung beeinflusst haben. Nicht immer lassen sich gute Ideen ohne Hilfe finden. Kreative Prozesse benötigen bisweilen Zeit, häufig ein Um- (die Ecke) denken und Transferleistungen. Manchmal müssen starre Strukturen aufgebrochen werden, erste Lösungen verworfen und flexible Denkweisen ausprobiert werden. Ziel ist immer, eine Lösung, eine Idee und Ge- stalt einer Nutzung zu entwickeln und somit neue interessante Empfehlungen für die gebaute Umgebung, Räume, Objekte zu generieren. Zur Vorbereitung einer kreativen Ideenfindung ist es wichtig, Gegebenheiten und Bedürfnisse vorab zu erfassen und zu formulieren. Ideen zu generieren, bedeutet immer auch den Blick über den Tellerrand hinaus zu werfen. Der zu untersuchende Gegenstand, die gebaute Umwelt, muss erforscht und vertraut sein. Das bedeutet, sobald ich mein Umfeld genauer kenne, kann ich die Frage, was und wie dort verändert werden muss, besser beantworten. Durch Kommunikation mit anderen kommt es zu einem vertieften Nachdenken über mögliche Nutzungen und die gebaute Umwelt kann in neuen Sinnzusammenhängen verstanden werden. Damit ver- bunden ist Kreativität, und es ist möglich kreatives Denken zu üben. Häufig sind die Kompetenzen, die man für Ideenfindungen benötigt, bei Kindern und Ju- gendlichen bereits vorhanden. Dies kann durch verschiedene Methoden und Techniken weiter angeregt werden. Nicht zuletzt werden Ideen auch durch Ausprobieren, Hinterfragen und Sammeln gefunden. Methoden der Baukulturvermittlung können Geschichten, Zaubertricks oder auch klassisches Brainstorming sein. Hierbei werden viele Ideen aufgespürt und erst in der weiteren Auseinandersetzung wird nach der Umsetzbarkeit ge- fragt. Auch die eigentliche Aufgabenstellung kann im Prozess der Ideenfindung hintenangestellt werden, um den Blick auf kreative Lösungsansätze oder gar In- novationen nicht zu verbauen. Gute Ideen entstehen in entspannter Atmosphäre. Es ist leichter kreativ zu sein, wenn die äußeren Umstände stimmig sind und eine Achtsamkeit gegenüber den Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen besteht. 77 Ideen von A bis Z Schnelle, kreative und assoziative Ideensammlung durch Orientierung am Alphabet ab ca. 8 Jahren Zu einer bestimmten Fragestellung, z. B. „was kann man auf dem Schulhof/Spiel- bis ca. 15 Personen platz etc. alles tun?“, werden dem Alphabet folgend Verben oder Adjektive ge- 10–15 min sammelt, die mit dem jeweiligen Buchstaben des ABCs beginnen. Die Gruppe schreibt auf die Karteikarten Begriffe, z. B. Tätigkeiten, die mit der Fragestellung zu tun haben. Der erste Begriff beginnt mit einem A, der zweite ca. 50 weisse Karteikarten mit einem B usw. Findet man bei einem Buchstaben nicht spontan einen Begriff, Din A6, 10 farbige Kartei- so wird dieser ausgelassen. karten Din A6 , schwarze Filzstifte Die Begriffe werden zu thematischen Gruppen zusammengefasst, die Oberbegrif- fe werden auf farbige Karteikarten geschrieben. Variante: Die gesammelten Wörter und Ideen können auch Ausgangspunkt für schnelle, skizzenhafte Plakate sein, auf denen die Ideen skizziert werden. Hinweis: Wenn die Kinder noch nicht so gut schreiben können, sollte die Grup- penleitung das Aufschreiben selbst übernehmen. Man sollte auf jeden Fall darauf achten, dass die Begriffe möglichst schnell zusammengetragen werden und bes- ser einen Buchstaben auslassen, als zu lange überlegen. 78 2 Phantasieren 2 2 Ideen fi nden Sprechende Objekte Visualisierung von Veränderungsideen mit Hilfe von Sprechblasen Am Untersuchungsort bekommt jede*r Teilnehmende eine Sprechblase aus Pap- ab 8 Jahren pe, die im Vorfeld mittels einer Schablobe und Sprühfarbe hergestellt wurden. 2–3 Personen Der Arbeitsauftrag lautet: „Wenn Dinge an diesem Ort sprechen könnten, was 15 min würden sie uns dann mitteilen wollen? Wie würden sie sich gerne verändern, was wären sie gerne alternativ?“ Die Teilnehmer*innen schreiben die Aussagen in die Sprechblasen und platzie- Pappe, Sprachblasen- ren und fotografi eren diese am entsprechenden Ort. schablone, Sprayfarbe, Cutter oder Schere, Eddings, Kamera 79 Ideensprint Schnelle Ideenfi ndung in der Gruppe ab 7 Jahren Zu Beginn des Ideensprints werden mindestens zwei Teams von jeweils ca. 5–7 5–7 Personen Personen gebildet. Bei einer größeren Gruppe und genügend Zeit kann außer- ggf. 3 Personen als „Jury“ dem eine „Jury“ von drei Personen gebildet werden. Jedes Team erhält Flip- 45 min chartpapier und ein bis zwei Eddings. Es sollte eine Person bestimmt werden, die schreibt. Die Teams müssen nun innerhalb von zehn Minuten möglichst viele Ideen zu einer vorgegebenen Fragestellung entwickeln (z. B. „Der ideale Park“, Flipchartpapier, Eddings „Ideen für den Klassenraum“). Ziel ist es, mit dem eigenen Team die meisten gu- ten Ideen für ein bestimmtes Thema zu fi nden – ähnlich einem gemeinsamen Brainstorming. Nach Abschluss der zehn Minuten werden die Ideen ausgezählt und vorgestellt. Das Team mit den meisten Punkten gewinnt. Wenn genügend Zeit vorhanden ist, kann die dreiköpfi ge Jury die Ideen jeweils mit einem, zwei oder drei Punkten für die besten Ideen bewerten. In diesem Fall gewinnt das Team mit den meisten Punkten. Hinweis: Die Wettbewerbssituation der Methode ist ein Anreiz zur Ideenproduk- tion, sollte aber nicht zu ernst genommen werden. Auch die Bewertung durch eine Jury sollte spielerisch gesehen werden. Ziel des Ideensprints ist nicht, dass ein Team als Sieger besonders hevorgehoben wird, sondern dass innerhalb von kurzer Zeit ein großer Ideenpool entsteht, aus dem alle im weiteren Verlauf schöpfen können. In Gruppen, in denen Konkurrenz ein schwieriges Thema ist, sollte der Wettbewerbsaspekt daher eher in den Hintergrund treten. 80 2 Phantasieren 2 2 Ideen fi nden 81 Freie Collage Verortung und Illustration von Gestaltungsideen durch zweidimensionale Collagen ab ca. 5 Jahren Collagen aus zeitgenössischen und historischen Bildfragmenten lassen sich viel- Einzel- oder Partnerarbeit fältig im Prozess der Ideenentwicklung einsetzen. Hierfür werden Bildfragmente ca. 30 min aus Zeitschriften, Illustrierten und anderen Quellen ausgeschnitten und zu einer visuellen Projektion der Zukunft angeordnet. Atmosphärische Eigenschaften so- wie Elemente der Gestaltung können vorab diskutiert und dokumentiert werden. Zeitschriften, Illustrierte, An Aussagekraft gewinnen die Collagen durch farbliche Reduktion einzelner ggf. Kopien von Menschen Elemente oder auch des Hintergrundes. Hierfür Figuren und sonstige Staffagen in Aktion, ggf. schwarzweiß aus Büchern schwarzweiß kopieren (z. B.: Stefan Gandl 2005: Neubauwelt. Die Kopien von Innen- oder Gestalten Verlag, Berlin. ISBN 3899550722) bzw. Schwarzweißkopien von Vor- Außenraumsituationen Ort-Ansichten zur Verfügung stellen. Anhand der Collagen können zentrale Ideen, Gestaltungselemente und deren Anordnung sowie Raumatmosphären visualisiert werden. Auch die Erarbeitung mehrerer Varianten für eine Situation ist denkbar. Die Collagen können als End- produkte mit einem griffi gen Titel beschrieben und ausgestellt werden. 82 2 Phantasieren 2 2 Ideen fi nden Geschichten schreiben Entwicklung ungewöhnlicher Ideen und Anregung der Fantasie durch Erfi nden und Ergänzen von Geschichten Schreiben ist eine gute Möglichkeit Gedanken auszudrücken und kann als Mittel ab 8 Jahren eingesetzt werden, kreative Denkprozesse zu verschiedenen Aufgabenstellungen Einzelarbeit auszulösen. Dabei ist es wichtig, einen Schreibanreiz und einen engen Zeitrah- 10–15 min men als „Starthilfe“ zu geben. Der Schreibanreiz ist vom jeweiligen Thema ab- zuleiten und möglichst auch grafi sch anregend zu gestalten. Dies kann z. B. eine Postkarte mit entsprechender Aufgabenstellung sein, oder vorgefertigte „Lücken- gestalteter Vordruck, Stifte texte“, die ergänzt werden, z. B. in Form von Tagebucheinträgen, Prospektseiten o. ä. Manchmal reicht schon ein Papier mit aufgedrucktem Titel und Rahmen, um einen Anreiz zu geben, sich schriftlich zu äußern. Bei älteren Teilnehmer*innen eignet sich auch das Dichten eines Haiku zu einem bestimmten Ort oder einem Thema. Das Haiku ist eine japanische Gedichtform, das aus 17 Silben besteht, die in drei Zeilen (5 Silben, 7 Silben, 5 Silben) ange- ordnet sind. 83 Patient*innenakten Förderung des Verständnisses für räumliche Zusammenhänge und Entwicklung von kreativen Veränderungsideen durch Personifi zierung von Räumen und Häusern ab 8 Jahren Um die Analyse von Gebäuden zu erleichtern, bedient man sich hier der Meta- Zweierteams pher einer Krankenakte. Die Häuser und Orte werden personifi ziert. Patient*in ist je nach Erkundungsgebiet, ein Gebäude oder Ort und die Krankheiten sind die Mängel am Gebäude oder pro Krankenakte 5–10 min die Stimmungen vor Ort. Alles wird in der vorbereiteten Krankenakte notiert und festgehalten. „Gute“ Gebäude können als gesund entlassen werden. Immer zwei Kinder bekommen vorbereitete Krankenblätter und gehen nun auf Vordrucke Krankenakten/ Erkundung in einem vorher defi nierten Untersuchungsgebiet. Sie suchen Häuser, Patientenkarten, die auf sie krank und leidend wirken. Die „Gebrechen“ der Häuser halten die Klemmbretter, Stifte Kinder in ihren Krankenakten fest. Hierbei versuchen sie die „Gebrechen“ genau zu benennen und bleiben im Bild der Krankheiten. Auch die anschließende Me- dikation bleibt in dieser Metapher. HERZSCHLAG HAMM pATIENT ...................... Therapie ...................... ...................... ...................... ...................... ...................... ...................... 84 2 Phantasieren 2 2 Ideen fi nden Ein Haus mit der Diagnose „Blindheit“ kann als Medikation eine Brille benötigen. Manche Häuser brauchen nur eine ästhetische Erneuerung, eine Art facelifting oder sollten z. B. zur Kur fahren. Die Diagnose eines Platzes, der leer ist, kann „Einsamkeit“ sein und die Medika- tion „Freunde treffen“. Einem Haus, das schlecht an die Umgebung angebunden ist, wird die Diagnose der „Gehbehinderung“ zugewiesen und eine Brücke könn- te die notwendige „Krücke“ sein. Die Kinder kennen genug Krankheiten und Verwundungen, um auf eigene Vor- schläge zu kommen. Wichtig ist es hierbei, konsequent in der Personifizierung zu bleiben. HERZSCHLAG HAMM pATIENT ...................... Therapie ...................... ...................... ...................... ...................... ...................... ...................... 85 Urban acting Erkundung eines Ortes mit schauspielerischer Unterstützung ab 8 Jahren Im Rahmen dieser Methode, gilt es auf Grundlage bestimmter Kriterien etwas 4–6 Personen Bestehendes (Gebäude, Parkanlage, Platz, eine Nachbarschaft usw.) zu beur- 1–2 h, je nach Größe des teilen, um darauf aufbauend Veränderungen vorzuschlagen. Dem zu untersu- Untersuchungsgebietes chenden Ort werden vorab bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, welche von Schauspieler*innen durch ihre Kleidung sowie auch durch Sprache (Monologe, Ansprachen usw.) dargestellt werden (im Foto zu sehen: Kai Meister und Stefanie Siebers vom Team-Theater Die Mimosen, Mönchengladbach): Klemmbretter mit vorbereite- ten Fragebögen • ein älterer aber freundlicher in die Jahre gekommener Platz • eine früher sehr schöne Villa, heute ist ihre Schönheit nicht mehr sofort sichtbar (daher der Blindenstock) und ihre Fassade (Kleidung) nicht mehr sehr modisch • ein Platz, der sicherlich attraktiv war und gerne bespielt wurde. Heute jedoch ist er kaputt und es bereitet keinem mehr Freude, sich hier aufzuhalten (der Mann kann gar nicht jonglieren und seine Witze waren überhaupt nicht lustig, aber er hat den Kindern von früher erzählt, was seine Aufgaben und seine Funktionen waren). Im Workshop bekommen die Kinder Klemmbretter mit vorbereiteten Fragebögen. Nach einer kurzen Einführung macht sich die Gruppe auf den Weg zu einem Rundgang. Dabei treffen sie die Schauspieler*innen, die in einer kurzen Szene den Ort darstellen. Anschließend notieren die Kinder ihre Beobachtungen und stellen ihre Fragen. Sie halten schriftlich fest, wie „fi t“ die jeweiligen Standorte sind, welche Mangelerscheinungen sie haben und welche Maßnahmen dringend notwendig sind, um ihnen je nach Charakter wieder ein beschwerdeloses und attraktives Dasein an Ort und Stelle zu ermöglichen. Variante: Ältere Kinder fi nden selbst die Eigenschaften des Ortes und überneh- men die Planung mit den Schauspielern oder eine Gruppe der Kinder fungiert selbst als Schauspieler. Diese Methode führt zu sehr lebendigen Gesprächen und kreativen Ergebnissen. Die Gespräche mit den Kindern haben sofort ein hohes Niveau, auch das Ver- ständnis für die vorgegebenen Orte ist hoch. Vorsichtig sollte man schauen, dass die Diskussion ergebnisoffen bleibt. 86 2 Phantasieren 2 2 Ideen fi nden 87 Riesencollagen Schnelle Ideensammlung durch Perspektivwechsel ab 6 Jahren An der Wand wird eine weiße, große Pappe aufgehängt, auf die ein Foto des max. 3 Personen konkreten Bearbeitungsgebietes projiziert wird. Mit dicken, schwarzen Filzstiften 1 h wird auf der Pappe das auf dem Wand projizierte Foto aufgezeichnet. Wichtig ist, dass nur die räumlich wesentlichen Objekte und Linien „comicartic“ dargestellt werden (vgl. Umrisse). eine große, weiße Pappe Aus Zeitschriften sucht die Gruppe nun Referenzbilder, um ihre Ideen, die Vorstel- z. B. 70 cm x 100 cm, (dicke) lungen zu vorherrschenden Atmosphären und zu nutzenden Materialien, sowie schwarze Filzstifte, Mög- die Tätigkeiten, die an dem Ort in Zukunft ausgeübt werden sollen, darzustellen. lichkeit ein Foto von dem zu Es soll drauf hingewiesen werden, dass diese Ideen nicht realisierbar sein müs- bearbeitenden Platz auf dem sen. Es geht eher um ein Ideenfeuerwerk. Wenn die Collage fertig ist, soll die zu Wand zu projizieren (z. B. gestaltende Fläche keinen weißen Fleck mehr aufweisen. Beamer), Malerkrepp, Zeit- schriften, Scheren, Kleber Hinweis: Da die erste Aufgabe nur von maximal drei Personen durchgeführt werden kann, empfi ehlt es sich, diese mit einer anderen Übung zu kombinieren, die parallel angeboten wird. 88 2 Phantasieren 2 2 Ideen fi nden 89 Mitspielen Partizipative Entwicklung eines Planspiels zur Platzgestaltung Ort > Berlin Anzahl und Alter > 28 Jugendliche der 9. Klasse des Albrecht Dürer Gymnasiums in Berlin-Neukölln 12 Studierende der Architektur, Landschaftsplanung und Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Andrea Benze, Anna Juliane Heinrich, Christina Jimenez Mattsson mit Urs Walter und Harald Rogge, Lehrer am Albrecht Dürer Gymnasium, Berlin-Neukölln Veranstalter/Kooperationspartner > Kooperationsprojekt zwischen JAS e. V. und TU Berlin, Institut für Architektur und Stadt- und Regionalplanung sowie dem Albrecht Dürer Gymnasium in Berlin-Neukölln im Rahmen der Aktion Karl-Marx-Straße 90 WS Mitspielen – Szenisches Planspiel entwickeln Im Workshop Mitspielen entwickelten Schüler*innen zusammen mit Studierenden ein szenisches Planspiel als Planungstool für eine Neu- gestaltung des nahe zur Schule gelegenen Karl-Marx-Platzes in Berlin Zum Start des Workshops erkunden die Schüler*innen das Gebiet um den Karl- Marx-Platz unter jeweils einem der abstrakten Begriffe: Mächte, Flüsse, Inseln, Grenzen und Verstecke. Diese Untersuchung soll die Schüler*innen dabei unter- stützen, den narrativen Rahmen des Spiels zu definieren. Die Interpretation der fünf Begriffe wird diskutiert und als Beobachtungen auf Postkarten festgehalten. Welche Mächte regieren den Platz? Welche Flüsse sind vorhanden? Zum Beispiel Verkehrsflüsse, der Fluss des Mülls ausgehend vom Imbiss auf dem Platz und tat- sächliche Wasserläufe bei Regen. Wo gibt es Inseln, wer oder was setzt Grenzen oder bietet Verstecke und welche Eigenschaften haben sie? Die Schüler*innen nehmen spezifische Blickwinkel ein und betrachten dadurch den Platz anders als gewohnt. Neben offensichtlichen Interpretationen der Begriffe werden auch gewagte Deutungen notiert. Die Teilnehmer*innen arbeiteten von nun an in fünf festen Teams, die von jeweils zwei Studierenden begleitet werden. Spielakteure Aus der Analyse des Stadtquartiers können auf dem Platz vielfältige Akteure mit spe- zifischen Bedürfnissen, Wünschen und Routinen abgeleitet werden, so z. B. Kinder, Jugendliche und Senior*innen oder Hundebesitzer*innen, Straßenmusiker*innen, Cafebesitzer*innen, Autofahrer*innen und Marktbetreiber*innen. Sie werden zu Rollen, die im Spiel eingenommen werden können. Unter Rückgriff auf persön- liche Erfahrungen und durch erneute Beobachtungen und Gespräche auf dem Platz werden sie von den Schüler*innen detailliert beschrieben. Die fünf Start- begriffe, unter denen der Karl-Marx-Platz untersucht wurde, dienen als Leitfaden zur Analyse und Beschreibung der Akteure. Spielkarten Die Schüler versetzen sich in die Rolle der einzelnen Akteure und erstellen für sie Maximalszenarien, die sie in sogenannten „Paradieskarten“ festhalten. Wie sähe der Karl-Marx-Platz aus, wenn nur ein einzelner Akteur bzw. eine homogene Ak- teursgruppe seine Entwicklung bestimmen könnte und dafür ein ausreichendes Budget hätte? Aus den Paradieskarten leiten die Schüler*innen einzelne kon- krete Umbaumaßnahmen oder Nutzungen des Platzes für die unterschiedlichen Akteure auf dem Karl-Marx-Platz ab. Diese dienen in dem Spiel als kleinere oder größere Missionen der einzelnen Spieler*innen und werden auf Spielkarten de- taillreich aufgezeichnet und beschrieben. 91 Spielfeld und Spielsteine Das Spielfeld ist der Karl-Marx-Platz. Gleich zu Beginn des Workshops haben die Schüler*innen gefordert, dass auch die zum Platz orientierten Ladenlokale in das Spiel einbezogen werden müssen, da die Art der Läden ganz entscheidend den Charakter des Platzes mitbestimmt. Auf Vorschlag der Schüler*innen wird der Platz in drei unterschiedliche Zonen eingeteilt: die Ladenlokale, der Stra- ßenraum und die mittige Freifläche. Den drei Zonen wird ein Spielfeldraster aus Dreiecken unterlegt, welches die Mitspieler*innen Zug um Zug mit dreieckigen „Durchsetzungssteinen“ für ihre Missionen belegen. Das Spiel wird nach Tages- zeiten gespielt. Jeder Akteur hat je nach Tageszeit eine unterschiedliche Durch- setzungskraft. Die Jugendlichen sind abends aktiv, hier wird ihre Punktzahl – also die Anzahl an Durchsetzungssteinen, die gelegt werden können – verdreifacht, während sie morgens mit einfacher Punktzahl wenig Einfluss haben. Bei den Rentner*innen ist es umgekehrt. Ebenso haben einzelne Akteure unterschiedlich starke Interessen an den Zonen des Platzes. Hierin gleichen sich Jugendliche und Rentner*innen. Sie können leichter das Programm für die Platzmitte mit- bestimmen, ihre Durchsetzungskraft, ein neues Ladenlokal zu eröffnen, ist ent- sprechend geringer. Um das zu erreichen, müssen sie Allianzen mit anderen Spieler*innen eingehen. Spielphasen Im Spielablauf verkörpert jede*r Spieler*in die Rolle eines Akteurs, der bestimmte Missionen erfüllen möchte. Diese sind jeweils einem der drei Bereiche auf dem Platz zugeordnet. Eine Punktzahl gibt an, wie „teuer“ diese Mission ist bzw. wel- che Anzahl von Spielfeldern zusammenhängend mit Durchsetzungssteinen für diese Mission belegt werden müssen. Einige der Missionen können alleine durch- geführt werden, für andere benötigt man Partner*innen, die man von seinem Vorhaben überzeugen muss und die sich mit ihren Spielsteinen an dieser Mission beteiligen. Durch geschicktes Legen ihrer Spielsteine können die Spieler*innen Missionen Anderer blockieren und diese Blockaden durch Kooperationen wieder überwinden. Ein zentrales Anliegen der Schüler*innen war, dass es in dem Spiel eine*n Gewinner*in gibt, daher hat gewonnen, wer die höchste Punktzahl an realisierten Missionen erreichen konnte! Spielergebnisse Mit Karl ärgere Dich nicht werden insgesamt 117 einzelne Maßnahmen für Platz- nutzungen verhandelt, die von 13 verschiedenen Charakteren vertreten werden. Darunter befinden sich nahe liegende Vorschläge, wie Sitzbänke oder schatten- spendende Bäume, aber auch Maßnahmen, die auf sehr feinfühligen Beobach- tungen beruhen und die spezielle Sichtweise der Jugendlichen reflektiert: Eine Extrabeleuchtung für Max den Straßenmusiker, damit er auch abends spielen kann, außerdem Radwege, damit Zuhörer*innen sicher zu ihm kommen können. Eine Gruppe Jugendlicher wünscht eine Skulptur, an der sie „richtig gut abhän- gen können“ und die ihnen etwas Schutz vor Blicken gewährt. Der Sportler Ali benötigt einen Trinkbrunnen, um bei Durst nicht auf den Kiosk angewiesen zu sein. 92 WS Mitspielen – Szenisches Planspiel entwickeln Im Spiel gibt es einen Hundeservice für berufstätige Hundehalter*innen oder eine Staubsaugstation für Autofahrer*innen auf dem Platz. Auch sehr visionäre Vorhaben, wie eine Rennstrecke für Läufer*innen oder eine Platzüberdachung für Marktbetreiber*innen werden verhandelt, sind allerdings nur durch größere Allianzen durchzusetzen. Bei den Charakteren, die den Platz zur Erholung nutzen möchten, überschneiden sich Interessen hinsichtlich Ver- kehrssicherheit oder Möglichkeiten des nichtkommerziellen Aufenthaltes. Den- noch kann es im Spiel für sie vorteilhaft sein, auch Ladenbetreiber*innen für Kooperationen zu gewinnen, die in bestimmten Situationen über mehr Durch- setzungskraft verfügen. Mit jeder Spielrunde werden also Vorschläge verhandelt, die konkrete Ansätze zum Weiterdenken bieten. Die Idee des Spiels liegt darin, gemeinsame und sich widersprechende Bedürfnisse zu verhandeln und Mög- lichkeiten für Doppelnutzungen, hybride Nutzungsmischungen und Prioritäten auszuloten. Damit konzentriert sich das Spiel auf den Entwicklungsprozess städti- scher Situationen und sensibilisiert die Spieler*innen für die Wichtigkeit von Ver- handlungen, Kompromissen und Kooperationen. Fruchtbar an der Spielsituation ist die Zwischenebene, in der gespielt wird: Zwischen Realität und Imagination, zwischen konkreten Bedürfnissen und fiktiven Szenarien. Karl-Marx-Spiel - 117 Missionen e Karl-Marx-Spiel - 13 Charaktere mit ungeahnten FähigkeitenKarl-Marx-Spiel - 117 Missionen erzräzähhlelenn v voonn d deenn B Beeddüürfrnfnisissseenn d deer rM Meennsscchheenn i mim Q Quuaartriteier r 93 Die Spieler*innen schlüpfen in unterschiedliche Rollen und lernen sie zu verste- hen. Sie vertreten im Spiel Bedürfnisse, die im realen Leben nicht ihre eigenen wären. Über die unterschiedlichen Akteure und ihre Missionen werden die viel- fältigen Interessenlagen am Platz deutlich. Das Spiel operiert auf einer allgemeinverständlichen Abstraktionsebene. Der Spielplan greift die Geometrie und Struktur des Karl-Marx-Platzes auf, doch er ist kein realistisches Abbild. Durch diese Abstraktion führt die Spielsituation weg von „fertigen, starren Bildern“ und offeriert die Möglichkeit, über die für alle Betei- ligten gleichermaßen gültigen Spielregeln zu gemeinsamen Lösungen zu gelan- gen. Nebenbei erzählt das Spiel von der Sichtweise der Jugendlichen, die sie in Bezug auf ihre eigene Rolle und die Rolle ihrer Nachbar*innen einnehmen. Das szenische Planspiel ermöglicht einen Perspektivwechsel: Erwachsene schlüpfen in die Rollen von Jugendlichen, Jugendliche in Erwachsenenrollen. Akteure des Ortes können konkrete Szenarien für die Umgestaltung des Platzes erspielen. Durch die mehrtägige Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Nutzun- gen und Nutzer*innengruppen sind die Schüler*innen sehr gut in der Lage, den Platz als Aushandlungsort verschiedenster Interessen zu verstehen. Indem sie herausgefordert waren, sich in die Bedürfnisse anderer Akteure zu versetzen, wurden sie besonders dafür sensibilisiert, Kompromisse oder Kooperationen zwi- schen ihren eigenen Interessen und denen anderer Akteure zu finden. Das Spiel ist Eigentum der Albrecht Dürer Schule, dort dient es als Lehrmaterial und wurde anlässlich von Stadtteilfesten von den Schülern*innen aktiviert und wieder gespielt. Die Entwicklung des Planspiels wurde in einem Blog zur Work- shopreihe kontinuierlich dokumentiert. 94 WS Mitspielen – Szenisches Planspiel entwickeln Mein Fuhlenbrock Kinder entwickeln ein Stadtspiel, nachdem sie ihre Stadt spielerisch entdeckt haben Ort > Bottrop-Fuhlenbrock Anyahl und Alter > 34 Schüler*innen zwei 4. Klassen der Paul Gerhardt Grundschule in Bottrop-Fuhlenbrock Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Anne Jonderko, Barbara von Jagow Veranstalter/Kooperationspartner > JAS e. V., Stadt Bottrop und Paul Gerhardt Grundschule in Bottrop-Fuhlenbrock Das Projekt war ein Nachfolgerprojekt des 2009 stattgefundenen Projektes Häuserboten und wurde unter anderem durch das Preisgeld des „SEE YOU Festival“-Kulturpreises finanziert. 95 WS Mein Fuhlenbrock In einem zweiwöchigen Schulprojekt an der Paul-Gerhardt-Grundschule in Bottrop-Fuhlenbrock machten sich Viertklässler*innen auf, ihren Stadtteil Fuh- lenbrock zu entdecken, um anschließend ein Stadtspiel für ihr Quartier zu entwickeln. Als ob es ein großer Spielplatz wäre, untersuchten die Kinder ihren Ort mit vielen unterschiedlichen Methoden. Ganz nebenbei lernten die Kinder auch etwas über den Aufbau einer Stadt, über regionale und baugeschichtliche Besonderheiten: Finja 10: „Zusammen mit der Architektin konnten wir unsere eigene Stadt bauen. Bevor wir angefangen haben, besprachen wir noch, was in so eine Stadt alles gehört: Rathaus, Krankenhaus, Schulen, Spielplätze und natürlich Häuser für die Bewohner.“ Mit Kameras, Absperrbändern und Stiften ausgerüstet, machten sich die Kinder auf den Weg, ihr Quartier zu erforschen. Spielerisch analysierten sie ihren Stadt- teil zu drei unterschiedlichen Themen: Stadtgrün, Architektur und Stadt. Neugie- rig ließen wir (Architektinnen) uns Orte von den Kindern zeigen, die sie bereits kannten und erklärten den Schüler*innen gleichzeitig, wie sie fachgemäß ihr gebautes Umfeld nach verschiedenen Kriterien untersuchen können. Bei einem ersten Stadtrundgang wurden verschiedene Expert*innenteams gebildet: Eini- ge Schüler*innenexperten suchten besondere Orte, z. B. Lieblings- und Haßor- te, leise und laute, gefährliche und besinnliche Stellen. Ein Expert*innenteam interessierte sich für auffällige Fassadengesichter und wieder andere stöberten nach Fundstücken oder haptisch interessanten Oberflächen. Alles wurde doku- mentiert und markiert, Geräusche wurden aufgenommen und Besonderheiten fotografiert. 96 WS Mein Fuhlenbrock In einem zweiten Schritt entwickelten die Kinder aus diesen Analysen und Er- kenntnissen neue Ideen für ihren Stadtteil und setzten diese kreativ in Modellen, Collagen, Kunstwerken um. An Türmen liefen Ameisenstraßen hoch, Ufos lande- ten auf dem Schulhof und langweilige Häuser sprachen auf einmal. Beschädig- ten Häusern wurde eine Therapie verordnet und im nahe gelegenen Stadtpark wurde Unsichtbares sichtbar gemacht. Gemeinsam mit den Kindern wurde überlegt, was aus den ganzen zusammengetragenen Ergebnissen entstehen könne. So entsprang die Idee eines Brettspiels, für das die Schüler*innen die Regeln entwickelten. Alle zusam- mengetragenen Ergebnisse der beiden Projektwochen wurden fotografiert. Aus diesen Fotos entstanden Ereigniskarten zu unterschiedlichen Themen wie Stadt, Stadtgrün oder Architektur. Dazu ergänzten nun die Kinder passende Fragen und durchdachten den genauen Spielablauf: Kann man rausgeschmissen werden? Wie oft müssen Karten gezogen werden? Bevor das Spiel schließlich in den Druck ging, entstand auch der Name „Unser Fuhlenbrock“. Das Besondere dieses Workshops war die Zeit, die sich genommen wurde, um auf ganz vielen Ebenen das Umfeld der Kinder zu erkunden. So entdeckten sie ganz neu ihren Stadtteil und dadurch auch neue Möglichkeiten sich mit ihrer Umgebung zu identifizieren. Diese Vielzahl von Bildern – zum einen durch die Anzahl der Kinder und zum anderen durch die Menge an Aufgaben – fand dann auch noch Verwendung in einem Spiel – so konnten die Kinder eine umfangrei- che Erinnerung an ihre Entdeckungen mit nach Hause nehmen. 97 98 WS Mein Fuhlenbrock 3 Gestalten Ein wichtiger Baustein der baukulturellen Bildung ist die Entwicklung von Gestal- tungsideen für Stadt und Landschaft, Gebäude und Innenräume. Bedürfnisse zu erkunden und mit dieser Raumerfahrung eine Idee zu entwicklen und in einer zwei- oder dreidimensionalen Technik darzustellen, ist ein elementarer Schritt zum Verständnis von Architektur und Städtebau. Beschrieben werden hier Me- thoden, die dies fördern und deren Ergebnisse Dritten präsentiert werden kön- nen (s. Kommunikation). Zugleich muss betont werden, dass bei der Anfertigung von Zeichnungen, Collagen oder beim Bau eines Modells immer auch eine Art innere Auseinandersetzung und bisweilen ein Selbstgespräch mit der gestellten Aufgabe und der hierfür entwickelten Idee stattfindet. Es ist ein Denkprozess, ein kreativer Anstoß, der bei den Kindern und Jugendlichen in Gang gesetzt wird. Sie beschäftigen sich mit der planerischen Aufgabe und lernen (räumliche) Zusammenhänge zu begreifen. Junge Menschen sollen in ihren kreativen Aus- drucksmöglichkeiten gefördert werden und Ideen für Räume, Häuser oder ganze Stadtviertel entwickeln. Dabei geht es nicht nur darum, eigene Wünsche und Be- dürfnisse auszudrücken und umzusetzen, sondern auch darum, junge Menschen für die Belange anderer zu sensibilisieren und reale Zusammenhänge von Stadt- entwicklung und Raumproduktion zu vermitteln. Wir arbeiten hier zum Beispiel mit Modellbau oder kreativen Übungen, wie der Umsetzung von Atmosphären in Raumeindrücke, Zeichnungen oder Collagen. Gestalten ist ein sehr komplexer Bereich und bietet eine breite Palette an Möglichkeiten. Grundsätzlich bereitet es Kindern und Jugendlichen viel Freude, etwas auszuarbeiten und konkret zu formulieren. 99 3.1 Zweidimensional arbeiten Gestaltung ist ein Prozess der Formgebung. Eine Idee wird geschaffen, verfasst, modifiziert und weiterentwickelt. Durch diesen kreativen Schaffensprozess er- fährt das zu bearbeitende Objekt oder der zu beplanende Raum eine ästhetische Veränderung. Es wird in die gebaute Umwelt eingegriffen, Räume und Objekte bekommen eine neue Gestalt. Bisweilen wird auch ein Prozess der Veränderung gestaltet. In baukulturellen Entwürfen wird sich dem Thema der Gestaltung vor- dergründig formal, funktional, konstruktiv, sozial und über die Materialität ge- nähert. Im Entwurf werden bestimmte vorgegebene Rahmenbedingungen wie der vorhandene Ort, die geplante Nutzung, genaue Vorstellungen und Wünsche in den komplexen Gestaltungsprozess mit einbezogen. Es werden funktionale Gebrauchstüchtigkeit, wirtschaftliche und ökologische Angemessenheit, kultu- relles Verständnis, soziale Verantwortung und durchaus auch Schönheit in einer Gestaltung zusammengeführt. Methoden zur Gestaltung greifen Gegebenheiten, Vorgaben sowie Ideen auf und suchen nach einer phantasievollen, ästhetischen Umsetzung. Möglichkeiten zur Gestaltfindung im zweidimensionalen Bereich können Zeichnungen, Collagen, Comics oder klassische Arbeit mit Karten und Plänen sein. 101 Orte zeichnen Förderung der Wahrnehmung eines Ortes und erste Ideenfi ndung vor Ort ab 8 Jahren Die Teilnehmer*innen fertigen mit Bleistift eine schnelle Freihandzeichnung des Einzelarbeit Ortes, für den Veränderungsideen entwickelt werden sollen, an. Mit Klemmbret- 20 min tern, gutem hochwertigen Papier sowie guten Bleistiften ausgestattet suchen sich die Teilnehmer*innen einen Platz aus, von dem sie persönlich den Ort näher betrachten möchten. Nun zeichnen die Teilnehmer*innen den Ort. Dafür haben sie maximal zehn Minuten Zeit und sollten bestenfalls keinen Radiergummi be- Skizzenpapier, Bleistifte und nutzen. Anschließend skizzieren sie in einer anderen Farbe ihre persönlichen eine andere Farbe Wünsche oder Ideen für den Ort in das Bild hinein. Auch hierfür sollte nur kurz Zeit sein, da diese Übung genutzt wird. Meist sind diese ersten Ideen schon eine sehr gute Grundlage für alle weiteren Entwürfe. Hinweis: Diese, auf den ersten Blick sehr einfache Methode beinhaltet bereits viele wichtige Elemente. So lernen die Teilnehmer*innen nicht etwa das bessere Zeichnen, sondern zuerst das genauere Hinsehen durch das Skizzieren eines Or- tes. Gleichzeitig setzen sie sich bereits beim Zeichnen mit dem Ort auseinander und lernen diesen intuitiv kennen. Sie „denken“ so also mit der Hand. Variante: Viele Menschen scheuen sich vor dem Zeichnen, da sie das Gefühl haben, sie seien unbegabt. Um diese Scheu zu nehmen, kann man spielerisch mit links zeichnen oder die Zeit stoppen, in der gezeichnet wird. Eine andere Variante, für die man große Papierformate benötigt, ist mit Stö- cken, an die die Stifte oder Pinsel vorne dran geklebt werden (einfaches Krepp- band reicht), zu malen. Auch dadurch entstehen sehr schöne Effekte und die Teilnehmer*innen fühlen sich vom eigenen Anspruch des perfektionistischen, fotorealistischen Zeichnens entbunden. 102 3 Gestalten 3 1 Zweidimensional arbeiten 103 Gestaltungsrezept Rücksichtnahme und Anpassung von Ideen und Konzepten anderer ab 10 Jahren Diese Übung fokussiert die gemeinschaftliche Entwicklung von Gestaltungsideen 2–3 Personen wie auch die Auseinandersetzung mit Ideen anderer. Dabei gilt es, eigene Ideen 3 Mal ca. 30 min (zzgl. 5 min loszulassen und die Ideen Dritter weiterzudenken. Präsentation pro Rezept) Wir verwenden die Methapher des Rezepts. Die Gruppen starten mit der Auf- gabe, „Zutaten“ für die Gestaltung eines Bereichs zu diskutieren (das kann ein Innenraum, z. B. ein Klassenzimmer oder auch ein Außenraum sein, z. B. ein Rezeptblatt vorbereitet als Schulhof). Wenn die Gruppe sich geeinigt hat, werden die Zutaten auf die vorge- DIN A4 oder DIN A3, Stifte, fertigte Blattvorlage notiert und die Zutatenlisten werden zwischen den Gruppen ggf. Materialien für Collage ausgetauscht. oder Modellbau, ggf. Pack- papier als beschreibbare Nun gilt es, in der zweiten Arbeitsrunde die Zutaten zu überprüfen: z. B. inwie- Tischunterlage fern noch wichtige Gewürze fehlen (z. B. braucht es noch Holz als Baumaterial) oder Mengenangaben hinzufügen (z. B. zwei Parkbänke mehr). Als nächstes wird beschrieben, wie die Zutaten verarbeitet werden sollen: wie sollen die Zutaten verarbeitet werden, wie sollen Zutaten angeordnet werden. Dies wird in einem Text oder auch in Stichpunkten festgehalten. Nach einer weiteren halben Stunden werden erneut die Rezepte ausgetauscht. Aufgabe ist es nun, das Rezept mit einem Titel zu versehen und zu illustrieren. Das kann als Zeichnung, Comic oder Collage erfolgen. Wahlweise kann auch ein Modell gebaut werden. Am Ende aller drei Sessions werden die Ergebnisse präsentiert und von allen kommentiert. In der Regel ist es für alle spannend zu erfahren, wie sich ihre Ideen weiterentwickelt haben. Schließlich können alle Rezepte ausgestellt oder in einem Kochbuch zusammengebunden werden. 104 3 Gestalten 3 1 Zweidimensional arbeiten 105 Collagentechnik auf Fotografi en Darstellung von Interventionen und Veränderungen auf Fotos ab 5–10 Jahren Die Kinder erhalten großformatige Fotovorlagen (ca. DIN A4 bis DIN A1) von Ge- Einzelarbeit bäuden oder Außenräumen, die verändert und weiterentwickelt werden sollen. 1–2 h Nach einer Phase der Ideenfi ndung mittels Skizzen und Zeichnungen werden mit Folien, farbigen Papieren und kopierten Strukturvorlagen Interventionen und Veränderungen mittels Collagetechnik auf die Fotovorlagen gearbeitet. Beste- hende Gebäude können beispielsweise ergänzt, erweitert oder umgebaut wer- großformatige Fotovorlagen, den. Dabei stellt die Collagetechnik eine spielerische Form dar, um einfach und diverse Collagematerialien, schnell zu spannenden Resultaten zu kommen. Durch die Mischung und die Klebstoff, Stifte, Scheren Auswahl der Collagematerialien spielt der Zufall eine wesentliche Rolle, so dass immer wieder überraschende Ergebnisse generiert werden können. Zur Vorbereitung der Fotovorlage wird empfohlen, die Fotografi en mittels Bild- bearbeitung zu abstrahieren, um einen fotorealistischen Effekt zu vermeiden (u. a. S/W-Einstellung, monochrom einfärben, aufrastern der Fotovorlagen, etc.). 106 3 Gestalten 3 1 Zweidimensional arbeiten Wechselbilder Entwicklung und zeichnerische Darstellung von Zukunftsvisionen durch das Gestalten von Vorher-/ Nachher-Bildern Der Ort, mit dem die Teilnehmer*innen sich beschäftigen sollen, wird fotografi ert ab ca. 8 Jahren und zweifach ausgedruckt. Auf einer der beiden Fotovorlagen, die den Ort zei- Einzelarbeit gen, der verändert werden soll, werden neue Ideen eingezeichnet. Danach wer- 20 min den beide Fotovorlagen in 2 cm breite Streifen zerschnitten. (Achtung: die beiden Fotos nicht durcheinander bringen!) Nun werden die zwei zusammengeklebten, leeren A4-Blätter ziehharmonikaförmig gefaltet, ebenfalls in einem Abstand von 2 cm. Auf die so entstandenen Flächen der Ziehharmonika werden abwechselnd Papier, Stifte (z. B: Ölkrei- die Streifen der beiden Fotovorlagen geklebt. Hierbei auf die richtige Reihen- den), Schere, Klebe, Fotovor- folge achten. Zum Schluss wird das Papier rechts und links auf dem Fotokarton lage 2x (möglichst schwarz/ fi xiert. So entsteht ein Wechselbild, das den Ort mit und ohne Umgestaltungs- weiß, DIN A4 Format), 2 im ideen zeigt. Querformat aneinanderge- klebte DIN A4 Blätter, 1 Blatt Hinweis: Am besten ein Beispiel vorbereiten und je nach Altersgruppe auch Fotokarton DIN A4 schon die Markierungen für die Streifen auf der Fotovorlagen vorbereiten. Es kann ebenso sinnvoll sein, die Ziehharmonikafaltung vorzubereiten, auf jeden Fall sollte dies den Kindern an einem Beispiel demonstriert werden. 107 108 3 Gestalten 3 1 Zweidimensional arbeiten 3.2 Dreidimensional arbeiten Wenn Architekt*innen und Stadtplaner*innen ein Modell bauen, verfolgen sie damit verschiedene Ziele. Präsentationsmodelle erklären den Betrachter*innen in anschaulicher Weise, wie das Planungsgebiet, das Gebäude, der Park, die Brücke usw. später aussehen könnte. Oft ist es sogar leichter ein Modell zu ver- stehen als in Plänen zu lesen. Es ist aber auch eine Entwurfsstrategie, die dem*r Planer*in hilft, räumliche Zusammenhänge deutlicher zu sehen und die Kuba- tur besser zu erfassen. Auch um auszuprobieren, ob eine Idee das hält, was sie verspricht, bauen Planer*innen Arbeitsmodelle, welche ständig verändert und weitergebaut werden. Ähnliche Funktionen kommen dem Modellbau in der bau- kulturellen Vermittlung zu. Kinder und Jugendliche können mit Hilfe der Modelle ihre Vorstellungen präsentieren und veranschaulichen. Gleichzeitig durchlaufen sie einen Arbeits- und Entwurfsprozess beim Bauen von Modellen. Für Kinder und Jugendliche ist es eine Ausdrucksmöglichkeit, die sie in der Regel sehr begeistert. Im Modell umgesetzt werden können Innenräume, Gebäude, Stadt- räume, aber auch Beziehungsgeflechte zwischen Orten, Menschen sowie abs- trakten Ideen, Stimmungen, Bewegungen, etc. Letzterem kommt gerade in der Wahrnehmungsschulung eine besondere Bedeutung zu. Weiterhin fördert der Modellbau handwerkliche Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen. Sie arbeiten mit ihren Händen sowie verschiedenen Werkzeugen, gleichzeitig entdecken sie unterschiedliche Möglichkeiten, konstruktiv etwas um- zusetzen und lernen neue Materialien und Werkezeuge kennen. Gebaut werden Modelle aus abwechslungsreichen Modellbaumaterialien. Grundsätzlich sollten nicht zu viele Materialien und Werkzeuge auf einmal angeboten werden, da sonst das Material und das Werkzeug im Vordergrund steht und die eigentliche Intention vergessen wird. Neben der Möglichkeit, mit Hilfe des Modellbaus eine Idee zu transportieren und zu entwickeln, kann der Modellbau auch gezielt zur Wissensvermittlung be- stimmter Themen verwendet werden. Bestimmte Material- oder Konstruktionsei- genschaften können so erforscht werden. Je nach Alter der Kinder und Jugend- lichen kann ein Modell auch die Wirklichkeit maßstabsgetreu abbilden und sie entwickeln ein Gespür für das Verhältnis Modell zur Realität. 109 Ein Stuhl aus… Förderung des Verständnisses für Materialeigenschaften und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten ab ca. 10 Jahren Die Teilnehmer*innen haben die Aufgabe, ein Objekt, z. B. einen Stuhl, aus drei Einzelarbeit verschiedenen Materialien zu bauen. Dabei sollen sie besonders auf die durch 1 h das Material vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten achten. Wichtig ist, dass die gesamte Materialmenge genutzt wird. Aufgabe 1: Jede*r Teilnehmer*in bekommt eine Unterlage und die gleiche Menge 3 feste Untergrundplatten Knetmasse. Aus dieser Masse soll nun ein Objekt geformt werden. Der Zeitauf- 10 cm x 10 cm pro Teilnehmer wand soll nicht länger als zehn Minuten betragen. (dicke Pappe, Holz), verschie- dene Modellbaumaterialien Aufgabe 2: Jede*r Teilnehmer*in bekommt eine Unterlage und ein gleich großes, (hier: Knete, Streichhölzer, einfarbiges Papierblatt, eine Schere und eine Rolle Tesafi lm. Aus diesem Material Papier), Heißklebepistole + wird das gleiche Objekt nochmals gebaut. Die Gestaltung soll sich an die An- entsprechender Kleber, Papier, forderungen des Materials anpassen. Der Zeitaufwand beträgt etwa 20 Minuten. Tesafi lm, Schere (für jede*n Teilnehmer*in) Aufgabe 3: Jede*r Teilnehmer*in bekommt die dritte Unterlage und die glei- che Menge Streichhölzer, um davon das vorgegebene Objekt bauen zu können. Durch das Kleben ist der Zeitaufwand hier länger, soll aber nicht 30 Minuten überschreiten. Hinweis: Die Materialauswahl kann erweitert oder ausgetauscht werden: Spa- ghetti, Verpackungsmaterial (Styrodur), Kordel, Playmais, Naturmaterialien usw. 110 3 Gestalten 3 2 Dreidimensional arbeiten 111 Arbeiten am Stadtmodell Darstellung von Überlagerung und Überschneidungen von Funktionen in einem Stadtmodell ab 6–10 Jahren Während Gebäude für Kinder und Jugendliche in der Regel greifbar und konkret 2–4 Personen sind, ist die Stadt als Phänomen abstrakt – und mit ihrer Komplexität schwer zu 2–5 h erfassen. Es hat sich gezeigt, dass Modelle in städtebaulichen Maßstäben eine Chance darstellen, Bezüge und Zusammenhänge, die über das einzelne Gebäu- de hinausgehen, anschaulich zu machen und funktionale Überlagerungen zu thematisieren. diverse Modellbaumateriali- en mit den entsprechenden Gearbeitet wird an einem Stadtmodell im Maßstab 1:500, welches vorab mit Werkzeugen (Pappen, Hölzer, seinen Bestandsgebäuden produziert wird. In das Stadtmodell werden unter- Folien, Plexiglas, Holz, Styro- schiedliche Themen der Stadt eingearbeit (z. B. Gestaltungsideen zu Ernährung, dur, etc.) Energie, Bildung, Verkehr, etc. in der Stadt der Zukunft). Diese werden durch die Verwendung unterschiedlicher oder farblich zugeordneter Modellbaumateriali- en ablesbar. So werden die Interventionen zu einer bestimmten thematischen Schicht (Ernährung grün) am Ende für die Teilnehmer*innen und Besucher*innen erkennbar. Es können auch großmaßstäbliche Ideen und Interventionen aus Ein- zelarbeiten, die über den Maßstab des Modelles hinausgehen, im Modell platziert werden. Diese Ideen werden an langen Holzstäben befestigt und „schwebend“ im Modell platziert. Die Modellstadt kann von verschiedenen Teams an einem Nachmittag oder in aufeinander folgenden Workshops gebaut werden. 112 3 Gestalten 3 2 Dreidimensional arbeiten 113 Arbeiten am Architekturmodell Gestaltung von Innenräumen und Gebäuden ab 6 Jahren Während der Maßstab städtebaulicher Modelle sehr abstrakt ist, ist der Zugang 2–4 Personen der Arbeitsmodelle im Gebäudemaßstab für Kinder wesentlich einfacher: hier 2–5 h sind Kinder durch ihre Spielerfahrung mit der Lego- oder Playmobilwelt große Expert*innen. Orientiert man sich an diesen Spielwelten, ist der Transfer für Kin- der und Jugendliche von der Spielwelt in den Bereich Architektur einfach zu bewerkstelligen. Aus diesem Grund eignen sich für Kinder Maßstäbe, die kom- diverse Modellbaumateriali- patibel zu den Spielwelten sind. So können Legofi guren in Modellen mit dem en mit den entsprechenden Maßstab M 1:50 integriert werden, Playmobilfi guren entsprechend ungefähr dem Werkzeugen (Pappen, Hölzer, Maßstab 1:20. Für ältere Kinder oder Jugendliche lassen sich die Figuren durch Folien, Plexiglas, Holz, Styro- Menschen aus dem Modellbaubedarf ersetzten. dur, etc.), Knete Zur Motivation der Kinder und Jugendlichen tragen Materialien und Verarbei- tungsweisen bei, die normalerweise nicht in der Schule oder zu Hause Ver- wendung fi nden. So lässt sich beispielsweise mit Styrodurschneidegeräten sehr schnell eine Vielzahl an Formen erfi nden, die mit anderen Materialien nur schwer herstellbar ist – der Spaß an der Herstellung trägt dazu bei, dass die Teilnehmer*innen engagiert dabei sind. Eine erfolgreiche Arbeit mit Modellen setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus: es gilt die Materialien, die zum Einsatz kommen sollen, sorgfältig auszusuchen und mit Bedacht zu kombinieren. Grundsätzlich gilt: möglichst wenig Materi- al. Genauso wichtig wie die Auswahl der Materialien ist der Einsatz material- und altersgerechter Werkzeuge, die in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen müssen. Modelle lassen sich über Fotografi e in die Zweidimensionalität führen und mit grafi schen Mitteln weiter verarbeiten. So können die Fotos der Modelle Aus- gangspunkt für Collagen sein. Mit diesem Transfer zwischen zwei- und dreidi- mensionalem Arbeiten werden die verschiedenen Aspekte räumlicher Konfi gura- tionen von vielen unterschiedlichen Seiten beleuchtet – was dazu beiträgt, dass die Komplexität von Raum sehr anschaulich vermittelt wird. 114 3 Gestalten 3 2 Dreidimensional arbeiten 115 Modellbau und Fotografi eren Verortung eines Modells im Stadtraum ab 12 Jahren In dieser Methode wird Modellbau und Fotografi e verbunden. Nach einer Ideen- Einzelarbeit oder entwicklung im „geschützten“ Arbeitsraum werden Modelle im städtischen Zweierteams Kontext – an verschiedenen Orten – getestet. Dabei wird zunächst an einem 4 h (2 h Modellbau, 1 h Foto- Modell gearbeitet, das zentrale Aspekte einer Idee im Ausschnitt bzw. auf das grafi eren, 1 h Nacharbeit und Wesentliche reduziert darstellt. Letzteres empfi ehlt sich auch für die Auswahl an Präsentation) Modellbaumaterialien. Es wird empfohlen, die Kinder zunächst einzeln oder auch in Zweierteams arbei- ten zu lassen. Spätestens, wenn die Modelle in den Stadtraum getragen und dort Modellbaumaterialien, fotografi ert werden, werden Zweierteams empfohlen. Es zeigt sich, dass gerade Fotokamera die gezielte Verortung der Modelle an „passenden“ und „nicht passenden“ Orten von intensiven Diskussionen in den Teams begleitet wird. Diese Atmosphäre der Auseinandersetzung lässt sich in der Regel nicht in großen Gruppen wieder- holen. Umso aussagekräftiger sind die Ergebnisse, die im Idealfall zusammen ausgestellt werden sollten. Die Methode eignet sich auch für einen mehrtägigen Workshop, der vorab mit Ideencollagen verbunden wird und ggf. eine weitere Arbeitssequenz enthält, in dem die „Passgenauigkeit“ der Ideenmodelle an den favorisierten Ort erhöht wird. Alternativ kann man auch mit grafi schen Mitteln weiter arbeiten. So können die Fotos der Modelle Ausgangspunkt für Collagen sein. Mit diesem Transfer zwi- schen zwei- und dreidimensionalem Arbeiten werden die verschiedenen Aspekte räumlicher Konfi gurationen von vielen unterschiedlichen Seiten beleuchtet – was dazu beiträgt, dass die Komplexität von Raum sehr anschaulich vermittelt wird. 116 3 Gestalten 3 2 Dreidimensional arbeiten 117 Anbaumodell Durch Anbauen und Umbauen Modelle weiterdenken ab 5–8 Jahren In der Arbeit an Modellen hat sich bewährt, mit standardisierten Rohlingen zu 2–3 Personen arbeiten. Es wird eine Art Rohbau vorgegeben, der von den Teilnehmer*innen 2 h unter einer bestimmten Aufgabenstellung ausgebaut, umgebaut oder erweitert werden kann. Der Vorteil besteht darin, dass man einen defi nierten und robusten Bezugsrahmen hat, der als Basis für den Modellbau genutzt werden kann. Mit dem Rohling kann man zügig und gezielt zu der eigentlichen Aufgabenstellung diverse Modellbaumateriali- kommen, ohne sich in den Vorbereitungen zu verlieren. en mit den entsprechenden Werkzeugen (Pappen, Hölzer, Hilfreich ist es, wenn der Korpus stabil ist und über Bohrungen belastbare Be- Folien, Plexiglas, Holz, Styro- festigungspunkte für Einbauten vorgenommen werden können. Es können aber dur, etc.) auch dicke Äste (zum Beispiel für das Einfügen von Baumhäusern) genutzt wer- den. Darüber hinaus ist es für die Präsentation oder das Zusammenführen der Modelle hilfreich, wenn sich die Ästhetik bzw. Form gut ergänzen lassen. Eine einfache Variante des Prinzips einer Modellbauvorgabe sind vorgefertigt Objekte oder ready-mades wie Schuh- oder Pizzakartons. 118 3 Gestalten 3 2 Dreidimensional arbeiten 119 Modellbau mit reduziertem Material Stegreif zur Entwicklung von Gestaltungsideen und zum Start in das dreidimensionale Arbeiten ab 6 Jahren Zunächst werden Gruppen von jeweils zwei bis drei Kindern und Jugendlichen 2–3 Personen gebildet. Die Gruppen dürfen sich eine Papierfarbe aussuchen und erhalten den 0,5–1 h (einschließlich Auftrag, daraus ein Objekt zu einer bestimmten Fragstellung zu basteln. Dies Präsentation) kann z. B. ein Sitzmöbel sein oder ein Objekt zur Fragstellung Bewegung. Dabei sollen die Gruppen ihren Objekten – ähnlich wie bei Designobjekten – einen knackigen Titel geben. Tesafi lm oder Tape, Scheren, Alle Objekte (einschließlich Titel) werden anschließend auf einem Tisch zu einer Papier (alternativ Schaschlik- kleinen Ausstellung zusammengestellt und in der Gruppe vorgestellt. spieße, Plastikbecher u. a.) Hinweis: Bei dieser Übung muss nicht mit Papier gearbeitet werden. Alternativ können auch Schaschlikspieße, Plastikbecher oder ähnliches zum Einsatz kom- men. Wichtig ist nur, dass nicht mit mehreren Materialien, sondern mit einem Grundmaterial gearbeitet wird. Bei der Arbeit mit Papier sollte darauf geachtet werden, dass eine Gruppe jeweils nur eine Farbe verwendet. Die Methode eignet sich besonders gut dazu, in den Modellbau einzusteigen. Gerade bei der Arbeit mit Papier wird deutlich, wie und wodurch aus einem zweidimensionalen Material dreidimensionale Objekte entstehen können. Zu- dem machen die Gruppen bei der Übung die ersten Erfahrungen mit Fragen der Statik und der Befestigung einfacher Materialien. 120 3 Gestalten 3 2 Dreidimensional arbeiten Schmackhafte Bauten Spielerische Vermittlung von Baukonstruktionen durch Modellbau mit besonderen Materialen, z. B. Lebensmitteln Warum fallen Türme nicht um? Warum tragen Brücken? Zur Einstimmung in ab 5–9 Jahren die Modellbauaufgabe werden Bilder von Gebäuden, Brücken und Türmen hin- Einzelarbeit sichtlich ihrer Bauweise und Konstruktion analysiert. Besonders anschaulich sind ca. 30–45 min beispielsweise traditionelle Eisenkonstruktionen, Fachwerkgebäude und Stadien- tragwerke. Es wird dann diskutiert, was diesen Konstruktionen Stabilität gibt. Vor allem auf die Ausstrebungen, die Dreiecke ergeben, sollte hingewiesen werden. Lakritz und Zahnstocher oder Mit diesem Wissen werden die Kinder angeleitet, eigene Konstruktionen zu bau- Spaghetti mit Heißkleber en, z. B. Türme, Flächentragwerke, Brücken, Klettergerüste, etc. Hierfür werden Lakritz und Zahnstocher oder auch Spagetti als „Baumaterial“ verteilt. Bei den Zahnstochern gibt es neben der Standardlänge auch etwas längere, welche sich insbesondere für die Querverstrebungen eignen. Der Vorteil der Nudeln ist, dass sie in der Länge angepasst werden können. Spagetti werden am besten mit Heiß- kleber verklebt. Instabile Modelle können in Teams optimiert werden. Auch das Testen von Be- lastungen ist denkbar. Hinweis: Da Lebensmittel zu Modellbauzwecken entfremdet werden, muss man sich bei dieser Methode auch diesbezüglich mit kritischen Stimmen auseinandersetzen. 121 Haus des Lernens Beteiligungsworkshop mit Schülern im Rahmen der Planungen für den Neubau einer Grundschule mit Kindertagesstätte Ort > Essen Anzahl und Alter > ca. 100 Schüler*innen der 3. und 4. Klassen der Hatzperschule und der Schule an der Raadter Straße in Essen-Haarzopf Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Britta Grotkamp, Juliane Hagen, Barbara von Jagow, Päivi Kataikko-Gri- goleit, Lisa Reudenbach, Viola Schulze-Dieckhoff Veranstalter/Kooperationspartner > JAS e. V., Hatzperschule, Schule an der Raadter Straße und Stadt Essen 122 WS Haus des Lernens Die Stadt Essen plante im Jahr 2010 in Essen-Haarzopf den Neubau eines Gebäu- des, in dem eine Grundschule mit Ganztagsbetreuung (OGS) und eine Kinderta- geseinrichtung untergebracht werden sollten. Um die Schüler*innen als spätere Nutzer*innengruppe und somit Expert*innen frühzeitig mit in die Planung ein- zubeziehen, wurden sie im Rahmen von vier Workshops an der Entwicklung des Gebäudes beteiligt. Noch vor Beginn der Ausschreibung des Architekturwettbe- werbs fanden mehrere Workshops statt. Die Beteiligung von u. a. Schüler*innen im Rahmen von sogenannten Phase Null Verfahren im Bereich der Schulbaupla- nung ist mittlerweile weit verbreitet. In den Workshops haben sich jeweils unterschiedliche Schüler*innengruppen kreativ und mit allen Sinnen mit den Themen „Mein erster Eindruck“, „Mein Platz“, „Gemeinschaft“ und „Lernen“ beschäftigt, um so Ideen und Qualitätskriterien für das neue „Haus des Lernens“ zu entwickeln. Grundlage für die Arbeit mit den Schüler*innen war eine ganzheitliche Heran- gehensweise an das Thema Architektur. Den Einstieg fanden die Kinder zunächst über die Fragestellung, was sie als Expert*innen für Schule und Schulbetreuung benötigen, um sich in einer Schule willkommen zu fühlen, für welche Tätigkeiten das Gebäude ausgestattet sein müsste und welche Atmosphäre für das Lernen und Leben in der Schule wichtig sind. Mein erster Eindruck Bei diesem Thema haben sich die Kinder zunächst damit beschäftigt, was sie als Erstes hören, sehen, riechen und fühlen wollen, wenn sie morgens zur Schule kommen. Jedes Kind konnte eine Papptür öffnen und seine Vorstellung zum Ausdruck bringen. Spielende Kinder, Freunde, Musik und Lachen, einen Fußballplatz, bunte Farben, Vanilleduft, Gummibärchen, Schokolade, Blumen und Freude, Wärme, Wind und im Sommer kühl: so stellten sich die Schüler den ersten Eindruck ihrer neuen Schule vor. Anhand eines Brainstormings, das sich am ABC orientierte, wurden anschließend die Tätigkeiten zusammengetragen, die die Kinder in dem Gebäude als erstes ausüben wollten. Neben aktiven und kommunikativen Tätigkeiten wurden hier auch ruhige Aktivitäten, wie z. B. nachdenken und träumen angeführt. Insgesamt wollten die Kinder von einem Raum empfangen werden, der ihnen Freude be- reitet und gut riecht. Sie wollen sich in ihm sowohl lebhaft bewegen können als auch Bereiche für Kommunikation und Ruhe finden. Im nächsten Arbeitsschritt verbanden die Kinder die Sinneseindrücke mit den Tätigkeiten und entwickelten eine kurze Geschichte in Comicform. In den Ge- schichten spiegelten sich die Wünsche und Vorstellungen der Kinder wider. Auch hier ließen sich allgemeine und atmosphärische Themen und ganz konkrete und praktische Wünsche unterscheiden. Anschließend setzten die Kinder ihre Vorstel- lungen in Modellen um und formulierten ihre Ideen in kurzen Texten. 123 Mein Platz Um den Schüler*innen ihren privaten Raum erlebbar zu machen, wurde zum Anfang die Bewegungsübung „Ein Raum voller Schaum“ durchgeführt. Dadurch wurden die Dimensionen des ganz persönlichen Raumes dargestellt. Auch hier spielte die Raumwahrnehmung mit allen Sinnen eine grundlegende Rolle. Die Frage, was die Kinder an ihrem Platz sehen, hören, riechen und fühlen wollen, war maßgeblich für die Entwicklung der weiteren Ideen. Die Verortung eines möglichen persönlichen Platzes aller einzelnen Schüler*innen im Schulgebäude und auf dem Schulgelände zeigte die Vielzahl und Vielschichtigkeit von mög- lichen Aufenthalts- und Lernräumen. Die Kinder zeigten sich gegenseitig ihre Wunschorte und setzten diese in einem Modell um. Die Ergebnisse der Schüler*innenarbeiten zeigten, dass sie für ihren Platz am ehesten die Atmosphären suchten, die ihnen jeweils ein entspanntes, angeneh- mes Gefühl brachten. Es zeigte aber auch, dass die Schüler*innen sehr unter- schiedliche Umgebungen brauchten, um Geborgenheit fühlen zu können; wenn eine Person es durch die Stimme ihrer Mutter erreichen konnte, brauchte eine anderer dafür Sonne, Licht und Luft. „Mein Platz“ war in den seltensten Fällen im Klassenraum, sondern in der gesamten Schule und im Schulhof verteilt. 124 WS Haus des Lernens Gemeinschaft Auch hier wurde zum Einstieg eine Körperübung durchgeführt, durch die sich die Kinder eine Vorstellung von individuellen und gemeinschaftlichen Räu- men verschaffen konnten. Dazu wurde eine Phantasiereise unternommen. Mit geschlossenen Augen sollten sich die Kinder vorstellen, dass sie komplett mit einem schaumartigen Material umgeben seien. Dann fingen die Kinder an, mit den Händen den Schaum wegzudrücken, um so Raum für sich zu schaffen. Vom individuellen Raum bis hin zu einem gemeinsamen, großen Gemeinschaftsraum konnten sich die Kinder unterschiedliche Raumerfahrungen vorstellen. Mit diesen Eindrücken begaben sich die Kinder zurück in den Klassenraum. Hier erarbeiteten sie sich das Thema „Gruppen in der Schule“. Anhand einer mit den Schüler*innen erstellten Grafik wurde deutlich, dass es in der Schule viele ver- schiedene Gruppen gibt, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Allerdings wurde auch deutlich, dass die einzelnen Gruppen sich in Teilbereichen über- schneiden. Es gab zum Beispiel Überschneidungsräume für die Tätigkeiten ver- schiedener Klassen, von Klassen und Kindergartengruppen (z. B. Vorschulkinder), von Schule und Betreuung, von Lehrer*innen, Betreuer*innen und Erzieher*innen. Auf dieser Grundlage entwickelten die Schüler*innen Gemeinschaftsräume einer Schule, wie z. B. den Wut- und Streitraum, den Raum, in dem die Grundschulkin- der den Vorschulkindern helfen können, das Musik- und Bewegungshaus uvm. und visualisierten auch in diesem Workshop ihre Ideen anhand von Modellen. 125 Lernen Um die Schüler*innen in das Thema Lernen einzuführen, wurde am Anfang eine Geschichte über ein Dorf und dessen Bewohner*innen erzählt, die jeder auf sei- ne Art und Weise lernen konnte. So bekamen die Kinder einen Eindruck von den vielen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten des Lernens. Mit den Kindern wurde danach ein „ABC des Lernens“ erstellt, das in einem weiteren Schritt in neun Lerninseln aufgeteilt wurde. Diese stellten Orte auf dem Schulgelände dar, an denen man lernen kann. Auffällig war hierbei, dass die Kinder vor allem Wert auf die außerschulischen Bereiche legten, auf das Lernen im Freien und in der Natur. Zum Abschluss gestalteten die Schüler*innen die thematischen Lerninseln in Kleingruppen. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden ausführlich dokumentiert und lagen den Ausschreibungsunterlagen des Architektenwettbewerbs bei. Die Schule wur- de 2014 eröffnet. 126 WS Haus des Lernens Schulhof gestalten Beteiligung von Schüler*innen an der Gestaltung des Schulhofs Ort > Bochum Anzahl und Alter > 36 Schüler*innen im Alter von 10 bis 15 Jahren Konzept und Workshop-Team > JAS e. V. Päivi Kataikko-Grigoleit, Frederick Jung, Sebastian Schlecht Veranstalter/Kooperationspartner > JAS e. V. in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Realschule und Montags- stiftung 127 WS Schulhof gestalten Das Schulgebäude der Hans-Böckler Realschule in Bochum wurde in den letzten Jahren entsprechend den heutigen Anforderungen einer modernen Lernumge- bung und zukunftsorientierten Unterrichtsgestaltung umgebaut. Im Anschluss an die laufenden Bauarbeiten am Schulgebäude wurde auch der Schulhof neuge- staltet. Auch hier wurden die Schüler*innen in den Planungsprozess einbezogen. Um möglichst viele Schüler*innen einbeziehen zu können, fand im Vorfeld zum Ideenworkshop eine Umfrageaktion statt, an der alle Schüler*innen der Hans- Böckler-Schule im Rahmen des Unterrichts teilgenommen haben. Aus den Um- frageergebnissen sind die drei Themenstellungen („lernen“, „sich bewegen“und „ausruhen“) für die weitere Bearbeitung entwickelt worden. Auf dieser Grundlage haben die drei Workshop-Gruppen im World-Café-Format, an denen die Teilnehmer*innen in einem festgelegten Zeitraum ein bestimmtes Thema erarbeiten und nach Ablauf der Zeit den Tisch wechseln, mögliche Anfor- derungen und Gestaltungsideen für das Außengelände erarbeitet. Die Besonder- heit der angewandten Methode besteht darin, dass die Teilnehmer*innen nach Wechsel des jeweiligen Thementisches das neue Thema nicht von vorne erar- beiten, sondern an die Ergebnisse der vorherigen Gruppe anknüpfen und somit das Thema vertiefen. Die Ergebnisse der verschiedenen Kleingruppen wurden in einem Gestaltungskochbuch für den Schulhof festgehalten. Die erste Gruppe hat Zutaten für die Gestaltung zusammengestellt, die darauffolgende Gruppe hat mit den Zutaten der ersten Gruppe das Rezept fertig erstellt und die dritte Grup- pe hat die Gestaltung im Modell dargestellt sowie einen Titel für das „Gericht“ erarbeitet. Sportliche Aktivitäten/Bewegung In der Gruppe „Sport auf dem Schulhof“ wurden zur Einführung die persönlichen Erfahrungen und Vorlieben der Schüler*innen in der Runde angesprochen. Die sportlichen Tätigkeiten wurden von fast allen Schüler*innen für die Pausenge- staltung als wichtig dargestellt. Hier kamen schnell einige Punkte zur Sprache, welche die Schulhofnutzung im Allgemeinen betreffen: räumliche Konflikte bei Sport und Spieltätigkeiten mit andern Schüler*innen in Ruhezonen. Hier wurden sowohl der Lärm als auch die Gefahr des Anrempelns und der unkontrollierten Bälle angesprochen. Der Wunsch nach klar strukturierten Flächen wurde deut- lich, so dass die Ruhebereiche ausreichend von den Bewegungsflächen differen- ziert sind. Gleichberechtigte Nutzung für Spielflächen und Geräte bei mehreren Nutzer*innen und begrenzter Kapazität. Es wurde der Wunsch nach hilfreichen Regelungen zur Lösung geäußert. 128 WS Schulhof gestalten Chillen/sich zurückziehen/entspannen Die Gruppe „Erholungsorte“ beschäftigte sich mit dem Begriff der Entspannung und legte damit den Grundstock für die Erholungsrezepte. Zunächst wurde zu- sammengetragen, wie sich die Schüler*innen während des Schultages erholen. Viele der Teilnehmer*innen berichteten, dass sie zwischendurch die Möglichkeit brauchen „den Kopf auszuschalten“ um „neue Kraft zu schöpfen“ oder „auf neu- en Ideen zu kommen“. Wenn manche Schuler*innen dies durch „nichts tun“, „mit Freunden abhängen“ oder „auf dem Bett liegen“ schaffen, möchten andere dabei „Musik hören“ oder „lesen“. Sie berichten auch, dass die fehlende Möglich- keit zur Entspannung während des langen Schultages zum Stress, „unter Strom stehen“, Kopfschmerzen, Müdigkeit, schlechte Laune und sogar zum Streit mit Freund*innen oder den Eltern führen kann. Zur Frage, „was man, um sich erholen zu können, in der Schule braucht“ haben die Teilnehmer*innen vielfältige Vorschläge gehabt. Einige davon beinhalten- ten direkte Kritik an der Institution Schule (keine Schule, keine Lehrer*innen mit schlechter Laune, weniger Hausaufgaben, weniger Unterricht, keine Klassenar- beiten, mehr Freizeit), während Andere Orte mit passenden Atmosphäre und Aus- stattung beschreiben (einen ruhigen Platz, Sitzecke mit Dach, einen Pool, Wasser, Strand, Liegestühle, Schaukeln, Knutschbank, Natur, Pommesstand, Eiswagen). Am häufigsten wurden Freund*innen und die Natur genannt. 129 Wegeführung Das Thema Wegeführung wurde mit dem Thema besondere Orte erweitert, da die Gruppe die Meinung vertreten hat, dass Wege nur dann benötigt werden, wenn sie auch zu einem wichtigen Ort führen. Der Schulhof soll „Erlebnisse“ anbieten. Es wurden spontan folgende Orte vorgeschlagen: • Abgehende Schüler*innen gestalten ein wachsendes Kunstwerk in Koopera- tion mit Künstler*innen • Fahrradstation (Organisation soll aber neu gedacht werden) • Parkplätze (auch Rollerparkplätze) sind unvermeidlich, man sollte sie aber so gestalten, dass sie sich angenehm in das Schulgelände einfügen • Ruheorte mit Holzbänken • Rampe, Treppe, Tribüne • Kiosk, Terrasse, Sonnenschirm, Fläche mit feinem Sand • Bach (Regenrückhaltebecken) Die Wegeführung könnte mit Mitteln wie „Wasser, Steine, Blumen, Grüngestal- tung, Geländemodellierung oder Farbe und Muster auf dem Boden“ hergestellt werden. Insbesondere Beleuchtung (vgl. Sicherheitsgefühl) für Wintermonate, aber auch für Freizeit außerhalb der Schulzeiten wurde für besonders wichtig gehalten. 130 WS Schulhof gestalten Notwendigkeit von Zäunen und Schranken wurden lebendig in der Gruppe dis- kutiert; ca. ein Drittel der Teilnehmer*innen würde den Schulhof gerne mit einem Zaun abgrenzen lassen, da so Vandalismus begrenzt werden könnte. Die restli- chen Schüler*innen bevorzugten einen offenen Schulhof, der auch in der Freizeit zur Verfügung steht. Schilder wurden allgemein abgelehnt, da die Gruppe der Meinung war, dass Architektur und Schulhofgestaltung auch ohne Beschilderung so klar erkennbare Strukturen haben muss, dass man sich in ihnen zurecht finden kann. Außerdem ist das Gelände in seiner Größe überschaubar genug. Generell wurden in allen Arbeitsgruppen die möglichen räumlichen Konflikte mit den jeweils anderen Freiraumnutzungen thematisiert, so dass der Wunsch nach einer klaren und eindeutigen Zonierung des Außengeländes in unterschiedliche Aktivitätsbereichen fast allen „Rezepten“ zu Grunde liegt. In allen Workshops sind sowohl spielerische als auch sehr handfeste Ideen und Vorschläge zur künfti- gen Gestaltung der Gemeinschaftsbereiche entstanden. Die durchgängig hohe Motivation ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die frühe Einbeziehung in die laufenden Planungsprozesse für die gewünschte Identifikation mit dem Umbau „ihres“ Schulgebäudes ausgesprochen positiv ist. 131 4 Kommunizieren In der baukulturellen Bildung geht es primär um das Entwickeln eines Verständ- nisses für die gebaute Umwelt, ein sich Aneignen derselben sowie um die Bil- dung einer kreativen Weltsicht auf die Umgebung. Dafür Ausdrucksmöglichkei- ten zu suchen, ist wichtig. Es müssen also Worte oder Bilder gefunden werden, um über Stadt, Architektur und Landschaft sprechen zu können: Worte, um über die (gebaute) Umwelt zu reflektieren und zu diskutieren sowie Worte, um seine eigenen Ideen und Vorstellungen präsentieren zu können. Durch Reflektion und Diskussion über Themen aus Stadt, Architektur und Land- schaft erfahren Kinder und Jugendliche eine offene Kultur des Meinungsaustau- sches. Die Verantwortung für eine nachhaltige Planung von Städten – auch für ein lebenswertes Miteinander – liegt in der Hand aller Bürger*innen. Um sich, später wie heute, fundiert in die Gestaltung der zukünftigen Lebenswelten ein- mischen zu können, benötigen junge Menschen methodische Grundlagen des aktiven Reflektierens und Diskutierens. In der Präsentation und Diskussion von Ergebnissen lernen Kinder und Jugend- liche, ihre Ideen zu vertreten und nach außen darzustellen. Nicht zuletzt sollen dadurch auch die Visionen der Kinder und Jugendlichen für Stadt, Architektur und Landschaft in der Öffentlichkeit präsent gemacht werden und im Idealfall auch in die reale Umsetzung mit einfließen. Im Folgenden werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie junge Menschen ihre Sicht auf Stadt vorstellen können, sei es in Worten oder Bildern, in Modellen oder tem- porären Installationen. So werden die Ideen sichtbar und es besteht die Möglich- keit, dass Kinder und Jugendliche direkte Reaktionen auf Ihre Arbeit bekommen. Verwunderung, Fragen und Applaus fördern die Motivation, animieren weiterzu- machen und wecken das Verantwortungsgefühl für die gebaute Umwelt. 133 134 4 Kommunizieren 4 1 Präsentieren 4.1 Präsentieren Gedanken und Ideen einer Öffentlichkeit verständlich zu präsentieren kann he- rausfordernd sein; vor Zuhörer*innen zu sprechen, kostet häufig Überwindung. Daher werden hier Methoden vorgestellt, welche den spielerischen Zugang zu öffentlichen Präsentationen erleichtern. Es werden Beispiele einer gezielten In- szenierung, einer mündlichen oder visuellen Darstellung von Ergebnissen aufge- zeigt. Die Methoden zielen darauf ab, den Kindern und Jugendlichen Hilfsmittel an die Hand zu geben (z. B. Fahnen, Schilder oder ein selbstgebautes Megaphon), die sie befähigen, in Worten aber auch Bildern ihre Ideen an Dritte zu vermitteln. Generell signalisieren sorgsam aufgebaute Ausstellungen und moderierte Prä- sentationsabläufe den Besucher*innen, dass hier ernsthaft an Ideen gearbeitet worden ist. Je professioneller der Präsentationsrahmen desto höher ist die (öf- fentliche) Wahrnehmung der Arbeiten. Dies Kinder erfahren eine umso größere Wertschätzung und größeren Respekt. Gute Präsentationen geben Politiker*innen, Stadtplaner*innen und Architekt*innen konkrete Anhaltspunkte für die Umsetzung. 135 Ausstellung und Ausstellungskatalog Ansprechende Präsentation der Arbeitsergebnisse ab 7 Jahren In der Ausstellung sollte dem einzelnen Objekt wie auch der Summe der ent- Einzelarbeit standenen Produkte ein entsprechender Rahmen gegeben werden. Dabei kann 1 h Aufbau die Ausstellung auf Tischen, dem Boden oder auch an den Wänden platziert werden. Teilweise können Tische, wenn sie auf die Seite gestellt sind, selbst als Ausstellungswand dienen. Papier, Kreppband Mit den Kindern sollte die Beschilderung geklärt werden: z. B. Titel und kurze Beschreibung des Objektes. Es können vorgefertigte Steckbriefe, die die Kinder selbst ausfüllen, genutzt werden. Diese können an den Objekten befestigt oder auch als Ausstellungskatalog zusammengebunden werden. Sowohl beim Aufbau der Ausstellung als auch beim Binden des Ausstellungska- taloges können die Kinder miteinbezogen werden. Inwiefern einzelne Arbeiten durch Kinder dann auch vorgestellt werden, ist sicherlich situativ zu entscheiden. Auf jeden Fall kann jedes Kind als Ansprechpartner*in für sein*ihr Objekt zur Verfügung stehen. Hinweis: Vorab Befestigungsoptionen an Wänden und Tischen klären. 136 4 Kommunizieren 4 1 Präsentieren 137 Grußkarten Die Stadt mit anderen Augen sehen, kleine Orte/Plätze neu entdecken, Perspektivwechsel ab 14 bis 18 Jahren Unterstützt von kleinen Modellfi guren und platziert an selbst ausgewählten Or- Einzelarbeit ten im realen urbanen Raum, sollen die Reaktionen der Jugendlichen auf den 2 h jeweiligen Standort widergespiegelt werden. Sowohl die Anforderungen und An- sprüche, die Defi zite und Mängel als auch die Schönheiten und Besonderheiten sollen so genauer „unter die Lupe genommen“ und neu formuliert werden. Mit Hilfe von Fotografi en wird den Jugendlichen ein Perspektivwechsel und distan- Figuren, Fotoapparat, zierter Blick auf den Ort ermöglicht. Einzelne Elemente können/sollen so hervor- Pappen, Stifte, Fotodrucker gehoben und betont werden. Mithilfe von Fotografi en und szenischen Darstellungen werden für die Stadt Gruß- karten für das Jahr 2050 entwickelt, die „Besonderheiten“, „Schönheiten“ oder „Zukunftsvisionen“ der Stadt zeigen. Gerne können auch heutige Missstände dar- gestellt werden, die es bis 2050 zu beheben gilt oder aber Postkarten, die durch das Zusammenspiel von Bild und Sprache die Stadt 2050 „ironisch“ darstellen. Dazu werden Playmobil- oder Modellbaufi guren an ausgewählten Orten platziert und in Szene gesetzt, fotografi ert und anschließend mit einem geeigneten Titel bzw. Slogan versehen. Hinweis: Für Jugendliche sehr geeignet, da insbesondere das Zusammenspiel Bild/Text sehr gut klappt. Durch den Maßstabssprung konnten verschiedene Miss- stände und Zukunftsvisionen plakativ ohne Modellbaumaßnahmen schnell und einfach aus Sicht der Teilnehmer*innen dargestellt und betont werden. 138 4 Kommunizieren 4 1 Präsentieren Häuser auf Beinen Selbst zum Gebäude werden und miteinander Stadt spielen In dieser Methode werden die Kinder selbst zum Innenleben und Tragegerüst ab 5–12 Jahren von Häusern. Hierfür kann aus Packpapier ein Umhang gebastelt oder eine gro- Einzelarbeit ße Mülltüte aus Papier bzw. ein großer Pappkarton kann mit Öffnungen für Arme ca. 0,5–1 h und Beine versehen werden. Anschließend wird der Umhang oder der Pappkarton mit Fassaden von Gebäu- den versehen. Jedes Hochhaus hat eine Spitze, das Dach wird als Hut gebastelt. Farbe, Pinsel, Packpapier Dabei lernen die Kinder die Gliederung eines Hochhauses kennen: Sockel, Turm, oder Pappkartons Spitze. Der Bauprozess kann mit Gesprächen zu Gebäudenutzungen, Fassaden- und Gebäudeelementen begleitet werden. Am Ende können mit den Kindern gemeinsam auch Nachbarschaften und Stra- ßenräume simuliert werden, indem sich die Kinder entsprechend aufstellen. So lassen sich die Papier- und Pappkartonarchitekturen spielerisch mit Inhalten der Architekturgeschichte, Gebäudekunde und Stadtentwicklung kombinieren. 139 Comics Verdeutlichung von Gedanken und Geschichten ab 5 Jahren Die Präsentation der Ergebnisse kann in Form von Comics erfolgen. Dies ist eine Einzelarbeit Variante, die gerade Kindern viel Freude bereitet. 20–30 min Passend zum Thema werden die Teilnehmer*innen gebeten, ihre bereits gestalte- ten Werke (Objektdesign, Gebäude, Freiraumgestaltung, o. ä.) in Szene zu setzen. Es geht darum, die Arbeiten in eine selbst zu entwickelnde Geschichte einzubau- vorgefertigte Comic-Rahmen; en und diese comicartig, sowohl bildlich als auch textlich auf dem vorgefertig- schwarze, dünne Filzstif- ten A4-Blatt darzustellen. Die Kinder haben so die Möglichkeit, ihren Entwürfen te, Buntstifte oder bunte Leben einzuhauchen und bereits Geschichten und Szenarien dazu zu entwickeln. Filzstifte Sie zeichnen also im wahrsten Sinne lebendige Bilder ihrer Ideen. Ziel der Auf- gabe ist hier, sich abschließende Gedanken über das eigene entworfene Werk zu machen und dieses in einem Stück „Realität“ zu visualisieren. Diejenigen, die zügig fertig werden, können anschließend ihre fertigen Comics farblich ergänzen. Hinweis: Die Aufgabe wird von den Teilnehmer*innen sehr unterschiedlich lan- ge bearbeitet; vor allem die dafür benötigte Zeit ist schwer einzuschätzen. Daher ist es zu empfehlen, dass man dazu eine Zusatzaufgabe vorbereitet hat. Die Übung eignet sich auch bestens als Zusatzaufgabe im Kontext anderer Work- shops. Comics sind immer eine sehr anschauliche und für Kinder leicht zugäng- liche Form der Aneignung bestimmter Themenbereiche. 140 4 Kommunizieren 4 1 Präsentieren 141 Plakatkampagne Visualisierung und Präsentation plakativer Ideen für die Um- oder Neugestaltung der gebauten Umwelt ab 6 Jahren Von Kindern oder Jugendlichen entwickelte Ideen für eine Um- oder Neuge- 4–6 Personen staltung von Gebäuden, Plätzen, Straßen oder Freiräumen (vgl. Kapitel 2 Phanta- 4–6 h, ggf. in zwei Terminen sieren) lassen sich über eine selbst gestaltete Plakatkampagne visualisieren und im öffentlichen Raum, z. B. auf öffentlichen Werbefl ächen, wirksam präsentieren. Für die Erstellung der Plakatmotive werden zwei Termine empfohlen: Ein Ter- unterschiedliche Requi- min für Entwurf und Planung des Motivs gefolgt von einem zweiten Termin siten und Kostüme ab- zur Aufnahme der Plakatfotos. Steht ein Fundus von Kostümen und Requisiten hängig von den Ideen der bereit, lässt sich die Planung und Umsetzung der Plakatfotos in einem Termin Teilnehmer*innen, Fotoappa- bewerkstelligen. rat, ggf. künstliche Lichquellen In einem Brainstorming werden zu einer bereits entwickelten Gestaltungs- oder Nutzungsidee eines Raumes Vorschläge für ein prägnantes Plakatmotiv und ei- nen Slogan gesammelt. Die Gruppe einigt sich auf ein Motiv samt Slogan und erstellt eine Requisiten- und Materialliste. Abhängig von der zur Verfügung ste- henden Zeit ist es auch möglich, mehrere Plakatmotive umzusetzen. Requisiten und Kostüme können von der Gruppe gemeinsam organisiert und ggf. von Theatern entliehen werden. Die Gruppe bestimmt aus ihrer Mitte eine*n Fotograf*in bzw. wird von einem*r ex- ternen Fotograf*in betreut, der*die die „Bildregie“ übernimmt, also die Szenerie, die „Models“, die Requisiten, die Farben und das Licht entsprechend den Vorstel- lungen der Gruppe komponiert. Da die Fotos auf Plakatgröße vergrößert werden, sollten sie mit einem ästhetisch, kommunikativen und auch technisch hohen Anspruch erstellt werden. Es empfi ehlt sich hier die Beratung oder Begleitung durch eine*n professionelle*n Fotograf*in. Ist die Gestaltungsidee inszeniert und das Plakatmotiv fotografi ert, beginnt die „Postproduktion“. Aus den erstellten Fotos wird am Rechner das am besten ge- eignete Plakatmotiv ausgewählt, mit dem Slogan versehen und der Druck be- auftragt. Ein Kampagnenbild kann sowohl als Plakat für den öffentlichen Raum als auch als Postkarte (z. B. Gratispostkarte mit dazugehörigem Verteilernetz- werk) produziert werden. Besonders wirkungsvoll ist die Präsentation der Pla- kate an Ort und Stelle, also an dem Ort, für dessen Umgestaltung das Plakat werben will. Das kann über kommerzielle Werbefl ächen (zumeist über private Anbieter), die Aufstellung einer Sonderwerbefl äche (in Abstimmung mit dem*r Grundstückseigentümer*in) oder freie „Guerillaplakatierung“ erfolgen. 142 4 Kommunizieren 4 1 Präsentieren Hinweis: Die Faszination und das Wissen von Kindern und Jugendlichen über Werbung lässt sich gut nutzen, um sie sich als Werber*in in eigener Sache in Szene setzen zu lassen. Plakatmotiv und Slogan bringen die Gestaltungsidee auf den Punkt. 143 144 4 Kommunizieren 4 1 Präsentieren 4.2 Diskutieren Junge Menschen wollen nicht nur ihre Meinung kundtun, sie wollen auch aktiv verändern und gestalten. Daher braucht es zumeist auch sichtbare Ergebnisse im Stadtraum. Diese können durchaus temporären Charakter haben und sind durch ihre Sichtbarkeit wiederum Anlass für Diskussionen: Wollen wir an dieser Stelle etwas bauen? Was passiert mit diesem Ort, sobald er verändert ist? Aktionen im Stadtraum führen zu Reflektionen über die konkreten Veränderungen vor Ort. Auf Grundlage umgesetzter Ergebnisse (Modelle, Inszenierungen im Stadtraum, etc.) und auf Basis von Auseinandersetzungen über die gebaute Umwelt starten Erwachsene und junge Menschen in einen Dialog über ihre jeweiligen Visionen der zukünftigen Städte, Architektur und Landschaften. In diesem Dialog ist we- sentlich, dass es nicht um einseitige Wissensvermittlung geht, sondern um den Austausch und ein wechselseitiges voneinander Lernen. Damit Kinder und ihre Positionen ernstgenommen werden, sollte immer ein wertschätzender Diskussi- onsrahmen gegeben sein. In einem angeleiteten lebendigen Diskurs bekommen auch Politiker*innen, Stadtplaner*innen oder Architekt*innen Anhaltspunkte zur Weiterentwicklung ihrer Entwürfe. Eine gelebte Diskussionskultur im Spektrum der Gespräche über gebaute Umwelt ist eine fundierte Grundlage einer demokratischen Gesellschaft. Raum für Gespräche sowie eine angenehme Atmosphäre der Reflektion und Diskussion sollten in jedem Projekt gegeben sein. 145 Parcours Sichtbar- und Erlebbarmachung von Besonderheiten im Umfeld ab 12 Jahren In Kleingruppen von bis zu acht Personen werden unter verschiedenen Themen- max. 8 Personen stellungen Parcours oder auch Rundgänge erarbeitet. Es geht darum, einen Be- ca. 1 h Vorbereitung, reich – das kann eine Straße, der Schulhof oder auch der Flur des Schulgebäu- Ablaufen der Parcours 15 min des sein – aus ungewöhnlichen Blickwinkeln für Dritte spannend vorzustellen. Dabei werden Orte oder besondere Gegenstände mit einer Bewertung (PLUS/ MINUS) versehen und mit Flatterband, Kreide oder kleinen Klebezetteln markiert, die zum Riechen oder auch Sehen auffordern oder auch einfach einen scheinbar Absperrband, Kreide, Krepp- bekannten Raum, wie den Schulfl ur, umgestalten. band, Klebezettel, Pappen Die Parcours und Rundgänge können dann geführt oder eigenständig von den Mitschüler*innen, Eltern, oder Anwohner*innen abgelaufen werden. Die Klein- gruppen können einzelne Personen abstellen, welche die Reaktionen der ande- ren beobachten und festhalten. Am Ende gilt es, die Spuren der Parcours (Flatterband, Klebezettel, etc.) auch wieder zu entfernen. Zudem sollte besprochen und refl ektiert werden, welche Blickwinkel im Rahmen der Parcours „trainiert“ und welche blinden Flecken ent- deckt worden sind. 146 4 Kommunizieren 4 2 Diskutieren 147 Schilderwald Visualisierung von Mängeln und möglichen Veränderungen im Stadtraum ab 7 Jahren Zunächst erkunden die Teilnehmer*innen das zu untersuchende Gebiet, z. B. Einzelarbeit Park, Nachbarschaft, Gebäude, Stadtteil. Die Erkenntnisse (Mängel) und die ers- 1,5 h ten Ideen (Lösungen zur Beseitigung des festgestellten Mängels) werden in der Gruppe besprochen. Die Teilnehmer*innen bekommen dann die Aufgabe, die Mängel plakativ mit provokativen Sätzen darzustellen (z. B. im Falle der fehlenden Sitzmöglichkeiten: „Soll ich etwa auf dem Boden sitzen?“) und eine Skizze vom MDF-Platte (o. ä. ) Größe ca. entsprechend gestalteten Schild auf A4-Papier herzustellen. Dabei sollten die 30 x 50 x 0,5 cm, eine Latte Teilnehmer*innen darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Schilder später z. B. 12 x 42 x 500 mm (pro mit Malerfarben angefertigt werden – entsprechend einfach muss grafi sch ge- 1 oder 2 Teilnehmer*innen), arbeitet werden. Nadeln, Hammer, Malerfarbe (verschiedene Farben incl. Hinweis: Tische und Boden sollten abgedeckt werden, Waschmöglichkeiten weiß und schwarz), Pinseln in sollten vorhanden sein. verschiedenen Breiten, Blei- stifte, weißes DIN A4-Papier, Eine weiter Aufgabe besteht darin, den Lösungsvorschlag – ähnlich wie die dar- Strahlstock gestellten Mängel im vorherigen Arbeitsschritt – ebenfalls plakativ darzustellen (z. B. „Hier könnte eine bequeme Bank stehen!“). Im letzten Schritt werden die Schilder angefertigt und getrocknet. Abschließend werden die Latten an den MDF-Platten befestigt und die Schilder im Stadtraum platziert. Die Übung eig- net sich besonders gut für Beteiligungsverfahren zur Gestaltung des öffentlichen Raums, insbesondere kombiniert mit einer anschließenden teilnehmenden Be- obachtung oder Interviews mit Passant*innen. 148 4 Kommunizieren 4 2 Diskutieren 149 Flüstertüte Unterstützung von Präsentationen durch gezielte Accessoires alle Altersgruppen Zur Unterstützung von Präsentationen werden gezielte Accessoires eingesetzt. offen Diese können auch gebastelt sein, z. B. eine Flüstertüte aus Pappe, die den State- 0,5–1 h ments und Ideen von Kindern besonderen Nachdruck verleiht. Die Flüstertüte (einschließlich Präsentation) eignet sich besonders gut, wenn es darum geht, Forderungen und Statements zu formulieren, z. B. „Mehr Klettermöglichkeiten im Park“. farbiger Karton, farbiges Eine weitere Möglichkeit ist die Anfertigung eines (Fernseh-)Rahmens mithilfe Tape u. a. von großen Pappen oder als Markierung mit Tape und Papier an der Wand, der die Präsentation von jeweils 2–3 Kindern „einrahmt“. Dies ist gerade für schüch- terne Kinder hilfreich, da sie dann nicht „entblößt“ vor der Gruppe stehen, son- dern einen „Rahmen“ haben, der sie in ihrer Rolle als Präsentierende unterstützt. Hinweis: Das Prinzip der Unterstützung von Präsentationen lässt sich auch mit anderen Accessoires umsetzen, z. B. kleine Podeste, Hüte, selbst gebastelte Mi- krofone o. ä. Hierzu können auch die Kinder und Jugendlichen Ideen sammeln. 150 4 Kommunizieren 4 2 Diskutieren 151 Postkarten-Feedback Anregung von Feedback durch Postkartenmotive ab 10 Jahren Bisweilen sind Kinder und Jugendliche etwas wortkarg, wenn es um Feedback unbegrenzt (z. B. zu dem im Workshop Erlebten) geht. Postkartenmotive können hier als stich- ca. 15 min wortgebendes Medium dienen. Eine bunte Postkartensammlung wird dabei aus- gelegt. Jede*r Teilnehmer*in sucht sich eine Postkarte aus, die mit einer Bemer- kung über den Workshop assoziert und verbunden wird. Anhand der Postkarten wird reihum die Schlusskritik formuliert. vielfältige, bunte Postkartensammlung Alternative: Man kann sich auch selbst eine Postkarte schreiben und einen Wunsch formulieren. Diese Karten werden von den Workshopleiter*innen einge- sammelt und nach einem halben Jahr versandt. 152 4 Kommunizieren 4 2 Diskutieren Rollenspiele Auseinandersetzung mit Problemstellungen oder Ergebnissen durch Darstellung in einem Rollenspiel Das Rollenspiel eignet sich besonders zur Auseinandersetzung mit kontrovers ab 12 Jahren zu diskutierenden Problemstellungen. Man sucht sich ein ortsspezifi sches, wenn Einzel- oder Partnerarbeit möglich, aktuelles Problem, das zur Diskussion gestellt wird. Wahlweise können ca. 30 min auch die Ergebnisse aus einem Gestaltungsworkshop diskutiert werden. In einem Eingangsgespräch werden zunächst die Personen und Personen- gruppen zusammengetragen, die im öffentlichen Leben in Bezug auf dieses Karteikarten, Stifte, evl. Film- Thema eine Rolle spielen und auch Entscheidungsträger sein können: z. B. kamera oder Handy Bürgermeister*innen, Politiker*innen, Vertreter*innen der Kirche, Bürgerinitiati- ven, Kinder, Jugendliche, Senior*innen, Männer, Frauen, etc. Diese werden auf Karteikarten notiert. Die Rollenkarten verteilt man in die Runde, evtl. können Zweiergruppen gebildet werden. Die Teilnehmenden haben 10 Minuten Zeit, sich ihre Meinung aus Sicht ihrer Rollenpersönlichkeit zu bilden. Dann geht es in die Diskussionsrunde. Dabei sollte es unbedingt eine*n Moderator*in geben, um die Diskussion zielorientiert anzuleiten. Statt einer Diskussionsrunde kann man sich von den einzelnen Personen auch ein kurzes Statement in Form eines Interviewbeitrags geben lassen, das dann weitgehend unkommentiert bleibt oder nachträglich diskutiert wird. 153 Ein Bunker wird verwandelt BunkerSuperSuite. Workshop zum Umnutzungspotenzial von Hochbunkern aus Jugendsicht Ort > Hamburg Anzahl und Alter > ca. 60 Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Silke Edelhoff und Sybille Vogelsang mit Sven Lohmeyer und Anja Nettig Veranstalter/Kooperationspartner > JAS WERK gUG und Freies Kollektiv Spacedepartment in Kooperation mit dem Bezirksamt Altona sowie mehreren Schulen und Jugendeinrichtungen, gefördert im ExWoSt-Forschungspro- gramm „Jugend belebt Leerstand“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), 2011 154 WS Ein Bunker wird verwandelt In Altona stehen Bunker leer – was kommt rein? Sind das Orte, die für Jugendli- che interessant wären? Wie würden Jugendliche einen Bunker in einen Jugend- ort verwandeln? Das ist der Ausgangspunkt des Jugendprojektes „BunkerSuperSuite“ im Sommer und Herbst 2011. Gemeinsam mit Jugendlichen aus Schulen und Jugendein- richtungen soll über mehrere Monate untersucht werden, inwieweit Bunker als Jugendorte geeignet wären. Ziel des Projektes ist die Entwicklung von Nutzungs- und Gestaltungsideen für Hochbunker und die Sondierung von Realisierungs- möglichkeiten. Dabei geht es vor allem darum, Ideen und Raumbedürfnisse von Jugendlichen sichtbar zu machen und in der aktuellen Diskussion um die Um- nutzung von Hochbunkern zu platzieren. Der Ort des Geschehens: ein Hochbunker in Altona, der exemplarisch untersucht wird. Der Bunker ist noch voll ausgestattet, mit Sitz- und Liegeräumen, Technik und Sanitätsräumen zum Schutz der Bevölkerung im Falle eines Atomschlags zur Zeit des Kalten Krieges. Ein Raum ohne Fenster, die Temperatur liegt konstant bei 12°, die Luft könnte besser sein. Zum Einstieg in die Auseinandersetzung mit dieser sehr speziellen Gebäudetypo- logie können die Jugendlichen einen Bunker in geführten Touren kennenlernen und erkunden. Ein*e Bunkerexpert*in führt durch die Räumlichkeiten und berich- tet, wie solch ein Bunker im Ernstfall hätte funktionieren sollen. Anschließend ha- ben die Jugendlichen Gelegenheit, sich spontan einen Ort im Bunker zu suchen und ihn mit einfachen Mitteln zu verändern. So wird der Bunkerwartsraum zur Pokerhöhle, die funktionale Toilette zum „goldenen Scheißhaus“, die Küche zum Café, der Liegeraum zur „Honeymoon-Suite“ und die öden Sitzreihen werden zum „Sun Café“. Über mehrere Wochen entwickeln die Jugendlichen dann ihre Ideen weiter, ent- werfen Räume am Computer oder bauen Modelle. Den Abschluss des Projektes bildet der Bunker-Aktionstag. Es gilt, die Ideen exemplarisch, mit einfachen Mit- teln umzusetzen und einen Bunker für wenige Stunden in einen Jugendort zu verwandeln. Einige Gäste sind geladen, Akteure aus der Stadtentwicklung und der Kreativszene in Hamburg, um mit ihnen über gestaltbare Räume für Jugend- liche zu diskutieren und zu zeigen, welche Potenziale Bunker dafür bieten. Au- ßerdem ist dies der Hauptdrehtag für den Bunker-Film, der am Ende das Projekt dokumentieren und jugendliche Ideen in der Hamburger Debatte platzieren soll. Die Herangehensweise ist ein echtes Experiment, schließlich ist der Bun- ker kein normaler, öffentlich zugänglicher Ort. Und die Raumbedingun- gen sind alles andere als optimal, um sich dort wohlzufühlen: eng, kalt, muf- fig. Aber es klappt. Mithilfe von Tape, Packpapier, Rettungsdecken, Musik und Licht entstehen ein goldenes Foyer, eine Bühne, eine Galerie der Ideen für den Bunker, Tape Art und eine Paintball-Treppe. Ein Liegeraum wird mit- hilfe eines Overheadprojektors, grüner Folie und Vogelgezwitscher zum Ent- spannungsraum, ein anderer Liegeraum dient als Filmraum, in dem die Ide- en der Jugendlichen präsentiert werden. Der Erste-Hilfe-Raum wird zur Bar. 155 Spätestens als die Band von Jugendlichen mit ihrem Auftritt auf der improvisier- ten goldenen Bühne beginnt, wird spürbar, dass sich selbst ein solch unwirtlicher Ort mit wenigen Mitteln verwandeln lässt. Das zeigt sich auch im Feedback: Die Jugendlichen sind überrascht und stolz, was in so kurzer Zeit möglich ist und dass Orte gestaltbar sind. Die (erwachsenen) Gäste sind beeindruckt, was die Jugendlichen aus dem Ort gemacht haben, von ihrer Energie und Kreativität. Ob daraus ein realisierbares Projekt werden kann, wird sich zeigen. Bunker sind schwierige Gebäude und ein Umbau ist teuer. Aber dass die Ideen der Jugend- lichen auf diese Weise eine besondere Überzeugungskraft entwickelt haben, ist keine Frage. In dem Projekt hat sich gezeigt: Die Arbeit mit Interventionen und temporären Installationen ist immer wieder aufschlussreich – für alle Beteiligten. Interventio- nen funktionieren als „Blicköffner“, als Auftakt für Gestaltungsprozesse oder auch als Ergebnispräsentation im Sinne der Simulation eines angestrebten Zustandes. Gerade wenn Räume mit wenigen Mitteln effektiv verändert werden sollen, las- sen sich auf diese Weise gute Ideen generieren und vor allem Kommunikations- prozesse anregen, die Veränderungen den Weg bereiten können. 156 WS Ein Bunker wird verwandelt Zwei Welten, ein Platz Planen und Umsetzung eines Jugendtreffs im Stadtraum Ort > Greven Anzahl und Alter > ca. 20 Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren Konzept und Workshop-Team > JAS e. V.: Angela Million, Sebastian Schlecht Veranstalter/Kooperationspartner > Koopertationsprojekt zwischen JAS e. V. und Streetworker Stadt Greven, Georg Doth, Claudia Termöllen–Gausling und Ariane Frese, Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork NRW, Offene Jugendarbeit Greven im Rahmen des Förderprogramms „Betreten erlaubt“ der Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork NRW e. V., www.betreten-erlaubt.de. 157 „Die einen haben breite Hosen, die anderen enge“, so beschreibt der Grevener Streetworker Georg Dodt den ersten (offensichtlichen) Unterschied zwischen den beiden Jugendgruppen. Die eine Gruppe ist eher interessiert in Dirt-Biking, die andere möchte sich einfach treffen und „chillen“. Der Jugendtreff Ems-Aue sollte für beides Gelegenheit bieten und wurde im Rahmen des Programms „Betreten erlaubt“ von zwei Gruppen Jugendlicher gemeinsam geplant und gebaut. Es handelt sich damit um ein Beteiligungsprojekt, bei dem die Jugendlichen als Bauherr*innen und Handwerker*innen in der Umsetzung selbst aktiv eingebun- den wurden. In einer Reihe von Workshoptagen und Beratungsgesprächen wurden Konzepte und Ideen für eine gemeinsame Nutzung der Fläche an der Emsaue in Greven entwickelt. An einem Wochenende haben die Jugendlichen in gemischten Ar- beitsgruppen an Plänen Nutzungskonzepte für den Treffpunkt entwickelt und ausgehandelt. Wichtig war dabei, auch ein gutes Miteinander der beiden Cliquen zu gestalten – ein Prozess, bei dem es auch darum ging Vorurteile abzubauen und unterschiedliche Interessen zusammenzubringen. Ergebnis des ersten Work- shops war, dass es neben den jeweils eigenen Bereichen für jede Clique – einem Dirt-Bike-Parcours und eine „Hütte“ – eine sogenannte Besucher*innenzone ge- ben soll, die in ihrer künftigen Gestaltung alle ansprechen sollte. Das „Mobiliar“ für diesen gemeinsamen Bereich wurde in einem zweiten Work- shop von den Jugendlichen in Modellen entwickelt. Dabei standen Themen wie Materialität, Robustheit, Veränderbarkeit und Funktionalität im Vordergrund. Die Ergebnisse der Workshops wurden von den Jugendlichen dann in Plänen, Zeichnungen und Modellen Vertreter*innen des Stadtrats und der Verwaltung präsentiert. 158 WS Zwei Welten, ein Platz Parallel haben die jeweiligen Jugendgruppen dann getrennt voneinander ihre Bereiche weiterentwickelt. In einem weiteren Workshop wurde so z. B. das „Hüt- tenprojekt“ der einen Clique im Detail weiterentwickelt. Diese Clique bestand aus acht bis zehn Mädchen und Jungen. Über assoziative Bilder und Beispiele, die Vorstellungen der Jugendlichen jenseits des Altbekanntem zu erweitern und auch Fragen der Robustheit, Alltagstauglichkeit, Veränderbarkeit, Umsetzbarkeit und Ökonomie von Design zu diskutieren. Entstanden ist die Idee eines Contai- ners, der durch die Jugendlichen ausgebaut und mit einer Dachterrasse verse- hen werden soll. Die Dirtbike-Strecken Planer*innen nahmen diese Idee dann ebenfalls auf. Im Frühjahr wurden die Container geliefert, ein- und umgebaut und mit einem großen Fest eröffnet. Das Projekt zeigt sehr gut, wie zwei sehr unterschiedliche Gruppen Jugendlicher gemeinsam in Workshops diskutiert, geplant und schließ- lich auch die Umsetzung, inklusive Wiederaufbau nach einem Brand, maßgeblich mit ihrer Muskelkraft unterstützt haben. Das Projekt zeigt auch, dass in solchen Umsetzungsprojekten die Zusammenarbeit vieler Unterstützer*innen zusam- menkommen müssen. Architekt*innen und Planer*innen, Sozialarbeiter*innen und Streetworker*innen, bisweilen auch Künstler*innen und Handwerker*innen müssen z. B. bei Baugenehmigungen helfen, als Übersetzer*innen zwischen Be- hörden und den Jugendlichen fungieren, bei Verzögerungen motivieren und Handwerk vermitteln. Weitere Fotos, Interviews und Videos unter: www.betreten-erlaubt.de. 159 EPILOG Baukulturelle Bildung – Warum und wieso? Was und wer? Baukulturelle Bildung für und mit Kindern und Jugendlichen ist ebenso viel- fältig wie ihr Gegenstand – die gebaute und gestaltete Umwelt. Sie vermittelt Inhalte von mathematischen und physikalischen Zusammenhängen sowie ästhe- tischen und technischen Anforderungen, handwerkliches Know-How. Sie macht Planungs- und Aushandlungsprozesse verständlich und unterstützt den Erwerb demokratischer Kompetenzen. Sie liefert damit auch Einblicke in die Funktions- weise unserer demokratischen Gesellschaft. In Zeiten, in denen Menschen an vielen Orten wieder selbst aktiv werden wollen (oder auch müssen), geht es auch darum, die Kompetenz zur Mitgestaltung zu vermitteln. Und das sollte ide- alerweise in jungen Jahren geschehen, denn die Kinder und Jugendlichen von heute sind die Mitgestalter*innen der Umwelt von heute sowie Bauherr*innen und Gestalter*innen von morgen. Ziele und Begründungen für baukulturelle Bildung In der baukulturellen Bildung werden junge Menschen angeregt, Architektur, Design, Stadt und Landschaft – die gestaltete Lebensumwelt – mit allen Sinnen wahrzunehmen, zu entdecken und mitzugestalten. Basierend auf individuellen Stadterfahrungen lassen sich Zusammenhänge des Planens und Bauens erklären und vermitteln, die sie dazu befähigen, sich aktiv in die Gestaltung von Stadt und Gebäuden einzubringen. Dabei geht es nicht um die Wissensvermittlung in einer Richtung. Es geht vielmehr darum, Kindern eine produktive, kreative Auseinan- dersetzung mit der eigenen Stadt oder Umgebung zu ermöglichen, entsprechen- de Kompetenzen zu vermitteln und schließlich auch etwas von jungen Ideen und Meinungen zu lernen. Die baukulturelle Bildung bietet aufgrund ihrer Interdisziplinarität und der All- gegenwärtigkeit des Gegenstandes ein großes Bildungspotenzial, das im schuli- schen und außerschulischen Leben noch immer nicht genug Beachtung findet. In Bezug auf sich selbst ist jede Person Expert*in: Raum umgibt jeden, unabhän- gig von Bildung, Herkunft, Alter und Geschlecht. Demokratisches und gleich- berechtigtes Lernen kann hier stattfinden. Ebenso bietet das Themenspektrum die Möglichkeit für problem- und projektbezogenes Lernen, das die Lebenswelt jedes*r einzelnen berücksichtigt und dabei hilft, die eigene Gesaltungskompe- tenz sinnstiftend und auf kreative Weise auszuweiten. Baukulturelle Bildung ist aber auch ein Bestandteil demokratischen Lernens. Durch diesen Bildungsansatz erhalten Kinder und Jugendliche das Handwerks- zeug für die Teilhabe am öffentlichen Leben. Durch baukulturell motivierte Be- teiligungsprozesse lernen Kinder und Jugendliche Engagement, Selbstwahrneh- mung und -bewusstsein für ihre eigenen Interessen. 160 Gründe und Ziele der baukulturellen Bildung ... in Bezug auf Bau- und Planungskultur: • Förderung der Reflexion und konstruktiven Kritik an der gebauten Umwelt, inkl. den zugehörigen Planungsprozessen. • Unterstützung von Bauenden und Planenden in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. • Förderung von interdisziplinärer Zusammenarbeit von Expert*innen und Kindern. • Verbesserung der gebauten Umwelt. ... in Bezug auf Kinder und Jugendliche: • Erweiterung des Erfahrungsspektrums in Bezug auf ihre Umwelt; Förderung des Spaß und Forschergeist beim Erkunden der gebauten Umwelt. • Stärkung und Weiterentwicklung der kreativen Fähigkeiten. • Unterstützung der Identifikation von Kindern mit ihrer Umwelt und der Gesellschaft. • Unterstützung einer reichhaltigen Auseinandersetzung mit kultureller Vielfalt. ... in Bezug auf Bildung: • Unterstützung vielfältiger Wege des Lernens. • Unterstützung durch baukulturelle Bildung im Schulunterricht und im außerschulischem Lernen als ein Weg für interdisziplinäres Lernen. • Förderung von kreativem und kritischem Denken. • Unterstützung von baukultureller Bildung in der informellen und non-formalen Bildung. • Förderung der Rolle von Planer*innen, Architekt*innen und Designer*innen in der Bildung. Über den Zusammenhang von Bildung und Beteiligung Über die Hälfte der Weltbevölkerung wohnt in Städten, davon sind ein sehr gro- ßer Teil Kinder und Jugendliche. Die Welt wird zur Stadt – so könnte man es plakativ ausdrücken. Die zukunftsfähige, nachhaltige Gestaltung von Städten ist damit ein Schlüsselthema für die nachhaltige Entwicklung. Probleme, wie der Ressourcen- und Energieverbrauch oder soziale Polarisierung und Lösungen, wie klimagerechte Architektur, urbanes Gärtnern und neue Wohnformen, liegen hier eng beieinander. Die Sensibilisierung für den eigenen gebauten und gestalte- ten Lebensraum und die Auseinandersetzung mit den Fragen der Zukunft des städtischen und ländlichen Lebens auf der Welt und vor allem den notwendigen Lösungsansätzen ist wesentlicher Inhalt der baukulturellen Bildungsarbeit und macht sie dadurch zu einem Teilbereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kinder und Jugendliche sind intensive Nutzer*innen des Stadtraums. Das Recht auf Beteiligung an allen sie betreffenden Belangen ist ausgehend von der UN- Kinderrechtskonvention in verschiedenen Gesetzen verankert, u.a. im Kinder- und Jugendhilfegesetz sowie in den meisten Kommunalverfassungen der Bun- desländer. Seit der Novellierung des Baugesetzbuchs im Jahr 2013 sind sie auch ausdrücklich in der Baugesetztgebung als Teil der Öffentlichkeit genannt und in die Bauleitplanung einzubeziehen. Gleichwohl ist der Einfluss junger Menschen 161 auf den Stadtraum noch immer gering, ihre Stimmen werden zu selten gehört oder nicht hinreichend ernst genommen. In der konkreten Planungs- und Bau- praxis der Städte und Gemeinden ist die Beteiligung von Kindern und Jugendli- chen vielerorts noch nicht selbstverständlicher Bestandteil des Alltagshandelns. Kinder als Zielgruppe von kinder- und familiengerechter Stadtgestaltung finden zwar oft wohlgemeinte Beachtung. Dies führt aber nicht unbedingt dazu, dass sie auch als Expert*innen in eigener Sache gehört und in die Planung und Ge- staltung von Gebäuden und Städten konkret einbezogen werden. Jugendliche und junge Erwachsene werden als weniger bequeme und schwerer erreichbare Zielgruppe oft ganz ausgeblendet. Aktuell gibt es eine Vielzahl von konkreten Bau- und Planungsaufgaben, bei de- nen die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen ein absolutes Muss sein sollte, darunter die Begleitung von Baumaßnahmen an Schulen, Jugendzentren, Kitas, inkl. Außenraumgestaltung, die Gestaltung von öffentlichen Plätzen und Grünan- lagen. Aber auch bei komplexeren Planvorhaben – wie integrierte Stadtentwick- lungskonzepte und Masterpläne – und architektonischen und städtebaulichen Wettbewerben sollte die Expertise junger Stadtbewohner*innen gefragt sein. Diese Bau- und Planungsaufgaben auf der einen Seite und die gewachsene Bedeutung von Kinder- und Jugendbeteiligung auf der anderen Seite unterstrei- chen den Bedarf an baukultureller Bildung. Mehr noch: die Weiterentwicklung von Kinder- und Jugendbeteiligung an Stadtentwicklung und Architektur pro- fitiert von baukultureller Vermittlungsarbeit. Baukulturelle Bildung und Beteili- gung müssen mehr als bisher zusammengedacht werden. Beteiligungsprojekte, die ohne baukulturelle Bildungsarbeit stattfinden, lassen das Bildungspotential und vor allem die Verstärkung des Effektes ungenutzt, der dadurch entsteht, dass ein realer Bezug zur Lebenswelt besteht. Doch dieser Effekt kommt nur dann zum Tragen, wenn die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen ernst gemeint ist und wertschätzend und möglichst konkret in die Realisierung des Bauprojektes ein- gebracht wird. Darüber hinaus ermöglicht die Berücksichtigung baukultureller Vermittlungsarbeit die erweiterte Wahrnehmung der Problemstellung und somit ein erweitertes Ideenspektrum. JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. Seit 2005 engagiert sich JAS e. V. als gemeinnütziger Verein für die Förderung der baukulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Mit seinen Aktivi- täten möchte der Verein junge Menschen anregen, Architektur, Design, Stadt und Landschaft – die gestaltete Lebensumwelt – mit allen Sinnen wahrzuneh- men, neu zu entdecken undmitzugestalten. Ziel ist es, Kindern einen verantwor- tungsvollen und kreativen Umgang mit unterschiedlichen Räumen zu vermitteln. Das interdisziplinäre JAS e. V. Team besteht u.a. aus Architekt*innen, Stadt- und Regionalplaner*innen, Raumplaner*innen, Landschaftsarchitekt*innen, Pädagog*innen und Kulturwissenschaftler*innen. JAS e. V. ist bundesweit aktiv, mit Schwerpunkten im Ruhrgebiet, Berlin-Branden- burg, Hamburg und München. Seit 2010 gibt es die Kinder- und Jugendakade- mie für Baukultur JAS VOR ORT in Essen als feste Anlaufstelle und außerschuli- sche Bildungseinrichtung mit einem regelmäßigem Angebot zur baukulturellen 162 Bildung. Darüber hinaus ist JAS e. V. international vernetzt über die Plattform PLAYCE (www.playce.org). JAS e. V. arbeitet und finanziert sich projektbezogen und erhält keine institutionelle Förderung. JAS e. V. mischt sich mit seinen Projektideen gezielt in Debatten der Baukul- tur ein. Die einzelnen Projekte werden passend zum jeweiligen Themenschwer- punkt und finanziellen Rahmen neu konzipiert. Weitere Projekte entstehen auch durch Austausch und Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Bildungsträger*innen, Kommunen, Vereinen oder baukulturell interessierten Un- ternehmen. Neben der Vermittlung von Bildung an Kinder und Jugendliche ist auch der fachliche Diskurs unser Anliegen. Dazu engagieren wir uns auch mit Moderationen, Vorträgen und Workshops bei Tagungen und anderen Fachveran- staltungen. Ferner kommuniziert das JAS-Team seine Erfahrungen und Expertise im Bereich der baukulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche durch eigene praxisorientierte Veranstaltungen sowie über Publikationen. Die Zahl derer Initiativen, die sich der Vermittlung von Architektur und Baukultur widmen, ist in den letzten Jahren kräftig gestiegen und findet im Schulunterricht, in Museen, in Workshops von gemeinnützigen Vereinen, Architekturkammern und -zentren sowie von einer Vielzahl von Einzelengagierten. In der Praxis speist sich baukulturelle Bildung aus Ansätzen der Architekturbildung, Umweltbildung, künstlerischen Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Demokratiebil- dung. Die Gemeinsamkeit ist der Bezug zur gebauten Umwelt als Lernanlass und Lernumgebung. Wir favorisieren dabei den Begriff baukultureller Bildung über Architekturvermittlung, weil er umfassender sowohl den gebauten Raum, den Freiraum als auch die vielfältigen Kausalitäten und Prozesse der Raumproduktion inkludiert und einem ganzheitlichen Bildungsbegriff folgt. In der baukulturellen Bildung werden alle Themen aufgegriffen, die im Zusam- menhang mit der Wahrnehmung und Veränderung der gebauten, gestalteten Lebensumwelt stehen. Dazu gehören u. a. Architektur, Stadtplanung, Städtebau, Freiraum und Landschaft, Innenraum und Objekt. Damit ist baukulturelle Bil- dung nicht nur Aufgabe von Architekt*innen – sondern bedarf interdisziplinärer Ansätze und Aktivitäten. Das zeigt nicht zuletzt die Arbeit von JAS e. V., dessen Mitglieder viele Disziplinen abdecken und immer fachübergreifend und multi- professional arbeiten. Gerade aber auch die Vielfalt an Professionen und Initiativen, welche in der baukulturellen Bildung zusammen kommen, sichert, dass heute die Vermittlung von Architektur und Baukultur an vielen Orten und in vielen Situationen erfolgt. Damit ist die baukulturelle Bildungsarbeit ganz weit vorn, wenn es darum geht, ganzheitliche Bildungsprozesse und ganzheitliches Lernen zu fördern. Silke Edelhoff, Ralf Fleckenstein, Britta Grotkamp, Barbara von Jagow, Päivi Kataikko-Grigoleit, Angela Million 163 Abbildungsverzeichnis Sommerakademie S. 8: Martin Schmidt S. 9: Elke Schuhmacher S. 10, 11: Martin Schmidt (oben rechts, unten links) Hingucker S. 17: Laura Heitele und Theresa Alpen (oben rechts) Mapping Hobrecht S. 63: Felix Bentlin Plakatkampagne S. 143: Patricia Eichert Flüstertüte S. 150, 151: Andreas Meichsner Ein Bunker wird verwandelt S. 154, 156: F. Busch Abschnitt 4.1 Präsentieren S. 134: Fotografie im Hintergrund des Ausstellungsfotos: Till Leeser Alle weiteren Fotos wurden von JAS e. V. Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Wer Stadt und Architektur mitgestalten will, muss die Möglichkeit haben, darüber etwas zu lernen! HANDBUCH Das Kernziel der baukulturellen Bildung ist, Kinder und Jugendliche (und Erwachsene) mit Methoden und Prozes- sen der Produktion und Gestaltung von (Stadt-)Raum vertraut zu machen und sie zum aktiven Mitgestalten einzu- DER BAUKULTURELLEN BILDUNG laden. Gespeist aus über einem Jahrzehnt interdisziplinärer Praxiserfahrungen wurden Methoden von Mitgliedern von JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. und damit von Fachleuten aus den Bereichen Architektur, Planung, Jugend Architektur Stadt Pädagogik und Kulturwissenschaft zusammengetragen, mit denen Kindern und Jugendlichen Wissen und Hand- werkszeug über Architektur und Stadt im schulischen und außerschulischen Kontext vermittelt werden kann. Stadt Silke Edelhoff | Ralf Fleckenstein | Britta Grotkamp wird neu gelesen, es werden Zusammenhänge aufgedeckt, Ideen dargestellt, diskutiert und präsentiert. Damit wird Barbara von Jagow | Päivi Kataikko-Grigoleit | Angela Million (Hrsg.) auch die Frage beantwortet, wie eine spannende und bereichernde Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an JAS – Jugend Architektur Stadt e. V. der Gestaltung von Stadt und Architektur aussehen kann. Sonderpublikation des Instituts für Stadt- und Regionalplanung UNIVERSITÄTSVERLAG DER TU BERLIN der Technischen Universität Berlin ISBN 978-3-7983-3074-0 (print) ISBN 978-3-7983-3075-7 (online) Handbuch der baukulturellen Bildung – Jugend Architektur Stadt Silke Edelhoff | Ralf Fleckenstein | Britta GrotkampBarbara von Jagow Päivi Kataikko-Grigoleit | Angela Million (Hrsg.)